Haager Strafgerichtshof zielt auf kenianische...

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A frika wird immer mehr zum Arbeits- feld des Internationalen Strafge- richtshof (ICC) in Den Haag. Nach Anklageerhebungen gegen Politiker aus dem Sudan, der Demokratischen Republik Kongo und Liberia wird die Justiz auch in Kenia tätig. Die Regierung des ostafrikani- schen Landes hat dem ICC gestattet, in der Hauptstadt Nairobi ein Büro zu eröffnen. Man prüfe derzeit, ob das notwendig sei, heißt es am ICC. Seit längerem sind Ermitt- ler des Strafgerichtshofs im Land, um nach Politikern zu suchen, die mit ihren Agitatio- nen die Unruhen nach der Präsidenten- wahl im Dezember 2007 ausgelöst und den Hass zwischen den Volksgruppen Kikuyu, Luo und Kalenjin geschürt haben. Bei den Krawallen Anfang 2008 starben 1500 Men- schen, 300 000 wurden vertrieben. Die Recherchen werden in den am meis- ten betroffenen Städten Naivasha, Eldoret, Kisumu, Kericho und in den Slums Mat- hare und Kibera in Nairobi durchgeführt. Bis Ende des Jahres will der ICC-Chefan- kläger Luis Moreno-Ocampo den Fall vor Gericht bringen. Dem Vernehmen nach wird eine Liste mit 20 Mitgliedern der poli- tischen Elite verfasst, die bei den Unruhen die treibende Kraft gewesen sind. Exper- ten wie Sebastian Elischer von der Afrika- nistik-Abteilung des Giga-Instituts in Ham- burg begrüßen die juristische Aufarbei- tung, sehen aber auch Risiken. „Wenn rang- hohe politische Persönlichkeiten vor Ge- richt gestellt werden, kann das zu massiven Konflikten in der kenianischen Elite füh- ren“, sagte Elischer auf dem 19. Kenia-Semi- nar bei den Comboni-Missionaren in Ell- wangen. Nach den Unruhen hatten Präsi- dent Mwai Kibaki, ein Kikuyu, sowie Pre- mierminister Raila Odinga von der konkur- rierenden Ethnie der Luo einen Burgfrie- den geschlossen und den Weg für eine Ver- fassungsreform geebnet. Die Beauftragung des ICC habe gezeigt, dass der kenianische Versuch der Aufarbei- tung der Unruhen gescheitert sei, sagte Eli- scher. Es sei nun wichtig, dass sich die Ar- beit des ICC nicht bis zu den nächsten Wah- len 2012 hinziehe. Bisher begrüßt eine Mehrheit der Kenianer die Arbeit des ICC. Dies könnte sich rasch ändern, wenn der bedeutende Führer einer der 42 Ethnien in Kenia vom ICC angeklagt werden würde, sagte Elischer. „Wenn der Prozess politi- siert wird, besteht eine Gefahr für die Stabi- lität des Landes. Sollte einer ihrer eigenen Leute auf die Anklagebank kommen, wer- den die Vertreter bestimmter Ethnien nichts mehr vom ICC wissen wollen.“ In der Presse wurde spekuliert, dass der Kalenjin William Ruto sowie Uhuru Keny- atta, ein Kikuyu und Sohn des keniani- schen Gründungspräsidenten Jomo Keny- atta, sich auf der Anklageliste finden könn- ten. Die großzügige Landverteilung durch den Kikuyu-Präsidenten Kenyatta senior an die Vertreter seiner eigenen Ethnie auf Kosten der Kalenjin im Rift Valley hatte nach der Unabhängigkeit 1963 immer wie- der Unruhen ausgelöst und ist auch die tie- fere Ursache für die jüngste Gewaltwelle. Von der neuen Verfassung Kenias, die noch durch die Verabschiedung von 50 Gesetzen umgesetzt werden muss, verspricht sich Elischer keine Wunder. Zwar sieht die Ver- fassung die Verabschiedung einer Landre- form vor, mit der illegal angeeignetes Land an die ursprünglichen Besitzer zurückgege- ben werden soll. „Die politische Realität in Kenia macht eine Umverteilung von Land unwahrscheinlich.“ Hierzu gehöre die „langsame und korrupte Justiz“. Kenia ran- giert auf dem Korruptionsindex von Trans- parency International auf dem 154. Platz von 178 Ländern. Allerdings scheint die An- tikorruptionskommission Kenias in jüngs- ter Zeit hart durchzugreifen: Sowohl Nairo- bis Bürgermeister als auch Außenminister Moses Wetangula mussten dieser Tage nach Korruptionsvorwürfen ihren Hut neh- men. Wetangula war in einen Skandal ver- wickelt, bei dem es um Grundstückskäufe für neue Botschaften im Ausland ging. Al- lein in Tokio soll Kenia für ein Grundstück elf Millionen Euro zu viel bezahlt haben. Um die Wunden der Vergangenheit zu heilen, ist nach südafrikanischem Muster eine Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Ver- söhnungskommission gegründet worden, die die Zeit vom Unabhängigkeitsjahr 1963 bis Februar 2008 aufarbeiten soll und so- mit eines der größten Mandate für eine Ver- söhnungskommission hat. Cecilia Kime- mia vom Weltbevölkerungsfonds (Unfpa) in Kenia hat nun gefordert, dass sich die Kommission auch um die sexuelle Gewalt kümmern müsse. Im Schatten der Unru- hen war es vielfach zu Vergewaltigungen von Frauen durch Nachbarn, Verwandte, Bekannte und Mitarbeiter in Vertriebenen- lagern gekommen. Man müsse die Täter benennen und einen „Heilungsprozess“ an- stoßen, forderte Kimemia. Nairobi Ermittler suchen die Rädelsführer der Unruhen von 2008. Ein Experte sieht die Stabilität des Landes bedroht. Von Christoph Link Haager Strafgerichtshof zielt auf kenianische Elite Die Armen waren Opfer: 1500 Menschen starben 2008 bei Unruhen in Kenia. Foto: dpa

