Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und...

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saper e aude Hallesche Beiträge zu den Pflegewissenschaften Gesundheits- und Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten: Experten-Austausch zu inhaltlichen und methodischen Fragen Workshop Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd und Teilprojekt P4 25./26. November 2005, Leucorea, Wittenberg Herausgegeben von Prof. Dr. Margarete Landenberger, Ingrid Horn, Anette Thoke-Colberg und Petra Renz Herausgeber:Johann Behrens 5.Jahrgang Redaktion &Gestaltung:Gero Langer ISSN 16107268 3

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Strukturiertepflegerisch-interdisziplinäre

Intervention bei onkologischenPatienten: Experten-Austausch zu

inhaltlichen und methodischen FragenWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd und

Teilprojekt P425./26. November 2005, Leucorea, Wittenberg

Herausgegeben von Prof. Dr. Margarete Landenberger,Ingrid Horn, Anette Thoke-Colberg und Petra Renz

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Gesetzt mit LATEX 2ε in der Stempel Garamond

Redaktionsschluß: 10. April 2007

IMPRESSUM

Die »Halleschen Beiträge zur Gesundheits- und Pflegewissenschaft« werden herausgegeben von Prof. Dr. phil. habil. Johann BehrensRedaktion & Gestaltung: Dr. Gero LangerKontakt: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg · Medizinische Fakultät · Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft ·German Center for Evidence-based Nursing · Magdeburger Straße 8 · 06112 Halle/Saale · DeutschlandTelefon 0345 – 557 4454 · Fax 0345 – 557 4471 · E-Mail [email protected] http://www.medizin.uni-halle.de/pflegewissenschaft/index.php?id=341ISSN 1610–7268

Alle Rechte vorbehalten.

© Prof. Dr. Johann Behrens, Halle/Saale, Deutschland

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AbstractIn Germany, diseases in haematology-oncology are the second most common cause of death aftercardiac-vasculatory diseases with a prevalence of 30%. Anorexia, Nausea and Emesis (ANE) areone of the most severe side-effects of chemotherapy with significantly influence on quality oflife and every day activities of cancer patients. Deficit of knowledge regarding self care agency isoften associated with these symptoms. 248 cancer patients receiving chemotherapy treatment withmoderate to high ANE potential, participated in a cluster-randomized trial (RCT) with 14 wardsand day clinics in 2 German university-hospitals (funded by BMBF, FKZ: 01GT0301).

The objective of the workshop was to encourage a discussion between researchers, nursesand practitioners to the subject of the BMBF funded nursing research network »Communica-tively difficult situations at chronically ill patients« as well as the research project »Reduction ofchemotherapy-induced Anorexie, Nausea and Emesis through a structured nursing intervention: acluster-randomized controlled trial«. The participants took actively part as speakers and withinthe discussion. The conference transcript contains the specific parts of the speakers. A shortintroduction to the specific of the topic (initial statement) is followed by the statements of theexperts.

Chapter 1 provides an introduction of the BMBF-funded research project »Reduction ofchemotherapy-induced Anorexie, Nausea and Emesis through a structured nursing intervention: acluster-randomized controlled trial«. Chapter 2 continues with goals and ways for nursing scienceat the University Hospital Halle and the university hospital of Technical University Munich.Chapter 3 focuses the specific of a structured, evidence-based intervention within the practiceguideline for »Management of the ANE-syndrome«. Basis of the structured intervention is theassessment for patients with ANE (chapter 4), followed by an introduction of the four elements ofthis structured intervention, i.e.: nursing participation in prescribed emesis prophylaxis (chapter 5),interdisciplinary relaxation techniques and information leaflet and advisory consultation (chapter6) as well as advice on nutrition (chapter 8). The in-house training for implementation of thestructured intervention is discussed in chapter 9. Chapter 7 as an excurse summarizes notes onrequirements on instruments used for nursing research.

ZusammenfassungMit rund 30% stehen hämatologisch-onkologische Erkrankungen nach Krankheiten des Kreis-laufsystems an zweiter Stelle der Mortalität in Deutschland. Anorexia, Nausea, Emesis (ANE-Syndrom) gehören zu den belastendsten Nebenwirkungen der Chemotherapie onkologischerErkrankungen. Sie schränkt die Lebensqualität und Alltagsbewältigung der Patienten ein. Ebensostellt das Wissensdefizit ein ernst zunehmendes Problem dar.

Die vom BMBF geförderte cluster-randomisierte kontrollierte Multicenterstudie (Förderkenn-zeichen 01GT0301) in der 248 onkologische Patienten mit moderat- und hochemetogener Chemo-therapie teilnehmen, wird an zwei deutschen Universitätsklinika in Deutschland durchgeführt mitdem Ziel, das ANE-Symptom mittels einer strukturierten Intervention zu reduzieren und dadurchdie Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Ziel des Workshops ist der Austausch zwischen internationalen Forschern und Praktikernzu dem BMBF-gefördertem Forschungsverbund »Pflege chronisch kranker Patienten in kom-munikativ schwierigen Situationen« sowie zum Teilprojekt »Wirksamkeit einer strukturiertenevidencebasierten fachpflegerischen Intervention bei Chemotherapie-Patienten«. Die Teilneh-mer des Workshops nahmen aktiv als Referenten und Diskutanten an dem Workshop teil. Der

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Tagungsband des Workshops beinhaltet die Diskussionsbeiträge der Teilnehmer, der nach ei-ner kurzen Einführung in das jeweilige Thema (Initialstatement), die Statements der Experten(Kommentarstatement) enthält.

Kapitel 1 führt in die BMBF-P4-Studie »Reduktion von chemotherapie-induzierter Anorexie,Nausea und Emesis (ANE) durch eine strukturierte Pflegeintervention: eine cluster-randomisierteMulticenterstudie« ein. Dem schließt sich eine Darstellung über Ziel und Wege der Pflegeforschungam Universitätsklinikum Halle sowie am Klinikum rechts der Isar, München an. Kapitel 3 stellt dieSpezifik einer strukturierten, evidencebasierten Intervention in Form der Praxisleitlinie »Manage-ment des ANE-Syndroms« in den Mittelpunkt. Grundlage der strukturierten Intervention bildetdas Assessment zur Pflegebedarfseinschätzung bei ANE-Patienten (Kapitel 4), das in die ModulePflegerische Mitwirkung bei der Antiemetika-Medikation (Kapitel 5), Pflegerisch-interdisziplinäreEntspannung und Informationsbroschüre/Beratungsgespräch (Kapitel 6), Pflegerische Ernährungs-unterstützung und -beratung (Kapitel 8) mündet. Die Schulung der Pflegenden zur Umsetzung derstrukturierten Intervention im Rahmen einer internen Weiterbildung wird in Kapitel 9 diskutiert.Kapitel 7 (Exkurs) beschäftigt sich mit geeigneten Messinstrumenten für AnwendungsorientiertePflegeforschung.

Schlagworte• Onkologie

• Chemotherapie

• ANE-Syndrom

• randomisiert-kontrollierte Studie (RCT)

• evidenzbasierte Praxisleitlinie

• oncology

• chemotherapy

• ANE-Syndrom

• structured intervention

• evidence-based practice guideline

Über die HerausgeberinnenLandenberger, Margarete: Seit 1999 Professorin am Institut für Gesundheits- und Pflegewissen-schaft, Medizinischen Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Schwerpunkte inForschung und Lehre sind Klinische Pflegeforschung zu Onkologie, Gesundheitssystem undAusbildung/Studium. Mitglied in verschiedenen Fachorganisationen.

Horn, Ingrid: Seit 1991 Pflegedirektorin am Universitätsklinikum der Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg mit den Schwerpunkten Qualitätsstandards, Initiierung und Mitarbeit am Auf-bau des Studiengangs Pflegewissenschaft, Lehr- und Mentorentätigkeit. Mitglied in verschiedenenFachorganisationen.

Thoke-Colberg, Anette: Pflegedirektorin am Klinikum rechts der Isar, der Technischen Univer-sität München. Beruflicher Werdegang: Pflegedienstleitung, stellvertretende Pflegedirektorin undPflegedirektorin, Lehrerin für Krankenpflege an Berufsfachschulen und an Instituten für Fort-und Weiterbildung.

Renz, Petra: Dipl. Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin, Krankenschwester, derzeit tätigim Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinischen Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie im Zentralen Pflegedienst des Universitätsklinikums derMedizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Inhaltsverzeichnis

1. ENTWICKLUNG UND EVALUIERUNG EINER STRUKTURIERTEN

PFLEGEINTERVENTION ZU ÜBELKEIT UND KOMMUNIKATIONS-

/WISSENSDEFIZIT VON CHEMOTHERAPIE-PATIENTEN 4

1.1. Hintergrund 4

1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4

1.3. Ziele der Untersuchung und Fragestellungen 5

1.4. Studiendesign, Methoden und Erhebungsinstrumente 5

1.5. Erste Ergebnisse bzw. zu erwartende Ergebnisse und deren Relevanz 6

1.6. Laufzeit 6

1.7. Literaturhinweise des Projektteams 6

2. BMBF- PFLEGEFORSCHUNGSVERBUND MITTE-SÜD

»ANWENDUNGSORIENTIERTE PFLEGEFORSCHUNG« - »PFLEGE CHRONISCH

PFLEGEBEDÜRFTIGER IN KOMMUNIKATIV SCHWIERIGEN SITUATIONEN«:

ZIEL UND WEGE 8

2.1. Statements zu Anwendungsorientierte Pflegeforschung - Pflege chronisch Pflegebedürftiger in

kommunikativ schwierigen Situation 8 2.1.1. Statement I. Horn - Ziele der Pflegeforschung, dargestellt am Forschungsprojekt 8

2.1.2. Statement A. Thoke-Colberg - Pflegeforschung am MRI: Zielsetzung, Konzept, Struktur und

erwartete Ergebnisse 10

3. SPEZIFIK EINER »STRUKTURIERTEN EVIDENCE-BASIERTEN

INTERVENTION «PRAXISLEITLINIE ASSESSMENT, INFORMATION/BERATUNG,

ANTIEMESE, ERNÄHRUNG, ENTSPANNUNG 13

3.1. Evidenzbasierte Praxisleitlinie »Übelkeitsmanagement für onkologische Patienten« – als Basis für

die Umsetzung einer strukturierten pflegerischen Studien-Intervention 13

3.2. Statements zu Praxisumsetzung 17 3.2.1. Statement Inge Eberl 17

3.2.2. Statement Ursula Schmidt, Stationsleitung UKK Halle 19

3.2.3. Statement Anita Tselikas 20

4. ASSESSMENT ZUR PFLEGEBEDARFSEINSCHÄTZUNG BEI ANE-

PATIENTEN 22

4.1. Assessment zur Pflegebedarfseinschätzung bei ANE-Patienten 22

4.2. Statements zu Erfahrungen mit Assessment 27

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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4.2.1. Statement Karl Reif 27

4.2.2. Statement Berhard Glawogger 31

4.2.3. Statement Dipl.-PGw. Christiane Schaepe 32

4.2.4. Statement Dipl.-Pflegewirtin Helle Dokken 35

4.2.5. Statement Ilona Nothdurft 37

5. INTERVENTION »PFLEGERISCHE MITWIRKUNG BEI DER ANTIEMETIKA-

MEDIKATION« (P4) 40

5.1. Intervention »Pflegerische Mitwirkung bei der Antiemetika-Medikation« 40

5.2. Statements zu Erfahrungen mit pflegerisch- interdisziplinärer pharmakologischer Intervention 42 5.2.1. Statement Dr. med. Dirk Grothe 42

5.2.2. Daniel Wecht, Leiter Fort- und Weiterbildung Pflege, Universitätsklinik Marburg 44

5.2.3. Statement Rudolf Nieth 46

6. INTERVENTION »PFLEGERISCH-INTERDISZIPLINÄRE ENTSPANNUNG

UND INFORMATION / BERATUNG« (P4) 48

6.1. Intervention »Pflegerisch-interdisziplinäre Entspannung und Information / Beratung« (P4) 48

6.2. Statements zu Erfahrungen mit pflegerisch- interdisziplinärer Entspannung und

Information/Beratung 51 6.2.1. Statement Alexander Pröbstl, MRI München 51

7. EXKURS: GEEIGNETE MESSINSTRUMENTE FÜR

ANWENDUNGSORIENTIERTE PFLEGEFORSCHUNG 53

7.1. Die Verwechslung von Zielen und Mitteln und von interner und externer Evidence. Das Ziel

Lebensqualität in der Onkologie 53 7.1.1. Die Verwechslung von Mitteln und Zielen: Vier Stufen der Qualität 53

7.1.2. Verwechslung von interner und externer Evidence 55

8. INTERVENTION »PFLEGERISCHE ERNÄHRUNGSUNTERSTÜTZUNG UND –

BERATUNG« (P4) 57

8.1. Evidenzbasierte pflegerische Massnahmen der Ernährung/-sberatung für onkologische

Chemotherapie-Patienten 57

8.2. Statements zu Erfahrungen mit pflegerisch- interdisziplinärer Ernährung, -sberatung, Diät 60 8.2.1. Statement Pia Kulka, Diätassistentin, Ernährungsberatung UKK Halle 60

9. SCHULUNG DER PFLEGENDEN IN EINER STRUKTURIERTEN STUDIEN-

INTERVENTION (P4) 62

9.1. Schulung der Pflegenden in einer strukturierten Studien-Intervention 62

9.2. Statements zu Erfahrungen mit innerbetrieblicher Fortbildung und Schulung 72 9.2.1. Statement Michael Beau 72

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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9.2.2. Dipl.-PGw Stephanie Hanns 74

9.2.3. Statements Ralf Becker 76

10. DANKSAGUNG 78

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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1 . Entwicklung und Evaluierung einer strukturierten Pflege-

intervention zu Übelkeit und Kommunikations-

/Wissensdefizit von Chemotherapie-Patienten

Projektleitung

Prof. Dr. Margarete Landenberger

Tel.: 0345/577-4106

Email: [email protected]

Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät,

Martin-Luther-Universität H alle

Magdeburger Strasse 8

06097 H alle/Saale

Anette Thoke-C olberg

Pflegedirektorin am Klinikum rechts der Isar der Technischen U niversität München,

Anstalt des öffentlichen Rechts

Tel.: 089/4140-2750

Email: [email protected]

Ingrid H orn

Pflegedienstdirektion, U niversitätsklinikum, Medizinische Fakultät, Martin -Luther-U niversität H alle

Tel.: 0345/577-2381

Email: [email protected]

1 .1 . Hintergrund

Im Zentrum des Vorhabens stehen zwei die Lebensqualität von C hemotherapie (C Tx) -

Patienten besonders einschränkende beispielhafte Pflegeprobleme Übelkeit sowie dar-

auf bezogenes Kommunikations- und Wissensdefizit . Gefragt w ird, ob es Pflegenden –

in Kooperation mit den anderen beteiligten Berufsgruppen - mittels einer strukturierten

onkologisch-fachpflegerischen Intervention gelingt, für die beiden zusammenhängen-

den Probleme eine Verbesserung zu erzielen.

