Gusseisen – kleine Werkstoffkunde eines viel genutzten ... · den Mischkristallen Alpha, Gamma...

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1 Einleitung Den späteren Erörterungen vorgreifend muss einleitend bereits darauf hingewie- sen werden, dass es zwei Fe-C-Diagram- me gibt: das metastabile und das stabile Fe-C-Diagramm. Im metastabilen Fe-C- Diagramm gibt es keine Graphitkristalle, die jedoch für die Gusseisenfamilie von außerordentlich großer Bedeutung sind. Die Gusseisenfamilie umfasst insgesamt sieben Werkstoffgruppen: - Gusseisen mit Lamellengraphit – GJL (DIN EN 1561) [1], - Gusseisen mit Vermiculargraphit – GJV (VDG-Merkblatt W 50, März 2002) [2], - Gusseisen mit Kugelgraphit GJS (DIN EN 1563) [3], - Bainitisches Gusseisen GJS (DIN EN 1564) (international als ADI (Aus- tempered Ductile Iron) bekannt [4, 5, 6], in ISO 17804 mit „Ausferritic Sphe- roidal Graphit Cast Iron“ („Ausferriti- sches Gusseisen mit Kugelgraphit“) bezeichnet [7]), - Temperguss – GJMB/GJMW (DIN EN 1562) [8], - Austenitisches Gusseisen – GJLA-X/ GJSA-X (DIN EN 13835) [9,10], - Verschleißbeständiges Gusseisen GJN (DIN EN 126113) [11]. Beim Temperguss und beim verschleißbe- ständigen Gusseisen, traditionell Hart- guss genannt, erfolgt die Erstarrung nach dem metastabilen Fe-C-Diagramm, bei al- len anderen Gusseisen-Werkstoffgrup- pen jedoch nach dem stabilen Fe-C-Dia- gramm. Beim Stahlguss laufen alle Um- wandlungen nach dem metastabilen Fe- C-Diagramm ab. In der Tabelle 1 sind die Produktionsmengen wichtiger Werkstoff- gruppen für das Jahr 2005 für Deutsch- land angegeben. Von den insgesamt 4 209 000 t erstarren 3 956 000 t (94,0 %) mit Graphitkristallen und nur 253 000 t (6,0 %) ohne Graphitkristalle. Die metallkundlichen Vorgänge im meta- stabilen Fe-C-Diagramm sind von D. Kohtz [12] in anschaulicher Form sehr schön beschrieben worden, so dass in der vorliegenden Arbeit das stabile Fe-C-Dia- gramm im Vordergrund steht. Erfolgt die Erstarrung nach dem metastabilen Sys- tem ohne Graphitkristalle, sieht eine fri- sche Bruchfläche weiß aus. Davon sind die Begriffe „Weißerstarrung“ und „weißes Gusseisen“ abgeleitet. Erfolgt die Erstar- rung nach dem stabilen System unter Bil- dung von Graphitkristallen, hat eine frische Bruchfläche eine graue Farbe. Die Begrif- fe „Grauerstarrung“, „graues Gusseisen“ und „Grauguss“ basieren auf diesem Sach- verhalt. Klaus Herfurth, Solingen Gusseisen – kleine Werkstoffkunde eines viel genutzten Eisenwerkstoffs Eine wesentliche Grundlage für die metallkundliche Beschreibung von Stahl und Gusseisen ist das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (Fe-C-Diagramm). Es han- delt sich dabei um ein scheinbar sehr kompliziertes Zweistoffsystem, das bei der Ausbildung und Weiterbildung den Studierenden und anderen Lernenden so manche Mühe bereitet. Auch bei der Zusammenarbeit zwischen den Guss- eisenherstellern und ihren Kunden gibt es dabei die einen oder anderen Schwierigkeiten. Ziel des Artikels ist es deshalb, zu zeigen, dass das Fe-C- Diagramm gar nicht so schwer zu verstehen ist, wie es manchmal scheint. Her- vorgehoben wird auch, dass Gusseisenwerkstoffe besser mit dem Fe-C-Si- Diagramm beschrieben werden können. Eingegangen wird des Weiteren auch kurz auf die Wirkung von Legierungselementen auf das Fe-C-Diagramm und höherer Abkühlungsgeschwindigkeiten auf die Gefügebildung bei der Wärme- behandlung von Gusseisenwerkstoffen. Gusseisenwerkstoffe mit Graphitkristallen können als natürliche Verbundwerkstoffe aufgefasst werden. In einem Stahl sind Graphitkristalle eingelagert. Die mechani- schen Eigenschaften dieser Werkstoffe sind wesentlich von der Menge, Form und Anordnung dieser Graphitkristalle abhän- gig. Deren Menge liegt in der Größenord- nung von fast 13 Volumen-% bei rein ferittischer Grundmasse. Auf die Eigenschaften der Gusseisen- werkstoffe wird im vorliegenden Beitrag nicht näher eingegangen, in diesem Zu- sammenhang wird auf entsprechende Fachliteratur verwiesen [1 bis 11, 13 bis 16]. Der mit einem Mikroskop sichtbare innere Aufbau eines metallischen Werkstoffs wird Mikrogefüge genannt. Dieses Mikro- gefüge ist der Träger der Eigenschaften. Eine Änderung des Mikrogefüges führt immer zu einer Veränderung der Eigen- schaften. Angemerkt sei hier nur, dass bei den graphithaltigen Gusseisenwerkstof- fen die Zugfestigkeit einem Bereich von 100 bis 1600 N/mm² überstreicht. Weil im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, das die Phasenfelder beziehungsweise die Gefüge in Abhängigkeit vom Kohlen- stoffgehalt und von der Temperatur be- schreibt, die Zeitabhängigkeit einer Gefü- geumwandlung nicht enthalten ist, wird auch auf die metallkundlichen Grundla- gen der Zeit-Temperatur-Austenitisie- rungs-Diagramme (ZTA-Diagramme) und die Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Dia- gramme (ZTU-Diagramme) eingegangen. Gusseisen mit Lamellengraphit 2 469 000 t (58,7 %) Gusseisen mit Kugelgraphit 1 487 000 t (35,3 %) Temperguss 53 000 t ( 1,3 %) Stahlguss 200 000 t ( 4,8 %) Gesamt 4 209 000 t (100,0 %) Tabelle 1: Produktionsmengen 2005 in Deutschland (Quelle: Statistik DGV)

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1 EinleitungDen späteren Erörterungen vorgreifendmuss einleitend bereits darauf hingewie-sen werden, dass es zwei Fe-C-Diagram-me gibt: das metastabile und das stabileFe-C-Diagramm. Im metastabilen Fe-C-Diagramm gibt es keine Graphitkristalle,die jedoch für die Gusseisenfamilie vonaußerordentlich großer Bedeutung sind.

Die Gusseisenfamilie umfasst insgesamtsieben Werkstoffgruppen:

- Gusseisen mit Lamellengraphit – GJL(DIN EN 1561) [1],

- Gusseisen mit Vermiculargraphit –GJV (VDG-Merkblatt W 50, März2002) [2],

- Gusseisen mit Kugelgraphit – GJS(DIN EN 1563) [3],

- Bainitisches Gusseisen – GJS (DINEN 1564) (international als ADI (Aus-tempered Ductile Iron) bekannt [4, 5,6], in ISO 17804 mit „Ausferritic Sphe-roidal Graphit Cast Iron“ („Ausferriti-sches Gusseisen mit Kugelgraphit“)bezeichnet [7]),

- Temperguss – GJMB/GJMW (DIN EN1562) [8],

- Austenitisches Gusseisen – GJLA-X/GJSA-X (DIN EN 13835) [9,10],

- Verschleißbeständiges Gusseisen –GJN (DIN EN 126113) [11].

Beim Temperguss und beim verschleißbe-ständigen Gusseisen, traditionell Hart-guss genannt, erfolgt die Erstarrung nachdem metastabilen Fe-C-Diagramm, bei al-len anderen Gusseisen-Werkstoffgrup-

pen jedoch nach dem stabilen Fe-C-Dia-gramm. Beim Stahlguss laufen alle Um-wandlungen nach dem metastabilen Fe-C-Diagramm ab. In der Tabelle 1 sind dieProduktionsmengen wichtiger Werkstoff-gruppen für das Jahr 2005 für Deutsch-land angegeben. Von den insgesamt4 209 000 t erstarren 3 956 000 t (94,0 %)mit Graphitkristallen und nur 253 000 t(6,0 %) ohne Graphitkristalle.

Die metallkundlichen Vorgänge im meta-stabilen Fe-C-Diagramm sind von D.Kohtz [12] in anschaulicher Form sehrschön beschrieben worden, so dass in dervorliegenden Arbeit das stabile Fe-C-Dia-gramm im Vordergrund steht. Erfolgt dieErstarrung nach dem metastabilen Sys-tem ohne Graphitkristalle, sieht eine fri-sche Bruchfläche weiß aus. Davon sinddie Begriffe „Weißerstarrung“ und „weißesGusseisen“ abgeleitet. Erfolgt die Erstar-rung nach dem stabilen System unter Bil-dung von Graphitkristallen, hat eine frischeBruchfläche eine graue Farbe. Die Begrif-fe „Grauerstarrung“, „graues Gusseisen“und „Grauguss“ basieren auf diesem Sach-verhalt.