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Page 1: Haager Strafgerichtshof zielt auf kenianische Elitekeniaseminar.de/2010/elischer/artikel_link_sz.pdfKalenjin WilliamRuto sowie Uhuru Keny-atta, ein Kikuyu und Sohn des keniani-schen

I n den Streit zwischen dem Iran undder internationalen Gemeinschaft umdie Atompolitik Teherans kommt Be-

wegung. Irans Chefunterhändler SaidDschalili erklärte sich gestern zu Gesprä-chen mit der EU-Außenbeauftragten Ca-therine Ashton bereit. Ashton verhandeltim Namen der Fünf-plus-eins-Gruppe, dieaus den fünf ständigen Mitgliedern des Si-cherheitsrates (China, Frankreich, Großbri-tannien, Russland, USA) sowie Deutsch-land besteht. Ashton sagte gestern in Brüs-sel, sie habe einen Brief Dschalilis erhalten:„Er ist bereit, für die Zeit nach dem 10.November ein Datum und einen Zeitpunktfür Gespräche zu vereinbaren.“

Ashton sieht darin auch ein Ergebnisder vierten Runde von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates und der erst am Montagoffiziell verschärften EU-Sanktionen. De-ren Ziel sei es, den Iran zur Wiederauf-nahme von Verhandlungen zu bringen.„Dies ist ein bedeutender Moment“, sagtedie Außenbeauftragte, die Dschalili fürMitte November zu Gesprächen nach Wieneingeladen hatte. EU-Diplomaten sagten,Dschalili habe seine Zusage nicht mit Vor-bedingungen hinsichtlich der Tagesord-nung verbunden. Ashton gehe daher davonaus, dass auch über die Forderung der inter-nationalen Gemeinschaft nach einemStopp der Urananreicherung im Iran ge-sprochen werde. Der Iran hatte zuvor mehr-fach erklärt, er wolle über regionale Sicher-heit und beispielsweise Israels mutmaßli-chen Besitz von Atomwaffen diskutieren.

Die internationale Gemeinschaft ver-dächtigt den Iran, den heimlichen Bau vonAtomwaffen vorzubereiten. Teheran be-streitet dies nachdrücklich. dpa– Kommentar: Nukleares Ringelreihen SEITE 3

Atomprogramm Als Reaktion aufdie jüngsten Sanktionen von UNund EU lenkt Teheran ein.

W ir sind Argentinier, Soldaten desPinguins“, haben die Anhängervon Néstor Kirchner am Abend

seines überraschenden Todes skandiert.Wie immer bei Ereignissen, die die Argenti-nier politisch außerordentlich bewegen,war die Plaza de Mayo im Herzen von Bue-nos Aires der Schauplatz der Trauerkund-gebung für Néstor Kirchner, den die Fans,weil er aus Patagonien stammte, als Pin-guin bezeichnen. Abschiedsworte, Fahnen,Blumen und Tränen vor der Casa Rosada,dem Amtssitz des Staatspräsidenten an derOstseite des Platzes – und immer wiederdie Vokabel Ungewissheit, die auf Spanischso lautmalerisch ist: Incertidumbre.

