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    DIE BCHER DER KNIGE

    Mit Erklrungen, das Innere Leben betreffend

    von Madame Guyon

    1981

    Wortgetreuer Nachdruck nach der Originalfassung des 18. Jahrhunderts

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    DAS ERSTE BUCH SAMUEL

    1. Kapitel

    4) Da eines Tages Elkana sein Opfer darbrachte, gab er seinem Weibe Peninna und allenihren Shnen und allen ihren Tchtern ihren Teil vom Opfer.

    5) Der Hanna aber gab er nur einen Teil, und war traurig, da er ihr solches gab, denn erliebte sie. Der Herr aber hatte sie unfruchtbar gemacht.

    Diese im Alten Testament bliche Zeremonie, den unfruchtbaren Weibern nur einen Teil des Opfers

    zu geben; den fruchtbaren aber viele Teile, lehrt uns, dass die Personen, welche den Seelen Hilfeleisten, mehr Opfer darbringen sollen und mehr Belohnungen zu gewrtigen haben. Personen, dienur fr ihre eigene Person die Heiligung erlangen, haben ihren Teil an der Seligkeit, die durch JesusChristus ist verdient worden. Denn Er ist das grosse Opfer, ja das reine und unschuldigeSchlachtopfer, von welchem die andern nur das Vorbild waren. Die Seelen aber, welche dergeistlichen Fruchtbarkeit teilhaftig geworden sind, die haben an dem Opfer Jesu Christi grsserenAnteil, gleichwie sie auch an eben demselben Jesu Christo grsseren Anteil haben. Denn die Kreuzeder apostolischen Mnner, der Vter der Seelen, sind unendlich grsser als die Kreuze der andern,die nur fr ihre eigene Person ihre Heiligung erlangen. Demnach spricht auch Jesus Christus, welcherder Vater aller Vorerwhlten ist, dass Er sich nicht fr sich selbst heiligte (Joh.17,19), sondern Erheiligte sich auch fr sie. Auf gleiche Weise heiligt Gott die apostolischen Personen, die in einemapostolischen Stand sind, nicht allein fr sie selbst, sondern auch fr diejenigen, welche sie in JesuChristo zeugen sollen.

    Obgleich hier gemeldet wird, dass Hanna unfruchtbar gewesen, so sollte sie doch nicht allezeitunfruchtbar bleiben; sondern Gott selbst wollte uns durch sie das Vorbild solcher Seelen geben, dieEr in sich selbst fruchtbar macht. Er bereitet sie zu durch eine lange Unfruchtbarkeit, und durch eineheftige Probe, um Gott die Vorerwhlten zu gebren. Denn obschon Jesus Christus alleVorerwhlten auf dem Kreuz geboren hat, so teilt Er doch dieses mit allen Vtern in Jesu Christo,welche Er sich seiner Vaterschaft zugesellt; wenigstens gibt Er dieses denjenigen, die Er zum Innerenbestimmt.

    Dieses ist eine Ausdehnung der Fruchtbarkeit Jesu Christi, welcher diese Personen teilhaftig werden,

    gleichwie Er auch ber sie seine Leiden ausbreitet und erstreckt, dass sie solche tragen mssen. Unddas ist auch dasselbe, wie Paulus in Kol.1,24 redet, was in uns dasjenige vollendet, was noch an denLeiden Jesu Christi fehlt, und solches ist nichts anderes als diese Ausdehnung oder Ausbreitung aufandere.

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    6) Peninna, welche ber sie eiferschtig war, bekmmerte sie auch, und qulte sie aufsusserste, sogar dass sie es ihr schimpflich vorwarf, dass der Herr sie unfruchtbar gemachthatte.7) Dieses tat sie also alle Jahre, wenn die Zeit gekommen, in den Tempel des Herrn zugehen. Und Hanna fing an zu weinen und ass nicht.

    Personen, welche sich von sich selbst eindringen, andern zu helfen, haben zwar einige Fruchtbarkeit.Allein, dieses ist eine Frucht, die von Gott verworfen wird, und die Ihm nicht geheiligt ist. So sinddiese Personen auch ganz erfllt mit Eigendnkel, mit Hochachtung ihrer selbst und dessen, was siesind. Gegen die inneren Personen aber hegen sie nichts als Verachtung, die ihnen ganz und garunntz zu sein scheinen. Ja sie schmhen sogar die inneren Personen, und werfen ihnen vor, siewren zu allem Guten unntz, vornehmlich wenn man zum Tempel des Herrn gehen soll. Sie werfenihnen vor, dass sie vor Gott treten mit leeren Hnden, und ohne Vorbereitung. Sie hingegen wrdenherzunahen voll guter Werke, die von ihnen ausgebt worden seien.

    Die Seelen, die durch die Blosse des Glaubens sehr gebt werden, werden auch durch die Verfolgungder Kreaturen wacker umhergetrieben; eines kommt zum andern, um sie zu kreuzigen. Gleichwohl

    sind diese so wacker gebten und so sehr gedemtigten Seelen Gott unendlich lieber als die andern, welche sich selbst und ihre Werke so hoch achten. Und obgleich jene gekreuzigten Seelen eineZeitlang in der Bitterkeit und in den Trnen baden, und unfruchtbar sind, so werden sie doch (weilder Herr an ihnen ein Wohlgefallen hat) hiedurch zubereitet, Gott zu seiner Zeit eine reife undvortreffliche Frucht hervorzubringen.

    8) Da sprach Elkana, ihr Mann, zu ihr: Hanna, warum weinst du? Warum issest du nicht?Warum bekmmert sich dein Herz? Bin ich dir nicht mehr wert, als wenn du zehn Kinderhttest?

    Diese Worte, welche Elkana zu Hanna spricht, geben uns die Gtigkeit Gottes zu erkennen, um dieinneren Seelen im grssten Sturm ihrer Drangsale zu trsten. Gott gibt ihnen zu erkennen, dass dieGlckseligkeit, Ihn zu geniessen, mehr Wert ist als alle Werke, die sie hervorbringen knnten. Wenneine Seele begreifen knnte, wie gar weit ntzlicher ihr der Genuss Gottes ist, obgleich imStillschweigen, Trockenheit und Drre, als alles andere Wirken, und wie sehr das lautere, innereGebet ber alles brige erhaben ist, so wrden ihr alle Beraubungen gar keinen Kummer machen.Gott aber, der diese Seele im Leiden lassen will, verbirgt ihr eine Zeitlang alle diese Vorteile, entdecktsie ihr aber hernach, wenn Er sie fruchtbar macht.

    9) Nachdem also Hanna zu Silo gegessen und getrunken hatte, stand sie auf; und derHohepriester Eli sass auf seinem Stuhl vor der grossen Tre des Tempels des Herrn.

    Warum wird hier gesagt, dass Hanna aufgestanden, nachdem sie zu Silo gegessen und getrunken

    hatte, oben aber wird gemeldet, dass sie weinte und nicht ass? Die Ursache ist darin zu finden, dassdie Worte ihres Mannes durch ihre Trstungen sie sttigten, und ihr gleichsam zu einer Nahrungdienten. Die Seele in der Nacht des Glaubens ist gleichsam aller Nahrung beraubt, indem sie allesTrostes beraubt ist. Sobald sie aber von Gott getrstet wird, so findet sie sich vllig gesttigt. Siesteht auf durch die Kraft dieser Nahrung, sie fasst ein neues Vertrauen, und naht sich zu dem Herrn.

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    10) Hanna, deren Herz mit Bitterkeit erfllt war, bat den Herrn mit Vergiessung vielerTrnen.

    Eine Seele von diesem Stand kann sich nicht entbrechen, sich ber ihre Unfruchtbarkeit zubekmmern. Denn obwohl die Liebkosungen ihres Brutigams auf einige Augenblicke ihreSchmerzen stillten, so werden solche doch nicht dadurch geheilt. Vielmehr mehrt sich fters derSchmerz, wenn sie daran denkt, dass sie ihrem Brutigam mehr gefallen wrde, wenn sie fruchtbar wre, und dass sie hiedurch sich dankbar erzeigen knnte fr die Liebe und Zuneigung desBrutigams, deren sie unwrdig zu sein glaubt.

    11) Sie tat aber ein Gelbde und sprach: O Herr der Heer scharen, wenn du wrdigst deineMagd in ihrer Trbsal an zuschauen, wenn du meiner eingedenk bist, wenn du deiner Magdein mnnliches Kind gibst, so will ich dir solches fr alle Tage seines Lebens geben, und dasSchermesser soll nicht auf sein Haupt kommen.

    Alle in der Blsse stehenden Personen, und die Verlangen tragen nach geistlicher Fruchtbarkeit,begehren solches nur darum, um Gott zu verherrlichen. Sie sprechen, dass solches geschehen soll,

    um Gott alle ihre. Werke zu heiligen, und solche nicht in Eigenheit zu haben noch zu tun, vielmehrwollten sie alles Gute, das Gott sie zu tun machen wrde, mit grosser Reinigkeit dem Herrn wiedergeben. O ihr um Christi willen arm gemachten Seelen! Verlangt nicht die geistliliche Fruchtbarkeit!Entsteht aber euer Verlangen gegen euren Willen, so erduldet solches und wartet, bis der Herr selbsteuch diese Fruchtbarkeit zu der von Ihm hiezu bestimmten Zeit mitteilen wird. Alsdann wird esgeschehen, dass alle eure Werke rein und lauter sein werden.

    12) Weil Hanna also lange Zeit im Gebet vor dem Herrn blieb, schaute Eli auf ihren Mund.

    13) Hanna aber redete in ihrem Herzen, und man sah nur ihre Lippen sich bewegen, ohneein Wort zu hren. Daher glaubte Eli, sie habe sich voll getrunken.

    Hanna war wahrhaftig eine innere Seele. Ihr Gebet war ein Gebet des Herzens, ein Gebet desGrundes. Da solches krftig war, so erlangte sie auch das, worum sie bat, gleichwie man dieseshernach sehen wird. Eli, ob er schon der Hohepriester war, so war ihm doch diese Weise zu betenunbekannt, und er verdammte solche in seinen Gedanken.

    Sehen wir nicht auch noch heutzutage, dass die, welche die andern lehren sollten, eben dieselbensind, welche das Herzensgebet aufs hartnackigste verdammen? Bis zu welchem bermass erstrecktsich nicht ihr Argwohn, den sie wider die Personen fassen, die auf diese Weise beten? Und weil sieglauben, sie htten das Recht ein Gebet zu verdammen, von welchem sie keine Erfahrung besitzen,so glauben sie auch ein Recht zu haben, von den allerverborgensten Absichten und von denallerunschuldigsten Werken ein verwegenes Urteil zu fllen.

    Eli beschuldigte Hanna der Trunkenheit. Gleichwohl betrog er sich nicht, sie war wahrhaftigtrunken, es war aber eine Trunkenheit der Liebe und des Schmerzes. Htte sie nicht in den gttlichenWeinkellern (Hohel.1,3) getrunken, so wrde ihr das Gebet des Herzens unbekannt gewesen sein.Denn dieses Gebet kommt nicht her von der Unfruchtbarkeit noch von einer kalten Trgheit,sondern von dem bermass der Liebe oder des Schmerzes. Es ist die Heftigkeit dieser beidenLeidenschaften, welche die Seele in das Stillschweigen versetzt. Ist ihre Liebe auf dem hchstenGrad, so kann sie solche nur durch das Stillschweigen ausdrcken. Ist aber ihr Schmerz aufsusserste gestiegen, so kann sie solchen nicht entdecken, als nur im Stillschweigen. Demnach darfman nicht meinen, dass die, welche vor Gott stillschweigen, solches aus einer kalten Trgheit und

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    Nachlssigkeit tun, oder dass sie zu nichts ntze wren. Welches Gebet kann feuriger sein? WelchesVerlangen heftiger und ausharrender? Welcher gute Erfolg vorteilhafter als dieser, den das stummeGebet der Hanna hervorbrachte?

    14) Und er sprach zu ihr: Bis wann wirst du also trunken sein? Lasse den Wein ein wenigruhen, der dich verwirrt.

    Fast alle Menschen, denen die Wirkungen der gttlichen Liebe unbekannt sind, schreiben einer ganzanderen Leidenschaft dasjenige zu, was sie in jenen Seelen wahrnehmen, die in diesem heiligen Feuerentzndet sind. Und da sie sich nicht einbilden knnen, dass eine gute Wirkung aus einer bsenUrsache entstehen knnte, so fllen sie verkehrte Urteile ber die Unschuld selbst. Obgleich dasUrteil, welches Eli ber das Gebet der Hanna fllte, sehr verwegen war, so kann doch gleichwohl derRat, den er ihr erteilt, uns zu einer Unterweisung dienen. Er lehrt uns damit, man msse dasallertugendhafteste Verlangen sich in uns setzen und beruhigen lassen, wenn es durch unsereHeftigkeit in Bewegung gesetzt worden ist; und man msse im Frieden den Willen Gottes erwarten,ohne zu begehren, dass unsere unbedachtsamen Inbrnstigkeiten dasjenige erlangen, was der WilleGottes (so zu reden) nur ungern, und wegen unserer Schwachheit uns verleiht. Hanna war frei von

    diesem Fehler. Ihr Verlangen war zwar feurig, allein es war solches auch dabei ruhig und unter demWillen Gottes gelassen und unterworfen, gleichwie solches aus der Antwort, die sie dem Eli gibt,leicht zu ersehen ist.