1 .2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten

In Studien und Reviews zu Pflegeinterventionen bei Übelkeit und Wissensdefizit la ssen

sich 4 Bereiche unterscheiden: (1) Pharmakologisch-medizinische Therapie (Antieme-

tika): Die Rolle der Pflege liegt in der Unterstützung des Arztes bei Diagnose, Ver-

schreibung, Therapie und Beobachtung der Wirkung. (2) Entspannungs-, Ablenkungs-

Techniken sind die am häufigsten in psy choonkologischen und pflegewissenschaftlichen

Studien untersuchte Interventionsgruppe. Grundpflegerische Entspannungsmaßnah-

men (z.B. Atemstimulierende Einreibung, Respectare©) ergänzen die pharmakolog ische

Therapie (Osterbrink 2002). (3) Belegt ist die positive Wirkung von pflegerischer Wis-

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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sensvermittlung, Information und Patientenberatung auf somatische Beschwerden,

Lebensqualität und Alltagsbewältigung (Benor/Delbar et al 1998; Ritz/Nissen et al

2000). (4) Ernährungsberatung und -schulung ist Studien zufolge eine w irksame

Intervention zur Vorbeugung, Vermeidung von Übelkeit und Gewichtsverlust

(Brown/By ers et al 2001; Ollenschläger/Thomas et al 1992).

Standardisierte evidenzbasierte onkologische Pflegeinterventionen liegen internatio-

nal bereits vor (Roy al C ollege of Nursing 1999). Die Wirksamkeit von Integrated care

pathways zu verschiedenen Behandlungs- und Pflegeprozeduren im H inblick auf Qua-

lität und Wirtschaftlichkeit wurde durch Stud ien belegt (Selwood 2000). In Großbritan-

nien, USA und Niederlande/Belgien wurden Experten-Netzwerke gegründet, in denen

Praktiker und Forscher an der Entwicklung von Leitlinien und Pathway s arbeiten

(AC S/NC C N 2001; C ampbell/H otchkiss 1998, Tanghe/Paridaens/Evers et al 1996, Ser-

meus/Vanhaecht 2001). Für Deutschland haben Kellnhauser/Vitt et al (2001) konzeptuelle

Vorarbeiten vorgelegt.

Zusammenfassend zeigt der Stand der Forschung, dass bisher für Deutschland / den

deutschsprachigen Raum keine pflegerischen Interventionsstudien und keine evidenzba-

sierten Standards und Pfade zu den im vorliegenden Vorhaben geplanten Fragestellu n-

gen vorliegen.

1 .3. Ziele der Untersuchung und Fragestellungen

Ziel ist es, eine strukturierte Pflegeintervention für onkologische C hemoth erapie-

Patienten zu entwickeln. Damit sollen die Nebenwirkungen Übel-

keit/Erbrechen/Appetitmangel sowie das damit zusammenhängende kommunikative

Problem Wissensdefizit über diese Nebenwirkung verbessert werden. Die in ihrer Wir k-

samkeit durch Studien aus dem angelsächsischen Sprachraum bestätigte Intervention

besteht aus den Modulen Information/Beratung des Patienten, pflegerische Unterstü t-

zung bei der ärztlichen Antiemese-Medikation, Ernährung/-sberatung sowie pflegeri-

sche/interdisziplinäre Entspannungsmaßnahmen. Die Patienten sollen durch pfleger i-

sches stellvertretendes H andeln, aber auch durch pflegerische Information, Beratung,

Anleitung und Schulung (a) Besserung ihrer Übelkeit/Erbrechen/Appetitmangel sowie

(b) Steigerung ihrer Selbstpflegekompetenz, Alltagsbewältigung sowie Mitentschei-

dungsfähigkeit erlangen. Die strukturierte fachpflegerisch-onkologische Intervention

soll zur Vereinheitlichung der Pflegepraxis auf dem Niveau der Evidenzbasierung und

damit zur Qualitätssteigerung und Kontinuitätssicherung der bisher von Klinik zu Kli-

nik und von Station zu Station unterschiedlichen Pflege der Pat ienten beitragen.

1 .4. Studiendesign, Methoden und Erhebungsinstrumente

Es handelt sich um eine cluster-randomisierte, prospektive kontrollierte Multicenterstu-

die. Sie w ird an den beiden beteiligten Zentren in H alle und München an insgesamt 240

Patienten mit C hemotherapie durchgeführt.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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In der ersten Projektphase (Phase 1) w ird ein Assessmentinstrument zur Pflegebedarfs-

messung entwickelt, das die Parameter enthält, die au ch zur Evaluierung der Interventi-

on, d.h. zur Messung des erzielten Ergebnisses geeignet sind. In Phasen 2 -4 erfolgen

Entwicklung, Umsetzung und Messung der Intervention. Die Zusammensetzung der

strukturierten Pflegeintervention aus vier Interventionsmodulen und deren U msetzung

w ird in Form einer Praxisleitlinie dokumentiert. Die Pflegenden der teilnehmenden

Interventionsstationen erhalten eine einwöchige Schulungsmaßnahme in deren Anwen-

dung. Die Messung der Wirksamkeit der strukturierten Intervent ion erfolgt auf Seiten

der Patienten durch zwei H erangehensweisen. Fremdeinschätzung der Nebenwirkungen

mittels C TC AE Skala (C ommon Terminology C riteria for Adverse Events) durch die

Pflegenden. Selbsteinschätzung der Patienten mittels Fragebögen zur Lebensqualität

(EORTC ) und Selbstpflegekompetenz. Datenauswertung und Berichterstattung sowie

Ergebnistransfer in Praxis und Wissenschaft (Phase 5-6) bilden den Abschluss.

Die Spezifik der Studie liegt in der Patientenzentrierung, der Multiprofessionalität und

im Anwendungsbezug. Seit Beginn sind Pflegefachkräfte, Ärzte, Psy chologen, Diätassi s-

tenten und Phy siotherapeuten der beiden beteiligten Zentren in verbindlichen Teams bei

allen Schritten der Konzeption, der Methodik und der Studiendurchführung beteiligt.

1 .5. Erste Ergebnisse bzw. zu erwartende Ergebnisse und deren Relevanz

Die Ergebnisse des Vorhabens sollen zur Qualitätsentwicklung der patientenzentrie rten

Pflegepraxis sowie zur Kostenkontrolle der Patientenversorgung beitragen. Ko nkrete

Arbeitsmethoden und –instrumente, nämlich evidenzbasierte Pflegeintervention für Pa-

tienten, Assessmentinstrument für Pflege und interdisziplinäres Team, Schulungspr og-

ramm für Pflegende und Patienten sowie die daraus entw ickelte Praxisleitlinie (Pfleg e-

pfad) sollen in stationäre sowie stationär-ambulant übergreifende Praxis der beteiligten

Zentren eingehen sowie die w issenschaftliche Fundierung der deutschen Pfl egepraxis

und –ausbildung vorantreiben.

1 .6. Laufzeit

36 Monate.

1 .7. Literaturhinweise des Projektteams

Berndt, U ./ Stukenkemper, J./ H öhne, J./ Pröbstl, A ./ Landenberger, M./ Thoke-C olberg, A ./ H orn, I./

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Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 6 –

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unter C hemotherapie. In: P. H erschbach, P. H eußner and A. Sellschopp (H rsg). Psy cho -Onkologie –

Perspektiven heute. Lengerich: Pabst Science Publishers.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 7 –

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2. BMBF- Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd »Anwendungs-

orientierte Pflegeforschung« - »Pflege chronisch Pflegebe-

dürftiger in kommunikativ schwierigen Situationen«: Ziel

und Wege

2.1 . Statements zu Anwendungsorientierte Pflegeforschung - Pflege

chronisch Pflegebedürftiger in kommunikativ schwier igen Situation

2.1 .1 . Statement I. Horn - Ziele der Pflegeforschung, dargestellt am For-

schungsprojekt

Zur Person: Dipl. Krankenschwester Ingrid Horn

Seit 1991 Pflegedirektorin am Universitätsklinikum der Martin -Luther-Universität H al-

le-Wittenberg mit den Schwerpunkten Qualitätsstandards, Pflegkonzepte, Pflegecont-

rolling, Initiierung und Betreuung pflegewissenschaftlicher Projekte auf Drittmi ttelbasis,

Initiierung und Mitarbeit am Aufbau des Studiengangs Pflegewissenschaft, Lehr - und

Mentorentätigkeit. Mitglied in verschiedenen Fachorganisat ionen

Sehr geehrte Damen und H erren,

ich begrüße Sie ganz herzlich in den historischen Räumen der Leucorea, hier in Witten-

berg, einem Ort, der über Jahrhunderte ein H ort für Innovationen und Kreativität ist.

Ich möchte in meinem Statement auf Ziele unserer Pflegeforschungsarbeit im Projekt P4

eingehen, indem ich Passagen unseres 1994 erstellten und bis heute weiterentwickelten

Pflegeleitbildes kommentiere und auf deren Bedeutung für Patienten und Mi tarbeiter

eingehe. Im Pflegeleitbild w ird die These vertreten, dass Pflege » als Le istu n g in a lle n Le -

b e n ssitu atio n e n im Span n un g sf e ld zw isc h e n G e su n d h e it u n d Ste rb e n so rg f ä lt ig e u n d

w ü rd ig e H ilf e le istu n g e n in Le b e n skrise n , b e i K ran kh e ite n , Be h in d e ru n g e n u n d To d zu

v e rste h e n ist .« Pflege ist auch Aktivierung der Patienten. Wir ermutigen zur Selbständi g-

keit und Entscheidungsfähigkeit, w ir fördern die Erhaltung der Eigenverantwortlichkeit

Diesen Erfordernissen wanden w ir uns in unserem Projekt zu, in dem wir eine stru ktu-

rierte Pflegeintervention für onkologische C hemotherapiepatienten entwickelten und

umsetzten. Mit deren Umsetzung sollen Übelkeit, Erbrechen, Appetitmangel g ebessert,

sowie eine Steigerung der Selbstpflegekompetenz und der Alltagsbewält igung, sowie der

Mitentscheidungsfähigkeit erreicht werden.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 8 –

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Ab b . 2: Au szu g au s Pf le g e le itb ild Un iv e rsitä tsklin iku m

Halle - Witte n b e rg

Dabei übernehmen Pflegende stel l-

vertretend Pflegehandlungen der

besonderen Art, bis sie der Patient

selbst erlernt hat, sie informieren,

beraten, leiten an und schulen. Das

Forschungsprojekt ermöglicht damit

die Sicherung des « Begleitungsans-

pruches« der im Leitbild als Kern-

aufgabe Pflegender benannt w ird.

Bedeutsam ist auch die These der

Mitarbeiterentwicklung und

–bildung, die aussagt, dass lernen im

Arbeitsprozess dazu beiträgt die

Beteiligung aller MitarbeiterInnen so

zu gestalten, dass gegenseitiger R es-

pekt, Offenheit, Engagement zu

Wohlbefinden und zur Arbeitszufrie-

denheit der Mitarbeiter beitragen. Das schließt effektive Kooperation und wachsende

Fähigkeiten zur produktiven Konflik tlösung ein.

Das Forschungsprojekt unterstützt diesen Anspruch, da es die H andlungssicherheit

Pflegender erhöht und zur Vereinheitlichung der Pflegepraxis auf dem Niveau der Ev i-

dencebasierung beiträgt. Eine Kontinuitätssicherung der von Station zu Station unte r-

schiedlichen Pflege ist

außerdem ein w ichtiger

Beitrag. Die w issen-

schaftliche Fundierung

der deutschen Pflege-

praxis und Ausbildung

w ird außerdem durch

dieses Projekt weite-

rentw ickelt. Das neue

Gesetz zur Ausbildung

in den Gesundheits- und

Pflegeberufen impliziert

eine Forschungsver-

pflichtung im Kontext

von Evaluation der Pfle-

ge, sowie Entwicklung

und Sicherung von Qua-

lität. Eine weitere These des Leitbildes lautet: « Pflege ist Kooperation und Kommunik a-

Ab b . 1: Au szu g au s Pf le g e le itb ild Un iv e rsi-

tä ts-

klin iku m Halle - Witte n b e rg

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 9 –

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tion« . Pflege kann nur in Kooperation und Kommunikation mit den Patienten, Angehö-

rigen und den anderen Berufsgruppen der Ärzte, Psy chologen und Therapeuten gemein-

sam an der Veränderung der Pflege in der Praxis arbeiten. Der Erfolg von Pflege dabei

w ird wesentlich von der Qualität dieser Kooperation bestimmt. Das Forschungspr ojekt

nimmt diese These auf und legt die Spezifik in der Patientenzentrierung auf die Multi -

professionalität und im Anwendungsbezug. Seit Beginn unserer Forschungsarbeit im

Projekt P4 sind in beiden Zentren Pflegefachkräfte, Pflegewis-senschaftler, Ärzte,

chologen, Diätassistenten und Phy sioherapeuten in verbindlichen Strukturen

tionell, methodisch und in der Studiendurchführung beteiligt. Messbare Verbesserungen

in der Versorgung onkologischer Patienten beider Klinika können bereits jetzt konsta-

tiert werden und belegen die Effektivität des Ansatzes in P4. Für die heutige

tung wünsche ich uns einen interessanten Austausch und die C hance zur weiteren

w icklung der Qualität unseres Projektes.

2.1 .2. Statement A . Thoke-Colberg - Pflegeforschung am MRI: Zielsetzung,

Konzept, Struktur und erwartete Ergebnisse

Zur Person: Anette Thoke-C olberg

Grundsätzlich gehen w ir davon aus, dass die Pflege am Klinikum rechts der Isar der

Technischen Universität München (im folgenden Text abgekürzt: MRI – München,

rechts der Isar) in den verschiedenen Fachbereichen auf dem anerkannten Stand der m e-

dizinischen Wissenschaft aufgeführt w ird.

