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2 Grundlagen Strahlen sind scharf gebündelte Teilchen- oder Energieströme. Strahlung ist die Gesamtheit der aus einer Quelle austretenden Strahlen. Strahlen, deren Energie so groß ist, daß sie beim Durchtritt durch Materie Atome ionisieren können, nennt man ionisierende Strahlen. Es gibt direkt ioni- sierende und indirekt ionisierende Strahlung. Direkt ionisierende Strahlung besteht aus elektrisch geladenen Tei- len, Elektronen, Protonen, Deuteronen und Alphateilchen. Sie rufen Ioni- sation unmittelbar durch Stoß hervor. Indirekt ionisierende Strahlung wird von elektrisch neutralen Teilchen hervorgerufen, von Photonen. Photonen sind Energiepakete, Quanten genannt. Sie besitzen weder Masse noch Ladung, und sie breiten sich in einer transversalen Wellen- bewegung aus. Daraus ergibt sich, daß sie keine unmittelbare Stoßioni- sation bewirken können. Maßeinheit der Energie: Das Elektronenvolt (eV) ist die Maßeinheit für die Energie der Atom-, Kern- und Elementarteilchen. Ein Elektronen- volt entspricht der kinetischen Energie eines Elektrons mit der Ladung 1, das sich bei einer Potentialdifferenz von 1 Volt im Vakuum bewegt. Das Spektrum der Photonenstrahlung (elektromagnetischen Strah- lung) . Das Spektrum der Photonenstrahlung erstreckt sich über einen großen Bereich von Quantenenergien: von den energiearmen Radiowel- len über Infrarot, sichtbares Licht, Ultraviolett, energiereiche Röntgen- und Gammastrahlen bis zur kosmischen Strahlung. Die Photonenflußdichte einer Strahlung entspricht der Photonenzahl, die pro Zeiteinheit (s) eine definierte Fläche (m 2 ) durchdringt. Gemeinsame Eigenschaften der Photonenstrahlung: Der Transport der Strahlung geschieht in Form von Quanten. Die Strahlung breitet sich geradlinig aus: Die Strahlung breitet sich von der Quelle als Bündel aus, im freien Raum gilt für sie das Abstandsquadratgesetz (s. Kap. 4.14). Die Strahlung bewegt sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit fort, 3 · 1QK mJs.

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2 Grundlagen

Strahlen sind scharf gebündelte Teilchen- oder Energieströme. Strahlung ist die Gesamtheit der aus einer Quelle austretenden Strahlen. Strahlen, deren Energie so groß ist, daß sie beim Durchtritt durch Materie Atome ionisieren können, nennt man ionisierende Strahlen . Es gibt direkt ioni­sierende und indirekt ionisierende Strahlung.

Direkt ionisierende Strahlung besteht aus elektrisch geladenen Tei­len, Elektronen, Protonen, Deuteronen und Alphateilchen. Sie rufen Ioni­sation unmittelbar durch Stoß hervor. Indirekt ionisierende Strahlung wird von elektrisch neutralen Teilchen hervorgerufen, von Photonen.

Photonen sind Energiepakete, Quanten genannt. Sie besitzen weder Masse noch Ladung, und sie breiten sich in einer transversalen Wellen­bewegung aus. Daraus ergibt sich, daß sie keine unmittelbare Stoßioni­sation bewirken können.

Maßeinheit der Energie: Das Elektronenvolt (eV) ist die Maßeinheit für die Energie der Atom-, Kern- und Elementarteilchen. Ein Elektronen­volt entspricht der kinetischen Energie eines Elektrons mit der Ladung 1, das sich bei einer Potentialdifferenz von 1 Volt im Vakuum bewegt.

Das Spektrum der Photonenstrahlung (elektromagnetischen Strah­lung) . Das Spektrum der Photonenstrahlung erstreckt sich über einen großen Bereich von Quantenenergien: von den energiearmen Radiowel­len über Infrarot, sichtbares Licht, Ultraviolett, energiereiche Röntgen­und Gammastrahlen bis zur kosmischen Strahlung.

Die Photonenflußdichte einer Strahlung entspricht der Photonenzahl, die pro Zeiteinheit (s) eine definierte Fläche (m2

) durchdringt.

Gemeinsame Eigenschaften der Photonenstrahlung: • Der Transport der Strahlung geschieht in Form von Quanten. • Die Strahlung breitet sich geradlinig aus: • Die Strahlung breitet sich von der Quelle als Bündel aus, im freien

Raum gilt für sie das Abstandsquadratgesetz (s. Kap. 4.14). • Die Strahlung bewegt sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit fort,

3 · 1QK mJs.

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32 2 Grundlagen

• Die Energieflußdichte der Strahlung wird in Materie verringert (Schwächung).

• Die Strahlung wird von elektrischen oder magnetischen Feldern nicht beeinflußt.

Fiir die Erklärung der Wirkungen der Bildentstehung durch die Rönt­genstrahlung stehen zwei Modelle zur Verfügung: • das Strahlenmodell, • das QuantenmodelL Das Strahlenmodell wurde zu Gunsten des Quantenmodells verlassen.

2.1 Elemente und Atome

Elemente lassen sich nicht mehr in weitere stoffliche Bestandteile zerle­gen. Atome sind die kleinsten Teile eines Elementes, die noch dessen Eigenschaften besitzen und chemisch nicht weiter zerlegt werden kön­nen, ohne diese zu verlieren. Das Atom besteht aus einer Vielzahl von Elementarteilchen: Elektro­nen, Positronen, Neutrinos, Mesinos und vielen kleineren Komponenten. Die Elementarteilchen unterscheiden sich durch die Eigenschaften der Ruhemasse, der elektrischen Ladung, des Eigendrehimpulses (Spin) und durch die unterschiedliche mittlere Lebensdauer.