    15) Hanna aber sprach zu ihm: Verzeihe mir, mein Herr. Ich bin ein hchst bekmmertesWeib. Ich habe keinen Wein getrunken noch etwas das Trunkenheit verursachen kann,sondern ich habe meine Seele in der Gegenwart des Herrn ausgeschttet.

    Hanna zeigte durch diese Worte, dass es keine empfindliche Liebe war, die sie also zu tun und zuhandeln antrieb. Sie spricht: Ich habe von allem dem, was trunken machen kann, gar nichtsgetrunken. Hiemit will sie soviel sagen: Ob ihr mich gleich auf diese Weise beten seht, so habe ichdennoch heute gar keine empfindliche Gnade empfangen, und der Brutigam hat mich nicht inseinen Weinkeller gefhrt; sondern der Schmerz benimmt mir die Worte; und in dem bermassdieses meines Schmerzes kann ich nichts anderes tun, als meine Seele in der Gegenwart des Herrnauszuschtten. Wein Gott, was sind das fr vortreffliche Worte! Welchen Nachdruck haben sie, undwie viele Dinge drcken sie aus! Dieses muss die Wirkung sein der Bekmmernisse, der Proben, derVersuchungen und der geistlichen Unfruchtbarkeit, dass wir nmlich unsere Seele in der Gegenwartdes Herrn ausschtten. Wer ein Gefss ausleert, der tut nichts anderes, als solches gegen die Erde zuneigen, so wird es sich von selbst ausschtten, ohne dass man sich weiter damit zu bemhen braucht.Auf gleiche Weise macht es auch derjenige, der seine Seele in der Gegenwart des Herrn ausschttet.Denn da er nichts anderes tut, als sich sanft zu Gott zu neigen, und da die Seele ihrem natrlichenund aus dem Grunde kommenden Neigen und Sehnen folgt (sich mit ihrem Zentrum zu vereinigen),so geschieht hiedurch, dass sie wie ein reines, lauteres Wasser unvermerkterweise gegen Gott

    ausfliesst. Es ist eben als ob sie sprechen wrde: Das bermass meines Schmerzes ladet mich ein zubeten. Sobald ich aber vor Gott bin, so verliere ich alle anderen Ideen oder Gedanken, und kannnichts anderes tun, als dem Zug und der Neigung zu folgen, die Er selbst in mich gelegt hat, nmlichin Gott einzufliessen und mich in Ihn zu verlieren; eben also wie ein mit Wasser angeflltes Glas sichausleert, ohne dass etwas von dem Wasser in ihm zurckbleibt. Ich will mich von mir selbst ganzund gar entleeren, und mich in Gott verlieren. Dies ist alles, was ich begehre und verlange. Dieseseinzige wnsche ich mir, und auf diese Weise bete ich. Mein Gebet ist meine Neigung, und meineNeigung ist mein Gebet. Sowohl das eine als das andere wird durch meine Liebe und durch meinenSchmerz ausgeboren.

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    16) Glaube nicht, dass deine Magd gleich sei den Kindern Belials; denn nur das bermassmeines Schmerzes und meines Kummers hat mich bis jetzt reden gemacht.

    Hanna fhrt fort, dem Eli zu erkennen zu geben, dass obschon die gttliche Liebe (wie auch diemenschliche Liebe) die Seele in das versetzt, was sie liebt, so sei doch der Unterschied zwischenbeiden unendlich gross. Es ist wahr, will sie sagen, dass meine Liebe gemacht hat, dass ich in dasbergegangen bin, was ich liebe, und dass meine Seele aus sich selbst, und aus dem Ort, den siebeseelt, ausgeht, um in denjenigen Ort berzugehen, wo ihre Liebe wohnt. Allein, da meine Liebeganz und gar in Gott ist, so ist sie eine reine, keusche und ebensowohl ruhige und besnftigte Liebe,als sie eine heftige und getreue Liebe ist. Eine solche Beschaffenheit hat die sinnliche Liebe nicht.Darum, du, der du der Priester des Herrn bist, lerne einen Unterschied zwischen beiden zu machen.Ja, ich will dir zudem sagen, dass alles, was du mich bis jetzt reden und tun gesehen, nur allein vonmeinen Schmerzen herkommt.

    17) Da antwortete ihr Eli: Gehe hin im Frieden. Der Gott Israels gebe dir deine Bitte, welchedu getan hast.

    Die Hirten und Fhrer, welche in der Unwissenheit der inneren Wege, worin sie stehen, dennoch dieRechtschaffenheit und Aufrichtigkeit des Herzens behalten, lassen sich (gleich wie Eli) durch dieEinfalt des Herzens rhren. Und wie auch ihr Urteil vorher mag gewesen sein, so erkennen siedennoch, dass Gott wahrhaftig in einer Seele wirkt, und sprechen zu ihr: berlasse dich dem Herrn,der dich ohne Zweifel fhrt, und welcher die Gebete erhren wird, die seine Liebe in dirhervorbringt.

    18) Hanna antwortete ihm: Wollte Gott, dass deine Magd Gnade vor deinen Augen fnde!Hierauf kehrte sie wieder zu ihrem Mann; sie ass, und ihr Angesicht war nichtniedergeschlagen wie vorher.

    Es ist in der in dem inneren Leben stehenden Seele etwas, das man nicht aussprechen kann, welches

    ihr versichert, dass sie erhrt worden ist, wenn sie wahrhaftig erhrt ist. Sie kann nicht nur nichtzweifeln, ihr Gebet sei bis zum Throne Gottes gestiegen, sondern sie ist auch sogar im Unvermgen,fernerhin um dasjenige zu bitten, was sie vorher bat. Wollte sie sich aber zwingen, noch weiter darumzu bitten, so wrde ihr Herz demjenigen widersprechen, was ihre Lippen hervorbringen, und sie wrde in ihrem Innern gar keine bereinstimmung mit ihrem Gebet finden. Dieses ist dasallergewisseste Kennzeichen, dass Gott das Gebet erhrt hat, sofern das Gebet durch den TriebGottes hervorgebracht worden ist.

    19) Hernach, da sie des Morgens frh aufgestanden, beteten sie den Herrn an, kehrtenwieder heim und kamen in ihr Haus zu Rama. Elkana war bei seinem Weibe, und der Herrgedachte an sie.

    20) Bald hernach empfing sie und gebar einen Sohn, welchen sie Samuel nannte, weil sie ihnvon dem Herrn erbeten hatte.

    Alle ausserordentlichen Kinder sind fast allezeit die Frucht einer langen Unfruchtbarkeit; wodurchGott zu erkennen geben will, dass sie von dem Willen Gottes sind geboren worden. Dieses Kind wardie Frucht der Gebete und Trnen seiner Mutter.

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    21) Elkana, ihr Mann, kam hernach mit seinem ganzen Haus, um dem Herrn einausserordentliches Opfer zu bringen, und ihm sein Gelbde zu bezahlen.

    22) Hanna aber ging nicht mit dahin, denn sie hatte zu ihrem Mann gesagt: Ich werde nichtin den Tempel gehen, bis das Kind entwhnt worden ist, und ich es hinfhre, da mit ich esdem Herrn darstelle, und es allezeit vor ihm bleibe.

    Personen, die in den Wegen Gottes wohl unterrichtet sind, wissen wohl, dass Gott ihnen nur darumGnade erweist, um ihnen damit Gelegenheit und Mittel zur Aufopferung zu verleihen. Die GnadenGottes zurckzubehalten, und solche Ihm nicht aufzuopfern, ist eine Eigenheit, und man macht sichdamit unwrdig, neue Gnaden zu erhalten. Dieses tat Hanna nicht. Sie opfert dem Herrn das Kind,das sie von Ihm empfangen hat. Sie gibt es Gott zu einem unwiderruflichen Geschenk. Denn damitist sie nicht zufrieden, das Kind Gott darzustellen und es hernach wieder mit sich heimzufhren;sondern sie bietet es dem Herrn dar, damit es allezeit vor dem Herrn bleibe.

    Es ist anzumerken, dass hier gemeldet wird, wie Hanna nicht bei den allgemein verordneten Opferngewesen ist. Dieses lehrt uns, dass man nachlassen msse, Gott die gewhnlichen Opfer

    aufzuopfern, wenn Er wichtigere Opfer von uns fordert. Es gibt Opfer, die fr eine Zeitlang gutsind; allein es kommt die Zeit eines andern Opfers, in welchem man Gott dasjenige darbietet, was Erwill, dass wir Ihm aufopfern sollen.

    24) Und da sie ihn entwhnt hatte, nahm sie mit sich drei Klber, drei Mass Mehl, und einGefss mit Wein; und sie fhrte ihren Sohn nach Silo in das Haus des Herrn. Das Kind aberwar noch gar klein.

    25) Und nachdem sie ein Kalb geopfert hatte, stellte sie ihn dem Eli dar.

    26) Und Hanna sprach zu Ihm: Mein Herr, so wahr du lebst, ich bin das Weib, welches duhier, den Herrn bittend, gesehen hast.

    27) Ich bat ihn, mir dieses Kind zu geben, und der Herr hat mir gegeben, um was ich ihngebeten habe.

    28) Darum bergebe ich ihm solches wieder in die Hnde, damit der Knabe, solange erleben wird, da bleibe. Also beteten sie allda den Herrn an, und Hanna betete mit diesenWorten.

    Hanna brachte Gott ihr Kind zum Opfer dar, durch den Willen den sie hatte, diesen Knaben demHerrn aufzuopfern. Nunmehr opfert sie ihn wirklich. Gott ladet eine lange Zeit zum Opfer ein undmacht, dass die Seele einen wesentlichen Willen und Entschluss fasst, solches zu tun, bevor es nochzu der Vollziehung kommt. Nachdem sie aber das Opfer, das Gott ihr gegeben um Ihm solchesaufzuopfern, wirklich aufgeopfert hat, so soll sie weiter keinen Anspruch an solches mehr erheben.Denn sie muss solches ein unverbrchliches, unwiderrufliches und immerwhrendes Opfer seinlassen. Das Opfer, das einmal ist geopfert worden, bleibt immerwhrend vor Gott, solange mansolches nicht widerruft. Dieses ist die Weise, wie wir Gott unsere Seelen aufopfern sollen. Wir sollensolche Gott zum vlligen Eigentum schenken, und dieses geschieht durch den Willen, welchen dieSeele hat, sich Gott zum Eigentum zu geben. Von dieser Zeit an bringt sie Gott das Opfer dar.Ferner bergibt sie sich Gott durch eine unwiderrufliche Schenkung, und dieses nennt manbergabe. Hernach, wenn man die Seele Gott zum Eigentum einmal bergeben hat, so muss mansolche Ihm unaufhrlich lassen, ohne solche jemals wieder zu nehmen. Es ist nicht notwendig, dass

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    man zu Gott spreche: Herr, ich opfere dir diese Seele auf. Es ist auch nicht ntig, dass man sagt: Ichhabe dir meine Seele gegeben; gleichwie auch Hanna dies nicht mehr sagte; sondern es kommt daraufan, dass man die Seele in den Hnden Gottes lsst, damit Er mit solcher nach all seinem Willenschalte und walte wie ber eine Sache, an welcher die Seele selbst keinen Anteil mehr nimmt, und aufwelche sie auch auf keinerlei Weise einiges Recht, zu schalten, zu walten und zu ordnen hat, nochnehmen soll.

    2. Kapitel.

    1) Meine Seele springt oder jauchzt vor Freude in dem Herrn, und mein Gott hat mich mitHerrlichkeit erfllt. Mein Mund hat sich aufgetan um meinen Feinden zu antworten, weil

    ich meine Freude in dem Heil habe, das ich von dir empfangen habe.

    Warum schwieg Hanna still, als sie den Herrn um einen Sohn bat, und warum war ihr Gebet einGebet des Stillschweigens? Darum, weil solches eine Bitte des Glaubens war, welche ohne dasGerusch der Worte geschieht, in der Unterwerfung unter den Willen Gottes, ob sie schon durchden Geist Gottes getrieben war, da sie dieses Gebet verrichtete. Wenn es darauf ankommt, Gott umetwas zu bitten, so muss man stillschweigen, weil wir nicht wissen, was wir bitten sollen(Rm.8,2526), noch wie wir es bitten sollen. Schweigen wir aber still, so bittet der Geist selbst fruns mit unaussprechlichem Seufzen. Was bittet aber dieser Heilige Geist, der uns aufhilft in unsererSchwachheit? Er bittet das, was gut und was vollkommen ist, weil er nur allein um den Willen Gottesbittet, indem er uns lehrt, dass alle vollkommenen Gaben von dem Vater der Lichter kommen

    (Jak.1,17). Demnach mssen alle unsere Gebete blosse Darstellungen vor Gott sein, und dabei mitEhrfurcht und Stillschweigen begleitet werden.

