Gruppenleitungs-Handbuch

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Endlich Leben-Gruppen kompetent leiten Die Mitte für Gott offen halten! Helge Seekamp NETZWERK

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für alle Endlich-Leben-GruppenleiterInnen: Einsichten. Handreichungen. Übungen. Nach dem 12-Schritte-Modell.

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Endlich Leben-Gruppen

kompetent leiten

Die Mitte

für Gott

offen halten!

Helge Seekamp

NETZWERK

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Helge Seekamp

Die Mittefür Gottoffenhalten

NEU

Einsichten. Handreichungen. Übungen.

Für GruppenleiterInnen

mit dem 12-Schritte-Konzept

Endlich-Leben-Gruppen kompetent leiten

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Gelassenheits-Gebet

Herr, gib mir die Gelassenheit,

Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Lass mich den Tag ganz ausleben im Bewusstsein seiner Zeit.Lass mich jeden Augenblick ganz genießen im Bewusstsein seiner Begrenzung.Lass mich Not auch als einen Weg zum inneren Frieden akzeptieren können.Lass mich – wie Jesus es auch tat – diese sündhafte Welt annehmen, wie sie ist, nicht wie ich sie gerne hätte.Lass mich dir vertrauen, dass du alle Dinge richtig machen wirst, wenn ich mich dir und deinem Willen überlasse.So werde ich wirklich glücklich werden in diesem Leben und überglücklich mit dir für immer im kommenden Leben.

(Reinhold Niebuhr)

Die Bibelstellen sind entnommen aus: 1. „Hoffnung für alle®“ (Hfa), © 1983/1996/2002International Bible Society®, Colorado Springs, USA, übersetzt und herausgegeben durch: Brunnen Verlag Basel und Gießen und, soweit entsprechend angegeben, aus: 2. der Revidier-ten Luther-Übersetzung von 1984 (Luther), © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart1984/1999,3. „Neue Genfer Übersetzung” (NGÜ), © Genfer Bibelgesellschaft, Genf 20091. Auflage 2010

© 2010 Seekamp-Seekamp: kreative Medien LemgoUmschlaggestaltung: Kristina DittertTitelbildrechte: iStockfoto.com Bild Nr. 5501218Illustrationen im Innenteil: Bernd ReuterSatz: Helge SeekampLektorat: Gundula SeekampHerstellung: epubli.comVerlag: Seekamp:Seekamp kreative Medien, Lemgo

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Inhalt

Einführung

Gelassenheits-Gebet 2Zertifizierung Endlich-Leben®-Gruppen 4Vorwort 5Denkvoraussetzungen und Definitionen 8Einführung in die Leitungsrolle 10Planung zum Verlauf der Gruppentreffen 22Die Gruppenregeln 23Zeiten, Phasen, Medien/Methoden 24Merkmale guter Prozessgestaltung 26Die Arbeit mit Selbsttest-Fragbögen 28Selbsttest „Stressbelastung” 29Was sind deine Ziele für die Räume? 30Planung Startphase (1.-4. Treffen) 32

Das 12-Schritte-Programm

Schritt 1 Endlich am Ende 35Selbsttest „Symptome” 54Schritt 2 Nie mehr allein 65Was ist seelische Gesundheit? 68Selbsttest „Religiosität” 77Schritt 3 Sich Gott geben 89Schritt 4 Endlich das Ganze sehen 105Selbsttest „Biografie” 118Selbsttest „Ziele” 123Selbsttest „Konfliktlösung” 126Selbsttest „Bindungsstile” 128Selbsttest „Symptome” 1. Update 133Schritt 5 Endlich dazu stehen 139Schritt 6 Bereit für Veränderung 161Schritt 7 Verwandlung zulassen 177Schritt 8 Beziehungsklärung 197Schritt 9 Wiedergutmachung 213Selbsttest „Symptome” 2. Update 228Schritt 10 Das „Sofort!–Konzept“ 233Schritt 11 Beziehung mit Gott leben 247Schritt 12 Zum Zeugen werden 263Abschluss-Abfrage der Selbsttests 271Nachmessung nach 6 Monaten 277

AnhangGründungshilfen für die Praxis und Kontakte 280Literaturverzeichnis 281Copyright 12 Schritte 282Finanz-Philosophie der Arbeit 283Konzeptbuch christliche Selbsthilfe 284

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Zertifizierung Endlich-Leben -Gruppen

Dieses Gruppenleitungs-Übungsbuch ergänzt dasTeilnehmenden-Arbeitsbuch »Endlich Leben«. DiesesBuch ist copyrightgeschützt und darf in keine Weisevervielfältigt werden. Es steht nur Mitarbeitenden inzertifizierter Gemeinden, die in zertifizierten Endlich-Leben-Gruppen arbeiten, zur Verfügung.

Die Selbsttests sind nur registrierten Gruppen imInternet zugänglich, um möglichen Missbrauch auszu-schließen.

Das endlich-leben®.net eV. hat dieses Verfahrengewählt, um Namen und Qualität der Endlich-Leben-Gruppenarbeit für Sie zu schützen, damit auch wirk-lich drin ist, was drauf steht: Leben! Sprechen Sie unsan.

Zertifizierung bedeutet für uns eine Vertrauensbe-ziehung, ein Geben und Nehmen auf allen Ebenen inOffenheit, Zustimmung zu Grundwerten und Aner-kennung von definierten Grenzen dieser Selbsthilfe-Arbeitsform.

Endlich-Leben-Gruppen dürfen nicht mit Gewin-nabsicht betrieben werden. Unkosten für Raummiete,Heizung, Material können entstehen und werdendurch eine vom Netzwerk festgelegten Gebühr erho-ben. Darüberhinaus steht es jeder Gemeinde offen,Fundraisingaktivitäten unterschiedlichster Art (Spen-den, Sponsoring, Zuschüsse usw.) für ihre Endlich-Leben-Arbeit zu entwickeln.

®

Das Logo der Marke endlich-leben®.net – wie obendargestellt– ist rechtlich geschützt und darf nur vondazu autorisierten Personen genutzt werden.Gemeinden, die als sogenannte zertifizierte Gemein-den in einer vertraglich geregelten Beziehung mitdem Netzwerk verbunden sind , dürfen den Marken-namen endlich-leben®.net, bzw. Endlich-Leben®-Gruppen (in Verbindung mit der entsprechendenWort-/Bildmarke) für ihre Werbung nutzen. Durcheinen Zertifizierungsvertrag mit dem endlich-leben.net eV. können sie die unten beschriebeneUnterstützung für ihre Gruppenarbeit bekommen.Lesen Sie alle weiteren Details dazu unter der Inter-netadresse www.zertifizierung.endlich-leben.net

Das endlich-leben®.net eV. ist als gemeinnütziganerkannter Verein organisiert. Zweck des Vereins istdie Förderung des Wohlfahrtsbereich durch dieideelle, materielle, tatsächliche bzw. aktive und finan-zielle Unterstu!tzung bei der Entwicklung und Ver-wirklichung von Endlich-Leben®-Gruppen. Diese sindSelbsthilfegruppen zur Förderung der psychischenGesundheit und der Verbesserung der Beziehungsfä-higkeit. Sie arbeiten nach einem 12-Schritte-Pro-gramm (© siehe S. 243) und werden durch von christ-lichen Gemeinden ausgewählte LeiterInnen mode-riert. Professionelle haben einen eigenen Vertrag miteigenen Regelwerk.

Schwerpunkte von endlich-leben®.net e.V.

• Förderung der Gru� ndung von Endlich-Leben®-Gruppen;• Information u� ber diese Endlich-Leben-Arbeitsfor-men nach innen (z.B. christlichen Gemeinden undWerke) und nach außen (Öffentlichkeitsarbeit z.B. inSelbsthilfenetzwerken, Fachgremien wie AMD);• Kommunikation und Zusammenarbeit mit Organi-sationen, die Seelsorge und Therapie verantworten;• Fachliche und geistliche Reflexion der Endlich-Leben-Arbeit;• Integration von Endlich-Leben-Gruppen in Ortsge-meinden unterschiedlichster Konfessionen;• Reflexion und Hilfen zur Durchfu� hrung von Quali-tätssicherung, z.B. durch Schulungen und Works-hops, Arbeits- und Schulungsmaterialien, Leitlinienfu� r Supervison• Bereitstellung eines Qualitätssicherungsverfahrens(wissenschaftlich genormte Fragebögen) mit gleich-zeitiger Beforschung der Wirksamkeit.

Coypright, Impressum

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Vorwort

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Anleitungen und Übungen zur Praxis des 12-Schritte-Programms

Mit dieser Anleitung halten Sie das erste deutschsprachige 12-Schritte-Programm fürGruppenleiterInnen in der Hand, das auf einem christlichen Grundverständnis beruht.Eigene Erfahrungen unserer 15-jährigen Praxis mit christlichen 12-Schritte-Gruppen,eine gründliche Beschäftigung mit den Prinzipien der 12 Schritte, die Literatur und Hilfeunserer amerikanischen Freundinnen und Freunde und viele wertvolle Rückmeldungenauf Schulungen von MitarbeiterInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweizhaben dazu beigetragen, dieses Endlich-Leben-Mitarbeiterhandbuch vorzulegen.

Millionen von Menschen haben weltweit durch das 12-Schritte-Programm Hilfe undVeränderung erlebt. Der Wert und die Bedeutung des 12-Schritte-Programms wurdeuns selbst erst bewusst, als wir in unseren Endlich-Leben-Gruppen erlebt haben, wieHeilung, Veränderung und Gelassenheit in das Leben von Menschen kam. Und daswaren teilweise Menschen, die jahrelang sehnlichst nach Hilfe gesucht hatten. Geradedie neuesten Nachrichten aus deutschen Gefängnissen, besonders aus dem Hochsicher-heitsgefängnis Straubing, zeigen uns, wie hilfreich mit dem Arbeitsbuch selbst in einemsolch herausfordernden Umfeld gearbeitet werden kann.

Unsere Erfahrungen mit dem 12-Schritte-Programm begannen 1994 in Lemgo(Deutschland) unter meiner Leitung als 50% Pfarrer der ev.-reformierte Lippische Lan-deskirche. Im Rahmen einer überkonfessionellen christlichen Kulturkneipe erlebtenMänner und Frauen zwischen 20 und 60 Jahren Veränderung und Hilfe bei Ängsten,psychischen Problemen und Abhängigkeiten. Etwa zur selben Zeit und unabhängigdavon wurde in der Vineyard-Gemeinde Bern (Schweiz) unter der Leitung von GeroHerrendorff mit demselben 12-Schritte-Programm gearbeitet. Auch dort machten vieledieselben wertvollen, das Leben verändernden Erfahrungen! Das hat uns bei der Arbeitder folgenden Jahre ermutigt. Zusammen mit Karin Prentzel (Lemgo) bildeten wir dasAutorenteam für das 12-Schritte-Programm »Endlich Leben« für die Gruppenmitglie-der.

Das Gruppenangebot mit besonderem Profil

Inzwischen ist das Endlich-Leben-Netzwerk ins Leben gerufen worden und wir könnenjetzt nach 15-jähriger Erfahrung viel klarer sehen und beschreiben, welchen Ort unsereArbeit in der Seelsorgelandschaft einnimmt und was unsere besondere Berufung ist. Das 12-Schritte-Programm kann bestimmten Menschen helfen, ihre Lebensmuster zuverändern. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass es nur eines von verschiedenenInstrumenten ist, um in seelischen Krisensituationen Menschen zu helfen. Unterschied-liche Seelsorgeansätze behalten ihre geschichtliche und biografische Begründung. Esgibt wohl nicht das Universalwerkzeug für Veränderungen oder die Universalmethode.Das macht uns bescheiden und demütig. Und doch merken wir, dass zumindest derGruppenansatz eine entscheidende Ergänzung zu den bekannten Seelsorge-Werkzeu-gen (Einzelgespräche, Einzel-Beratung) und Therapien unterschiedlichster Fachrichtun-gen ist.

In einer individualistischen Gesellschaft ist das Angebot einer verbindlichen Gemein-schaft, wie sie eine Endlich-Leben-Gruppe bietet, eine wichtige Alternative – quasi einGegentrend. Es gehört zu der wesentlichen Ermutigung für die Gruppenmitglieder fest-zustellen, dass sie nicht allein sind mit ihren Schwierigkeiten. Hat jemand aus derGruppe Veränderungen erlebt, kann dies zu einem ermutigenden Beispiel für die ande-ren werden. Es hat vielleicht sogar Modellcharakter und weckt Hoffnungen bei denanderen Gruppenmitglieder. Die Sehnsucht nach Veränderung wird so auf natürlicheWeise in diesen Gruppen wach gehalten. Kleine oder auch erstaunliche Veränderun-gen, die immer wieder berichtet werden, nähren dann die Glut der Hoffnung auf Hei-lung, Veränderung und Gelassenheit. Diese Effekte haben alle Gruppen.

Vorwort

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Vorwort

Ein Handbuch für die Praktiker

GruppenleiterInnenDieses Gruppenleitungs-Handbuch richtet sich konkret an die GruppenleiterInnen vonEndlich-Leben-Gruppen. Ihre besondere Rolle, ihre konkreten Aufgaben und auch dieGrenzen ihres Engagements werden hier aufgezeigt werden. Die Lektüre dieses Buchessoll ihnen eine klare Vorstellung über die Theorie ihrer Arbeit als GruppenleiterInnenin Endlich-Leben-Gruppen vermitteln.

KoordinatorInnenDas Endlich-Leben-Netzwerk kann nur gut funktionieren, wenn es die Rolle der Koor-dinatorInnen gibt. Für das Netzwerk sind sie die AnsprechpartnerInnen in den jeweili-gen Partnergemeinden. Für die GruppenleiterInnen sind sie eine wichtige Schaltstellezwischen dem gesammelten Wissen und den Möglichkeiten (Ressourcen) des Netzwerksund den Erfahrungen in der jeweiligen Ortsgemeinde. Ihre wichtige Vermittler-Rolle,ihre konkreten Aufgaben für die Supervision und auch die Grenzen ihres Engagementswerden in einem eigenen Buch für KoordinatorInnen den nötigen Raum bekommen.

PfarrerInnen oder LeitungsverantwortlicheEndlich-Leben-Gruppen fördern eine Kirche, die zu einem Ort der Barmherzigkeit wird.Damit können, – so hoffen wir jedenfalls –, gesetzliche und zwanghafte Tendenzen (diein esoterischen wie in christlichen Traditionen vorkommen) verringert werden. Mindes-tens aber machen Endlich-Leben-Gruppen für solche Fehlinterpretationen des Evange-liums die Gruppenmitglieder immer wieder sensibel.Endlich-Leben-Gruppen fördern eine offene Kirche, die sprachlich und deshalb auchkulturell für das 21. Jahrhundert von Bedeutung bleiben kann. Wir erfahren in buntzusammengesetzten Gruppen: Menschen unterschiedlicher Glaubensvorstellungenkönnen voneinander lernen. Unser Endlich-Leben-Programm kann damit auch einenneuen missionarischen Impuls in Form eines interkulturellen Gesprächs für die Ortsge-meinde vermitteln. So wird dieses Handbuch auch klären, auf was sich eine Gemeindeeinlässt, die mit Endlich-Leben-Gruppen arbeitet.

Selbsthilfe und Weiterbildung?Endlich-Leben-Gruppen sind eine Chance, die neue Arbeitsform »Selbsthilfe« in diechristliche Seelsorge in Ortsgemeinden zu integrieren oder vorhandene Seelsorge-Angebote so zu erweitern, dass sie für eine große Zahl von Hilfe suchenden Menscheneinladend wirken. In Endlich-Leben-Gruppen geschieht Seelsorge auf der Basis derLiebe Gottes inspiriert von der Methodik der Selbsthilfegruppen. Wir benutzen denBegriff »Selbsthilfe« also trotz aller möglichen Missdeutungen bewusst, um die Arbeitnach innen und nach außen klar von Therapie, Beratung oder geschulter Laienseelsorgezu unterscheiden und damit ihre besonderen Stärken auf einen Begriff zu bringen.

Die Stärke der Selbsthilfe ist nämlich, dass Betroffene selbstmotiviert sich ohne fach-liche Hilfe in Gruppen sammeln und solidarisieren, wie es eben nur Betroffene können.Auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt werden die Not und die Hoffnung,Lösungen und Krisen miteinander geteilt. Selbsthilfe lebt von dieser quasi unorgani-sierten, spontanen Gemeinschaft von durch Not „Gebeutelten“.

Zugleich werden solche Menschen nicht ruhen, bis sie an Wissen und Erfahrunggewachsen sind, um sich ihren Herausforderungen besser zu stellen. Sie werden sichweiterbilden, lernen und ihre Kompetenzen im Umgang mit ihrem Lebensschicksalauch für andere erweitern. Die wertvolle Arbeit von Selbsthilfekontaktstellen in allenRegionen Deutschlands und bundesweit wirksamen Netzwerken, die Weiterbildungund Information der Selbsthilfegruppenarbeit fördern, zeigt wie dieses Lernen mehr

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Vorwort

und mehr auch organisiert wird. Im christlichen Kontext kommt die Aufgabe hinzu, diejeweiligen Gruppen in die Gemeindestrukturen einzuordnen und den entsprechendenLeitungstraditionen einer christlichen Gemeinschaft anzupassen.

Der Verhältnis von Theorie und Praxis

Jede gute Praxis benötigt eine gute Theorie. Menschen, die theoriefeindlich einge-stellt sind, haben trotz aller anderen Beteuerungen auch eine Theorie – nur keineschriftlich verfasste, geordnete, in sich stimmige, sondern eine unbewusste in ihrem»Bauch». In Wirklichkeit kommen sie natürlich ohne klare Vorstellungen ihrer Schlüs-selbegriffe nicht aus, verwenden sie Methoden, die sich in ihrer Praxis bewährt haben.Sie können oder wollen sich nur nicht in den oft mühevollen Abstand zu sich selbst undihrer Arbeit begeben. Warum? Vielleicht haben sie schlechte Erfahrungen mit solchenTheorien (Abstraktionen) von der Praxis gemacht? Oder sie fürchten, durch ein festge-legtes Konzept eingeengt zu werden?

Diese Befürchtungen müssen nicht sein, denn in diesem Buch geht es ausschließlichum eine Theorie für die Anwendung des Endlich-Leben-Programms, die die Praxis ver-bessern soll. Wir nehmen also nur den unbedingt nötigen Abstand von den konkretenHandlungen ein, um sofort wieder für die Anwendung in der Praxis Argumente oderAnleitung zu erhalten. Eine zweite Theorieebene, die über die Theorie hinter der Anlei-tung zur Praxis nachdenkt, finde ich grundsätzlich nötig, muss aber nicht allen Grup-penleiterInnen zugemutet werden. Wer sich weitere Gedanken über die Einordnungdieser Arbeit in Seelsorgetheorien, psychologische Methodenlehren oder theologischeGrundansätze machen möchte, dem empfehlen wir zu einem ersten Überblick unserBuch “Grundkurs Barmherzigkeit”.

Zertifizierte Gruppen bedeuten Qualität und Schutz

Seit 2008 hat das Netzwerk endlich-leben.net e.V. die Gruppenarbeit neu organisiert.Seitdem arbeiten in vielen Gemeinden unterschiedlicher Kirchen zertifizierte Endlich-Leben-Gruppen auf einer gemeinsamen Basis von Werten, Definitionen, Standards undVerbindlichkeiten zusammen. Nur Gemeinden, die diesen Standards in einem Vertragzustimmen, erhalten mit diesem Vertrag exklusiv Zugang zu den unterstützendenMaterialien des Endlich-Leben-Netzwerks. Dazu gehören: • Fragebogeneingabe im Internet• Gründungsberatung• Mitarbeitermaterial wie z.B. diese ausführlichen Anleitungen für die Gruppenleitung.Damit soll unsere Erfahrung denen zugute kommen, die sich dem Prinzip Nehmen undGeben im Wissensnetz des Endlich-Leben-Netzwerks verpflichtet haben. Diese Netz-werkpartner finden sich im Verzeichnis von Endlich-Leben-Gruppen im Internet aufge-listet www.gruppen.endlich-leben.net. Bei allen weiteren Fragen wenden Sie sich gerne andas Netzwerkbüro (siehe Anhang).

Wir danken allen, die ihre Lebensberichte für unsere Arbeit zur Verfügung gestellthaben und in der Verbundenheit mit uns über viele Jahre ihre wertvollen Rückmeldun-gen und Anregungen gegeben haben. Wir wünschen allen, die sich auf unserengemeinsamen 12-Schritte-Weg einlassen, Gottes Segen, Heilung, Veränderung undGelassenheit in ihrem verantwortlichen Umgang mit den Aufgaben als Gruppenleite-rInnen oder KoordinatorInnen.

Jens Albrecht (1. Vorsitzender des endlich-leben.net), LemgoSolange Freyd (2. Vorsitzende und Sprecherin des französischen Bereichs), ColmarHelge Seekamp (Öffentlichkeitsbeauftragter des endlich-leben.net), LemgoGero Herrendorff (Schweiz), BernJochen Klaas (Kassenführung), Lemgo

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Denkvoraussetzungen und Definitionen

Dieses Handbuch für GruppenleiterInnen soll die Methoden der Gruppenarbeit erklärenund einüben. Die Entscheidung, statt eines Lesebuches ein Übungsbuch für die Gruppenlei-tung herauszugeben, passt zu den 12-Schritte-Werten: Es geht uns um ein lebenslanges Ein-üben. Ein weiterer Wert der Endlich-Leben-Arbeit ist es, in die Weite zu führen, anstatt engeGrenzen zu setzen und übermäßige Kontrolle auszuüben. Deshalb soll alles Folgende zumeigenen Nachdenken anregen und helfen, Meinungen selbstkritisch zu überprüfen, um eineeigene begründete Position zu finden.

Das übergeordnete Ziel der Endlich-Leben-Gruppen

Es geht mit allem, was in Endlich-Leben-Gruppen geschieht, um einen ganzheitlichen,d.h. Gefühle, Denken und Körper einschließenden Beziehungsaufbau

• zu sich selbst, • zu anderen, • seiner Umwelt und • auch zu Gott.

Die Definition

Eine Endlich-Leben-Gruppe ist ein geschützter Ort, wo Menschen (gewissermaßen unter»Laborbedingungen« mit festen Regeln und Ritualen) angeregt werden, zu lernen, wie siediesen lebensnotwendigen Beziehungsaufbau verbessern können.

Wissenschaftliche Erklärungsmodelle

Die Wissenschaften, vom Menschen (Humanwissenschaften), geben uns Erklärungshil-fen, sogenannte Modelle vom Menschen und seinem gesunden Funktionieren. Mit Hilfe sol-cher wissenschaftlichen Theorien aus Psychologie, Neurowissenschaften, Religionswissen-schaften und Theologie kann gutes Gruppenleitungsverhalten besser bechrieben werden,als wenn ich dich nur auf persönliche Gruppenleitungserfahrungen verwiesen würde.

Die Möglichkeiten einer Gruppenleitung

Es gibt Methoden oder Techniken, die den Beziehungsaufbau in Gruppen ausdrücklichfördern. Durch die Psychotherapieforschung sind hinderliche oder förderliche Effekte fürverändernde Prozesse bekannt. Schrittweise sollen hilfreiche Verhaltensmöglichkeiten fürdie Gruppenleitung eingeübt werden.

Die Grenzen einer Gruppenleitung

Ein gutet Beziehungsaufbau lässt sich nicht erzwingen – weder bei einem selbst, noch beiGruppenmitgliedern. Daher ist es nötig, mit Gelassenheit diesem Werden und Wachsen derBeziehungen Raum zu geben. Als Christen vertrauen wir auf Gott und wollen gerade in denGruppenprozessen seinem Wirken Raum geben.

Gruppenleitungsverständnis in der Endlich-Leben-Arbeit

Im Sinne der Selbsthilfegruppenarbeit verstehen wir GruppenleiterInnen als Moderato-rInnen der Gruppe, die für ein gutes Gruppenklima und Gruppenfunktionieren sorgen hel-fen. Darum machen GruppenleiterInnen die gleichen 12 Schritte durch wie die anderen –nur erweitert um den Blick, für die ganze Gruppe zu sorgen, ohne überverantwortlich zuwerden. Als geistliche Richtlinie gilt dabei: »Halte die Mitte offen oder frei für das WirkenGottes.«

8 Definitionen

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Krankheits-, bzw. Gesundheitsbegriff

Die Definition Krankheit/Gesundheit sind von der jeweiligen Kultur, bzw. dem Wissens-stand der Wissenschaft und Forschung abhängig.

Endlich-Leben-Gruppenarbeit bezieht sich auf einen wissenschaftlich nachprüfba-ren Krankheitsbegriff (z.B. Klaus Grawes »KONSISTENZ-MODELL« vgl. S. 68) oder Sucht-begriff. Als christliche Arbeit wird die Perspektive der christlichen Theologie hinzuge-zogen, um geistliche Aspekte von Gesundheit oder Krankheit zu verstehen.

Das Endlich-Leben-Material weicht damit von den Definitionen der GründerInnender 12-Schritte-Bewegung ab, die sich auf den Forschungsstand von 1939 bezogen.

Systemisch denken – alles wirkt vernetzt

Das Denken in Systemen ist mit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in viele Wissen-schaftbereiche aufgenommen worden und hat wertvolle Erklärungsmodelle für kom-plexe Strukturen (lebende Organismen, Gruppen, physikalische Phänomene) entwi-ckelt. In den Wissenschaften vom Menschen wurden diese Erkenntnisse von der Psycho-logie z.B. in der systemischen Therapie oder systemischen Familien-Modellen aufge-nommen. Auch die Suchtforschung hatte früh einen systemischen Ansatz.

Mit diesem Denkansatz verbindet sich die Suche nach Wirkmustern und Regelmä-ßigkeiten der Abläufe innerhalb dieser Systeme. Einfache Ursache-Wirkung-Erklä-rungsmodelle wurden durch die systemische Regelkreis-Erklärung abgelöst.