Der jähe Tod Kirchners, so empfindet esder bekannte Politologe Rosende Fraga, er-zeuge den Eindruck, als stehe Argentinien

plötzlich ohne Präsi-dent da, als stelle sichdie Frage, wie der Vize-präsident nun dasLand führe. Der Ein-druck ist natürlichfalsch. Das Amt desStaatspräsidenten ver-sieht Cristina Fernán-dez Kirchner, die

Witwe. Ihr Mann hatte, seit er 2007 abtrat,keine Regierungsfunktion inne. Und den-noch: er war die beherrschende Figur derargentinischen Politik – daher der Ein-druck, dem Land fehle die Führung.

Ob Cristina Kirchner, die nach dem Todihres Mannes zunächst die Öffentlichkeitmied, nun einen anderen Kurs einschlagenwerde, ist eine der am meisten diskutiertenFragen. Denn sie, die politisch mit ihremMann wie Pech und Schwefel verbundenwar, ist in ihrer Amtszeit keinem Konfliktaus dem Weg gegangen. Dadurch entstanddas Szenarium einer tief zerstrittenen Ge-sellschaft, und das, obwohl sie gute Gründehätte, mit sich im Reinen zu sein – etwa dieum sieben Prozent wachsende Wirtschaft.

Die Kirchners legten sich mit den Far-mern an, deren Protest 2008 das Landlahmlegte, sie stritten sich mit den Indus-triellen herum, wagten den Konflikt mitdem Obersten Gericht, lagen mit dem Parla-ment im Dauerclinch und erklärten Cristi-nas abtrünnigen Vize Julio Cobos zumFeind. Den katholischen Klerus verprell-ten sie mit der Einführung der Homo-Ehe,und die großen Medienkonzerne wetterngegen die Regierung, weil diese ihren Ein-fluss beschneiden will.

In 13 Monaten wird gewählt, und es galtals fast sicher, dass Néstor Kirchner plante,nicht nur Vorgänger seiner Frau zu sein,sondern auch ihr Nachfolger zu werden.Diesen dynastischen Plan hat nun der Toddurchkreuzt. Cristina muss versuchen,ihre eigene Wiederwahl zu sichern. Ob siedas tut, indem sie den bisherigen, auf Kon-

flikt ausgelegten Kurs weiter steuert, oderob sie den Dialog mit denen sucht, mit de-nen sie verkracht ist, das ist die entschei-dende Frage der kommenden Monate.

Die politische Rechte hat stets versucht,Cristina als Marionette ihres Mannes dar-zustellen. Wäre es so, dann läge tatsächlichein Kurswechsel nahe. Aber dass Cristinaquasi auf Befehl ihres Mannes regiert hat,ist eine wirklichkeitsfremde Annahme. Sosehr sie auch ihrem Mann verbunden war,sie hatte stets eigenes Gewicht, eigenes Po-tenzial, eigene Persönlichkeit – warum alsosollte sie sich von dieser Linie abkehren?Eine der Stärken der Kirchners war stetsdie Schwäche ihrer Gegner, und ob die Op-position stärker wird, weil sie nun ihrenLieblingsfeind nicht mehr hat, ist offen. Ge-nauso spannend ist die Frage, ob sich derKirchnerismus ohne Néstor Kirchner als

vorherrschende Strömung innerhalb desPeronismus erhalten kann. Selbst Kirch-ner hatte Schwierigkeiten, das chaotischeGebilde namens Peronismus bei derStange zu halten; 2009 unterlag er bei derWahl als Abgeordneter für die mächtigeProvinz Buenos Aires dem Vertreter einerabweichenden peronistischen Strömung.

Der Tod von Eva Perón, der 1952 dasEnde der ersten Amtszeit ihres Mannes ein-leitete, schließlich 22 Jahre später das Able-ben von Juan Domingo Perón, das Argenti-niens Fahrt in den Abgrund beschleunigte– der Tod hat eine Schlüsselrolle im Pero-nismus. Die Geschichte wiederholt sichnicht, aber es ist gut denkbar, dass Cristina,getragen von einer Woge des Mitgefühlsund der Verklärung ihres toten Mannes,die Wahl gewinnt – und das wäre immerhineine sehr argentinische Lösung.