    Auf diese Weise aber ist es nicht beschaffen mit den Danksagungen und mit dem Lied von derBarmherzigkeit und der Erlsung. Denn solches wird mit Jauchzen, Frohlocken und Freuden derSeele gesungen, da solches ein Lobgesang und ein Lied der Verherrlichung des Herrn ist. Die heiligeJungfrau sang ihren Lobgesang bei der Elisabeth, und die Seligen singen in dem Himmel die ganzeEwigkeit hindurch diesen wunderbaren Gesang, der mit dem Herzen und mit der Stimme gesungen wird. Zu derselben Zeit geschieht diese wunderbare Zusammenstimmung des Mundes und desHerzens, und dieses wunderbare Lied wird gesungen von einer Seele, die von aller Eigenheit und vonihr selbst befreit und erlst ist; von einer Seele, die (nachdem sie sehr unfruchtbar gewesen) sich nunauf eine vortreffliche Weise fruchtbar findet; ja welche Seele ganz im Wirken ist um Gott zu

    verherrlichen, jedoch ohne hiebei ihre blosse Einheit zu verlieren. Es ist ein Jauchzen in Freuden, welches alle Seelen erfahren, die in Gott bergegangen sind. Alsdann wird diese Seele aus ihrerSchmach herausgezogen. Sie ist nicht mehr, wie Jesaja sagt, weder unfruchtbar noch beschmt(Jes.54, 4), und die Tage ihrer Schmach und Schande sind nun vorbei.

    Solange die Zeit ihrer Schmach whrte, hat sie bei der Verfolgung ihrer Feinde still geschwiegen.Nun aber tut sie ihren Mund auf, um ihren Feinden zu antworten. Was antwortet sie aber? Das Lobihres Gottes. Sie verherrlicht ihren Herrn, und indem sie Ihn verherrlicht, antwortet sie damit aufalles Schelten und Schmhen ihrer Feinde. Es ist eben, als ob sie zu ihnen sprche: Ihr habt mir

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    meine Unfruchtbarkeit und mein Vertrauen in Gott vorgeworfen. So schauet denn nun, wie einegerechte Sache ich gehabt habe, dem Herrn zu vertrauen. Er ist es, der mich mit tausend Gternerfllt hat, und hat mich fruchtbar gemacht. Dieses hat Er darum getan, weil ich meine Freude in Ihnallein gesetzt habe. Ich habe meine Freude nicht in den Kreaturen gesucht; darum habe ich dieSchmerzen und alle in seinem Dienst erduldete Arbeit allen Freuden der Welt vorgezogen; darum hatEr mich auch mit Freuden erfllt. Ich habe mein Heil in kein geschaffenes Ding gesetzt, wie gut undheilig sie auch geschienen haben, sondern ich habe mein Heil in Gott allein gesetzt. Darum habe ichauch in Gott ein vlliges, sicheres und gewisses Heil gefunden; ein Heil, das nicht mehr in mir ist,sondern in Gott, wo ich es auch nicht mehr verlieren kann.

    Der Herr ist der einzige Heilige. O Herr, es ist solches kein anderes als du, und unser Gott ist dereinzige Starke.

    Wenn eine Seele durch die in dem Weg des Glaubens auftauchenden Proben durchgegangen, und siein das neue Leben versetzt worden ist, so ist sie von dem Licht der Wahrheit erleuchtet, welches ihrzu erkennen gibt, dass Gott der einzige Heilige ist; dass alle Heiligkeit in Gott eingeschlossen, unddass ausser Gott nichts ist als Schwachheit, Lgen, Irrtum und Bosheit. Die, welche sich selbst heilig

    glauben, betrgen sich unendlich und stehlen Gott die Ehre seiner Heiligkeit, worber Er hchsteiferschtig ist. Hiedurch hren sie auf heilig zu sein, indem sie aufhren der Heiligkeit Gottesteilhaftig zu sein. Denn nur allein diejenigen werden die Heiligen des Herrn sein, welche fr Gottund um seinetwillen gern alles haben verlieren wollen. Die Torheit derer, welche dem Herrn nichtalles aufopfern wollen, ist soviel grsser, als Gott der einzige Starke ist, und Er allein kann dasjenigeihnen erhalten, was Er ihnen gibt; und solches auch ihnen wieder hinwegreissen, wenn es Ihm gefllt.O mein Gott! Du bist meine Kraft, nur allein in dir vermag ich Werke der Kraft und derHerzhaftigkeit zu tun und auszurichten. Ausser dir aber ist nichts als Elend und Schwachheit.

    3) Hret auf Ruhmredige zu sein mit trotzigen Worten. Euer frheres Reden gehe nichtmehr aus eurem Mund. Denn der Herr ist der Gott aller Wissenschaft, und er erforscht denGrund der Gedanken.

    Hanna, die ganz durchdrungen ist von der Glckseligkeit, die sie nach ihren langwierigenWiderwrtigkeiten geniesst, spricht zu allen Seelen, die von der Liebe ihrer selbst aufgeblasen sind:Hret auf ruhmredig zu sein in euren Werken, denn ihr seid die Schwachheit selbst. Rhmt euchdessen, was ihr getan habt, nicht mehr, und prahlt nicht mit der Kraft, die in euch ist. Diese frherenReden, durch welche ihr euch selbst etwas angemasst und zugeschrieben habt, lasset nicht mehr auseurem Hund gehen; dem der Herr ist der Gott aller Wissenschaft, der die Dinge nicht auf die Weiseder Menschen beurteilt oder richtet. Die ansehen urteilen nur nach dem ussern, Gott aber erforschtden Grund des Herzens. Er sieht die Gedanken und die Reinigkeit der Absicht, und solches gibt denWerken ihren Wert. Denn die Werke, die von aussen einen grossen Schein haben, achtet Gott nicht,wohl aber solche Werke, die mit grsserer Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit und Einfalt geschehen,

    wie auch die Werke, so mit seinem heiligen Willen am meisten bereinkommen.

    4) Der Bogen der Starken ist zerbrochen worden, und die Schwachen sind mit Kraft erflltworden.

    Mein Gott, wie sind das schne Worte 1 Sie schliessen in sich die ganze Fhrung Gottes ber dieSeelen. Gott schlgt alle diejenigen nieder, welche sich auf ihre eigenen Krfte verlassen. Er zerbrichtihren Bogen, d.h. Er reisst ihnen alle Sttzen und alle Mittel hinweg, auf welche sie ihre Hoffnunggrndeten, damit sie ihr Vertrauen in Gott allein haben mchten. Mittlerweile aber, da Gott sie so

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    niederschlgt, strkt Er die Schwachen. Er hebt sie aus dem Staub ihrer Vernichtigung wieder auf,um sie mit Gtern zu berhufen.

    5) Die vorher mit Gtern erfllt waren, haben sich ums Brot vermietet, und die Hungrigensind gesttigt worden. Die Unfruchtbare ist eine Mutter vieler Kinder geworden, und dieviele Kinder hatte ist schwach geworden.

    Diejenigen, welche mit Gtern angefllt sind, fallen in eine so grosse Armut, dass sie auch selbst dieDinge nicht haben, die von unumgnglicher Notwendigkeit zu sein scheinen, um das Leben derGnade in ihnen zu erhalten. Dieses ist allgemein die Fhrung der Gnade, dass sie umso viel rmermacht, je mehr man mit Gtern angefllt gewesen ist. Da aber Gott auf diese Weise arm macht, soberhuft Er zugleich diejenigen mit Gtern, welche in Mangel und in Armut sind. Er ist auch selberdie Ersttigung derer, die hungrig sind. In den Seligpreisungen (Matth.5,36) spricht Jesus nur die frselig, welche arm und hungrig sind, und keineswegs die Reichen und Angefllten. Denn die Reichen,bevor sie arm gemacht werden, sind mehr zu beklagen als zu beneiden. Denn die nachfolgendeArmut ist umso viel unertrglicher, je mehr man vorher im berfluss gelebt hat. Auf gleiche Weisewird man nicht anders mit der geistlichen Fruchtbarkeit begnadigt, als nur nach dem Mass der sehr

    grossen Unfruchtbarkeit, die man vorher erfahren hat.

    6) Der Herr ist es der ttet und lebendig macht; er fhrt in die Hlle und fhrt wiederheraus.

    Es ist eben derselbe Gott, der, nachdem Er ein sehr berfliessendes Leben gegeben hat, solches wieder wegnimmt und den Streich des Todes gibt. Dieser unschuldige Totschlger hat ein Wohlgefallen, demjenigen das Leben wieder zu rauben, dem Er solches gegeben hatte, um dieFreude zu haben, dieses Leben ihm wieder von neuem zu geben. Demnach lasset uns durch einevllige und gnzliche bergabe von Ihm tten und wieder lebendig machen. Man muss Ihn auf einegleiche Weise sowohl in dem einen als in dem andern machen lassen. Er ist es, welcher durch eineebenso strenge als liebenswrdige Gerechtigkeit die Seele ganz lebendig in eine Hlle eingehenmacht. Er ist damit nicht zufrieden, der Seele das Leben zu rauben, sondern Er selber fhrt sie auchin die Hlle. Allein, o Liebe, wenn du deine Geliebte in die Hlle fhrst, so tust du es nur darum, umdie Freude zu haben, sie von dannen wieder herauszufhren, und damit sie dir auf eine zwiefacheWeise verpflichtet sei. Erstens hast du Sorge getragen, sie um deiner Ehre und Verherrlichung willen(und zu ihrem eigenen Vorteil) hineinzufhren, und zweitens muss sie dir fr deine Gtigkeitverbunden sein, dass du sie wieder von dannen herausziehst.

    7) Der Herr ist es, der arm macht, und welcher reich macht. Er ist es, der erniedrigt underhht.

    Die Art und Weise, wie die Schrift redet, zeigt uns genugsam, dass das Werk unserer

    Vollkommenheit keineswegs eine Frucht unserer Arbeit ist; sondern dass solche eine Wirkung derMacht und Barmherzigkeit Gottes ist. Er ist es, der einige Seelen durch den berfluss fhrt, andereaber durch den Mangel. Er ist es, der da erhht, und solche Heilige macht, die einen grossen Scheinhaben, und von jedermann hochgeachtet und anerkannt werden. Er ist es aber auch, der andereHeilige verordnet, um gedemtigt und auf das allerschrecklichste erniedrigt zu werden. Er ist es, derda erniedrigt um zu erheben, und der erhebt um zu erniedrigen.

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    8) Er zieht den Armen aus dem Staub, und den Bedrftigen vom Misthaufen, um ihn unterdie Frsten zu setzen, und ihm einen Thron der Herrlichkeit zu geben. Dem Herrn gehrenzu die Fundamente der Erde, und er hat den Welt kreis auf solche gesetzt.

    Es scheint, es werde hier ein Unterschied zwischen dem Armen und dem Bedrftigen gemacht. DasBedrfnis ist das bermass der Armut. Die Armut bringt oder verwandelt in den Staub, dasBedrfnis aber sogar in den Misthaufen. Der Staub ist das Symbol oder Gleichnis der Vernichtigung. Wer in Staub verwandelt worden ist, ist gleichsam zu nichts gemacht worden. Er missfllt aberdarum doch nicht, und er macht nicht, dass das Herz vor ihm ekelt. Der Bedrftige aber, der durchdas bermass des Mangels gleichsam zu einem Misthaufen des Elends und der Verfaulung istgemacht worden, hat noch etwas mehr, das niedriger und unwerter ist, und wovor man einen Greuelhat. Demnach sind diese zwei Stnde, ob sie schon dem Schein nach einander gleichen, dennochvoneinander sehr verschieden.

    Aus diesen beiden Stnden zieht Gott heraus. Warum aber zieht Er die Seele heraus? Um sie unter

    die Frsten zu setzen, d.h. unter die Heiligen. Er zieht auch die Seele von dem Misthaufen ihrerSchmach, auf welchem sie durch eine vollkommene berlassung ruhte, um ihr einen Thron derHerrlichkeit zu geben. Dieser Thron verndert sich nicht, ob er sich schon unendlich verndert.Dieses ist folgendermassen zu verstehen.

    Der Wille des Herrn ist es, der da macht, dass die Seele ihren Thron und ihre Ruhe auf ihremMisthaufen findet; und eben derselbe Wille Gottes ist es gleichfalls, der da macht, dass sie ihre Ruhein der Herrlichkeit findet. Somit dient der Wille Gottes zu einem Thron, sowohl in der Erhebung alsin der Erniedrigung. Die Seele, wenn sie auf dem Misthaufen sitzt, sieht hierin nicht auf ihrenNachteil, sondern allein auf das Wohlgefallen Gottes, welches macht, dass sie im Frieden aufsolchem ruht. Und in der Ehre und Herrlichkeit, die man ihr gibt, sieht sie ebensowenig auf ihrenVorteil, sondern allein auf das Wohlgefallen Gottes, und auf die Ehre und Verherrlichung, die Gottdavon hat.