Selbsthilfe-Definition

Die Selbsthilfegruppen-Bewegung ist ein neues Phänomen aus den 70er Jahren desletzten Jahrhunderts. Durch die 12-Schritte-Gruppen wurden in den USA seit den 39ernund in Europa seit den 70ern eine breite Bewegung initiiert, die zuerst als Konkurrenzund Kritikerin auf dem Gesundheitsmarkt wahrgenommen wurde, sich später aber zueiner wertvollen Partnerin für das Gesundheitssystem entwickelte.

»Selbsthilfegruppen sind freiwillige, meist lose Zusammenschlüsse von Menschen,deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten, psychischenoder sozialen Problemen richten, von denen sie - entweder selber oder als Angehörige- betroffen sind.

Sie wollen mit ihrer Arbeit keinen Gewinn erwirtschaften. Ihr Ziel ist eine Verände-rung ihrer persönlichen Lebensumstände und häufig auch ein Hineinwirken in ihr sozi-ales und politisches Umfeld.

In der regelmäßigen, oft wöchentlichen Gruppenarbeit betonen sie Authentizität,Gleichberechtigung, gemeinsames Gespräch und gegenseitige Hilfe. Die Gruppe istdabei ein Mittel, die äußere (soziale, gesellschaftliche) und die innere (persönliche, see-lische) Isolation aufzuheben.

Die Ziele von Selbsthilfegruppen richten sich vor allem auf ihre Mitglieder und nichtauf Außenstehende; darin unterscheiden sie sich von anderen Formen des Bürgerenga-gements. Selbsthilfegruppen werden nicht von professionellen Helfern geleitet; man-che ziehen jedoch gelegentlich Experten zu bestimmten Fragestellungen hinzu.«

Zwar sind bei weitem die meisten Selbsthilfegruppen im Gesundheitsbereich aktiv;aber sie beschäftigen sich nicht nur mit Krankheiten, sondern sie bearbeiten auch psy-chische und soziale Probleme. Endlich-Leben-Gruppen beziehen sich auf Abhängigkei-ten (Süchte) und seelische Probleme (z.B. Angst, Panik). Endlich-Leben-Gruppen sindwie viele Selbsthilfegruppen Gesprächsgruppen; sie arbeiten darüber hinaus aber oftauch handlungsorientiert. Selbsthilfegruppen entfalten sowohl das Selbsthilfe-Prinzip -das heißt Lösung von Problemen ohne professionelle Hilfe -, als auch das Gruppen-Prin-zip - das heißt gemeinschaftliche Problembearbeitung.

Deutsche Arbeitsge-meinschaft Selbsthilfe-gruppen (DAG SHG)e.V. (Hrsg.): Selbsthilfegruppen-Unterstützung. Ein Orientierungsrah-men. Gießen 1987, Seite 5

Definitionen 9

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Einführung in die Leitungsrolle

Leitziel: »Bringe deine eigene Geschichte mit hinein!«

Schön, dass du dich mit mir auf den spannenden Weg machst, dich nicht nur zu verändern, sondern auch Lei-tungsfunktionen zu übernehmen. Ich sage einfach mal „du“, oder? Wir sind ja in der Aufgabe miteinandersehr persönlich verbunden. Wir teilen vermutlich viele gleiche Grunderfahrungen und Werte, wir besprechenin unseren Gruppen ähnliche vertrauliche Dinge miteinander. Da stört das etwas unpersönliche „Sie“ doch mitder Zeit. Lass uns auch durch dieses Buch auf gleicher Augenhöhe miteinander reden, in gegenseitigem Res-pekt und angesteckt von der Leidenschaft, eine Lebensveränderung der Menschen zum Guten bewirken zuhelfen.

Darum betone ich jetzt gleich am Anfang: Meine Theorie der Endlich-Leben-Gruppenarbeit ist als ein Vor-schlag zu verstehen, den du kritisch überdenken kannst wie alle Beiträge in deinen Endlich-Leben-Gruppen.Nimm, was dir hilft, und lass, was du nicht gebrauchen kannst!

Denn es ist doch klar: Alles, was ich hier schreibe, habe ich aus meiner Perspektive, aufgrund meiner per-sönlichen Lebenserfahrungen, meiner Bildung und Ausbildung, meiner Buchlektüre und GesprächspartnerIn-nen und mit Worten beschrieben, die bei mir Bedeutungen, Gefühle und oft sogar Begeisterung auslösen.

Im einfachsten Falle teilst du meine Theorie – also meinen hier durchdachten Blickwinkel. Im schlechtes-ten Falle, übernimmst du einfach komplett alles ungeprüft. Im besten Falle ist es dir Anregung, eine eigene,stimmigere und für dich und dein Umfeld bessere Theorie zu entwickeln, von der du mir hoffentlich Kennt-nis gibst. So könnte ich von dir lernen, wie du jetzt von mir.

Einführung in die Mitarbeiterrolle10

Bist du schon wirklich überzeugt, dass du eine Theorie brauchst?

Ich möchte mit dir doch noch einmal kurz über diesen Gedanken diskutieren: Braucht man eigentlich eineTheorie? Oder machen Theorien das ganze Leben nicht komplizierter als es sein müsste? Vielleicht denkst du jaso: “Gut, irgendwelchen Wissenschaftlern nützen ja Theorien und theoretisches Wissen, aber ich bin eher einpraktischer Typ. Ich bin gut gefahren mit lebenspraktischen Erfahrungen. Die gebe ich in konkreten Gebrauchs-anleitungen aus der Praxis für die Praxis an andere weiter.

Vielleicht teile ich mit dir vielleicht ja den gleichen Frust.Viele Theorien haben mich schon beim ersten Anblick eines dicken Buches ermüdet. Ich denke da zum Bei-

spiel an wissenschaftliche Abhandlungen mit ellenlangen und unendlich komplizierten Sätzen. Die Gliederungwar unklar, die Sprache war langatmig und es wimmelte von Fremdwörtern. Anregende Beispiele gab es nicht.Das Herz oder die Leidenschaft des Autors konnte ich nicht richtig erkennen. Alles blieb eben so »theoretisch«.Das Wort »Theorie» bedeutet in diesem Fall: unverständlich, langweilig und für die Praxis sogar hinderlich –wenigstens demotivierend.

Das genaue Gegenteil sind Bücher, in denen jemand in bunten Farben seine Geschichte erzählt, begeistertvon Wundern Gottes oder Entdeckungen berichtet. Das Lesen führt dazu, dass seine Leidenschaft direkt über-springt und ich nicht abwarten kann, alles das, was dieser Mensch da beschreibt, in meinem Umfeld in die Tatumzusetzen.

Doch halt. Was so einfach scheint, ist eben nicht genauso eins zu eins in meinen Alltag zu übersetzen.Warum eigentlich nicht? Die klassische Ratgeber- und Selbsthilfeliteratur lebt von den anschaulichen Beispie-len, den begnadeten Geschichtenerzählern, die Herzen in Brand setzen können. Das ist eine Gabe Gottes. Nurin jeder dieser Geschichten versteckt sich eine Weltanschauung, eine besondere Weltsicht. Hinter solchenGeschichten steht ein Universum an Überzeugungen, Denkvoraussetzungen und kulturell erlernten Selbstver-ständlichkeiten. Nur das erzählt der Typ nicht mit. Darüber macht er sich in der Regel keine Gedanken. Er hilftoft nicht, die mühsame Übersetzungarbeit zu leisten. Denn was bei ihm funktioniert, muss ja noch lange nichtbei mir funktionieren. Es kann, ja. Aber es muss nicht! Was für ihn eine Offenbarung war, könnte für mich inmeiner Situation und mit meinen Charaktereigenschaften oder meiner Art von Denken ein Flop werden – wennich ihn einfach so imitiere.

Also. Mit diesem Buch mute ich dir eigenes Nachdenken zu. Damit du am Ende nicht nachmachst, was ichdir vorbete. Bitte prüfe, was du mit deiner Person vor Gott und dir selbst verantworten kannst, und tu es!

Page 13: Gruppenleitungs-Handbuch

Welche Geschichte bringst du mit?

Wieso hältst du eigentlich dieses Buch in der Hand?Wie bist du zum Gruppenleiter oder zur Gruppenlei-terin einer Endlich-Leben-Gruppe geworden?Oder bist du noch gar nicht in der Leitung, sondernstehst mit einer vagen Sehnsucht kurz davor, dieGruppe in deiner Gemeinde zu übernehmen? Oderbist du sogar nur zu schüchtern und konntest nichtnein sagen, als dich jemand gefragt hat, ob du nichtdiese Gruppe übernehmen könntest, da doch so drin-gend GruppenleiterInnen gesucht würden?

Egal – es gibt unterschiedlichste Wege zu einer Grup-penleitung. Auf allen Wegen kann Gott einen gutenGruppenleiter oder eine hilfreiche Gruppenleiterinmachen. Und doch gilt für alle Gruppenleitenden einentscheidenes Prinzip:

»Jeder bringt sich selbst mit«

Um dir an einem Beispiel zu verdeutlichen, wie sehrdu deine Denkweisen immer schon mitbringst,möchte dir gleich zu Anfang eine Gedankenübungvorschlagen. Ich stelle dir eine Kurzfassung einerLebensgeschichte vor Augen und du überlegst dir:Wie wird dieser Mensch wohl als Gruppenleiter ineiner Endlich-Leben-Gruppe auftreten…Jetzt zuerst einmal die Geschichte:

Am Anfang stand das Trauma

Einer unserer Mitbegründer der Endlich-Leben-Grup-pen hat eine bewegende Geschichte hinter sich. Ererzählt – wie du im Arbeitsbuch nachlesen kannst–,wie er schon als 2-jähriger 1945 auf der Flucht vor denRussen von Posen nach Berlin bei einem der vielenTieffliegerangriffe einen schweren Schock erlebt, des-sen Folge ein starkes Stottern war. Ein zweiter Schockverstärkte das Stottern noch, als er mit etwa 3 Jahrenerlebte, wie seine Mutter von zwei russischen Solda-ten vergewaltigt wurde. Er soll mit aller Kraftgeschrien und am Bettchen gerüttelt haben.

Dieses Handicap prägte den weiteren Verlauf sei-nes Lebens. Nach der Rückkehr seines Vaters aus derKriegsgefangenschaft wurde die Ehe seiner Elterngeschieden. 1952 flüchtete seine Mutter mit seinemBruder und ihm und seinem heutigen Stiefvater nachWestberlin. Dies bedeutete für ihn die endgültigeTrennung von seinem Vater. Er erzählt weiter:

Einführung in die Mitarbeiterrolle

Träume werden nicht wahr

»Meine Behinderung machte mir schwer zu schaf-fen und ich litt sehr darunter, mich nicht fließend arti-kulieren zu können. Dieses Handicap verunmöglichtemir sogar meinen Wunschtraum, Seeoffizier (Kapitänzu See) zu werden. Nach der Schulzeit begann ich dieAusbildung zum Seemann. Irgendwann wurde mirdann klar, dass eine berufliche Offizierslaufbahndurch diese Behinderung wirklich ausgeschlossen war,und ich brach die Ausbildung ab. Dieses Scheitern gabden Ausschlag für meine Flucht in die Sucht.

Alkohol wirkte wie Medizin

Während einer Sprachtherapie mit 16 Jahren fand ichzu meinem Unglück heraus, dass ich mit Hilfe vonAlkohol fast fließend sprechen konnte. Nach einerzweijährigen erfolglosen Behandlung riet mir zuallem auch noch der Arzt, in Situationen, in denen ichzum Sprechen gezwungen wäre, doch die Hilfe vonein wenig Alkohol in Anspruch zu nehmen. Alkoholschien das einzige Mittel zu sein, das mir ganz konkrethalf. So wurden meine Weichen damals falsch gestellt.Da ich enorme Mengen an Alkohol vertrug, steigertesich mein Konsum rasch. Mit 22 Jahren war ich demAlkohol total verfallen. Da die kritische Menge, diemeinen Sprachfehler aufhob, ständig zunahm, sah ichmich auch nach anderen Hilfsmitteln um. Mehr als 2Liter Whisky pro Tag konnte ich nicht mehr verkraf-ten.

In den Fängen des Suchtsystems

Ich begann, den Alkoholkonsum zu reduzieren undglich den fehlenden Rest mit Medikamenten (Amphe-taminen) aus. Dieser Doppelkonsum beschleunigtemeine Sucht um so mehr, und ich sackte moralisch,sozial, physisch und auch geistlich völlig ab.

Fragen, viele Fragen nach dem Sinn des Lebens,dem Woher, Wozu und Wohin, begannen meine Sinnein Beschlag zu nehmen. Verzweifelt suchte ich nachAntworten. Doch fand ich keinen gangbaren Weg,weder bei den großen Philosophen noch bei den Reli-gionsstiftern, auch nicht in moralischen Programmenund schon gar nicht im Erkenntnisstreben der Wissen-schaft. Da ich auf rationalem Weg keine Begründungfür den Sinn meiner Existenz finden konnte, wandteich mich mystischen Einflüssen zu und begann, hallu-zinogene Drogen zu konsumieren. Diese Trips undrauschähnlichen Zustände verhalfen mir zu ganzneuen, grenzüberschreitenden Erfahrungen, aber dieFrage nach dem Sinn meines Lebens blieb weiterungelöst.

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Page 14: Gruppenleitungs-Handbuch

Ich begann, mich spiralförmig in diese Sinnlosig-keit hineinzusteigern. Meine Räusche nahmen anStärke, Häufigkeit und Heftigkeit derart zu, dass ichkaum mehr aus dem Rauschzustand herauskam. Ichrealisierte, dass ich mich auf diesem Wege langsam,aber sicher umbringen würde. Ja, ich spürte gar, dassich dieses „Ziel“ zwangsmäßig bewusst ansteuerte.

Isolation als die größte Falle

Die Menschen wurden zum Feindbild und meine Wutund mein Hass wuchsen gefährlich ins Unermessliche.In wüsten Schlägereien versuchte ich mir etwas Luftzu verschaffen. Auch einige kleinere Siege, errungendurch widerliche okkulte Kraftspielchen, konntenmeinem kaputten Selbstwertgefühl nicht mehr aufdie Beine helfen. Verschiedene gerichtsmedizinischeklinische Zwangs-Entzugs-Einweisungen blieben ohneErfolg. Mit der Diagnose einer unheilbaren Polytoxi-komanie wurde ich, als hoffnungsloser Fall, aus einerpsychiatrischen Klinik entlassen. Ich selbst hatte michaufgegeben. Ich befand mich in einem Zustand dertotalen Sinn- und Hoffnungslosigkeit.

Gott zeigt sich Elenden besonders eindrücklich

Tief in meinem Elend versunken, offenbarte sich mirJesus Christus eines Abends auf außergewöhnlicheWeise. Ich durfte den Inhalt des Evangeliums in einerausführlichen, bestechend klaren Vision in einerunglaublichen Tiefgründigkeit erleben. Ich erkanntedie absolute Notwendigkeit, erlöst werden zu müs-sen. Ich musste erlöst werden! Ich erlebte eine regel-rechte Gerichtsverhandlung, bei der ich zum Tode ver-urteilt wurde. Aus dem Gitterfenster der Gefängnis-zelle sah ich, auf meine Hinrichtung wartend, wie ineiniger Entfernung auf einem Hügel ein Holzkreuzerrichtet wurde. Ich spürte, dass man mich jedenAugenblick abholen würde. Doch dann sah ich, wieein anderer an dieses Kreuz geschlagen wurde. DerSchrecken blieb mir in den Gliedern stecken. Wiegebannt starrte ich auf dieses Geschehen. Danachkam jemand auf mich zu und erklärte: „Du bist frei,du kannst gehen!“ Völlig verwirrt fragte ich stockend,warum ich denn jetzt plötzlich frei wäre. Die Antwortdurchzuckte meinen ganzen Leib: „Ein anderer gingfür dich an das Kreuz. Er nahm deine Strafe auf sich…Du kannst gehen!“

Gott überließ es mir, ob ich seine Liebe erwidere

Jesus ließ mir die Wahl, sein Opfer anzunehmen oderabzulehnen. Voll Ergriffenheit betete ich und gabdem auferstandenen Herrn mein Leben. Es war einunbeschreiblicher, wunderbarer Augenblick, als ich

dann in dieses Licht hineingezogen und mein ganzerLeib selbst Licht wurde. Eine tiefe Gewissheit, voll-ständig erlöst worden zu sein und ewiges, unzerstör-bares Leben aus Gott erhalten zu haben, durchflutetemein ganzes Sein. Ich wurde mit einem unbeschreib-lichen Glück und Frieden erfüllt und ich wusste, ichwar frei, echt frei! Endlich hatte ich meine Antwort.Meine Suche war zu Ende. Ich konnte alle Dinge ineinem neuen Licht sehen und vieles wurde glasklar.Ich war geplant, gewünscht und tief geliebt von Gott.Diese Erkenntnis bewirkte ein unglaubliches Maß aninnerer und äußerer Heilung.

Dadurch, dass Gott mich annahm, so wie ich war,konnte ich zum ersten Mal in meinem Leben Ja zu mirsagen und mich selbst mit einer kaputten Vergangen-heit annehmen. Die Minderwertigkeitskomplexewegen meines Stotterns waren wie ausgelöscht. Ichkonnte endlich ich selber sein, echt sein und neu zuleben beginnen.

Eine neue Schöpfung – anfällig für das Alte

Ich war tatsächlich ein neuer Mensch. Mit dem Ver-stand konnte ich diesen Vorgang nicht fassen. Auchviele meiner alten Freunde waren sprachlos übermeine plötzliche Wandlung und versuchten vergeb-lich, für diese Vorgänge eine plausible Erklärung zufinden. Für sie war ich ein lebendiges Wunder. „Wiekann ein so kaputter Mensch sein Leben von einemTag auf den anderen um 180 Grad wenden?“, hörteich sie sagen.«

Diese Geschichte ist in der Ich-Form im Arbeitsbuch»Endlich Leben!« noch ausführlicher beschrieben.

Welche Rolle spielt deine Erfahrung als LeiterIn?

Jetzt komme ich auf meine kleine Gedankenübungzurück. Meine Frage lautet: Welche Lehre ziehst duaus solch einer Geschichte?

Um das herauszufinden, bitte ich dich um folgen-des:

Schreibe möglichst schnell (ohne langes Grübeln)10 Lehrsätze auf, die man aus dieser Geschichte fol-gern könnte. Ja, ich möchte exakt 10 Lehren von dir,10 kurze Sätze, die jeweils anfangen: Aus dieserGeschichte kann man lernen, dass …

Wenn du nach 6 Sätzen Probleme hast, erfindeauch Aussagen, zu denen du inhaltlich nicht stehenkannst, die aber theoretisch möglich wären.

Einführung in die Mitarbeiterrolle12

Page 15: Gruppenleitungs-Handbuch

Meine 10 Lehren aus der Geschichte 13

Meine 10 »Lehren«

Aus dieser Geschichte kann man lernen, dass…

Page 16: Gruppenleitungs-Handbuch

Einführung in die Mitarbeiterrolle

Jede Theorie ist denkbar, wenn…

Neugierig auf meine „Theorien”? Hier findest dumal meine 10 Lernsätze, die ich willkürlich aneinanderreihe…Aus dieser Geschichte kann man folgern, dass …

1. … jeder stotternde Mann gefährdet ist, spätereinmal harte Drogen zu nehmen.2. … Alkohol eine echt hilfreiche Medizin ist.3.… Gott diesen Mann so lange hat leiden lassen,weil er sich durch seinen Alkoholkonsum schuldiggemacht hat.4.… christliche Bilder von Gott nur grausam sind,weil es immer und immer wieder um Gericht geht.5.… jeder Mensch, selbst wenn er noch so viel Chaosim Leben angerichtet hat, eine Chance bekommt.6.… solch ein verkorkster Mensch auf jeden Fallkeine Gruppe in meiner Gemeinde leiten sollte.7.…unschuldige Menschen beim Start in ihr LebenOpfer mit schweren Schicksalen sein können undspäter infolge falscher Reaktionen und Entscheidun-gen selbst zu Schuldigen und Tätern werden.8.… wenn man seine ganze Geschichte mit Vorge-schichte kennt, derselbe Mensch viel genauer undgerechter beurteilt werden kann, als wenn ich nureinen Ausschnitt seiner Lebensgeschichte kenne. 9.… Gott bei einigen Menschen erstaunlich realwird – ihnen körperlich, zum Greifen nahe kommt.10.… Menschen, die Gott nicht so konkret erlebthaben, etwas fehlt und sie womöglich keine wahrenChristen sind.

Ich habe meine »Lehren« wirklich spontan aufge-schrieben. Vielleicht oder sicherlich gibt es noch ganzandere. Vergleiche doch einmal, ob du auf ähnlicheLehren gekommen bist oder noch völlig andereAnsichten herausgefunden hast. Oder müsste ich bes-ser sagen: Ob du andere Standpunkte eingenommenhast oder noch einmal anders gefragt:

Welche Theorie über das Leben aktivierst du in dir,wenn du diese Geschichte zu verstehen versuchst?

Hat dich diese Übung nachdenklich gemacht? Wasfür eine Lehre ziehst du aus dieser Übung? Vielleicht:

• Alles ist denkbar. • Jeder Mensch glaubt, woran er glauben will. • So missverständlich kann einer sich ausdrücken,dass nachher andere zu völlig unterschiedlichenSchlüssen kommen. • Die Sache mit Gott ist ziemlich kompliziert. • Jetzt bin ich völlig verwirrt. Das Leben steckt vol-ler Überraschungen. • Das Leben ist völlig willkürlich und es gibt keineOrdnung, wenn ich es nicht ordne.

Merkst du, wie kompliziert es wird, wenn man ein-

mal über scheinbare Selbstverständlichkeiten kritischnachdenkt? Hinter jedem dieser eben aufgelistetenSätze steckt wieder eine komplette Theorie oder eineganze Weltanschauung vom Leben.

Motiviert für eine geordnete Theorie?

Lehren, Theorien, Ansichten, Weltanschauungen?Natürlich möchte ich dich nicht über das Maß hinausverwirren. Aber ein bisschen muss ich die Illusion stö-ren, dass es einfach und selbstverständlich sei, dasszwei Menschen sich verständigen können. Es gehörtmit zu den erstaunlichsten Wundern, wenn dasgeschieht. Gründlich durchdachte Theorien könnendir in der Praxis (auch in Endlich-Leben-Gruppen) hel-fen, möglichen Fehlschlüssen, naheliegenden Missver-ständnissen oder selbstverständlichen Denkgewohn-heiten nicht auf den Leim zu gehen.

Stellen wir uns einfach mal ganz dumm…

Der berühmte Satz aus der Feuerzangenbowle:»Stellen wir uns doch einfach mal ganz dumm…« istder Schlüsselsatz, um Neues als Neues zu erkennen,um den eigenen Vorurteilen und vorschnellen Schlüs-sen auf den Grund zu gehen und um möglicherweiseeinfach nur lernbereit zu werden. Das lässt uns stau-nen wie ein Kind, die Welt entdecken, die verborge-nen Gesetze herausfinden, die Regeln verstehen oderüberprüfen, ob sie auch in einem anderen Bereich, ineinem anderen Leben oder zu einer anderen Zeit gel-ten. So lernen wir, so entwickeln wir uns weiter. Dasalso soll dieses Buch bei dir fördern.

Endlich-Leben-Gruppe als Lernraum

Wenn du gefragt wirst: Was ist eigentlich eineEndlich-Leben-Gruppe? Wie würdest du ohne vieleFachworte zu gebrauchen antworten?

Eine mögliche Antwort ist vielleicht die: Endlich-Leben-Gruppen sind Orte, wo Menschen

sich treffen, um besser leben zu lernen. Alle bringenihre bisherigen Lernerfahrungen mit, tauschen sichaus und entdecken, wo sie ihre Ansichten über dasLeben vielleicht ändern oder anpassen müssen anneue Fakten, neue Erkenntnisse oder neue Heraus-forderungen. Und weil jeder seinen blinden Fleck hat,ist es gut, dass es in der Gruppe viele Meinungen überdas Leben gibt. So können wir durch sorgfältigesZuhören und Vergleichen herauszufinden suchen,was für uns wahr, vollkommen und gut im Leben ist.

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Page 17: Gruppenleitungs-Handbuch

Meine Definition meiner Endlich-Leben-Gruppe

Endlich-Leben-Gruppen sind…

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Page 18: Gruppenleitungs-Handbuch

Damit Veränderung im Leben passiert, müssenbestimmte Voraussetzungen dafür gegeben sein.Moderne Lernpsychologie beschreibt die Faktoren,die Lernen fördern oder blockieren, bzw. für Lerneneine günstige oder ungünstige Wirkung haben. Ver-änderung ist nämlich nichts anderes als Lernen.

Wir müssen als GruppenleiterInnen für Endlich-Leben-Lerngruppen also möglichst herausfinden: Wasfördert das Lernen? Oder was kann Lernen möglicher-weise verhindern?

Dabei ist besonders spannend die Frage: Was kannich als GruppenleiterIn dazu beitragen, dass ein för-derlicher Lerneffekt entsteht? Und die Folgefrage:Was kann ich nicht beeinflussen? Selbst wenn ich michsehr anstrenge, gibt es einiges was ich nicht bei ande-ren oder mir »machen« kann, also aktiv herstellenkann. Was sind also meine Möglichkeiten und Gren-zen als GruppenleiterIn in dem besonderen Lernraum,den es eine Endlich-Leben-Gruppe darstellt?

Dein Hirn lernt Tag und Nacht ohne Ende

Die Hirnforschung ist in den letzten Jahren für dieunterschiedlichen Wissenschaften vom Menschenimmer wichtiger geworden, weil viele Verhaltenswei-sen der Menschen durch moderne Hirnforschung ineinem neuen Licht erscheinen.

Eine spannende Erkenntnis ist: Alles, was wir den-ken, alles, was wir tun, alles, was wir fühlen – wirdvom Gehirn aus gesteuert. Na gut. Das ist noch nichtso neu. Aber alle Gehirnaktivitäten sind bis ins hoheAlter veränderbar!