Ein Teil der Elementarteilchen, die Nukleonen, befindet sich im Kern. Nukleone. bestehen aus Protonen, dem positiv geladenen Zustand des Kerns, und aus Neutronen. Sie entsprechen seinem elektrisch neutralen Zustand. Die Masse eines Nukleons beträgt das 1840fache der Elektro­nenmasse.

Der Durchmesser des Atomkerns beträgt 10-14 m, und der Abstand des positiven geladenen Kerns von der Elektronenhülle ist verhältnismäßig groß. Die Hülle besteht aus mehreren den Kern umgebenden Schalen, die mit Elektronen besetzt sind. Atomkern und Hülle weisen einen Gesamt­durchmesser von 10·1r' m auf.

Die Zahl der Protonen entspricht der Kernladungszahl oder Ord­nungszahl Z. Ein chemisches Element ist durch die Zahl der Protonen definiert.

Die Elektronen sind negativ geladene Elementarteilchen. Sie bewegen sich in definierten Bahnen um den Atomkern.

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2.1 Elemente und Atome 33

Beim elektrisch neutralen Atom entspricht die Elektronenzahl der Hülle der Zahl der positiv geladenen Protonen im Kern. Da sich die nega­tive Ladung der Elektronen und die positive der Protonen entsprechen, heben sich ihre Ladungen auf, das Atom wirkt sich nach außen elektrisch neutral aus. Im Gegensatz dazu sind Ionen positiv oder negativ geladene Atome, deren Protonen- und Elektronenzahlen nicht identisch sind.

Die Massenzahl gibt die Summe der Protonen und Neutronen im Atomkern an, die Anzahl der Nukleonen. Atome einer bestimmten Pro­tonen-, aber nicht identischen Neutronenzahl im Kern, werden als Isoto­pe des betreffenden Elementes oder Nuklids bezeichnet.

Das Bohr-Atommodell ermöglicht eine bildhafte Vorstellung des Aufbaus der Elektronenumlaufbahnen, der Elektronenhülle. Die Elektronen umlaufen den Kern in einem Schalenmuster, jede Schale besitzt ein bestimmtes geometrisches Muster. Die Schalen haben einen definierten Abstand zum Kern und eine Maximalzahl an Elektronen. Die Schalen werden in der Reihenfolge von innen nach außen alphabetisch mit Groß­buchstaben bezeichnet. Die Schalenelektronen sind mit einer jeweils typischen Bindungsenergie an den Atomkern gebunden. Die innerste Schale ist die K-Schale, sie weist den kleinsten energetischen Zustand auf.

Die Bindungsenergie (Potentialdifferenz) der Elektronen in Schalenpo­sition ist bei den Elementen unterschiedlich, sie steigt mit zunehmender Ordnungszahl der Elemente.

M-Schale

Abbildung 2-1: Schematische Darstellung des Bohr-Atommodells

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34 2 Grundlagen

2.2 Ionisation und Anregung

Gelangt Energie durch Strahlung oder durch freie Elektronen in das System der Atomhülle, kann es zu Wechselwirkungen mit den gebunde­nen Elektronen oder mit dem elektrischen Feld des Atomkerns kommen. Am Atom tritt Anregung auf, wenn ein gebundenes Hüllenelektron aus seinem Grundzustand (mit niedriger Energie) einen Zustand höherer potentieller Energie erreicht, indem es seinen Standort verläßt und einen freien Platz einer kernferneren Schale besetzt, aber im Atomverbund bleibt. Zustände der Anregung können hervorgerufen werden durch: • die Absorption eines Photons mit passender Energie; • einen unelastischen Zusammenstoß mit einem schnellen, d.h. ener­

giereichen Elektron. • den Zusammenstoß eines Atoms im Grundzustand mit einem ange­

regten Atom. Dabei wird die Anregungsenergie von einem Atom auf das andere übertragen.

Da nach dem Energieminimierungsgesetz jedes physikalische System ein möglichst kleines Energieniveau zum Ziel hat, strebt ein angeregtes Elektron seine Ausgangsposition in der energieärmeren Schale wieder an. Die zur Anregung aufgewendete Energie wird wieder freigegeben. Dies geschieht meist in Form von Quantenstrahlung, zum Beispiel durch Lichtausstrahlung.

Zur Ionisation eines Atoms kommt es, wenn einem Schalenelektron Energie zugeführt wird und dieses sich ganz aus der Kernbindung löst. Die kann erfolgen durch: • Stoßionisation. Ein geladenes Teilchen (Elektron, Proton usw.), das

genügend kinetische Energie besitzt, stößt mit einem Atom zusam­men.

• Photoionisation. Sie erfolgt durch Absorption eines Photons, dessen Energie größer ist als die Bindungsenergie eines der Hüllenelektro­nen.

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2.3 Energ ieübertragungen durch Elektronen

2.3 Energieübertragungen durch Elektronen - Erzeugung von Röntgenstrahlung

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Röntgenstrahlen werden mit Röntgenröhren erzeugt; energiereiche (freie) Elektronen prallen auf Anoden auf. Die Atome des Schwermetalls der Anoden dienen als Target (Zielscheibe). Dabei treten charakteristi­sche Röntgenstrahlung und Bremsstrahlen auf.