    Diesem Gott der Herrlichkeit und Gtigkeit gehren die Fundamente der Erde, d.h. es gehrt Ihmalles, auch unser Bestandwesen, so dass Er solches sowohl vernichtigen und zerstren, als auch dassEr das Fundament einer ewigen Verherrlichung darauf setzen kann.

    9) Er wird die Fsse seiner Heiligen bewahren, und die Gottlosen werden in ihrenFinsternissen verstummen mssen, weil der Mensch niemals in seiner eigenen Kraft starksein wird.

    Dieser Spruch unterweist uns auf eine vortreffliche Weise, wie sicher und vorteilhaft die bergabe

    ist. Die Sorge, welche Gott fr diejenigen trgt, die sich Ihm bergeben, muss unser Vertrauenstrken. Er bewahrt die Fsse seiner Heiligen, indem Er verhindert, dass sie sich nicht verirren, nochin die Wege der Ungerechtigkeit wieder eingehen. Wenn wir uns selber fhren, so werden wir ftersfalsche Schritte tun. Wenn aber Gott unsere Schritte bewahrt, so werden alle unsere Gnge in derGerechtigkeit und Billigkeit sein. Dies sind die Schritte seiner Heiligen, nmlich solcher Heiligen, diealles was ihnen eigen ist verloren haben, und nur allein in der Heiligkeit des Herrn heilig sind.

    Wenn aber Gott eine so grosse Barmherzigkeit ber diese Heiligen walten lsst, so werden imGegenteil die Gottlosen mit grosser Scham und Schande verstummen mssen mitten in denFinsternissen ihrer Verirrung. Warum aber dieses? Darum, weil sie sich selbst haben fhren wollen,

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    und weil es unmglich ist, dass ein Mensch jemals in seiner eigenen Kraft stark sein knnte. Denndurch die Erfahrung und das Bekenntnis seiner Schwachheit muss er in die Kraft Gottes eingehen,um von Gott beschirmt und vor dem Fall bewahrt zu werden.

    10) Die Feinde des Herrn werden vor ihm erzittern. Er wird ber ihnen donnern oben vomHimmel herab. Der Herr wird die ganze Erde richten. Er wird demjenigen das Reich geben,den er schon zum Knig gemacht hat, und wird das Reich seines Christus mit Herrlichkeitberhufen.

    Wenn nun aber die Heiligen des Herrn, welche alle mit Eigenheit besessene Heiligkeit verlorenhaben, aus Ehrfurcht und Untertnigkeit gegen die Heiligkeit Gottes; wenn, sage ich, diese Heiligendes Herrn Ursache haben, ganz mit Vertrauen erfllt zu sein, wegen der Barmherzigkeit des Herrn,so sollen im Gegenteil die Gottlosen mit Schrecken erfllt werden. Er wird ber ihnen donnern obenvom Himmel herab, denn Gott wird ihnen seinen gerechten Grimm zu fhlen geben, weil der Herr,der ein Richter der ganzen Erde ist, nicht nach dem Schein, sondern nach der Wahrheit urteilt. Erwird das Reich demjenigen geben, welchen Er zum Knig gemacht hat, indem Er ihn zum Knigber seine Leiden macht, und verschafft, dass er hernach in sein Knigreich eingeht, in welchem Er

    ihn niedersetzt. Ja Er wird das Reich seines Sohnes in uns mit einer unsterblichen Herrlichkeitberhufen. Dieses aber zeigt uns, dass Gott nur allein an dem Reich Jesu Christi in uns einWohlgefallen hat. Denn Er wird in dem zuknftigen Leben nur allein diejenigen verherrlichen, indenen Jesus Christus in diesem Leben vollkommen und gnzlich geherrscht hat.

    11) Elkana kehrte hernach wieder heim in sein Haus zu Rama. Das Kind aber diente in derGegenwart des Herrn vor dem Hohepriester Eli.

    Wenn eine Person durch die bung der Gegenwart Gottes anfngt, so kann man allezeit auf einenglckseligen Fortgang in seinem folgenden Leben hoffen. Fast alle Personen, die Gott ganzbesonders angehren, sind gleich anfnglich durch den Geschmack und die Erfahrung derGegenwart Gottes ergriffen worden. Samuel war ein Kind, allein ob er gleich ein Kind war, so dienteer dennoch in der Gegenwart des Herrn, d.h. er verrichtete all sein Tun, indem er sich mit dieseranbetungswrdigen Gegenwart Gottes beschftigte. Die Heilige Schrift meldet, dass er vor demHohepriester Eli war, welches anzeigt, dass er in seinem Betragen vollkommen war. Denn usserlichfolgte er dem Gehorsam und innerlich beschftigte er sich mit der Gegenwart Gottes.

    12) Es waren aber die Kinder des Eli Kinder Belials, die den Herrn nicht kannten.

    Es gibt sehr viele tugendhafte Personen, die so unglcklich sind, bse und ungeratene Kinder zuhaben; da indessen bse Menschen fters Kinder haben, die Heilige sind. Eli ist von der Zahl derersteren. Es ist erstaunlich, dass nach dem Mass, als es Gott zulsst, dass ihm solche unartige Kindergeboren werden, Gott ihm ein anderes Kind zusendet, und zwar ein heiliges. Also ersetzt es Gott,

    und anstatt der Kinder, die nur nach dem Fleisch sind, gibt Er Kinder nach dem Geist.

    17) Die Snde der Kinder Elis war sehr gross vor dem Herrn, weil sie die Menschen von demOpfer des Herrn ab wendig machten.

    Je mehr die Personen erhaben und in Wrden sind, umso viel schwerer und greulicher sind ihrebeltaten und Laster, und dieses wegen des daraus erwachsenden rgernisses, vornehmlich wenndiese Personen in grosser flacht und Ansehen stehen. Denn sie machen, dass die Schwachenteilnehmen an ihren beltaten, und diejenigen, die einen redlichen Willen haben, machen sie vondem Opfer des Herrn abwendig, und verhindern, dass sie solches Opfer verrichten knnen. Dieses

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    ist eine sehr grosse Snde, wodurch Gott umso viel mehr beleidigt wird, da Er durch nichts so hochgeehrt wird, als durch die Opfer.

    18) Das Kind Samuel aber diente vor dem Herrn mit einem leinenen Ephod bekleidet.

    Obgleich sich soviel Arges in dem Hause des Eli findet, so wurde doch Samuel von dieser

    Verdorbenheit nicht angesteckt, weil er in der Gegenwart des Herrn wandelte. Das Hilfsmittel gegenalle bel ist diese bung der gttlichen Gegenwart. Darum werden auch die Personen, welche sichdarin ben, von den bsen Geistern aus allen ihren Krften bestritten, indem diese bsen Geisterentweder verdriessliche Kmpfe mit ihnen halten, oder diese Personen versuchen, oder ihnenschreckliche Verfolgungen von Menschen auf den Hals laden.

    20) Eli segnete Elkana und sein Weib und sprach zu Elkana: Der Herr gebe dir Kinder vondiesem Weib fr das Pfand, das du in die Hnde des Herrn gegeben hast.

    21) Der Herr suchte hernach die Hanna heim, und sie empfing und gebar drei Shne undzwei Tchter. Das Kind Samuel aber wurde gross vor dem Herrn.

    Gott gibt unendlich mehr wieder, als man Ihm gibt. Hanna gibt dem Herrn ein Kind, das sie vonseiner Hand empfangen hatte; Gott aber gibt ihr fr solches wieder andere Kinder, eine grosseAnzahl. Obgleich Gott selbst uns die Opfer zuteilt, welche Er will dass wir Ihm aufopfern sollen, sounterlsst Er dennoch nicht uns dafr zu belohnen, als ob wir Ihm etwas von dem unsrigen gegebenhtten. Darum geschieht es auch, dass der Opfernde findet, dass je mehr er opfert, Gott ihm auchumso viel mehr zuteilt, um es zu opfern. Wenn wir uns unaufhrlich dem Herrn aufopfern, sowerden wir jederzeit neue Opfer haben. Opfern wir aber Gott das, was wir haben, nicht auf, indem wir etwas zurckbehalten wollen, so verlieren wir solches, und werden dessen beraubt, was unszubereitet worden, um es dem Herrn wieder zu geben. David sprach: Was soll ich dem Herrn wiedererstatten fr alle Gter, die ich von Ihm empfangen habe? Ich will den Kelch des Heils nehmen(Ps.115,34). Hiemit will er soviel sagen: Ich kann dem Herrn meine Dankbarkeit fr seine Wohltaten

    nicht anders bezeugen, als durch die Aufopferung eben dieser Gter, indem ich fr mich nichtsanderes annehme als die Schmerzen und die Bitterkeit.

    Indessen wurde Samuel gross vor dem Herrn durch den geistlichen Nutzen, welchen er unter derFhrung Gottes erlangte.

    22) Eli aber war sehr alt; und da er vernahm, wie seine Kinder gegen das ganze Volk Israelsich auffhrten,

    23) Sprach er zu ihnen: Warum tut ihr diese Dinge, die ich von euch hre, dieseabscheulichen beltaten, die ich von allem Volk vernehme?

    24) Tut dieses nicht, meine Kinder; denn es ist ein bser Ruf wider euch, dass ihr macht,dass das Volk die Gebote des Herrn bertritt.

    25) Wenn ein Mensch gegen einen andern Menschen sndigt, kann er bei Gott wiederausgeshnt werden. Sndigt aber ein Mensch wider den Herrn, wer wird fr ihn bitten? DieKinder Eli aber hrten nicht auf die Stimme ihres Vaters, weil der Herr sie tten wollte.

    Viele haben den Untergang der Kinder Eli demjenigen beigemessen, dass Eli solche nicht ernstlichgenug bestraft hat. Wren sie aber fhig gewesen, sich zu bessern, so htten diese (obschon dem

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    Schein nach gelinden Worte) sie gar sehr rhren mssen. Es ist nicht allezeit die Strenge derBestrafung, welche eine Besserung wirkt, sondern vielmehr die Beschaffenheit des Herzens. WennGott die Bekehrung der Kinder durch die Strafreden der Eltern auswirken will, so gibt Gott dieserBestrafung eine gewisse Kraft und einen Nachdruck, welcher ins Herz dringt. Dieses aber darf mandem der will oder luft nicht zuschreiben, d.h. man muss es nicht der Art und Weise zuschreiben,mit welcher ein Vater sich ausdrckt; sondern man muss es Gott allein beimessen, welcher die Kraftmitteilt und macht, dass die Bestrafung ihre Wirkung erreicht. Will aber Gott der Bestrafung keineKraft mitteilen, so geschieht es (besonders wenn eine Person Gott angehrt), dass wenn solchebestrafen will, sie innerlich weder Beistimmung findet, noch Kraft, solches zu tun. Es scheint, mansei eine Maschine, die man einige Worte aussprechen lsst. Es ist ein bses und ein solches Zeichen,dass die Bestrafung nichts fruchten werde, wenn man sie auf diese Weise verrichtet. Die Sprache derSchrift gefllt mir unendlich wohl, weil sie Gott alles, dem Menschen aber nichts zuschreibt. Wir sindweit entfernt, es eben also zu machen; vielmehr schreiben wir allezeit den guten oder bsen Fortgangder Dinge uns selbst oder andern zu. Es ist kein bel in der Stadt, das der Herr nicht getan hat(Arnos 3,6). Eine Seele, die in Gott ist, redet wie Gott. Sie wrde sehen, dass alles zugrunde geht,und knnte es sich doch nicht zuschreiben. Sie berlsst sich Gott samt allem, was ihr angehrt, underwartet alles von Gott. Die andern hingegen schreiben die Tugend ihrer Kinder ihrer guten

    Kinderzucht zu, und wenn sie andere im brigen sehr tugendhafte Personen sehen, deren Kinder verkehrt sind, so erheben sie sich deswegen und glauben, dass das, was bei ihnen Gutes ist odergeschieht, ihnen selbst beigemessen werden msste. Was aber bei andern bel geht, das msseebenfalls der bsen Kinderzucht der Eltern zugeschrieben werden. Sie stellen sich selbst zum Musterdar, und auf diese Weise erheben sie sich, und bauen ihr Ansehen auf den Untergang anderer. DieFhrung und das Betragen Gottes ist allezeit gerecht und wunderbar. Personen, die in Gott wahrhaftig bergegangen sind, sehen die Dinge durch die Augen Gottes, und nicht durch ihrefleischlichen und menschlichen Augen. Darum nehmen sie an der Vollkommenheit ihrer eigenenKinder keinen grsseren Anteil, als an der Vollkommenheit anderer Kinder. Ihre Kinder sind nurdiese, welche Gott ihnen aufladet, und diese liegen ihnen an dem Herzen. Sie tragen alle ihreSchwachheiten und erdulden tausend und abertausend Qualen fr sie. Dies geschieht nicht aus

    eigener Wahl, sondern weil Gott solches also ordnet. Solche Vter und Mtter empfinden sehr wohl,ohne es zu sagen, dass ihre leiblichen Kinder ihnen fremd sind, und dass ihnen andere an derenStelle gegeben werden, welche sie in Jesu Christo zeugen, welche sie innigst nhren, und sie fr denHerrn auferziehen. Samuel gibt uns davon in Ansehung des Eli einen sehr starken Beweis, nach demMass, als Gott die Kinder Elis vertilgt und ttet, so geschieht es, damit in der Natur nichtsLebendiges mehr brigbleibt, und die Gnade allein Frchte der Gerechtigkeit hervorbringen mge;dass Samuel, der in Ansehung des Eli ein adoptiertes oder angenommenes Kind war, in allenTugenden vollkommen wurde, gleichwie die folgenden Worte solches dartun.