Veränderbar bis zum Tod? Ja, die Hirnforschersprechen von der erstaunlichen »Plastizität» desGehirns. Alles ist formbar. Nur nach welchen Gesetzenformt oder verformt sich das Gehirn? Wer oder wasformt da?

Nun, soweit wir wissen, funktioniert das Gehirnnach einem Grundprinzip: dem Gleichgewichtsprinzip(Homöostase). Dieses Prinzip steuert in den allermeis-ten Fällen unbewusst unser Verhalten, Fühlen undunsere Aufmerksamkeit dahin, dass wir besser mit dernächsten Situation in unserem Leben umgehen kön-nen, besser auf die Herausforderungen eingestelltsind und im günstigsten Fall zufriedener mit uns selbstund unserer Umwelt umgehen können – möglichstohne das vorhandene Gleichgewicht zu stören.

Ob wir es uns bewusst machen oder nicht: DasGehirn lernt ständig. Es nimmt durch die Sinne Augen,Ohren, Nase, Haut unsere Welt wahr. Alles, was da anInformationen reinkommt, wird gefiltert, gemustertund an die jeweiligen zuständigen Instanzen verteilt.Es werden die nötigen Schlussfolgerungen gezogen,manche (falschen) Gedanken, Verhaltensweisen oderEInstellungen werden »verlernt«. Das sind die Dinge,

die nicht passen. Und das Gehirn erlernt neu (odervertieft Bekanntes), was aus irgendeinem Grund jetztpassig erscheint. Unser ganzes Leben besteht daraus,ein an die Herausforderungen dieser Welt optimiertangepasstes Verhalten zu lernen. Und nachts spei-chert das Gehirn das Gelerntr und sortiert es in seine»Schubladen« ein, um später auf das Wissen zugreifenzu können.

Möchtest du deinem Gehirn dabei bewusst undunterstützend zur Seite stehen? Du kannst auch inmühevollen Lernfortschritten durch Versuch und Irr-tum den Weg herausfinden. Aber der Mensch ist imUnterschied zum Tier ja fähig, Erlerntes in Sprachefestzuhalten. Ist es nicht faszinierend, dass wir sogarvon Menschen, die vor Tausenden von Jahren gelebthaben, lernen können.

Möchtest du herausfinden, was hilft, dass Endlich-Leben-Gruppen zu einem optimalen Lernraum für dasLeben werden – ich muss hinzufügen: für ein Lebenwie es aus christlicher Perspektive gut wäre? Möchtestdu die möglichst gute Bedingungen für eine Endlich-Leben-Gruppe schaffen? Dann beachte die folgendenEffekte, die immer in einer Gruppe mitwirken.

Auf welche Effekte muss ich noch achten?

Eine Endlich-Leben-Gruppe wird immer in einemgrößeren Umfeld platziert sein:• in einer christlichen Gemeinde• in einem bestimmten Land• mit einer bestimmten Kultur• mit einer (jahrhundertealten) Frömmigkeits-

tradition• mit einer bestimmten Sprache• mit unterschiedlich geprägten Familien • und deren Familientraditionen• mit Menschen, die einzigartige Geschichten haben.

Und wenn wir eine Endlich-Leben-Gruppe völligneu erfinden könnten, wird sie eine Leitungspersonbrauchen…• und zwar z.B. dich • mit deinem Leitungsverständnis• mit deinem Leitungsstil• mit deinen dir wichtigen Werten • deinen Haltungen, die du dort erkennen lässt• deinen unbewussten oder bewussten Theorien • und unbewussten oder bewussten Erfahrungen• deinem Glauben oder Unglauben• deiner Persönlichkeit• deinen christlichen Ritualen• deiner spirituellen »Muttersprache»• deinen millieubedingten Ekelgrenzen• deinen einzigartigen Ressourcen und vielem mehr…

Einführung in die Mitarbeiterrolle16

Page 19: Gruppenleitungs-Handbuch

Einführung in die Mitarbeiterrolle

70 Jahre später…

Mein Versuch mit diesem Handbuch für Gruppen-leitung in Endlich-Leben-Gruppen geht aber über dasModell »Einleben» hinaus.

Ich habe die Erklärungen der Gründungsväter und-mütter der 12 Schritte ausführlich studiert, um sie zuverstehen. Ich habe auch die Nachfahren der Grün-dungsgeneration durch ihre Bücher und persönlicheBegegnungen kennengelernt, ihre Erklärungen undDeutungen reflektiert. Ich habe außerdem die2000jährige Theologiegeschichte durch mein Studiumim Hinterkopf, kenne die Theorien der Heiligungs-und Seelsorgebewegungen unterschiedlicher Epo-chen und stoße auf die noch junge Psychologiege-schichte, die heute mit der aktuellen Hirnforschungauf biologische und biochemische Grundlagenfor-schung aufbauen kann. Alles in allem eine Vielfalt anModellen und Theorien, die sich alle um den Men-schen und sein Leben und die Veränderung diesesLebens zum Guten kümmern.

Wenn du das alles hörst, merkst du, dass ich eineAuswahl treffen musste. Ich kann dir hoffentlich einbisschen plausibel machen, warum ich genau dieseAuswahl getroffen habe. Aber ich gebe auch zu: Es istmeine spezielle Mischung aus Erklärungen geworden.Ein anderer hätte dir die Perlenkette anders aufgefä-delt oder das Denkgebäude anders abgestützt.Darum bleibt deine Aufgabe weiter bestehen: Findedeine eigene Theorie heraus!

Die prägende Kraft der Leitbilder

Vielleicht hast du ja schon deine »Theorie« – unbe-wusst, irgendwo im Bauch? Stell dir vor, du könntestin einem Bild beschreiben, wie eine Endlich-Leben-Gruppe deiner Ansicht nach zu verstehen sei und wel-che Aufgabe du darin als LeiterIn hast. Im Unterschiedzur Übung auf S. 15 geht es hier vor allem um deineLeitungsrolle. Du darfst alle Vergleiche heranziehen,die dir irgendwie passend erscheinen. Damit du es dirnicht zu einfach machst, solltest du die klassischen Bil-der der christlichen Seelsorge (für diese Übung jeden-falls!) nicht benutzen. Also beschreibe sie bitte jetztnicht so:

Sie ist wie eine Herde von Schafen, bei der einHirte hilfreich die Leitung übernimmt und den Scha-fen den Weg zu den Weidegründen vorangeht.

Nun, wie lautet deine Leitungsauffassung in einemBild? Werde kreativ und versuche wenigstens 2 mögli-che Bilder zu formulieren. Wenn du noch keine End-lich-Leben-Gruppe erlebt hast, kannst du diese Übungals Fantasieübung umsetzen. Benutze die S. 19, umdeine Leitbilder aufzuschreiben.

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Darum wird wohl keine Endlich-Leben-Gruppesein wie eine andere. Erstaunlich genug: Trotzdemkannst du eine Endlich-Leben-Gruppe als eine solcheerkennen – nur woran genau? Und ab wann ist eskeine Endlich-Leben-Gruppe mehr? Am besten orien-tierst du dich für die Antwort an der 12-Schritte-Tra-dition. Denn aus dieser Tradition lebt ja die Endlich-Leben-Gruppenarbeit.

Wieso helfen die 12 Schritte beim Lernen?

Vielleicht fragst du dich immer noch: Warum kannich manches verändern, anderes aber gar nicht ein-fach ändern? Wenn es doch immer darum geht, Neueszu lernen? Warum kann mein Superhirn nicht einfachauf eine neue Idee kommen? Einfach mal etwasanders machen? Mal eine neue Lösung ausprobieren?Oder sich einfach auf den WIllen besinnen und etwasanderes als sonst üblich wollen?

Vieles, wenn nicht sogar das Allermeiste, lernenMenschen wie von selbst – mehr oder weniger schnell.Und doch gibt es das erstaunliche Phänomen, dass einMensch nicht mehr lernt. Aus irgendeinem Grundscheint das Sinnvolle, Gute, Nützliche nicht mehrerstrebenswert. Wirken sich hier Lernblockaden aus?Oder erkennt das Gehirn nicht mehr, was dem Men-schen gut täte? Was ist passiert? Warum brauchenmanche Menschen spezielle Lernhilfen?

In Endlich-Leben-Gruppen finden sich Menschenein, die wenigstens diese Erkenntnis gemeinsamhaben: Wir brauchen einander, um neue Wege inunserem Leben gehen zu lernen. Wir brauchen auseinem geheimnisvollen Grund diese Gemeinschaft.Selbst wenn sie keine Theorie darüber entwickeln,warum diese Gruppe mit den 12 Schritten ihnen hilft,erleben sie, dass es ihnen gut tut, teilzunehmen.

So haben zumindest die Väter und Mütter des 12-Schritte-Programms immer wieder argumentiert.Nach jedem Gruppentreffen hieß es: »Komm wieder,es hilft» (auf amerikanisch klingt es einfach schöner:»Come back, it works!»)

Warum »es» wirkt? Darüber gibt es wieder unter-schiedliche Theorien oder Ansichten. Wir haben imArbeitsbuch eine Menge Erklärungen dazu aufge-schrieben. Zusammenfassend läßt sich sagen:

Die Anonyme Alkoholiker haben durch mühevol-les Versuch-Irrtum-Experimente an sich selbst heraus-gefunden, was ihnen half und was nicht. Dann habensie es in ihrem damaligen Umfeld mit Hilfe ihrer The-orien (medizinischer, psychologischer oder spirituellerTheorien) in einer pragmatischen Praxisanleitung –den 12 Schritten – formuliert. Und für alle, die ähnli-che Lebensmuster mitbringen wie eben Alkoholiker,scheint »es« eine Verbesserung ihres Lernens zu brin-gen.

Ihr Tipp damals wie heute lautet: Lebe dich inunsere Gemeinschaft ein und du wirst es erleben.

Page 20: Gruppenleitungs-Handbuch

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Begründung meiner Auswahl an Theorien

Ich hatte eben gesagt, dass meine spezielle Aus-wahl an Erklärungsmodellen für das Verhalten inchristlichen 12-Schritte-Gruppen nach dem Endlich-Leben-Modell natürlich der 12-Schritte-Tradition,aber auch persönlichen Vorlieben und biografischenFakten zu verdanken ist. Und doch kann ich im Nach-hinein zumindest etwas erklären, wieso ich diese The-orien lieber ausgewählt habe als andere.

Ich mag – wie die meisten anderen – möglichststimmige Modelle. Das bedeutet: Wenn ein Modellmit wenig Aufwand und möglichst einfach erklärenkann, wie die Wirklichkeit ist, dann nehme ich es – bisder mögliche Fall eintritt, dass ein Widerspruch auf-taucht, der nicht ins »Schema« passt. Dann muss ichdiesen Widerspruch entweder leugnen, kleinredenoder umdeuten oder anderswie beseitigen … oder ichbin gezwungen, mein Erklärungsmodell anzupassen.Solange ich möglichst viele Einzelbeobachtungen inmein Modell einbauen kann, ohne dass sie alles durch-einanderbringen, ist es für mich brauchbar.

Denn jedes Modell ist nur so gut wie es die Wirk-lichkeit vereinfacht abbilden kann. Wenn ein Modellzu komplex (also unübersichtlich) wird, kann ich imAlltag damit nicht mehr umgehen. Dann nützt es alsModell der sowieso immer komplexen Wirklichkeitnicht mehr. Es ist zu kompliziert geworden.

Erklär es mir einfacher…

Du kannst mich also immer dann überzeugen,wenn du es schaffst, mir eine Erfahrung, eine Lebens-veränderung oder ein Symptom einfacher zu erklä-ren, als ich es bisher konnte. Dann werde ich deinModell gerne übernehmen, weil es mir besser hilft,die Welt um mich her zu verstehen. Übrigens werdendir meine Erklärungen nicht unbedingt einfacherscheinen. Das liegt auch daran, welches Vorwissenjede oder jeder mitbringt. Oder vielleicht brauchst dugar nicht so viel Hintergrundswissen und du nutzt ein-fach nur die Ergebnisse meiner Theorien und arbeitestdamit. Für manche sind die Details gar nicht so nötigoder wichtig. Es reicht also oft schon, denn Sinn einerTheorie zu erfassen.

Mal es mir schöner…

Einfache Modelle sind also nicht die Wirklichkeit, abersie helfen, besser mit der Wirklichkeit umzugehen.Und einfache Modelle sind auch in der Regel ästheti-scher oder schlicht schöner.

Wenn du mir ein schöneres, schlichteres oder coo-leres Design für ein Schaubild eines einfachen Modells

machen kannst, hast du mich persönlich sofort über-zeugt. So funktioniert mein Gehirn: Alles Große isteinfach und schön. Wahrscheinlich geht es dir ähnlichwie mir, weil auch dein Gehirn überschaubare, schlüs-sige Erklärungen liebt. Aber halt, da liegt auch eineGefahr.

Vereinfachungen nützen am Ende nicht

Ja, ich weiß es. Wenn ein Modell zu simpel wird(was etwas anderes als einfach ist), verfälscht es dieWirklichkeit und nützt gar nicht mehr, sondern führtzu falschen Schlüssen.

Viele sind schon auf ein einfaches, schönes Modellhereingefallen, weil es so plausibel wirkte und soschön verständlich war. Dabei haben sie nichtgemerkt, dass die Wirklichkeit viel komplexer (vielfäl-tiger und spannungsreicher) ist, als in diesem Modellvielleicht abgebildet werden konnte.

Ein Beispiel in der Forschungsgeschichte ist die Ent-deckung des »Systems».

Erstaunlich ist es schon, dass die Systemforschungerst im 20. Jahrhundert so richtig Fahrt aufgenommenhat. Die »Kybernetik«, was übersetzt Steuerungslehrebedeutet, also die Steuerungslehre von komplexenSystemen hat es schließlich geschafft, kompliziertesteZusammenhänge von unwahrscheinlich vielen einzel-nen Teilchen zu verstehen – wie z.B. das Zusammen-wirken der Nervenzellen des Gehirns, das aus Milliar-den von einzelnen Zellen, den Neuronen, besteht.

Dabei wirken erstaunlich wenige und einfacheSteuerungsprinzipien, die Voraussagen über das Ver-halten eines komplexen Systems möglich machen.

Wenn Menschen dieses für uns jetzt verfügbareWissen nicht nutzen, um die wichtigsten Steuerungs-entscheidungen zu treffen, die z.B. das Finanzsystem,das Ökosystem oder auch ein Familiensystem oder einGemeindesystem weise steuern, liegt das oft daran,dass sie intuitiv oder sogar bewusst nach Modellenarbeiten, die simplifizieren.

Wer simplifiziert, macht es sich zu einfach underzeugt damit falsche Modelle oder Überzeugungen.Dann kommen solche Ratschläge auf wie: »Du musstnur dies und das tun… dann erhältst du dasgewünschte Ergebnis«. Gerade bei Sucht scheint esaller Erfahrung nach so einfach nicht zu gehen.»Dumusst nur aufhören mit…!«

Dieser Vorschlag fußt auf einem simplifiziertenModell über die Kraft der Gedanken oder Willensent-scheidungen. Die neuere Hirnforschung hilft uns,Sucht als Suchtsystem mit vielen Zusammenhängenund Wirkungen zu verstehen.

Einführung in die Mitarbeiterrolle

Page 21: Gruppenleitungs-Handbuch

19Was ist dein Leitbild für Gruppenleitung?

Meine Leitbilder für Gruppenleitung

2 Bilder, die mich leiten können

Welches der aufgeschriebenen Bilder ist deine Nr. 1? Welche Anforderungen an dieGruppenleitung passt dort zu dir? Welche sind vielleicht überfordernd?

Page 22: Gruppenleitungs-Handbuch

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Motiviert für ein Lehrbuch zum Mitdenken?

Nachdem ich einige meiner Denkvoraussetzungen für die Arbeit mit diesemÜbungsbuch dargelegt habe, fragst du dich vielleicht: »Meint er das wirklich ernst?Kann ich nach dem Durcharbeiten dieses Mitarbeiterhandbuch machen was ich für rich-tig halte? Das wäre ja das erste Lehrbuch, das von sich selbst nicht überzeugt ist.«

Nein, diesen Eindruck wollte ich nicht hinterlassen. Natürlich bin ich von meiner Mei-nung, meinen Theorien und dem Aufbau dieses Lehrbuches überzeugt.

Nur mein Ziel ist es nicht, von mir abhängige Schüler zu produzieren, sondern selb-ständige und selbstbewusste Lehrer, die wissen, wofür sie selbst stehen. So hast du z.B.auf S. 19 dein eigenes Leitbild für deine Gruppenleitung beschrieben und kannst esauch mit eigenen Worten begründen, wenn du gefragt wirst.

Wenn du am Ende tust, was du deinem Leitbild gemäß für richtig hältst, finde ichdas gut. Nur frage ich natürlich kritisch nach, wenn du –mit welchem Modell auchimmer – handelst:

Hast du zum Beispiel dieses Gruppenleitungs-Leitbild gewählt, weil es dir so nahelag? Weil es das war, das du mit möglichst wenig Selbstveränderung umsetzen kannst,was eben glatt in dein bisheriges System passt? Vielleicht ist es auch ein theologischbegründetes Modell, das deine Gemeinde bevorzugt, und es würde nur Stress bringen,wenn du das Gemeinde-Leitungs-Modell verlassen würdest. Bist du dir aber sicher, dassdu damit wirklich gut fährst?

Oder hast du dir eine handlungsleitende Theorie ausgewählt, die wirklich alle Her-ausforderungen, Aufgaben und Fälle, die im Endlich-Leben-Gruppenalltag auftauchen,erklären und bewältigen und das Leben für alle sowohl ethisch-moralisch wie auchgesundheitlich und spirituell besser machen kann? Solche Fragen helfen dir, dich zuorientieren und deiner Zielsetzung um so gewisser zu werden.

Zusammenfassende Lernziele für das Gruppenleitungs-Übungsbuch

Die bisherigen Ausführungen enthielten übrigens schon die wesentlichen Wertedes Endlich-Leben-Programms, hast du es gemerkt? Ich werde unsere Werte im fol-genden Buch ausführlich in eine praxistaugliche Theorie für Gruppenleitung von End-lich-Leben-Gruppen übersetzen. Und das ist ein kurzer Überblick über das, was dulernen wirst:

• Intuitiv gilt: Gelungene Endlich-Leben-Gruppen wirken selbstverstädnlich, einfachund harmonisch (einfach schön!).• Die Lernziele der Endlich-Leben-Gruppe sind der ganzheitliche Aufbau von Bezie-hungen zu mir, anderen, der Welt und Gott als dem Geheimnis hinter dieser materiel-len Welt. Alle Methoden werden nicht ohne solchen Beziehungsaufbau auskommen.• Gruppenprozesse in einem Lernsystem kann ich nie von außen erzwingen: »Schritte»sind dementsprechend keine »Gesetze», sondern sie ereignen sich selbstmotiviert. Esgibt keine geheimen „Techniken”. Das gilt auch für meine Gruppenleitung: Entwederich bin echt und motiviert oder ich bin es nicht. • Ich kann als LeiterIn in Weisheit etwas in der Gruppe steuern, aber es bleibt dasunverfügbare Moment, dass in der Wirklichkeit mehr passiert, als ich per Modell ver-stehe oder in der Hand habe. Gott und seine Wunder müssen von der Leitung immereinkalkuliert werden.• Ich kann mich nie aus dem Ganzen heraushalten. Als LeiterIn bin ich immer mit mei-ner ganzen Person im System anwesend. Und das macht etwas mit mir und mit allenanderen. Es gibt keine objektiv gute Leitung. Solange ich dabei bin, gibt es subjektivgute Leitung – aber das mit guten Begründungen.• Ich bleibe mein Leben lang am Lernen. Darum bin ich bereit, mich immer wieder derganzen Wahrheit der Wirklichkeit auszusetzen und »kapituliere« (Schritt 1), wennmeine Theorie nicht mehr passt. Dann werde ich meine unpassende Theorie zugun-sten einer besseren aufgeben. Lernen bleibt ein lebenslanger Weg.

Einführung in die Mitarbeiterrolle

Page 23: Gruppenleitungs-Handbuch

21Einführung in die Mitarbeiterrolle

Schlüsselbegriffe

Jede Praxis benötigt eine Theorie

• Ich mache zwar einen Theorievorschlag für unsere Gruppenarebeit,aber mir wichtig, dass du deine eigene Theorie an meiner schärfst undbewusst klärst, wie du dich und deine Rolle im Ganzen verstehst.

Gruppendefinition

• Die Gruppe ist ein Raum zum Umlernen schlecht angepasster Verhal-tensmuster (dysfunktionaler Muster) zu funktionalen Lebensmustern.

Rolle der Humanwissenschaft

• Gehirnforschung im Verbund mit Psychologie, Theologie und Sozio-logie hilft uns besser zu verstehen, was Leben fördert oder hindert.

Theologie

• Theologie ist der menschliche Versuch, ein systematisches Gesprächüber die Wirklichkeit und Wirkweise Gottes über die Jahrtausende zuorganisieren. Der moderne Wissenschaftsbegriff machte »Theologie«einseitig zu einem Universtätsfach. Jede Gemeinde bringt ihre christli-che Deutung mit in die Gruppenarbeit, ohne Denkvorgaben für dieGruppenmitglieder zu machen. Jeder und jede steht in der Gruppe fürden eigenen Glauben ein und lernt vom Glauben der anderen. Auchdas ist Theologie – eben ein andauerndes Gespräch miteinander undmit Gott.

Selbsterfahrung

• Als GruppenleiterIn bist du mit dir selbst, deiner Theologie und dei-ner Geschichte mitten im Gruppengeschehen drin. Darum ist Selbstre-flektion und ein selbstkritischer Abstand für deine Moderations-Auf-gabe eine wichtige Hilfe.

Gruppenregeln

• Die Gruppenregeln und -formen haben einen Sinn. Du solltest siegründlich verstehen und erklären können, um sie in der Gruppenarbeitgut einzusetzen.

Gruppenprozesse

• Die Prozesse in der Gruppe verlaufen nach eigenen Gesetzmäßigkei-ten, die zu verstehen dir hilft, die Gruppe zu fördern.

Der Raum

• Wie der Raum gestaltet wird, ist deshalb wichtig, weil er durch seineAtmosphäre bei den Gruppenprozessen mitwirkt.

Page 24: Gruppenleitungs-Handbuch

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Zeit: Inhalt

19.15 Uhr Raum vorbereiten

19.30 Uhr Geistliche und prakti-sche Vorbereitung vonLeitung/Coleitung

20.00 Uhr: Herzliche Begrüßung

20.05 Uhr: Geistliche Einstim-mung für alle: Lieder und Gebete

20.25 Uhr: 1. Gesprächsrunde»Blitzlicht»„Wie geht es dir?“

20.45 Uhr: 2. Gesprächsrunde:Inhalte rund um denSchritt (Prozess) oderBuch (Inhalt).

• Was ist mir wichtig

• Fragen?

• Geschichten aus der letzten Woche

• Feedback der Gruppe erfahren

21.30 Uhr: 3. Austausch über dieZiele /Hausaufgaben

21.40 Uhr: Abschlussgebet:

• freie Gebete fürein-ander/miteinander

• Segensgebete

22.00 Uhr: Abschluss Vaterunser / Gelassen-heitsgebet

22.10 Uhr mögliches Nachtreffen

22.40 Uhr Ende für LeiterInnen

Planung zum Verlauf der Gruppentreffen

Beschreibung der Phasen

0. Vorbereitungs-Phase: Selbstklärung(vor Gott und Co-Leitung). Als Gastgebendeübernehmen sie Verantwortung für dieRäume: Denk-, Leibraum und Versammlungs-Raum.

1. Phase: Sein (vor Gott und Menschen)Jede christliche Gemeinschaft hat ihre Liederund Gebete. In Endlich-Leben-Gruppennimmt man Rücksicht auf Suchende undAnfänger im Glauben.So sein dürfen, wie man wirklich ist.

2. Phase: ZeigenWo stehen wir inhaltlich?Den jeweiligen Schritt vorstellen.Geschichten aus dem Alltag der Teilnehmen-den zum Schritte-Thema.

Die Gruppenteilnehmenden sind sich gegen-seitig »Spiegel« durch ihr spontanes Feedbackund die hilfreichen persönlichen Geschichtenaus ihrem Leben. Gruppenmitglieder dürfenkonkret um Korrektur, Rat oder Unterstüt-zung bitten, wenn sie das wollen.

3. Phase: MitnehmenWas habe ich heute gehört?Was möchte ich behalten?

4. Phase: EntscheidenMein Vertrag mit mir selbst, mit Gott oder derGruppe. Ich mache etwas fest. Andere stehenfür mich ein.

5. Phase: Geistlicher Schlusspunkt Jetzt gehe ich mit Gott weiter…

Mitarbeitende machen noch ein Intervisions-Treffen (um aktuell voneinander zu lernen)

Verlauf der Gruppentreffen

Page 25: Gruppenleitungs-Handbuch

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Die Gruppenregeln

Nur von sich reden!Sage nicht: „Man kann das nicht ...“, sondern: „Ich kann das nicht!“ Rede in der Ich-Form!

Einander stehen lassen!”In unseren Endlich-Leben-Gruppen herrscht eineAtmosphäre von Liebe, Annahme und Vergebung.Das macht es dir möglich, Gefühle ohne Furcht vorAblehnung zuzulassen und auszudrücken.

Ehrlich, offen und echt sein!Auch wenn ihr euch gegenseitig stehen lassen sollt, istdeine ehrliche, offene und echte (z. B. spontane)Reaktion für die anderen Gruppenmitglieder sehrwichtig. Sie lernen daran.

Beispiel: „Kann es sein, dass du dir da etwas vor-machst?“, oder: „Kann es sein, dass du hier vor dirwegläufst? Ich kenne das bei mir auch, das war so …,darf ich dir das erzählen?“

Bitte keine ‚billigen‘ Lösungen!Wenn Gefühle, Aussagen oder Situationen auftreten,von denen ihr euch überfordert fühlt, weil ihr keinepassende Reaktion findet, haltet das aus. Bitte keinenvoreiligen „Zuspruch“ oder „Trost“ spenden, der nurdir selbst hilft, deine Unsicherheit zu verlieren. Bei-spiel: „Das wird schon wieder! Du musst nur…“. Also:Keine vorschnellen Lösungen anbieten! Jede undjeder muss die Lösungen für die eigenen Probleme sel-ber herausfinden und verstehen können.

