Grundzüge des Zivilverfahrens - Uni Trier: Willkommen · 2 ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert...

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 1

ZPO I

Teil 5: Klageverfahren

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 2

Klageverfahren

1. Abschnitt: Vorprozessuale Phase

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 3

Klageverfahren - Vorprozessuale Phase

◊ Vorgerichtliches Procedere • Der Streit der Parteien: Vielfältige Situationen

• "punktueller Gelegenheitsstreit" • Bsp.: Verkehrsunfall; Mängelgewährleistung bei Einzelgeschäft

• "Dauerstreit" • Bsp.: Nachbarstreit, der seine Ursachen oft nicht im Überwuchs des Baumes

hat; ständige Wettbewerbsstreitigkeiten

• Abwicklungsstreit • Bsp.: Streitigkeit zwischen ehedem Geschäftspartnern über offene

Lieferrechnungen; Honorar- oder Werklohnstreitigkeiten

• Die Tätigkeit des Anwalts bei der Prozessvorbereitung und -vermeidung

• Ggf. schlichten statt scharfmachen • Das Problem der Informationsbeschaffung

• zeitlich: "End-Dezemberklagefieber" • sachlich: wie verlässlich ist die Information des Mandanten? • personell: von wem erhält der Anwalt die ergiebigste Information?

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Klageverfahren - Vorprozessuale Phase

◊ Obligatorisches Güteverfahren, § 15a EGZPO i.V.m. Landesrecht • Rheinland-Pfalz: Landesgesetz zur Ausführung des § 15a

EGZPO v. 10.9.2008

◊ Voraussetzungen • Vermögensrechtliche Streitigkeiten vor dem Amtsgericht

über Ansprüche bis zu 750 EUR (nicht in RLP!!) oder • Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht,

oder • Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der

persönlichen Ehre, die nicht in der Presse oder im Rundfunk begangen worden sind

◊ Rechtsfolge: Klage einstweilen unzulässig, auch nicht (während des Verfahrens) nachholbar.

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Klageverfahren

2. Abschnitt:

Klagearten und Streitgegenstand

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◊ Die Klagearten • Die Leistungsklage

• Allgemeine Leistungs- und Unterlassungsklage: Durchsetzung von Ansprüchen (§ 194 BGB)

• ZB: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.250,00 € zu zahlen (oder: das Kfz Id.-Nr. 123456789 herauszugeben).

• Oder: Der Beklagte wird verurteilt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Behauptung zu unterlassen, die Klägerin vertreibe Waren, die in Kinderarbeit gefertigt seien.

• Haftungsklage als Sonderform der Leistungsklage (zB § 1147 BGB) • ZB: Der Beklagte wird verurteilt, wegen eines Betrages von 50.000,00 €

nebst Jahreszinsen in Höhe von 8 % seit dem 1.4.2014 die Zwangsvollstreckung in das Grundstück … (GB-Bezeichnung) zu dulden.

• Klage auf künftige Leistung (§§ 257 - 259): • ZB: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.000,00 € am 1.4.2015 zu

zahlen.

• Begründung: Am genannten Zahlungstag ist ein Darlehen zur Rückzahlung fällig. Klage zulässig nach § 257.

Klageverfahren - Klagearten

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Klageverfahren - Klagearten (2)

◊ Die Feststellungsklage (§ 256) • Das Rechtsverhältnis als notwendiger Gegenstand der

Feststellungsklage • Grundsatz

• Notwendigkeit eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses • an sich: Rechtsverhältnis zwischen Prozessparteien, aber auch einschl.

Dritte

• Feststellungsinteresse als besondere Rechtsschutzvoraussetzung • wird zB durch Bestreiten des Rechtsverh. durch Gegner begründet

• Subsidiarität zur Leistungsklage als effektiverem Rechtsbehelf • Besonderheiten der negativen Feststellungsklage

• Subsidiaritätsverhältnis zur Leistungsklage des anderen Teils • unveränderte Beweislast

• Rechtskraftwirkung bei Unterliegen (§ 322 I) • Zwischenfeststellungsklage (§ 256 II): wichtig zum Ausgleich des

beschränkten Rechtskraftumfangs

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Klageverfahren - Klagearten (3)

◊ Beispiel für typische Feststellungssituation • K ist bei einem von B verschuldeten Verkehrsunfall schwer

verletzt worden. Es ist noch nicht abzusehen, welche bleibenden körperlichen Schäden K davontragen wird. K beauftragt Rechtsanwalt R damit, alle erforderlichen prozessualen Schritte zur Durchsetzung der ihm gegen B zustehenden Ansprüche zu ergreifen.

• Sofern der Verursacher nicht freiwillig anerkennt: R wird für K Feststellungsklage erheben, mit dem Antrag:

• Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Unfallereignis vom 4.5.2014 in Trier entstanden ist oder noch entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

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Klageverfahren - Klagearten (4)

◊ Die Gestaltungsklage • Sinn von Gestaltungsklagen im Vergleich zu Gestaltungsrechten:

Warnfunktion, Rechtssicherheit • numerus clausus der Gestaltungsklagen

◊ Wirkungen des Gestaltungsurteils: materiell-rechtliche Rechtsänderung • Aufhebung (Ehescheidung nach § 1564 BGB, Auflösung einer oHG nach §

133 Abs. 1 HGB), Änderung (Herabsetzung einer überhöhten Vertragsstrafe nach § 343 BGB; Nichtigerklärung eines Gesellschaftsbeschlusses, §§ 246, 248 AktG) oder Begründung (Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils nach § 722 ZPO) eines Rechtsverhältnisses;

• Rechtsmittelfunktionen: • Änderung von (vertraglich begründeten) Unterhalts- und Rententiteln (§ 323 ZPO; für

familienrechtlich-gesetzliche Unterhaltstitel gelten die §§ 238 ff. FamFG), • Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 579, 580 ZPO), • Beseitigung der Vollstreckbarkeit eines Urteils (§ 767 ZPO), • Freigabe gepfändeter Sachen, Forderungen und Rechte, weil sie einem anderen als dem

Vollstreckungsschuldner gehören (§ 771 ZPO), • die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen erheblicher Missgriffe der Schiedsrichter (§ 1059

ZPO).