Klaus Herfurth, Solingen

Gusseisen – kleine Werkstoffkunde einesviel genutzten EisenwerkstoffsEine wesentliche Grundlage für die metallkundliche Beschreibung von Stahlund Gusseisen ist das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (Fe-C-Diagramm). Es han-delt sich dabei um ein scheinbar sehr kompliziertes Zweistoffsystem, das beider Ausbildung und Weiterbildung den Studierenden und anderen Lernendenso manche Mühe bereitet. Auch bei der Zusammenarbeit zwischen den Guss-eisenherstellern und ihren Kunden gibt es dabei die einen oder anderenSchwierigkeiten. Ziel des Artikels ist es deshalb, zu zeigen, dass das Fe-C-Diagramm gar nicht so schwer zu verstehen ist, wie es manchmal scheint. Her-vorgehoben wird auch, dass Gusseisenwerkstoffe besser mit dem Fe-C-Si-Diagramm beschrieben werden können. Eingegangen wird des Weiteren auchkurz auf die Wirkung von Legierungselementen auf das Fe-C-Diagramm undhöherer Abkühlungsgeschwindigkeiten auf die Gefügebildung bei der Wärme-behandlung von Gusseisenwerkstoffen.

Gusseisenwerkstoffe mit Graphitkristallenkönnen als natürliche Verbundwerkstoffeaufgefasst werden. In einem Stahl sindGraphitkristalle eingelagert. Die mechani-schen Eigenschaften dieser Werkstoffesind wesentlich von der Menge, Form undAnordnung dieser Graphitkristalle abhän-gig. Deren Menge liegt in der Größenord-nung von fast 13 Volumen-% bei reinferittischer Grundmasse.

Auf die Eigenschaften der Gusseisen-werkstoffe wird im vorliegenden Beitragnicht näher eingegangen, in diesem Zu-sammenhang wird auf entsprechendeFachliteratur verwiesen [1 bis 11, 13 bis 16].

Der mit einem Mikroskop sichtbare innereAufbau eines metallischen Werkstoffswird Mikrogefüge genannt. Dieses Mikro-gefüge ist der Träger der Eigenschaften.Eine Änderung des Mikrogefüges führtimmer zu einer Veränderung der Eigen-schaften. Angemerkt sei hier nur, dass beiden graphithaltigen Gusseisenwerkstof-fen die Zugfestigkeit einem Bereich von100 bis 1600 N/mm² überstreicht.

Weil im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm,das die Phasenfelder beziehungsweisedie Gefüge in Abhängigkeit vom Kohlen-stoffgehalt und von der Temperatur be-schreibt, die Zeitabhängigkeit einer Gefü-geumwandlung nicht enthalten ist, wirdauch auf die metallkundlichen Grundla-gen der Zeit-Temperatur-Austenitisie-rungs-Diagramme (ZTA-Diagramme) unddie Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Dia-gramme (ZTU-Diagramme) eingegangen.

Gusseisen mitLamellengraphit 2 469 000 t (58,7 %)

Gusseisen mitKugelgraphit 1 487 000 t (35,3 %)

Temperguss 53 000 t ( 1,3 %)

Stahlguss 200 000 t ( 4,8 %)

Gesamt 4 209 000 t (100,0 %)

Tabelle 1: Produktionsmengen 2005 inDeutschland (Quelle: Statistik DGV)

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2 Aufbau der metalli-schen Werkstoffe

Die kleinsten Bausteine der Metalle, dieAtome, sind nach einem geometrischenMuster regelmäßig im Raum angeordnet.Die kleinsten geometrischen Ordnungensind dabei die Elementarzellen (Bild 1).Im Bild sind nur die Schwerpunkte derAtome dargestellt. Diese können ent-sprechend ihrer speziellen Atomanord-nung und des Abstands benachbarterGitterpunkte (Gitterkonstanten) eine un-terschiedliche geometrische Gestalt ha-ben. Mögliche geometrische Formen derElementarzellen sind kubisch, tetragonal,rhombisch, hexagonal, monoklin und trik-lin. Bei einigen Metallen ändert sichdie Atomanordnung in der Elementarzellebeim Erwärmen oder Abkühlen im festenAggregatzustand. Diese Eigenschaft derMetalle wird als Allotropie bezeichnet. Diedadurch erreichten neuen Ordnungszu-stände sind die allotropen Modifikationen.Auch das Eisen hat solche allotropen Mo-difikationen.

Für das Fe-C-Diagramm sind jedoch nurdie kubische (raumzentriert oder flächen-zentriert) und die hexagonale Gitterstruk-tur von Bedeutung. Bei reinem Eisen exis-tieren die verschiedenen Elementarzellenbei folgenden Temperaturbereichen. Das„Alpha-Eisen“ mit seiner kubisch-raum-zentrierten Elementarzelle liegt vonRaumtemperatur bis zu 910 °C vor. Das„Gamma-Eisen“ mit seiner kubisch-flä-chenzentrierten Elementarzelle existiertvon 910 bis 1390 °C. Das „Delta-Eisen“tritt von 1390 °C bis zum Schmelzpunktdes reinen Eisens bei 1535 °C auf. AlleGraphitkristalle im Gusseisen haben dashexagonale Gitter. Die Verbindungen zwi-schen Eisen und Kohlenstoff haben eine

Bild 1: Die Elementargitter bei den Gusseisenwerkstoffen [16]

Bild 2: Mischkristallea) Substitutionsmischkristall b) Einlagerungsmischkristall [16]

sehr komplizierte Elementarzelle. Bei derAufzählung der Mischkristalle fällt auf,dass keine Beta-Mischkristalle vorhandensind. Diese wurde früher zwischen derCurie-Temperatur bei 766 °C, bei der dasEisen während der Erwärmung seinenFerromagnetismus verliert, und demGamma-Mischkristall angesiedelt. Weiljedoch in diesem Temperaturbereich keinanderes Kristallgitter existiert, wurde die-se Bezeichnung fallen gelassen.

Der Prozess beim Umwandeln von einerOrdnungsstruktur in die andere ist gene-rell reversibel, also umkehrbar. Das reineEisen entwickelt beim Erwärmen vonRaumtemperatur bis zum Schmelzpunktdie allotropen Modifikationen Alpha-,Gamma- und Delta-Eisen. Beim Abkühlenvom Erstarrungspunkt bis zur Raumtem-peratur erfolgen diese Umwandlungen inumgekehrter Reihenfolge. Die Tempe-ratur, bei der eine allotrope Umwandlungerfolgt, lässt sich verändern, wenn zumEisen weitere Elemente zugesetzt wer-den wie zum Beispiel Kohlenstoff.

2.1 Mischkristalle und inter-metallischen Phasen

Die Wechselwirkungen von zwei Metallenoder von einem Metall und einer Verbin-dung werden in Zustandsdiagrammen dar-gestellt. Sie zeigen, welche Zustände inAbhängigkeit von Temperatur und Kon-zentration jeweils vorliegen. Die Ausgangs-stoffe werden Komponenten genannt, diemit großen lateinischen Buchstaben be-zeichnet sind. Neben den reinen Stoffen(den Komponenten A und B) entstehendurch die Wechselwirkung der Kompo-nenten Mischkristalle oder Verbindungen.

Zahlreiche Metalle haben die Eigenschaft,andere Metallatome oder Atome von Nicht-metallen in das aus einer Vielzahl vonElementarzellen bestehende Kristallgitteraufzunehmen. Es entstehen dabei Misch-kristalle, die den gleichen Gitteraufbauwie das Grundmetall haben. Früher wur-den diese Mischkristalle auch „feste Lö-sungen“ genannt. Diese Mischkristallewerden in Zustandsdiagrammen mit klei-nen griechischen Buchstaben (ααααα, βββββ, γγγγγ, δδδδδusw.) bezeichnet. Ein Zustandsdiagramm(zum Beispiel ein Zweistoffsystem) be-schreibt den Zustand eines metallischenWerkstoffs in Abhängigkeit von Tempera-tur und Konzentration (siehe Fe-C-Pha-sendiagramm, Fe-C-Gefügediagramm).

Es gibt zwei verschiedene Arten vonMischkristallen, die Substitutionsmisch-kristalle und die Einlagerungsmischkris-talle.

Bei den Substitutionsmischkristallen (auchAustauschmischkristalle genannt) (Bild2a) werden Atome des aus dem chemi-schen Element A bestehenden Kristallgit-ters durch Fremdatome des chemischenElements B ausgetauscht (substituiert).Diese Substitution kann entweder in je-dem beliebigen Mengenverhältnis derbeteiligten Atome ablaufen, oder sie istfür eine bestimmte Menge an Fremd-

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misch voneinander unterscheiden. Damitist erkennbar, welche Phasen bezie-hungsweise Gefügebestandteile in Ab-hängigkeit von der chemischen Zusam-mensetzung und der Temperatur vor-liegen. Der Einflussfaktor Zeit spielt dabeikeine Rolle. Er wird erst dann berück-sichtigt, wenn kinetische Betrachtungenangestellt werden.

Das Fe-C-Diagramm beschreibt eineReihe von Grundlagen für Eisen-Kohlen-stoff-Werkstoffe, bei denen zwischenStahl (Stahlguss) und Gusseisen zu un-terscheiden ist. Bei diesem wichtigen Zu-standsdiagramm muss zwischen demPhasendiagramm und dem Gefügedia-gramm unterschieden werden.

3.1 Das Phasendiagramm Fe-CDas Fe-C-Diagramm ist ein Doppeldia-gramm, in dem zwei Systeme dargestelltsind (Bild 5): Es gibt ein metastabiles Sys-tem als thermodynamisches Gleichge-wicht (rote Linien), in dem es die Misch-kristalle Alpha, Gamma und Delta sowiedas Eisencarbid gibt, jedoch keine Gra-phitkristalle vorhanden sind, und ein sta-biles System (blaue Linien), in dem nebenden Mischkristallen Alpha, Gamma undDelta Graphitkristalle existieren, wohin ge-gen das Eisencarbid fehlt.