Lass Glaubensüberzeugungen stehen!Diskutiere in den Gruppen nicht über (konfessionelle)Glaubensüberzeugungen. Du darfst deinem GlaubenAusdruck geben. Aber wir gestehen einander zu,unterschiedliche Auffassungen und Stile in unsererFrömmigkeit zu haben. Alle sind noch auf dem Weg!Respektiere das.

Was in der Gruppe gesprochen wird, bleibt dort! Verschwiegenheit nach außen hilft uns allen, uns inder Gruppe zu öffnen, verletzbar und ehrlich zu wer-den. Eine Atmosphäre des Vertrauens ist ohne diesegegenseitige Zusicherung nicht möglich.

Wenn du nicht kommen kannst, melde dich ab!„Abstürze“, schlechte Gefühle oder Scham sind keinAbmeldegrund. Komme besonders dann! Dazu ist dieGruppe schließlich da. Definiert eure Ausnahmen vor-her. Das hilft zur Verlässlichkeit.

• Sollte eine dieser Regelneuer gemeinsames Lebenbehindern, solltet ihr sie dis-kutieren und an eure Situa-tion anpassen.

• Endlich-Leben-Gruppen sindkeine Bildungsveranstaltun-gen oder Bibelstunden. Ihrselbst seid und bleibt daswichtigste Thema. Immer.

• Diskutiert Sachfragen ananderen Orten oder in extradafür definierten Settings,wenn es nötig erscheint.

Regeln oder Gesetze?

Weil es viele Rückfragen zu den Auslegungen derGruppenregeln gibt, möchten wir darauf hinweisen:

Gruppenregeln sind Leitlinien. Die erfahreneGruppenleitung orientiert sich letztlich intuitiv an denWerten und Zielen der Endlich-Leben-Gruppenarbeit.

Wir haben 7 Schlüsselworte gefunden, die solcheleitenden Kernwerte bewusst machen können:

• spirituell christlich • ganzheitlich• beziehungsfähig• demütig• ehrlich• gelassen • schönJe nach Phase, ob du in Schritt 1, 3 oder 12 bist, und

je nach dem jeweiligen Ziel für deine Beteiligung inder Gruppe wirst du (quasi automatisch) eine spezielleKombination dieser 6 Werte und damit eine andereMischung deiner persönlichen Kompetenzen undVerhaltens formen im richtigen Augenblick in derGruppe einbringen. Vertraue deiner Intuition.

Selbsthilfegruppe und Leitung?

Endlich-Leben-Gruppen stehen Selbsthilfe-Gruppen inihren Werten, Zielen und ihrer Kultur nahe. Sie habeneine klar definierte Leitungsrolle. Unsere Gruppenlei-terInnen sind von den tragenden Gemeinden ausge-wählt und wirken als ModeratorInnen und bringen somöglichst die Stärke der Gruppe zum Zuge.

Argumente für gut geordnete Abläufe

Die folgenden Punkte zeigen dir, inwiefern klare Regelungeneurer Gruppenarbeit helfen können:

• Jede Gruppe auf derWelt hat (heimliche) Regeln.

• Unklare Regeln führen zuBeliebigkeit und Unsicherheit.

• Endlich-Leben-Gruppenorientieren sich an Regelnvon Selbsthilfegruppen bzw.«Begegnungsgruppen«, inenglisch »Encountergroups«.

• Hauptziel ist es, dasslebensförderliche Haltungenausgelebt und erlebtwerden können.

Verlauf der Gruppentreffen

Page 26: Gruppenleitungs-Handbuch

Verlauf der Gruppentreffen

Merkmale guter Prozessgestaltung

Offenheit zum Lernen ermöglichen

Oft wird der Raum samt den immer vorhandenen Gerüchen unterschätzt. Denke nuran den Zahnarzt (sofort kommt Raum, Geruch ungenehm ins Gedächtnis). Darum istdie praktische/geistliche Vorbereitung des Raumes (Innenraum wie Außenraum) sowichtig.

Die Begrüßungsphase hat also die Funktion, das Gegenteil vom »Zahnarzteffekt»auszulösen: Vorfreude, positive Emotionen, Geborgenheit, innere Bereitschaft fürAufbruch. Die Lernbereitschaft und die Bereitschaft, sich für die Gruppe zu öffnenwird im Vorfeld schon unbewusst durch ein angenehmes Klima (Raum, Beziehungen,Gerüche) ausgelöst (fördert das sogenannte »Annäherungspriming«).

Grundbedürfnisse beachten: Beziehung vertiefen, Wertschätzung erleben

Das Sein-Dürfen ist eine der wichtigsten Erfahrungen von Menschen: Hier werden dieBeziehungs- und Bindungsbedürfnisse befriedigt. Gruppenmitglieder erleben sich alswertgeschätzt (ohne abwertende Kommentare; alles, wirklich alles darf sein).Darum ist so entscheidend: In dieser Phase darf es keine Unterbrechungen oder Ver-ständnisnachfragen geben. Auch Nachfragen kann wie eine Korrektur erlebt werden.Manche befürchten eine Umdeutung ihres Beitrags, z.B. versteckte Kritik oder Tadel.Sofort ist die Lernbereitschaft (»Annäherungspriming«) wie abgeschaltet.

Klare Zielperspektive hilft lernen! Fördere: »sich selbstbestimmt einbringen»

Offene Gesprächsrunde: eigene Erfahrungen – immer in der Form von Geschichten –werden (passend oder unpassend) zu den Inhalten rund um den Schritt eingebracht. - Jedes Mitglied hat jetzt in dieser zweiten Runde Zeit, wichtige Erlebnisse, offene Fra-gen, Niederlagen oder Erfolge aus der letzten Woche zu berichten. - In dieser Phase kann jede/r frei reden. Manchen hilft es, mitzuteilen, was er oder siesich zu den Fragen aufgeschrieben hat. Als Einstieg für Ungeübte hilft der Impuls derGruppenleitung: „Mit welchem Thema hast du dich in der letzten Woche intensivbeschäftigt? Erzähle deine Geschichte dazu!“

Feedbackregeln: Prozesse (z.B. Muster) oder Inhalte (Emotionen) zurückspiegeln

Das Feedback der Gruppe stärkt vor allem das Bindungsbedürfniss: positive Einfühlung,(Empathie) hilft am besten, selbst bei Fehlern/Niederlagen gibt es positive Resonanz!Feedback beschränkt sich in der Form auf folgende Möglichkeiten:• Nonverbale Signale des Verstehens oder des inneren Mitgehens• Geschichten-Kette: Wenn der Beitrag abgeschlossen ist, kann sich der nächste oder dienächste mit ihrer Geschichte anschließen (sie kann »passig» sein, muss es aber nicht).• Feedback fordern: Wenn die Person Feedback wünscht, muss sie es selbst äußern („Wasdenkt ihr dazu? Was soll ich machen?) Die Reaktion der anderen wird nach kurzem Nachsinnen in der Form… • …eine persönliche Erfahrung sein, eine assoziativ passende Geschichte (was da »passt»und ob es wirklich »passt», wird sich herausstellen. Hier gibt es keine Regeln).• …eine Mitteilung über ein Gefühl sein, das beim Zuhören beim Zuhörenden aufkam• …eine Verständnisfrage sein, die dann weiterführt zu Erfahrungen, Gefühlen.• …auf keinen Fall ein Ratschlag sein: nie sagen ihr oder ihm die anderen, was sie oder erjetzt tun müsste oder was man im allgemeinen so tun muss.

Nachdem auf den Seiten24-25 die genauen Pha-sen eines Gruppentref-fens gezeigt wurden,beschreibe ich hier, wel-che Prozesse in diesenPhasen im Hintergrundablaufen, bzw. welchePrinzipien eine guteGruppenleitung ausma-chen.

Vorbereitungsphase:»Willkommen!«

1. Phase »Sein»Wie geht es dir?

2. Phase »Zeigen»Wo stehen wir?

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Page 27: Gruppenleitungs-Handbuch

Erlaubt ist: »Ich habe in einer ähnlichen Situation getan…» und dann die Geschichteerzählen. Ob sie passt, wird der andere selbst herausfinden. Das Selbsthilfeprinzipbedeutet: Ich bin Spezialist für mein Thema und bin Modell für andere oder lerne anden anderen Modellen (auch ohne Worte). Bedenke: Die Selbstaktivierung jedes ein-zelnen ist das Wertvollste, was in der Gruppe passieren kann. • Wenn jemand kein Feeback wünscht, muss er/sie nichts tun und der/die Nächste ist dran.

Klarer Fokus zur Verankerung im Gehirn ist wichtig

Neben dem unbewussten Lernen am Vorbild (Modell-Lernen) durch Beobachtung derGespräche, Gefühle, Verhaltensformen (Interaktionen) ist das bewusste Lernen einewichtige Form, um Veränderungen zu verankern.Diese Phase befördert einiges vom Unbewussten in das Zentrum der Aufmerksamkeit.Dabei ist wichtig, dass jede und jeder sein »Thema» (Fokus) in seinen eigenen Wortenerfasst. Dadurch ist garantiert, dass es wichtig für sie oder ihn ist (emotionale Berüh-rung) und dass er/sie es in seiner/ihrer Sprache / Denkkonzept begreift und zu Hause, imAlltag weiterbearbeiten kann.Eine kurze Ruhephase hilft, um die eigene Befindlichkeit (Gefühle, innere Dialoge) bes-ser wahrzunehmen.Möglichst positive Lösungen (Verhaltens- oder Denkbewegungen) in den Blick nehmen.Das Gehirn kann sich die Verneinungsform (ich will …nicht) nicht merken.

Verträge verstärken die Bahnung in Gehirn

Auch hier gilt wieder: alle Verträge (so etwas wie neue Muster (Verhalten, Gedanken,Gefühle) sollten bewusst aus eigenem Impuls aktiviert werden. Durch die »Modelle» (z.B. GruppenleiterInnen) in der Gruppe werden diejenigen ler-nen, die mit dieser Methode noch nicht vertraut sind.Verträge sollten positiv formuliert werden. Beispiel: (unangemessene) Angst (z.B.unbegründete Panik) ist ein störendes Muster. Es wird nicht durch einen Vertrag »Ichwill keine Angst mehr haben!» gelöst. Ein neues, positives Verhaltensmuster muss andiese Stelle treten und wird die Angst indirekt hemmen: »Bei Angst konzentriere ichmich darauf, dass Gott größer ist als alle Angst.« oder »Ich werde, wann immer ichAngst spüre, meine Laufklamotten anziehen und ein paar Runden drehen.«

Spiritualität hilft psychisch indirekt – Gott hilft direkt

Spirituelle Ausdrucksformen wie Gebet, Schweigen, Bibelverse rezitieren, mit Musikentspannen, Segen durch Handauflegung spüren, Zuspruch hören usw. helfen auf viel-fältige Weise auch indirekt zur Förderung seelischer Gesundheit.Die menschlichen Grundbedürfnisse (vgl. mehr dazu S. 66f) werden dabei oft gut befrie-digt. Wichtig für die Gruppe ist es, Rituale zu entwickeln, in der sich möglichst vieleohne Anstrengung ausdrücken können. Für unterschiedliche »spirituelle Mutterspra-chen« gibt es auch unterschiedliche Rituale. Ein Wechsel der Formen kann bereichern.Aber Einleben in bestimmte Formen braucht immer auch Zeit.Gottes Wirken ist unverfügbar für unsere Kontrolle. Wunderbarerweise kann er man-ches direkt (oder vermittelt durch Menschen und Umstände indirekt) verändern.

Die Raumdimension ernst nehmen

Die Gruppe beim Aufräumen integrieren! Dadurch wird auch äußerlich ein gemeinsa-mer Abschluss symbolisiert. Wenn die Gruppenmitglieder gegangen sind, kann für mehrere GruppenleiterInnennoch ein kurzer Austausch helfen. Hier sollte aber das Zeit- und Kraftmaß jeder Personernst genommen werden. Wie auch immer es organisiert wird. Erfinde eine Form wiedu dich als »Leibraum» von der meist starken Energie (Gefühle, Gedanken, Interaktio-nen) der Gruppe entlasten kannst.

Merkmale guter Prozessgestaltung

3. Phase »Mitnehmen»Was lerne ich?

4. Phase »Entscheiden»Mein Vertrag…

5. Phase »Raum klären»

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Page 28: Gruppenleitungs-Handbuch

Die Arbeit mit Selbsttest-Fragebögen

Grundsätzliche Erklärung zu den 7 Selbsttest-Fragebögen

Auf der nächsten Seite findest du den ersten unserer 7 Selbst-tests. Mit Hilfe dieser Tests im Arbeitsbuch lernst du dich selbstbesser verstehen und kannst deine Situation genau einschätzen.

Alle Fragen der 7 Tests im Arbeitsbuch und auch in diesemHandbuch sind nach wissenschaftlichen Standards gut erprobtund ausgewertet worden. Wir wollen erforschen, ob unsereGruppen wirklich helfen, wie gut sie helfen und bei welchentypischen Problemen oder Lebensmustern sie besonders vieloder auch gar nicht nützen. Eine gute Auswertung hilft dir aberauch selbst, dich persönlich besser zu verstehen und deine Pro-bleme einzuordnen.

Gib deine Antworten bitte im Internet ein. Das ist für alle Per-sonen in zertifizierten Endlich-Leben-Gruppen kostenlos. Dubekommst über den Koordinator eurer Gruppenarbeit ein Grup-pen-Passwort für die Eingabe deiner Daten. Damit deine Einga-ben immer anonym bleiben und doch aufeinander bezogen wer-den können, definierst du dir zusätzlich einen Codenamen, dennur du allein kennst (s. S. 304). So kannst du später mit diesemCodenamen deine Auswertung zu deinen verschiedenen Frage-bögen im Internet ansehen und ausdrucken. Hier kannst du dieGebrauchsanleitung zur Eingabe schon einmal studieren:

www.gebrauchsanleitung.endlich-leben.net

• Wie du genau den Selbsttest im Internet ausfüllst,• wie du eine persönliche Auswertung erhältst und • was für eine Hilfe diese Auswertung für dich ist, das bekommst du in einfachen Schritten im Internet beschrieben.Informiere dich jetzt www.gebrauchsanleitung.endlich-leben.net und gehe auch auf diese Seite im Internet:

www.fragebogen.endlich-leben.net

Hast du dringende Fragen und kommst gar nicht zurecht?Hier ist deine schnellste Möglichkeit, Fehler, Probleme oder Fra-gen zu melden. Auf diese Mails reagieren wir möglichst sofort.Gehe zu der Internetadresse:

www.hilfe.endlich-leben.net

Damit du als GruppenleiterIn besondere Unterstützungbekommst, bieten wir dir an, dass du durch Telefonkonferenzenmit anderen GruppenleiterInnen Austausch bekommst. Sokannst du über den begrenzten Kreis deiner Gemeinde hinausFragen loswerden oder im Gespräch mit anderen eigene Stärkenoder Schwächen der Gruppenarbeit wahrnehmen.Gerade als GruppenleiterIn ist es wichtig, dass du für möglicheStörungen durch eigenen Stress oder »blinde Flecken« beibesonderen Herausforderungen sensibel bleibst. Natürlich hilftdir auch das persönliche Gegenüber deiner Co-Leitung.

Die sogenanntenSelbsttest-Fragebö-gen im Arbeitsbuchwerden für eine wis-senschaftliche Aus-wertung genutzt.

Nur wenn wir dieDaten – natürlichanonym und kosten-los – von Gruppen-mitgliedern erhaltenund statistisch aus-werten können, wer-den wir die Qualitätder Endlich-Leben-Gruppen messenkönnen. Damiterhalten wir guteChancen, die Grup-penarbeit für dieZukunft verbessernzu können.

Wir erwarten Ant-worten auf dieseund andere Fragen:

• Bei welchen Symp-tomen helfen dieGruppen am besten?

• Effektstärke: Wiesehr helfen Endlich-Leben-Gruppen?

• Welche Auswirk-ungen auf die Reli-giosität der Teilneh-menden gibt es?

• Biografie: Gibt esZusammenhängezwischen Biografieund Lebensmustern?

Du wirst durch dieSelbsttest–Fragebö-gen selbst einen gro-ßen Gewinn haben.

Verlauf der Gruppentreffen28

Page 29: Gruppenleitungs-Handbuch

Was sind deine Ziele für die Räume?

Im Folgenden spreche ich in einem Bild von verschiedenen Räumen, z.B. vomGefühlsraum, vom Leibraum usw. Das Raumbild erleichtert es dir, einen Blick für die ver-schiedenen Dimensionen der Wirklichkeit zu bekommen. Stell dir die verschiedenenBereiche einfach mal als Räume vor:

• Wort- und Gedankenraum (der sogenannte Kortex, präfrontaler Kortex, ist unserbewusst steuerbarer Hirnbereich, den wir über Gedanken ansprechen)

• Gefühlsraum (das limbische System arbeitet höchst selbsttätig, reagiert spontanund ohne Umweg über die Gedanken auf visuelle, Geruchs- und Geräuschreize,besonders wenn sie Gefahr bedeuten könnten: Alarmbereitschaft wird ausgelöst)

• Leibraum (hierzu zähle ich alle Funktionen, die wir nie bewusst wahrnehmen odersteuern können, wie Körpertemperatur, Ph-Wert des Blutes, Nierenfunktion, Herz-schlag, Muskeltonus, Körperselbstwahrnehmung).

• äußere Räume wie Gebäude, Gruppenräume, Vorhalle, Stadtviertel: Architekturund Einrichtung sprechen Bände. Alles, was Menschen um sich her installieren gehörtzu ihrer Kultur und verrät etwas über ihre Bedürfnisse und Vorlieben. Alles wird zumSymbol.

Welche Ziele formulierst du persönlich für diese unterschiedlichen Räume?

Ziele kannst du messen oder überprüfen. Wünsche bleiben oft schwammig oderunkonkret wie z.B.: „Ich möchte ein zufriedener Mensch werden!“.

Ziele für alle deine »Räume» sind überprüfbar. Hier einige Beispiele für Zielformulie-rungen:

• „Ich möchte, dass sich mein Kopf klar anfühlt. Wenn ich in der Stille bin, sollen die Gedanken in Ruhe kommen und gehen, nicht über mich herfallen oder sich im Kreis drehen.“

• „Meine Gefühle kommen selbständig. Aber ich möchte besser verstehen, was sieausgelöst hat, wie sie hervorgerufen werden. Ich möchte wachsam mit meinenGefühlen umgehen und alle Gefühle grundsätzlich begrüßen– selbst wenn sieschwierig zu steuern sind.“

• „Ich brauche regelmäßig Bewegung. Wenn meine Nackenmuskeln sich ständig verspannen, werde ich 1x in der Woche schwimmen gehen.

• „Für meinen Gruppenraum brauche ich folgende Ordnung, um mich wohl zu füh-len…”

Formuliere deine Zieleliste, um deinen Idealzustand zu erkennen.

Verlauf der Gruppentreffen30

Page 30: Gruppenleitungs-Handbuch

Räume wahrnehmen üben

Stille als Voraussetzung zur bewussten Wahrnehmung

Fang doch für dich selbst schon einmal an, dich ungeschminkter im Blick auf deine Räumewahrzunehmen! Rühre ruhig Tabus an! Es nützt nicht, wenn du dir etwas vormachst.

Wie nehme ich meinen Wort- und Gedankenraum wahr?

Wie erlebe ich meinen Gefühlsraum ?

Was fällt mir zum meinem Leibraum im Augenblick auf?

Was behagt mir im Gruppenraum? Was ist am Gruppenraum, Vorraum, Versammlungs-raum unerträglich. Was ist zu verbessern?

Wie können diese 4 Räume mit der Gegenwart des Heiligen Geistes Gottes erfüllt werden?

Welche Vorbereitungen oder Rituale kenne ich? Was werde ich (mit meiner Co-Leitungkonkret tun, um mich angemessen auf die Gruppe einzustellen?

Nachdem wir uns mit den Zielen, Phasen und Abläufen vertraut gemacht haben und dieEinflussfaktoren für unsere eigene Befindlichkeit geklärt haben, wenn wir uns nun denInhalten und Prozessen in den einzelnen 12 Schritten zu.

Verlauf der Gruppentreffen 31

Page 31: Gruppenleitungs-Handbuch
Page 32: Gruppenleitungs-Handbuch

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„Wir gaben zu, dass wir den Abhängigkeiten und Problemen

anderer gegenüber machtlos sind – und unser Leben

nicht mehr meistern konnten!“

Schritt 1 Endlich am Ende

Kontrolle aufgeben

Bei der Beschäftigung mit dem ersten Schritt werden wir unsmit drei Themen auseinandersetzen:

1. Wir lernen, die Wahrheit zuzugeben (ehrlich werden).2. Wir lernen, nichtförderliches Gruppen-Leitungs-Verhalten zuerkennen. 3. Wir lernen zuzugeben: Wir haben die Probleme der Gruppen-mitglieder nicht im Griff.

Wenn wir diese 3 Erkenntnisse verstehen und umsetzen, nen-nen wir das Kapitulation.

Diese Haltung der Kapitulation in Schritt eins wirkt sich aufdie Gruppenleitungsrolle aus. Du darfst als GruppenleiterInzugeben:

• in Wahrheit bin ich schwach,• ich kämpfe nicht für eine Veränderung der anderen,• ich gebe die Kontrolle über die Probleme anderer auf.

Diese Vorstellung reibt sich mit anderen Konzepten vonGruppenleitung. Darum ist es notwendig, die besondere Rolleund Aufgabe von GruppenleiterInnen in Selbsthilfegruppen zuverstehen.

Um einen besseren Zugang zu diesem ersten Schritt zu fin-den, werden wir das Selbsthilfekonzept und die psychologi-schen und neurophysiologischen Hintergründe für Lernprozessegenauer anschauen.

Schritt 1 Endlich am Ende

Page 33: Gruppenleitungs-Handbuch

Anleitung für deine HausarbeitBei allen Aufgaben gilt: Tu das, was du kannst, aber überfordere dich nicht. Es gibt

kein Rezept für die »perfekte Gruppenleitung«. Die 12 Schritte sind keine 12 Regeln,die du abarbeiten müsstest. Nein, es sind 12 Erfahrungswerte, die Menschen auf ihrenganz persönlichen Veränderungswegen gesammelt haben.Hinter der Gliederung jedes Kaptels pro Schritt steckt eine innere Logik. Wir gehen ent-lang der folgende Gesichtspunkte im jeweiligen Unterkapitel vor:

1. Tag: Die genaue Bedeutung des jeweiligen Schrittes

Jeder Schritt hat ja eine traditionelle Formulierung, die 1939 entstanden ist. Einigeshat sich in Wissenschaft und Forschung und Alltagswissen seitdem verändert. Darummuss jeder Schritt auch in unsere heutige Zeit hinein übersetzt und erklärt werden.

2. Tag: Wo stehen wir im Prozess? (Phasen des Transtheoretischen Modells)

Jeder Schritt provoziert eine Veränderungsphase. Oder anders gesehen: Die Anregungdes jeweiligen Schrittes funktioniert nur in einer bestimmten Phase deines Verände-rungsweges. Das Transtheoretische Modell beschreibt aus der Vogelperspektive dieEigendynamik des jeweiligen Schrittes.

3. Tag: Psychologisch-neurobiologische Erklärungshilfen

Wir glauben, dass alles Verhalten einen Sinn oder eine Funktion hat. Erklärungen hel-fen, diesen Sinn besser zu begreifen. Damit haben wir die Lösungen zwar nicht immerin der Hand, aber wir können entspannter auf die Lösung warten.

4. Tag. Wie hilft der Fragebogen - und wie erfolgt die Auswertung?

Der besondere Sinn der Selbsttestfragebögen und die Erklärungen zur Auswertungwerden ausführlich erläutert. Die Details der Auswertung findest du aber im Internetzusammen mit der Darstellung deiner eingegebenen Daten.

5. Tag: Welche Rolle spielt die praktische Theologie (Spirituelle Raumübungen)?

Für Christen stellt sich die Frage, welche besondere Funktion der Glaube auf diesemVeränderungsweg hat und welche nicht. Das überprüfen wir jeweils zu den Themender 12 Schritte. Ich lade ein, sich kritisch mit möglichen Stolpersteinen der eigenenreligiösen Tradition auseinander zu setzen.

6. Tag: Was bedeutet dieser Horizont für deine Leiterrolle – Selbstreflexion?

Hier geht es um konkrete Haltungen und Verhalten in deiner Leitungsrolle. Dabeikommen die zuvor erklärten Modelle zum Tragen. Im Horizont dieser Erkenntnissewirst du deine Leitungsaufgabe besser herausfinden.

7. Tag: Wie du kreativ den Raum weitest (Design, Material, Gemeinde, Übungen)

Zuletzt sollen Übungen dazu anregen, immer wieder den bekannten und gewohntenRaum zu überschreiten. Dafür ist Erfindungsfreude und Entdeckermentalität gefragt.Übungen in verschiedene Richtungen werden dich herausfordern.

• Fazit: Deine Zusammenfassung über das bisher Gelernte an einer Beispielgeschichteaus dem Arbeitsbuch.• Gruppenablauf - ausgeführte Ablaufpläne für Gruppenstunden im jeweiligen Schritt.

36 Überblick zur Hausarbeit

Page 34: Gruppenleitungs-Handbuch

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Lernen im „wir …”

Das kleine Wörtchen „wir” in Schritt 1 drückt etwasentscheidend Neues aus: Nicht mehr allein, sondernmit den anderen gemeinsam. Für einige Gruppenmit-glieder ist es schon ein gewaltiger Schritt, überhauptin eine solche Gruppe zu gehen. Damit müssen sie jaeingestehen, dass es in ihrem Leben irgendetwasgibt, was sie allein nicht bewältigen können. Oderanders gesagt: Sie geben (wenigstens unbewusst) zu,dass sie aus irgend einem Grund es nicht lernen, einfür sie besseres oder förderlicheres Leben zu erler-nen.