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Klageverfahren - Streitgegenstand

◊ Der Streitgegenstand ("prozessualer Anspruch") ◊ Begriff wird in der ZPO nicht definiert, sondern vorausgesetzt

• Bestimmung strittig

• erschwerender Umstand: teilweise werden andere Begriffe dafür verwendet, z.B. „Anspruch“/"Klage"/"Streitsache"

◊ Praktische Bedeutung des Begriffs: • Einwand der Rechtskraft (§ 322 I) • Einwand der Rechtshängigkeit (§ 261 III Nr. 1) • Vorliegen einer Klageänderung (§ 263) • Vorliegen objektiver Klagehäufung (§ 260) • Bezugspunkt des Bestimmtheitserfordernisses bei der Klageschrift (§

253 II Nr. 2)

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Klageverfahren - Streitgegenstand (2)

◊Streitgegenstandstheorien I: Elemente des prozessualen Anspruchs

• materiell-rechtlicher Streitgegenstandsbegriff: grds. Orientierung am Anspruchsbegriff des materiellen Rechts

• prozessualer Streitgegenstandsbegriff: eigenständiger Begriff des Prozessrechts, Klagebegehren (Antrag) als primär maßgeblicher Aspekt

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Klageverfahren - Streitgegenstand (3)

◊ Streitgegenstandstheorien II: Elemente des prozessualen Anspruchs • Eingliedriger Streitgegenstandsbegriff: Antrag • Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff: Antrag + (Lebens-)

Sachverhalt = hM in der Praxis • keine Bedeutung hat die Anknüpfung an eine bestimmte

Anspruchsgrundlage (das würde dem materiellen Streitgegenstandsbegriff entsprechen).

• Bsp.: A klagt gegen B, der Halter und Fahrer eines Kfz. und Unfallverursacher ist, aus §§ 823 I, 823 II, 229 StGB, § 7 StVG: ein Streitgegenstand.

• Bsp.: A klagt gegen B den Kaufpreis (§ 433 IIBGB) ein und aus einem hierfür von B gegebenen Anerkenntnis (§ 781 BGB): zwei Streitgegenstände,

• und zwar nicht wegen der unterschiedlichen materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen, sondern weil es sich um zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte (Abschluss eines Kaufvertrags - Abschluss eines Anerkenntnisvertrags) handelt.

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Klageverfahren

3. Abschnitt:

Verfahrensablauf*

*(landgerichtliches Verfahren)

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Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Die Klageerhebung durch Zustellung einer Klageschrift (§ 253 ZPO) ◊ Notwendigkeit: s. Dispositionsmaxime ("ohne Kläger kein Richter")

• keine Einleitung des Rechtsstreits von Amts wegen ◊ Inhalt der Klageschrift ◊ Mussinhalt (§ 253 II)

• Gericht und Parteien (Nr. 1): Beteiligte des Prozessrechtsverhältnisses • Antrag + Sachverhalt (= Streitgegenstand), Nr. 2

• Bestimmtheitsgrundsatz • Ausnahmen

• Stufenklage (§ 254): 1. Auskunft/Rechnungslegung, 2. Versicherung der Richtigkeit, 3. später noch zu beziffernde Leistung

• Schmerzensgeld: Bezifferung entbehrlich, ausreichend = Angabe der Größenordnung; Über-/Unterschreitung um 25% unerheblich

◊ Sollinhalt (§ 253 III) Wertangabe ◊ Weitere Bestandteile: §§ 253 IV, 130:

• Belege und Beweismittel, § 130 Nr. 4 • Unterschrift, § 130 Nr. 5 (hM: Musserfordernis)

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Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Praktischer Ablauf (§§ 253, 271 I, 270, 166 ff.)

• Einreichung der Klageschrift (§ 253 V)

• Zustellung (§§ 271 I, 270, 166 ff.)

• Begriff der Zustellung (§ 166 I: Übergabe eines Schriftstücks)

• die von der Geschäftsstelle (§ 168 I) veranlasst und idR von der Post durchgeführt wird.

• Fristwahrung und Verjährungshemmung durch Klageeinreichung bei Zustellung “demnächst” (§ 167 - siehe Folie 17)

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◊Wirkungen der Klageerhebung:

• prozessual: § 261

• Sperre für anderweitige gerichtliche Geltendmachung desselben Anspruchs, § 261 III Nr. 1;

• nach der Rechtshängigkeit eintretende Veränderungen der die Zuständigkeit des Gerichts begründenden Umstände bleiben für die Zuständigkeit wirkungslos (z.B. Umzug einer der Parteien), § 261 III Nr. 2, (perpetuatio fori)

Klageverfahren - Verfahrensablauf

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 17

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊Wirkungen der Klageerhebung

• materiell-rechtlich:

• Verjährungshemmung tritt ein, mit Vorwirkung nach § 167 ZPO

• Hemmungszeitpunkt wird auf die Anhängigkeit der Klage vorverlagert, wenn die Zustellung der Klageschrift „demnächst“ (nach Fristablauf!) erfolgt.

• Beispiel: Verjährung tritt ein am 31.12.2014; Klage wird am Silvestertag in den Briefkasten des Gerichts eingeworfen und nach Vorschusszahlung am 15.01.2015 zugestellt: Rechtzeitig wegen § 167 ZPO.

• Zinspflicht ab Rechtshängigkeit, § 291 BGB, und schärfere Haftung, etwa § 818 IV, §§ 987, 989 BGB.

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Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊Beispielsfall zur Vorwirkung nach § 167

• K hat gegen B Kaufpreisansprüche in Höhe von 32.000 €, die am 31.12.2014 verjähren. K begehrt mit am 16.4.2014 eingereichter und am 4.1.2015 zugestellter Klage von B Zahlung dieses Betrages. B beruft sich auf Verjährung, sonstige Einwendungen erhebt er nicht [nach BGH NJW 1993, 2320].

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 19

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊Nach Eingang der Klageschrift bei Gericht:

◊Gericht hat 2 Möglichkeiten (§ 272 II ZPO): • Früher erster Termin (§ 275) oder

• Schriftliches Vorverfahren (§ 276)

◊Stets: Zustellung der Klageschrift nach § 271 I und Aufforderung, RA zu bestellen, § 271 II ZPO.

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◊ Unterschied für Beklagten: • feT:

• Beklagtem kann Frist zur Klageerwiderung gesetzt werden, § 275 I 1 ZPO, oder • Bekl. kann aufgefordert werden, unverzüglich seine Verteidigungsmittel gegen die

Klage darzulegen, § 275 I 2 ZPO, oder • Bekl. kann in der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt

werden, § 275 III ZPO. • Sanktion bei schuldhaft und unter Berücksichtigung von § 277 I ZPO unzureichendem

oder nicht fristgemäß gehaltenem Sachvortrag: § 296 ZPO.