Abbildung 2-2: Vereinfachte schematische Darstellung der Erzeugung von Röntgenstrahlung. Aus der Katho­de treten Elektronen aus und prallen mit hoher Geschwindigkeit auf die Anode, dabei ent­stehen Röntgenstrahlen.

2.3.1 Charakteristische Röntgenstrahlung (Abb. 2-3)

Am Metall der Anode werden die schnellen und freien Elektronen abge­bremst und dringen von außen in das System der in der Atomhülle gebundenen Elektronen ein. Die freien Elektronen treten in Wechselwir­kun sowohl mit den Hüllenelektronen als auch mit dem elektrischen

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36 2 Grundlagen

Feld des Atomkerns. Im ersten Falle wird dem Hüllenelektron durch einen Stoß Energie übertragen, und es nimmt einen Platz auf einer kern­ferneren Schale {Anregung) ein , oder die Energieübertragung ist größer als die Bindungsenergie und es tritt Ionisation ein, das Hüllenelektron verläßt den Atomverband.

Kathoden-Eiekiro;-

Abbildung 2-3:

M lmax. 18 Elektronen)

herausgeschossenes K· lektron

Eigenstrahlung Kß

Schematisches Modell der Entstehung der charakteristischen Röntgenstrahlung. Ein Katho­denelektron schleudert aus einem Anodenatom ein Elektron aus der K-Schale. Der freiwer­dende Platz wird entweder durch ein Elektron der äußeren Schale oder durch ein Elektron der darüber liegenden Scha le besetzt. Bei den Elektronensprüngen auf Schalen niedrigerer Ener· gieniveaus werden Röntgenphotonen bestimmter Energiebeträge frei .

In beiden Fällen entsteht ein freier Platz auf den Ausgangsschalen der Hüllenelektronen, die von Elektronen der kernferneren Schalen mit höherem Energiepotential besetzt werden. Dabei verringert sich die potentielle Energie der jeweiligen Elektronen. Die Differenz der Energie­zustände geben die Atome als elektromagnetische Schwingungen ab.

Jedes Element im Periodensystem weist eine typische bestimmte Zahl von Potentialdifferenzen auf. Diese sind festlie ende Werte, die

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2.3 Energieübertragungen durch Elektronen 37

der Energie der emittierten Strahlung mit den typischen Linienspektren entsprechen, der charakteristischen Röntgenstrahlung. Die Gesamtener­giezusammensetzung ist für die einzelnen Elemente charakteristisch. Eine Linie entspricht der Strahlung einer Wellenlänge. Abbildung 2-4 zeigt ein Beispiel eines Linienspektrums einer charakteristischen Rönt­genstrahlung.

Die im Spektrum auftretenden Emissionsspitzen werden mit den Buch­staben derjenigen Elektronenschalen des Atoms bezeichnet, auf welche die Elektronen in den Grundzustand zurückgesprungen sind.

Bei Energieübergängen der äußeren Schalen mit geringen Bindungs­energien und daher kleinen Potentialdifferenzen emittiert das Atom Lichtstrahlen. Bei Energieübergängen der inneren Schalen mit hohen Bindungsenergien und daher großen Potentia,ldifferenzen emittiert das Atom Röntgenstrahlen.

Dosisleistung I

Energ1e

Abbildung 2-4: Beispiel eines Linienspektrums; Dosisleistung als Funktion der Photoenergie.

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2.3.2 Bremsstrahlung

2 Grundlagen

Wenn freie energiereiche Elektronen in ein Atom eindringen, ohne daß sie ihre Energie auf Schalenelektronen übertragen, treten sie in Wechsel­wirkung mit dem elektrischen Feld des positiv geladenen Atomkerns, das zwischen den Schalenelektronen und dem Atomkern besteht. Dabei wer­den die Elektronen abgebremst und teilweise abgelenkt. Die Elektronen geben einen Teil, in seltenen Fällen die ganze kinetische Energie in Form Pinrs Photons ab. Photonen aus diesem Prozeß bilden die Bremsstrah­lung (Abb. 2-5) .

Atomkern

Abbildung 2-5: Wechselwirkung der Kathodenelektronen am Atomkern. Das Elektron wird entsprechend der elektrostatischen Kraft in Hyperbelbahnen um die Atomkerne gelenkt. Es gibt je nach seinem Abstand vom Kern kinetische Energie in Form von Strahlenenergie ab.

Mit der zunehmenden Ordnungszahl der Elemente der Targets (Anode) wächst die Ausbeute an Bremsstrahlung. Die Bremsstrahlung (heteroge­ne Strahlung) besitzt ein kontinuierlich ablaufendes Spektrum, dessen obere Energiegrenze nahezu identisch mit der Energie der einfallenden Elektronen ist.

Im Spektrum der Röntgenstrahlung ragen die Linienspektren der cha­rakteristischen Röntgenstrahlung als Emissionsspitzen heraus (Abb. 2-6).

Die maximale Quantenenergie eines Bremsstrahlenspektrums ent­spricht der Grenzenergie (Grenzwellenlänge), die Strahlung weist dann die höchste Frequenz und die niedrigste Wellenlänge auf.

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2.3 Energieübertragungen durch Elektronen 39

111--Ka

110 kV -l.okv......._ ~I ~

'-' V'\Kß "' I SO kV ~ .~ r----...

)I ..........