D ie Vorwürfe haben es in sich: diedreitägige Terrorattacke auf Mum-bai im November 2008 mit fast 170

Toten hätte möglicherweise vermiedenwerden können, wenn die USA ihre Ge-heimdienstinformationen mit Indien ge-teilt hätten. Dies legte zumindest IndiensStaatssekretär im Innenministerium, Go-pal Krishna Pillai, nun in einem Fernsehin-terview nahe. Der Zeitpunkt seiner An-klage ist brisant: In rund einer Woche, vom6. bis 9. November, will US-Präsident Ba-rack Obama erstmals Indien besuchen.

Von einem „Krieg der Worte“ sprach dieWirtschaftszeitung „Mint“ bereits. Der

US-Botschafter in Delhi, Timothy Roemer,wies die Vorwürfe umgehend zurück. DieUSA hätten Indien „regelmäßig“ und „lau-fend“ mit Informationen versorgt. Dage-gen erklärte Pillai, Indien sei „enttäuscht“von den USA. Der Konflikt dreht sich vorallem um den aus Pakistan stammendenAmerikaner David Headley, der nach indi-schen Angaben zunächst als Spitzel für dieUSA arbeitete, aber dann zur TerrorgruppeLashkar-e-Toiba (LeT) überlief, die hinterdem Anschlag in Mumbai vermutet wird.

Headley habe die Tatorte für die blutigeAnschlagsserie bei diversen Besuchen aus-gekundschaftet. Doch obgleich zwei Ex-

frauen Headleys die US-Ermittler gewarnthätten, habe man Indien nicht über dessenKontakte zur LeT informiert, klagte Pillai.Andernfalls hätte Indien ihn bei einem sei-ner Indienbesuche festgenommen.

Der öffentliche Schlagabtausch scheintkein gutes Omen für Obamas Besuch. Wäh-rend sein Vorgänger George W. Bush dasLand heiß umwarb und mit dem zivilenNuklearpakt bedachte, werden die Indermit Obama nicht recht warm. Die NäheWashingtons zu Indiens Erzfeind Pakistanlässt in Delhi die Alarmglocken schrillen.

Unterdessen haben die USA gestern erst-mals in ihrer Geschichte offiziell enthüllt,was sie für ihre Spionageaktivitäten ausge-ben. Demnach umfasste das Gesamtbudgetfür die 16 Geheimdienstbehörden der Na-tion im Haushaltsjahr 2010 rund 80 Milliar-den Dollar (gut 57 Milliarden Euro).

A frika wird immer mehr zum Arbeits-feld des Internationalen Strafge-richtshof (ICC) in Den Haag. Nach

Anklageerhebungen gegen Politiker ausdem Sudan, der Demokratischen RepublikKongo und Liberia wird die Justiz auch inKenia tätig. Die Regierung des ostafrikani-schen Landes hat dem ICC gestattet, in derHauptstadt Nairobi ein Büro zu eröffnen.Man prüfe derzeit, ob das notwendig sei,heißt es am ICC. Seit längerem sind Ermitt-ler des Strafgerichtshofs im Land, um nachPolitikern zu suchen, die mit ihren Agitatio-nen die Unruhen nach der Präsidenten-wahl im Dezember 2007 ausgelöst und denHass zwischen den Volksgruppen Kikuyu,Luo und Kalenjin geschürt haben. Bei denKrawallen Anfang 2008 starben 1500 Men-schen, 300 000 wurden vertrieben.

Die Recherchen werden in den am meis-ten betroffenen Städten Naivasha, Eldoret,Kisumu, Kericho und in den Slums Mat-hare und Kibera in Nairobi durchgeführt.Bis Ende des Jahres will der ICC-Chefan-kläger Luis Moreno-Ocampo den Fall vorGericht bringen. Dem Vernehmen nachwird eine Liste mit 20 Mitgliedern der poli-tischen Elite verfasst, die bei den Unruhendie treibende Kraft gewesen sind. Exper-ten wie Sebastian Elischer von der Afrika-nistik-Abteilung des Giga-Instituts in Ham-burg begrüßen die juristische Aufarbei-

tung, sehen aber auch Risiken. „Wenn rang-hohe politische Persönlichkeiten vor Ge-richt gestellt werden, kann das zu massivenKonflikten in der kenianischen Elite füh-ren“, sagte Elischer auf dem 19. Kenia-Semi-nar bei den Comboni-Missionaren in Ell-wangen. Nach den Unruhen hatten Präsi-dent Mwai Kibaki, ein Kikuyu, sowie Pre-mierminister Raila Odinga von der konkur-rierenden Ethnie der Luo einen Burgfrie-den geschlossen und den Weg für eine Ver-fassungsreform geebnet.