• sVv: • Beklagter wird aufgefordert, innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung der Klageschrift

die „Verteidigungsanzeige“ abzugeben (§ 276 I 1, 1. HS); • Sanktion: § 331 II - auf Antrag, der regelmäßig schon in der Klageschrift enthalten ist, kann

Versäumnisurteil ergehen;

• Beklagtem wird Frist zur Erwiderung auf die Klage nach § 276 I 1, 2. HS ZPO gesetzt; • Sanktion: bei schuldhafter Versäumung oder schuldhaft unter Berücksichtigung von § 277 I

ZPO unzureichendem Sachvortrag: § 296 ZPO.

Klageverfahren - Verfahrensablauf

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Klageverfahren - Verfahrensablauf

Beispiel Verteidigungsanzeige

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Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊Gericht kann zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (als Haupttermin nach feT oder nach sVv) Maßnahmen nach

• § 273 II ZPO treffen

• und/oder einen vorbereitenden Beweisbeschluss nach § 358a ZPO erlassen.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 23

◊Kernstück des Prozesses: (Regelmäßig öffentliche) mündliche Verhandlung • entweder als früher erster Termin oder

nachfolgender Haupttermin, § 275 II, 279 ZPO,

• oder nach vorangegangenem schriftlichen Vorverfahren.

◊Seit der ZPO-Novelle 2002 ist eine regelmäßige Güteverhandlung vorgesehen, § 278 II, sofern nicht zwecklos.

Klageverfahren - Verfahrensablauf

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 24

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Die obligatorische Güteverhandlung (§ 278 II)

◊ Grundsätzlich immer vorgesehen, es sei denn: • außergerichtlicher Güteversuch

• erkennbare Aussichtslosigkeit

• Verhandlung über Einspruch nach Versäumnisurteil (§ 341a)

◊ Nichterscheinen beider Parteien (§ 278 IV) • Anordnung, dass das Verfahren ruht, §§ 251, 251a III

◊ Mögliche Maßnahmen (§ 278 V, VI)

◊Folgen der Unterlassung: regelmäßig keine

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◊Mündliche Verhandlung, § 279 ZPO • Streitige Verhandlung (d.h. Antragstellung)

• Erörterung der Sach- und Rechtslage

• Vergleichsgespräch

• Nicht regelmäßig, obwohl nach der gesetzlichen Theorie, § 279 II ZPO, vorgesehen: Beweisaufnahme, wenn schon ein „vorbereitender Beweisbeschluss“ nach § 358 a erlassen worden ist.

• Selten: Urteilsverkündung (§ 310)

Klageverfahren - Verfahrensablauf

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 26

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Beschleunigungsgrundsatz und Präklusion (§§ 282, 296)

◊ Beschleunigungsgrundsatz: Erledigung des Verfahrens (grds.) in einem einzigen umfassend vorbereiteten Termin

◊ Prozessfördernde Maßnahmen des Gerichts • unverzügliche Terminierung und so schnell wie möglich (§§ 216 II,

272 III, 278)

• richterliche Aufklärungspflicht (§ 139)

• Vorbereitungsmaßnahmen (§ 273 II)

• Beweisanordnungen und -erhebungen vor dem Termin (§ 358a)

• Fristsetzungen an Parteien zur Beschleunigung deren Vortrags.

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Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊Kein Prozess ohne Fristen (-druck)

• Materiell-rechtliche Fristen, die durch den Prozess gewahrt werden sollen:

• insbesondere Verjährungsfristen

• Ausschlussfristen (zB § 89b IV 2 HGB)

• Verfahrensrechtliche Fristen, die im Prozess zu wahren sind:

• gesetzliche Fristen, etwa Rechtsmitteleinlegungs- und Begründungsfristen

• richterliche Fristen, etwa zur Erwiderung auf die Klage.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 28

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Fristen sind sinnvoll und notwendig, • da sie einerseits eine gewisse Bearbeitungs- und

Überlegungszeit einräumen • Bsp.: die in einer Instanz unterlegene Partei muss Zeit haben zu

überlegen, ob sie das Risiko und die Kosten einer weiteren Instanz eingehen will. Daher gewährt das Gesetz eine Einlegungsfrist für die Rechtsmittel. Die Parteien müssen Zeit haben, das Tatsachenmaterial für den Vortrag zusammenzutragen. Daher gibt es Schriftsatzfristen.

• und andererseits dafür sorgen, dass der Prozess nicht übermäßig lange dauert

• insbesondere der Beklagte wird kein großes Interesse haben, den Prozess zu beschleunigen, wenn er seine Position als schwach ansieht oder nicht zahlen kann/will.

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Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Aber: Achtung für den Beklagten, der den Prozess zur Zahlungsverzögerung in die Länge zieht:

◊ Verzinsung nach § 288 II BGB, unterstellte Rechtshängigkeit am 01.09.2012 (§ 291 BGB), Klageforderung von 100.000,00 €:

◊ Zeitraum Tage Zinssatz Zinsertrag ◊ 01.09.2012 - 31.12.2012 122 7,87 % 2714,08 € ◊ 01.01.2013 - 30.06.2013 181 8,12 % 3902,66 € ◊ 01.07.2013 - 31.12.2013 184 7,87 % 3841,32 € ◊ 01.01.2014 - 30.06.2014 181 7,62 % 3654,71 € ◊ 01.07.2014 - 28.07.2014 28 7,37 % 565,37 €

◊ Summe Zinsen: 696 14.678,14 €

◊ Beachte: Für Streitigkeiten aus Verträgen, die ab dem 29.07.2014 geschlossen wurden, gilt der erhöhte Verzugszins von 9 % über Basiszins nebst Pauschale von 40 €.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 30

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Allgemeine Regelungen der Fristen

• ZPO:

• §§ 221 ff. ZPO

• zu Beginn,

• Berechnung (Verweis in BGB),

• Veränderung

• §§ 230 ff. ZPO

• zu Folgen der Fristversäumung.

• BGB:

• §§ 186 ff. BGB

• mit den allgemeinen Vorschriften über die Fristberechnung.

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Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Beispielsfall: K hatte B vor dem Amtsgericht auf restliche Kaufpreiszahlung für ein gebrauchtes Fahrzeug verklagt. Beide führen den Prozess selbst, weil sie sich einen Anwalt nicht leisten wollen. K gewinnt. Das vollständig abgefasste klagestattgebende Urteil soll dem B per Post zugestellt werden. B wohnt in einem Dreifamilienhaus in Trier. Als der Postbedienstete am Samstag, dem 15.11.2014, bei B klingelt, ist der nicht da. Ein Nachbar öffnet die Haustür, so dass der Postbote eine Benachrichtigung an den B an der Wohnungstür des B befestigt, weil es keinen Briefkasten gibt. B holt das Urteil bei der Post am Mittwoch, 19.11.2014, ab. Er überlegt, Berufung einlegen zu lassen. Bis wann sollte das spätestens geschehen sein?