~ ~ ~ r--. 0 20 40 60 80 100 keV

Photonenenergie

Abbildung 2-6: Photonenflußdichte (Intensität) der Röntgenbremsstrahlung einer Wolframanodenröhre bei verschiedenen Röhrenspannungen. Bei der 11 0-kV-Strahlung sind die Ka- und Kß-Linien des Linienspektrums deutlich nachweisbar.

2.3.3 Wärmeenergie

Beim Auftreffen eines freien Elektrons auf die Atome des Anodenmateri­als (Target) tritt am Elektron mindestens ein elementarer Prozeß auf. Das Elektron gibt Teile seiner kinetischen Energie an ein Schalenelektron ab. Dabei wird das Schalenelektron angeregt oder vom Atom abgetrennt. Ein Elektron kann mehrere Atome anregen oder ionisieren. Ein angeregtes Atom gibt im Festkörper seine Anregungsenergie an Nachbaratome wei­ter. Ionisation und Anregung erhöhen die Energie des Atoms, es entsteht Wärme.

Im Spannungsbereich der Röntgendiagnostik wird die kinetische Ener­gie der eindringenden Elektronen vor allem in Wärme, weniger als ein Prozent in Röntgenstrahlung umgesetzt. Dagegen liefern die hohen kine­tischen Energien der Elektronen der Hochvolttherapie (Beschleuniger) mehr Rönt enstrahlung als Wärme.

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40 2 Grundlagen

2.4 Schwächung der Röntgenstrahlung (Photonenstrahlung) im Körper (Abb. 2-7)

Die primäre Wechselwirkung der Photonen mit Materie bewirkt eine Intensitätsabschwächung der Strahlung. Bei der Schwächung treten Energieübertragungen, Energieabsorption und Energieumwandlung auf. Sie werden in den folgenden 3 Kapiteln beschrieben: Photoeffekt, Compton-EtTekt und Paarbildungsprozeß.

Eine einfache modellhafte Zeichnung (Abb. 2-7) soll die Abläufe bei der Durchstrahlung von Materie erläutern. Paarbildungsprozesse haben nur in der Strahlentherapie mit hohen Photonenenergien eine Bedeutung.

Streustrahlung

Primärstrahlung

2.4.1 Photoeffekt.

Abbildung 2-7: Schematische Darstellung der Abschwächung von Röntgenstrahlen im Diagnostikbereich.

Der Photoeffekt führt zur Absorption von Röntgenstrahlen . Die Energie des in Materie einfallenden Photons wird vollständig auf ein Schalen­elektron als Bewegungsenergie übertragen. Die Energieübertragung geschieht vorwiegend an den inneren Schalen (K-, L-Schalen). Die Ener­gie des Photons zur Freisatzung des Elektrons muß größer als dessen Bindungsenergie sein. Das freigesetzte Elektron, das Photoelektron, kann auch die Freisatzung eines weiteren sekundären Elektrons bewirken (Abb. 2-8).

Die Möglichkeit des Auftretens des Photoeffektes ist von der einwi rken­den Photonenenergie und der Dichte des wechselwirkenden Materials abhängig. Der Photoeffekt ist am ehesten bei Elementen mit hoher Ord­nungszahl und bei niedriger Photonenenergie zu erwarten. Aus diesem

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2.4 Schwächung der Röntgenstrahlung im Körper 41

Grunde verwendet man in der Röntgendiagnostik zur Abschirmung von Räumen und für die Schutzkleidung Materialien mit hoher Ordnungszahl, z.B. Materialien mit integrierten Bleioxidpartikeln.

Die Wahrscheinüchkeit des Auftretens des Photoeffektes wird mit Hilfe des Photoabsorptionskoeffizienten beschrieben. Er wächst etwa mit der 3. Potenz der Ordnungszahl der Atome eines in Wechselwirkung ste­henden Elementes. In gleichem Maße nimmt der Photoabsorptionskoeffi­zient mit zunehmender Photonenenergie ab.

Wenn die eingestrahlte Photonenenergie gleich der Bindungsenergie des Schalenelektrons ist, dann tritt ein Resonanzeffekt auf, der beson­ders günstige Bedingungen für das Auslösen eines Photoelektrons bietet. Mit zunehmender Photonenenergie nimmt die Ausbeute der Photoeffekte kontinuierlich ab. Sie wird beim Auftreten der Resonanzbedingungen durch das Auftreten von Emissionsmaxima unterbrochen. Die graphi­sche Darstellung der Photoabsorption in Abhängigkeit von der Energie zeigt an diesen Stellen der Emissionsmaxima scharfe Kanten, die Absorptionskanten (Abb. 2-9).

Die Richtung der emittierten Photoelektronen weist eine Abhängigkeit von der Energie der wechselwirkenden Photonen auf. Mit zunehmender Energie nähert sich der Emissionswinkel oo und verläuft in gleicher Rich­tung mit dem einstrahlenden PhotonenbündeL

M Abbildung 2-8: Schematisches Modell des Photoeffektes. Beim Photoeffekt wird ein Elektron aus einer inne­ren Schale durch vollständige Absorption eines Photons freigesetzt.