Trotzdem haben sich Unterschiede in den einzelnen Bereichen herausgebildet, z.B.

Grundqualifikation und der Erfahrungshorizont der Mitarbeiter, die Personalverknap-

pung und organisatorische Auswirkungen als unmittelbare Wirkung.

Die Pflege w ird konfrontiert mit neuen Ideen und Tendenzen aus dem ärztlich -wis-

senschaftlichen Bereich.

Die Bildung von interdisziplinären Zentren ist ein Beispiel dafür. Am MRI wurde ein

Zentrum für interdisziplinäre Tumortherapie aufgebaut.

Damit wurde ein umfassender interdisziplinärer Behandlungsansatz verwirklicht, der die

Lebensqualität der Patienten verbessert und die Behandlung effizienter macht.

Die Besonderheit an diesem Zentrum sind die Zusammenarbeit der Spezialisten der C h i-

rurgischen Klinik, der Medizinischen Kliniken, der Klinik für Strahlentherapie, der R a-

diologie und der Pathologie und weiteren Fachdisziplinen, in denen für eine Reihe von

Patienten mit besonders komplexen Tumorerkrankungen oder fortgeschrittenen Tumo r-

stadien individuelle Therapiekonzepte erarbeitet werden.

Die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung w ird deutlich erhöht. Die Versorgung

ganzheitlicher und deutlich patientenorientierter gestaltet.

Die ärztlichen Spezialisten besprechen gemeinsam jeden einzelnen Patienten, der poten-

tiell für eine Kombinationstherapie in Frage kommen könnte. Für die Patienten bedeutet

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 10 –

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dies, dass sie noch vor einer Operation, einer C hemo- oder Strahlentherapie eine inter-

disziplinär abgestimmte Therapieempfehlung unter Berücksichtigung ihrer individuellen

Situation erhalten. Dieses interdisziplinär besetzte Gremium, auch Tumor -Board ge-

nannt, kommt im Klinikum rechts der Isar von Montag bis Freitag täglich zusammen.

Weitere Änderungen, die durch die neuen politischen und w irtschaftlichen Vorgaben

notwendig werden, bringen Aufgaben nicht nur für die Ärzteschaft, sondern auch für

die Pflege. An dieser Stelle w ird die Notwendigkeit der noch besseren Verzahnung zw i-

schen ärztlichem und pflegerischem H andeln deutlich.

Die Pflege muss den Fortschritten und Veränderungsprozessen folgen und darf nicht in

alten Strukturen verharren. Um eine sachgerechte Sy nchronisierung herbeizuführen,

müssen die Inhalte und Methoden pflegerischen H andelns bekannt sein. Obwohl die

Ausbildung der Pflegepersonen einheitlich geregelt ist und auch Pflegestandards vo r-

handen sind, gibt es kein einheitliches Bild pflegerischen H andelns.

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich die Notwendigkeit, pflegerisches H andelns konkret zu

analy sieren. Dieser Prozess muss w issenschaftlichen Standards entsprechen. Das bei n-

haltet nicht nur eine U ntersuchung der unterschiedlichen Methoden und deren Auswi r-

kungen innerhalb verschiedener Abteilungen eines Krankenhauses, sondern auch deren

unmittelbare Wirkung im medizinischen und im wirtschaftlichen Bereich.

Pflegeforschung soll Grundinformation und methodische Ansätze liefern mit der Ziel -

setzung einer kurzfristigen, praxisorientierten Umsetzung der Erk enntnisse im H inblick

auf neue Anforderungen.

Unterschiede in der Pflege, die jenseits der Fachbereichsdifferenzierung bestehen, sollen

anhand wissenschaftlicher Studien auf ihre Sinnhaftigkeit untersucht werden inwieweit

H andlungsbedarf besteht, eine höhere Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit herzustellen.

H ier muss die Pflege des Patienten, auch wenn er von einer zur anderen Station wech-

selt, als einheitliche Leistung wahrgenommen werden. Beispiele sind selbständigkeit s-

fördernde Pflegeinterventionen in Verbindung mit Ernährung, Körperpflege, Aktivität,

Mobilisierung oder Konzepte w ie die Pflegevisite, die Pflegeübergabe mit den Patienten

kommuniziert w ird.

Durch praxisbezogene Pflegeforschung soll der Nachweis der Richtigkeit und Ange-

messenheit der Pflegeinterventionen erbracht werden.

Erfahrungsgeleitete Pflege kann sich durch Überprüfung mittels Pflegeforschung als

falsch erweisen. Forschung stellt ihre Inhalte und Methoden der w issenschaftlichen Ge-

meinschaft zur Diskussion.

Pflegeforschung zielt darauf, die Wirkung und Wirksamkeit von Pflegeinterventionen

nachzuweisen mit dem Ziel, die Patientenzufriedenheit und Lebensqualität zu verbes-

sern, die Alltagsautonomie zu erhöhen und die Fachlichkeit und Wirtschaft lichkeit der

Pflege zu optimieren.

Pflegekräfte setzen ihre fachlich - professionelle und persönliche Kompetenz darauf ein,

dass der Pflegebedürftige seine Selbstpflegekompetenz w iedererlangt, oder wenn erfo r-

derlich, neue erw irkt.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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Wissen über angewandte Pflegeforschung benötigen sowohl Praktiker als auch Wis-

senschaftler.

Pflegepraktiker müssen w issen, warum Pflegeforschung sinnvoll und notwendig ist.

Außerdem müssen sie w issen, w ie Forschungsergebnisse in die Praxis umgesetzt werden.

Dazu benötigen sie die Kompetenz, den Forschungsprozess nachvollziehen zu können

und die Forschungsergebnisse in ihrer Bedeutung für die Praxis interpretieren zu kön-

nen.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 12 –

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3. Spezifik einer »strukturierten evidence-basierten Interventi-

on «Praxisleitlinie Assessment, Information/Beratung, A n-

tiemese, Ernährung, Entspannung

3.1 . Evidenzbasierte Praxisleitlinie »Übelkeitsmanagement für onkologi-

sche Patienten« – als Basis für die Umsetzung einer strukturierten

pfleger ischen Studien-Intervention

(1) Margarete Landenberger (1) Petra Renz (1) Patrick Jahn (2) Ingrid H orn (3) Anet te

Thoke-C olberg

(1) Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Martin -

Luther-Universität H alle-Wittenberg

(2) Pflegedirektorin, Universitätsklinikum H alle, Martin -Luther-Universität H alle-

Wittenberg

(3) Pflegedirektorin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München,

Anstalt des öffentlichen Rechts

Zur Person: Prof. Dr. Margarete Landenberger

Seit 1999 Professorin am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizini-

schen Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Schwerpunkte in For-

schung und Lehre sind Klinische Pflegeforschung zu Onkologie, Gesundheitsy stem und

Ausbildung/Studium. Mitglied in verschiedenen Fachorganisat ionen.

Abstract: Patienten erhalten durch Pflegehandeln, das an einer evidenzbasierten Praxi s-

leitlinie ausgerichtet ist, eine qualitätsgesicherte vergleichbare Leistung auf dem Stand

der aktuellen Forschung. Pflegende werden durch eine evidenzbasierte Praxisleitlinie

darin unterstützt, durch vorstrukturierte Entscheidungshilfe auf Grundlage von NA N-

DA, NOC , N IC (NNN) (Johnson 2001) eine der individuellen Patientensituation an-

gemessene Pflegeintervention zu wählen, umzusetzen und zu evaluieren.

1 . Grundlage des Vortrags: Der Vortrag resultiert aus einer laufenden prospektiven

clusterrandomisierten kontrollierten Multicenterstudie » Entwicklung und Evaluierung

einer strukturierten Pflegeintervention zu Übelkeit und Kommunikations-/ Wissensde-

fizit von C hemotherapie-Patienten in stationär-ambulantem Setting« , die im Rahmen

des Pflegeforschungsverbunds Mitte-Süd, gefördert vom deutschen Bundesministerium

für Bildung und Forschung (BMBF), durchgeführt w ird (Förderkennziffer 01 GT0301).

Die beiden Zentren sind das Universitätsklinikum H alle, Martin-Luther-Universität

H alle-Wittenberg sowie das Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

(Landenberger 2002).

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 13 –

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2. Fragestellung: Ist eine evidenzbasierte Praxisleitlinie ein geeignetes H andwerk szeug,

um im Rahmen einer Studie die Pflegenden anzuleiten, die strukturierte Studieninterven-

tionen umzusetzen, die für die Patienten eine messbar w irksamere Linderung ihrer Be-

schwerden erzielen als die bisher praktizierte klinikübliche Pflege?

Die strukturierte Studien-Intervention besteht aus 4 Interventions-Modulen:

- Informationsbroschüre/ Informationsgespräch

- Pflegerische Unterstützung bei der ärztlichen Antiemetikamedikation

- Ernährung/Ernährungsberatung

- Entspannung

Diese ist zu verstehen als » Pflege-Therarapie« bei chemotherapiebedingter akuter, ver-

zögerter oder antizipatorischer ANE (Anorexia, Nausea, Emesis). Jeder Patient erhält

das Modul Informationsbroschüre/ Informationsgespräch, jedoch besonders das El e-

ment Gespräch in individualisierter Weise. Die anderen 3 Module erhalten die Studien-

Patienten in je individualisierter Dosis und Mix. Es kann also sein, daß ein Patient, bei

dem mit der Pflegediagnose Übelkeit ein besonders starker Gewichtsverlust einhergeht,

das Schwergewicht auf der pflegerischen » Ernährung/Ernährungsberatung« liegt, wäh-

rend bei einem anderen Studien-Patienten die Antiemetika-Medikation mehrmals verän-

dert werden muß, weil sie zu wenig w irksam ist. H ier ist der Schwerpunkt die » pflegeri-

sche Unterstützung bei der ärztlichen Antiemetikamedikation« . Bei einem dritten Stu-

dien-Patienten tritt eine starke antizipatorische Übelkeit auf. H ier wählt die Pflegende

aus der Studien-Intervention die Module » Entspannung« und » Ernäh-

rung/Ernährungsberatung« aus und setzt sie um (Landenberger 2002; Stukenkemper

2005).

3. Merkmale der Praxisleitline: Um eine Evidenzbasierung und Prozessorientierung zu

erreichen, sollte die Praxisleitlinie definierte Merkmale erfüllen. Sie soll anleiten in Ste l-

lung der Pflegediagnose, Festlegung des Ziels (erwünschter Outcome), En tscheidung

treffen für umzusetzende Maßnahmen (intervention, activities) sowie Evaluation durch

Abgleich des erreichten mit dem erwünschten Ziel. Die empfohlenen Intervent ionen

sind evidenzbasiert, d.h. in ihrer Wirksamkeit durch Studien belegt. Weitere Bedingu n-

gen sind, dass die Inhalte der Praxisleitlinie in spezieller Schulung den Pflegenden ve r-

mittelt werden und dass die Pflegenden während der Praxisumsetzung der Studien-

Intervention fachlich begleitet werden.

4. Aufbau der Praxisleitlinie (Renz/Landenberger 2005 a; AWMF 2005):

- Ziel der Intervention

- Aufgabenbereich innerhalb des Pflegeprozesses: Diagnose stellen u Ziel bestim-

men

- H andlungsempfehlung; Evidenzbasierte Intervention / activities

- Interdisziplinäre Kooperation u Koordination

- Algorithmus

- Maßnahmenkatalog

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 14 –

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5. Kernelement Pflegeprozess:

Die Praxisleitlinie leitet die Pflegenden an, die empfohlenen evidenzbasierten Studien-

Interventionen /activities und die Schlüsselempfehlungen nach der Methode des Pfleg e-

prozesses umzusetzen:

9UKK - IGPW - MRI

Strukturierte Intervention

• Wissenschaftlich fundiertes, professionelles Handeln

• Geplante und zielgerichtete Pflege nach den Schritten des

Problemlösungsprozesses/ Pflegeprozess

• Vergleichbares, professionelles Handeln (bei v ergleichbarer Diagnose,

v ergleichbarem Pf legeziel und Interv ention)

• Klassifikationssysteme (z.B. North American Nursing Diagnosis Association

[NANDA], Nursing Outcome Classification [NOC], Nursing Interv ention

Classification [NIC])

• Interventions-Entscheidung mittels Asse ssment

• Vermeidung unnötiger und überholter Maßnahmen

Quelle: Evers 2002; Gordon/Bartholomeyczik 2005: 356; Landenberger 2001

Mittels eines Assessmentinstruments stellen die Pflegenden den individuellen Pflegebe-

darf des Patienten fest (Evers 2002; vgl. Statement von A. Pröbstl zu Assessment zur

Pflegebedarfseinschätzung bei ANE-Patienten ). Es leitet zur Pflegediagnose und zur

Bestimmung des Ziels der Pflege. Im nächsten Schritt trifft die Pflegende die Auswahl

und Entscheidung für die geeeignete (n) Maßnahmen (Intervention/ activities). Die Pr a-

xisleitlinie gibt dazu Handlungsempfehlungen / Schlüsselempfehlungen für Studien-

Intervention in auf den individuellen Patienten zugeschnittenen Dosis und Mix. Zu-

gleich stellen diese die Begründung für die getroffene Interventionsentscheidung dar.

Die folgende Abbildung zeigt dies am Beispiel der Pflegdiagnose Mangelernährung.

6. Praxisleitlinie Ernährung /Ernährungsberatung – Beispiel Mangelernährung

16UKK - IGPW - MRI

PraxisleitliniePraxisleitlinie Ernährung Ernährung –– Bsp. MangelernährungBsp. Mangelernährung(Quelle: Doenges et al 2002; McCloskey (Quelle: Doenges et al 2002; McCloskey DochtermannDochtermann et al 2004, Renz et al 2005b)et al 2004, Renz et al 2005b)

Intervention/Activities

Allgemeine Intervention:

• Nahrungsvorlieben beachten (EBN-Grad 2)

• Essensauswahl ermöglichen (EBN-Grad 2)

Auswahl von Speisen und

Getränke (EBN-Grad 5?)