Lernen ist normal

In der Regel sollte man davon ausgehen, dass jedesLebewesen und der Mensch in besonderer Weise aufdie sich verändernde Umwelt mit Lernen reagiert. Wirkönnen uns in erstaunlichsten Situationen mühelosanpassen und sofort richtig oder angemessen reagie-ren. Wir lernen als Einzelne und als soziale Gruppeimmer wieder Neues und können so in einer komple-xen Welt leben.

Diese Anpassung an Herausforderungen nennenwir Lernen, denn es ist eine Lernleistung, eine pas-sende Lösung oder ein der Situation angemessenesVerhalten an den Tag zu legen. Und das funktioniertoft fast ohne Mühe. Und wenn man Menschen nichtdie Lust am Lernen verdirbt, macht Lernen sogar rich-tig Spass. Es ist die Lust an der Selbstentdeckung. Beiallem, was ich lerne erfinde ich mich für die neue Situ-ation quasi neu.

Wundern müssen wir uns eigentlich über das Phä-nomen, dass manche Menschen nicht lernen. Warumverweigern sie, die Lösung zu finden, warum habensie keine Entdeckerfreude, warum wiederholen sieein offensichtlich erfolgloses Verhaltensmuster immerwieder ohne ein besseres Lebensmuster zu lernen?

Die Gruppen: Schutzraum zum Leben Lernen

Die Endlich-Leben-Gruppe ist somit ein Schutzraumfür Menschen, die aus irgend einem Grund nicht rich-tig Leben lernen können. Die Gruppen-Regeln und -Werte helfen dabei, gesundes Verhalten zu erlernen.Alle anderen, die von selbst im Leben zurechtkom-men (also alleine lernen können), brauchen dieseGruppe nicht. Die spannende Frage bleibt. Warum können die einenes alleine und inwiefern hilft eine Gruppe beimLebenlernen?

Schritt 1 Endlich am Ende

Lernunfähigkeit oder die Optimierungsfalle

Warum das Lernen blockiert ist, lässt sich gut am Bei-spiel eines Ertrinkenden zeigen.Wenn ein Mensch im Wasser den Halt verliert, ist daseine große Bedrohung, weil es um alles oder nichtsgeht. In Lebensgefahr aktiviert das Gehirn automa-tisch Verhaltensroutinen, die das Überleben sichernsollen. Nur im Wasser gibt es nicht viele Alternativen.Die einzig verheißungsvolle Handlung scheint die zusein, alle Bemühungen um »Halt» zu verstärken.Das bedeutet mehr rudern, schneller und hektischerbewegen, nach allem greifen, was schwimmt und Haltbieten könnte.

Ein Rettungsschwimmer kennt die Tücken, die ihnbei der Rettung eines solchen Verzweifelten erwar-ten. In der Regel klammert dieser sich an ihn mit allerKraft und entwickelt in der Todesangst gewaltigeKräfte.

Warum kann der Rettungsschwimmer nicht imVorfeld mit dem Ertrinkenden reden, ihn über ein bes-seres Verhalten aufklären, indem er ihn z.B. auffor-dert: »Lassen Sie sich treiben, ich ziehe Sie hier sicherraus!«

In dieser Situation kann die Vernunft die starkenGefühle, die nur auf das Überleben konzentriert sind,nicht beherrschen. Das Muster zum Überleben scheinteinfach und eindeutig zu sein: »Optimiere deineAnstrengungen.» Damit ist die Person in der Optimie-rungsfalle gefangen. Dass es auch eine Lösung bedeu-tete, loszulassen, die Kontrolle aufzugeben oder dieeigene Machtlosigkeit einzugestehen, leuchtet nichtein.

Darum ist eine bekannte Strategie der Lebensret-ter die: Sie versuchen, den Ertrinkenden zu einem»Denkmusterwechsel» zu zwingen, indem sie ihm • erst einmal nicht helfen, sondern zulassen, dass erohnmächtig wird oder seine Kräfte nachlassen.• Jetzt kann der Retter ohne Gefahr, selbst mit hinun-ter gerissen zu werden, den Ertrinkenden in eine Posi-tion bringen, um ihn ans rettende Ufer zu schleppen.• Nur mit einem vollständigen Strategiewechselgegen alle »üblichen» oder »normalen» Verhaltens-weisen unter Menschen für Retter und Ertrinkendenwird also die Rettung gelingen.

Muster festhalten oder Muster lockern?

In bestimmten Situationen ist es sicherlich eineLösung, ein Verhalten zu verbessern, durch Optimie-rung zu Lösungen zu kommen. Und das haben viele jajahrelang erfolgreich erlebt.

1. Tag: Gruppenleitung an Schritt 1 ausrichten

Page 35: Gruppenleitungs-Handbuch

Schritt 1 Endlich am Ende

Ein Verhalten hat in einer Familie oder in einerKrise Sinn gemacht, hat geholfen, war also eineLösung – wenigstens vorübergehend.

Und mehr zu trinken, zu schweigen, zu schreiben,zu essen, zu kaufen, zu rauchen, zu lieben, nett zusein, sich zu verstecken oder Gefühle zu unterdrü-cken – alles das hat geholfen, immer wieder geholfen.

Darum kommen Menschen nicht im Traum darauf,solch ein erlerntes, bisher hilfreiches Verhalten zuhinterfragen. Sie kommen quasi nicht auf die Idee,dass das, was immer geholfen hat, jetzt zum Problemgeworden ist.

Darum sind Menschen in der Suchtfalle so blindoder scheinen so dumm zu sein, dass sie weiterma-chen, selbst wenn es ihnen schadet.

Was könnte ihnen helfen, ihr Erfolgsmodell, ihrerlerntes Überlebensmuster aufzugeben?

Lernhilfe »Stören»

Wenn die Endlich-Leben-Gruppe solchen Menschenaus ihrer Musterfalle oder aus der Optimierungsfalleheraushelfen soll, muss eines geschehen: Das bishererfolgreiche Muster muss so »erfolgreich« als Misser-folg erlebt werden, dass gar nichts anderes übrigbleibt, als etwas Neues, Besseres zu lernen.

Wie kann eine Gruppe dabei helfen?Die Gruppe muss zwei Funktionen in guter Ausge-

wogenheit erfüllen:• Sie muss jede Hilfe verweigern, die das alte Musterstabilisieren und verewigen hilft.• Sie muss alternative Verhaltens- und Lebensmusterbeispielhaft vorleben.Denn Worte allein scheinen ja nicht zu helfen.»Sei ein-mal vernünftig, reiß dich zusammen, du musst nurwollen, sieh doch endlich mal ein…« Diese Worte sindim Vorfeld sicher schon oft genug gefallen.Denken wir an den Ertrinkenden: Er wird auf Lehrvor-träge oder moralisch richtiges Verhalten in diesemAugenblick nicht positiv reagieren können.

Dabei ist gerade das Spannungsfeld zwischen Hilfeverweigern und Neues vorleben die Kunst. Gruppen,die diese Kunst lebendig verkörpern, bieten die größ-ten Chancen für die am Leben Verzweifelten.

Gegen alle üblichen und normalen Verhaltenswei-sen von Menschen, die mitfühlend und liebevoll ande-ren helfen wollen, geht es nämlich zuerst darum, alleszu tun, die falsche Stabilisierung das alten, nutzlosenMusters zu verhindern.Das ist also der Grund, warum in Endlich-Leben-Grup-pen Regeln und Werte gelten, die in einer »norma-len» Situation für unhöflich, unfreundlich und sogarfür falsch gehalten werden, wie z.B. diese:

Destabilisieren ist gut. Stören ist gut.Nicht helfen ist gut. Kontrolle aufgeben ist gut.

Definition »Sucht»

Das Phänomen »Sucht«, auf den die 12 Schritte-Arbeitgrundlegend aufbaut, erklärt die Dynamik dieser»Optimierungsfalle« so: Der entscheidende Faktorbeim Suchtgeschehen liegt nicht in irgendeiner Sub-stanz, die der Süchtige konsumiert, sondern vielmehrin dem dadurch herbeigeführten Gefühlszustand. Ichbeziehe mich auf die Definition des Suchtbegriffs vonWerner Groß: »Sucht ist ein unabweisbares Verlangennach einem bestimmten Gefühls-, Erlebnis- undBewusstseinszustand.« Das Lösung besteht also nichtdarin, rein körperliche Wirkungen bestimmter Sucht-stoffe durch Abstinenz zu vermeiden. Vielmehr stehtder suchtkranke Mensch vor der Aufgabe, eine Verän-derung in den Bereichen Erleben, Bewusstsein undFühlen zuzulassen. Schritt 1 ist für den Süchtigen denEntscheidung, alle Ersatzlösungen aufzugeben undsich dem Kampf mit seiner Sucht zu stellen.

Bei einer »Sucht« geht es also um ein Verlangen,das nicht mehr der normalen Kontrolle unterliegt undmit dem Willen allein nicht mehr gesteuert werdenkann. Das Wollen «läuft Amok» und wird zum »Müs-sen«. Es handelt sich um einen eigenständig ablau-fenden Prozess, der faktisch das Verhalten der süchti-gen Person steuert. Nicht der Mensch hat die Sucht imGriff, sondern die Sucht hat den Menschen im Griff. Viele Menschen in 12-Schritte-Gruppen erleben es alseine Befreiung, dass die Suchtforschung mit dem Auf-zeigen dieser Mechanismen eine Erklärung für ihreErfahrung anbietet, trotz Aufbietung aller eigenenKräfte immer wieder zu scheitern. Dieses Suchtver-ständnis ermöglicht es vielen Teilnehmern, ihre eige-nen, für sie bis dahin oft unverständlichen Verhaltens-muster zu durchschauen. Es verdeutlicht ihnen,warum es ihnen so schwer fällt, von längst als unge-sund erkannten Verhaltensweisen abzulassen undentlastet sie von dem moralischen Vorwurf, sie streng-ten sich eben nicht genug an.

Ein »Schlüssel« zur der »Co-Abhängigkeit«

Was in der Suchtforschung den Begriff Co-Sucht oderCo-Abhängigkeit bekam, ist aus vielen leidvollenErfahrungen gewonnenes Wissen.

Die »Lebensretter« von Süchtigen gerieten beiihren engagierten Versuchen, ihre PartnerInnen zuretten, mit denen sie oft liebevoll verbunden waren,selbst in den Abgrund, sie wurden mitgerissen vondem Strudel der Suchtspirale. Die Abhängigen klam-merten sich mit aller Macht an sie als ihre neuen Ret-terInnen und ließen gar nicht mehr los.

Wenn Lebensretter bei dem Versuch zu helfenselbst untergehen, kann das keine gute Methodegewesen sein. Sie haben nicht gelernt, dass ihr Hilfe-versuch kein geeignetes Verhaltensmuster für diese

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Page 36: Gruppenleitungs-Handbuch

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2. Tag: Wo stehen wir im Prozess?

Erkärung der 6 Phasen des »Transtheoretischen Veränderungs-Modells«

Veränderungsbereitschaft in Schritten

Vielleicht hast du dich schon gefragt, warum eseigentlich 12 Schritte sind und nicht 10 oder 15 oder6? Da gibt es historisch nur eine Antwort: Die Formu-lierung der 12 Schritte ist aufgrund von ähnlicherErfahrungen vieler Betroffener in den Jahren 1935-1939 gereift. Die Entstehungsgeschichte der 12Schritte ist dann in dem «Blauen Buch« das erstemal1939 veröffentlicht worden. In diesem Buch wurdenviele Lebensbeispiele der damals sogenannten Anony-men Alkoholiker erfasst. Dabei haben die Gründerdieser Bewegung und Autoren des Blauen Buches, Billund Bob, das typische Muster ihrer eigenen Ge-schichte und ihre Veränderungserfahrungen mitdenen ihrer vielen Gefährten erfasst und intuitiv sinddabei 12 wichtige Phasen für ihre Veränderung deut-lich geworden.

Ein Erfolgsmodell setzt sich durch

Die Beschreibung von Veränderung mit diesen 12Phasen hat sich dann als ziemlich erfolgversprechenddurchgesetzt und wurde zu einer weltweiten Bewe-gung, der sogenannten 12-Schritte-Bewegung oderA(wie anonyme…)-Bewegung. Vielen Menschen vorallem mit Suchtproblematiken hat diese Beschreibungeines Veränderungsweges augenscheinlich genützt.In den 60ger Jahren wurden dann viele solche A-Grup-pen mit unterschiedlichsten Symptomen (Alkohol-,Drogen–, Nikotin-, Ess-, Putz, Beziehungs-, Liebes-,Sex-, Spiel-, und und und–Süchte) gegründet. Damitwurde deutlich, dieses Veränderungsmuster scheintnicht nur Alkoholikern zu helfen, sondern Menschenmit unterschiedlichsten Abhängigkeiten. Und eskamen sogar Abhängigkeiten ohne sichtbare »Sub-stanzen« hinzu, sogenannte »Prozess«-Süchte. Fastkönnte man sagen, dass man von allem oder jedem»süchtig« werden kann und darum am Ende die Grup-pen mit den 12 Schritten zu dem Modell für Verände-rung von Problemen überhaupt werden können.

Wissenschaftliche Forschung in den 80gern

Die wissenschaftliche Erforschung von Verände-rung hat nachgehakt und dabei ist ein bedeutenderAnsatz herausgekommen: Das sogenannte Transtheo-retische Modell. Der Name bedeutet nichts anderes,als dass dieses Modell von sich behauptet, ein allge-meines (für alle Schulen und Theorien gültiges) Erklä-

rungsmodell der Veränderung in 6 Phasen entdecktzu haben. Diese Entdeckung erklärt mir, warum die 12Schritte so erfolgreich waren. Die Gründer des 12-Schritte-Modells haben intuitiv vieles von dem erfasst,was für Veränderungsprozesse allgemein gilt. Verän-derung ist auch ein Schlüsselwort für religiöse Tradi-tionen im Christentum, Judentum, Islam oder öst-lichen Religionen, die sie dann »Umkehr», »Bekeh-rung« oder auch »Transformation» nennen.

Das Transtheoretische Modell der Verhaltensände-rung, TTM, haben Prochaska & DiClemente 1982 ent-wickelt, und es hat seit etwa 1985 vor allem in denUSA, Australien und Großbritannien große Popula-rität. Es findet Anwendung in der öffentlichenGesundheitsvorsorge, in der Klinischen Psychologieund in der Gesundheitspsychologie. »In einer aktuel-len Literaturrecherche identifizierten Bunton et al.(2000) weit über 1000 englischsprachige Studien, dieeinen Bezug zum TTM aufwiesen. Neben einer Viel-zahl von theoretischen Arbeiten fanden sie 368 Arbei-ten, die sich mit dem Konzept der Veränderungspha-sen… beschäftigen.« (Maurischat, 2001, S. 8) InDeutschland wird dieses Denkmodell bisher nochnicht so häufig genutzt, was sich in letzter Zeit aberändert.

Wie hilft uns das Transtheoretische Modell (TTM)?

Was macht dieses Modell so interessant? Es räumt mitdem Vorurteil auf, dass Veränderung in 2 Schrittengeschieht: Schritt 1: Du hast ein Problem, das dichnervt. Schritt 2: Du entscheidest dich zu einer Ände-rung deines Verhaltens oder deiner Einstellung. VieleMenschen sind mit dieser Anschauung nicht zurechtgekommen– zu Recht! Es braucht 6 Phasen.

Das Transtheoretische Modell von Veränderungsagt: Verhaltensveränderung entwickelt sich immer in 6 Veränderungsphasen. Und in jeder dieser Phasengibt es phasentypische Anforderungen, Strategienund Lernziele.

Das ist dem Denken der 12 Schritte sehr ähnlich.Deshalb nutze ich dieses Modell gerne, um unsereGruppenleitungsaufgabe besser auf die jeweiligenphasentypischen Anforderungen zu beziehen.

Wo stehen wir im Prozess?

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Das Transtheoretische Phasenmodell

1. Stadium der Sorglosigkeit (Precontemplation)

Eine Person hat noch keine Veränderungsbereitschaft. Das kann mehrere Gründe haben:Sie ist zu wenig informiert über sich oder über die negativen Effekte (blinder Fleck), sie hat zu wenig Moti-

vation für ein neues Verhalten (geht doch noch) oder sie ist durch erfolglose Versuche schon demoralisiert.Sie zeigt deshalb typisches Vermeidungsverhalten (Ignoranz, Gedankenlosigkeit, kein Austausch über Pro-

blemverhalten) für Veränderungen. Kurz: sie ist noch “resistent” gegen Veränderung.

2. Stadium des Bewusstwerdens (Contemplation)

Eine erste Veränderungsbereitschaft wächst (”…in den nächsten 6 Monaten werde ich…”). Personen in die-ser Phase werden möglicherweise bereit, sich in Endlich-Leben-Gruppen einzufinden. Die Vorteile einer Ände-rung werden bewußt, Nachteile sind vor Augen. Typisch ist in dieser Phase die sogenannte »Pro & Kontra-Balance«, deshalb kämpfen sie mit sich selbst, haben ein »Ambivalenzproblem«.

Das zeigt sich daran: sie sind chronisch unentschieden.In der Regel sind sie noch unerreichbar für übliche 2-schrittige Verhaltensänderungs-Programme.

3. Stadium der Vorbereitung (Preparation)

Der Veränderungswille wird konkreter: »In nächster Zukunft (”im nächsten Monat”) werde ich…«Voraussetzungen dafür sind: Personen entwickeln gedanklich Pläne, sie suchen Beratung, gehen in eine

Selbsthilfegruppe, gehen zum Arzt usw.In dieser Phase sind sie offen für Verhaltens-Änderungs-Programme.

4. Stadium der Handlung (Action)

Dies ist die Phase offenkundiger Veränderungen (innerhalb der letzten 6 Monate bin ich dabei, zu tun…)Verhaltensänderungen sind nach außen sichtbar. Die übliche Versuchung besteht darin, eine Änderung auf

diese 4. Phase zu reduzieren! Nein. Im »Transtheoretischen Modell« zählen auch die Phasen 1-3 als wichtig fürdie Veränderungsprozesse, genau wie im 12-Schritte-Weg.

Aufgabe der 4. Phase: Wachsamkeit gegen mögliche Rückfallgefahren in altes Verhalten!

5. Stadium der Aufrechterhaltung (Maintenance)

In der 5. Phase arbeiten die betroffenen Personen weiter gegen die allgegenwärtige Rückfallgefahr an.Sie sind aber selbstsicherer und hoffnungsvoller, dass Verhaltensänderungen bleiben oder wirksam werden

könnten. Diese Phase kann bei einzelnen eine lebenslang notwendige Phase bleiben (nach dem Motto: wach-sam bleiben!). Gerade für bestimmte stoffliche Süchte, die starke Bahnungen im Gehirn hervorrufen, ist hierbesondere Wachsamkeit möglicherweise lebenslang nötig. Bei anderen schließt die 5. Phase mit dem letztenSchritt ab, nämlich dem

6. Stadium der Stabilität (Termination)

Das Transtheoretische Veränderungsmodell lehrt im Blick auf Veränderungen also: Sie brauchen • kognitive, gedankliche Veränderungsprozesse• emotionale, die Gefühlsmuster betreffende Veränderungsprozesse• und das in allen 5 Phasen auf unterschiedlich intensive Weise vor der eigentlichen (abgeschlossenen) Ver-

änderung. Diese in der Regel verborgenen »Einstellungsveränderungen« sind aber wahrnehmbar, wenndanach gefragt wird und damit auch messbar. Zwei Unterscheidungen sind wichtig:

• »Rückschritt« (regression) bedeutet einen Rückgang in eine frühere Phase (das könnte für ein vertieftesLernen auf emotionaler oder kognitiver Ebene wichtig sein).

• »Rückfall« (relapse) ist ein Verhaltensrückfall während der 4. Phase (Aktionsphase), bei uns Schritte 6-9.Selten fallen Menschen aber bis zur Phase 1 zurück!

Schritt 1 Endlich am Ende

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Vereinfacht könnte man sagen: Wo keine Entzugs-probleme auftreten, handelt es sich nicht um einewirkliche Sucht. Denn nur die Angst vor dem Entzug,genauer vor den »Entzugssymptomen«, bewegt denMenschen dazu, entgegen aller Einsicht, dennoch imzerstörerischen Suchtverhalten zu verharren.

Wie reagierst du eigentlich in Stresssituationen?

Als GruppenleiterIn einer Endlich-Leben-Gruppe fin-dest du dich in einer Situation wieder, die besondersherausfordernd ist:

• Du hast mit dir selbst und deinen Herausforderun-gen zu tun

• Es kann sein, dass die Gruppe ganz schön emotio-nal wird

• Du bist keine geschulte Fachperson dafür, um rich-tige Diagnosen zu stellen• Du kennst beim Gruppenstart die möglichen Stres-

sauslöser bei anderen nicht • Jede und jeder ist noch sehr vorsichtig und hält sich

bedeckt • Das Gefühl, machtlos und klein zu sein, kann über-

mächtig deutlich werden

Welche Auswirkungen kann diese Situation für dichpersönlich haben? Wie bist du »gestrick«, wenn du ineiner Stresssituation bist? Wie erlebst du hochemo-tionale Augenblicke, wenn z.B. Menschen mit Ent-zugsgefühlen oder Panikgefühlen in der Gruppesind.

Wie Neurospychologie Symptome und Probleme erkärt

Was kann dir und der Gruppe Stabilität geben?

Stell dir die Gruppe wie ein vernetztes, soziales Gehirnvor. Dort gelten ähnliche Gesetzmäßigkeiten wie indeinem eigenen Gehirn. Blitzschnell funken Informa-tionen, Eindrücke, Beurteilungen und Wahrnehmun-gen im Raum hin und her. Unterschiedlichste Reaktio-nen treten fast gleichzeitig auf durch Worte, Stim-mungen, Körpersprache vermittelt. Auch hier ver-sucht das »soziale Gehirn«, die Gruppe ein Gleichge-wicht zu finden. Das ist meistens von Vorteil. Wenn esin einer Ecke emotional wird und brodelt, wird in deranderen Ecke z.B. jemand aufstehen und für Beruhi-gung sorgen.

Wenn du das jetzt liest, wie eine Gruppe funktio-niert, kannst du dich bei der Gruppenleitung entspan-nen und neugierig beobachten, wie die Gruppe ihrGleichgewicht findet? Beschreibe jetzt, wie du dich (inder Regel) in der Gruppe bei Stress erlebst.

Achte in der nächsten Gruppenstunde einmal aufdeine Stressreaktionen und tausche dich mit deiner/mCo-LeiterIn dazu aus, wie du typischerweise reagierst.

Wie kannst du dich davor schützen, zuviel (gut-gemeinte) Verantwortung zu übernehmen?

Mein Tipp: Weise die Gruppenmitglieder in dernächsten Sitzung ausdrücklich darauf hin, dass dieRegeln in der Gruppe die Leitung übernehmen und duwie die anderen lernen möchtest, besser zu leben.Gerade in der Anfangsphase werden viele auf dichschauen und heimlich erwarten, dass du Lösungen zuFragen anbietest. Wenn diese Situation eintritt, darfstdu den Ball immer wieder in die Gruppe zurückspie-len:»Ihr seid Fachleute für euch selbst, jeder und jedeist ein Spezialist für ganz bestimmte Herausforderun-gen und braucht die anderen Spezialisten da, wo eroder sie noch etwas lernen könnte.« Die Gruppe isteine Lerngemeinschaft.

Was könnte deine typische Falle sein, in die duleicht hineinfällst, wenn Gruppenmitglieder von dirihre »Rettung« erwarten? Oder wenn sie dich heraus-fordern, um dich in deiner Kompetenz als Gruppen-leiterIn zu prüfen?

Der Suchtkreislauf

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Schritt 1 Endlich am Ende

4. Tag: Wie hilft der Fragebogen – und wie erfolgt die Auswertung?

Die Selbsttest-Fragebogen – Nutzen und Grenzen

In das Arbeitsbuch sind die wissenschaftlich genorm-ten Fragbögen zur Selbstwahrnehmung seit der 8.Auflage (September 2009) aufgenommen worden.Dies ist auch die Ausgabe, auf die sich unser Grup-penleiterInnen-Übunbsbuch bezieht. Was hat esgrundsätzlich damit auf sich?

Solche Fragebögen sind von Psychologen oderReligionspsychologen entwickelt worden, um wissen-schaftlich vergleichbare Antworten auf Forschungs-fragen zu erhalten. Die Hauptrichtung unserer Aus-wertung bezieht sich auf Fragen wie diese:• Verändert sich das Denken oder Verhalten in End-lich-Leben-Gruppen wirklich?• Welche Symtpome sind da und wie genau verändernsie sich?• Gibt es auffällige Unterschiede bei der Veränderungzwischen Gruppen oder bei unterschiedlichen Symp-tomen?

Für eine gute Gruppenleitung brauchst du natür-lich kein wissenschaftliches Studium absolvieren, umdie Funktion und Ergebnisse dieser Fragebögen in derTiefe zu verstehen oder anderen vermitteln zu kön-nen. Wir bieten diese Möglichkeit zu einer wissen-schaftlichen Begleitung der Gruppen vor allem alsSicherheit für die GruppenleiterInnen und Gemein-den an, damit sie an konkreten, überprüfbaren Punk-ten wahrnehmen, inwiefern ihre Endlich-Leben-Grup-pen wirklich helfen können.

Womöglich werden auch Überforderungssituatio-nen oder Hinweise auf Themenfelder oder Symp-tome, wo keine Hilfe zu erwarten ist, viel deutlicher inden Blick kommen. Alles in Allem nützt das einerSorgfaltspflicht und kann die Qualität der Arbeitnachhaltig verbessern.

Ein entscheidendes Merkmal für eine gelungeneGruppensitzung lässt sich mit diesen Fragebögennicht direkt erfassen: Gelingt es der Gruppe, jedemGruppenmitglied zu vermitteln, dass es geliebt, getra-gen und verstanden ist? Werden so die Grundbedürf-nisse der Einzelnen gut befriedigt?