Im Gegensatz zu allen anderen Zweistoff-systemen für metallische Werkstoffe

atomen begrenzt. Im ersten Fall wird voneiner unbegrenzten Löslichkeit und imzweiten Fall von einer begrenzten Lös-lichkeit der Fremdatome der KomponenteB im Kristallgitter der Komponente A ge-sprochen. Bei den Einlagerungsmisch-kristallen (Bild 2b) werden die Fremdato-me der Komponente B zwischen die Ato-me des Kristallgitters der Komponente Aeingelagert. Dazu müssen die einzula-gernden Atome wesentlich kleiner als dieAtome des Grundgitters sein. Für die Ei-sen-Kohlenstoffwerkstoffe (Fe-C-Werk-stoffe) liegt eine begrenzte Löslichkeit vonKohlenstoff im Alpha-, Gamma- und Delta-Eisen vor. Dabei bildet der Kohlenstoff mitdem Eisen Einlagerungsmischkristalle.Die Löslichkeit der Komponente B in demKristallgitter der Komponente A ist von derTemperatur abhängig. Das gilt auch fürdie Mischkristalle im Fe-C-Diagramm.

Zwei Komponenten können auch eineVerbindung vom Typ AmBn bilden. Sie wer-den als intermediäre Phasen oder inter-metallische Verbindungen bezeichnet.Eine solche wichtige Verbindung im Ei-sen-Kohlenstoff-Diagramm ist das Eisen-carbid (Fe3C) mit einem sehr komplizier-ten Gitter (Bild 3). Die beiden ElementeEisen und Kohlenstoff sitzen auf fest re-servierten Plätzen in einem rhombischenGitter. Werden die einzelnen Atome derElemente ausgezählt, so ist ein Zahlen-verhältnis von drei Atomen Eisen zu ei-nem Atom Kohlenstoff feststellbar, was zuder Bezeichnung Eisencarbid (Fe3C)führt. Das Eisencarbid hat einen Kohlen-stoffgehalt von 6,7 %.

2.2 Die Erstarrung polykristal-liner Werkstoffe

Metallische Werkstoffe bestehen in derRegel aus einer Vielzahl von Kristallen.Diese bilden sich während des Erstar-rungsprozesses der Schmelze. Die Ent-stehung der Kristalle verläuft in zweiTeilprozessen, dem der Keimbildung unddem des Kristallwachstums. Bei den tech-nischen metallischen Werkstoffen beginntdie Erstarrung an Fremdkeimen. DieseFremdkeime sind kleine Festkörperpar-tikel, die in der Schmelze vorhanden sindoder sich bei der Abkühlung der Schmelzebilden. Ausgehend von diesen Keimenwachsen die Kristalle so lange bis keineSchmelze mehr vorhanden ist und sichdie gebildeten Kristalle an ihren Grenzen– den Korngrenzen – berühren (Bild 4).Die einzelnen Kristalle bestehen jeweilsaus einer sehr großen Zahl von Elemen-tarzellen. Diese Kristalle werden meistKörner genannt. Oft wird nach feinkör-nigen und grobkörnigen Werkstoffen un-terschieden. Feinkörnige Werkstoffe ha-ben eine höhere Festigkeit als grobkör-nige. Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)ist ein feinkörniger Werkstoff, ähnlich wieein Feinkornstahl [17, 18].

3 Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (Fe-C-Dia-gramm)

Thermodynamische Betrachtungen füh-ren bei allen Zweistoffsystemen in Abhän-gigkeit von der chemischen Zusammen-setzung des Werkstoffs und der Tem-peratur zu Phasenfeldern. Phasen sinddurch Grenzflächen (Phasengrenzen)voneinander getrennte Werkstoffberei-che, die sich physikalisch und/oder che-

Bild 3: Gitterstruktur des Eisencarbids [16]gelb – Eisenatome,schwarz – Kohlenstoffatome

Bild 4: Schema der Erstarrung eines Metalls [16]

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von 723 °C 0,8 %. Für Kohlenstoff im Al-pha-Mischkristall liegt die Löslichkeit beieiner Temperatur von 723 °C dagegen beinur 0,025 % (Punkt P).

Bei näherer Betrachtung des Fe-C-Dia-gramms gibt es im festen Zustand nur fünfPhasen: Alpha-, Gamma- und Delta-Mischkristalle, Graphit und Fe3C. DerKohlenstoff ist in den Mischkristallengelöst und entweder an das Eisen ge-bunden (Fe3C) oder in freier Form (Gra-phit) vorhanden.

enthält das Fe-C-Diagramm zusätzlicheInformationen. So sind zum Beispiel allewichtigen Punkte hinsichtlich Temperaturund Kohlenstoffkonzentration mit großenlateinischen Buchstaben gekennzeichnet(beispielsweise C für das metastabileSystem und C´ für das stabile System).Die Tabelle 2 gibt eine Übersicht überdiese wichtigen Punkte.

Erkennbar ist, dass im Fe-C-Diagrammdrei Teilsysteme enthalten sind: ein eu-tektisches System (ABCDEF), ein eutek-toides System (GOSEPK) und ein peritek-tisches System (ABHNI). Im Rahmen deseutektischen Systems spielt sich dieErstarrung, die Umwandlung von derSchmelze in den festen Aggregatzustandab. Das eutektoide System ist dem eutek-tischen System ähnlich, beschreibt jedochUmwandlungsvorgänge innerhalb desfesten Aggregatzustands. Das peritekti-sche System steht auch mit der Erstar-rung in Zusammenhang. Es ist jedoch fürdas Gusseisen ohne Bedeutung. Für dieallgemeinen Grundlagen über die Zwei-stoffsysteme sei auf herkömmliche Lehr-bücher der Werkstoffkunde verwiesen.

Die Mischkristalle Alpha, Gamma und Del-ta im Fe-C-Diagramm haben eine be-grenzte und temperaturabhängige Lös-lichkeit für Kohlenstoff. Die maximaleLöslichkeit für Kohlenstoff im Gamma-Mischkristall beträgt bei einer Temperaturvon 1147 °C 2,03 % (Punkt E). Die Lös-lichkeit nimmt mit abnehmender Tempera-tur ab und erreicht bei einer Temperatur

Tabelle 2: Konzentrationen und Tempera-turen im Fe-C-Diagramm

Punkt

ABCC’DD’EE’FF’GHIKK’LMNOPP’QSS’

Tempe-ratur

[°C]

15361493114711531325 ?1147115311471153 91114991499 723 738 0 7691392 769 723 738 0 723 738

Kohlenstoff-Konzentration

[Gew.-%]

0,000 0,530 4,300 4,260 6,687

? 2,030 2,010 0,870100,000 0,000 0,080 0,160 6,687100,000 6,687 0,000 0,000 0,512 0,025 0,023 0,000 0,800 0,680

[Atom-%]

0,00 2,42 17,29 17,14 25,00

? 8,79 8,71 25,00100,00 0,00 0,37 0,38 25,00100,00 25,00 0,00 0,00 2,34 0,12 0,12 0,00 3,62 3,09

Bild 6: Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, Gefügediagramm [16]

Bild 5: Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, Phasendiagramm [16]

3.2 Das Gefügediagramm Fe-C

Bei dem Fe-C-Gefügediagramm (Bild 6)liegen einige Besonderheiten vor, die esbei den anderen Zweistoffsystemen fürmetallische Werkstoffe so nicht gibt. Dievorhandenen Phasen und Gefüge tragenspezielle Namen, die das Fe-C-Diagrammscheinbar unübersichtlich machen. DerAlpha-Mischkristall heißt „Ferrit“ (Ferrum– Eisen), der Gamma-Mischkristall trägtden Namen „Austenit“ nach dem engli-

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schen Wissenschaftler R. Austen, das eu-tektische Gefüge des metastabilen Sys-tems (Gamma- beziehungsweise Alpha-Mischkristall und eutektisches Fe3C) wird„Ledeburit“ nach dem deutschen Hoch-schullehrer A. Ledebur genannt. Das eu-tektoide Gefüge (Alpha-Mischkristall undeutektoides Fe3C) wird als „Perlit“ be-zeichnet, dessen für die mikroskopischeUntersuchung vorbereiteten Proben ander Oberfläche einen perlmuttartigenGlanz haben. Das Fe3C heißt „Zementit“.Bei dem Zementit gibt es noch folgendeUnterscheidungen. Ausgehend von derErstarrung bis Raumtemperatur entstehtentlang der Linie D - C „Primärzementit“,entlang der Linie E - S „Sekundärzemen-tit“ und entlang der Linie P - Q „Tertiär-zementit“. Außerdem gibt es noch dieerwähnten eutektischen und eutektoidenZementite. Analog zu den Zementit-Be-zeichnungen gibt es die entsprechendenGraphitbezeichnungen: Ausgehend vonder Erstarrung bis zur Raumtemperaturbildet sich entlang der Linie D´ - C` „Pri-märgraphit“, entlang der Linie E´ - S´ „Se-kundärgraphit“ und entlang der Linie P´ -Q´ „Tertiärgraphit“. Hinzu kommen dereutektische und eutektoide Graphit.