• Vielzahl an hochkalorischen

Nahrungsmitteln zur Auswahl

anbieten (EBN-Grad 5)

• Energie- und eiweißreiche

Trinknahrung zwischen und

nach den Mahlzeiten anbieten (EBN-Grad 2)

Ziel:

Verbesserung des Er-

nährungszustandes

messbar anhand NOC-

Indikatoren

Outcomes

100404 Body Mass

Index (Abweichung)

Ursachen:

Unvermögen, Nahrung

zu sich zu nehmen, zu

verdauen oder Nähr-

stoffe zu resorbieren

aufgrund von biolo-

gischen, psycholo-

gischen oder ökono-

mischen Faktoren

Symptome:

Gewichtsverlust bei

genügender Nahrungs-

zufuhr

Ressourcen

PD Mangelernährung: Nahrungszufuhr, die den Stoffwechselbedarf nicht deckt

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 15 –

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7. Diskussionsfragen:

- Kann die Wirksamkeit einer komplexen Intervention (im Unterschied zu einer

einzelnen Verrichtung (activity )) in einer Studie gemessen werden?

- Welche H andlungsempfehlung kann mittels Leitlinie gegeben werden, wenn die

Evidenzgrade von hoch bis niedrig gehen und wenn einzelne activities aus der B e-

rufserfahrung unerlässlich sind, dazu jedoch » nur« Evidenzgrad 5 vorliegt (Exper-

tenmeinung)?

8. Schlussfolgerung: Die vorgestellte Praxisleitlinie für onkologische Patienten mit

chemotherapiebedingter Übelkeit und Gewichtsverlust, vorerst mit einrichtungsbezog e-

ner Gültigkeit, stellt eine Vorarbeit dar für eine evidenzbasierte einrichtungsübergre i-

fende Leitlinie nach den Standards der AWMF (2005). Bei der Erstellung und Erpr o-

bung der Praxisleitlinie verfolgt das Team die Absicht, die Pflegenden in der O nkologie

nicht nur dabei zu unterstützen, ihr Berufshandeln zu effektivieren, sondern auch, die

Wirksamkeit ihres eigenen H andelns zu erkennen und aus positivem Erfolgserlebnis

motiviert zu werden, von einer eher verrichtungsorientierten Routinepflege zu einer i n-

dividualisierenden problemlösenden Pflege überzugehen.

9. Literatur:

AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) (2005) : H om e-

page der AWMF online. www.uni-duesseldorf.de /WW W/AW MF/.

Evers, G. C . (H rsg.) (2002): Professionelle Selbstpflege. Einschätzen-Messen-Anwenden. Bern: H uber.

Doenges, M./Moorhouse, M ./Geissler-Murr, A . (2002): Pflegediagnosen und Maßnahmen. Bern: H uber.

Gordon, M., Bartholomey czik, S. (2004): Pflegediagnosen. Theoretische Grundlagen. Mü nchen: Urban &

Fischer

Johnson, M., Bulechek, G., McC loskey -Dochtermann, J., Maas, M., Moorhead, S. (2001): Nursing D iag-

noses, Outcomes, Interventions - NAN DA, NOC and NIC Linkages. St. Louis: Mosby .

Landenberger, M. /H orn, I. /Thoke-C olberg, A . (2005): Pflegerisches Management des ANE-Sy ndroms.

BMBF-Projekt 4 Pflegeintervention C hemotherapie-Patienten. Förderkennziffer: 32.5.1331.0029.0.

H alle. Unveröffentlicht.

Landenberger, M. (2005): Pflegewissenschaft. In: Otto, H .-U ., Thiersch, H . (H rsg.), H andbuch der Sozial-

arbeit/Sozialpädagogik, München : Reinhardt, 1355-1363

McC loskey Dochterman, S./ Bulechek, G. (2004): Nursing Intervention C lassificat ion (NIC ). St. Louis:

Mosby .

Renz, P. /Landenberger, M . (2005a): Begriffsklärung Standard, Leitlinie, Praxisleitlinie. Insitut für G e-

sundheits- und Pflegewissenschaft H alle/Saale. Arbeitspapier. H alle: unveröffentlicht.

Renz, P. /Landenberger, M. /H orn, I. /Thoke-C olberg, A . (2005b): Entwurf einer evidence-basierten pfle-

gerischen Praxisleitlinie Ernährung /-sberatung. H alle: unveröffentlicht.

Stukenkemper, J. / H öhne, J. / Probstl, A . / Landenberger, M. / Thoke-C olberg, A . /H orn, A. /

Knerr, A . (2005): Strukturierte Pflegeintervention zu Übelkeit und Kommunikat ions-

/Wissensdefizit von C hemotherapie-Patienten – Prospektive cluster-randomisesierte kon

trollierte Multicenterstudie. Pflege und Gesellschaft 10 (1), S. 23 - 25

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 16 –

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3.2. Statements zu Praxisumsetzung

3.2.1 . Statement Inge Eber l

Zur Person: Inge Eberl

MScN, Universitätsklinikum München-Großhadern

1. Die insgesamt doch sehr komplexe Studie ist praxisrelevant und von Nutzen für die

Pflegenden in akutstationären Einrichtungen und dies aus mehreren Gründen:

- Die Betroffenen gehören zu den vulnerablen Gruppen, da sie und ihre Bezugsper-

sonen bzw. Familien (Familienbegriff nach der Definition der WH O 2000) sich in

einer Krisen- bzw. Umbruchsituation befinden, sie benötigen Beratung, Beglei-

tung und Unterstützung im Umgang mit der Krankheit bzw. zur Bewältigung der

Krankheit im Alltag.

- Die Patienten und ihre Familien sind aktiv in den Behandlungsprozess eingebu n-

den, die Beratung, Schulung und Unterstützung ermöglicht eine H ilfe zur Selbs t-

hilfe

- Es werden Interventionen angeboten, die die Betroffenen und ihre Familien auch

zuhause, ohne fremde H ilfe durchführen können. Die Interventionen sind alltag s-

bezogen und haben einen langfristigen C harakter.

- Die Interventionen beziehen sich auf mehrere H andlungsebenen, die Schulungen

sind nicht nur auf die kognitive Ebene ausgerichtet.

- Die Interventionen sind interdisziplinär angelegt und zeigen damit den interdi s-

ziplinären Versorgungsprozess der Betroffenen und ihrer Familien im Kranken-

haus.

- Die Untersuchung zeigt, dass die beiden Bereiche Gesundheitsförderung und Prä-

vention auch bei chronisch kranken Personen und ihren Familien notwendig und

w ichtig sind.

- Die Studie ist auch berufspolitisch relevant, da Beratung, Schulung und Anleitung

w ichtige Kernaufgaben von professionell Pflegenden darstellen und vor allem hin-

sichtlich der aktuellen Entwicklungen in den Kliniken w ie z.B. Effekte der G -

DRGs (Fischer 2002), Verkürzung der stationären Verweildauern, geplanter A b-

bau von qualifizierten Pflegenden als w ichtig und wesentli ch herausgestellt wer-

den müssen.

- Pflegeberatung unterscheidet sich in den Zielen und Inhalten von denen anderer

professioneller Akteure im Krankenhaus (z.B. Medizin), da die Aufgabe der Pfl e-

ge der Betroffenen und ihrer Familien mehr auf die Bewältigung der Erkrankung,

den Umgang mit der Krankheit sowie ihren Auswirkungen ausgerichtet ist (Bar-

tholomey czik 2002).

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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- Der Pflegeprozess stellt ein Kernstück der Studie dar und zeigt somit auch, dass

Pflegende bei der Prozesssteuerung der Betroffenen und ihrer Famili en im Kran-

kenhaus eine w ichtige Rolle einnehmen.

- Durch die Anwendung der Nursing Outcome C lassification (NOC ) ist auch die

Überprüfung der Wirksamkeit von Pflege berücksichtigt, dieser Teil des Pfleg e-

prozesses w ird in der Pflegepraxis immer noch zuwenig berücksichtigt.

2. Fragen zur Studie

- Werden die Ein- und Ausschlusskriterien der Patienten weiter definiert, z.B. nach

Alter, soziale und kulturelle Kontexte, Eingrenzung auf bestimmte Tumorerkran-

kungen, Patienten, die bereits mehrere C hemotherapie-Zy klen hinter sich haben?.

Möglicherweise resultieren aus den Diversitäten auch Unterschiede in den Inha l-

ten und Ansätzen der Interventionen w ie z.B. der Beratung oder der Entspan-

nung.

- Wie sind die Patienten in den Interventions- und Kontrollgruppen in den statio-

nären und ambulanten Bereichen konkret verteilt?

- Wären evtl. mehrere Messzeitpunkte sinnvoll, wenigstens drei, um die Unter-

schiede der Interventionen zwischen dem stationären und ambulanten Bereich

und die Wirksamkeit der Interventionen im ambulanten Behandlungszeitraum

noch besser zu erfassen?

- Welche Maßnahmen werden zur Überprüfung des vermittelten Wissens durchg e-

führt?

- Sind die Angehörigen in die Interventionen einbezogen?

3. Kritische Anmerkungen

- Es wird nur vom Patienten gesprochen, der Einbezug der Fami lie w ird zuwenig

deutlich.

- Zur Erfassung subjektiver Meinungen und Sichtweisen von Patienten und ihren

Familien sollten im nächsten Projekt auch qualitative Forschungsmethoden einb e-

zogen werden, um z.B. das Erleben der Betroffenen hinsichtlich der Beratung ab-

zufragen oder Unterschiede in der Beratung der Betroffenen zu ermitteln. Interes-

sant wäre z.B. auch, ob Patienten Interventionen w ie z.B. Beratung oder Entspan-

nungstechnik ablehnen und was die Gründe hierfür sind.

4. Anmerkungen resultierend aus Erfahrungen mit der Implementierung des nationalen

Expertenstandards und innerbetrieblichen Fortbildungen zum Thema Ber atung:

Erfahrungen aus dem Projekt zur Implementierung des Expertenstandards Sturzproph y -

laxe in der Pflege (DNQP 2005):

- Beratung (mündlich und schriftlich, z.B. Informationsbroschüre zur Sturzpro-

phy laxe) w ird von den Betroffenen und ihren Familien sehr gut angenommen.

- Das Audit im Rahmen des Projekts hat u.a. gezeigt, dass die Patienten mit Stur z-

anamnese oftmals » Experten« sind und damit w ichtige Aussagen und Informatio-

nen zur Beratung und Unterstützung liefern können.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 18 –

Page 23: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

- Der Zeitpunkt der Beratung ist w ichtig, da in den ersten 24 Stunden die Pat ienten

und ihre Angehörigen oftmals überfordert sind und somit die Beratungsinhalte

nicht aufnehmen konnten.

- Durch den Nachweis von Daten w ie z.B. Sturzraten konnten Maßnahmen wie

z.B. das Anbringen von H andgriffen erreicht werden.

Erfahrungen aus innerbetrieblichen Fortbildungen zum Thema Beratung:

- Beratung w ird von den Pflegenden oft nicht als pflegerische Leistung wahrge-

nommen, deshalb auch meist nicht als solche dokumentiert.

- Für die Pflegenden sind teilweise die Unterschiede nicht klar, wann ist es Ber a-

tung und wann ist es z.B. Information.

- Ein Teil der Pflegenden führt an, dass zuwenig Zeit vorhanden ist, um eine indivi-

duelle oder bedarfsgerechte Schulung und Beratung durchzuführen.

Literatur

Bartholomey czik, S. (2002): Medizin und Gewissen. Wenn Würde ein Wert würde. In: Kolb, S. et al.

(H rsg.): IPPNW. Mabuse Verlag, Frankfurt am Main

Deutsches Netzwerk für Q ualitätssicherung in der Pflege, DNQP (2005): Expertenstandard Sturzpro-

phylaxe in der Pflege, einschl. Kommentierung und Literaturanalyse, Fachhochschule Osnabrück

Fischer, W. (2002): Diagnosis Related Groups (DRGs) und Pflege: Grundlagen, C odierungssy steme, In-

tegrationsmöglichkeiten. Verlag H ans H uber, Bern

World H ealth Organization (2000): The Family H ealth Nurse. C ontext, C onceptual Framework and C u r-

riculum. Regional Office for Europe. EUR/00/5019309/13, Kopenhagen

3.2.2. Statement Ursula Schmidt, Stationsleitung UKK Halle

Zur Person: Ursula Schmidt

seit 1980 Krankenschwester am Univesitätsklinikum der Martin -Luther-Universität,

1988- 2005 Stationsleitung einer pulmologischen- onkologischen Station, seit 2005 Stati-

onsleitung der allogenen KMT- Station

- Unser Arbeitsplatz (allogene Station) befindet sich seit dem 20.06.2005 im Lan-

deszentrum für Zell- und Gentherapie

- Wir beschäftigen uns mit allogener Knochenmarkstransplantation zur Konditi o-

nierung erhalten unsere Patienten H ochdosischemotherapie; dabei tritt häufig

das ANE- Sy ndrom auf

- für die Durchführung der Studie wurden acht Mitarbeiter der Station in mehreren

Modulen hinreichend geschult

- Unser Problem bei der Studiendurchführungist, dass die Patienten zur Transplan-

tationsvorbereitung je nach Körperfläche ganzkörperbestrahlt werden ( führt zum

Studienausschluß)

- trotzdem profitiert das Pflegesy stem von den Schulungsinhalten, Respektare, Er-

nährungsberatung, Entspannungsmusik, Beratung werden von den Patienten sehr

gut angenommen

- die Pflegekräfte fühlen sich kompetent und gut unterw iesen; Patienten fühlen sich

so beraten, sehr wohl

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 19 –

Page 24: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

3.2.3. Statement Anita Tselikas, Krankenschwester im Pflegedienst am Klini-

kum rechts der Isar der Technischen Universität München

Zur Person:

- Onkologische Fachkrankenschwester

- Seit 1990 tätig in der ambulanten C hemotherapieeinheit in der Frauenklinik am

Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

- Stationsleitung Onkologische Tageskl inik, MRI München

Zur Erfahrungen mit der Studie:

- Juli 2005 Auftaktveranstaltung und Information zur Studie und zur Feldphase

- 11. Juli bis 15. Juli: Schulung der Interventionsgruppe zur strukturierten Pflege bei

C hemotherapiepatienten

Wir am Klinikum rechts der Isar haben im Abstand von vier Wochen an einem G e-

sprächskreis – geteilt nach Interventions- und Kontrollgruppe – teilgenommen bei dem

sich folgendes herauskristall isierte:

- Die Schulung war lehrreich, interessant und gut vorbereitet

- Zum Teil Probleme mit den w issenschaftlichen Termini (Bsp. Evaluation). Em p-

fehlenswert wäre deshalb eine verständlichere Ausdrucksweise

- Die Teilnehmer fühlte sich während der Schulung aufgrund der vielen Informa-

tionen in der kurzen Zeit sehr gefordert

Auch ich persönlich fand die Schulung komplizierter als es sich dann in der Praxis h e-

rausstellte. Trotz innerer Widerstände fing ich gleich in der ersten Woche nach den

Schulungen mit der Studie an und am ersten Tag hatte ich bereits drei Patientinnen in die

Studie eingeschlossen. Dadurch konnte ich das frisch erworbene Wissen gleich in die

Praxis umsetzen und hatte keine Startschwierigkeiten. Bis zum heutigen Tag konnte ich

30 Teilnehmerinnen gewinnen die alle abgeschlossen haben. Dies obwohl sie gleichzeitig

an anderen medizinischen Studien mit ähnlichen Fragebögen teilgenommen haben L e-

diglich zwei haben die Teilnahme abgelehnt.