Die Beauftragung des ICC habe gezeigt,dass der kenianische Versuch der Aufarbei-tung der Unruhen gescheitert sei, sagte Eli-scher. Es sei nun wichtig, dass sich die Ar-beit des ICC nicht bis zu den nächsten Wah-len 2012 hinziehe. Bisher begrüßt eineMehrheit der Kenianer die Arbeit des ICC.Dies könnte sich rasch ändern, wenn derbedeutende Führer einer der 42 Ethnien inKenia vom ICC angeklagt werden würde,sagte Elischer. „Wenn der Prozess politi-siert wird, besteht eine Gefahr für die Stabi-lität des Landes. Sollte einer ihrer eigenenLeute auf die Anklagebank kommen, wer-den die Vertreter bestimmter Ethniennichts mehr vom ICC wissen wollen.“

In der Presse wurde spekuliert, dass derKalenjin William Ruto sowie Uhuru Keny-atta, ein Kikuyu und Sohn des keniani-schen Gründungspräsidenten Jomo Keny-

atta, sich auf der Anklageliste finden könn-ten. Die großzügige Landverteilung durchden Kikuyu-Präsidenten Kenyatta senioran die Vertreter seiner eigenen Ethnie aufKosten der Kalenjin im Rift Valley hattenach der Unabhängigkeit 1963 immer wie-der Unruhen ausgelöst und ist auch die tie-fere Ursache für die jüngste Gewaltwelle.Von der neuen Verfassung Kenias, die nochdurch die Verabschiedung von 50 Gesetzenumgesetzt werden muss, verspricht sichElischer keine Wunder. Zwar sieht die Ver-fassung die Verabschiedung einer Landre-

form vor, mit der illegal angeeignetes Landan die ursprünglichen Besitzer zurückgege-ben werden soll. „Die politische Realität inKenia macht eine Umverteilung von Landunwahrscheinlich.“ Hierzu gehöre die„langsame und korrupte Justiz“. Kenia ran-giert auf dem Korruptionsindex von Trans-parency International auf dem 154. Platzvon 178 Ländern. Allerdings scheint die An-tikorruptionskommission Kenias in jüngs-ter Zeit hart durchzugreifen: Sowohl Nairo-bis Bürgermeister als auch AußenministerMoses Wetangula mussten dieser Tagenach Korruptionsvorwürfen ihren Hut neh-men. Wetangula war in einen Skandal ver-wickelt, bei dem es um Grundstückskäufefür neue Botschaften im Ausland ging. Al-lein in Tokio soll Kenia für ein Grundstückelf Millionen Euro zu viel bezahlt haben.

Um die Wunden der Vergangenheit zuheilen, ist nach südafrikanischem Mustereine Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Ver-söhnungskommission gegründet worden,die die Zeit vom Unabhängigkeitsjahr 1963bis Februar 2008 aufarbeiten soll und so-mit eines der größten Mandate für eine Ver-söhnungskommission hat. Cecilia Kime-mia vom Weltbevölkerungsfonds (Unfpa)in Kenia hat nun gefordert, dass sich dieKommission auch um die sexuelle Gewaltkümmern müsse. Im Schatten der Unru-hen war es vielfach zu Vergewaltigungenvon Frauen durch Nachbarn, Verwandte,Bekannte und Mitarbeiter in Vertriebenen-lagern gekommen. Man müsse die Täterbenennen und einen „Heilungsprozess“ an-stoßen, forderte Kimemia.

Iran bereit zuGesprächen

Argentinien Die Ungewissheitnach dem Tod des Expräsidentenist groß. Von Wolfgang Kunath

Internationale Terrorfahnder haben ausdem Jemen gesteuerte Paketbomben-An-schläge auf jüdischen Einrichtungen inden USA vereitelt. Die verdächtigen Päck-chen waren in Frachthallen in Dubai und inMittelengland abgefangen worden und soll-ten an jüdische Zentren in Chicago gehen.Nach den Worten von US-Präsident Ba-rack Obama enthielten die Sendungennach ersten Tests „anscheinend explosivesMaterial“. Er sprach am Freitag von einer„glaubhaften Bedrohung“, die man sehrernst nehme. Auch von einem perfidenTest der amerikanischen Sicherheitsein-richtungen war mehrfach die Rede.