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 32

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Arten von Fristen • schon gesehen: gesetzliche Fristen/richterliche Fristen;

• insbes. Notfristen • sind nur solche, die das Gesetz als Notfristen bezeichnet

• wie zB die schon erwähnte Frist nach § 276 I 1 ZPO oder die Rechtsmitteleinlegungsfristen;

• bei Versäumung der Frist: Wiedereinsetzung, §§ 233 ff.

• Zwischenfristen: • Einlassungsfrist zwischen Zustellung der Klageschrift und dem

Termin: mindestens 2 Wochen, § 274 III 1 ZPO.

• Ladungsfrist zwischen Zugang der Terminsladung und Termin: mindestens 1 Woche im Anwaltsprozess, 3 Tage im Parteiprozess, § 217 ZPO; im Wechselprozess kann sie auf 24 abgekürzt werden, § 604 ZPO.

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Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Beginn der Fristen: • gesetzliche: mit dem Ereignis, an das das Gesetz den Fristbeginn

knüpft, • zB: Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des Urteils, § 517 ZPO;

• richterliche: grundsätzlich mit Zustellung der gerichtlichen Verfügung oder der Verkündung, die die Fristsetzung enthält, § 221 ZPO,

• zB: Mit der Zustellung der Klageschrift wird der Bekl. aufgefordert, die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen, Frist zwei Wochen, § 276 I 1 ZPO.

• Der Fristbeginn kann aber auch anders vom Gericht bestimmt werden: • Bsp.: In der mündlichen Verhandlung wird dem Kläger aufgegeben, sein

bisheriges Vorbringen zu ergänzen, und zwar innerhalb von drei Wochen (gerechnet ab der Verkündung der Frist in der mündlichen Verhandlung). Zugleich wird dem Beklagten aufgegeben, im Anschluss an das Vorbringen darauf zu erwidern, und zwar innerhalb einer Frist von weiteren drei Wochen nach Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist. Die Beklagten-Frist beginnt also nicht in der mündlichen Verhandlung, sondern mit Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 34

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Berechnung der Fristen und Fristende • §§ 222 I ZPO, 187 ff BGB

• Regelmäßig liegt Fall des § 187 I BGB vor, für den Fristbeginn ist maßgeblich ein Ereignis (Zustellung), das in den Lauf eines Tages fällt.

• Dann läuft die Frist um 24 Uhr des Tages ab, der dem Tag in der Benennung oder Zahl entspricht, in den das Ereignis fällt, § 188 II BGB.

• Bsp.: Zustellung am Dienstag, 09.12.2014 mit Zweiwochenfrist, Ende nach §§ 188 II, 187 I BGB am Dienstag (der durch die Benennung entsprechende Tag), 23.12.2014; bei einer Monatsfrist: Ende am Donnerstag, 09.01.2015, ebenfalls nach §§ 188 II, 187 I BGB (der durch die Zahl entsprechende Tag).

• Bsp.: Zustellung eines Urteils am 31.03. bzw. am 28.02. Wann endet die Berufungsfrist?

• Ausnahme: Fristende fällt auf Sonntag, Samstag oder einen (am Gerichtsort) allgemeinen Feiertag,

• die Feiertage ergeben sich aus Bundes- oder Landesrecht; nach keiner dieser Rechtsregeln ist der Rosenmontag (oder auch Heiliger Abend, Silvester) ein Feiertag, mag am Rhein am Rosenmontag auch Stillstand der Rechtspflege herrschen.

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Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Änderungen von Fristen • Keine Änderung möglich bei Notfristen:

• Bsp.: K hat gegen B in der ersten Instanz gewonnen; man verhandelt noch nach der Urteilszustellung über einen Vergleich. Da sich die Verhandlungen hinziehen, vereinbaren K und B, dass B erst nach einer weiteren Woche Berufung einlegt.

• Geht nicht wegen § 224 II ZPO: Vereinbarungen der Parteien können nur zu Verkürzungen führen, nicht zur Verlängerung; aber auch Verkürzung geht nicht bei Notfristen, § 224 I ZPO.

• Var. des Bsp.: Situation wie vor, B beantragt aber Verlängerung der Berufungseinlegungsfrist.

• Geht auch nicht, denn die Einlegungsfrist ist eine Notfrist (§ 517 ZPO) und damit gesetzliche Frist, bei der Verlängerung durch das Gericht nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich ist, § 224 II ZPO. Bei den Rechtsmittelfristen ist eine solche Frist eben nicht vorgesehen.

• Was geht? Einlegung der Berufung zur Fristwahrung - oder eben Beschleunigung der Vergleichsgespräche.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 36

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Änderungen der Fristen (2) • Abkürzung

• durch Vereinbarung der Parteien bei gesetzlichen (außer Notfristen) und richterlichen Fristen möglich;

• ebenso auf Antrag einer Partei durch das Gericht, aber erst nach Anhörung (nicht: Einverständnis) des Gegners, § 225 ZPO

• Verlängerung • gesetzlicher (außer Notfristen) oder richterlicher Fristen

• nicht durch Parteivereinbarung (arg. § 224 I u. II ZPO), aber • durch Gericht auf Antrag einer Partei

• bei wiederholter Verlängerung nur, nachdem dem Gegner rechtliches Gehör gewährt wurde, § 225 ZPO.

• Bsp.: Zustellung des Urteils am 10.09.2014, gegen das rechtzeitig Berufung eingelegt wird. Am 11.11.2014 (Die) geht ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ein. Was ist zu tun?

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 37

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊Folgen der Fristversäumung

• grundsätzlich ist die Partei mit einer versäumten Prozesshandlung ausgeschlossen, § 230 ZPO.

• Soweit Vortrag außerhalb dafür gesetzter Fristen erfolgt, kommt Zurückweisung als verspätet in Betracht, § 296 I ZPO (dazu später mehr)

• Bei bestimmten Fristen kann Wiedereinsetzung beantragt werden, §§ 233 ff. ZPO.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 38

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Wiedereinsetzung • Voraussetzungen:

• Wiedereinsetzungsfähige Frist, § 233 ZPO, also • Notfristen

• Rechtsmittelbegründungsfristen

• Frist nach § 234 I ZPO, also Zweiwochenfrist, die Wiedereinsetzung zu beantragen

• wird versäumt, • also etwa: Die Berufung, die am 20.10. bei dem Berufungsgericht hätte

eingehen müssen, geht dort erst am 21.10. oder später ein.