Der Delta-Mischkristall und das eutekti-sche Gefüge im stabilen System, das beider Erstarrung aus Gamma-Mischkris-tallen und Graphit besteht, haben (noch)keine speziellen Namen. Wegen der gro-ßen Bedeutung des eutektischen Ge-füges im stabilen System, das bei der Er-starrung bei allen graphithaltigen Guss-eisenwerkstoffen entsteht, ist das eigent-lich unverständlich. R. Döpp [19] hat indiesem Zusammenhang den Vorschlaggemacht, das eutektische Gefüge desstabilen Systems „Osannit“ nach demdeutschen Hochschullehrer B. Osann zunennen.

3.3 Abkühlungsverläufe fürGusseisen bei der Erstarrungim stabilen SystemEin eutektisches Gusseisen der Zusam-mensetzung 1 im Bild 6 erstarrt im stabi-len System im Punkt C´ bei der eutekti-schen Temperatur E´ - F‘ und bildet dasAustenit-Graphit-Eutektikum. Bei der wei-teren Abkühlung entlang der Linie E´ - S´verarmt der Austenit an Kohlenstoff unterAusscheidung von Sekundärgraphit, dersich an die eutektisch ausgeschiedenenGraphitkristalle anlagert. Die Austenit-Kristalle wandeln sich bei der eutektoidenTemperatur P´ - K´ in Alpha-Mischkristalleund eutektoiden Graphit um. Das Gefügeeines eutektischen Gusseisens bestehtbei Raumtemperatur aus dem Graphit-Eutektikum und dem eutektoiden Ferrit.Die Ausscheidung von Tertiärgraphit ent-lang der Linie P´ - Q´ kann wegen der ge-ringen Menge vernachlässigt werden.

Ein untereutektisches Gusseisen derZusammensetzung 2 im Bild 6 beginntzu erstarren, wenn die Linie B - C´ unter-schritten wird und scheidet bei weitererAbkühlung zunächst primäre Austenit-Kristalle aus. Die Schmelze reichert sichdurch die Ausscheidung der kohlenstoff-armen Primärkristalle des Austenits mitKohlenstoff an, bis sie die eutektischeZusammensetzung im Punkt C´ erreichtund dann eutektisch erstarrt. Mit weitersinkender Temperatur verläuft die Ge-fügeumwandlung wie bei dem eutek-tischen Gusseisen. Das Gefüge eines un-tereutektischen Gusseisens enthält beiRaumtemperatur Ferrit, der aus den pri-mären Austenit-Kristallen entstanden ist,und das Graphit-Eutektikum aus Gra-phitkristallen und dem eutektoiden Ferrit.

Im Bild 7 ist die Erstarrung eines untereu-tektischen Gusseisens mit Lamellengra-phit (GJL) schematisch dargestellt. Ausder Schmelze scheiden sich die primärenAustenit-Kristalle aus. Dann folgt die Er-starrung des Graphit-Eutektikums in Formvon eutektischen Zellen (eutektischen Kör-nern), die sich ständig vergrößern, bis dieSchmelze aufgebraucht ist (Bild 7a). Injeder eutektischen Zelle befindet sich einGraphitkristall, der aus vielen blattarti-gen Teilen besteht. Ein zweidimensionalerSchnitt durch einen solchen Graphitkris-tall lässt erkennen, dass es sich um La-mellengraphit mit seiner charakteristi-schen Salatkopfstruktur handelt (Bild 7b).

Bei einem untereuktischen Gusseisen mitKugelgraphit (GJS) läuft die Erstarrunganalog zum Gusseisen mit Lamellen-graphit ab (siehe Bild 8). Jede eutek-tische Zelle enthält eine Graphitkugel(Bild 8a). Im Bild 8b wird eine Graphit-kugel mit dem typischen Sphärolithen-kreuz gezeigt, das auf den inneren Aufbaudieser Graphitkugeln hinweist. Die Sechs-eckebene des Graphitgitters liegt senk-recht zum Kugelradius.

Ein Gusseisen mit der Zusammensetzung3 entsprechend Bild 6 scheidet bei Unter-schreitung der Linie C´ - D´ Primärgraphitaus. Durch diese Ausscheidung von rei-nem Kohlenstoff verarmt die Schmelzeentlang der Linie D´ - C´ an Kohlenstoffund erreicht bei weiterer Abkühlung dieKonzentration C´ bei der eutektischenTemperatur, wo sie unter Bildung desGraphit-Eutektikums erstarrt. Bei der Ab-kühlung bis auf Raumtemperatur erfolgtdie Gefügeumwandlung analog zum eu-tektischen Gusseisen. Bei Raumtempe-ratur besteht das Gefüge aus Primär-graphit und dem Graphit-Eutektikum, dasaus Graphit- und Ferrit-Kristallen besteht.

Bild 7:Erstarrungsablauf eines untereutektischen Gusseisens mitLamellengraphit

Bild 8:Erstarrungsablauf eines untereutektischen Gusseisens mitKugelgraphit

a) b) a) b)

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Gusseisenmit Lamel-lengraphit

s(mit Graphit)

m(Perlitbildung)

keine Änderung(Austenitisie-

rung)

m(Perlitbildung)

Die Gusseisenwerkstoffe mit Graphitkris-tallen sind vorwiegend eutektische unduntereutektische Werkstoffe. Deutlichübereutektische Werkstoffe sind in derPraxis nicht beherrschbar. Der sich aus-scheidende Primärgraphit hat eine deut-lich geringere Dichte als die Schmelzeund schwimmt deshalb sehr schnell nachoben und bildet auf der Oberfläche derSchmelze eine Schaumschicht, die alsGarschaumgraphit bezeichnet wird.

Bei der Gefügebildung beziehungsweiseGefügeumwandlung werden beim Guss-eisen zwei Umwandlungsstufen unter-schieden: Die erste Stufe liegt zwischendem Beginn der Erstarrung und der Tem-peratur der eutektoiden Umwandlung.Hier entscheidet sich, ob ein Gusseisengrau oder weiß erstarrt. Die zweite Stufeliegt im Bereich der eutektoiden Umwand-lung. Hier entscheidet sich, ob eine per-litische, perlitisch-ferritische oder ferri-tische metallische Grundmasse entsteht.

In der Tabelle 3 sind die realen Gefüge-bildungen und Gefügeumwandlungen beiden verschiedenen Gusseisengruppenmit Blick auf das stabile (s) und das meta-stabile (m) Fe-C-Diagramm und die Er-starrung beziehungsweise die Wärmebe-handlung zusammengestellt. Aus dieserZusammenstellung können folgendeSchlussfolgerungen entnommen werden:Bei den Gusseisengruppen „Gusseisenmit Lamellengraphit“, „Gusseisen mit Ku-gelgraphit“ und Gusseisen mit Vermicu-largraphit“ erfolgt die Erstarrung (ersteStufe) nach dem stabilen Fe-C-Dia-gramm, bei den Werkstoffgruppen „Tem-perguss“ und „Hartguss“ nach dem meta-stabilen Fe-C-Diagramm.

Bei der zweiten Umwandlungsstufe erge-ben sich folgende Verhältnisse. Bei denGusseisengruppen „Gusseisen mit Lamel-lengraphit“, „Temperguss“ und „Hartguss“bildet sich Perlit. Die Gefügeumwand-lung erfolgt also nach dem metastabilenFe-C-Diagramm. Bei den Gusseisen-gruppen „Gusseisen mit Kugelgraphit“und „Gusseisen mit Vermiculargraphit“können die Bedingungen so eingestelltwerden, dass die eutektoide Umwand-lung entweder nach dem stabilen odernach dem metastabilen Fe-C-Diagrammabläuft. Es entsteht dann entweder Ferritoder Perlit.

Bezüglich der Wärmebehandlung gibt esbei den Gusseisengruppen „Gusseisenmit Lamellengraphit“, „Gusseisen mit Ku-gelgraphit“ und „Hartguss“ gegenüber derbisherigen Beschreibung in der erstenUmwandlungsstufe keine Veränderun-gen. Beim „Temperguss“ erfolgt durcheine Wärmebehandlung, das Tempern,

Tabelle 3: Gusseisenwerkstoffe und ihre Graphitisierungsstufen

Stufe

1. Stufe

2. Stufe

1. Stufe

2. Stufe

angestrebter Gefügezustand bei Abkühlung von der Schmelztemperaturbis auf Raumtemperatur

angestrebte Veränderung bei einer Wärmebehandlung

Gusseisen mit Vermicular-

graphit

s(mit Graphit)

s oder m(Ferrit- oder

Perlitbildung)

keine Änderung(Austenitisie-

rung)

s oder m(Ferrit- oder

Perlitbildung)

Temperguss

m(graphitfrei)

m(Perlitbildung)

Übergang vonm zu s

(Austenitisie-rung und

Graphitbildung)s oder m

(Ferrit- oderPerlitbildung)

Hartguss

m(graphitfrei)

m(Perlitbildung)

keine Änderung(Austenitisie-

rung)

m(Perlitbildung)

Gusseisenmit Kugel-

graphit

s(mit Graphit)

s oder m(Ferrit- oder

Perlitbildung)

keine Änderung(Austenitisie-

rung)

s oder m(Ferrit- oder

Perlitbildung)

der Übergang vom metastabilen zum sta-bilen Fe-C-Diagramm. Aus dem graphit-freien Gefüge aus primären Austenit-Kris-tallen und Ledeburit entsteht beim Tem-pern in neutraler Atmosphäre ein Gefügeaus Austenit und Graphit (Temperkohle).Erfolgt das Tempern in oxidierender At-mosphäre, wird dem Temperguss derKohlenstoff entzogen und es bildet sichein Gefüge aus Austenit ohne Graphit-kristalle. In der zweiten Umwandlungs-stufe wird entweder das metastabile Fe-C-Diagramm mit der Perlitbildung oderdas stabile Fe-C-Diagramm mit der Ferrit-bildung betätigt. Es entsteht so der perli-tische oder der ferritische Temperguss,der noch Graphitkristalle (Temperkohle)enthält. Temperguss mit Graphitkristallen(Temperkohle) heißt „Schwarzer Temper-guss“; Temperguss ohne Graphitkristalle(Temperkohle) heißt „Weißer Temper-guss“. Weißer Temperguss entsteht beieiner entkohlenden Glühung.