Grundsätzlich möchte ich sagen, dass ambulante Patienten verglichen mit station ären

Patienten ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein für ihre Krankheit und U mgang mit

Nebenwirkungen entwickeln. Dadurch stieß die Bereitschaft an der Studie teil zu neh-

men auf geringem Widerstand.

Antiemese

Da bekannt ist, dass viele Informationen bspw. im ärztlichen Aufklärungsgespräch, nicht

gleich behalten werden, war es mir stets ein Anliegen am Anfang des chemotherapeut i-

schen Prozesses an H and der Informationsbroschüre die Inhalte zu verti efen. Die

schriftlich niedergelegten ärztlichen Anweisungen werden den Betroffenen beim ersten

Zy klustag mitgegeben. Zu meinen Aufgaben gehört es zu überprüfen und H inweise zu

geben, dass nur bei korrekter Einnahme der Medikamente eine optimale Versorgung

gewährleistet ist. Somit können die Nebenwirkungen reduziert werden.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 20 –

Page 25: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Ernährung

Einen besonderen Raum nahm die Ernährungsberatung ein, da bekanntermaßen die

C hemotherapie zur extremen Geschmacksveränderungen führen kann, sowie den G e-

ruchssinn beeinträchtigt. H ierzu konnte die Schulung neue Anregungen geben.

Entspannung

Entspannungstechniken gehören heute zu einer allgemeinen anerkannten Gesundheit s-

vorsorge. Sehr viele Patienten waren deshalb schon damit vertraut, wenn nicht nahmen

sie meine entsprechenden Empfehlungen dankbar an. Respectare® ist jedem Patienten

angeboten worden und wurde als sehr angenehm empfunden.

Zum Schluss möchte ich noch betonen, sich das Verhältnis zum Patienten durch die St u-

die vertieft hat und dass mir die Arbeit an diesem Projekt Freude bereitet hat.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 21 –

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4. Assessment zur Pflegebedarfseinschätzung bei ANE-

Patienten

4.1 . Assessment zur Pflegebedarfseinschätzung bei ANE-Patienten

Zur Person: Alexander Pröbstl, , stv. Pflegedirektor am Klinikum rechts der Isar der

Technischen Universität München

Im Rahmen des Workshops » Strukturierte pflegerisch- interdisziplinäre Intervention bei

onkologischen Patienten: Experten-Austausch zu inhaltlichen und methodischen Fra-

gen« wurde zur Darstellung des Assessmentinstruments der Studie P4 des Pflegefo-

schungsverbunds Mitte-Süd der Fokus auf die Abbildung des Pflegeprozesses durch das

neu entwickelte Instrument gelegt.

Das » Pflegerische Assessment« begleitet den gesamten Pflegeprozess in einem konti-

nuierlichen, sich w iederholenden Vorgang. Das A ssessmentinstrument basiert auf den

Grundlagen der Pflegetheorie von D. Orem (Dennis 2001). Dabei wird der klassische

Pflegeprozess (Fiechter/Meier 1993) w ird um folgende Elemente erweitert und ergänzt:

Strukturell gliedert sich das Assessmentinstruments in folgende Elemente mit den daz u-

gehörigen Aufgabenbereichen:

- Pflegestammblatt: H ier werden einmalig unveränderlichen Daten zur Person, zum

soziographischen H intergrund und zur Krankengeschichte erfasst.

- Initiales Assessment: Die überblicksartige Einschätzung (Screen) von gesundhei t-

licher Probleme und Ressourcen des Patienten erfolg t in 8 unterschiedlichen Be-

reichen, den sog. Selbstpflegeerfordernissen.

- Differenziertes Assessment: Es ermöglicht eine genauere Betrachtung und Ein-

schätzung der einzelnen bestehenden oder zu erwartenden Pflegeprobleme.

Die zeitliche Abfolge lässt sich w ie folgt beschreiben. Den Anfang bilden eine umfassen-

de Sammlung von Vorinformation (Patientenakte, ärztliche Dokumentation). Im G e-

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

Die Zuordnung der verwendeten Begriffe des P4 Projektes zum Pflegeprozess

Problemdefinition

Ressourcenklärung

Festlegen der

Pflegeziele

Pflegeanamnese

Planen der

Pflegemaßnahmen

Durchführung

der Pflege nach Lehrbuch

Beurteilen der

PflegewirkungFormulierung

der

Pflegediagnose

nach PÄS

2. oder 3. Outcome

Erhebung

Interventionsplanung

nach NIC bzw.

nach Handlungsanleitung P4

...nach NIC bzw.

Handlungsanleitung P4Einstufung der

Indikatoren auf

der NOC

Werteskala

Strukturiertes

Erst/Folge/Entlassun

gs- Assessment

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 22 –

Page 27: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

spräch mit dem Patienten werden fehlende Angaben erfragt und das Stammblatt vervol l-

ständigt.

Mit jeder Durchführung von Initialen und Differenzierten Assessment w ird ein neuer

Durchlauf des Pflegeprozesses begonnen. Daher werden sie als zeitliche Reihung auch

als Erst-, Folge und Entlassungsassessment bezeichnet. Die Schritte Planung, Durchfü h-

rung, Evaluation) sind jeweils in der onkologischen Dokumentation zusammengefasst.

Das Pflegestammblatt ist nach zehn grundlegenden Bedingungsfaktoren der insg esamt

nach D. Orem gegliedert. Das Stammblatt enthält besonders studienrelevante Inform a-

tionen zu Therapieplan, ANE in der Vorgeschichte, Reisekrankheit und andere Risik o-

faktoren.

Die acht Selbstpflegeerfordernisse nach D. Orem sind im nächsten Schritt, dem in itialen

Assessment, zu prüfen. Dabei geben die Erkenntnisse aus dem Stammblatt (Blatt I), die

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

Struktur und Ablauf

Erstassessment

Initial (Screen)

Blatt II

Differenziert

Blatt N - F

Stammblatt I

(Einmalige Fragen)

Grundlegende

Bedingungsfaktoren

Informationssammlung

Patientendaten, medizinische Dokumentation

On

kolo

gis

ch

e P

fleg

e-D

oku

me

nta

tion

Interventionsmodul

Interventionsmodul

Interventionsmodul

Interventionsmodul

Lenkung

Blatt III

Folgeassessment

Initial (Screen)

Blatt II

Differenziert

Blatt N - F

Lenkung

Blatt III

Entlassungsassessment

Initial (Screen)

Blatt II

Differenziert

Blatt N - F

Lenkung

Blatt III

Vergleiche:

Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2004). Expertenstandard Schmerzmanagement in der

Pflege: Sonderdruck einschließlich Kommentierung und Literaturanalyse. Osnabrück: Fachhochschule Osnabrück.

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

StammblattGrundlegende Bedingungsfaktoren

nach D. Orem

• Alter

• Geschlecht

• Entwicklungsstand

• Gesundheitszustand

• Gesundheitspflegesystem

• Soziokulturelle/spirituelle Orientierung

• Familiensystem (Bezugspersonen, Kinder)

• Lebensstrukturen

• Umgebung

• Verfügbare Ressourcen

Dennis, C.M. (2001). Dorothea Orem Selbstpflege- und Selbstpflegedefizit-Theorie. Bern: Verlag Hans Huber.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 23 –

Page 28: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Krankenbeobachtung (objektive Beobachtungsmerkmale) und die Erfahrung der profes-

sionell Pflegenden Anhalt für die Einschätzung der situativen Probl ematik (SIP – nach

Orem). Es w ird in acht Feldern für Selbstpflegeerfordernisse gefragt, inwieweit der P a-

tient in der Lage ist, diese zu bewältigen, Defiziten vorzubeugen und/oder deren Bewäl-

tigung zu fördern. Einschätzungen der Pflegefachkräfte werden in dem Blatt II » Initia-

les Assessment« dokumentiert.

Werden Defizite in den allgemeinen Selbstpflegeerfordernissen festgestellt, folgt d ie An-

lage und Durchführung des Differenzierte Assessment mit dem entsprechenden Bogen

(z.B. Assessmentbogen » N Aufrechterhaltung einer ausreichenden Zufuhr an Nah-

rungsmitteln« ). Jeder Bogen des Differenzierten Assessment w ird auf den Dokumenten-

lenkungsblatt erfasst und verwaltet. Das Lenkungsblatt regelt also die Verschränkung

von Initialen und Differenzierten Assessment.

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

Dokumenten-

Lenkung

Frage: Ist der Patient/ die Patientin in der

Lage, seine Selbstpflegeerfordernisse zu

bewältigen und Defiziten vorzubeugen?

• Fortlaufende Überprüfung durch das initiale

Assessment

• Anlage eines Blattes zum Differenzierten

Assessment (positiver Screen)

• Absetzen des Differenzierten Assessments

zu einem späteren Zeitpunkt (negativer

Folge-Screen)

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

Initiales

AssessmentAllgemeine Selbstpflegeerfordernisse

• Aufrechterhaltung einer ausreichenden Zufuhr an NahrungsmittelnNahrungsmitteln

• Aufrechterhaltung einer ausreichenden Sauerstoffzufuhr

• Aufrechterhaltung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr

• Gewährleistung einer Versorgung in Verbindung mit Ausscheidungsprozessen und Exkrementen

• Vorbeugung gegen Risiken für das Leben, das menschliche Funktionieren und das menschliche Wohlbefinden

• Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen Aktivität und Ruhe

• Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen Alleinsein und sozialer Interaktion

• Förderung der menschlichen Funktionen und Entwicklungen innerhalb sozialer Gruppen (Norm/Wissensdefizit)

(nach Dennis 2001)

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 24 –

Page 29: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Innerhalb des differenzierten Assessments konzentriert sich die Sammlung der relevan-

ten Daten zur Problematik, Ätiologie und Sy mptomatik mehrerer potentieller Pflege-

diagnosen auf folgende Arbeitsschritte:

Subjektive und objektive Merkmale und Kennzeichen der Pflegediagnosen sind der

NANDA Klassifikation entnommen und auf die Studienfragestellung angepasst (Doen-

ges/Moorhouse et al. 2002). Die Gradeinteilung zur Bestimmung des Ausgangszustandes

orientiert sich an der Nursing Outcome C lassification NOC (Johnson/Maas et al. 2000).

Ausgehend von einer gestellten Pflegediagnose plus dem erfassten Ausgangsz ustand (5-

stufige NOC Skala) und die damit verbundene Zielformulierung (Verbesserung um

mindestens einen NOC Grad) kann die Pflegeplanung erfolgen.

Das Dokumentationsblatt stellt einen umfassenden, übergreifenden Pool von Interven-

tionen bereit, da verschiedene Diagnosen dieselbe oder ähnliche Maßnahmen nach sich

ziehen können. Die Maßnahmen sind unterteilt in 4 Interventionsmodule einerseits,

nämlich:

- Interventionsmodul Informationsbroschüre- und gespräch

- Interventionsmodul Pflegerische Unterstützung bei der ärztlichen Antiemetika -

Medikation

- Interventionsmodul Beratung/Anleitung bei der Ernährung zur Vorbeu-

gung/Vermeidung des ANE-Sy ndroms

- Interventionsmodul Entspannungs- und Ablenkungstechniken

Die H andlungsanleitung hält zu jedem Interventionsmodul einen Katalog von Einze l-

maßnahmen dar. Die stammen zum Großteilder Nursing Intervention C lassifikation

NIC (McC loskey Dochterman/Bulechek 2004). Diese wurde um Maßnahmen mit höhe-

ren Evidenzgraden, die im Rahmen der umfassenden Literaturrecherche zur H andlung s-

anleitung identifiziert worden sind, ergänzt.

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

Differenziertes

Assessment

1. Schritt: Feststellen der subjektiven und objektiven Merkmale und Kennzeichen

2. Schritt: Festlegen von Diagnosen anhand der angekreuzten Merkmale und Kennzeichen

3. Schritt: Einstufung des Ausgangs-zustandes durch Indikatoren (NOC-Werte- Skala)

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 25 –

Page 30: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Die Evaluation der durchgeführten Pflegemaßnahmen erfolgt anhand der genannten

NOC -Indikatoren. Pro Dokumentationsbogen können 3 Messungen des Folgeassess-

ments erfasst werden.

Mit jeder Evaluation schließt sich ein Durchlauf des Pflegeprozesses. Wie oben darges-

tellt schließen daran die Wiederholungen im Folge- bzw. Entlassungsassessment an. Die-

se spiralförmige Entwicklung berücksichtigt neue einfließende Information, veränderte

Bedürfnisse seitens des Patienten bzw. veränderte Zielsetzung und Maßn ahmenplanung

als Reaktion der Pflegenden (nach (Kellnhauser/Schewior-Popp et al. 2004: 67).

Der Pflegeprozess ist seit der Novellierung des Krankenpflegegesetzes 1985 G egenstand

der Ausbildung in der Krankenpflege. Die Umsetzung in der Praxis w ird nach w ie vor

als unzureichend und problematisch beschrieben (Schrems 2003; Johns/Steudter et al.

2004).