• oder: Die Berufung geht tatsächlich am 20.10. ein, ist aber nicht von einem RA unterschrieben, sondern von der eifrigen Büroangestellten, die die Frist sieht und deren Chef an dem Tag nicht in der Praxis ist.

• und zwar schuldlos • wobei Parteiverschulden oder Anwaltsverschulden (§ 85 II ZPO) zu

berücksichtigen sind.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 39

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Wiedereinsetzung (2) • Insbes.: Unverschuldete Fristversäumung

• Grunderkenntnis: Es stellt nicht per se ein Verschulden im Sinn des Verstoßes gegen die verkehrsübliche Sorgfalt dar (§ 276 BGB), eine Frist bis zum Schluss auszuschöpfen. Schluss heißt: letzter Tag bis (kurz vor, also 23.59.59 Uhr) 24.00 Uhr (etwa BGH NJW 2007, 2331, RÜ).

• Verschulden heißt • eigenes Verschulden der Partei, §§ 276, 278 BGB

• Verschulden des Prozessbevollmächtigten, § 85 II ZPO

• nicht: Verschulden von dessen Personal, es sei denn, es läge Organisationsverschulden des RA vor.

• Fallmaterial unübersehbar.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 40

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Wiedereinsetzung (3) ◊ Weitere formelle Voraussetzungen:

• Wiedereinsetzungsantrag in der Form der versäumten Rechtshandlung, § 236 I ZPO

• und Nachholung der versäumten Rechtshandlung, § 236 II 2 ZPO.

• Die die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Tatsachen sind schlüssig vorzutragen und glaubhaft zu machen, §§ 236 II 2, 294 (meist wird eidesstattliche Versicherung vorgelegt).

• Frist: 2 Wochen (§ 234 I 1) ab Behebung des Hindernisses, § 234 II ZPO; Ausschlussfrist: 1 Jahr nach Ablauf der versäumten Frist, § 234 III ZPO

• bei Rechtsmittelbegründungsfristen 1 Monat, § 234 I 2 ZPO.

• Zuständiges Gericht: dasjenige, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 41

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Wiedereinsetzung (4) ◊ Entscheidung des Gerichts:

• richtet sich nach den Vorschriften über die versäumte Rechtshandlung,

• d.h. regelmäßig ergeht die Entscheidung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil, in dem über die Wiedereinsetzung und über die Hauptsache entschieden wird; dagegen die Rechtsmittel, die gegen das Urteil als solches möglich sind.

• bei Versäumung von Rechtsmittelfristen kann nach § 522 I 3, 552 II, 572 II durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden werden; Rechtsmittel gegen Beschluss nach § 522 I 3 ZPO: Rechtsbeschwerde, § 522 I 4 ZPO..

• Kein Rechtsmittel gegen die Gewährung der Wiedereinsetzung, § 238 III ZPO.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 42

Klageverfahren - Verfahrensablauf Exkurs: Fristen

◊ Wiedereinsetzung (5) • Beispielsfall:

• B wurde durch Urteil des LG in die Zahlung eines Betrages verurteilt. In dem erstinstanzlichen Verfahren hatte B Prozesskostenhilfe erhalten. Unmittelbar nach Zustellung des Urteils stellt RA A einen Prozesskostenhilfeantrag für die beabsichtigte Berufung des B. 4 Monate nach Zustellung des Urteils wird der Beschluss zugestellt, dass

• a) PkH bewilligt wird.

• b) PkH versagt wird.

• c) Wie wäre es, wenn der Prozesskosten bewilligende Beschluss im Fall a) 13 Monate nach Zustellung des Urteils erlassen wird?

• Was ist wann zu tun?

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 43

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Prozessförderung durch die Parteien • rechtzeitiges Vorbringen der Parteien

• kein Zurückhalten aus Prozesstaktik (vgl. § 282 I)

• Dispositionsmaxime und Verhandlungsgrundsatz erfordern Initiative und Mitwirkung der Parteien. Kehrseite ist die Verantwortlichkeit der Parteien für den zügigen Prozessfortgang.

• Verspätetes Vorbringen, das den Prozess verzögert, kann das Gericht zurückweisen, sofern die Verzögerung nicht hinreichend entschuldigt wird, §§ 282, 296 ZPO

• aber: jede Präklusion verkürzt die materielle Wahrheitsfindung und kann das rechtliche Gehör verletzen.

• (BVerfGE 75, 302:) prozessuale Mitwirkungslasten zulässig, sofern • das Gericht nicht eigene Fehler zu Lasten der Partei anrechnet,

• mögliche Maßnahmen ergreift, um eine unnötige Präklusion zu verhindern.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 44

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Präklusion = Zurückweisung des verspäteten Vorbringens • zwingend nach Ablauf einer Frist (§ 296 I)

• Ermessen bei Verletzung d. allg. Prozessförderungspflicht (§ 296 II)

◊ Verzögerungsbegriffe • absoluter Verzögerungsbegriff (BGH): Eine Verzögerung liegt vor, wenn

der Rechtsstreit bei der Berücksichtigung des Vortrags länger dauern würde als ohne Berücksichtigung

• hypothetischer/relativer Verzögerungsbegriff: Eine Verzögerung liegt vor, wenn der Rechtsstreit beim verspäteten Vortrag länger gedauert hätte als beim rechtzeitigen Vortrag

• keine absolute Verzögerung bei Offenkundigkeit der mangelnden Kausalität, wenn also der Prozess auch ohne das verspätet eingegangene Vorbringen nicht entscheidungsreif wäre.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 45

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ allgemeine Ausschlussvoraussetzungen • Termin als Entscheidungstermin • keine Mitursächlichkeit von Verfahrensfehlern des Gerichts • Ausgleich durch zumutbare Maßnahmen nicht möglich • Zurückweisung erst im Endurteil (nicht durch Teil- oder Zwischenurteil)

• nachgereichte Schriftsätze (§ 283) • Unnötigkeit der Vertagung • Berücksichtigung nur, wenn fristgemäß

◊ Ausweichstrategien der Praxis: • Flucht in die Säumnis, §§ 338, 341a ZPO mit der Kostenfolge des § 344 ZPO • nicht mehr möglich: Flucht in die Berufung

• § 531 I ZPO: in 1. Instanz präkludierte Angriffs-/Verteidigungsmittel bleiben ausgeschlossen

• § 531 II Nr. 3 ZPO: schuldhaft nicht vorgebrachte Angriffs-/Verteidigungsmittel sind ausgeschlossen