Im Normalfall hat beispielsweise ein eu-tektisches Gusseisen mit Lamellengra-phit bei Raumtemperatur ein perlitischesGefüge mit eingelagerten Graphitlamel-len. Es ist damit ein Werkstoff, der nachdem stabilen Fe-C-Diagramm erstarrt undnach dem metastabilen Fe-C-Diagrammbei der eutektoiden Umwandlung reagiert.Das Gusseisen mit Lamellengraphit istalso ein Werkstoff, der sowohl zum sta-bilen Fe-C-Diagramm als auch zum me-tastabilen Fe-C-Diagramm gehört. Dasgilt auch für perlitisches Gusseisen mitKugelgraphit, für perlitisches Gusseisenmit Vermiculargraphit und für perlitischenTemperguss.

Bei den Phasen- und Gefügeumwand-lungen im Fe-C-Diagramm müssen dieAtome Ortswechsel vornehmen. Es er-

folgen Platzwechselvorgänge. Dabei wirddie Beweglichkeit der Atome durch dieGesetze der Diffusion beschrieben. DieDiffusionsgeschwindigkeit der Atome istumso größer, je höher die Temperatur ist.Für die Diffusion der Atome ist Zeit erfor-derlich. Bei den bisher beschriebenenGefügeumwandlungen liegen unbegrenz-te Diffusionsmöglichkeiten vor, das heißt,für die Beendigung der Diffusionsvor-gänge ist ausreichend Zeit vorhanden. ImFe-C-Diagramm gibt es für den Ablauf derbeschriebenen Umwandlungsvorgängekeine zeitliche Beschränkung.

Wird die Zeit für die Diffusion der Atomedurch technische Randbedingungen ein-geschränkt, liegen nur begrenzte Diffu-sionsmöglichkeiten vor. Es entstehen an-dere Gefüge, die im Fe-C-Diagramm garnicht enthalten sind (zum Beispiel Bainit,siehe Kapitel 6.2.3). Bei sehr schneller Ab-kühlung aus dem Austenitgebiet ergibtsich eine diffusionslose Gefügeumwand-lung. Es entsteht dann Martensit (sieheKapitel 6.2.2).

Bei unbegrenzter und begrenzter Diffu-sionsmöglichkeit bewegen sich die einzel-nen Atome noch individuell, weshalb mit-unter von einer „zivilen“ Gefügeumwand-lung gesprochen wird. Für die diffusions-lose Gefügeumwandlung, die ohne indi-viduelle Atombewegung erfolgt, sonderndurch einen Umklappvorgang ganzerAtomverbände, ist deshalb die Bezeich-nung „militärische“ Gefügeumwandlunggewählt worden.

Für die Beschreibung der Gefügeum-wandlungen bei begrenzten Diffusions-möglichkeiten und der diffusionslosenGefügebildung sind Zeit-Temperatur-Um-wandlungsdiagramme (ZTU-Diagramme)notwendig (siehe Kapitel 6.2).

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sind. Auf einem gleichschenkligen Drei-eck, in dem die drei Elemente angeordnetsind, steht senkrecht die Temperatur-achse. Erfolgt darin jedoch ein Schnitt beieinem konstanten Siliciumgehalt, ent-steht wieder ein einfacheres flächiges Zu-standsdiagramm. Ein solcher quasibinä-rer Schnitt im Fe-C-Si-Diagramm bei zumBeispiel 2,4 % Silicium reicht für die Be-schreibung der ablaufenden Prozesseaus (Bild 11).

Das Fe-C-Si-Diagramm unterscheidetsich vom Fe-C-Diagramm wie folgt:- Aus der eutektischen Linie wird ein

eutektisches Intervall, das mit zuneh-mendem Siliciumgehalt breiter wird.

- Der eutektische und auch der eutek-toide Punkt werden durch Einflussdes Siliciums nach links hin zu gerin-geren Kohlenstoffgehalten verschoben.

- Ein zunehmender Siliciumgehalt för-dert die Gefügebildung beziehungs-weise die Gefügeumwandlung nachdem stabilen System.

- Die Kohlenstofflöslichkeit im Austenitwird verringert.

5 Die Formen der Gra-phitkristalle imGusseisen

Es wurde schon darauf hingewiesen,dass die mechanischen Eigenschaftender graphithaltigen Gusseisenwerkstoffesehr deutlich von der Form der Graphit-kristalle abhängig sind. Zunächst sollendie Graphitformen nach DIN EN ISO 945gezeigt werden (Bild 12). In der gezeig-ten Richtreihe sind verschiedene Typenvon Graphitkristallen vereinfacht darge-stellt. Typ I ist der Lamellengraphit, Typ

3.4 Beeinflussung des Fe-C-DiagrammsDie Linienführung im Fe-C-Diagramm unddie dadurch entstehenden Phasenfelderverändern sich bei Zusatz weiterer Le-gierungselemente. Von großer prakti-scher Bedeutung bei den Fe-C-Werk-stoffen sind folgende Veränderungen:

- Durch bestimmte Legierungselementewird das Gamma-Gebiet eingeschnürt(Bild 9).

- Durch andere Legierungselementekann das Gamma-Gebiet erweitertwerden (Bild 10). Zu den Legierungs-elementen mit dieser Wirkung gehörtdas Nickel. Die Erweiterung des Gam-ma-Gebietes bildet die Grundlage fürdas „Austenitische Gusseisen“ (vgl.DIN EN 13835). Die Sorten des auste-nitischen Gusseisens enthalten 12,0bis 36,0 % Nickel.

- Einige Legierungselemente bilden mitFe3C Mischcarbide oder es entstehenSondercarbide. Bei Zusatz von Man-gan bilden sich zum Beispiel Misch-carbide wie (Fe,Mn)3C. Das Gitter desFe3C bleibt erhalten, es werden nureinige Eisenatome durch Manganato-me ersetzt. Der Zusatz von beispiels-weise Chrom führt zu Sondercarbidenwie Cr7C3 oder Cr4C. Solche Sondercarbide haben ein eigenes komplizier-tes Gitter. Die Neigung zur Carbidbil-dung nimmt in folgender Reihenfolgeder Elemente zu: Mangan (Mn),Chrom (Cr), Wolfram (W), Molybdän(Mo), Vanadium (V), Titan (Ti). Die Be-einflussung der Carbidbildung ist einewesentliche Grundlage für das „Ver-schleißbeständige Gusseisen“ (vgl.DIN EN 12513).

4 Das System Fe-C-SiGusseisenwerkstoffe sind genauer be-trachtet Eisen-Kohlenstoff-Silicium-Werkstoffe mit einem Kohlenstoffgehaltvon 2 bis 4 % und einem Siliciumgehaltvon 2 bis 3 %. Zur Vereinfachung derBetrachtungen wird von anderen imGusseisen vorkommenden Elementenzunächst abgesehen. Die Gusseisen-werkstoffe werden trotz des relativ hohenSiliciumgehalts traditionell als unlegierteWerkstoffe bezeichnet. Die Gefügeent-stehung beim Erstarren und die Gefüge-umwandlungen beim weiteren Abkühlenoder bei einer Wärmebehandlung könnendeshalb auch nur mit einem Dreistoffsys-tem (Fe-C-Si) beschrieben werden. DieseDreistoffsysteme haben vier Veränder-liche, so dass sie nur räumlich darstellbar

Bild 11: Eisen-Kohlenstoff-Silicium-Diagramm (Schnitt bei 2,4 % Silicium) [16]

Bild 9: Einschnürung des Gamma-Gebiets durch Legierungselemente (links) [16]Bild 10: Erweiterung des Gamma-Gebiets durch Legierungselemente (rechts) [16]

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III der Vermiculargraphit (wurmförmigerGraphit, lateinisch Vermis – der Wurm)und Typ VI der Kugelgraphit. Diese dreiGraphitformen prägen die drei Gruppenvon Gusseisenwerkstoffen: „Gusseisenmit Lamellengraphit - GJL“, „Gusseisenmit Vermiculargraphit - GJV“ und „Guss-eisen mit Kugelgraphit - GJS“ entspre-chend den vorliegenden Werkstoff-Nor-men. Mit Bild 13 wird ein Eindruck überdie räumliche Ausbildung der genanntenwichtigen Graphitkristalle vermittelt. Inden Bilder 14 a bis c werden realeGefüge von Gusseisen mit Lamellen-graphit, Gusseisen mit Vermiculargra-phit und Gusseisen mit Kugelgraphit ge-zeigt.