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42 2 Grundlagen

0,01

Abbildung 2-9: Absorptionskanten der Kurve des

0.001 L_ _______ __,_ __ __, Photoabsorptionskoeffizienten. 1 oo PhAK = Photoabsorptionskoeffizient 0.01 0.1 10

Pholonenenergie (MeV)

2.4.1.1 Absorption durch den Photoeffekt in der Röntgendiagnostik Schwächung durch Absorption der Röntgenstrahlung in Abhängig­keit von der Materiedichte. Die Dichte errechnet sich aus dem Quotien­ten Masse durch Volumen. Mit der Zahl der Atome pro Volumeneinheit wächst die Absorption. Es besteht ein direktes Verhältnis zwischen Dich­te und Absorption (Tab. 2-1). Der Absorptionskoefftzient der Strahlung wächst mit der Dichte einer zu durchstrahlenden Materie.

Lufthaltige Organe lassen sich von Weichteil- und Knochengeweben gut abgrenzen; die Dichteunterschiede betragen nach Tabelle 2-1 etwa 1:1000.

Tabelle 2-1: Dichte verschiedener Stoffe

Durchstrahlte Materie

Luft Weichteile und Wasser Knochen

Dichte, (g/cm3)

0,001283 1.0

2.0-2.5

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2.4 Schwächung der Röntgenstrahlung im Körper 43

Schwächtmg durch Absorption der Röntgenstrahlwtg in Abhängig­keit von der Materiedicke. Die Absorption nimmt linear mit der Mate­riedicke zu. Schwächung durch Absorption in Abhängigkeit von der chemischen Beschaffenheit- Ordnungszahl. Der Absorptionskoeffizient einer Rönt­genstrahlung bis zu 100 kVo ändert sich etwa proportional mit der 3. Potenz der Ordnungszahl Z der durchstrahlten Materie. Die wesentlichen in den Weichteilen enthaltenen Elemente sind in Tabelle 2-2 angegeben.

Tabelle 2-2: Ordnungszahlen der wichtigsten Elemente

Atom Chemisches Symbol Ordnungszahl Z

Wasserstoff H 1

Kohlenstoff c 6 Stickstoff N 7

Sauerstoff 0 8

Kalzium Ca 20

Die effektive Ordnungszahl des Wassers und der Weichteile der tierischen und menschlichen Körper beträgt etwa Z = 7. Die effektive Ordnungszahl wird aus dem prozentualen Anteil der einzelnen Elemente des betreffen­den Stoffes errechnet. Das Knochengewebe besitzt durch den großen Kal­ziumgehalt eine höhere effektive Ordnungszahl als die Weichteile. Aus der unterschiedlichen Absorption entstehen die Kontraste (Tab. 2-3).

Tabelle 2-3: Effektive Ordnungszahlen

Durchstrahlte Materie

Wasser Luft Weichteile

Knochen

Effektive Ordnungszahl

7 7,54

7.42 9-12

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44 2 Grundlagen

Die Ordnungszahlen der kontrastgebenden Substanzen in den verschie­denen Kontrastmitteln wie Jod oder Barium sowie der Substanzen, die zur Strahlenabschirmung verwandt werden, Blei und Wolfram, sind in

Tabelle 2-4 gezeigt.

Tabelle 2-4: Ordnungszahlen von kontrastgebenden Elementen und von strahlenabschirmenden Substanzen

Atom Chemisches Symbol

Jod J Barium Ba Wolfram w Blei Pb

Ordnungszahl

53 56 74 82

Schwächung durch Absorption der Röntgenstrahlung in Abhängig­keit von der Strahlenenergie. Die Absorption der Strahlung in der Mate­rie ändert sich proportional mit der 3. Potenz ihrer Energie. Energieär­mere Strahlen werden pro Zentimeter Schicht gleichen Stoffes stärker absorbiert als energiereichere. Ordnungszahlenkontraste, das heißt die Absorptionsunterschiede zwi­schen Weichteilen und Knochen, sind bei energiearmer Röntgenstrah­lung wesentlich größer als bei energiereichen Strahlen.

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Photonenenergie (Wellenlänge Härte) Ordnungszahl

Absorption verringert sich proportional Absorption steigt mit der mit der 3. Potenz der Photonenenergie 3. Potenz der Ordnungszahl

Abbildung 2-10:

Dichte (spez. Gew.)

Absorption ändert sich mit der Dichte

Dicke

5 . .

D D Absorption ändert sich mit der Dicke

ln einem schematischen Modell sind Schwächungstaktoren der Röntgenstrahlung zusammengefaßt. Die Breite der Pfeile soll die Dosislei­

stung der Röntgenstrahlung andeuten.

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46 2 Grundlagen

2.4.2 Compton-Effekt (Abb. 2-11)

Beim Compton-Effekt entsteht in der durchstrahlten Materie eine Wech­selwirkung zwischen Photonen und den schwächer gebundenen äußeren Schalenelektronen. Das Photon verliert durch den Ausstoß eines Elek­trons einen Teil seiner Energie und wird aus seiner ursprünglichen Rich­tung abgelenkt. Das Elektron verläßt als Compton-Elektron das dann ionisirrte Atom. Seine kinetische Energie ist meist noch ausreichend für rl11· Ionisation weiterer Atome aufseiner Bahn.

Abbildung 2-11: Schematisches Modell des Compton-Effektes. Beim Campton Effekt wird ein Elektron aus einer äußeren Schale durch Absorption eines Photons freigesetzt. Dabei wird ein Photon geringerer Energie in einem abweichenden Winkel abgestrahlt.

Der Compton-Effekt wird als Streuw1g (inkohärente Streuung) be­zeichnet. Die Compton-Streuung ist, im Gegensatz zum Photoeffekt, weitgehend unabhängig von der Ordnungszahl der Atome. Dies ist auf die abschirmende Wirkung des elektrischen Feldes der inneren Elektro­nenschalen zurückzuführen.

Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Compton-Effektes wird mit dem Compton-Wechselwirkungskoeffizienten berechnet. Da nicht

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2.4 Schwächung der Röntgenstrahlung im Körper 47

die gesamte Photonenenergie bei der Wechselwirkung auf das Elektron übertragen, sondern auch ein Teil absorbiert wird, setzt sich der Koeffi­zient aus den beiden Komponenten Campton-Streukoeffizient und Comp­ton-Absorptionskoeffizient zusammen. Der Campton-Absorptionskoeffi­zient wächst mit zunehmender Dichte der Materie.

Eine Sonderform der Streuung ist die klassische Streuung oder die kohärente Streuung. Sie liegt vor, wenn am Photon eine Richtungsände­rung ohne Energieverlust eintritt. Eine Elektronenhülle nimmt die Ener­gie des einfallenden Photons auf und gibt sie in Form eines Photons glei­cher Energie wieder ab. Parameter, die den Streustrahlenanteil beeinflussen. Die Untersu­chungen .an Wasserphantomen ergaben folgende Abhängigkeiten: • Der Streustrahlenanteil wächst mit dem durchstrahlten Körper­

volumen. • Bei einer Steigenmg der Feldgröße bis etwa 250 cm2 nimmt der

Streustrahlenanteil signifikant zu. Ein weiterer Anstieg der Feldgröße ändert nur unwesentlich den Anteil an Streustrahlung.

• Der in der Röntgendiagnostik augewandte Röhrenspannungsbe­reich hat einen nahezu konstanten Streustrahlenanteil an der Primärstrahlung. Erst eine Erhöhung der Röhrenspannung bis zu 150 kV0 bringt eine unbedeutende Zunahme der Streustrahlung.

Beispiele für den Streustrahlenanteil bei verschiedenen Aufnahmen der Röntgendiagnostik: Der Streustrahlenanteil ist abhängig vom Typ der Organaufnahme und von der Körperbeschaffenheit der Patienten. Bei der pa Beckenaufnahme (90 kV0 ) eines mittelgewichtigen Patienten tritt ein Streustrahlenanteil von 80% und beim schwergewichtigen eine solche von 85-90% auf. Die seitliche Beckenaufnahme (80 kV0 ) weist einen noch höheren Streustrah­lenanteil von bis zu 95% auf. Bei pa Lungenaufnahme beträgt der Streu­strahlenanteil (120 kV0 ) 55-65% und bei der p.a.-Schädelaufnahme (70 kV0 ) mit kleinerem Format 45%.

Die Kontrastabbildtmg von Details im Körper hängt von deren Lage im Körper ab. Der Kontrast eines von der Bildebene entfernteren Details ist durch einen stärkeren Streustrahlenanteil im Detailschatten ver­schlechtert.

Die Streustrahlung erstreckt sich über das ganze Format des Rönt­genfilmes und bewirkt eine nahezu homogene Schwärzung des Filmes mit einem flachen Maximum in Formatmitte. Diese Zusatzbelichtung

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48 2 Grundlagen

führt zu einer von der Streustrahlenintensität abhängigen Kontrastmin­derung des Röntgenbildes. Ein 50-%-Anteil der Streustrahlung an der Primärstrahlung reduziert den Bildkontrast auf die Hälfte. Die Maßnahmen zur Verringerung des Streuanteils in der Röntgendia­gnostik werden im Kapitel 5.3 beschrieben.

2.4.2.1 Streuung (Compton-Effekt) in der Röntgendiagnostik Wird ein Objekt von der aus dem Röntgenstrahler (Röntgenröhre) austre­tenden Nutzstrahlung getroffen, kann diese durch Absorption und auch durch Streuung geschwächt werden. Die Strahlung, die aus dem Körper ohne Richtungsänderung austritt, ist die bildgebende Primärstrah­lung.

Strahlung, die eine Richtungsänderung erfährt, nennen wir Streu­strahlung. Sie ist für die Bildgebung unerwünscht, sie hat keine bild­gebende Funktion und sie vermindert die Bildkontraste. Ihre Energie ist bei den verwendeten Energiebereichen nur wenig geringer als die aus dem Röntgenstrahler emittierte Röntgenprimärstrahlung.

Streurichtung. Die auf die Elektronen übertragene Energie und der Winkel, den die gestreuten Photonen mit der Primärstrahlenrichtung bil­den, hängen von der primären..Photonenenergie ab. Die in der Röntgen­diagnostik auftretenden Photonenenergien streuen einen hohen Anteil der Photonen in die entgegengesetzte Richtung: Der Winkel zwischen Primärstrahlung und gestreuten Photonen beträgt mehr als 90°. Photo­nen mit höherer Energie streuen bevorzugt in Richtung der Primärstrah­lung (Abb. 2-12).