Für deine Selbsthilfegruppe reicht es völlig aus,eine Atmosphäre der Geborgenheit zu erleben. Denndann trauen Menschen sich zu, Risiken einzugehen,sich zu öffnen und sich von anderen Unterstützungbeim Lernen zu holen. Direkt messen lässt sich z.B.dein ganz subjektives Stressgefühl, indem du dichfragst: Wie zufrieden fühlst du dich, wenn du dieGruppenstunde wahrnimmst? Wenn du dich (warumauch immer) überfordert fühltest, würde dein Stress-level entsprechend erhöht sein.

Aber mit einer Messung hast du natürlich nochkeine Lösung für den Grund einer möglichen Überfor-derung bei der Gruppenleitung. Diese Messung dei-nes Stresslevels könnte aber für dich das Signal sein:»Achtung, hier läuft etwas aus dem Ruder. Hole dirHilfe!«

Stresslevel-Messung als ein objektives Signal

Natürlich ist jedes persönliche Feedback direkt vor Ortunbezahlbar und wertvoll. Dennoch kann ein objekti-vierter Vergleich auf mögliche »schiefe Gleichge-wichte« in eurer Gruppenintelligenz hinweisen. Duerinnerst dich: Das Gehirn gewöhnt sich an alles underklärt es am Ende für »Normal«. So könnt ihrgemeinsam dem auf die Spur kommen, ob ihr in eurerGruppe oder sogar im größeren Kontext eurerGemeinde eine hohes Stresslevel für ganz »normal»haltet. Langfristig hätte das nämlich für die Gesund-heit negative Auswirkungen. Natürlich gibt es immerPhasen, wo besondere Belastungssituationen nicht zuvermeiden sind. Aber wir wollen ja gerade lernen,Dauerstress oder ungesunde Lebensmuster sehr kri-tisch wahrzunehmen und zu verändern. Mein Tipp:

Nutze regelmäßig persönlich dieses internetge-stützte Werkzeug, um die Veränderung deiner Mus-ter immer wieder zu messen! Dadurch wirst du einobjektiveres Feedback bekommen, als deine Co-Lei-tung in der Gruppe es je geben kann. Gerade dieStresslevel-Messung (PSQ) und die Symptomemes-sung (KPD-38) können dir auch Aufschluss über dei-nen persönlichen seelischen Zustand geben.

Was du über die Interneteingabe wissen solltest

In diesem Handbuch gebe ich nur eine Kurzfassungder Anleitung, wie du das Internet bei der Fragebo-geneingabe nutzen kannst. Die ausführliche Anlei-tung werde ich extra veröffentlichen, weil sich in die-sem Bereich immer wieder mal etwas schnell ändernkann.

Es klingt beim ersten Mal komplizierter als es amEnde ist. Wir wollen deine persönlichen Daten jaschützen und zugleich immer wieder miteinander ver-gleichbar machen.

Darum brauchen wir drei eindeutige Namen:• Codenamen (für deine Person)• Gruppennamen• Gruppenpasswort (ein Passwort für die ganze Gruppe)

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5. Tag: Die Rolle der Theologie

Theologie wird lebendig durch deine Gruppe

Unser Glaube gründet auf der Liebe, die Gott unsschenkt, egal, wie wir uns gerade fühlen. Schmerzenund Nöte sind gerade Hinweise dafür, dass wir einenHeilungsprozess dringend benötigen. Sie sind keinIndiz dafür wie Gott zu uns steht. Das erfahren wir ausseiner Offenbarung in der Bibel.

In den Endlich-Leben-Gruppen wollen wir lernen,wie uns die Bibel und die darin enthaltene gute Bot-schaft (griechisch: „Evangelium“) zu einem gesundenund stabilen Leben hilft. Dabei ist der Schwerpunktnicht die Bibel oder theologische Auslegungsfragen,sondern die lebendige Gemeinschaft der Glaubenden(die eine fleischgewordene »Bibel» oder Gottes-Offenbarung füreinander darstellen).

Natürlich geht es in allem, was Christen tun oderdenken, auch immer um Theologie. Das können undsollen wir auch nicht aus Endlich-Leben-Gruppen her-ausnehmen.

Mit jedem Schritt ist eine biblische Passage ver-knüpft, die kürzer oder länger durch eine Auslegungergänzt wird. Grundsätzlich ist es unmöglich, eineAuslegung in dieser Kürze so zu gestalten, dass alleunterschiedlichen theologischen Bedürfnisse undMeinungen befriedigt werden. An dieser Stelle erwar-ten wir konstruktive Kritik.

Allein die Entscheidung, die Menge der biblischenZitate (im Vergleich zu früheren Ausgaben desArbeitsbuches) deutlich zu kürzen, hat nicht allengefallen. Bitte nimm auch diesen Teil des Arbeitsbu-ches als eine Lernerfahrung.

Du kannst selbstverständlich alle Inhalte kritischlesen oder um eigene Erkenntnisse ergänzen. Du hastselbstverständlich als GruppenleiterIn in einer speziel-len kirchlichen Tradition jedes Recht, deine theologi-sche Erkenntnis einzubringen.

Dabei möchte ich dich auf zwei biblische Grund-wahrheiten hinweisen, die für Endlich-Leben-Grup-pen sicherlich förderlich sind:

Vorbehaltlose Liebe entspricht Gottes Art

1. Theologen stimmen darin überein, dass in derPerson »Jesus« Gottes Haltung zu uns Menschen all-gemein zu erkennen ist: Gott begegnet erstaunlicher-weise Menschen ohne Vorwürfe und Verurteilungen.Typisch für Jesus waren nämlich solche Szenen:• Er aß und trank mit Sündern. Das tat keiner aus der

Gruppe der sogenannten „Pharisäer“, einer Gruppewirklich aufrechter „Frommer“ damals (vgl. Lukas-evangelium Kap. 5,27-31).

Schritt 1 Endlich am Ende

• Er suchte die Nähe eben gerade von solchen Men-schen, die von allen gemieden wurden. Dieses Ver-halten von Jesus machte in der damaligen Umweltunmissverständlich klar, dass er selbst Sünder liebte,und ließ Gottes Liebe und Annahme spüren. Für diedamalige religiöse Gesellschaft lag genau in diesemVerhalten von Jesus der Skandal. Man befürchtete,dass Jesus einen falschen Eindruck von Gott ver-mittelte, nämlich den: Gott würde sich mit Sündeverbünden.

Grenzen sind für das Leben unerlässlich

Jesus war sich sehr genau bewusst, dass sein Verhaltenmissverstanden werden konnte. Er wollte den Men-schen jedoch die radikale elterliche Liebe Gottes zei-gen. Seine Absicht war die:• dass seine Art, mit Menschen umzugehen, Gottesbedingungslose Liebe zeigte und • dass Menschen dadurch bewegt wurden, ihr

Geschick seinem liebevollen Vater anzuvertrauen. Diese Art des Auftretens Jesu illustriert, was Gnade

Gottes meint: Du bist vorbehaltlos angenommen trotzdeines „Aussatzes“, deiner Gottlosigkeit oder Schuld.Und dennoch gelten Grenzen, die in der Bibel durchdas Konzept »Gesetz» aufgerichtet werden. Hier sindunterschiedliche kirchliche Traditionen zu verschiede-nen Antworten gekommen. Es wäre gut, wenn dudeine Prägung und Tradition reflektierst.

Wie nimmst du gemäß deiner Tradition Gottes Liebewahr?

Welche Stellung hat deine Tradition zum »Gesetz«?

In Endlich-Leben-Gruppen werden Menschen mitunterschiedlichsten Vorerfahrungen zu Liebe undGesetz (Grenzen) anwesend sein. Umso wichtiger istein behutsamer und respektvoller Umgang mit unter-schiedlichsten Theorien, bzw. Theologien dazu. Nimmgerade in dem Bereich, wo du dich sicher fühlst, um somehr ernst, dass hier auch für dich neue Lernerfah-rungen – ein Leben lang– möglich sind.

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Unterschiedliche spirituelle Sprachen sind erlaubt

„Du musst nur richtig glauben, mehr beten, reiß dich zusammen, kram nicht in dei-ner Vergangenheit, dreh dich nicht um dich selber, sei dankbar in allen Dingen, nimmdein Kreuz auf dich, lies mehr in der Bibel! Wenn du das tust, hast du auch weniger Pro-bleme!“ So lauten unterschiedliche Sätze aus christlichen Traditionen, die Lösungsmo-delle sein sollten, aber manchmal zu einem falsch verstandenen christlichen Glaubengeführt haben, der Menschen krank macht. Meistens ist er am Perfektionismus zuerkennen: Alles wirkt extrem, übertrieben und schwarz-weiß und wird dann auch noch„fromm“ genannt.

Das zwei- oder das mehrdimensionale Weltbild – wie denkst du?

Ein Weltbild mit nur zwei Farben, schwarz oder weiß als mögliche Denkalternativennennt man »dualistisch«. Ist unsere Welt aber nicht viel bunter – und die göttliche Wirk-lichkeit vielleicht auch? In Endlich-Leben-Gruppen wünsche ich mir auch in spirituellerPerspektive einen bunteren Raum, als in der Regel eine einzige kirchliche Tradition dar-stellen kann.

Wie können wir das ermöglichen?Eine anregende Auslegung und ganz praktischer Versuch ist das 3-Farben-Konzept

von Christian A. Schwarz: »Die 3 Farben deiner Spiritualität«, C&P-Verlag, 2009. Er ent-wickelt ein Modell, die Wirklichkeit nicht »dualistisch« (2-farbig), sondern »trinitarisch«(also 3-farbig) wahrzunehmen. Dabei ist klar. Auch sein Versuch ist nur ein vereinfa-chendes Modell der komplexen Wirklichkeit. Aber es hilft ganz praktisch, mit sehrunterschiedlichen Frömmigkeitstraditionen umzugehen.

Meine Grundlagen für ein spirituelles Miteinander in Wahrheit und Echtheit

Die Rolle der Theologie

1. Ich unterscheide verschiedene Räume mit jeweilsunterschiedlichen Aufgaben. So verstehe ich eine End-lich-Leben-Gruppe nicht als eine Bibelstunde. DieHauptaufgabe einer Bibelstunde ist zu Recht, sich umdie Auslegung der Bibel zu kümmern. Da ist es nötig,sich gründlich über Auslegungsregeln und Inhalteauszutauschen und gegebenenfalls auch zu streiten.

2. Endlich-Leben-Gruppen haben nach meinemVerständnis die Hauptaufgabe, sich um die »Ausle-gung der Menschen«, also um ihre Befindlichkeitenund Probleme zu kümmern. Und das in gebührendemRespekt vor ihrer jahrelangen Geschichte, ihren Bezie-hungserfahrungen mit Gott und dem, was sie mit Gottverbindet. Diese Erfahrungen können nicht einfachmal so umgedeutet werden, weil sie oft zum Herz-stück einer persönlichen Identität gehören.

3. Endlich-Leben-Gruppen könnten nach meinerVorstellung zu einem idealen Übungsraum werden.Wo haben wir in Gemeinden solche Versuchslabore,wo unterschiedliche spirituelle Sprachen und Dialekteausdrücklich erwünscht sind, eben um möglichst vieleAspekte von Gott und der Welt zu erfahren und ausverfahrenen Situationen aufzubrechen? Dabei solleins klar bleiben: Ich gehe davon aus, das es spirituelleErfahrungen nicht an und für sich gibt, sondern jedespirituelle Erfahrung schon eine Deutung ist. Sie istauf ihrem langen Weg durch den Kopf einer konkre-ten Person mit deren konkreter Sprache und konkre-

ter historischer Frömmigkeitstradition gefiltert wor-den und kommt auch durch vielfältige Filter erst wie-der beim anderen an. Dieser Herausforderung warensich übrigens die Väter und Mütter der 12-Schritte-Bewegung schon bewusst. Darum haben sie hierschon sensibel nach Vielfalt gesucht und einen weitenRaum eröffnet.

4. Das alles lässt mich folgern: »Missionieren« imSinne einer bewussten Überzeugungsarbeit am ande-ren sollte in Endlich-Leben-Gruppen nicht vorkom-men. In Endlich-Leben-Gruppen geht es vor allem umModell-Lernen. Im besten Falle vertraue darauf, dassdein Modell, wie du Gott verstanden hast und wie duihn repräsentierst durch deine spirituelle Praxis, einDenkanstoß für die anderen sein kann. Oder es kanneine Störung, manchmal sogar eine Verstörungbedeuten. Nicht mehr und nicht weniger. Überlass esden Gruppenmitgliedern, das zu übernehmen, was siejetzt in ihrer Situation von deinem Beitrag gebrau-chen können.

Auch für diese, meine hier zusammengefasstenGrundanschauungen gilt: Du kannst das alles natür-lich anders sehen. Du hast das Recht und die Pflichtdazu, wenn das Gesagte deiner Grundüberzeugungnicht entspricht. Sei deiner Sache gewiss und lebe dei-nen Glauben – Hauptsache authentisch und persön-lich verantwortet vor Gott.

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Schritt 1 Endlich am Ende

6. Tag: Was bedeutet Schritt 1 für deine Leitungsrolle?

Hier geht es um das konkrete Verhalten und deine Haltungen bei der Ausübung deiner Leitungsrolle. Dabeikommen die zuvor erklärten Denk-Modelle oder Theorien zum Tragen. Je nachdem wie du dich im Blick aufpsychologische, neurobiologische oder theologische Modellvorstellungen entscheidest, wirst du deine Lei-tungsrolle anders verstehen, wirst du die Gruppenleitungsmethoden anders begründen und entsprechendandere Schwerpunkte in der Arbeit setzen. Im Horizont dieser Erkenntnisse wirst du die spezielle Art deinerLeitungsstils herausfinden. Ich kann dir hier nur meine Schlussfolgerungen vorstellen. Entscheide du, wie duvorgehen willst.

Leitende als „Gruppenkönige“ (Kontrollsucht)

Eine der größten Gefahren ist die Überzeugung derLeitenden, sie könnten den Prozess der Teilnehmen-den in irgendeiner Weise steuern, alles in der Gruppealso »machen« oder Veränderungen selbst bewirken.Im guten Glauben, Verantwortung für die Gruppe zuübernehmen, verhält er oder sie sich überverant-wortlich, was ein Symptom von „Co-Abhängigkeit“ist. Theologisch gesagt setzt der Leitende sichdadurch an die Stelle Gottes. Das Bewusstsein, dieHeilung und Veränderung der TeilnehmerInnen„nicht machen zu können“ und somit machtlos zusein, ist das Fundament der Leitenden in Endlich-leben-Gruppen. Schritt 1 muss daher vor allem vondir als Verantwortlichem immer wieder persönlichumgesetzt werden.

Mangelndes Gespür für die eigenen Grenzen

Wenn Leitende ihre Grenzen nicht erkennen, hat dasFolgen. Sie überschätzen sich in ihren Kenntnissenoder Kompetenzen. Deshalb sollen sie sich immerwieder klar darüber werden, dass ihr Wissen nur„Stückwerk“ ist, und so immer einer Begrenzungunterliegt. GruppenleiterInnen sind verpflichtet,Menschen, mit denen sie oder die Gruppe überfor-dert sind, an fachlich ausgebildete SeelsorgerInnenoder Ärzte und Therapeutinnen weiter zu verweisen.Die Frage bleibt für dich immer wieder wichtig:Woran erkennst du deine Grenzen? Wie fühlen sichGrenzen an? Ab wann wird es wirklich grenzwertig,wo ist es noch im grünen Bereich?

Ein mangelndes Grenzgespür ist oft biografischbegründet. Du hast in deiner Kindheit und Jugendein spezielles Konzept für das, was man »gesundeGrenze» nennt, entwickelt. Lass es durch deine Co-Leitung überprüfen. Rede mit ihr über deineGefühle, dein Verantwortungsverständnis undbesonders über den Punkt, ab wann es für dich zu»heiß« oder zu »gefährlich« wird oder wie immer du»Grenze« in Worte fasst.

Mangelndes Gespür für die Gruppengrenzen

Bei der Leitung darf man sich eingestehen: Endlich-Leben-Gruppen können nicht für alle Menscheneinen hilfreichen Rahmen bieten. Als Gruppenleite-rIn bist du in erster Linie für dich verantwortlich. Dawo du dich überfordert fühlst, darfst du dich um dieentsprechend nötigen Hilfsmöglichkeiten rechtzeitigbemühen und TeilnehmerInnen an Fachleute, Seel-sorgerInnen und SupervisorInnen überweisen (z.B.bei psychischen Erkrankungen oder auch bei Phäno-menen mit denen du nicht vertraut bist). Praktischbedeutet das, dass du deine Überforderung zuerstmit deiner Co-Leitung besprichst. Danach kannst duin der Gruppe ehrlich deine Hilflosigkeit zugeben.Die anderen werden ihre Perspektive mit einbringen.

Dabei geht es nicht darum, eine Person »krank« zureden oder »schlecht« zu machen. Solche Verfahrens-weisen hat diese Person aller Wahrscheinlichkeit nachschon erlebt und wird möglicherweise allergisch rea-gieren.

Die Leitperspektive eines solchen Austauschesheißt immer: Wie können wir dich darin unterstützen,dass du die Begleitung oder Hilfe bekommst, die dirund deinen Bedürfnissen wirklich gerecht wird. Wennwir uns überfordert fühlen, signalisieren wir dir nur,dass wir alleine es nicht schaffen.

Eine mögliche Lösung könnte so aussehen: Zusätz-lich zur Gruppe kann eine professionelle Begleitungstützend oder ergänzend hinzukommen.

Manchmal ist die Endlich-Leben-Gruppe auch derRaum, der einem Teilnehmenden zur Klärung verhilft,so dass er/sie sich für einen stationären Aufenthalt ineiner Klinik entscheidet.

In Überforderungsfällen ist nicht immer professio-nelle Behandlung und Begleitung erforderlich. Eskann auch einfach sein, dass diese eine Gruppe nichtdie natürlichen »Spezialisten« hat, die mit der Grup-pen-Dynamik umgehen können. Nur eins ist zubedenken. Wenn GruppenleiterInnen solche Grenzennicht ernst nehmen, schadet das nicht nur der einzel-nen Person, sondern kann auch die Vertrauenswür-digkeit der Gruppe oder überhaupt der Endlich-

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Page 43: Gruppenleitungs-Handbuch

Schritt 1 und deine Leitungsrolle

konferenzen. Was sich gewaltig anhört, ist dieschlichte Weiterentwicklung des Telekommunika-tionswesens. Durch die internetgestützten Möglich-keiten gibt es kostengünstige Angebote, unterschied-lich viele Menschen in einem definierten Zeitfenstermiteinander ins Gespräch zu bringen.

Erfahrungen zeigen: Es funktioniert, wenn du dichkonzentrierst und einige einfache Kommunikations-regeln beachtet werden.

In den Gesprächen bekommen alle Fragen zurGruppenleitung Raum. Antworten oder Lösungenwerden gemeinsam erarbeitet. Das ist eine gutegemeindeübergreifende Möglichkeit. Dadurch wer-den auch mögliche Einseitigkeiten dieser intensivenGruppenarbeit schnell deutlich.

Ideal ergänzen kannst du diesen telefonischenAustausch durch eine Austauschrunde mit eurenGruppenleiterInnen vor Ort. Das nennen die Fach-leute »Intervision», ein aufeinander Achtgeben unterGleichgestellten, was von »Supervision» als einerfachlichen Aufsicht durch eine/n ausgebildete/nSupervisorIn zu unterscheiden ist. Wichtig bleibtimmer wieder: Was hilft euch, die Lernräume vielfäl-tig zu gestalten und möglichst weit zu halten?

Schau dir die Beschreibung zur Telefonkonferenz imInternet an. Du findest alles ausführlich beschrieben unter:

www.telefonkonferenz.endlich-leben.net

Leben-Arbeit aufs Spiel setzen. In Endlich-leben-Grup-pen lernen wir ja ausdrücklich, dass es o.k. ist, umHilfe zu bitten. Genau darum geht es, wenn in einerGruppe der Stresslevel steigt und im Eifer des Gefech-tes die Blindheit für bessere Lösungen wächst.

Telefonkonferenzen, Intervision, Supervision

Selbsthilfegruppen haben sich in ihrer noch jungenGeschichte seit den 70ger Jahren in Deutschland alssehr wichtige und auch kompetente Hilfe für unter-schiedlichste betroffene Menschen erwiesen. Den-noch haben sich mit den Jahren auch Schwächen die-ser Arbeitsform gezeigt. Deshalb gibt es viele Maß-nahmen, um diese wichtige Ergänzung im Gesund-heitssystem zu stützen.• Selbsthilfekontaktstellen vernetzen Erfahrung undvermitteln gerne Kompetenz• Schulungsangebote unterschiedlichster Anbieter

helfen, sich für Spezialgebiete wie z.B. Sucht weiter-zubilden.

• Literatur zur persönlichen Horizonterweiterung gibtes in unüberschauberer Menge.

Das Endlich-Leben-Netzwerk bietet sich als Kno-tenpunkt an, damit Erfahrungen (gute und schlechte)ausgetauscht werden, um dadurch zu lernen.

Über das Internet machen wir eine große MengeWissen und alle unsere Schulungsangebote öffentlich. Neue Formen der Weiterbildung entwickeln wir zurZeit. Eine einfache und effektive Form sind Telefon-

Welche Form begleitender Unterstützung ist für dich und deine Gruppe optimal?

Mache dir klar, was in deiner besonderen Situation nötig ist. Du allein weißt, was du brauchst, um dich opti-mal unterstützt zu wissen. Manchmal gibt dir deine Gemeinde vor, was ihren Standards entspricht. Nutze dochauch die Hilfsmöglichkeiten des Netzwerks. Schreibe auf, wie du begleitet werden willst, wenn das noch nichtgeklärt ist oder nicht dem Umfang entspricht, den du dir vorstellst.

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Page 44: Gruppenleitungs-Handbuch

Wie kannst du kreativ den Raum weiten?

7. Tag: Wie kannst du kreativ den Raum weiten?

Unter dieser Rubrik üben wir das Querdenken oder Ausbrechen aus dem »Bilder-rahmen». Vielleicht fragst du dich, ob das nicht schon die ganze Zeit das Thema war. Ja,auf eine gewisse Weise sicherlich. Hier möchte ich dir gezielt Übungen vorstellen, wiedu immer wieder deine Gruppe bei ihrer Arbeit herausfordern und anregen kannst. Nurneugierige Menschen werden lernen. Nur wer von innen gesteuert, selbstmotiviert aufdie Suche geht, wird bereit für Veränderungen sein. Darum kannst du niemals in deinerGruppe Menschen zu ihrem Glück – ihrer Veränderung – zwingen. Aber du kannst denRahmen ändern, so dass sich völlig neue Perspektiven wie von selbst ergeben.

Gegenständlich Schritt 1 erleben

Die Endlich-Leben-Gruppe hat ihre Stärken in der gedanklichen Auseinanderset-zung mit der Thematik. Daneben gibt es viel Raum für Begnung in der Gruppe und Aus-tausch. Aber all das läuft stark über das Medium Sprache. Über Sprache ist aber nichtjeder ansprechbar. Manche Menschen müssen fühlen, spüren, berühren, erleben, damitsie wirklich verstehen.

Überlege dir eine Möglichkeit, wie du den Schritt 1 erlebbar machen kannst - ohneWorte zu benutzen – oder wenigstens Worte nur ganz reduziert zu nutzen. Lege denSchwerpunkt auf andere Medien:

• bildnerisches Gestalten• spürbare (haptische, d.h. mit dem Berührungssinn gemachte) Erfahrungen• Erfahrungen, die über den Geruchssinn wahrgenommen werden• Erfahrungen mit Hören, musikalisch oder akustisch

Wähle ein Medium aus, das dir nahe liegt und gestalte für dich ein Symbol oder einModell, das für den ersten Schritt stehen kann.

Du kannst dabei auch deinen Gruppenraum nutzen, die Gegenstände oder Einrich-tungsgegenstände verändern, ganz entfernen oder ergänzen.

Du kannst ein Bild, ein Symbol oder einen Geruchsimpuls im Raum installieren. Über-rasche deine Gruppenmitglieder – vielleicht nicht gleich beim ersten Treffen, aber fangschon früh an, innerlich in Bewegung zu bleiben.

Diese Übung kann auch den geistlichen Abschluss am Ende der Gruppenstundebetreffen. Überlege dir, wie du den ersten Schritt mit einer passenden geistlichen Aus-drucksform sinnenhaft vertiefen kannst.

Ein Beispiel: Eine Gruppe hat verschiedene Steine (in verschiedenen Farben, Größenund Formen, mit unterschiedlicher Anordnung) in der Mitte des Raumes platziert. ZumAbschluss der Gruppensitzung sollte jedes Gruppenmitglied sich den Stein auswählen,den sie/er für geeignet hielt, einen Aspekt seines/ihres Problems zu repräsentieren.

Nach einer Zeit des Ausprobierens sollte jeder sich mit seinem Stein still in einen fürihn angenehmen Winkel des Raumes zurückziehen. In der Stille sollte er den Stein »wie-gen« und sein Problem, so wie es sich anfühlte, mit diesem Stein in Verbindung brin-gen.

Nach einer Weile (die von leiser Musik untermalt war) ging es darum, den Stein wie-der loszuwerden. Dabei sollte sich jeder fragen: »Warum will der Stein sich nichtbewegen? Warum bleibt er so gerne bei mir?»

Nach dieser Phase legten alle ihren Stein zusammen auf einen Haufen und brachtenihn – und damit ihr Problem – gemeinsam vor Gott. Damit sollte noch keine Lösunggefunden, sondern bis zum nächsten Treffen nur eine »Zwischenablage« gesucht wer-den, um dann mit diesem Stein weiterzugehen. Es gäbe aber auch die Möglichkeit, dassTeilnehmende ihren Stein mitnehmen, um ihn besser zu erkunden.