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 46

Klageverfahren - Verfahrensablauf

Beispielsfall zur Präklusion: K, ein Zahnarzt, machte gegen die B aus einer zahnärztlichen Behandlung einen Anspruch auf Vergütung in Höhe von DM 1.000,- geltend. Das Amtsgericht erließ gegen B antragsgemäß ein Versäumnisurteil, das ihm am 19. Mai 1994 zugestellt wurde. Am selben Tag legte B gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein, dessen Begründung am 6. Juni 1994, also nach Ablauf der Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 (2. Juni 1994), beim Amtsgericht einging. B machte dabei unter anderem geltend, dass die Leistung des K mangelhaft gewesen sei und K eine Nachbesserung abgelehnt habe. Zu dieser Behauptung bot B Beweis durch Vernehmung einer Zeugin an. Nach Eingang der Einspruchsbegründung setzte das Amtsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22. Juni 1994 an. Das Amtsgericht hielt das Versäumnisurteil mit der Begründung aufrecht: Es könne offen bleiben, ob eine fehlerhafte Behandlung durch K vorliege. Ein Anspruch des K bestehe nur dann nicht, wenn K eine Nachbesserung abgelehnt habe oder eine solche fehlgeschlagen sei. Beides habe B zu beweisen. Er biete zwar einen dementsprechenden Beweis durch Vernehmung einer Zeugin an, dieses Vorbringen sei jedoch gemäß § 340 Abs. 3, § 296 Abs. 1 als verspätet zurückzuweisen. Würde das Vorbringen berücksichtigt, verzögere sich die Erledigung des Rechtsstreits, weil die Zeugin in einem neuen Termin zu vernehmen wäre, da das Gericht sie nicht zur mündlichen Verhandlung am 22. Juni 1994 habe laden können. (BVerfG, NJW 1995, 1417)

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 47

Klageverfahren - Verfahrensablauf

Gegenbeispiel zur Präklusion: Der Kläger verlangt vom beklagten Bauträger einen Vorschuss für die Mängelbeseitigung. Für die behaupteten Mängel bietet er Sachverständigenbeweis an (§ 403 ZPO). Der Vorsitzende fordert den Beklagten auf, binnen der Notfrist von 2 Wochen seine Verteidigungsabsicht anzuzeigen und binnen weiterer 4 Wochen auf die Klage zu erwidern (§ 276 I 1 ZPO). Der Beklagte zeigt rechtzeitig an, er werde sich verteidigen, die Klageerwiderungsfrist versäumt er. Der Vorsitzende bestimmt Haupttermin. Drei Tage vor dem Haupttermin geht die Klageerwiderung bei Gericht ein: Der Beklagte bestreitet die Mängel und bietet Gegenbeweis durch Zeugen an. Die Verspätung entschuldigt er damit, sein Prozessbevollmächtigter sei überlastet.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 48

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Unterbrechungen des Verfahrensablaufs • Unterbrechung, §§ 239 ff., 249 ZPO

• zB durch Tod, § 239 ZPO • durch Insolvenz einer Partei, § 240 ZPO

• Aussetzung, §§ 148 ff, 246 ff, 249, 252 ZPO • zB bei Vorgreiflichkeit einer anderen Entscheidung, § 148 ZPO; • zB in Fällen, in denen ein Unterbrechungsgrund vorliegt, aber

anwaltliche Vertretung bestand, kann auf Antrag des Bevollmächtigten oder ggf. auch des Gegners die Aussetzung des Verfahrens angeordnet werden.

• Folgen von Unterbrechung und Aussetzung: • Prozessbetrieb wird einstweilen eingestellt • und der Lauf sämtlicher Fristen wird unterbrochen; bei

Wiederaufnahme des Verfahrens laufen die Fristen ab dann vollständig neu.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 49

Klageverfahren - Verfahrensablauf

◊ Unterbrechungen des Verfahrensablaufs (2) • Ruhen, §§ 251 f. ZPO

• bei Nichtbetrieb der Parteien (im Fall beiderseitiger Säumnis, § 251a ZPO)

• alternative Handlungsmöglichkeiten des Gerichts: • Vertagung, § 227 • Entscheidung nach Lage der Akten, § 251a II ZPO, wenn zuvor schon

einmal mündlich verhandelt worden war.

• oder auch um den Parteien die außergerichtliche Erledigung ohne Zeitdruck zu ermöglichen, § 251 I ZPO

• beiderseitiger Antrag • Zweckmäßigkeit des Ruhens.

• Folgen: Prozessbetrieb wird unterbrochen; kein Einfluss auf die Fristen nach § 233 ZPO!

• Bsp.: Nach erstinstanzlichem Urteil und Berufungseinlegung beantragen beide Parteien wegen (jetzt erst) schwebender Vergleichsverhandlungen das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Der Senat tut das. Berufungsführer muss aber dennoch die Berufungsbegründungsfrist im Auge behalten (§§ 251 S. 2, 233 ZPO)!

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 50

Klageverfahren

4. Abschnitt:

Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

(ohne Beweisverfahren)

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 51

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊ Schlüssigkeitsprüfung des Klägervortrags ("Klägerstation") • Rechtliche Bedeutung • Der Tatsachenstoff der Schlüssigkeitsprüfung

◊ Erheblichkeitsprüfung des Beklagtenvortrags

("Beklagtenstation") • Erhebung von Einreden und Einwendungen gegen den Klageanspruch • Insbes.: Klageleugnen (Überblick, Einzelheiten ab Folie 59)

• Substantiiertes Bestreiten • Einfaches Bestreiten • Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 IV) • Nichtbestreiten und unsubstantiiertes Bestreiten (§ 138 III)

• Beurteilung der Erheblichkeit • Das weitere Verhalten der Parteien ("Replik", "Duplik")

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 52

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊Entwicklung des Vortrags:

• Das Maß dessen, was die Parteien vortragen müssen, hängt oft vom Maß dessen ab, was der Gegner vorträgt.

• Bsp.: K fordert von B die Zahlung des Kaufpreises von 1.000,00 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des gekauften Rasenmähers (Aufsitzmäher). B rührt sich auf Anschreiben des K nicht, so dass K sich zur Klage durchringt. Der Vortrag entwickelt sich:

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 53

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊Klage: ◊Die Parteien haben am 24.07.2014 einen mündlichen Kaufvertrag über den Rasenmäher XYZ der Marke Gartenfreund zu 1.000,00 € geschlossen. Die Abholung und Bezahlung sollte am nächsten Tag erfolgen. Der Beklagte ist jedoch nicht erschienen.