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

Bildliche Dokumentation

der Nahrungsaufnahme

Erstellt: JS/AP MRI 2005Workshop Pflegeforschungsverbund MitteWorkshop Pflegeforschungsverbund Mitte--SSüüd und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005d und Teilprojekt P4 am 25./26.11.2005

Beteiligte: IGPW, UKK, MRI, TUM, Maßnahmeträger: DLR; BMBF Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd, Teilprojekt P4

Onkologische Pflegedokumentation 3

• Evaluation mit

Outcome-Indikatoren

24 Stunden

retrospektiv

• drei Werte werden

erhoben

3 4 5

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 26 –

Page 31: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Das Assessmentinstrument stellt ein strukturiertes, einfach verständliches H andwer k-

szeug dar. Die einzelnen Schritte des Pflegeprozesses sind vorformuliert und deren zei t-

liche Abfolge sowie Wiederholungsrate sind durch eine schriftliche H andlungsanleitung

geregelt.

Der Pflegeprozess w ird dabei als generelle Arbeitsmethode gesehen. Die Versprachl i-

chung der inhaltlichen Ausgestaltung, dessen was Pflege ausmacht, soll durch das vorli e-

gende Instrument veranschaulicht und gefördert werden.

Darin sehen w ir einen wesentlichen Beitrag zum gegenwärtigen pflegewissenschaftlichen

Diskurs um den Pflegeprozess.

Literatur:

Dennis, C .M. (2001). Dorothea Orem Selbstpflege- und Selbstpflegedefizit-Theorie. Bern: Verlag H ans

H uber.

Doenges, M.E., Moorhouse, M.F., Geissler-Murr, A . (2002). Pflegediagnosen und Massnahmen. Bern:

Verlag H ans H uber.

Fiechter, V., Meier, M. (1993). Pflegeplanung. Basel: Recom-Verlag.

Johns, C ., Steudter, E., Poser, M. (2004). Selbstreflexion in der Pflegepraxis g emeinsam aus Erfahrungen

lernen. Bern: Verlag H ans H uber.

Johnson, M., Maas, M., Moorhead, S. (2000). Nursing outcomes classification (NOC ). St. Louis: Mosby .

Kellnhauser, E., Schewior-Popp, S., Sitzmann, F., Juchli, L. (2004). Thiemes Pflege Professionalität erle-

ben. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

McC loskey Dochterman, J., Bulechek, G.M. (2004). Nursing interventions classification (NIC ). St. Louis:

Mosby .

Schrems, B. (2003). Der Prozess des Diagnostizierens in der Pflege. Wien: Facultas.

4.2. Statements zu Erfahrungen mit Assessment

4.2.1 . Statement Karl Reif

Zur Person: Karl Reif

Pflegeforschungsverbund Nord

Kritische Fragen und Anregungen zum Studiendesign

Bei der vorgestellten Studie handelt es sich um eine komplexe Intervention. Wir finden

eine Kette von Interventionen vor, die auf einander aufbauen und von einander abhängig

sind:

- Erstellung einer Praxisleitlinie

- Assessment zur Datenerhebung und Pflegediagnostik zur Entscheidung, ob eine

Intervention durchgeführt w ird

- Schulung der Pflegekräfte zur Praxisleitlinie

- Anwendung der internen Leitlinie auf der Grundlage des Assessments (= Durch-

führung verschiedener Interventionen: Beratung, Entspannungsverfahren etc.)

- Outcome-Messung über Assessment.

Diese Kette von Interventionen w ird zusammen in einer Evaluation geprüft. Von der

Erstellung der Praxisleitlinie bis zur Outcome-Messung finden sich eine Reihe von Ein-

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 27 –

Page 32: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

flussfaktoren, die auf das Endergebnis einwirken bzw. das Ergebnis verzerren können,

einschließlich des Assessments selbst. Ein Faktor, Schulung der Pflegekräfte, soll zudem

indirekt (d.h. es werden nicht die Patienten, sondern die Betreuer geschult) auf das Pa-

tientenoutcome wirken. Das gesamte Interventionsbündel ist aus Sicht der Pflegepraxis

sinnvoll aufeinander aufgebaut. Aus w issenschaftlicher Sicht leidet jedoch die interne

Validität erheblich, da aufgrund der Vielzahl an Einflussmöglichkeiten bei der Interpr e-

tation des Endergebnisses nicht deutlich w ird, worauf das Ergebnis zurückzuführen ist.

Unter einer limitierten internen Validität leidet auch die externe Validität, da bei einer

komplexen Intervention aufgrund organisatorischer Gegebenheiten nie das gesamte

Interventionsbündel komplett übertragen werden kann, sondern lediglich Teile davon.

Bei geringer interner Validität ist jedoch nicht bekannt, welche Faktoren die eigentlichen

Wirkfaktoren sind, sofern eine Wirkung nachweisbar ist. Die interne Validität kann ver-

bessert werden, wenn die komplexe Intervention stufenförmig evaluiert w ird (vgl.

Mühlhauser 2003, Medical Research C ouncil 2000).

Kritische Fragen und Anregungen zum Assessment

Dem Assessment zu Übelkeit/Erbrechen kommen in der vorliegenden Untersuchung

mehrere Aufgaben zu:

1. Messung des Ausgangspunkts

2. Entscheidung über Intervention/keine Intervention

3. Messung des Outcomes.

Somit w irkt das Assessment nicht nur über die Messungen sondern auch über die Steue-

rung des Patientenflusses auf das Ergebnis ein. Daher sind zuverlässige Informationen

über das verwendete Instrument unerlässlich.

Sowohl Reliabilität als auch Validität der deutschen NOC -Skalen für Übelkeit und Erb-

rechen sind unklar. Es gab eine Untersuchung der Interrater -Reliablitäten amerikani-

scher NOC -Skalen (Behrenbeck 2005). Die Werte variieren sehr stark, sie zeigen

schlechte bis sehr gute Interrater-Reliabilitäten. Diese beruhen allerdings z.T. lediglich

auf wenigen (4 oder 5) Ratings. Daher erscheint der Wert dieser Untersuchungen zwei-

felhaft. Für die NOC -Skala zur Übelkeit liegen auch in dieser Studie keine Untersu-

chungsergebnisse vor. Unklar bleibt ebenfalls die Validität der Instrumente. Ein Valid i-

tätsproblem für die Verwendung der NOC -Skalen ist, dass es sich um Fremdeinschät-

zungen handelt. Für Übelkeit erscheint (im Sinne einer Face-Validität) eine Selbstein-

schätzung als valider als eine Fremdeinschätzung.

Aufgrund dieser Befunde sollten zumindest Reliabilitätsunter suchungen in die laufende

Studie integriert werden, wenn auch die Validität weiterhin u nklar bleibt.

Für den englischsprachigen Raum gibt es untersuchte Instrumente. Eine Übersicht der

Oncology Nursing Society führt die Instrumente auf. Eine Beschreibung d er psy cho-

metrischen Eigenschaften findet sich ebenfalls auf der Website http://www.ons.org/ (Stand:

09.12.2005).

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 28 –

Page 33: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Es bietet sich an, für klinische Studien diese Instrumente zu prüfen, ggf. zu übersetzen,

zu evaluieren und evtl. weiterzuentw ickeln.

Tables of tools to measure oncology nursing-sensitive outcome: Nausea and Vomiting

Table A: Description of Tools (Oncology Nursing Society , 2005)

Name of

Tool

Au-

thor/Year

Domains of Fac-

tors

# of Items Scaling Scoring Language

Functional

Living In-

dex Emesis

(FLIE)

Lindley et

al; 1992

Effect of nausea

and vomiting (NV)

on physical activ-

ity, social and

emotional func-

tion, and eating

18

9-nausea

9-vomiting

1—7,

7-point

scale

A global

score for

NV is ob-

tained by

summing

the items.

English

French

Japanese

Morrow

Assess-

ment of

Nausea

and Eme-

sis

(MANE)

Morrow,

1984

Anticipatory and

Post-treatment

nausea and vom-

iting

•Frequency during

and after treat-

ment

•Duration

•Severity

•Time when worse

16 Severity—

6-point

scale

Occur-

rence –

yes or no

Duration –

number of

hours

Occur-

rence, se-

verity, and

duration of

pre- and

post-

treatment

nausea

and vomit-

ing is as-

sessed

individually.

English

Chinese

Portugese

(14th inter-

national

confer-

ence)

Index of

Nausea,

Vomiting,

and Retch-

ing (INVR)

Rhodes &

McDaniel,

1999

Nausea, vomiting,

retching (NVR),

and the compo-

nents (fre-

quency/amount,

duration, severity,

distress) of each

symptom

8-total

5-

occur-

rence

3-distress

5-point

Likert

Scale

A global

score for

NVR. Sub-

scale

scores for

occurrence

(five items)

and dis-

tress (three

items), and

for individ-

ual symp-

toms

English

Japanese

Chinese

Korean

In der Onkologie spielt bei w iederholten Gaben von C hemotherapie das antizipator i-

sche Erbrechen eine große Rolle. Im Assessment könnten z.B. Angst vor Erbrechen und

Erfahrungen mit Übelkeit und Erbrechen bei vorherigen C hemotherapie-Zy klen erfragt

werden. H ier könnte z.B. eine Weichenstellung zur Steuerung des Patientenflusses b e-

züglich der Frage I n te rv e n tio n v e rsu s ke in e I n te rv e n tio n erfolgen, da Patienten, die

Angst vor Erbrechen haben, aber aktuell noch nicht unter Übelkeit leiden, eine mögliche

sinnvolle Einschlussgruppe für die Intervention sein könnten.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 29 –

Page 34: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Die Bedeutung der Begriffe » Fehlende Informationen« bzw. » Wissensdefizit« als Pfle-

gediagnose erscheinen unklar. H andelt es sich um eine externe Bewertung, was bedeutet,

dass es einen Wissenskanon gibt, der vorhanden ist oder nicht, oder ist es eine Selbstei n-

schätzung der Patienten, dass sie zu wenig w issen? H ier stellt si ch die Frage, ob eine

Selbsteinschätzung der Patienten oder eine Fremdeinschätzung durch Pflegekräfte val i-

der ist. Eine Selbsteinschätzung hätte den Vorteil, dass sie eine patientenorientierte I n-

formation möglich macht, hätte jedoch den Nachteil, dass sie das tatsächliche Informati-

onsdefizit nicht zu erfassen vermag.

Ein weiteres Problem ist, in welchem Zusammenhang das Assessment bzw. die Ergeb-

nismessung zur antiemetischen Behandlung steht. Ein w ichtiger Einflussfaktor im H i nb-

lick auf die Stärke der Übelkeit ist neben der Emetogenität der Krebsbehandlung die

Wirksamkeit der antiemetischen Therapie. Die medikamentöse Prävention und Therapie

von Übelkeit hat möglicherweise den größten Einfluss auf das Outcome. Somit kann

z.B. bei angenommener guter Wirksamkeit der pflegerischen Interventionen das Out-

come schlecht sein, wenn das medikamentöse antiemetische Therapieregime eine geringe

Wirkung zeigt. Theoretisch müsste sich dieses Problem bei genügend großer Patienten-

zahl durch eine individuelle Randomisierung bewältigen lassen; inwieweit eine C luster-

Randomiserung das Problem bewältigt, ist unbekannt.

Fazit

Die in dem vorgelegten Studiendesign vorgefundenen Problemlagen speisen sich in er s-

ter Linie aus zwei Quellen:

1. der Komplexität der Untersuchung und

2. der Problematik des verwendeten Assessment-Instruments.

Es ist grundsätzlich sinnvoll und konsequent, das pflegerische H andeln in seiner ganzen

Komplexität zu untersuchen. Zur Evaluation komplexer Interventionen werden derzeit

Strategien diskutiert, die über die bisher üblichen randomisierten kontrollierten Studien

hinausgehen. Diese Strategien sind jedoch mit einem hohen Zeit - und Personalaufwand

verbunden. Es ist den Autoren der vorgelegten Untersuchung zu verdanken, diese Di s-

kussion für die Pflegewissenschaft in Deutschland mit einem Workshop zu fördern.

Literaturhinweise

Behrenbeck, J.B. et al. (2005): Nursing-Sensitive Outcome Reliability Testing in a Tertiary C are Setting.

International Journal of Nursing Terminologies and C lassifications, 16/1:14-20.

Medical Research C ouncil (2000): A framework for development and evaluation of RC Ts for complex

interventions to improve health. http://www.mrc.ac.uk/prn/pdf-mrc_cpr.pdf (Stand: 09.12.2005)

Mühlhauser, I. (2003): Evidenzbasierte Therapie- und Schulungsprogramme – Evaluation komplexer

Interventionen. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung 97:251-256.

Oncology Nursing Society (2005): Tables of tools to measure oncology nursing -sensitive outcome: Nau-

sea and Vomiting.

http://onsopcontent.ons.org/toolkits/evidence/Clinical/pdf/NauseaTools.pdf (Stand 09.12.2005)

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 30 –

Page 35: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

4.2.2. Statement Berhard Glawogger

Zur Person: Berhard Glawogger

Oberpfleger Onkologie Universitätsklinikum u AH OP, Graz (Österreich)

Ich finde es w ichtig, dass in der Studie dieses w ichtige Thema aufgegriffen w ird. Wir

haben im Rahmen einer multizentrischen EONS-Studie »C h e m o th e rap ie in d u zie r te

Nau se a u n d Em e sis in d e r a lltäg lic h e n Praxis u n d d e re n Au sw irkun g e n au f d ie Le b e n s-

q u a litä t«1 festgestellt, dass trotz der heute verbesserten antiemetischen Ther apie noch

immer Patienten unter Übelkeit und Erbrechen leiden. Besonders die verzögerte Übe l-

keit stellt für die Patienten ein relevantes Problem dar und hat negative Auswirkung auf

deren Lebensqualität.

In der Vorbereitung auf dieses Statement stand mir die schriftliche Fassung der Präsent a-

tion zur Verfügung. Es haben sich einige Fragen ergeben. Einersei ts bezogen sich diese

Fragen auf das Studiendesign andererseits auf das Assessment.

Fragen zur Studie:

Welches sind die Ein- und Ausschlusskriterien für die Auswahl der Patienten?

Welcher Grad der Emetogenität der C hemotherapie muss vorliegen?

Auf welche Klassifikation der Emetogenität beziehen Sie sich? (H esketh?)

Welchen Stellenwert hat die antimetrische Therapie?

Wie w ird die Veränderung der antiemetischen Therapie z.B. durch neue Substanzen w ie

Emend® einbezogen?

Welche Rolle spielt die Diagnose?

Bei der w ievielten C hemotherapie erfolgt die Messung? Werden nur chemotherapie-

native Patienten untersucht? Bei Patienten mit Vorerfahrungen besteht die Gefahr eines

antizipativen Einflusses.