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Schritt 3 Sich Gott geben

„Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes

– soweit wir ihn verstanden haben – anzuvertrauen.“

Wir entscheiden uns, die Gruppe Gott anzuvertrauen

Schritt 3 berührt zwei Themen:

1. Wille: Bei diesem Schritt geht es um die Rolle von Willensentscheidungen (nicht nur im religiösen Feld).

2. Vertrauen: Gott ist aus christlicher Perspektive vertrauenswürdig.Er kann und will für mein Leben sorgen!

Viele von uns haben mit diesem Schritt eine wirkliche Befreiung erlebt. Das bedeutete für das Gehirn wie für den Lebensalltag eine gravierendeUmorganisierung der Wichtigkeiten. Sie haben neu erlebt, wie sie ihren Willen einsetzen können: Sie konntennämlich den Willen hin zu Gottes befreiender Kraft lenken. Es war wie ein Wunder: Vorher hatten sie sich ihr ganzes Leben lang auf sichselbst verlassen. Jetzt konnten sie sich entscheiden, sich auf Gott zu verlas-sen.

Diese Bindung verändert darum das ganze System grundlegend – geradedann, wenn sie mehr und mehr zur zentralen Beziehung wird.

Schritt 3 fordert GruppenleiterInnen heraus, • sich mit der persönlichen Zentralität ihres Glaubens auseinanderzusetzen• für die Gruppe ein weites Herz im Blick auf Frömmigkeitsstile und Inhaltezu bewahren.

Dieser Schritt löst auch Ängste aus, dass Gott in der Gruppe nicht wirkenkönnte.

Gerade dann, wenn es in der Gruppe um viel geht, zeigen sich solche Ängste. Viele GruppenleiterInnen haben aber erlebt, dass sie trotz Schwie-rigkeiten im Vertrauen gewachsen sind.• Gott ist der Gruppe gegenüber gut. • Gott wird wirklich helfen, weil es sein Anliegen ist.

Schritt 3 Sich Gott geben

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Checkliste Gruppenqualität (GQ)

Nutze für die Gruppenbeobachtung die folgende Checkliste. Sie hilft dir, festzu-halten, auf was du in der nächsten Zeit besonders achten willst.Du kannst sie um eigene Items erweitern oder sie in deine Sprache umformen.

In unserer Gruppe beobachte ich mehrheitlich Gruppenmitglieder mit dem folgendem Gruppenverhalten:

1. einfühlsam-empathisch (mitfühlend)

2. verständnisvoll/akzeptierend

3. für das Wohl anderer Gruppenmitglieder engagiert

4. vertrauenswürdig/zuverlässig

5. warm/ unterstützend

6. kompetente, optimistische, selbstsichere Personen

7. Gruppenmitglieder-Tonfall ist unängstlich und vermittelt Sicherheit

8. Humorfaktor der Gruppe ist hoch

9. tiefenwirksame Beruhigungsformen (z.B. Gebetsformen)

10. sich passend zu den Zielen der Gruppenmitglieder verhalten

11. besserwisserisch-belehrend

12. dominant-kontrollierend

13. andere und ihre Beiträge kritisierend-abwertend

14. verurteilende Kommentare

15. kalt und fordernd

16.

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2009 Endlich-Leben-Netzwerk, Heustr. 59, 32657 Lemgo, GQ, Gruppenqualitäten messen.nur für Nonprofit-Zwecke oder in Endlich-Leben-Gruppen nutzbar.

Schritt 9 Wiedergutmachung / Arbeit an Beziehungen 220

Page 47: Gruppenleitungs-Handbuch

264

1. Tag: Nachhaltige Frucht der 12 Schritte

Durch den Schritt 12 fangen wir an, uns über unseren persönlichen Bereich hinaus nachaußen der Gesellschaft und unseren Aufgaben dort zu stellen. Wir leben aus dem neuenSelbstbewusstsein heraus: Wir sind nicht mehr die Hilfsbedürftigen, die wir mal waren.Bei der Gruppenleitung haben wir konkret in der Gruppe erlebt: Wir haben etwas zusagen und zu geben. Wir haben etwas empfangen, das wir weitergeben können.

„Nachdem wir durch diese Schritte ein geistliches Erwachen erlebt hatten …”

Für viele von uns kam dieses „geistliche Erwachen“unmerklich und erst rückblickend entdeckten sie dieVeränderungen. Selten können wir einen deutlichenAnfang der „Erweckung“ festmachen. Jesus kommtzu uns, wann und wie er will. Wir erkennen dannplötzlich, dass all dies nötig war, um uns dahin zu brin-gen, wo wir jetzt stehen.

Mit Schritt 1 hatten wir bei unserer Machtlosigkeitangefangen und nun ist herausgekommen: Wir sindwach und lebendig geworden. Wir haben eine neueArt entdeckt, unser Leben zu führen, und merken: Eskönnte ansteckend wirken!

Viele Menschen besitzen diese Art von Reichtumnicht, ja sie hungern direkt danach. So werden wirdankbar – sogar für unser vielleicht schweres Schick-sal, das hinter uns liegt, weil wir erlebt haben: Jesushat Fluch in Segen verwandelt. Er hat aus unsererMisere etwas sehr Kostbares werden lassen. Einigevon uns danken Gott sogar für den unendlichschmerzhaften Weg durch die Sucht, weil er sie aufdiese Weise in seine Arme getrieben hat.

Sicherlich kannst du auch in deiner Gruppenlei-tungsposition solch eine Freude wahrnehmen:

• Du bist sensibler und wahrnehmungsfähiger fürdich selbst geworden. • Du bist offener für deine Umgebung und die Grup-penmitglieder. • Deine Beziehung zu dir, anderen und Gott ist viel-fältiger und intensiver geworden. • Dein Wertesystem hat sich tief greifend verändert.• Deine Ziele und Prioritäten sind von der Liebe

Gottes geprägt.• Du kannst deine menschlichen Grundbedürfnisse

angemessener befriedigen.• Erfolg, eigener Ruf, Perfektion und Ehrgeiz sind dir

nicht mehr isolierte Werte auf Kosten von mensch-licher Nähe, Wärme und Vertrauen.

• Negative oder belastende Gefühle haben sichgewandelt und sind einer Grundstimmung derFreude und Hoffnung gewichen, die auch anderebereichert.

„… versuchten wir, diese Botschaftanderen weiterzugeben“

Du hast neues Leben geschenkt bekommen! Das Wun-derbare ist: Es wirkt sich schon aus. Du gibst durchdein ganzes Sein die Botschaft von der erbarmendenLiebe Gottes weiter.

Das geschieht bewusst oder unbewusst dort, wodu lebst. Ganz natürlich bekommen es deine Nächstenmit, was an dir geschehen ist. Deine Familie, deineFreunde, Arbeitskollegen und die Gemeindemitglie-der beobachten dich und deine neuen, gesunden Ver-haltensmuster. So wird jedes Gruppenmitglied zumpositiven Lebensmodell für eine Gesellschaft, in derdurch dysfunktionales Verhalten Milliardensummenin der Wirtschaft verloren gehen (z.B. durch das Phä-nomen der »inneren Kündigung«), Familien und Ehenin die Brüche gehen oder Menschen seelisch krankwerden und deshalb nicht mehr produktiv für ihrenLebensunterhalt sorgen können. Das Weitergebendieser Gnade, die dir widerfahren ist, geschieht alsoim privaten wie öffentlichen Raum, jedesmal wenndu mit anderen Menschen zusammen lebst undumgehst. Etwas von dem 12-Schritte-Programmweiterzugeben bedeutet nicht nur, irgendetwas inWorte zu kleiden. Deine Taten sprechen für sich.

»Frucht« vermehrt sich multiplikativ

Durch die Arbeit in deiner eigenen ersten Endlich-Leben-Gruppe hast du begeistert erlebt, wie du selbstdich gewandelt hast. Das 12-Schritte-Programm hateinen Samen in dich gepflanzt, der aufgegangen istund Frucht getragen hat: ein besseres, seelisch gesün-deres Leben.

Im Arbeitsbuch für Gruppenmitglieder haben wirbesonders herausgearbeitet, wie sie persönlich an derWeitergabe ihrer Wandlung arbeiten können. Hier imHandbuch für Gruppenleitende möchte ich die Blick-richtung auf die allgemeinen Prinzipien des Frucht-bringens lenken.

Meine Schlüsselfrage ist nun: Was umfassendgemeint mit der »Frucht« der Endlich-Leben-Grup-penarbeit? Oder anders gefragt: Warum versuchenwir, diese Botschaft weiterzugeben?

Schritt 12 Zum Zeugen werden

Page 48: Gruppenleitungs-Handbuch

265

Frucht einer Endlich-Leben-Gruppe

Zur Frucht einer Endlich-Leben-Gruppe zähle ichzuerst die sieben von unterschiedlichen Herausforde-rungen betroffenen, Personen, die mit dir und deinerCo-LeiterIn zusammen zum Teil gravierende Verände-rungen erlebt haben. Um diese Frucht nicht nur injeder Gruppe begeistert wahrzunehmen, haben wir inunser Endlich-Leben-Programm eine Bewertung undMessung der Wirkung auf objektive, wissenschaftlichgenormte Weise eingebaut: die Fragebögen.

Natürlich können Selbsthilfegruppen allein durchdie berichteten »Erfolgsgeschichten« glaubwürdigund für andere überzeugend wirken. Dennoch ist esein wichtiger Schritt gewesen, ab 2007 den Gedankender Qualitätssicherung durch Qualitätsmessung ein-zuführen. Mit Hilfe dieses Werkzeugs kannst du per-sönlich wahrnehmen, welche konkreten Früchte dieseArbeit im Blick auf deine Symptome, deinen Stressle-vel, dein Lebensmuster und Religiosität bewirkt hat.

Für die Gruppenleitung wirst du in Zukunft vonmir noch weitere objektivierte Berichte über diegenaue Wirksamkeit oder auch weniger gut gelun-gene Wirksamkeit erhalten, die dir helfen werden,deine Aufgabe im Sinne Jesu treu und zuverlässig,also fruchtbringend zu erfüllen. Aber ist das wirklichschon die ganze Frucht?

Frucht einer »Endlich-Leben-Gemeinde«

Gemeinden werden zwar je nach Konfessionunterschiedlich beschrieben. Was aber allen Gemein-den gemeinsam ist, ist die Förderung ihrer Mitgliederzu einem jesusgemäßen Leben. Egal wie das im Ein-zelnen definiert wird, es bedeutet ein Mehr anLebensqualität für alle, die dieser Gemeinschaft ange-hören. Selbst wenn nicht alle »gesund« werden oderalle ethisch-moralisch korrekt leben werden, die Ziel-perspektive bleibt: Ein Leben nach den vitalisierendenMaßstäben Gottes. Es geht also um Leben.

Es geht aber auch für die Gemeinde als Gemein-schaft, als größeres System um die Frage: Wie könnenwir eine Gemeinde mit Ausstrahlung werden? Wiekann sich nicht nur neues Leben in einzelnen Men-schen, sondern auch in den Strukturen und Lebens-formen der Gemeinde auswirken? Wie kann diese»Körperschaft« Gottes heilvolle, lebensspendendeKraft modellhaft darstellen?

Darum ist die Frucht einer Endlich-Leben-Gruppenicht nur, dass sieben Gruppenmitglieder zum Lebentransformiert werden, sondern dass sich diese Grup-pen alle Jahre multiplizieren. Aus einer Pilotgruppewerden zwei Gruppen, im Jahr darauf aus zwei Grup-penleitungspaaren vier Gruppenleitungspaare undGruppen. So vermehrt sich innerhalb einer Gemeinde

die Anzahl der Gruppenmitglieder durch die Multipli-kation der Gruppen. Nach unseren Erfahrungen bis-her gibt es Gemeinden mit 2-3 Gruppen und Gemein-den mit bis zu 10 Gruppen, die parallel das Gemein-deleben bereichern. Das sind in Zahlen um die 70-80Personen, die jährlich eine persönliche Lebenser-neuerung erhalten. Ist das die ganze Frucht einerEndlich-Leben-Arbeit?

Frucht einer »Endlich-Leben-Region«

Wenn sich die Weitergabe dieses Gottesgeschenksauf die eigene Gemeinde beschränken würde, gäbe esnicht über 100 Gruppen jährlich in Deutschland undder Schweiz. 1994 wurde, –inspiriert durch GottesGeist–, in den Gemeinden in Lemgo und Bern dieseArbeit mit Endlich-Leben-Gruppen begonnen. Inwenigen Jahren wurden weitere Gruppen in denumliegenden Regionen dieser Gemeinden ins Lebengerufen.

So gibt es heute in Bielefeld, Basel, Bonn, Bern,Bochum, Böblingen und Berlin Gruppen, aber auch inAachen, Oldenburg, Hamburg, München, Fulda,Rheinbach, Olten, Bad Arolsen, Ingolstadt, Kaufbeu-ren, Kassel, Korbach, Meppen, Neu-Anspach, St. Gal-len, Zeilsheim und an vielen anderen Orten Gruppen.

Wie es dazu kam? Weil einzelne aus diesenGemeinden zu Botschaftern über ihre Gemeindegren-zen hinaus wurden, weil MultiplikatorInnen die guteNachricht über diese Selbsthilfegruppen verbreitethaben. Die aktuellen Orte findest du auf unsererWebseite unter www.finde.endlich-leben.net.

Das ist hier die Zukunft einer möglichen Vision:Dass sich jede Endlich-Leben-Gemeinde in der Regionvervielfältigt, indem sie regelmäßig Gruppengrün-dungs-Motivationstage für ihre Region anbietet,benachbarte Gemeinden auf die Arbeit aufmerksammacht und so dafür sorgt, dass Gemeinden zu Leucht-türmen für ihre Region werden, bis irgendwann innicht allzuferner Zukunft ca. alle 30km Endlich-Leben-Gruppen angeboten werden.

Ist das die ganze Frucht einer Endlich-Leben-Arbeit?

Frucht des nationalen »Endlich-Leben-Netzwerks«

Die Endlich-Leben-Gruppen wurden von Anfangan zuerst als informelles Netzwerk, seit 2004 mit Hilfeeiner geordneten Vereinsstruktur miteinander ver-netzt. Was ist die Frucht dieser Vernetzung? Das Netz-werk sorgt dafür, dass nicht jede Gemeinde neu alleFehler durchmacht, bis ihre Arbeit auf gesundenFüßen steht. Das Zertifizierungsbüro koordiniert,damit alle Gruppen nicht nur registriert werden, son-dern auch für die Gründung Tipps, Hilfen und Mate-rial erhalten. Ermutigung, Korrektur und weiterge-

Nachhaltige Frucht der 12 Schritte

Page 49: Gruppenleitungs-Handbuch

266

hende Qualitätserhaltende Maßnahmen werdendurch das Netzwerk organisiert. Dieses Handbuch fürGruppenleiterInnen ist eine Frucht dieser Vernetzung.So wird mit bisher sehr überschaubarem Personalein-satz viel Wirkung erzeugt. Weiter werden die Traine-rInnen für Gruppenleitungs-Schulung koordiniert undgeschult, Material für Werbung produziert und per-sönliche Ermutigung in Krisen und allgemein fürGruppenleitende durch die Gruppenleitungs-Telefon-konfernz angeboten. Gäbe es solch ein Netzwerknicht, würde irgend jemand garantiert eines in dennächsten Monaten erfinden. Es reicht für diese Visioneben nicht, einfach nur ein Gruppenarbeitsbuch aufden Markt zu werfen. Zu wichtig ist eine gute Qual-tität von Endlich-Leben-Gruppen, damit Gruppenteil-nehmerInnen überall auf ein Gruppenangebot sto-ßen, dass ihnen wirklich weiterhilft und nicht zusätz-lich Probleme oder sogar Schaden anrichtet. Darumsoll sich das Endlich-Leben-Netzwerk kümmern. Aberist das die ganze Frucht einer Endlich-Leben-Arbeit?

Frucht eines internationalen Dachverbands

Einige von den GruppenleiterInnen sind schon beidem vorletzten Punkt aus dem Staunen gar nicht her-ausgekommen: »Das wusste ich ja noch gar nicht, dasses außerhalb von unserer Gemeinde so viele Endlich-Leben-Gruppen gibt.« Anderen war dies bekannt. DerAufbau eines Qualitätsnetzwerks ist für solch einevielversprechende Arbeit einfach Voraussetzung.Gerade im Zeitalter des Internets können Informatio-nen mit geringem Aufwand zentral über die Webseiteoder andere Medien direkt auf den Schreibtisch jedesBeteiligten gesendet werden.

Aber was kommt jetzt? Gottes Führung war eswohl, dass unabhängig voneinander in Deutschland,Schweiz, aber auch in Frankreich diese Vision in dieHerzen der Gründer dieses Netzwerks gegebenwurde. So gibt es seit 2002 einen französischen Zweigund seit 2007 eine französische Übersetzung desArbeitsbuches. Motivationsstage in Kamerun waren2009 der erste Schritt auf den neuen Kontinent Afrika.Und Anfang 2010 kam es zu konkreten Kontakten mitGründern in Belgien, die die französische Version ineine niederländische Sprachversion übersetzen wol-len, um in den belgischen Gefängnissen und Gemein-den eine Endlich-Leben-Arbeit zu beginnen. Überset-zungen ins Russische und Polnische sind vor Jahrenwie von selbst entstanden. Die Sehnsucht nach Lebenohne Süchte, psychische Probleme oder Ängste breitetsich in Europa aus.

Mehr noch: Bei der ersten Netzwerkkonferenz imJahre 1998 in Frankfurt war der internationale Direk-tor der »Christian Recovery-Groups«, Dale Ryan, ausLos Angelos angereist, um die Gründer der erstenchristlichen 12-Schritte-Arbeit in Mitteleuropa zu

ermutigen. Diese Begegnung führte nicht nur zu per-sönlicher Ermutigung, sondern auch zum Fachaus-tausch: Das gesammelte Wissen internationaler 12-Schritte-Literatur ist in die deutsche Arbeit eingeflos-sen. Ein Nebenzweig war die Entdeckung und Ent-wicklung der Kinder-Mutmach-Gruppen. Dieses8wöchige Programm für Eltern und Kinder in persön-lichen oder familiären Krisen ist ein einmaliges Werk-zeug für den Einstieg in Selbsthilfegruppen innerhalbchristlicher Gemeinden.

Wir lernen, dass Frucht sich im Reich Gottes immerüber Gemeinde- und Konfessionsgrenzen hinaus ver-mehrt, multipliziert und Synergien mit anderen Netz-werken und Arbeitsformen wie der Arbeitsgemein-schaft Missionarischer Dienste (AMD) seit 2008 suchtund findet. Das alles gehört zur Dimension von Schritt12: die Multiplikation einer Vision auf vielen Ebenendurch viele Menschen und mit Hilfe von vielenRessourcen.

Weitersagen nützt dir selbst

Die gute Botschaft weiter zu tragen, wird nicht nuranderen, sondern auch dir selbst deutlich machen, wiesich dein Leben während der Arbeit mit den 12 Schrit-ten verändert hat. Du hast bei der Gruppenleitungerlebt, wie wertvoll es ist, den Menschen eine Hilfesein zu können, deren Nöte oder Abhängigkeiten dei-nen ähnlich sind. Ihnen kannst du aus eigener Erfah-rung eine Menge weitergeben.

Beachte: Jedesmal wenn du ihnen deine Verände-rungsgeschichte erzählst, erzählst du sie auch nocheinmal dir selbst! Du nimmst erneut wahr, wo du her-kamst und wo du nicht mehr hin willst. So wird dirselbst auch wieder deutlich, was Jesus in deinemLeben für dich getan hat. Seine Gnade und Liebeleuchtet neu für dich auf. Ein wertvoller Nebeneffekt!

„… und unser tägliches Leben nachdiesen Grundsätzenauszurichten“

Dieser Satzteil des zwölften Schrittes hat eine nochumfassendere Reichweite: Die neuen Lebensprinzi-pien sollen alle unsere Handlungen bestimmen.

Wir bekommen eine ganz neue Beziehung auch zuunserem nächsten Umfeld und zur Gesellschaft. Unsersoziales Empfinden, kulturelles und politisches Inter-esse erwacht. Wir tragen den neuen Lebensstil derOffenheit und Konfliktfähigkeit, den Verzicht aufManipulation und die Bereitschaft zu verzeihen inunsere größere Umwelt. Damit prägen wir unsereFamilie, Arbeitsstelle, Gemeinde, Vereine und denganzen Freundeskreis. Die Herrschaft Jesu in unseremLeben bleibt nie unsere Privatsache.

Schritt 12 Zum Zeugen werden

Page 50: Gruppenleitungs-Handbuch

268

3.Tag: Wie kommt es zur Multiplikation auf allen Ebenen?

Erinnere dich noch einmal: Dein Leben als Ganzes ist eine Botschaft der Gnade undLiebe Gottes geworden. Du wirst in allen deinen Beziehungen etwas davon ausstrah-len. Vielleicht bist du aufgrund deiner früheren Erfahrung (z. B. als Alkoholiker, Dro-gensüchtiger, Ess-Süchtige, Beziehungs-Süchtige …) besonders geeignet, anderenBetroffenen Hilfe zu geben.

Helfer sein für andere Betroffene

Vielleicht fällt es dir sehr leicht, mit anderen in Kontakt zu kommen, die ähnliche Pro-bleme haben, wie du sie hattest. Viele dieser Menschen stecken noch in ernsthaftenSchwierigkeiten, sind verwirrt und verletzt.

Du kannst ihnen auf vielfältige Weise helfen:• Erzähle ihnen deine Geschichte!• Bete für sie!• Lade ihn oder sie zur einer neuen Endlich-Leben-Gruppe ein!• Überlege, wer außer dir noch als BegleiterIn für sie in Frage käme!• Nimm sie oder ihn in deine Gemeinde mit hinein!• Mach dir klar: Sie brauchen eine besondere Ermutigung und Unterstützung, damit sie

begreifen können, dass das 12-Schritte-Programm eine wirkliche Hilfe für sie seinwird!

• Ermutige Neue, geduldig und liebevoll mit sich selbst umzugehen. Sie sollen sich nichtzu viel vornehmen, sondern Tag für Tag vorwärts gehen (»Nur-für-heute-Prinzip«!).

Wer fällt dir ein, den du begleiten könntest?

Helfer sein für die Multiplikation in deiner Gemeinde

Vielleicht hast du von deinen Gaben her eine menschenbezogene Persönlichkeit, dieam besten bei der Gruppenleitung Multiplikationskraft entwickelt. Darum hast du einesolche Aufgabe übernommen und arbeitest dich durch dieses Gruppenleitungs-Übungsbuch. Aber vielleicht steckt noch mehr oder anderes in dir? Kannst du gut kom-munizieren, Ideen oder auch Projekte gut voranbringen? Bist du ein Mensch, der wievon selbst größere Gruppen leiten oder koordinieren kann? Dann solltest du überlegen,ob du nicht KoordinatorIn für die Endlich-Leben-Arbeit deiner Gemeinde werden willst.

Du kannst als KoordinatorIn auf vielfältige Weise helfen:• dafür sorgen, dass die Gruppenleitungen sich regelmäßig zum Austausch treffen• dir Gedanken machen, wie man weitere GruppenleiterInnen gewinnt.• mit einem Team einen Vorstellungsabend in der Gemeinde organisieren• die Gemeindeleitung über die Entwicklungen der Arbeit informieren• über die Arbeit auf allen Kanälen deiner Gemeinde (mündlich, Texte) informieren• den Kontakt zum Endlich-Leben-Netzwerk halten, um die Entwicklungen mitzukrie-

gen, Verbesserungen in eure Endlich-Leben-Arbeit vor Ort einzubringen• überlegen, ob die Strukturen eurer Arbeit eher hindern oder fördern.

Schritt 12 Zum Zeugen werden

Page 51: Gruppenleitungs-Handbuch

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Wer fällt dir ein, wenn du diese Liste liest? Kannst du dir vorstellen, persönlich in diegrößere Verantwortung der Multiplikation auf Gemeindeebene hineinzuwachsen?

Multiplikation über Gemeindegrenzen hinaus

Wenn du anderen helfen willst, ist die Grenze deiner Organisation oder Gemeinde viel-leicht viel zu eng gesteckt. In manchen steckt die Leidenschaft, eine große Vision auchmöglichst groß umzusetzen, das sind die »GründerInnen« oder auch »MultiplikatorIn-nen« in unserem Netzwerk. Das Netzwerk organisiert sich aufgrund unseres Selbsthilfeprinzip so, dass auf jederEbene aus Betroffenen Beteiligte und »Lernmodelle« für andere werden. Auf jederEbene wird so das Selbsthilfeprinzip gelebt, dass jede und jeder immer Gebende undNehmende bleibt. Darum ist es wichtig, dass die Multiplikation über die Gemeinde-grenzen hinaus nicht zentral vom Netzwerk übernommen wird, sondern in der Verant-wortung der jeweiligen Organisationen bleibt, die Endlich-Leben-Gruppen vor Ortanbieten. Das hat für die Multiplikation viele Vorteile: Die betroffenen Mitglieder vonGruppen können so in größerem Rahmen ansteckend wirken und ermutigendes Bei-spiel sein. Andere Gemeinden erleben das mutmachende Modell von ganz normalenGemeindegliedern und können so ermutigt werden, Gruppen in ihrer Gemeinde zugründen.

Du kannst als GründerIn oder MultiplikatorIn auf vielfältige Weise helfen. Du kannstdich…• informieren über das Netzwerkbüro, welche Hilfe es vom Netzwerk gibt• dir Gedanken machen, wie man weitere Gemeinden gewinnt• dich als offizielle MultiplikatorIn der Gemeinde berufen lassen.• dich vom Netzwerk als MultiplikatorIn zertifizieren und weiterbilden lassen• den Kontakt zum Endlich-Leben-Netzwerk halten, um immer auf dem neusten Stand

zu sein.• mit einem Team einen Motivationstag für die Region in der Gemeinde organisieren.

Kannst du dir eine Rolle in der Multiplikation auf die oben beschriebene Weise vor-stellen? Was spricht dafür, was hindert dich daran? Oder fällt dir eine passende Personvor Ort ein?