    26) Das Kind Samuel aber nahm zu und wuchs, und war Gott und den Menschenangenehm.

    Es gibt Personen, welche scheinen, dass sie nur durch den Tod oder durch das Missraten ihrerleiblichen Kinder Jesu Christo vortreffliche Seelen zeugen knnen. Gleichwohl ruht diese Hoffnungin ihren Herzen, dass wenn Gott nach aller Grsse seiner Ratschlsse diese Vter und Mtter durchdie Verkehrtheit ihrer Kinder gedemtigt und zerstrt haben wird, dass Gott alsdann eben dieseKinder (Sach. 10,8), gleichsam durch den Schall einer Pfeife, aus ihrem Abweichen wieder rufen undsammeln werde, um sie durch eine unendliche Barmherzigkeit selig zu machen.

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    27) Nach diesem kam ein Mann Gottes zu dem Eli und sprach zu ihm: Siehe, so spricht derHerr: Habe ich mich nicht sichtbar dem Hause deines Vaters geoffenbart, da solches ingypten unter der Herrschaft des Pharao war?

    28) Ich habe solches aus allen Stmmen Israels erwhlt, um mein Priester zu sein, um zumeinem Altar zu nahen, und mir Rauchwerk darzubringen, und um das Ephod vor mir zutragen. Ich habe dem Haus deines Vaters Teil gegeben an allen Opfern aller Kinder Israels.

    29) Warum hast du denn unter die Fsse getreten meine Opfer, und die Gaben, von welchenich befohlen, dass man solche im Tempel mir opfere? Und warum hast du deine Kindermehr geehrt als mich, um mit ihnen die Erstlinge der Opfer meines Volkes Israel zu essen?

    Die Vter und Mtter wrden in der Verkehrtheit ihrer Kinder nicht sndigen, wenn sie nicht durcheine trge Nachlssigkeit und ein Wohlgefallen damit einstimmten, und solche dadurch befrderten.Ja, sie gehen fters noch weiter und teilen, wie Eli, mit ihren unartigen Kindern den aus deren bsenund ungerechten Taten erwachsenen Vorteil, indem sie das Bse gutheissen und billigen, wievieleKinder gibt es, die Geizhlse sind, und ungerechtes Gut an sich reissen, und dabei von ihren Eltern

    nicht nur entschuldigt werden, sondern welche auch mit ihren Kindern den Raub teilen? Sie duldendasjenige an ihren Kindern, was sie selbst zu tun sich durch noch einige briggebliebene Billigkeitnicht unterwunden haben wrden. Es ist ihnen lieb, dass ihre Kinder dieses tun, und sie machen sichnebst ihren Kindern eine Ehre aus dem, was sie durch die Schmach und den Schaden anderer Leuteerlangen. Sie essen mit ihren Kindern das Fett der Opfer der andern, die von ihnen sind beraubtworden, und trinken das Blut des Volks. Dieses bel ist so allgemein, dass man sich nicht wunderndarf, wenn man den Fluch des Herrn ber diesen Kindern sieht.

    30) Darum so spricht der Herr, der Gott Israels also: Ich habe vormals gesagt und versichert,dass dein Haus und das Haus deines Vaters fr allezeit vor meinem Angesicht dienen soll.Nun aber, spricht der Herr, sei dies ferne von mir; sondern wer mich verherrlicht, den willich auch verherrlichen, und die mich verachten, sollen wieder in Verachtung fallen.

    Obgleich diese Schriftstellen, wie schon gemeldet, die Abbildung solcher Vter sind, die allzu gelindhandeln, und wohl gar schwere Snden begehen, so dienen sie uns doch auch zu einem wunderbarenmystischen Vorbild der Eifersucht und des Zornes Gottes gegen eigenheitsvolle Seelen, welche mitGott die Opfer teilen. Es gibt wenig Seelen, welche Gott das ganze Opfer berlassen, und die nursolche Brandopfer opfern, in welchen alles fr den Herrn ist, ohne dass weder fr den, der das Opferbringt, noch fr den Priester, der das Opfer schlachtet, das mindeste brigbleibt oder zurckbehaltenwird. Die Brandopfer sind die Opfer der reinen Liebe, die von allem eigenen

    Nutzen oder Interesse ganz und gar los und frei sind. Alles wird darin durch das Feuer der gttlichenLiebe verbrannt und verzehrt. O wie rar und selten sind diese Opfer! Was aber die gewhnlichen

    Opfer betrifft, so findet sich fast niemand, der den besten Teil Gott aufopfert. fters bringt mansolche Opfer, welche die Eifersucht Gottes erregen und seinen Grimm entznden, und man glaubtdoch damit Opfer der Gerechtigkeit zu tun. Wir opfern Gott leichtlich dasjenige auf, was bs oder weniger vortrefflich ist (Maleachi 1,8/14). Wo findet man aber solche, die das Beste aufopfernwollen? Man findet Ordenspersonen und Personen in der Welt, die ihren Leib zum Opfer bringen.Wo findet man aber solche, die ihren Verstand aufopfern? Es gibt noch welche, die ihren verkehrtenWillen aufopfern. Wo sind aber solche zu finden, die den guten Willen aufopfern? Man opfert denWillen des Fleisches, niemals aber den Willen des Menschen.

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    Demnach ist das Opfer der meisten Menschen ein geteiltes Opfer. Es gibt auch kein anderes reinesund vollkommenes Opfer, ohne nur das Opfer, worin man von aller Eigenheit ganz und garlosgemacht und befreit wird. David sprach zu Gott, er habe seinen Willen wunderbar gemacht(Ps.15,3). Denn es geschah, da er allen Willen (auch sogar seinen guten Willen) fr den Herrnverloren hatte, dass ihm der Wille des Herrn mitgeteilt wurde, und der Wille des David war in den Willen des Herrn bergegangen und berformt, und daher war sein Wille wahrhaftig wunderbargeworden. Darum spricht auch Jesaja, dass Gott die Opfer, welche der Eigenwille schlachtet, garnicht achte (Jes.58,3 & 66,3).Das Opfer aber, welches Gott begehrt, ist dass man den eigenen Willenselbst aufopfere, und dieses auch sogar in dem Guten, nach den Worten, dass Gott gehorchen besserist als das Fett der Lmmer zu opfern (1 .Sam.15,22). Das Fett aber bedeutet den besten Teil desOpfers.

    Demnach ist die Eigenheit die Quelle des Zorns Gottes; und solche verursacht, dass Gott unsernUntergang und Zerstrung schwrt, und dass Er unsere Opfer verwirft. Aus diesem Grund kommtes, dass eine Menge Personen, die zwar angefangen haben sich Gott zu ergeben, gleichwohl frimmer aufgehalten bleiben. Alsdann gibt Gott die fr solche Personen bestimmte und vorbehalteneBarmherzigkeiten andern Seelen; und die Gnade des Innern kommt von einer Person auf eine

    andere, die solche besser anwendet. Denn diese Gnade des Innern geht niemals verloren. Wie vielePersonen haben wir gesehen, denen Seelen von dem Herrn waren geschenkt worden, und welche zutragen Gott aufgelegt hatte, die zwar einen sehr guten Anfang gemacht, hernach aber pltzlich sindhinweggerissen, und andere an ihren Platz gegeben worden, welche dasjenige empfingen, was jenenersten war bestimmt und vorbehalten gewesen? Denn Gott verherrlicht nur diejenigen, welche Ihn verherrlichen werden; und wir knnen Ihn nicht wahrhaftig verherrlichen, ohne nur durch dieVerlierung aller Dinge, welches die vollkommene Vernichtigung ist. Gott versichert auch, dass Ernur von den Kleinen geehrt werde. Derjenige, welcher mit oder bei Gott etwas vorbehlt undzurckbehlt, ist Gottes unwrdig, denn er verachtet Gott, wie die Schrift redet.

    31) Es wird eine Zeit kommen, dass ich deinen Arm abhauen werde, und den Arm des

    Hauses deines Vaters, dergestalt, dass in deinem Haus niemals ein alter Mann sein wird.Dieser Spruch ist, nach dieser Erklrung, wunderbar. Nachdem Gott seinen Grimm einmal gegen dieEigenheit entzndet hat, so kommt die Zeit, dass Er den Arm abhaut, indem Er alle Kraft, die manim Guten hatte, wegnimmt und niederschlgt. Denn da man sich dieser Kraft zu einer Sttzebediente, so verhinderte solche, dass man von der Eigenheit nicht vllig losgemacht noch befreitwerden konnte. Ja, Gott reisst nicht nur diese Kraft hinweg, sondern Er entzieht auch alle Krfte desguten Willens, und dieses ist den Arm des Hauses unseres Vaters abhauen; da der Wille, so zu reden,der Ort ist, woselbst das Leben unserer Seele wohnt. Und dieses Leben macht durch seine Treue,dass der Wille entweder lebt oder stirbt; so dass dem Willen nichts mehr brigbleiben wird von dem, was er ehedessen gewesen, um ihm zu einem gewissen Kennzeichen zu dienen, ob er unschuldigoder schuldig ist.

    33) Gleichwohl will ich alle von deinen Nachkommen nicht ganz und gar von meinem Altarentfernen, sondern ich werde machen, dass deine Augen matt werden, und deine Seeleaustrocknen wird; und ein grosser Teil derer deines Hauses sollen sterben, ehe sie noch zummnnlichen Alter kommen.

    Eine Person, welche ihre Eigenheit behlt, erfhrt alles Unglck, womit Eli hier bedroht wird.Gleichwohl verlsst Gott solche Personen deswegen nicht ganz und gar. Denn wenn ich schon ausLiebe, welche Gott gibt zu seiner einzigen Ehre, und fr das was Ihn am meisten verherrlicht, aus

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    allem Vermgen trachte, den Menschen einzuflssen, dass sie sich von aller Eigenheit ganz und garlosmachen lassen sollen, so glaube ich dennoch nicht, dass Seelen, welche von der Eigenheit nichtlosgemacht worden, verdammt sein werden. Keineswegs. Allein dieses weiss ich, dass neben demschrecklichen Fegfeuer, das sie werden erdulden mssen (und welches umso viel heftiger sein wird, jemehr diese Seelen von dem Herrn begnadigt gewesen sind), dass, sage ich, solche Seelen auch nochGott eine unbeschreiblich grosse Verherrlichung rauben. Diese mit Eigenheit behafteten Seelen sinddemnach nicht ganz und gar vom Herrn geschieden, sofern sie nicht in den Tod einer wirklichenSnde fallen. Aber sie sind ohne wesentliche und wahrhaftige Lichter. Sie haben niemals das reineLicht der Wahrheit; sie sind verdunkelt und werden, o Herr, das Licht in deinem Licht nicht sehen.Sie fallen unvermerkterweise in eine gewisse Mattigkeit, worin kein Leben und keine Lebhaftigkeitist. Diese Seelen vertrocknen nach und nach, und die meisten fallen ganz und gar, und weichen abvon dem Weg des Herrn.

    34) Das Kennzeichen hievon wird sein, dass deine beiden Shne zugleich auf einen Tagsterben werden.

    35) Und ich will mir einen treuen Priester erwecken, der nach meinem Herzen und nach

    meiner Seele tun wird. Ich will ihm ein bestndiges Haus bauen, und er soll allezeit vormeinem Christo wandeln.