Fragen zum Assessment:

Wenn zum Zeitpunkt des initialen Assessment keine Pflegeprobleme/Selbstpflege-

defizite auftreten, w ird dann kein differenziertes Assessment durchgeführt?

In welchen Zeitabständen w ird die Evaluationen durchgeführt?

Welche Instrumente werden zur Erfassung der Übelkeit verwendet? (VAS?)

Wer schätzt den Grad der Übelkeit ein? Patient oder Pflegeperson?

Bezüglich des Wissensdefizit ist zu bedenken, dass sich Patienten in der Zeit zw ischen

den C hemotherapien Informationen (unstrukturierte) aus anderen Informat ionsquellen

einholen können zur Abdeckung ihres Wissensdefizits.

Zur Erfassung des Erbrechens möchte ich bemerken, dass es notwendig ist zu def inieren

was unter einer Episode des Erbrechens verstanden w ird. Würgen sollte auch berück-

sichtigt werden.

1 Supportive C are in C ancer, 2004

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 31 –

Page 36: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Zusammenfassung:

Insgesamt erscheint mir diese Sy stematik mit initialem und differenzierten Assessment,

sowie der Dokumentenlenkung als sehr aufwendiges Sy stem. Für die Studie w ird es

notwendig sein, aber für die Routinepraxis scheint es mir derzeit wenig g eeignet weil

sehr aufwendig.

4.2.3. Statement Dipl.-PGw. Christiane Schaepe

Zur Person: Dipl. PGw. C hristiane Schaepe

Wisse n sc h a f t lic h e Mitarb e ite r in an d e r Martin -Lu th e r - Un iv e rsitä t Ha lle - Witte n b e rg ,

Me d izin isc h e Faku ltä t , I n st itu t f ü r G e su n d h e its - u n d Pf le g e w isse n sc h a f t

Einleitung

Das Projekt P4 des Pflegeforschungsverbundes Mitte-Süd mit dem Thema » Entwick-

lung und Evaluierung einer strukturierten Pflegeintervention zu Übelkeit und Komm u-

nikations-/ Wissensdefizit von C hemotherapie-Patienten in stationär-ambulanten Set-

ting« entw ickelte im Rahmen dieser cluster - randomisierten, prospektiv kontrollierten

Multicenterstudie ein Assessmentinstrument zur Pflegebedarfseinschätzung bei ANE2 –

Patienten. Assessments bilden allgemein die Grundlage für eine individuelle Planung der

Pflege von Patienten (vgl. Bartholomey czik et al. 2004:11), wobei das entw ickelte A s-

sessment sich gezielt der Gruppe der onkologischen Patienten mit speziellen Pflegeb e-

darfen w idmet.

Das entw ickelte Assessment dient gleichzeitig der Evaluierung der geplanten Intervent i-

on und misst damit die erzielten Ergebnisse.

Durch die Bedeutung, die ein spezielles Assessment sowohl in der Pflegepraxis durch die

Initiierung von Pflegemaßnahme im Rahmen des Pflegeprozesses, als auch in der Pfleg e-

forschung in Form eines Messinstrumentes für Outcomes einnimmt, w ird die zentrale

Rolle des entw ickelten Assessmentinstrumentes im Projekt deutlich. H ierbei lässt sich

die Frage aufgreifen, welche praktischen und w issenschaftlichen Anforderungen ein so l-

ches Instrument erfüllen muss.

Individuell und Ökonomisch – die Prämissen für ein pflegerisches Assessment

Die Gestaltung des Instrumentes folgt dem Prinzip eines stufenweisen A ssessments mit

einem Initial-, einem Re-Assessment und einem Entlassungsassessment. Dieses für die

Pflege aus dem Resident Assessment Instrument (RA I®) (vgl. Garms-H omolová et al.

2000) bekannte Vorgehen gliedert sich schlüssig in den Pfl egeprozess ein und bietet ein

den Situationen (Aufnahme, Verlauf und Entlassung) angemessenes Instrument an.

Darüber hinaus ist das in diesem Projekt entw ickelte Assessment unterteilt in ein initia-

les Assessment und ein differenziertes Assessment. Erst nach einem positiven Screen

erfolgt der Einsatz des differenzierten (umfangreicherem) Assessment, welches nach e i-

nem negativen Folge - Screen auch w ieder abgesetzt werden kann (vgl. Pröbstl 2005).

2 Anorexie-Nausea-Emesis-Sy ndrom

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 32 –

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Dieses Vorgehen w ird als sehr sinnvoll eingeschätzt, da es den bedarfsgerechten Einsatz

von speziellen Assessmentinstrumenten fördert. Die Entwicklung der Pflegepraxis

bringt eine Fülle von Assessmentinstrumenten hervor, die sich unter anderem nicht nur

mit Pflegebedürftigkeit generell beschäftigen, sondern auch spezielle Pflegephänomene

(z.B. Dekubitusrisiko, Sturzrisiko, Mangelernährung etc.) versuchen zu erfassen. Derzeit

zeigt sich ein Trend, dass angebotene Assessmentinstrumente flächendeckend in festen

Zeitabständen bei allen Patienten oder Bewohnern in Einrichtungen eingesetzt werden,

unabhängig ob ein Indiz für ein Pflegeproblem besteht. Der bedarfsgerechte Einsatz von

speziellen Assessmentinstrumenten ist sehr selten gegeben, da es hierfür auch keine

H andreichungen in Form von Screens oder initialen Assessments für die Pflegepraxis

gibt. Unter ökonomischer Betrachtung ist ein gezielter Einsatz von speziellen Asses s-

mentinstrumenten umso wichtiger, da hierdurch eine Überdok umentation und Ressour-

cenverschwendung in Bezug auf Arbeitszeit verhindert werden kann (vgl. Barthol o-

mey czik et al. 2004:18).

Kritische Fragen & A nregungen

Da das entw ickelte Assessmentinstrument sowohl für die Pflegepraxis als auch für die

Forschung eine zentrale Rolle einnimmt, stellt sich die Frage nach der Reliabilität und

Validität des entw ickelten Instrumentes in der Anwendung bei Patienten mit dem ANE

- Sy ndrom. Sowohl das initiale Assessment als auch das differenzierte Assessment nimmt

insofern eine Schlüsselfunktion ein, indem es über eine weiterführende Betrachtung e i-

nes Pflegeproblems entscheidet sowie über Intervent ion und Nicht-Intervention. Es

stellt sich die Frage, ob es valide und reliable Instrumente zur Erfassung des ANE - Sy n-

droms oder von Mangelernährung gibt und inwieweit diese im Rahmen der Studie au f-

gegriffen wurden.

Bei neu entwickelten Assessmentinstrumenten, die zunächst als H ilfsmittel in der Praxis

etabliert werden, ist eine methodische Testung unabdingbar erforderlich, um einen sinn-

vollen Einsatz sicher zu stellen (vgl. Bartholomey czik et al. 2004:18). H ierbei ist die R e-

liabilität genauso von Bedeutung w ie die Sensitivität und Spezifität. Die Entwicklung

eines zweistufigen Assessmentverfahrens ist nur dann sinnvoll, wenn das ini tiale As-

sessment auch in der Lage ist kranke oder risikobehaftete Patienten von anderen zu u n-

terscheiden, da sonst ein überwiegender Teil der Patienten das differenzierte Assessment

durchlaufen würde, was dann dem eigentlichen Ziel der Bedarfsgerechtigkeit entgegens-

tehen würde. Dieses Problem konnte in der Pflege anhand der Überprüfung der Güte-

kriterien der Norton-Skala (Beurteilung eines Dekubitusrisikos) beschrieben werden.

Patienten mit hohem Risiko wurden gut erkannt, während Patienten die kein Dekub i-

tusrisiko hatten nicht sichtbar wurden, auch bei guter Reliabilität des Instruments (vgl.

H alek et al. 2002).

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 33 –

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Da das Assessmentverfahren sowohl die Intervention steuert, als auch im Rahmen der

Ergebnismessung der Studie zum Einsatz kommt, sollten hier flanki erend die Gütekrite-

rien beobachtet und beschrieben werden.

Die Steuerung des initialen und differenzierten Assessments w ird im Rahmen der Pfl e-

gedokumentation durch eine Dokumentenlenkung sichergestellt. H ierbei stellt sich die

Frage, w ie oft ein initiales Assessment durchgeführt w ird, d.h. gibt es feste Zeitpunkte

oder ist es als kontinuierliches Assessment anzusehen, welches im Rahmen des Pfleg e-

prozesses einem ständigen Monitoring unterliegt.

Unabhängig von dieser Frage ist die Festlegung des C utt–off - Punktes, der über das

weitere Verfahren entscheidet. H ierbei ist die Beschreibung der Festlegung der C utt–off

- Punkte für die einzelnen differenzierten Assessments notwendig, um die Genauigkeit

des Lenkungssy stems zu beurteilen und damit auch, was tatsächli ch eine Intervention

auslöst.

Ein komplexes zweistufiges Assessmentinstrument erfordert eine intensive Schulung der

Anwender, um eine einheitliche Nutzung des Instrumentes zu gewährleisten. Es stellt

sich die Frage, w ie ein so komplexes Instrument in den beiden Studienzentren H alle und

München implementiert wurde und w ie die Qualität der Umsetzung in den Einrichtu n-

gen ist. Für die Anwendung eines Assessments ist das Verständnis des Pflegeprozesses

notwendig, was trotz Verankerung in den Pflegeberufsgesetzen (KrpflG 2004 & AltpflG

2003) nicht vorausgesetzt werden kann (vgl. u.a. Lay et al. 1999; Zegelin -Abt et al. 2003).

Eine Ausweitung der Schulung auf eine grundlegende Ebene scheint angebracht, um das

entw ickelte Assessment gewinnbringend einzusetzen.

In Bezug auf die Qualität der Umsetzung des Assessments ist zu hinterfragen, ob dieses

dauerhaft gewährleistet werden kann und w ie die Qualitätssicherung insb esondere im

Rahmen des Studienmonitorings erfolgt und mit welchen Ergebnissen. Die bekannten

Ermüdungserscheinungen stellen insbesondere unter Studienbedingungen für die G e-

währleistung eines einheitlichen Interventionsvorgehens ein Problem dar, welchem en t-

gegengewirkt werden muss. Im Rahmen der Qualitätssicherung zeigt sich die Praktik a-

bilität des Assessments insbesondere.

Ein Indikator für die Praxistauglichkeit ist auch die einfache Nutzbarkeit des entw icke l-

ten Assessments von anderen Anwendern, z.B. mit H ilfe eines Manuals aber ohne Sch u-

lung. H ier bestehen wertvolle Transfermöglichkeiten aus dem Projekt für die Pflegepra-

xis.

Fazit

Das im Rahmen des Projektes P4 des Pflegeforschungsverbundes Mitte-Süd entwickelte

Assessment zur Pflegebedarfseinschätzung bei ANE – Patienten stellt ein für die Praxis

w ichtiges spezifisches Verfahren der Pflegebedarfsermittlung für eine spezielle Patien-

tengruppe dar, um Pflegeinterventionen bedarfsgerecht zu steuern. Sowohl die Bedarfs-

gerechtigkeit der Pflegeinterventionen als auch der Einsatz eines zweistufigen Asses s-

mentverfahrens sind notwendige Schritte um Pflege qual itätsgerecht und w irtschaftlich

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 34 –

Page 39: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

zu erbringen, was derzeit eine große H erausforderung für alle im Gesundheitssektor

Tätigen ist.

Zur Beschreibung der Qualität des Assessmentinstrumentes sollte der Darstellung der

Gütekriterien eine besondere Bedeutung beigemessen werden, da sonst sowohl in der

Pflegepraxis, als auch in der Studie selbst intransparent bleibt, was tatsächlich gemessen

w ird und w ie sensitiv das Steuerungsinstrument funktioniert.

Die Fragen zur Verstetigung des Instrumentes im Kontext von Praxistaug lichkeit und

Anwenderschulung zeigen, welche H erausforderung es ist, ein solches Instrument für

die Pflegepraxis und für die Pflegeforschung gleichermaßen nutzbar zu machen. Gleich-

zeitig w ird aber auch deutlich, welche C hancen Pflegeforschungsprojekte für die Praxis

darstellen können, indem sie die Entwicklung von praktischen H ilfsmitteln, w ie in Form

des hier vorgestellten Assessments, forcieren.

Literatur

Bartholomey czik, S./ H alek, M. [H rsg.] (2004): Assessmentinstrumente in der Pflege. Möglichkeiten und

Grenzen. H annover: Schlütersche

Garms-H omolová, V., Gilgen, R. (H rsg.) (2000): RAI 2.0 – Resident Assessment Instrument. 2., vollst.

überarb. u. erw . Auflage. Bern: H ans H uber

H alek, M./ Mey er, H . (2002): Die prädiktive Validität der Norton -Skala in der Altenpflege. Pflege. 15(6):

309-317

Lay , R./Menzel, B. (1999): Pflegeplanung – Pannenhilfe für eine pflegerische Verfahrensweise. PR-

Internet. 1999 (2): 43-50

Pröbstl, A . (2005): Assessment zur Pflegebedarfseinschätzung bei AN E - Patienten. Vortrag anlässlich des

Workshops des PFVMS und des TP P4: Strukturierte pflegerisch -interdisziplinäre Intervention bei

onkologischen Patienten: Experten-Austausch zu inhaltlichen und methodischen Fragen in der Leuco-

rea in Lutherstadt Wittenberg (25.-26.11.2005)

Zegelin-Abt, A ./ Budroni, H ./Geving, C . (2003): Brennpunkt: Pflegedokumentation. Ein Pr axisprojekt

zur Verbesserung der Dokumentation, 1. Teil. Die Schw ester/Der Pfleger. 42 (4): 296-300

4.2.4. Statement Dipl.-Pflegewirtin Helle Dokken

Zur Person: Dipl. Pflegewirtin H elle Dokken, Dipl. Pflegewirtin (FH ) tätig in der Pfle-

gedirektion am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

Der Einsatz des Assessmentinstruments in der Studie P4 lässt sich wie folgt charakter i-

sieren:

zu Blatt I: Pflegestammblatt – Grundlegende Bedingungsfaktoren nach Orem

- Es ist übersichtlich und es ist einfach damit zu arbeiten (die Pflegenden sind ge-

wohnt mit ähnlichen Blättern, Pflegeanamnesen umzugehen)

- Neue Inhalte, w ie Berechnung des Body Mass Index stellte keine Probleme dar

- Teilweise sind Inhalte nicht nachvollziehbar w ie z. B. die Frage nach Religionsz u-

gehörigkeit. Dies beruht auf die Entwick lung dieses Instruments, da angedacht ist,

dieses nach der Forschungsphase für das bisherige Stammblatt einzusetzen. Eben-

so die Fragestellung nach dem Bildungsabschluss ist von den Pflegenden nicht

verstanden worden. Der H intergrund dazu basiert auf den Ergebnissen der Wis-

sensdefizituntersuchung in der beispielsweise festgestellt werden konnte, dass P a-

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 35 –

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tienten mit einem niedrigeren Bildungsabschluss weniger Wissen betreffend ihren

Nebenwirkungen bei einer C hemotherapie haben aber trotzdem nicht beim med i-

zinisch/pflegerischen Personal nachfragen. Trotz der Vermittlung während der

Schulung, wurde dieser Aspekt bei vereinzelten Pflegenden nicht vollständig ver-

innerlicht. Bei den stationären Patienten musste das reguläre Pflegedokumentat i-

onssy stem weiterhin verwendet werden. Dies führte zu einer doppelten Dok u-

mentation.

zu Blatt II: Initiales Assessment – C heckliste zur Einschätzung der situativen Proble-

matik des Patienten

- Die H andhabung mit diesem Blatt ist problemlos.