◊ Klageerwiderung: ◊ Stimmt gar nicht,

Kaufinteresse bestand zunächst, Rasenmäher war dem Beklagten aber zu teuer.

Kläger Beklagter

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 54

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊ Replik ◊ Stimmt wohl, denn der Kläger

erklärte an dem Nachmittag dieses Tages im Beisein der Ehefrau und nachbenannten Zeugin, er biete dem B den Rasenmäher an, und zwar zum Preis von 1.200,00 €. Nach einer Probefahrt auf der Wiese des klägerischen Wohnhauses war der Beklagte begeistert von dem Gerät, handelte den Kläger aber auf 1.000,00 € herunter. Der Kläger erklärte dazu: Damit bin ich auch einverstanden, und man verabredete die Abholung und Bezahlung am nächsten Tag.

◊ Beweis: Zeugnis Ehefrau K

◊ Duplik ◊ Stimmt nicht, denn dem

Beklagten waren die 1.200 € zu teuer. Deswegen hat der Beklagte erklärt, er könne sich allenfalls den Kauf zu 1.000,00 € vorstellen, wolle sich aber nochmals umsehen und am folgenden Tag wiederkommen, wenn er weiterhin am Kauf interessiert und nichts besseres/billigeres gefunden habe. Bei dem Gespräch war auch die Ehefrau des Beklagten anwesend, die den Vorgang bezeugen kann.

◊ Beweis: Zeugnis Ehefrau B

Kläger Beklagter

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 55

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊ Klage: ◊ Die Parteien haben am

24.07.2014 einen mündlichen Kaufvertrag über den Rasenmäher XYZ der Marke Gartenfreund zu 1.000,00 € geschlossen. Die Abholung und Bezahlung sollte am nächsten Tag erfolgen. Der Beklagte ist jedoch nicht erschienen.

◊ Klageerwiderung ◊ In der Tat hatte man sich

zunächst am 24.07.2014 auf den Kauf des Rasenmähers zu 1.000,00 € geeinigt. Am nächsten Tag erfuhr der Beklagte auf seinem Arbeitsplatz, dass er befördert wird, dafür aber ein Umzug nach Köln ansteht. Da dort lediglich eine Stadtwohnung bezogen werden kann, hat der Beklagte dem Kläger gegenüber den Vertrag fernmündlich widerrufen. Das war möglich, da der Beklagte Verbraucher ist.

Variante: Kläger Beklagter

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 56

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊ Replik:

◊ Der Vortrag trifft nicht zu; am 25.07.2014 haben die Parteien nicht telefoniert. Der Beklagte ist einfach nicht erschienen.

◊ Duplik:

◊ Doch, kann aber auch am 26. gewesen sein.

◊ Beweis: Zeugnis Ehefrau B

Kläger Beklagter

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 57

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 58

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊ Beweisbedürftigkeit, §§ 288, 292 ZPO: Streitige, entscheidungserhebliche Tatsachen.

◊ Nicht beweisbedürftig: • zugestandene Tatsachen (Geständnis), §§ 288 ff. ZPO

• Gegenstand: ungünstiger Tatsachenvortrag • Erklärung • Wirkung • Widerruf, § 290, auch § 85 I 2

• nicht (hinreichend) bestrittene Behauptungen, § 138 III; • offenkundige Tatsachen, § 291; • vermutete Tatsachen, § 292,

• möglich aber Beweis des Gegenteils

◊ Beweisführung und Beweislast ◊ Durchführung der Beweisaufnahme, §§ 285, 355, 357, 359,

361 f., 370.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 59

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊ Beispiel 1 zum Geständnis:

◊ In einem Prozess vor dem Landgericht hat der den Beklagten vertretende Rechtsanwalt R aufgrund einer Information, die ihm der Prokurist seines Mandanten erteilt hat, die vom Kläger behauptete Mangelhaftigkeit der Kaufsache zugestanden. Später stellt sich heraus, dass die Mängel nachweislich nicht vorhanden waren und der Prokurist sich geirrt hat. Kann das Geständnis widerrufen werden?

◊ Lösung:

◊ § 288: an sich wirksames Geständnis, kann aber widerrufen

werden, wenn durch Irrtum veranlasst (§ 290), § 166 BGB

analog anwendbar.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 60

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

◊ Beispiel 2 zum Geständnis

◊ K klagt gegen B auf Zahlung des Kaufpreises für eine Maschine. B rechnet im Prozess mit Schadensersatzforderungen aus einem Werkvertrag auf, den er mit K geschlossen hatte. (Nur) dazu hält er in der Klageerwiderung und den sonstigen vorbereitenden Schriftsätzen Vortrag. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Beweisbeschluss über die dem Schadensersatzanspruch zugrunde liegenden und von K bestrittenen Tatsachen. Als die Beweisaufnahme zu Ungunsten des B ausgeht, besinnt er sich eines besseren und bestreitet den Kaufvertragsabschluss. Wird das Gericht nun (noch) hierüber Beweis erheben?

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 61

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ Lösung Bsp. 2

◊ Grds. Beweisaufnahme erforderlich über erheblich bestrittene und entscheidungserhebliche Tatsachen. • Hier: Kaufpreisanspruch setzt den Kaufvertragsabschluss voraus; da

dieser streitig ist, bedarf diese Tatsache grds. des Beweises.

• Aber: Nicht beweisbedürftig sind zugestandene Tatsachen.

• Hier: Kaufvertragsabschluss?

• Wenn der Beklagte den schlüssigen Klageanspruch nur mit einer unbedingten Aufrechnung bekämpft, liegt darin in der Regel ein Geständnis der den Klageanspruch begründenden Tatsachen.

• Mündlichkeit des Geständnisses: Zwar kein ausdrückliches Geständnis in der Mündlichen Verhandlung, aber dort wurden zumindest stillschweigend die vorbereitenden Schriftsätze in Bezug genommen, was ausreicht.

• Ergebnis: Geständnis, das wirkt, da keine Gründe des § 290 ZPO erkennbar (oder geltend gemacht).

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 62

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ Beweisaufnahme

◊ findet nur statt, wenn über die entscheidungserheblichen Tatsachen keine Einigkeit besteht

◊ Arten des Bestreitens • einfaches

• der Beklagte (oder Kläger) stellt lediglich eine Klägerbehauptung (oder eine Beklagtenbehauptung) in Abrede

• grds. erheblich, außer der Partei sind nähere Angaben möglich und zumutbar

• "Bestreiten mit Nichtwissen"

• nur zulässig, wenn weder eigene Handlungen noch eigene Wahrnehmungen betroffen sind, § 138 IV

• Qualifiziertes Bestreiten

• Beklagter gibt eine eigene, vom Kläger abweichende Tatsachendarstellung und umgekehrt.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 63

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ Beispielsfall:

◊ K verklagt B auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall und behauptet, B sei mit seinem Wagen bei Rot über die Ampel gefahren und dabei seitlich mit seinem (des K) Fahrzeug zusammengeprallt; er (K) sei ordnungsgemäß bei Grün über die Kreuzung gefahren. B bestreitet bloß.