    Die Gnade des Innern und die Gnade andere Seelen zu fhren, wie schon gemeldet worden, wirdniemals einer Person entzogen, ohne dass Gott nicht zugleich solche Gnade einem andern gibt undbertrgt. Wenn wir auch nicht so viele Sprche htten, welche dieses beweisen, so mssten unsdennoch die so gar vielfltigen Beispiele, welche man hievon in der Heiligen Schrift findet, unsdavon berzeugen. Das Priestertum wird den Kindern des Eli samt dem Leben genommen, undGott erweckt an ihrer Statt den Samuel, der nach dem Herzen Gottes tut, d.h. er wird allen WillenGottes mit einer vlligen Treue vollbringen, ohne auf ein menschliches Ansehen zu achten. Dieswird er im Verlauf dieser Geschichte zeigen, und uns dadurch belehren, dass die wahrhaftige Tugenddarin besteht, dass man sich allem Willen Gottes vllig unterwerfe, gleichwie Samuel dieses selbersagt, nmlich, dass Gott gehorchen besser sei als das Fett der Schafe zu opfern. Wenn wir aber nachder Quelle, aus welcher die Treue des Samuels geflossen, tiefer forschen, so werden wir sehen, dasssolche daher rhrt, dass er in der Gegenwart des Herrn wandelte, welches ist vor Christo wandeln.Wenn an unzhligen Orten der Schrift von einem bestndigen Haus geredet wird, so soll dieses nichtnach dem Buchstaben verstanden werden; da alle diese Huser zerstrt worden sind. Sondern manmuss es verstehen von der Festsetzung der Seele in Gott, welches die Frucht der Treue und derBeugsamkeit unter allen Willen Gottes ist.

    3. Kapitel.

    1) Der Knabe Samuel aber diente dem Herrn in der Gegenwart des Eli. Damals war das Wortdes Herrn rar und teuer. Gott offenbarte sich nicht klrlich.

    Samuel diente Gott, indem er dem Eli gehorchte. Hiedurch zeigt uns die Schrift, dass die Gnade der

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    Kinder des Eli samt der Gnade ihres Priestertums wahrhaftig auf den Samuel bertragen wordenwar. Die Schrift spricht berdies, dass das Wort Gottes damals rar war. Es gibt Zeiten, in welchenGott sich nur gar wenig offenbart; hingegen gibt es auch andere Zeiten, in welchen Gott sein Wohlgefallen hat, sich bermssig mitzuteilen. Dieses Wort ist nichts anderes als die MitteilungGottes, in welcher Gott seine Geheimnisse seinen Knechten offenbart. Dieses Wort ist einfruchtbares Wort, welches die Wahrheit ausgebiert, und in der Seele alles das wirkt, was Gott von derSeele will und begehrt.

    4) Der Herr rief dem Samuel, und Samuel antwortete: Hier bin ich.

    5) Und er lief alsbald zum Eli und sprach zu solchem: Hier bin ich, denn du hast michgerufen.

    Dieses Rufen Gottes zeigt eine besondere Berufung an, die Seelen zu fhren. Die Antwort desSamuel gibt seinen fertigen Gehorsam zu erkennen. Es ist eben als ob er sprche: Ich bin bereit, oHerr, deinen Willen zu tun. Befehle was dir Wohlgefallen wird, siehe, hier bin ich. Die Schrift meldetdie gleichen Worte von Jesu Christo, welche Er spricht, da Er in die Welt kam, Er, der der Erlser

    der Welt und ihr Hirte war: Hier bin ich, und bereit alles zu tun, was dir Wohlgefallen wird(Hebr.10,67).

    Warum meldet die Schrift, dass Samuel hinging, den Eli zu fragen, was er wolle? Es ist nicht nurdarum, um uns zu zeigen, dass Samuel des Wortes Gottes noch nicht gewohnt war, sondern sie lehrtuns berdies, dass die Berufung nicht nur durch den Fhrer bezeugt wird, sondern auch von Gottselbst in den Grund des Herzens eingedrckt, und hernach durch den geistlichen Vater oder Fhrerbesttigt werden muss. Was aber den Grund der Berufung betrifft, so muss solcher von Gott alleinkommen.

    6) Der Herr rief den Samuel nocheinmal, und Samuel stand auf, ging hin zu dem Eli, undsprach zu solchem: Hier bin ich, denn du hast mir gerufen. Eli sprach zu ihm: Mein Sohn,

    ich habe dir nicht gerufen, gehe wieder hin und schlafe.

    Wer wird nicht bewundern den fertigen Gehorsam des Samuel und seine Fertigkeit, der ihmrufenden Stimme zu folgen? In einer solchen beugsamen Gemtsfassung soll eine Seele stehen, ummit der Wrde eines Hirten begnadigt zu werden. Alle welche nicht wie Samuel vom Herrn selbstberufen worden, und diese Beugsamkeit nicht haben, sind Lohnknechte, und keine wahrhaftigenHirten. Die Stimme eines solchen Menschen wie Samuel, ist die Stimme Jesu Christi selbst. Darumhren auch die Schafe diese Stimme. Sie redet bis in den Grund des Herzens. Es ist ein krftigesWort, welches die auserkorenen und auserwhlten Schafe sehr wohl verstehen.

    7) Samuel aber kannte den Herrn noch nicht, und bis dahin war ihm das Wort des Herrn

    noch nicht geoffenbart wordenWoher kommt es, dass hier gesagt wird, dass Samuel den Herrn noch nicht kannte, da doch obengemeldet wird, dass er vor dem Herrn diente, und allezeit in dessen Gegenwart war? Die Ursachedessen ist, dass man den Herrn erst alsdann recht kennt, wenn man seine Stimme gehrt hat, undsolche ist der Ausdruck Gottes selbst in uns. Welche Erkenntnis wir auch von Gott haben mgen,entweder durch die Wissenschaft, oder durch die erleuchtete Vernunft, ja auch selbst durch denGeschmack seiner Gegenwart, so ist dieses doch nicht eigentlich eine Erkenntnis, sondern diewahrhafte Erkenntnis ist diese, welche das in uns ausgedrckte Wort uns mitteilt. Der Ausdruck desWorts ist das Wort Gottes in uns. Gleichwie aber das Wort das Ziel der Erkenntnis des Vaters ist, so

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    kann keiner eine wahrhaftige Erkenntnis des Vaters haben, als nach der Ausdrckung des Worts inuns. Darum sprach auch Jesus Christus zu dem Philippus: Wer mich sieht, der sieht den Vater(Joh.14,9). Durch das Wort erkennen, und durch den Heiligen Geist lieben, solches ist die erhabeneund vortreffliche Erkenntnis und die reine Liebe.

    8) Also rief der Herr den Samuel zum drittenmal, und Samuel stand auf und ging zu demEli.

    Es scheint, unser Herr berufe mit diesem dreifachen Ruf alle diejenigen, denen Er eine besondereBerufung zum apostolischen Stand gibt. Da Gott will, dass David der Hirte von Israel sein soll, soweiht und heiligt Er ihn dreimal mit seiner heiligen Salbung, wodurch die dreifache Berufung desDavids angezeigt wird, indem er berufen wird zu einem Vater, zu einem Hirten und zu einemAusleger des Willens Gottes. Als Vater zeugt er Jesu Christo die Seelen; als Hirte weidet und nhrt ersolche mit dem gttlichen Wort; und als Ausleger des Willens Gottes verkndigt er ihnen allenWillen Gottes, und teilt ihnen eine geheime Kraft mit, solchen zu erfllen.

    Als Jesus Christus dem heiligen Petrus auftrug, seine Kirche zu fhren, liess Er nicht ebenfalls an

    solchen eine dreifache Berufung ergehen? Und gleichwie diese Kirche auf die Liebe sollte gegrndet,durch die Liebe beseelt und in der Liebe vollendet werden, so fragt Jesus Christus dreimal: Petrus,hast du mich lieb? (Joh.21,15ff). Womit Er gleichsam zu solchem sagen will: Das Mass deinerBerufung, um meine Herde zu fhren, ist das Mass der Liebe, welche du zu mir trgst. Die ammeisten geluterte Liebe zu mir ist das Zeichen der vollkommensten Berufung, andern zu helfen.Petrus, hast du mich lieb? Weide meine Lmmer! Dies ist eine erste Liebe, welches eine Liebe derDankbarkeit ist. Solche verursacht, dass man sich aus Liebe zu Gott mit den Mhseligkeiten desapostolischen Amts beladet. Petrus, liebst du mich? Dieses ist die zweite Berufung, die durch dieLiebe des Vertrauens ausgeboren wird, und macht, dass man hofft in Gott dasjenige zu finden, wasuns zu einem so wichtigen Amt fehlt. Und von solchem wird ebenfalls noch gesagt: Weide meineLmmer! Die dritte Berufung: Petrus, hast du mich lieb, bezieht sich auf die dritte Liebe, welche isteine Liebe der bergabe, eine freiwillige, uneigenntzige Liebe, eine reine Liebe, welche macht, dassda man sich seinem Gott zum vollkommenen Eigentum gegeben, man bereit ist, auch unser Leben,unsere Ehre, unsre Seele und alles brige fr seine Herde hinzugeben und aufzuopfern. Dieser Liebewird geantwortet: Weide meine Schafe. Dieses zeigt nicht nur eine Berufung an, um ein Hirte derSeelen zu sein, sondern es bezeichnet berdies eine Gnade der Mitteilung, welche macht, dassnachdem man berufen worden, man auch einen priesterlichen Grad erlangt, durch welchen maneben dieselbe Gnade der Fruchtbarkeit auch andern und solchen Seelen mitteilt, welche selbst schonzum apostolischen Stand gelangt, und imstande sind, den andern zu helfen. Dieser dreifache Rufzeigt demnach eine ausserordentliche Berufung an und eine weit berfliessende Gnade. Johannesdrckt diese Gnade, die er empfangen hatte, in seinem Evangelium auf eine andere Weise aus, indemer spricht: Ich rede zu euch, ihr jungen Leute (womit er von gewhnlichen Seelen redet, aus welchendie Herde besteht), weil eure Snden euch vergeben sind, und da ihr in dem Stand der Gnade steht,

    so seid ihr lebendige Glieder der Herde Jesu Christi. Ich schreibe euch, ihr Vter, weil ihr erkannthabt denjenigen, welcher von Anfang ist, wodurch er von der Erkenntnis redet, die durch dieMitteilung des Worts ausgeboren wird, gleichwie gemeldet worden; und welche das sichersteKennzeichen der geistlichen Vaterschaft ist. Und endlich schreibt er auch den jungen Kindern, d.h.den einfltigen und kindlichen Seelen, weil sie die gttliche Vaterschaft erkannt, und derenWirkungen empfangen haben. Dies ist die dreifache Berufung, wovon hier die Rede ist.

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    9) Da erkannte Eli, dass der Herr das Kind rief, und er sprach zu Samuel: Gehe hin undschlafe; und wenn man dich nocheinmal ruft, so antworte: Rede, Herr, denn dein Knechthrt. Also kehrte Samuel wieder an seinen Ort und schlief ein.

    Eli erkannte, dass der Herr sich dem Samuel mitteilte. Es steht dem erleuchteten Fhrer zu, zuurteilen, wenn es Gott wahrhaftig ist, der da wirkt, und wann es Zeit ist still zu schweigen, um Gottreden zu lassen. Es whrt fters eine lange Zeit, dass Gott durch eine ganz liebevolle Einladung dieSeele zum Stillschweigen einladet. Ihre Unwissenheit aber verhindert sie, die Stimme Gottesanzuhren, und sich deren Wirkung zu berlassen. Fast alle Anhnger in der Liebe machen es also,wenn Gott sie einladet, dass sie Ihm zuhren sollen, indem Er ihnen einen Anfang einer liebevollen,inneren Sammlung gibt, dass sie sich erheben und sich wohl gar ins usserliche ergiessen. Haben sieaber einen erfahrenen Fhrer, so wird solcher sie lehren, dass das Wort Gottes das Stillschweigenerfordert, und dass man sagen msse: Rede, Herr, denn dein Knecht hrt. Es ist eben als ob ersprche: Bis hieher, o Herr, habe ich nicht begriffen, dass ich mich gegen deine innige Wirkung nichtanders betragen soll, als indem ich in Ruhe bleibe, und dass ich dein Wort anders nicht empfangenkann, als durch mein Stillschweigen. Nunmehr aber, da ich durch deinen Diener hierin unterrichtet worden bin, so verspreche ich dir ein genaues Stillschweigen, und eine immerwhrende

    Aufmerksamkeit. Rede, o Herr, dein Knecht hrt. Sobald Gott anfngt sich einer Seele mitzuteilen,so begehrt Er nur von ihr die Aufmerksamkeit auf Gott, und das Stillschweigen. Hernach wenn dieSeele dieses tut, so lehrt Er sie allen seinen Willen.

    10) Der Herr kam abermals, und da er nahe bei ihm war, rief er ihn, wie er ihn das vorigeMal gerufen hatte: Sa muel, Samuel. Samuel antwortete ihm: Rede, o Herr, denn deinKnecht hrt.

    Nachdem Samuel die gewisse Versicherung erhalten, nicht nur seiner knftigen Berufung zum Standeines Hirten, sondern auch dass er zum inneren Stillschweigen die Berufung empfangen, so wanktund zweifelt er nicht, sondern tut ohne Widerrede das, was man ihm sagt. Seine Unterwerfung, sichunterrichten zu lassen, ist vollkommen. Demnach spricht er zu Gott: Rede, o Herr, nunmehr bin ichunterwiesen, dass du mich mit einer so grossen Gnade beehrst. Ich will dir unaufhrlich zuhren.Dein Wort soll in mir nicht mehr vergeblich sein. Durch meinen willfhrigen Gehorsam, solchesanzuhren, wird solches in mir alle Frucht ausgebren, welche du, o Herr, davon verlangen wirst.