Obamas Sicherheitsberater John Bren-nan sagte, die im Jemen aufgegebenen Pa-kete seien präpariert gewesen, „um irgend-eine Art von Attacke auszuführen“. Obamaunterstrich, seine Regierung werde keineMühen scheuen, „um die Herkunft dieserverdächtigen Pakete zu ermitteln“. Die Be-hörden ließen am Freitagabend zweiF-15-Jagdflugzeuge aufsteigen, um einePassagiermaschine der FluggesellschaftEmirates mit Ziel New York zu eskortieren,die ein verdächtiges Paket aus dem Jemenan Bord hatte.

Nach dem Fund in England wurden Dut-zende Frachtflugzeuge der GesellschaftenUPS, DHL und FedEx untersucht. dpa

USA Schwere Vorwürfe belasten die Beziehungen zu Indien vorObamas erstem Besuch im Land. Von Christine Möllhoff, Neu-Delhi

Nairobi Ermittler suchen die Rädelsführer der Unruhen von 2008.Ein Experte sieht die Stabilität des Landes bedroht. Von Christoph Link

Brasilien

Rousseff klare FavoritinDie Brasilianer entscheiden am Sonntag in ei-ner Stichwahl über die Nachfolge von PräsidentLuiz Inácio Lula da Silva. Seine Wunschkandida-tin Dilma Rousseff geht mit klarem Vorsprungin die zweite Runde: Sie liegt nach jüngsten Um-fragen mit 14 Prozentpunkten vor dem Opposi-tionskandidaten José Serra. Sollte Rousseff dieWahl gewinnen, wäre sie die erste Präsidentindes fünftgrößten Landes der Welt. Lula, dernach zwei Amtszeiten nicht mehr antretendurfte, gibt seinen Posten am 1. Januar ab. dpa

Kosovo

Nato halbiert Kfor-TruppenDie von der Nato geführte Schutztruppe fürdas Kosovo (Kfor) wird in den kommenden Mo-naten von knapp 10 000 auf 5000 halbiert.Dies teilte die Nato gestern in Brüssel mit. Diessei möglich, weil die Sicherheitslage im Kosovosich in den vergangenen Monaten stetig verbes-sert habe. Die örtlichen Behörden seien zuneh-mend in der Lage, die Verantwortung für die Si-cherheit im Lande zu übernehmen. Nach Anga-ben der Kfor gehören auch 1500 deutsche Bun-deswehrsoldaten zu der Truppe. dpa

KirchnersTod erzeugtden Eindruck,das Landstehe ohnePräsident da.

Inmitten schwerer Spannungen haben sichGrenzsoldaten aus Süd- und Nordkorea ges-tern ein kurzes Feuergefecht geliefert. Zu-erst seien von nordkoreanischer Seite zweiSchüsse über die Grenze auf einen Wach-posten in Südkorea abgegeben worden,teilte ein Sprecher des Generalstabs dersüdkoreanischen Streitkräfte mit. Die Sol-daten hätten das Feuer sofort erwidert. Essei jedoch unklar, ob die Schüsse aus Nord-korea gezielt abgefeuert worden seien. Ver-letzte gab nach Angaben der südkoreani-schen Seite nicht. Der Grenzzwischenfallereignete sich rund 100 Kilometer nordöst-lich von Seoul nahe Hwachon. An derGrenze hat es in der Vergangenheit immerwieder derartige Vorfälle gegeben. dpa

Haager Strafgerichtshof zielt auf kenianische Elite

Ein Land trauert um Néstor Kirchner

Krieg der Worte zwischen Delhi und Washington

Kurz berichtet

Washington

Explosives Materialin US-Frachtfliegern

Die Armen waren Opfer: 1500 Menschenstarben 2008 bei Unruhen in Kenia. Foto: dpa

Spannungen

Schusswechsel ankoreanischer Grenze

Die Mächtigen Südamerikas vereint am Sarg Néstor Kirchners – seine Witwe, die argentinische Präsidentin Cristina Fernández, inmittender Präsidenten Kolumbiens, Brasiliens und Venezuelas: Juan Manuel Santos, Luiz Inácio Lula da Silva und Hugo Chávez (v. l.). Foto: dpa

6 Nr. 252 | Samstag, 30. Oktober 2010STUTTGARTER ZEITUNGAUSSENPOLITIK