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2.4 Schwächung der Röntgenstrahlung im Körper

Abbildung 2-12: Schematische Wie­dergabe der Schwä­chungsvorgänge der diagnostischen Rönt­genstrahlung bei zwei verschiedenen Spannungswerten. a} Niedrige Span­nung: Die Absorption überwiegt. Die Streuung erfolgt nach allen Richtun­gen. b} Höhere Span­nung: Abnahme der Absorption und relative Zunahme der Streustrahlung. Die Strahlung wird mehr in Richtung der Primärstrahlung gestreut.

niedrige Röhrenspannung

Primärstrahlung absorbierte Strahlung Streustrahlung

I

höhere Röhrenspannung

2.4.3 Paarbildungsprozeß

'\. ~

49

L ~

) I

/

K:\ I I

BildeoJne a

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I

"""' / ... b

Der Paarbildungsprozeß tritt bei einer Photonenenergie von über 1,2 MeV auf, er hat nur für Betrachtungen auf dem Gebiet der Strahlenthe­rapie eine Bedeutung. Wenn ein energiereiches Photon in die Nähe eines Atomkerns gelangt, tritt eine Wechselwirkung mit dem elektrischen Kernfeld auf. Spontan entsteht ein Paar aus einem negativen und positi­ven Elektron (Positron). Das Photon verliert seine Energie und ver­schwindet. Der Paarbildungskoeffizient gibt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Paarbildungsprozesses an. Er wächst mit der Ord­nungszahl des wechselwirkenden Materials und mit dem Logarithmus der Photonenenergie (Abb. 2-13).

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50

2.5

Elektron

+ Positron

2 Grundlagen

Abbildung 2-13: Schematisches Modell der Paarbi ldung. Wechselwirkung mit einem Kernfeld. Dabei treten je ein Elektron und Positron auf

Zusammenfassung der Schwächung der Röntgenstrahlung (Photonen) in der Materie (Abb.2-14, 2-15)

Die Gesamtschwächung eines Photonenstrahlenbündels ist in der Rönt­gendiagnostik im wesentlichen bedingt durch die Absorption und die Streuung, die Richtungsänderung der Photonen.

Bei der Absorption sind folgende Vorgänge beteiligt: Photoeffekt, Paar­bildung und die Compton-Absorption.

Die bei den Wechselwirkungsprozessen freigesetzten Elektronen kön­nen weitere Prozesse auslösen, so daß das Strahlenbündel auf dem Weg durch die Materie seine primären Eigenschaften verliert.

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2.5 Schwächung der Röntgenstrahlung

Abbildung 2-14: Schematische Dar­stellung sämtlicher Schwächungsvor­gänge.

51

I Photoeffekt I

e

I Klassische Streuung I

gestreutes Photon

gestreutes Photon

I Campton-Streuung I -e

-e I Paarbildung I

Proton

I Kernreaktion,!

Schwächung von Röntgen- oder Photonenstrahlen

Abbildung 2-15: Schwächung von Röntgen- oder Photonenstrahlung.

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52 2 Grundlagen

2.5.1 Schwächungsvorgänge in Abhängigkeit von der Strahlenenergie

Im vorliegenden Schema sind die Schwächungsvorgänge der Röntgen­strahlen bei zunehmender Strahlenenergie aufgezeigt. Mit zunehmender Energie verringert sich die Photoabsorption, dagegen nimmt die Camp­ton-Absorption zu. Bei einer weiteren Energieerhöhung über 1,02 MeV tritt Paarbildung auf, und der Compton-Effekt geht zurück (Abb. 2-16).

Absorption Streuung Paarbildung kV0

10 100%

200 1-------o •• -----~

400~----------

1000 t-----------\

100000 .__ _______________ j

Abbildung 2-16: Schwächungsvorgänge der Röntgenstrahlung in Abhängigkeit von der Röhrenspannung. Die schematische Abbildung soll eine Vorstellung der Vorgänge schaffen. Die Zahlenangaben sind nur annährend zu werten.

2.5.2 Gesamtschwächungskoeffizient

Mit dem Gesamtschwächungskoeffizienten wird die Schwächung der Röntgenquanten in Materie ermittelt. Wesentliche Faktoren für die Be­rechnung der Schwächungskoefilzienten sind uan..ten_ene:rgie, Dichte

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2.5 Schwächung der Röntgenstrahlung 53

und Ordnungszahl des schwächenden Materials. Die Berechnung des Gesamtschwächungskoeffizienten findet in der Praxis keine Anwendung, denn die Röntgenbremsstrahlung enthält, im Gegensatz zur charakteri­stischen Strahlung, ein relativ breites energetisches Quantenspektrum (heterogene Röntgenstrahlung). das eine mathematische Berechnung kompliziert und erschwert.

2.5.3 Projektionsbedingte Reduktion der Röntgenstrahlung

Röntgenstrahlen werden als divergierendes Strahlenbündel emittiert. Die Divergenz der Strahlung bewirkt mit zunehmender Entfernung von der Quelle eine projektionsbedingte Reduktion (s. Geometriefaktor, Ab­standsquadratgesetz. s. Kap. 4.1.4.

2.5.4 Aufhärtung

Beim Durchtritt durch Materie sind die energieabhängigen Schwächungskoeffizienten für den Effekt der Aufhärtung verantwortlich. Der Photoeffekt ist wesentlich an der Schwächung der Strahlung beteiligt. Die energieärmeren Photonen sind weit mehr betroffen als die energie­reicheren. Ein großer Teil der energieärmeren Quanten des Röntgen­spektrums verschwindet. Es ist eine Filterwirkung. bei der eine relative Zunahme der energiereichen Quanten eintritt und die Grenzenergie (maximale Quantenenergie) gleichbleibt Der Vorgang wird als .,Aufhär­tung" bezeichnet.

Zusammengofaßt ist zu sagen: Mit wachsender Eindringtiefe wird die effektive Energie der Strahlung größer und die Photonenflußdichte klei­ner. Daraus ist zu folgern. daß der Gesamtschwächungskoeffizient mit steigender mittlerer Energie der Photonen im Strahlenspektrum abnimmt.