    11) Der Herr sprach zu Samuel: Siehe, ich tue eine Sache in Israel, dass wer es hren wird,der wird darber erstaunen.

    12) An demselben Tag will ich wahr machen alles, was ich gegen den Eli und gegen seinHaus geredet habe. Ich will anfangen und vollenden.

    Ist es nicht wunderbar, dass Gott vielmehr mit dem Samuel als mit dem Eli redet, obschon Samuel

    nur ein Kind ist? Eli ist hier das Vorbild einer Person, die zu einem grossen Innern berufen wordenist, welche aber um nichtswrdiger Dinge willen sich auf dem Weg aufgehalten und stillgestanden ist.Deswegen wurde er von den gttlichen Mitteilungen ausgeschlossen. Doch hindert solches nicht,dass er die zu ihm kommenden Seelen in den Anfngen des inneren Weges unterweisen kann, wie erauch den Samuel unterrichtet hat, dass er Gott hren und stillschweigen soll. Samuel aber, ob erschon noch ein Kind ist, so wird er doch von den Geheimnissen Gottes durch Gott selbstunterrichtet. Dieses zeigt uns, dass Gott keinen Augenblick verweilt, sich einer Seele mitzuteilen,wenn solche vollkommen beugsam ist, und dass Gott sich im Gegenteil von denjenigen absondert,welche aufhren beugsam zu sein.

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    Woher kommt es aber, dass Gott spricht, dass Er wahrmachen werde, was Er gegen das Haus desEli geredet, und dass Er vollenden werde, was Er angefangen habe? Die Ursache dessen ist, dass dieBedrohungen Gottes mit Bedingungen geschehen; so dass wenn der, gegen welche solche ergehen, wieder zu Gott kehrt, und in die Ratschlsse oder Vorhaben Gottes eingeht, so werden dieDrohungen nicht erfllt. Bleibt aber der Mensch in sich selbst stehen, und geht nicht mehr ein in das Vorhaben der Barmherzigkeit Gottes, so wird der Ratschluss der Gerechtigkeit ihn treffen. Undgleichwie es manchmal geschieht, dass eine blosse Strafe verursacht, dass der Mensch wieder zuseinem Gott kehrt, so hrt Gott alsdann auf zu schlagen, und vollendet dasjenige nicht, was Er zutun beschlossen hatte. Darum spricht Gott, Er werde es mit dem Eli nicht also machen, sondern dieStrafe vollstrecken und vollenden.

    13) Denn ich habe ihm zuvor gesagt, dass ich sein Haus fr allezeit um seiner Missetat willen strafen wolle. Denn er wusste, dass seine Kinder Bses taten, und er hat sie nichtgestraft.

    Aus diesem Spruch sind verschiedene Lehren zu ziehen. Zum ersten, dass man sorgfltig sein soll,die Kinder nach ihrem Stand zu bestrafen, vornehmlich wenn Gott solches zu tun befiehlt. Es finden

    sich Personen, denen Gott alle Macht und allen krftigen Nachdruck ber ihre Kinder sohinwegnimmt, dass sie gentigt sind die Pein zu tragen, die sie darber leiden, ohne dass sie ihreKinder zu bessern vermgen. Wenn aber Gott die Gewalt gibt, ja wenn Gott einladet, solche zugebrauchen, und man solches durch eine weichliche Zrtlichkeit unterlsst, so ist man mitschuldig anallen beltaten, die sie begehen. Man muss in den Lastern der Kinder des Eli die Umstndebetrachten, welche so beschaffen sind, dass ihr Vater keine Entschuldigung hat. Denn da er derHohepriester war, so stand es bei ihm, seinen Kindern das Priestertum zu nehmen, weil sie solchesmissbrauchten, und sich dessen zu ihrem Geiz und zu ihrer Geilheit bedienten. Die Obern sindschuldig an den ffentlichen Lastern und beltaten derer, die unter ihnen stehen, und mssen solcheverantworten.

    16) Also rief Eli dem Samuel, und sprach zu ihm:

    17) Was hat der Herr zu dir gesprochen? Verhehle es mir nicht, ich bitte dich. Der Herr tuedir nach aller seiner Strengigkeit, wenn du mir etwas von allen Worten verhehlst, die zu dirsind geredet worden.

    18) Da sagte ihm Samuel alles, was er gehrt hatte, und verhehlte ihm nichts. Eli antwortete:Er ist der Herr, er tue alles, was seinen Augen wohlgefllt.

    Dieses zeigt uns beides, sowohl die Treue als auch die Herzhaftigkeit des Samuels, alles zu sagen, wasder Herr zu ihm geredet hatte. Es zeigt aber auch die sehr standhafte und weit sich erstreckendebergabe des Eli. Denn obgleich die Schwachheit, die er fr seine Kinder hatte, strafbar war, so ist

    doch gewiss, dass keine strkere Gelassenheit, sich dem Gericht Gottes zu unterwerfen, zu finden ist,als diese Gelassenheit, worin er zu stehen scheint, da man ihm den gnzlichen Untergang seinesHauses und den Verlust seiner Kinder verkndigt; ja so einen schrecklichen Verlust, dass der Herr(V.14) geschworen hatte, Er wrde nicht besnftigt werden, weder durch Opfer noch Geschenke.Gleichwohl aber spricht Eli: Der Herr tue, was Ihm Wohlgefallen wird. Ich bekenne, dass ichschuldig bin an dem Laster meiner Kinder; und dennoch willige ich ein und bergebe mich zu einerGerechtigkeit ohne Barmherzigkeit, beides, fr sie und fr mich, wenn nur Gott seinen Willenvollbringt, und seine Verherrlichung zieht aus meinem Untergang und aus dem Untergang meinerKinder.

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    8) Wehe uns, denn es war keine so grosse Freude gestern und vorgestern. Wer wird uns vonder Hand dieses mchtigen Gottes erretten? Dieses ist der gleiche Gott, welcher ganzgypten schlug.

    Die Philister hatten Ursache, die Gegenwart der Lade zu frchten, denn sie wussten nicht, dass Gottein rchender Gott, und nicht ein beschtzender Gott fr Israel war. Wenn Gott zornig ist, und manzur heiligen Kommunion naht, so dient dies fters, dass die Strafe, die Er uns zubereitet, desto eherkommt.

    10) Also lieferten die Philister eine Schlacht und Israel wurde geschlagen; alle flohen in ihreZelte.

    11) Die Lade Gottes wurde genommen, und die beiden Shne des Eli wurden gettet.

    Es ist vergeblich, dass man Hilfe in Gott sucht, wenn Er unseren Untergang beschlossen. Ichverstehe aber hier nicht, dass man ewiglich verloren gehe, sondern unsere geistliche Zerstrung. Jemehr wir Gott bitten, und von Ihm Hilfe begehren, umso viel weniger hat Gott Mitleid. Er lsst uns

    alles hinwegrauben, auch sogar seine Gegenwart. Wo sollte man denn Hilfe suchen oder erlangen, wenn wir sie nicht in Gott finden? Notwendigerweise muss seine Barmherzigkeit seinerGerechtigkeit Platz machen.

    12) An eben demselben Tag kam ein Mann mit zerrissenen Kleidern nach Silo gelaufen.

    16) Der sprach zu Eli: Ich komme wieder aus der Schlacht. Eli sprach zu ihm: Was istgeschehen, mein Sohn?

    17) Dieser Mann, der die Botschaft brachte, antwortete ihm: Israel ist vor den Philisterngeflohen; der meiste Teil des Volks ist erwrgt worden; deine beiden Shne Hophni undPinehas sind gettet, und die Lade Gottes ist genommen worden.

    Es ist erstaunlich, dass dieses Volk, welches bis hieher eine so grosse Kraft gehabt, um so viele Siegezu erhalten, solange Gott sie beschtzte, nunmehr fast ohne Widerstand flieht und sich berwindenlsst, sobald Gott aufhrt fr sie zu sein. Wir sind unseren Feinden sehr schrecklich, solange Gottuns auf eine besondere Weise beschtzt. Sobald Er uns aber uns selbst berlsst, o Gott, wie grossist alsdann unsere Schwachheit! fters helfen wir selbst zu unserer Niederlage. Gleichwohl sind wirso blind, dass wenn wir siegen, wir uns insgeheim den Sieg zuschreiben. Es ist eine Wirkung derBarmherzigkeit Gottes, dass Er unsere Niederlage zulsst. Ohne dieses wrden wir nicht genugsambegreifen, weder unsere Schwachheit, noch wie sehr wir Gott ntig haben.

    18) Sobald er die Lade Gottes erwhnte, fiel Eli hinter sich von seinem Stuhl, und brach denHals, so dass er starb.

    Eli war vorbereitet auf den Untergang seines Hauses und den Verlust seiner Kinder. Darum war seinSchmerz mit eben derselben Gelassenheit untersttzt, die er zeigte, da Samuel ihm solches vorherverkndigte. Darum war auch dies nicht die Ursache seines Todes. Weil er sich aber zu dem Verlustder Lade nicht hatte zubereiten knnen, so verursachte solches, dass er das Leben einbsste. Ob wirauch gleich alles verlieren, was wir besitzen, wenn wir nicht auch die Gegenwart Gottes und seinewahrnehmliche Sttze verlieren wrden, so wrden wir niemals sterben. Wir sind zu allem zubereitet,ausgenommen zu dem Verlust dessen, was unsern Begriff bersteigt, und welches gleichwohl in unsunsere innigste und allerzarteste Untersttzung ist.

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    zusammenkoppeln will, und das wieder aufrichtet, was Gott niederstrzt! Denn gleichwie Gott unddieser unselige Dagon unmglich beisammen bestehen knnen, so muss einer dem andern weichen.Selig ist der Mensch, wenn die Snde der Gnade in ihm Platz macht, und wenn die Liebe zu unsselbst der Liebe Jesu Christi die Stelle berlsst. Wehe aber, und abermals wehe uns, wenn Gott weicht und den Platz berlsst! Wir sehen, wem Personen im Anfang die Erstlinge des innerenGeistes gehabt, und die ssse Gegenwart Gottes geschmeckt haben, hernach aber solches allesfahren lassen, dass diese Personen nachher rger werden als andere, und weniger zu bekehren sind.Die Ursache dessen ist, weil sie die Lade und den Dagon haben zusammenkoppeln wollen. Und dasie ein so hohes Gut, das Gott ihnen durch die Erstlinge seines inneren Geistes und durch seinessse Gegenwart verliehen hatte, zu ihrem Heil wohl htten anwenden sollen, so haben sie durcheine unerhrte Bosheit solches verachtet, indem sie sich nicht selbst verleugnen wollten. Sie htten wohl gern diese gttliche Gegenwart mit der Weltfreude und Eigenliebe zusammen verknpfen wollen. Da sie aber solches nicht haben tun knnen, haben sie die Wollste der Welt und dieEigenliebe Jesu Christo vorgezogen.

    4) Da sie auch des folgenden Tages sehr frh aufgestanden waren, fanden sie den Dagon aufder Erde liegen auf seinem Angesicht, aber der Kopf und die beiden Hnde waren

    abgehauen, und lagen auf der Trschwelle.

    Dieses ist die Wirkung der Gegenwart Gottes in einer Seele, nmlich dass solche macht, dass dieeigenen Vernunftsberlegungen und das eigene Wirken, durch den Kopf und die Hnde des Dagonvorgebildet, fallen. Was ist aber fr ein Gutes, das daraus kommt, wenn man Gott machen lsst?Dieses, dass Gott alsdann die Stelle einnimmt, und alles in der Seele tut. Gewhnlich aber geschiehtes, dass die Priester und Fhrer alle Sorge dahin richten, den Kopf und die Hnde des Dagon wiederan ihren Platz zu setzen, indem sie machen, dass man das vernnftige berlegen und das eigeneWirken zur Hand nimmt, und gebraucht, und also muss Gott den Platz verlassen, und seiner Kreaturweichen. Allein ehe Gott dieses tut, wie grosse Pein lsst Er nicht erdulden!

    Indessen ist hiebei zu merken, dass der Kopf und die Hnde des Dagon auf der Trschwelle liegenbleiben. Damit wird uns gelehrt, dass das vernnftige berlegen und die eigene Wirksamkeit unsdienen sollen, in das Innere uns einzufhren, jedoch mssen wir sie auf der Trschwelle lassen, ohnesolches wrden wir in dem Weg des Geistes niemals etwas ausrichten knnen.

    5) Nur allein der Rumpf des Dagon war an seinem Platz geblieben. Aus dieser Ursachegeschieht es bis auf den heutigen Tag, dass die Priester des Dagon, und alle welche inseinen Tempel eingehen, nicht auf die Trschwelle treten.