Die Gefüge des grau erstarrenden Guss-eisens bestehen also aus der metalli-

Bild 13: Raumformen der Graphitkristalle [16]a) Lamellengraphit b) Vermiculargraphit c) Kugelgraphit

Bild 12: Richtreihe für Graphitformen (I - VI)

Bild 14: Gefüge von perlitischem Gusseisen mit Lamellengraphit (a), von ferritischem Guss-eisen mit Vermiculargraphit (b) und von ferritischem Gusseisen mit Kugelgraphit (c) [16]

schen Grundmasse, die Eigenschaftenwie ein eutektoider Stahl hat, und den ver-schiedenen Graphitkristallen, die in die-ser metallischen Grundmasse eingela-gert sind. Mit den Graphitlamellen wirddie metallische Grundmasse stark unter-brochen, und an den Rändern dieser Gra-phitlamellen bilden sich bei Beanspru-chung durch äußere Kräfte Spannungs-spitzen. Die Graphitlamellen haben eineinnere Kerbwirkung. Bei gleicher Gra-phitmenge nehmen Graphitkugeln denkleinstmöglichen Raum ein und dieKerbwirkung ist nicht mehr vorhanden(siehe Bild 15).

Bei dem Gusseisen mit Lamellengraphitkommen wegen der genannten Gründedie Stahleigenschaften der metallischenGrundmasse nur sehr eingeschränkt zurGeltung. Die Zugfestigkeit von Gusseisenmit Lamellengraphit liegt deshalb nurim Bereich von 100 bis 350 N/mm2. BeimGusseisen mit Kugelgraphit erscheinendiese Stahleigenschaften wieder voll.Deshalb reicht der Bereich der Zugfes-tigkeit beim Gusseisen mit Kugelgraphitvon 350 bis 1600 N/mm2 und liegt damitim Bereich der Stähle.

6 WärmebehandlungMit Wärmebehandlungsverfahren könnendurch Beeinflussung des Grundgefügesdie Eigenschaften von Stählen und Guss-eisenwerkstoffen in weiten Grenzen geän-dert werden. Die beim Erstarren entstan-denen Graphitformen ändern sich dabeinicht. Im Bild 16 ist schematisch die Tem-peratur-Zeit-Folge bei einem Wärmebe-handlungsverfahren dargestellt. DerWerkstoff wird mit einer festgelegtenAufheizgeschwindigkeit von Raumtem-peratur auf die technisch wichtige undrichtige Temperatur aufgeheizt. Bei dieserTemperatur wird der Werkstoff eine be-stimmte Zeit für die Durchwärmung undGefügeumwandlung gehalten. Eine vor-gegebene Haltedauer muss eingehaltenwerden. Anschließend erfolgt die Abküh-lung mit wiederum technisch richtigen Ab-kühlungsgeschwindigkeiten.

6.1 Zeit-Temperatur-Austeni-tisierungs-Diagramme(ZTA-Diagramme)

Mehrere Wärmebehandlungsverfahrenbeim Gusseisen beginnen mit einem Er-

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wärmen des Werkstoffs in das Austenit-gebiet oberhalb des eutektoiden Inter-valls. Grundlage für die Einstellung deroptimalen Verfahrensparameter sind dieZTA-Diagramme (Bilder 17 a und b [20,21]). Mit den ZTA-Diagrammen wird zumBeispiel die Umwandlung eines Aus-gangsgefüges beim Gusseisen mit Ku-gelgraphit mit perlitischer oder ferritischerGrundmasse in Abhängigkeit von der Aus-tenitisierungstemperatur und -dauer ver-anschaulicht. Es zeigt sich bei den beidendargestellten ZTA-Diagrammen ein deut-licher Unterschied im Verhalten des Guss-eisens bei der Austenitisierung in Abhän-gigkeit vom Zustand der metallischenGrundmasse vor der Austenitisierung.

Wenn vom ferritischen Zustand der me-tallischen Grundmasse ausgegangenwird, ergeben sich für gleiche Austeni-tisierungstemperaturen längere Umwand-lungszeiten als bei einem perlitischenAusgangszustand. Beim perlitischenGusseisen mit Kugelgraphit kann die Aus-tenitisierung schneller als beim ferriti-schen verlaufen, weil der Perlit schnellaustenitisiert. Die Ferrit-Zwischenräumedes Perlits werden durch den Zerfall desperlitischen Zementits sehr rasch aufge-

Bild 15: Kraftlinienverlauf bei Gusseisen mit Lamellengraphit(a) und bei Gusseisen mit Kugelgraphit (b)

Bild 17: Isothermisches ZTA-Diagramm für ein ferritisches Gusseisen mitKugelgraphit (a) und für ein perlitisches Gusseisen mit Kugelgraphit (b)

Bild 16: Temperatur-Zeit-Verlauf bei einer Wärmebehandlung

kohlt. Die weitere Austenitisierung rest-licher Ferritbereiche ist erst möglich,wenn Kohlenstoff von den Graphitkris-tallen nachdiffundiert. Dieser Vorgangverläuft aufgrund der längeren Diffusions-wege und der relativ kleinen Reaktions-fläche zwischen den Graphitkristallen undder metallischen Grundmasse verhältnis-mäßig langsam ab. Beim Austenitisierenvon ferritischem Gusseisen mit Kugel-graphit verläuft die Aufkohlung des Aus-tenits nur durch Diffusion von Kohlenstoffaus den Graphitkristallen ab.

Bei einem untereutektoiden Stahl mit bei-spielsweise 0,4 % Kohlenstoff liegt nachdem Austenitisieren ein Austenit mit 0,4 %Kohlenstoff vor. Im Unterschied dazukohlt der Austenit eines Gusseisensdurch das Vorhandensein der Graphit-kristalle immer bis zur Sättigung entlangder Linie S´ - E´ im Fe-C-Si-Diagrammauf. Die Geschwindigkeit dieser innerenAufkohlung ist von der Graphitform undvon dem Durchmesser der Graphitkugelnabhängig. Je kleiner der Graphitkugel-durchmesser ist, umso kleiner ist beigleicher Graphitmenge der Abstand zwi-schen den Graphitkugeln, das heißt, dieDiffussionswege sind kürzer.

6.2 Zeit-Temperatur-Umwand-lungs-Diagramme (ZTU-Diagramme)

Eine weitere wichtige metallkundlicheGrundlage für die Beschreibung der Ge-fügeänderungen bei einem Wärmebe-handlungsverfahren sind die ZTU-Dia-gramme (Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Diagramme).

Die Gefügeumwandlungen im festen Zu-stand erfolgen durch Platzwechsel überDiffusion der Atome. Eine Voraussetzungdafür ist die volle Diffusionsmöglichkeitder Atome. Für eine Diffusion wird Zeitgebraucht. Steht eine ausreichende Zeitfür die volle Diffusionsmöglichkeit nichtzur Verfügung, entstehen neue Bedingun-gen für Gefügeumwandlungen. Unter-schieden werden in diesem Zusammen-hang Gefügeumwandlungen bei begrenz-ter Diffusionsmöglichkeit der Atome einer-seits und bei fehlender Diffusionsmöglich-keit der Atome andererseits. Wie bisherersichtlich ist, wurden alle Vorgänge imFe-C-Diagramm ohne die Einflussgröße„Zeit“ beschrieben, das heißt, es wurdevolle Diffusionsmöglichkeit der Atome un-terstellt.

a)

b)

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Für Gefügeumwandlungen wird die Ein-flussgröße „Zeit“ durch die ZTU-Diagram-me (Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Dia-gramme) eingeführt. Dabei wird zwischenzwei Arten von ZTU-Diagrammen un-terschieden. Es gibt isothermische undkontinuierliche ZTU-Diagramme. Im vor-liegenden Beitrag soll besonders auf dasisothermische ZTU-Diagramm eingegan-gen werden, weil diese Diagrammart fürdas Verständnis der Gefügebildung vonADI (Austempered Ductile Iron oder aus-ferritisches Gusseisen mit Kugelgraphit)von großer Bedeutung ist. Im Bild 18 iststark vereinfacht ein solches isothermi-sches ZTU-Diagramm dargestellt.

Das ZTU-Diagramm besteht aus der Tem-peratur- und der Zeitachse. Die Zeitachseist dabei logarithmisch geteilt. Das Dia-gramm enthält vier wichtige Linien, eineGerade für die eutektoide Temperatur(oben), eine Gerade mit der BezeichnungMs (M – Martensit, s – start) (unten) unddie zwei Linien mit den Bezeichnungen„Anfang“ und „Ende“. Die Linie „Anfang“gilt für den Beginn und die Linie „Ende“für den Abschluss einer Gefügeumwand-lung. Zwischen den Linien „Anfang“ und„Ende“ finden Gefügeumwandlungenstatt. Vor der Linie „Anfang“ liegt nochAustenit vor. Es handelt sich dabei uminstabilen oder unterkühlten Austenit, derumwandlungsbereit ist, dessen Umwand-lung aber noch nicht begonnen hat. Er-kennbar sind im ZTU-Diagramm zweischon bekannte Gefüge (Perlit undAustenit) sowie zwei noch unbekannteGefüge (das ZwischenstufengefügeBainit und der Martensit), die es im Fe-C-Diagramm nicht gibt. „Isothermisch“bedeutet, dass dieses Diagramm nur beieiner gewählten und dann konstantenTemperatur von links nach rechts also inAbhängigkeit von der Zeit gelesen wer-den darf.

Bei der Anwendung des isothermischenZTU-Diagramms sind folgende Voraus-setzungen zu beachten. Ein solches ZTU-Diagramm hat nur Gültigkeit bei kon-stanter chemischer Zusammensetzungeines Werkstoffs und bei konstantenProzessbedingungen des vorangehen-den Glühprozesses. Mehrere Wärmebe-handlungsverfahren bei den Stählen undbei den Gusseisenwerkstoffen gehen vomWerkstoffzustand im Austenit-Gebiet aus.Der Werkstoff wird auf eine Temperaturerwärmt, die im Austenit-Gebiet des Fe-C- oder Fe-C-Si-Diagramms liegt. Nacheiner bestimmten Haltedauer bei dieserTemperatur liegt ein austenitisches Ge-füge vor (vgl. Kapitel 6.1). Dieser Vorgangwird als Austenitisierung bezeichnet.