Die Reduktion der Intensität eines Bremsspektrums wird in Abbildung 2-17 demonstriert. Aufgezeichnet ist die Dosisleistung der Strahlung als Funktion der Wellenlänge. Hier tritt die oben beschriebene relative Zunahme der energiereicheren Quantenanteile in Erscheinung.

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54

Dosis­leistung

2.5.5

II 111 IV

Halbwertschichtdicke - Homogenitätsgrad

a

b

2 Grundlagen

Abbildung 2-17: Schematische Dar-stellung der Filte-rung einer heteroge-nen Strahlung. a) Die Strahlung wird durch die Filter geschwächt. b) Darstellung der Strahlenspektren der einzelnen Phasen der Filterung Die Grenzwellenlän-ge bleibt gleich. Der Anteil der lang-welligen. energieär-meren Strahlen nimmt ab

Die Qualität einer Strahlung läßt sich durch ihre Schwächungskurve bestimmen. Als schwächendes Material verwendet man Standardstoffe mit hohem Reinheitsgrad z.B. Kupfer. Die Meßanordnung ist in der Abbil­dung 2-18 wiedergegeben. In der Praxis begnügt man sich mit der Mes­sung von zwei IIalbwertschichtdicken. Die Halbwertschichtdicke (auch kurz I laibwertdicke genannt) wird mit "s" bezeichnet. Diese ist die Schichtdicke eines Stoffes, die die Standardionendosis (im großen Abstand vom Absorber gemessen) auf die Hälfte herabsetzt. Je härter oder energiereicher eine Strahlung ist, um so größer ist die entsprechen­de Halbwertschichtdicke. Bei monoenergetischer Strahlung sind die Halbwertschichtdicken konstant (Abb. 2-19). Bei heterogener Strahlung, die sich aus Quanten verschiedener Energien zusammensetzt, tritt eine Aufhärtung auf, d.h., die llalbwertschichtdicken nehmen zu (Abb. 2-20).

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2.5 Schwächung der Röntgenstrahlung 55

l 2 3 4 5

Abbildung 2-18: Meßanordnung der Strahlendosisleistung zur Bestimmung der Halbwertsch ichtdicke. Zur Reduzierung der Streustrahlung wird im schma len Strahlenbündel in großen Abständen zwi­schen Strah lenquel le, Filterschichten und Ionisationskammer gemessen. 1 Strah lenquelle, Z und 3 Einblendung, 4 Filterschichten, 5 loni sationsmeßkammer.

"/oder Dosis

100

60

50 ------- I

40

I I I I I I I I I

25 ------~-------

20 ! l I ' I I

12,5 -------T--------y-------- I

I ' ' 6,25 _______ i ________ r--- -----t------

qs \O s, s, s,

Abbildung 2-19: Schwächungskurve für monoenergetische Strahlung (einer Quantenenergie). Die prozentuale Dosisleistung als Funktion der Dicke eines Stoffes. Gleichbleibende Dicken (s) reduzieren die Dosisleistung jeweils um 50%.

50-------

' ' "' i I

" 20 ·---:- -- ---1 12.5 - I --qlS -- - --1------wi

Abbildung 2-20: Schwächungskurve für heterogene Strahlung (Strahlung mit unterschiedlicher Quanten­energie). Die prozentuale Dosisleistung als Funktion der Dicke eines Dosis Stoffes. ln­fo lge der Aufhärtung der Strahlung tritt eine Zunahme der Halbwertschichtdicken ein.

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56 2 Grundlagen

Der Homogenitätsgrad H entspricht dem Verhältnis der ersten zur zwei­

ten Halbwertschicht

Gleichung 2-1 Homogenitätsgrad H = Halbwertschichtdicke 1

Halbwertschichtdicke2

Der Homogenitätsgrad beträgt für monoenergetische Strahlung H = 1. für heterogene Strahlung H = < 1

2.5.6 Filter in der Röntgendiagnostik

Niederenergetische (weiche) Bremsstrahlenanteile können wegen des Überwiegens des Photoeffektes (hoher Schwächungskoeffizient) einen Körper nicht durchdringen. Sie lösen im Körper zahlreiche Wechselwir­kungsprozesse aus und stellen eine unzulässige Belastung dar.

Zur Reduktion energiearmer Strahlenanteile werden in der Röntgen­diagnostik und Strahlentherapie Härtungsnlter verwandt. Die Filterwir­kung bewirkt eine relative Zunahme der energiereichen Strahlen im Bremsspektrum bei gleichbleibender Grenzenergie (= niedrigster Ener­gieanteil im Bremsspektrum).

Jedes Material im Strahlengang zwischen der Strahlenquelle und dem zu durchstrahlenden Objekt wirkt als Filter. Das Röhrenfenster ist als Eigennlter zu werten. Zusatzftlter in der Röntgendiagnostik sollen die Strahlung authärten, sie setzen die Strahlenbelastung des Körpers herab.

Der Gesamtfilter besteht aus Eigenfilter und Zusatzfilter. Die Wirkung der Zusatzfilter und Eigenfilter wird mit dem Äquivalenzwert (Gleich­wert) für Aluminium oder Kupfer angegeben. In der Röntgendiagnostik kann der Gesamtfilter einen Al-Gleichwort von 1,5 mm bis 12 mm auf­weisen.

Über Filter in der Röntgendiagnostik siehe auch Kapitel 6.1. 5 und 20.8.6.