    Gott zeigt uns hiedurch, dass nur das Haupt und die Hnde des Dagon schdlich sind, d.h. nur dasRaisonieren oder das vernnftige berlegen, und das eigene Wirken ist schdlich. Wenn aber dieseabgehauen sind, so bleibt nur der Rumpf brig. Dieses ist der Ort, wo das Herz seinen Sitz hat, und

    kann keinen Schaden bringen; vielmehr wenn der Rumpf Gott dargestellt bliebe, wrde er mit Geistund Leben beseelt werden. Allein wie weit sind die Priester dieser Zeit hievon entfernt. Denn anstattdass man diese Gnade zum Heil wohl anwenden sollte, so machen sie es eben also wie die Priesterdes Dagon: Sie wollen nicht ber die Schwelle gehen, und lassen auch andere nicht darberhingehen, indem sie sich dem Innern widersetzen, und wollen nicht, dass man weder dieVernunftsberlegungen oder das Raisonieren, noch die bungen verlasse. Auf diese Weise geschiehtes, dass das, was durch ein Wunder der Allmacht Gottes geschehen war, um die Menschen zuunterweisen, dass er im Geist und in der Wahrheit angebetet sein will (Joh.4,24), dass, sage ich,solches eben diesen Menschen dient, um sich dem Reich und der Herrschaft Jesu Christi in den

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    Seelen zu widersetzen. Sagt man nicht: Dieser Weg sei gefhrlich? Denn sobald die GegenwartGottes in eine Seele komme, knne solche nicht mehr wirken? Darum setzt man sich dagegen,anstatt zu sagen: Die Seele ist in das Unvermgen zu wirken gesetzt worden, weil Gott selbst wirkenwill. Demnach ist dieses das Zeichen, dass man Gott den Platz berlasse, und Ihn machen lassenmuss. Allein anstatt dieses zu tun, streitet man gegen Gott, und hieraus entstehen schrecklichePeinlichkeiten.

    6) Es war aber die Hand des Herrn schwer Ober Asdod, und er verderbte das Land. Erschlug auch die Leute der Stadt und vom Land mit dem Blutfluss; und man sah in derganzen Stadt eine Verwirrung von Toten und Sterbenden.

    Nichts zieht die Ungnade Gottes mehr nach sich, als wenn man verhindern will, dass Er nicht berunser Herz den Sieg erhalte, dass Er nicht unser eigenes Wirken daraus verbanne, und dass Er nichtsein gttliches Bewirken anstatt des unsrigen in unser Herz einfhre. Dies erregt Gottes Ungnade,wenn man es verwehren will. Ja daher kommt es eben, dass Gott die Ihm widerstrebenden Seelenmit so viel Peinlichkeiten heimsucht, bis endlich Gott ganz und gar von diesen Seelen weicht. Man wundert sich ber zwei Dinge, welche allen Seelen widerfahren, welche die Erstlinge des inneren

    Geistes gehabt haben, in solchen aber nicht eingegangen sind, nmlich dass solche Personen ihrganzes Leben hindurch streiten, und schreckliche Peinlichkeiten erdulden; weil diese Personen dieganze brige Zeit ihres Lebens in dem ussersten Unvermgen und Dunkelheiten zubringen. Odersolche Personen verlassen den Weg Gottes ganz und gar, ohne Hoffnung, in solchen wiedereinzutreten, indem sie durch vergebliche Anstrengungen ermdet und abgemattet worden sind. Alldieses bel kommt nur daher, dass anstatt man diese Seelen htte anweisen sollen, sich nach derGnade zu richten, und ihr Betragen mit der Gnade bereinstimmend zu erweisen, so wendet man sievielmehr davon ab.

    Es wird beigefgt, dass man in der ganzen Stadt eine Verwirrung von Sterbenden und Totengesehen, was ist wohl die Ursache, dass fast alle Menschen durch die Snde sterben? Es ist derMangel des Innern. Ich habe ein sehr grosses Mitleid mit den Sndern; nmlich mit solchen, die ausSchwachheit und nicht aus Bosheit sndigen. Denn diese letzteren stossen alle Heilmittel freiwillig von sich und begehren keine solche. Was aber die Snder betrifft, die von ihrer Snde gernloskommen wollten, aber keine Krfte haben, diese jammern mich aufs usserste. Man schreitunaufhrlich gegen sie, und gibt ihnen doch keine Heilmittel zur Heilung. Man macht es wiePersonen, die einen Menschen sehen, der ertrinkt. Sie schreien und rufen aus allen Krften undschelten ihn, weil er ertrinkt; sie reichen ihm aber die Hand nicht um ihn zu erretten. Es istvergeblich die Snder zu schmhen, wenn man ihnen nicht zugleich zeigt, wie sie zum inneren Lebengelangen sollen. Denn dieses ist das einzige Mittel fr ihr bel.

    7) Als die Leute von Asdod diese Plage sahen, sprachen sie untereinander: Lasset die Ladedes Gottes Israels nicht unter uns bleiben, denn seine Hand ist schwer auf uns und auf

    Dagon, unserm Gott.

    O ein Unglck, das mit Trnen nicht genug beweint werden kann! Nachdem die Gnade in einemHerzen lange Zeit gekmpft, im den Dagon daraus zu verjagen, und nachdem der innere Geistvielmehr htte die Oberhand behalten als weichen sollen, so vertreibt man solchen aus dem Herzen,und dmpft diesen Geist, von welchem Paulus doch sagt und so sehr empfiehlt, dass man ihn nichtdmpfen soll (1 .Thess.5,19). Die Hand des Herrn ist nur darum schwer auf uns, weil wir Ihm nichtPlatz machen, und weil wir nicht vielmehr dem Rat des Petrus folgen, welcher zu uns spricht:Demtiget euch unter die gewaltige Hand Gottes (1 .Petr.5,6). Anstatt aber, dass wir uns diesem

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    inneren Geist unterwerfen, und ihm den Platz berlassen sollten, so streiten wir wider solchen, bisdass er aus dem Herzen gar verbannt worden, und man spricht stets bei sich selbst, es sei unmglichein so unglckliches Leben, bei dem gar keine Freude sei, zu fhren. Darum sei es besser, diesenWeg fahren zu lassen. Dies tun auch fast alle Menschen.

    8) Nachdem sie die Frsten der Philister hatten kommen lassen, sprachen sie zu solchen:Was machen wir mit der Lade des Gottes von Israel? Die von Gath antworteten: Man fhresie von einer Stadt in die andere. Also fhrten sie die Lade des Gottes Israels von einem Ortzu dem andern.

    Wenn die Seelen durch den Widerstand, da sie Gott widerstreben, in grosse Pein und Leiden geraten,so unterlassen sie nicht, sich wegen ihres Standes zu befragen. Und alsdann gibt man ihnen den Rat,die Lade Gottes herumzufhren, d.h. allerlei bungen anzustellen. Allein, ach!weit entfernt, dasssie dadurch genesen knnten, vielmehr verschlimmert sich ihre Plage dadurch sehr, und wird nochunheilbarer.

    9) Da sie also solche von einem Ort zu dem andern fhr ten, reckte der Herr seine Hand

    ber eine jede Stadt aus, und schlug die Einwohner mit dem Blutfluss, von dem Kleinstenbis zum Grssten.

    Der Herr streut Bitterkeiten auf alle usseren bungen. Man tut sie mit Ekel, ja sie erwecken wohlgar Versuchungen, da Gott die Seelen hiedurch ntigen will, dass sie in ihr Inneres eingehen sollen.Anstatt aber, dass man durch diese Gnaden oder durch die Strafen sich sollte zurechtweisen lassen,so bleibt man vielmehr verhrtet und verstockt.

    10) Hernach sandten sie die Lade Gottes nach Ekron. Und da sie dahin kam, schrien alleLeute der Stadt: Sie haben die Lade des Gottes von Israel zu uns gefhrt, damit sie uns undunser ganzes Volk tte.

    Man hat das Gemt fast aller heutigen Christen mit vergeblichen Schreckbildern erfllt, indem mandie inneren Wege fr gefhrlich ausschreit, welche Furcht aber gewiss durch nichts anderes als durchdas Einblasen des bsen Geistes herkommen kann. Man flieht die im Inneren Leben stehendenPersonen wie die Pest und spricht, sie wrden machen dass man sterbe. Ja, sie machen dass man sichselbst abstirbt, wie auch allen eitlen Dingen der Welt; und dieses ist es, was man am meisten frchtet. Allein, spricht nicht die Schrift: Die Schritte dessen, der den Frieden verkndigt, sind lieblich(Jes.52,7), indem die Schrift von denen redet, welche das Innere lehren? Wenn man das Innere lehrt,so verkndigt man den Frieden, denn es ist gewiss, dass nur allein dieser Weg den Frieden zu bringenvermag.

    11) Also sandten sie zu allen Frsten der Philister, welche, da sie sich versammelt hatten,

    sprachen: Sendet die Lade Gottes von Israel wieder hinweg, und lasst sie wieder dahinkehren, wo sie war, damit sie nicht uns und unser Volk tte.

    O verkehrter Entschluss! Anstatt dass man Gott allein in uns regieren und wirken lassen sollte, soratet man vielmehr, Ihn hinwegzusenden, und den Weg des Innern zu verlassen. Geben nicht diePriester (welche die Frsten des Volks sind), heutzutage eben diesen Rat, anstatt dass sie untersuchensollten, woher die Verwirrung des Innern und die Quelle des bels kommen knnte? Tten siedieses, so wrde man gleich sehen, dass es daher kommt, weil man Jesus Christus und den Beelzebubin einem Herzen zusammen hegen und verbinden will; welches aber unmglich geschehen kann.Denn Beelzebub muss daraus verbannt werden, damit Jesus Christus darin regiere. Anstatt aber

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    dieses zu tun, so verdammt man das Innere. Ja man scheut sich nicht auszuschreien, dass dieser Weggefhrlich und eine Quelle der Snden sei; und man msse den Seelen wehren, dass sie sich nicht indiesen Weg begeben. O erbrmliche Blindheit! O mein Gott, verndere das Herz der Hirten, damitdie Schafe mit der himmlischen Speise genhrt werden.

    12) Denn eine jede Stadt war mit Schrecken des Todes erfllt, und die Hand Gottes liess sichschrecklich bei ihnen empfinden. Die welche nicht starben, wurden mit dem Blutflussgeschlagen, und das Geschrei einer jeden Stadt stieg bis zum Himmel.

    Es ist wahr, Gott straft nichts mit grsserer Strenge, als wenn man seine Gnade zurckstsst, und vornehmlich, wenn man die Gnade des Innern nicht annehmen will. Wir kmpfen gleich denPhilistern eine lange Zeit, um diese heilsame Lade zu erlangen. Sobald wir solche aber erlangt haben,so erschrecken wir vor der Eifersucht eines Gottes, der allein sein, und unser Herz ohne Teilungbesitzen will. Anstatt dass wir alle fremde Liebe, die unser Gtze ist, aus unserem Herzen verbannen,und Gott den Platz berlassen sollten, so wollen wir das nicht fahren lassen, was Gott zuwider ist.Und da wir die flacht Gottes empfinden, der alles, was sich seinem Reich entgegensetzt, bestreitet, sotreiben wir Gott von uns hinaus, und ziehen eine eingebildete Freude, eine trichte Ehre, ein eitles

    Vergngen seiner reinen Liebe vor. O ein Verlust, der mit allen unsern Trnen nicht genugsambeweint werden kann!

    6. Kapitel.

    2) Die Philister Hessen ihre Priester und ihre Wahrsager kommen und sprachen zu solchen:Was sollen wir mit der Lade des Herrn anfangen? Sie antworteten ihnen:

    3) Wenn ihr die Lade des Gottes Israels wieder heimsendet, so sendet sie nicht leer hinweg,sondern erstattet ihr das, was ihr derselben fr eure Snden schuldig seid. Alsdann werdetihr genesen und erkennen, warum seine Hand sich nicht von euch abzieht.

    Es ist wohl getan, dass man dem Herrn Gelbde und Gebete bringe, wenn man niedergeschlagen istvon Pein und Schmerzen, weil Gott seine Barmherzigkeit uns versagt. Ein grosses Unglck und belaber ist es, wenn man Gott ntigt von uns zu weichen. Wieviele Christen gibt es heutzutage, die, obsie gleich von Gott geschieden und in Snden leben, dennoch wohl zufrieden sind, und glauben siewren in guter Sicherheit, weil sie einige Gelbde tun, und eine besondere Andacht zu der heiligen

    Jungfrau oder zu einigen Heiligen tragen? Allein obschon dieses eine an sich selbst gute Sache ist, sokann ihnen doch eine Andacht nichts ntzen, die sie in den grbsten Snden und Lastern sichermacht, und die sie ber einen unschtzbaren Verlust trstet, nmlich dass sie Gott verloren haben?Sollte man nicht vielmehr den Dagon vertilgen, und den wahren Gott anbeten, und das Innere samtder Verleugnung seiner selbst ergreifen? Alsdann wrden sie die Gegenwart Gottes geniessen undbehalten, und befreit sein von allen diesen beln.

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    5) Machet Bilder von Gold gleich den krank g