Welche Aussagen über Gefügeumwand-lungen können dem isothermischen ZTU-

Bild 18: Isothermisches ZTU-Diagramm für einen eutektoiden Stahl (schematisch) [16]

Bild 19: Kontinuierliches ZTU-Diagramm für Gusseisen mit Kugelgraphit (schematisch)

Diagramm (Bild 18) entnommen werden?Das ZTU-Diagramm gilt für einen eutekto-iden Stahl, also einen Stahl mit einemKohlenstoffgehalt von 0,8 %. Seine che-mische Zusammensetzung und die Aus-tenitisierungsbedingungen (Austeniti-sierungstemperatur und Haltedauer beidieser Temperatur) sind konstant. DasBeispiel eines eutektoiden Stahls wurdehier deswegen gewählt, weil isothermi-sche ZTU-Diagramme für Gusseisen eini-ge Besonderheiten aufweisen, die einegrundlegende Beschreibung der ablau-fenden Vorgänge an dieser Stelle er-schweren würden.

Oberhalb der Temperatur von 723 °C liegtfür diesen Fall das Gebiet des stabilenAustenits. Ausgehend von einem auste-nitischen Gefüge des Stahls erfolgt nunseine Abkühlung. Unabhängig von dertechnischen Ausführung dieser Abküh-lung werden für die nachfolgenden Be-trachtungen einfach verschiedene Tem-peraturen auf der y-Achse gewählt:

- Beispiel Abkühlung auf 600 °C: Nacheiner bestimmten Zeit t1, der Inkuba-tionszeit, beginnt die Gefügeumwand-lung, die bei t 2 beendet ist. Aus demAustenit ist bei dieser Temperatur imGebiet der Perlit-Stufe Perlit entstan-den. Je tiefer die Temperatur innerhalbder Perlit-Stufe liegt, umso feinstreifi-ger ist der Perlit (vgl. Kapitel 6.2.1).

- Beispiel Abkühlung auf 250 °C: NachAblauf der Inkubationszeit beginnt beit3 die Austenitumwandlung in der Zwi-schenstufe. Bei t4 ist die Gefügeum-wandlung beendet. Das entstandeneGefüge heißt Bainit (vgl. Kapitel 6.2.3).

- Beispiel Abkühlung auf 100 °C: Beidieser Temperatur ist die Ms-Tempera-tur deutlich unterschritten, und es

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6.2.1 Die Perlitbildung

Wie schon aus Betrachtungen zum Eisen-Kohlenstoff-Diagramm bekannt ist, bildetsich der Perlit bei eutektoider Umwand-lung des Austenits. Dabei zerfällt der ho-mogene Austenitkristall mit 0,8 % Kohlen-stoff in ein heterogenes Gemenge, das ausden beiden Phasen Ferrit mit nur 0,02 %Kohlenstoff und Zementit mit 6,67 %Kohlenstoff besteht. Es muss dabei zueiner beträchtlichen Umverteilung desKohlenstoffs durch Diffusion kommen. AlsKeim für die Gefügeumwandlung dient einplattenförmiger Zementit-Kristall, der aneiner Austenit-Korngrenze gebildet wird.Neben einer wachsenden Zementit-Platteentstehen Platten des Ferrits und dane-ben wieder Zementit-Platten, so dass sichnach und nach bei zweidimensionaler Be-trachtung der streifige Aufbau des Perlitsergibt (Bild 20). Je tiefer die Temperaturbei dieser Gefügeumwandlung liegt, um-so feinstreifiger wird der Perlit. In diesemBereich der Gefügebildung liegen nochvollständige Diffusionsmöglichkeiten vor.

6.2.2 Die Martesitbildung

Bei sehr schneller Abkühlung des Auste-nits beginnt nach Unterschreitung der Ms-Temperatur (M – Martensit, s – Start) dieGefügeumwandlung in Martensit. Für dieDiffusion der Atome reicht die Zeit nichtmehr aus. Die Martensitbildung läuft diffu-sionslos ab. Die Gefügestruktur wird spon-tan durch Umklappen von ganzen Atom-verbänden verändert. Bei der Mf-Tempe-ratur (M – Martensit, f – finish) ist der Aus-tenit vollständig verschwunden, und esliegt nur noch Martensit (benannt nach A.Martens) vor. Bei der Martensit-Bildungmuss das kubisch-flächenzentrierte Gitterdes Austenits in das kubisch-raumzen-trierte Gitter des Ferrits umwandeln, indem nur noch 0,02 % Kohlenstoff gelöstwerden können. Weil im Austenit mehrKohlenstoff gelöst war, führt der Um-klappvorgang bei der Gefügeumwandlungzu einer Verzerrung des kubisch-raum-zentrierten Gitters. Es liegt dann ein tetra-gonal verzerrtes kubisch-raumzentriertesGitter vor, dessen Verzerrung sich mit zu-nehmendem Kohlenstoffgehalt verstärkt

kommt zur Martensitbildung (vgl. Kapi-tel 6.2.2.).

Bei einem kontinuierlichen ZTU-Dia-gramm sind auch chemische Zusammen-setzung des Werkstoffs, Austenitisie-rungstemperatur und -dauer konstant. ImBild 19 ist ein vereinfachtes kontinuier-liches ZTU-Diagramm für Gusseisen mitKugelgraphit dargestellt. Oberhalb der Li-nie AC2 liegt stabiler Austenit vor. Zwischenden Temperaturen AC2 und AC1 besteht diemetallische Grundmasse aus Austenitund Ferrit. Ein solches kontinuierlichesZTU-Diagramm wird entlang der Abküh-lungslinien (Abkühlungsgeschwindigkei-ten) gelesen. Bei langsamer Abkühlung(zum Beispiel Abkühlung im Ofen) wan-delt der Austenit zwischen den Punkten 1und 2 zu Ferrit um, zwischen den Punkten3 und 4 bei mittlerer Abkühlungsge-schwindigkeit (zum Beispiel Abkühlungan Luft) zu Perlit. Bei Punkt 5 wird beihoher Abkühlungsgeschwindigkeit (zumBeispiel Eintauchen in Wasser) die Um-wandlung des Austenits in Martensit ein-geleitet. Die Gefügeumwandlungen fin-den im Gegensatz zu den Gefügeum-wandlungen im isothermischen ZTU-Dia-gramm immer bei ständig ablaufenderAbkühlung statt. Die Zahlen am unterenEnde der Abkühlungskurven sind die sichergebenden Brinellhärtewerte. Bild 22: Gefüge Martensit und Restaustenit [16]

Bild 20: Ablauf der Perlit-Bildung [16]

Bild 21: Gitter des Martensits [16]

a) Gitterstruktur des normalen Alpha-Eisens

b) Gitterstruktur des tetragonal verzerrten Martensit-Gitters

(Bild 21). Durch Wiedererwärmen (An-lassen) werden Diffusionsvorgänge wie-der möglich und der martensitische Zu-stand wird mit zunehmender Temperaturschrittweise abgebaut (vgl. Kapitel 6.3).Die Umwandlung des Austenits in Marten-sit ist nicht immer vollständig, so dass dasGefüge nach einem schnellen Abkühlen(Abschrecken) aus dem Austenit-Gebietneben Martensit noch Restaustenit ent-hält (Bild 22). Deutliche erkennbar sinddie Martensitnadeln, zwischen denen Rest-austenit vorliegt.

Erfolgt das Entstehen von Martensit odervon Martensit und Austenit (Restaustenit)bei sehr schneller Abkühlung des Auste-nits (beispielsweise durch Abschrecken inWasser oder Öl) wird dieser technischeVorgang Härten genannt. Die Gefügeum-wandlung erfolgt dabei diffusionslos. Daskubisch-flächenzentrierte Gitter des Aus-tenits klappt diffusionslos in das kubisch-raumzentrierte Gitter des Ferrits um. Die-ses kubisch-raumzentrierte Gitter, in demsich eigentlich nur 0,02 % Kohlenstofflösen können, muss den gesamten Koh-lenstoff aufnehmen, der im Austenit gelöstgewesen ist. In dieser Zwangssituationhilft sich das System durch eine Verzer-rung des kubisch-raumzentrierten Gitters.

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7 ZusammenfassungAusgehend von Betrachtungen am Fe-C-Diagramm hinsichtlich der Erstarrung undder eutektoiden Gefügeumwandlung wirdherausgestellt, dass für Gusseisen mit La-mellengraphit, Gusseisen mit Vermicular-graphit und Gusseisen mit Kugelgraphitder Einfluss des immer vorhandenen undwichtigen Elements Silicium bei der Er-starrung, der eutektoiden Gefügeumwand-lung und zur Gefügebildung bei der Wär-mebehandlung einzubeziehen ist. Grund-lage dafür ist das Fe-C-Si-Diagramm,wobei für viele Belange ein quasibinärerSchnitt ausreicht.