◊ Lösung:

◊ Hier kann B nicht einfach bestreiten, der Vortrag des K sei unrichtig (das wäre einfaches Bestreiten); vielmehr muss er ausführlich den Unfallhergang aus seiner Sicht schildern (sog. substantiiertes Bestreiten)

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 64

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ Beispielsfall:

◊ K verklagt B auf Zahlung einer Kaufpreisforderung nebst 13 Prozent Zinsen seit dem 14.08.2002. Zur Begründung trägt K vor, seit diesem Datum befindet B sich im Verzug; K nehme ständig Bankkredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch, der mit 13 Prozent zu verzinsen sei.

◊ Lösung:

◊ B darf sich mit Nichtwissen erklären (§ 138 IV ZPO), da es sich seiner Beurteilung entzieht, ob K wirklich Bankkredit in Anspruch nimmt und ob dieser wirklich mit 13 Prozent zu verzinsen ist; Folge: keine Zugestehensfiktion, Beweiserhebung

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 65

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

Klage schlüssig?

Abweisung als unbegründet

Beklagtenvorbringen

erheblich?

Beweis über schlüssig vorgetragene,

erheblich bestrittene Tatsachen

ja

nein

ja

nein

Herausfiltern der beweisbedürftigen Tatsachen

Hinweise des Gerichts

ergänzter Vortrag

nein

ja

Klagestattgabe

nach vergebl.

Hinweis an Bekl.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 66

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ Fußgänger A ist von dem auf den B zugelassenen PKW – mit dessen 18-jährigem Sohn S am Steuer – angefahren und verletzt worden. A verklagt B auf Schadensersatz mit der Begründung, B habe seinen Sohn, der erst vor drei Tagen den Führerschein gemacht habe, nicht allein mit seinem Wagen fahren lassen dürfen und sich deshalb einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht. B verteidigt sich mit Ausführungen zu den Fahrkünsten seines Sohnes.

◊ Lösung:

◊ Klage ist schlüssig, zwar nicht aus § 823 Abs. 1 BGB, sondern aus § 7 StVG; keine erheblichen Einwendungen des B.

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 67

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ K verlangt von B Herausgabe einer ihm (K) gehörenden Maschine und behauptet, die Maschine sei von ihm an B vermietet worden, die Mietzeit aber abgelaufen. Hierfür benennt K seinen Mitarbeiter M als Zeugen. B räumt in der Klageerwiderung ein, im Besitz der Maschine des K zu sein, bestreitet aber den Abschluss eines Mietvertrages. Muss Beweis erhoben werden?

◊ Lösung: Die Verteidigung des B ist zwar gegenüber dem Herausgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB erheblich, nicht aber gegenüber dem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB sowie dem Anspruch aus § 812 BGB. Aus diesem Grund bedarf es keiner Beweisaufnahme.

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 68

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ K verlangt von B die Rückzahlung eines fälligen Darlehens. B bestreitet, das Geld als Darlehen erhalten zu haben. Das Geld habe K ihm vielmehr als Kaufpreis aufgrund eines bisher nur privatschriftlich geschlossenen Grundstückskauf-Vorvertrag. Der Hauptvertrag solle demnächst notariell beurkundet werden. Beweis: Ehefrau

◊ Lösung: ◊ Das Gericht wird die Ehefrau nicht hören, denn: Wenn die

Version des Klägers stimmt, hat der K einen Anspruch aus Darlehen, § 488 I 2 BGB. Stimmt die Version des B, hat der Kläger einen Anspruch aus § 812 I 1, 1. Alt. BGB, da auch der Vorvertrag zu einem formpflichtigen Geschäft der Form bedarf, die hier nicht eingehalten ist, so dass der Vertrag nach § 125 BGB nichtig ist, die Zahlung also ohne Rechtsgrund erfolgte (sog. "äquipollentes" also gleichwertiges Vorbringen).

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 69

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 70

Klageverfahren - Tatsächliche Grundlagen der Entscheidung

Beweisrecht

◊ Beweislastregelungen:

◊ Formulierung der materiellrechtlichen Norm

• Grundsatz: Jeder muss das beweisen, worauf er sich beruft.

• Ausnahme: Ausdrückliche Beweislastverteilung, z.B. §§ 280 I 2 [mit vollkommen falsch formulierter Gegenausnahme im Arbeitsrecht in § 619a], 286 IV, 363 BGB

• Gesetzliche Vermutungen (Beispiele): §§ 476, 1006, 2365

◊ Richterliche Fortbildung (s. z.B. Arzt-, Produzentenhaftung)

◊ Vorsicht: Für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen trägt immer der Kläger die Beweislast!

• Insbes. relevant im Hinblick auf die Prozessfähigkeit, die wiederum an die Geschäftsfähigkeit anknüpft

• (im materiellen Recht wird die Geschäftsfähigkeit als die Regel angenommen, wer ihr Fehlen behauptet, muss dies beweisen)

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 71

Klageverfahren

5. Abschnitt:

Besonderheiten des amtsgerichtlichen

Verfahrens

ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 72

Klageverfahren

◊ I. Das amtsgerichtliche Verfahren im Allgemeinen

◊ II. Verfahren in Bagatellsachen (§§ 128 III, 495a)

◊ III. Hinweis: Mahnverfahren

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ZPO I - Teil 5 - Prof. Dr. Hubert Schmidt 73

Klageverfahren

◊ Allgemeines

◊ Vereinfachtes Verfahren zum Erhalt eines Vollstreckungstitels bei voraussichtlich unstreitigen Forderungen

◊ Rechtspolitischer Grund für Mahnverfahren: Prozessökonomie (Kostenersparnis, Schnelligkeit)

◊ Praktische Bedeutung

◊ Ablauf in 2 Stufen: • Mahnbescheidsverfahren §§ 690 ff

• Vollstreckungsbescheidsverfahren, §§ 699 ff

◊ Formelle und materielle Rechtskraftwirkung des Vollstreckungsbescheids, § 700 I i.V.m. § 322 I • Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage

• Zulässigkeit der Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB für besondere Fallgruppen (insbes. sittenwidrige Ratenkreditforderungen)