Wenn ja, warum nimmst du nicht Kontakt mit Gemeindeleitung und Netzwerk auf?Büro: 0049-5261-93 44 67 (dienstags, donnerstags 8.00-11.00 Uhr, mittwochs 14.00-18.00 Uhr) Mail: [email protected]

Prinzip Multiplikation

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4. Tag: Wie kann »Frucht« wachsen, die bleibt?

Das Schlüsselgleichnis Jesu in der Bibel zur »Frucht« kennst du ja aus Schritt 11:

Ich betone noch einmal die beiden folgenden Verse (lies den Zusammenhang S. 258):16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt: Ich habe euch dazubestimmt, zu gehen und Frucht zu tragen – Frucht, die Bestand hat. Wenn ihr dannden Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er es euch geben, was immer esauch sei. 17 Einander zu lieben – das ist das Gebot, das ich euch gebe.«

(Johannesevangelium 15, neue Genfer Übersetzung)Wenn du es noch einmal liest, werden dir die folgenden Überlegungen sicherlich

verständlich. Für den Schritt 12 ist mir nun wichtig festzuhalten, das das größere ZielGottes, die »Frucht«, nicht an den Gemeindegrenzen endet, sondern durch die globalePerspektive des Reiches Gottes eine weitreichende Wirkung entfaltet. Das sind großeWorte. Wie wird das konkret?

Verschiedene Perspektive auf die Wirkungen von Endlich-Leben-Gruppen

Der Schlüssel zur Bewertung der Wirkungen sind sicherlich zum Guten verwandelteMenschen. Der Name »Endlich Leben« ist ja Programm. Menschen werden aus sozial-politischer Perspektive »besser« – im privaten wie öffentlichen Raum der Gesellschaft –als seelisch stabile und in diesem Sinne »nützliche« Mitglieder der Gesellschaft leben.Aus wirtschaftspolitischer Perspektive bedeutet es, dass sie produktiver zur Wirt-schaftsleistung beitragen können, weil sie fähige TeamarbeiterInnen werden, sich»gesund« abgrenzen und effektiver im Team mit anderen zusammenarbeiten können,nicht so schnell in den Burnout geraten oder durch Folgekrankheiten von Stress ausfal-len. Aus theologischer Sicht stellt sich die Frage der Einleitung »Was ist wirklichFrucht?» noch einmal in einem anderen Licht: Ich hatte dir Stück für Stück gezeigt, dassdie Königsherrschaft Gottes als »Heilung« für die ganze Welt bestimmt ist. Darum sollteeine Endlich-Leben-Gruppenarbeit nicht an den eigenen Gemeindegrenzen stehen blei-ben. Unser Gruppen-Logo wird auch immer für die jeweilige Stadt/Region ausgestellt.Das ist ein deutliches Symbol für die grenzüberschreitende christliche Zusammenarbeitder »Endlich-Leben-Arbeit« zum Wohl der Gesellschaft.

Wenn Jesus von »bleibender Frucht«, bzw. von »Frucht mit Bestand« spricht, hat dasaber noch andere Aspekte.

Der Ewigkeitswert bleibt- egal wie viel ihr tut

Alles, was von Gott kommt hat eine Bedeutung, die in Ewigkeit gültig ist. Das ist dieinnere Kraft und Würde dieser Arbeit, egal wie (zahlenmäßig) groß sie in deinerGemeinde zur Zeit ist.

Welche Gefühle hast du hinsichtlich des (Stellen)Wertes eurer Gruppenarbeit in derGemeinde? Was kannst du tun, um diesen Wert in der Gemeinde zu fördern?

Schritt 12 Zum Zeugen werden

Page 53: Gruppenleitungs-Handbuch

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Frucht wird sichtbar und öffentlich

Diese Frucht kann nicht im Geheimen verborgen bleiben, sondern wächst sozusa-gen in die größere Öffentlichkeit. In der Pilotphase machen wir noch keine Werbung.Aber dann ist wichtig – das gehört zu unserer Auffassung von dieser Arbeit– auch einegute Öffentlichkeitsarbeit (Internet, Flyer, Artikel in Zeitung und Magazinen) zu getal-ten, um Vorurteilen vorzubeugen und die Ziele und Grenzen dieser Arbeit klar zu kom-munizieren.

Wie kannst du den öffentlichen Auftritt der Arbeit in der Gemeinde, in der Stadt oderdarüber hinaus fördern? Nutzt ihr die Materialien und Hilfen des Netzwerks?

Ständige Frucht - Endlich-Leben-Gruppen werden zur Institution

Bleibend kann eine Frucht nur sein, die sich kontinuierlich vermehrt. Das bedeutetnicht, dass du für alle Zeit in deiner Endlich-Leben-Gruppe die Leitung innehaben soll-test, sondern dass du dich über das Co-Leitungsprinzip gewssermaßen multiplizierst,indem du Gruppenmitglieder in die Leitung mit hineinnimmst und sie förderst undermutigst, im nächsten Durchgang selbst eine Gruppe zu moderieren.

Wie kannst du den Gedanken der Multiplikation als Gruppenleitung und darüber hin-aus konkret voranbringen? Gibt es Hilfen für mögliche neue Co-LeiterInen? Nutzt diedie Schulungsangebote des Endlich-Leben-Netzwerks?

Das innere Geheimnis der Gruppen: »in Jesus bleiben«

Bleibend ist diese Frucht, insofern sie in Jesus verwurzelt bleibt (V. 4). Der besondereHerzschlag der Endlich-Leben-Gruppenarbeit zeigt sich durch die (von Menschen –inspi-riert von Gottes Geist – entwickelten) äußeren Strukturen (Netzwerk, Qualtitätssiche-rung, Material), aber genauso auch von den Gruppenleitungen, die im Heiligen Geist(bzw. »in Jesus bleibend«) ihre Schwachheit und Ohnmacht für die Gegenwart Gottesöffnen, die dafür sorgen, dass die Mitte in der Gruppe nicht durch menschliche Metho-den dominiert wird, sondern von der Kraft des Heiligen Geistes geprägt ist.

Wie nimmst du die geistliche Qualität eurer Arbeit zur Zeit wahr? Was könnte kon-kret helfen, damit dem Wirken von Gottes Geist noch mehr Raum gegeben wird?

Prinzip bleibende Frucht

Page 54: Gruppenleitungs-Handbuch

272

Es bleibt Gottes Sache – Bitte, er wird alles geben!

Bleibend ist diese Frucht, wenn alle Beteiligten durch Gebet von Gott empfangen,was not tut (V. 16b). Nach Aussagen der Bible ist Gott ein Gott, der will dass alle Men-schen das Leben finden. Warum sollte er also nicht die Mitarbeitenden, Gelder und dienötige Zeit schenken, damit diese Arbeit zu einer dauerhaft bleibenden »Marke« dei-ner Gemeinde wird. In unserer Zeit brauchen gute Modelle auch ein gutes »Marken-image«, um in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen zu werden. Jeder der Betei-ligten im Endlich-Leben-Netzwerk trägt dazu bei, dass dies eine Qualitätsmarke mitZukunft bleibt oder wird.

Wie hat sich dein Verständnis zum Thema „Zeuge sein“ durch diese Gedankengängeverändert?

Betroffene werden zu Beteiligten

Bleibend ist diese Frucht, wenn sie vom Geben und Nehmen jedes Teilnehmendenlebt. Wenn viele Einzelne ihren kleinen Beitrag leisten, kann etwas Großes mit Bestandfür alle wachsen. Darum ist uns als Netzwerk so wichtig, dass nicht die Gemeinden für»Arme, Notleidende» etwas tun und Spenden zusammentragen, sondern dass mög-lichst jedes Gruppenmitglied – sofern es in seiner Macht steht – einen finanziellen Bei-trag leistet. Das könnten z.B. pro Sitzung und Person 2.- bzw. 3.-CHF sein. Über diesensymbolischen Betrag lassen sich längst nicht alle Kosten tragen, aber es ist ein Zeicheneiner liebevollen, aktiven Gemeinschaft von Gebenden und Nehmenden.

Wie kannst du konkret um Verständnis zum Thema Beiträge oder Zertifizierungsge-bühren bei den Teilnehmenden werben? Unser Tipp: Es geht nicht um »Geld«, son-dern um das Symbol des gemeinsamen Geben-und-Nehmen-Prinzips.

Überlege, welche Aktion in deiner Gemeinde geeignet ist, Gelder für die Mitarbeiter-schulung oder Spenden für Multiplikation und Werbung zu sammeln und dem Netz-werk zukommen zu lassen. Beispiel: Rege eine Sammlung für die überregionale oderfür die örtliche Endlich-Leben-Arbeit im Gottesdienst an. Was fällt dir noch ein?

Schritt 12 Zum Zeugen werden

Page 55: Gruppenleitungs-Handbuch

276 Schritt 12 Zum Zeugen werden

Schritt 11: Die Balance zwischen Aktion und Kontemplation ist bleibende Herausforderung. –Was tust du konkret, um dieses Prinzip im Alltag zu leben? Notiere ein Beispiel.

Schritt 12: Dir sind die vielfältigen Möglichkeiten, den Schritt 12 zu leben vor Augen. Wie klärstdu regelmäßig deine Berufung, was du in der nächsten Phase (ca. 1-2 Jahre) tun willst?

Wie geht es nach der Gruppe weiter?

3 Beispiele für Folgeangebote nach der Endlich-Leben-Gruppe

Grundsätzlich kommt die Frage am Ende jeder Endlich-Leben-Gruppe auf, welche Fortsetzungsich für die Teilnehmenden nach der Gruppe anbieten könnte. Hier gibt es verschiedene Lösun-gen, wie das Bedürfnis nach Bindung und Beziehung weiter gestillt und die nötigen Stützstruk-turen bereitgestellt werden.

1. Da die christliche Gemeinde in der Regel mehr Kleingruppenangeboten oder Gottesdien-ste als nur Endlich-Leben-Gruppen bereit hält, müssen die Übergänge zu Hauskreisen, Dienst-gruppen oder anderen weiterführenden Projekten – wie Glaubenskursen – möglichst transpa-rent gestaltet werden. Hier benötigt jede Gemeinde je nach ihren örtlichen Traditionen undGegebenheiten ein gutes Konzept, damit niemand beziehungslos und vereinzelt zurückbleibt.

2. Natürlich ist für jedes Gruppenmitglied die Möglichkeit gegeben, einen zweiten oder drit-ten Jahresdurchgang mit Hilfe einer weiteren Endlich-Leben-Gruppe zu gestalten. Dabei hat sichals Vorteil erwiesen, wenn die Gruppe neu zusammengesetzt wird und auch die Gruppenleiter-Innen andere sind, damit die Vielfalt der Begegnungen gefördert, sowie die mögliche Fixierungauf wenige verhindert wird.

3. Ein drittes Konzept sind diverse offene oder wenig strukturierte Treffen von ehemaligenEndlich-Leben-Gruppenmitgliedern, die 14tägliche oder monatliche Rhythmen haben. Hier emp-fehle ich eine möglichst routierende Leitung, bzw. offene Strukturen, die die Eigenverantwor-tung herausfordern, damit kein Betreuungssystem entsteht. Selbsthilfe lebt von der Grundregelder aktiven Selbstbeteiligung.

Die Verbindung von Ressourcen christlicher Gemeinden mit dem Selbsthilfeprinzip bringtenorme Chancen für ein schrittweises Wachsen in größere Verantwortung und Freiheit. Darumist dieser Ansatz so wegweisend und verheißungsvoll für Kirche und Gesellschaft.

Page 56: Gruppenleitungs-Handbuch

2776 Monate danach…

Nachmessung nach 6 Monaten

Warum sollte die Nachmessung nach 6 Monaten unbedingt gemacht werden?

Die Veränderungsforschung fragt kritisch nach, ob eine einmal eingeleitete Wand-lung auch nach 6 Monaten dauerhaft bleibt. Oft werden positive Effekte sogar in die-sem Zeitraum noch verstärkt wirksam. Beides kann am besten überprüft werden, wennes eine Nachmessung in klar definiertem Abstand gibt. Es wäre also gut, wenn du alsGruppenleiterIn für deine Gruppe ein Treffen 6 Monate nach eurer Schlusssitzung ein-planst und den Termin mit deinen Gruppenmitgliedern kommunizierst.

Bei diesem Treffen kann dann in freiem Austausch über die Ergebnisse der erneutenFragebogeneingabe diskutiert werden. Es ist aber auch eine gute Möglichkeit, eineSchritt-10-Inventur zu machen. Eventuell können, falls notwendig, Einzelne dazu ermu-tigt werden, weiter an grundlegenden Veränderungen ihrer Lebensmuster zu arbeitenund einen weiteren Gruppendurchlauf zu wagen, wenn z.B. Rückfälle oder besser Vor-fälle dies anzeigen.

Auch für die Nachmessung haben wir die Selbsttest-Fragebögen im Arbeitsbuchnicht abgedruckt. Bitte geht direkt zur Interneteingabe. Das ist natürlich nur sinnvoll,wenn alle vorher auch alle Fragebögen im Internet unter ihrem Codenamen ausgefüllthaben, sonst gibt es für sie keine Vergleichsmöglichkeiten bei der Auswertung.

Deine Eingabe startest du hier: www.eingabe.endlich-leben.net

❶ Du loggst dich mit deinem Codenamen und Gruppenpasswort ein und nimmst dir noch einmal 1-2 Stunden (je nach persönlichem Tempo) Zeit. Du kannst natürlich auch in kleinen Häppchen die Fragebogen auf mehre Tage verteilen.

❷ Jetzt gehst die Fragen noch einmal durch und kreuzt deine Antworten an.

Welche Fragebogen werden zum Schluss noch einmal abgefragt?In der Schlussabfrage bei Schritt 12 wirst du dich noch einmal mit den folgenden Fragebögenbeschäftigen, um deine besonderen Veränderungen zu messen. Nimm dir in Ruhe Zeit. Du musstnicht alles auf einmal erledigen, aber wenn du es flott durchziehst, hast du schnell ein Ergebnis:

PSQ: S. 23 (vor Schritt 1) allgemeines Stressniveau (5 Min.)KPD 38: S. 46f (Schritt 1) Symptome und Belastungen (10-20 Min.)RST S. 65ff (Schritt 2) Religions-Test (30-40 Min.)SEO S.104f (Schritt 4) Kontroll-Typ (10-20 Min.)KLSE S.106 (Schritt 4) Konfliktlösungs-Typ (5 - 10 Min.)BBE S.107f (Schritt 4) Bindungs-Stile (20-40 Min.)Summe an Zeit 1-2 Stunden

Page 57: Gruppenleitungs-Handbuch

Für französisch-sprechende Länder:Endlich-leben-Netzz.Hd. Dr. Solange Freyd197 AVENUE D'ALSACEF-68000 COLMARTelefon: +33-03 89 24 29 94E-Mail: [email protected]

280

Das Endlich-leben-Netzwerk

Die GruppengründerInnen, AutorInnen, Lehrenden und MultiplikatorInnen dieser Idee,die auf der Grundlage dieses Arbeitsbuches Endlich-Leben-Gruppen durchführen,haben sich zu einem Netzwerk zusammengetan: Endlich-leben-Netzwerk oder endlich-leben.net e.V. organisiert sich als eingetragener gemeinnütziger Verein. Durch dieseVernetzung soll die Qualität von Endlich-Leben-Gruppen gefördert werden. Dafür ste-hen folgende Angebote zur Verfügung:• Zentrale Schulungsveranstaltungen für (zukünftige) GruppenleiterInnen können im

Internet oder bei den unten genannten Koordinierungsstellen erfragt werden.• Motivationstage: Wenn Gemeinden oder Organisationen das Endlich-Leben-Pro-

gramm bei sich einführen oder über dieses Konzept Hintergrundinformationenhaben wollen, kommen MultiplikatorInnen des Netzwerks gerne, bzw. schulen dieGründer vor Ort.

• Flyer, Infobroschüren: Für eine professionelle Werbung bietet das Netzwerk Materia-lien an.

• Zertifizierung der Endlich-Leben-Gruppen: Qualitätssicherung für Ihre Arbeit (spre-chen Sie uns an). Nur zertifizierte Gruppen erscheinen auf der zentralen Homepage underhalten die Unterstützung des Netzwerks. Gruppen, die ohne Zertifizierung arbeiten,dürfen ihre Arbeit nicht »Endlich-Leben-Gruppen« nennen und natürlich auch nicht dasLogo benutzen.

Für Deutschland, Österreich, Schweiz: Endlich-leben-Netzz.Hd. Pfr. Helge SeekampHeustr. 59D-32657 Lemgo Öffentlichkeitsreferent: +49-(0)52 61-93 44 66Geschäftsstelle: +49-(0)52 61-93 44 67Shop: +49-(0)52 61-93 44 80E-Mail: [email protected]

Unter diesen Internet-Seiten können weitere Informationen zum Endlich-leben-Netzoder zur Plattform der Arbeitsgemeinschaft abgerufen werden. Dort finden sich auchHinweise zu • www.finde.endlich-leben.net die Liste der zertifizierten Endlich-Leben-Gruppen• www.netz.endlich-leben.net Adressen von Verantwortlichen,• www.eingabe.endlich-leben.net Eingabeseite für die Fragebögendaten • www.schulung.endlich-leben.net Schulungstermine• www.downloads.endlich-leben.net Gruppen-Gründungshilfen, Downloads für die Prä-

sentation der Vision in der Gemeinde und andere Materialien.• www.shop.endlich-leben.net alle Materialien zum Online-Kaufen• www.zertifizierung. endlich-leben.net Verträge und Nachmeldung zur Zertifizierung

Anhang

Im Internet: www.endlich-leben.nete-mail: [email protected]

Gründungshilfen für die Praxis und Kontakte

Page 58: Gruppenleitungs-Handbuch

281

LiteraturverzeichnisAnonyme Alkoholiker deutscher Sprache, (Hg.) AA wird mündig, 1990

Henry Cloud, J. Townsend Nein sagen ohne Schuldgefühle. Wie man sich gegen Übergriffe schützt, Hänsler 2008, 12. Auflage (Co-Sucht, gesunde Grenzen)

Johanna Domek, Das Leben wieder spüren, Viertürme 2001 (12-Schritte)

Reiner Fuchs, Inmitten von Scham, Gewalt und Angst. Theologische Fundierungen der Suchtkrankenpastoral, Echter 2006 (Fachbuch, Missbrauch)

Klaus Grawe, Neuropsychotherapie, Hogrefe 2004 (Fachbuch)

Werner Groß, Was ist das Süchtige an der Sucht? Neuland, 1995 (Fachbuch)

Helmut Harsch, Hilfe für Alkoholiker und andere Drogenabhängige, Kaiser 1993

Peter Kruse, next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität. Veränderung durch Vernetzung, Gabal 2009 (Systemtheorie)

Garth Lean, Der vergessene Faktor. Vom Leben und Wirken Frank Buchmans, Brendow 1991 (Geschichte)

Carsten Maurischat Erfassung der „Stages of Change” im Transtheoretischen Modell Prochaska’s - eine Bestandsaufnahme. Forschungsbereichte des Psychologischen Instituts der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg I. Br. Nr. 154, 2001

Michael L. Moeller, Psychologisch - Therapeutische Selbsthilfegruppen, Rowohlt 1984 (Geschichte, Selbsthilfeprinzip)

Sebastian Murken, - Religiosität, Kontrollüberzeugung und seelische Gesundheit bei Anony-men Alkoholikern, Europäischer Verl. der Wissenschaften 1994 (Fachbuch)- Gottesbeziehung und psychische Gesundheit. Die Entwicklung eines Modells und seine empirische Überprüfung, 1998 (Fachbuch)

Monika Rennert, Co - Abhängigkeit. Was Sucht für die Familie bedeutet, 1990 (Fachbuch, Co-Sucht)

Walter Rebell, Psychologisches Grundwissen: Ein Handbuch für Theologinnen und Theo-logen, Neukirchener 2008 (Psychologie, Kompendium)

Anne Wilson Schaef, - Im Zeitalter der Sucht. Wege aus der Abhängigkeit. dtv 1993, (Sucht)- Die Flucht vor der Nähe. Warum Liebe, die süchtig macht, keine Liebe ist.dtv 2005 (Beziehungssüchte, 12 Schritte)

Christian A. Schwarz Die 3 Farben deiner Liebe, C&P 2006; Die 3 Farben deiner Spiritualität, C&P 2009

Peter F. Schmid, Im Anfang ist Gemeinschaft, Personenzentrierte Gruppenarbeit in Seel-sorge und praktischer Theologie, Kohlhammer 1998 (Fachbuch, Theologie)

Lothar Schmidt, Fahrschule des Lebens, federkultur 2007 (12 Schritte)

Walther H. Lechler, So kann's mit mir nicht weitergehn! Neubeginn durch spirituelle Erfah-rungen in der Therapie, Kreuz 1994 (12 Schritte, Sucht)

Literatur

Page 59: Gruppenleitungs-Handbuch

282 Anhang

Copyright 12 Schritte

Hinweis zur deutschen Übersetzung der 12 Schritte: Die in diesem Buch verwendeten 12 Schritte und Über zeu gun gen sind nicht identisch mit dem Original-Wortlaut der von denAnonymen Alkoholikern autorisierten deutschen Version der 12 Schritte aus dem Jahre 1939und den in den 12 Traditionen ausgedrückten Überzeugungen der AA-Bewegung.

Die autorisierten 12 Schritte der Anonymen Alkoholiker lauten: 1. Schritt: Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser

Leben nicht mehr meis tern konnten.2. Schritt: Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere

geistige Gesundheit wiedergeben kann.3. Schritt: Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes –

wie wir ihn verstanden – anzuvertrauen.4. Schritt: Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.5. Schritt: Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unver-

hüllt unsere Fehler zu.6. Schritt: Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.7. Schritt: Demütig baten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.8. Schritt: Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten,

und wurden willig, ihn bei allen wiedergutzumachen.9. Schritt: Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war

–, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt. 10. Schritt: Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten, gaben wir

es sofort zu.11. Schritt: Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott –

wie wir ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten Ihn nur, uns Seinen Willen erkennbarwerden zu lassen und uns die Kraft zu ge ben, ihn auszuführen.

12. Schritt: Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, ver-suchten wir, diese Botschaft an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Lebennach diesen Grundsätzen auszurichten.

Die 12 Schritte, wie sie in den Endlich-Leben-Gruppen formuliert werden, haben wirfür die besondere Verwendung im christlichen Bereich und für Menschen mit unspezi-fischen Symptomen gegenüber dem Original leicht verändert:

• Der Begriff „Alkohol“ ist durch den allgemeinen Begriff „Abhängigkeiten und Pro-bleme“ ersetzt worden.

• In Schritt 3 und 12 heißt es bei Endlich-leben-Gruppen: „Gott, so weit wir ihn ver-standen“.

• Die 12 Schritte in diesem Buch sind mit Druckerlaubnis des AA-Welt-Dienstes (Alco-holics Anonymous World Services) verwendet worden. Diese Erlaubnis zum Nachdruckund die Anpassung der Zwölf Schritte bedeutet nicht, dass AA zu den Inhalten dieserVeröffentlichung seine Zustimmung gegeben hat.

AA hat auch nicht die Anschauungen dieses Buches geprüft oder sich zu eigengemacht. AA ist ein Programm, das ausschließlich zur Genesung vom Alkoholismus bei-trägt. Die Verwendung der 12 Schritte in Zusammenhang mit Programmen, die sichzwar an AA orientieren, aber andere Probleme angehen, haben mit dem ursprüng-lichen Anliegen von AA nichts zu tun.

Endlich-Leben-Gruppen arbeiten im Unterschied zu AA an einer breiten Fülle vonProblemen, Abhängigkeiten und Ängsten, sowie unspezifischen seelischen und körper-lichen Symp tomen, die die seelische Stabilität vermindern. Der konzeptionelle Rahmenvon Endlich-Leben-Gruppen ist weltanschaulich und praktisch an christliche Gemeindengebunden, die sich unter dem Dach der ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchenin Deutschland) versammeln.

Page 60: Gruppenleitungs-Handbuch

284

Konzeptbuch christliche Selbsthilfe

Arbeitshilfe für Gruppengründung, November 2010

Zielgruppe:

• GemeindepastorInnen,

• ehrenamtliche KoordinatorInnen,

• MultiplikatorInnen und

• interessierte GruppenleiterInnen.

Lebenshilfe. Glaubenshilfe. Selbsthilfe.

Im Jahre 2002 hatten wir das Konzeptbuch zur Arbeit unter dem Titel »GrundkursBarmherzigkeit« veröffentlicht. Es reflektierte den Stand der Arbeit 8 Jahre nach derGründung. In den folgenden 8 Jahren gab es eine Menge Weiterentwicklungen amInhalt und an der Organisation des Netzwerks.

Darum erscheint Ende 2010 eine völlig neu überarbeitete Version unter dem Titel»Lebenshilfe. Glaubenshilfe. Selbsthilfe«. Dieses Buch stellt das bewährte Endlich-Leben-System für die nächsten 5 Jahre übersichtlich, verständlich und visionär dar fürPfarrerInnen, leitende MitarbeiterInnen und Gründungsinteressierte.

Aus dem Inhalt: • Grundlegende Vision und die Werte der Endlich-Leben-Gruppenarbeit• Theologie, Psychologie und Methoden der Gruppenarbeit• Strukturen und Organisationsform (vor Ort und überregional)• Personen, Funktionen und Rollendefinitionen• Ausführlicher Gründungsleitfaden

Dieses Buch gehört unbedingt in die Hand von KoordinatorInnen und GründerInnenvon endlich-Leben-Gruppen. Aber auch GruppenleiterInnen profitieren von diesemHintergrundswissen zu Geschichte und Konzeption der christlichen 12-Schritte-Arbeitund vom Überblickswissen über Krankheitsverständnis und Menschenbild für ihre Grup-pen, weil sie die größere Vision und die dafür notwendige Qualtitätssicherung undOrganisation der Arbeit so besser einordnen können.

Ankündigung