Silicium fördert bei der Erstarrung dieGraphitbildung und bei der eutektoidenUmwandlung die Ferritbildung. Oder an-ders ausgedrückt, Silicium behindert dieEntstehung des Eisencarbids Fe3C. Die-ser Einfluss des Siliciums spielt auch beider Wärmebehandlung eine große Rolle.Beim Anlassen eines Härtegefüges ergibtsich eine vierte Anlassstufe, in der auszunächst vorhandenen EisencarbidenGraphitkristalle entstehen. Beim Bainiti-sieren ( Zwischenstufenvergüten) ermög-licht das Silicium ein Einstellen eines car-bidfreien Gefüges, das aus den Graphit-kristallen, Ferrit und Austenit besteht.

Schrifttum[1] Werning, H., u. a.: Gusseisen mit Lamel-

lengraphit. Sonderdruck aus konstruieren+ giessen 25 (2000) H. 2, S. 1 - 82.

[2] Steller, I.: Das neue VDG-Merkblatt W 50:Gusseisen mit Vermiculargraphit. konstru-ieren + giessen 28 (2003) H. 2, S. 22 - 24.

[3] Werning, H.: Gusseisen mit Kugelgraphit.Sonderdruck aus konstruieren + giessen13 (1988) H. 1, S. 1 - 98.

[4] Röhrig, K.: 2. Europäische ADI-Entwick-lungskonferenz – Eigenschaften, Bauteil-entwicklung und Anwendungen. konstruie-ren + giessen 28 (2003) H. 1, S. 2 - 14.

[5] Herfurth, K.: Austenitisch-ferritisches Guss-eisen mit Kugelgraphit, Teil 1: Austenitisie-rung. Giesserei-Praxis (2003) H. 3, S. 99 -106.

[6] Herfurth, K.: Austenitisch-ferritisches Guss-eisen mit Kugelgraphit, Teil 2: Unvollstän-dige isothermische Austenitumwandlung.Giesserei-Praxis (2003) H. 4, S. 137 - 142.

[7] ISO 17804 „Ausferritic Spheroidal GraphiteCast Iron.

[8] Werning, H.: Schwarzer Temperguss – Her-stellung, Eigenschaften, Anwendungen.konstruieren + giessen 25 (2000) H. 1, S.27 - 42.

[9] Röhrig, K.: Die neue Norm für Austeniti-sche Gusseisen. konstruieren + giessen28 (2003) H. 3, S. 31 - 32.

[10]Röhrig, K.: Austenitisches Gusseisen.konstruieren + giessen 29 (2004) H. 2, S.2 - 33.

6.2.3 Die BainitbildungZwischen den Umwandlungen, in denensich Perlit oder Martensit bilden, liegt einUmwandlungsbereich mit begrenzten Dif-fusionsmöglichkeiten, in dem Bainit ent-steht (benannt nach dem amerikanischenMetallkundler E. C. Bain). Bainit bestehtwie Perlit aus Ferrit und Zementit. Größe,Form und Verteilung dieser Gefügebe-standteile sind jedoch völlig anders alsbeim Perlit. Durch die begrenzten Diffu-sionsmöglichkeiten können die Kohlen-stoffatome nur sehr kurze Wege zurück-legen. Zunächst entsteht aus dem Auste-nit ein an Kohlenstoff übersättigter Ferrit-kristall, in dem sich später kugelige oderellipsenförmige Zementit-Kristalle aus-scheiden (Bild 23). Diese Umwandlungverläuft in der beschriebenen Weise solange, bis keine Austenit-Kristalle mehrvorhanden sind. Die technische Nutzungdieser Gefügeumwandlung wird als „Bai-nitisieren (Zwischenstufenvergüten) be-zeichnet.

Wird die Ausscheidung vom Zementit be-hindert, so entstehen die Ferritkristallewie im bereits erwähnten Fall. Wenn derKohlenstoff nicht an das Eisen gebundenwerden kann, muss er bis zu dessen Sät-tigung in die Austenit-Kristalle diffundie-ren. Das Gefüge besteht dann aus Ferrit-nadeln und Austenit-Kristallen mit einemhohen Kohlenstoffgehalt. Es enthält kei-nen Zementit. Die isothermische Gefüge-umwandlung ist damit unvollständig. Einesolche Gefügeumwandlung wird durch ho-he Siliciumgehalte verursacht, die eineZementit-Bildung wirkungsvoll verhindern[6]. Beim Gusseisen mit Kugelgraphit,das immer hohe Siliciumgehalte enthält,liegt ein ausferritisches Gefüge vor. DieMs-Temperatur des mit Kohlenstoff gesät-tigten Austenits liegt weit unter -100 °C,so dass beim Abkühlen auf Raumtempe-ratur keine Martensit-Bildung erfolgt. DasGefüge besteht nur aus Ferrit und Auste-nit und natürlich den Graphitkristallen.

6.3 Wiedererwärmen(Anlassen)

Durch ein Wiedererwärmen des Gefügesder Martensit-Stufe - aus technischer SichtAnlassen genannt - wird mit zunehmen-der Temperatur das zunächst entstande-ne Gefüge, das ja einen Zwangszustanddarstellt, schrittweise wieder abgebaut,weil die Atome durch die Wiedererwär-mung ihre Beweglichkeit zurückerhalten.Sie können wieder diffundieren.

Unterschieden werden nacheinander diemit zunehmender Temperatur durchlau-fenen Anlassstufen: In der ersten Anlass-stufe wird bei etwa 100 °C die tetragonaleVerzerrung des mit Kohlenstoff übersät-tigten Alpha-Eisens abgebaut. Es ent-steht dadurch kubischer Martensit und eswerden Übergangscarbide ausgeschie-

den. Bei den Temperaturen der zweitenAnlassstufe (250 bis 325 °C) zerfällt derRestaustenit und es kommt zur Bildungvon Zementit (Fe3C). Während der drittenAnlassstufe (325 bis 400 °C) verschwin-den die Übergangscarbide, und es bildetsich Ferrit. Das Gefüge besteht nun wie-der aus Ferrit und Zementit, wie es demGleichgewichtszustand bei den Stählenentspricht. Mit zunehmender Anlasstem-peratur nimmt die Härte ständig ab. Dieangegeben Temperaturen für die Anlass-stufen beziehen sich auf unlegierten Stahl.Legierungselemente verändern diesenTemperaturbereich. Bei manchen hochlegierten Stählen entstehen in einer vier-ten Anlassstufe bei Temperaturen ober-halb 450 °C Sondercarbide, die zu einererneuten Härtesteigerung (Sekundär-härte) führen.

Neben den drei üblichen Anlassstufenwurde bei Gusseisen mit Kugelgraphitauch eine vierte Anlassstufe beobachtet[22]. In dieser Anlassstufe bei hohenAnlasstemperaturen tritt Graphitbildungauf. Das Gefüge besteht dann neben denprimären Graphitkugeln aus Ferrit undAnlassgraphit.

Die Kombination von Härten und Anlas-sen wird bei den Wärmebehandlungs-verfahren Vergüten genannt.

Bild 23: Ablauf der Bainit-Bildung [16]

Page 13: Gusseisen – kleine Werkstoffkunde eines viel genutzten ... · den Mischkristallen Alpha, Gamma und Delta Graphitkristalle existieren, wohin ge-gen das Eisencarbid fehlt. Im Gegensatz

konstruieren + giessen 32 (2007) Nr. 114

[11]Röhrig, K.: Verschleißbeständige weißeGusseisenwerkstoffe. Sonderdruck auskonstruieren + giessen 24 (1999) H. 1, S.1 -74.

[12]Kohtz, D.: Eisen und Stahl – was ist das?konstruieren + giessen 10 (1985) H. 4, S.4 - 13.

[13]Röhrig, K., u. D. Wolters: Legiertes Guss-eisen, Band 1: Gusseisen mit Lamellen-graphit und carbidisches Gusseisen.Giesserei-Verlag, Düsseldorf 1970.

[14]Röhrig, K., H.-G. Gerlach u. O. Nickel: Le-giertes Gusseisen, Band 2: Gusseisen mitKugelgraphit. Giesserei-Verlag, Düsseldorf1974.

[15]Hasse, S.: Duktiles Gusseisen, Handbuch für Gusserzeuger und Gussverwender.Verlag Schiele & Schön, Berlin 1996.

[16]Herfurth, K., N. Ketscher u. M. Köhler: Gie-ßereitechnik kompakt. Werkstoffe, Verfah-ren, Anwendungen. Giesserei-Verlag, Düs-seldorf 2003.

[17]Jonuleit, M., K. Herfurth u. H. U. Pasewald:Ermittlung der Austenit-Korngröße von un-legiertem Gusseisen mit Kugelgraphit.Gießereitechnik 23 (1977) H. 2, S. 35 - 38.

[18]Jonuleit, M., K. Herfurth u. P. U. Pasewald:Austenit-Korngrößendiagramm und einigeAspekte des Austenit-Kornwachstums fürunlegiertes Gusseisen mit Kugelgraphit.

Gießereitechnik 23 (1977) H. 6, S. 163- 166.

[19]Döpp, R.: persönliche Mitteilung.

[20]Koch, H., u. K. Herfurth: Austenitisierungvon Gusseisen mit Kugelgraphit. Neue Hüt-te 19 (1974) H. 12, S. 730 - 734.

[21]Herfurth, K.: Austenitisch-ferritisches Guss-eisen mit Kugelgraphit. Teil 1: Austeniti-sierung. Giesserei-Praxis (2003) H. 3, S.99 - 106.

[22] Jonuleit, M., K. Herfurth u. F. Tranta: An-lassverhalten von gehärtetem Gusseisenmit Kugelgraphit. Freiberger Forschungs-heft B 184 (1975) S. 107 - 124.

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