- Es bedarf aber der Erklärung, dass es um den jetzigen Zustand des Patienten geht

und nicht um das was vorher war oder nachher passiert.

zu Differenziertes Assessment zu N : Aufrechterhaltung einer ausreichenden Zufuhr an

Nahrungsmitteln

- Bei diesen Blättern gab es Unterschiede in der Umsetzung, was auf Schwierigkei-

ten bei der Zuordnung des Patienten zu den Pflegesy stemen » unterstützend erzie-

herisches Sy stem« , » teilweise kompensatorisches Sy stem« und » vollständig kom-

pensatorisches Sy stem« scheinen zurückzuführen sein könnte.

Ich empfehle aus der Sicht der Praxis eine Überprüfung. Ohne korrekte Eintragungen in

dem differenzierten Assessment wäre der Nachweis der Wirksamkeit der vier Interven-

tionsmodule nur in Bezug auf die Veränderung der Lebensqualität messbar. (Ei ngangs-

einstufung zu hoch geringer Effekt, Eingangseinstufung zu niedrig zu großer Ef-

fekt).

Abb. 1: Auszug aus dem differenzierten Assessment

Eine H erausforderung liegt darin, dass das Assessment trotz des großen Umfangs nicht

als H auptaufgabe gesehen w ird und dadurch die Interventionsmodule etwas in den H in-

tergrund drängt, sondern dass die vier strukturierten Interventionsmodule die Schwer-

punkte der Studie darstellen und nicht die Fragebögen mit Assessment. Die Pflegende

auf Station sind Anfänger bei der Mitarbeit von Pflegestudien und w ir in der For-

schungsgruppe müssen die Pflegenden dahingehend unterstützen dass sie nicht in einen

Formalismus verfallen.

Abschließend möchte ich noch erwähnen dass die Pflegenden meiner Ansicht nach ein

erweitertes Verständnis für Pflegeforschung und –wissenschaft entw ickelt haben.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 36 –

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4.2.5. Statement Ilona Nothdurft

Zur Person: Ilona Nothdurft

Beruflicher A bschluss: 1975 Staatsexamen Krankenpflegeausbildung (3jährig)

Berufliche Schwerpunkte: Psy chosomatik, Psy chiatrie

Zusatzausbildungen: Pflegemanagementausbildung (2jährig)

Berufliche Position: Mitarbeiterin in der Fort- und Weiterbildung in der Pflegedirektion am

Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

Fragestellung:

Gelingt es, auf der Grundlage der Selbstpflegedefizit -Theorie von D.E. Orem eine Sy n-

these zwischen den Klassifikationen der NANDA Pflegediagnosen und der Pflegetheo-

riebasierten Diagnostik herzustellen, die in dem pfleger ischen Assessment abgebildet

sind?

Implementierung der Pflegetheorie nach D.E. Orem

Die bereits in einem ersten Entwurf des Projektantrages P4 erwähnten Begriffe der

Selbstpflege-/H andlungskompetenzen und Förderung der Selbstpflegekompetenz impl i-

zierte bereits in der ersten Phase des Forschungsprojektes, die Selbstpflegedefizit -

Theorie von D.E. Orem als Pflegetheoriebasierten Begründungsrahmen fü r das Assess-

ment

auszuwählen. Orem weist in zahlreichen Publikationen darauf hin, dass ihre

Selbstpflegetheorie nicht nur als Teil des konzeptionellen Modells für die Pflege, so n-

dern auch für alle Tätigen im Gesundheitswesen, und zwar auch für Ärzte, Ph y siothera-

peuten, Logopäden und anderen anwendbar ist. Ein wesentlicher Aspekt, der von den

Projektverantwortlichen (Landenberger, Thoke-C olberg, H orn) hinsichtlich der Inter-

disziplinarität ausdrücklich betont und favorisiert w ird.

Vorhabenziel

Erste Überlegungen gewinnen insbesondere in Verbindung mit dem Nebenziel der Stu-

die, Wissenserweiterung bezüglich des ANE-Sy ndroms, Verbesserung der Lebensqual i-

tät und eine Steigerung der Selbstpflege und Alltagskompetenzen an Bedeutung. Vor

dem H intergrund bereits belegter Studien über die Wirksamkeit pflegerischer Interven-

tionen aus dem angelsächsischen Sprachraum, sind 4 Module, pflege-

risch/interdisziplinäre Interventionen entw ickelt und implementiert.

Zusammenhänge zwischen klinischen Entscheidungen und Theoriebasierung

Klinische Entscheidungen durch Pflegende sollten nicht nur auf Diagnosen und Inte r-

ventionen beruhen, die aus Klassifikationen ausgewählt werden, sondern die Zusam-

menhänge der Ausgangssituation mit pflegetheoretischen Konzepten logisch erklärt

werden müssen. Die Entscheidungen sollten auf diese Weise zu präzisen Interventionen

führen, die realistisch und messbar sind.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 37 –

Page 42: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Konzeption des Assessmentinstrument

Angesichts der Komplexität der Selbstpflegedefizit-Theorie konnten nur Teilbereiche

dieser Theorie (Anteile des diagnostischen Prozess) in das bereits bestehende Assess-

mentinstrument (Klassifikation nach den NANDA Pflegediagnosen) integriert werden.

Im H inblick auf die Studienrelevanz und ausschließliche Fokussierung auf das ANE-

Sy ndrom wird trotz der Reduzierung des komplexen Sy stems n. Orem der innovative

Ansatz des Assessment deutlich. Es erfüllt inhaltlich w ichtige Kriterien, die eine En t-

scheidungsfindung hinsichtlich des situativen Selbstpflegebedarfes (SSPB) erkennen la s-

sen. Besonders bemerkenswert ist die Zuordnung des Selbstpflegesy stems in dem Diffe-

renzierten Assessment am Beispiel der Nahrungs/- und Flüssigkeitsaufnahme zur Ein-

stufung der Indikatoren auf der NOC -Werte-Skala. Weist die NOC -Skala den Punkte

Wert 01 / Extrem beeinträchtigt aus, ist erkennbar, dass die Pflegeperson diese vom Pa-

tienten erlebte Einschränkung » vollständig kompensieren« muss, wobei sie entsprechen-

de Interventionen aus der NIC auswählt.

Die Erhebung pflegerelevanter Daten in dem Assesmentinstrument erfolgte zunächst auf

der Basis der sog. Beeinflussungsfaktoren, w ie bspw. der grundlegenden Bedingungsfak-

toren, Strukturelle Elemente der Potentialkomponenten (PK), die sich in erster Linie auf

die Einschränkung des Wissens beziehen, allgemeine Selbstpflegeerfordernisse. Au s mei-

ner Sicht ist kritisch anzumerken, dass den Grundlegenden Dispositionen und Fähigke i-

ten (GduF) (Subjektive Gefühle, Lernfähigkeit, Wahrnehmungsvermögen, Lernferti g-

keiten, Selbstverständnis, Interesse, Sorgen) und den Strukturellen Elementen der Poten-

tialkomponenten (PK) w ie bspw. Aufmerksamkeit, Logisches Denkvermögen, Motiva-

tion, Entscheidungen operationalisieren) zu wenig Beachtung geschenkt w ird. Gle i-

chermaßen lässt dass Assessment im gesamten Algorithmus nahezu keine Ressourcen-

orientierung erkennen.

Nach meiner Einschätzung zählt insbesondere die Erfassung des subjektiven Erlebens

und individuelle Ressourcen eines Menschen in einem pflegerischen Assessment zu

unabdingbaren und entscheidungsrelevanten Daten, da sie die Grundlage zu einer Klien-

tenzentrierten Beratung und damit verbundener Problemlösung darstellen. Davon au s-

gehend, dass in dem Projektantrag die Bedeutung des Kernelements Pflegeprozess

postuliert w ird, sollten die von mir empfohlenen Gedanken zur nochmaligen Reflexion

anregen.

Die in dem Assessment sehr strikt an Defiziten orientierten Parameter könnten dazu

führen,

d as Be w ält ig u n g s- u n d au c h d as Nu tzu n g sh and e ln d e r Erkran kte n m e ist an d e re n u n d o f t

so g ar g e g e n te ilig e n K rite r ie n u n d Prä f e re n ze n a ls se it e n s d e r pro f e ssio n e lle n Akte u re u n -

te rst e llt , w e il e s d e n Erkran kte n n ic h t e in zig u m d ie o p tim ale Han d h ab u n g d e s b lo ß e n

(so m atisc h e n ) K ran kh e itsg e sc h e h e n g e h t , so n d e rn d ie Be w ält ig u n g d e s d u rch d ie K ran k-

h e it ir r it ie r te n u n d b e sc h äd ig te n Le b e n s, d ie f ü r sie v o rd r in g lic h e He rau sf o rd e ru n g d ar-

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 38 –

Page 43: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

ste llt . (Sc h ae f f e r 2004, S.279). Diese Aussage ist aus meiner Sicht besonders zu würdigen,

da das Nebenziel der Studie auf eine Verbesserung der Lebensqualität abzielt.

Anlässlich des 8. Weltkongress in U lm 2004 konstatieren Experten des Deutschen

Netzwerk Selbstpflegedefizit-Theorie, dass die Theorie von Orem in Verbindung mit

NANDA inkompatibel sei, was sich bereits dadurch erklären lässt, das Orem ein eigenes

» Diagnose-Sy stem« entwickelt hat. Angesichts des allgemeinen Definitionen-C haos hin-

sichtlich der Klassifizierung mittels Pflegediagnosen, etablierten sich in pflegewissen-

schaftlichen Kreisen unterschiedliche Denkschulen. Zusammenfassend sei an dieser Ste l-

le auf folgende Kritiken an Pflegediagnosen hingewiesen:

- Definitionsmängel., kein beruflicher Konsens

- Verfahrensmängel: unklare Diagnostik

- Wissensmängel zu: Konzepte, Bedeutung für Patienten – Prävalenz

- Fragliche Übertragbarkeit Kulturgebundener, psy chosozialer PD

- Nicht erfasst Anteile der Pflege » C aring« Ganzheit

- Defizitorientierung

- (Steppe 1995; Abderhalden et al. 1995; Müller-Straub 2001; H eering 1994; Kessel-

ring 1995; Käppeli1995;)

Meines Erachtens erweist sich die Stellung einer Pflegediagnose immer zweifelhaft und

aufgrund » objektiven Wissens« alleine nicht zu stellen. Somit ist die Pflegediagnose

zwingend mit dem Patienten zu validieren, wenn sie nicht trivial und technokratisch sein

soll. Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass sich für zukünftige Asses s-

mententwicklungen auch vor dem H intergrund der gesamten gesundheitspolitischen

Veränderungen, die Integration des Salutogenese-Modells von Aaron Antonovsky

durchaus als sinnvoll erweist, sofern Medizinisch/biologisch orientierten A ssessments

eine Absage erteilt werden soll.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 39 –

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5. Intervention »Pflegerische Mitwirkung bei der A ntiemetika-

Medikation« (P4)

5.1 . Intervention »Pflegerische Mitwirkung bei der Antiemetika-

Medikation«

Zur Person: Patrick Jahn

Krankenpfleger, C and. Dipl. Pflege- und Gesundheitsw issenschaft, Mitarbeiter der

Pflegedienstdirektion Universitätskl inikum H alle-Wittenberg

Fragestellung: Pflegerische Mitw irkung bei der ärztl ichen Medikation umfasst im Sinne

einer eigenständigen Durchführung ärztlich verordneter Maßnahmen (KrPflG 2004), die

Vorbereitung, die Verabreichung und die Beobachtung der Wirkungsweise der Antieme-

tika (instrumentelle Unterstützung). Erweitert um den gezielten Erwerb und Verti efung

von Wissen über das individuelle C Tx-Schema inklusive der Antiemetikatherapie erfah-

ren die Patienten auf kommunikative Weise U nterstü tzung und werden in Ihren Selbst-

fürsorgekompetenz gestärkt.

Wie lasse n sic h m itte ls e in e s Alg o r ith m u s stru ktu r ie r te Maß n ah m e n zu r p f le g e r isc h e n

Mitw irku n g b e i d e r An tie m e tika - Me d ikatio n in e in e r in d iv id u e ll au f d e n Patie n te n au s-

g e r ic h te te Pf le g e u m se tze n ?

Hintergrund: C hemotherpie-induzierte Nausea und Emesis stellen eine starke Beeint-

rächtigung für die Lebensqualität onkologischer Patienten dar . In Deutschland leiden

mehr als 30 % unter akuter und mehr als 60% unter verzögerter Ü belkeit und Erbr e-

chen (Ihbe-H effinger A 2004). Neben einer w irkungsvollen Antiemese-Medikation und

der kompetenten pflegerischen Begleitung, hat v.a. der Grad des therapiebezogenen Wis-

sens der Patienten einen großen Einfluss auf Ausprägung und Dauer dieser Nebenwi r-

kungen (Börjeson 2002).

Der vorgestellte Entwurf eines H andlungsalgorithmus folgt in der Methodik dem Pfle-

geprozess und stellt im Sinne einer Praxisleitlinie einen evidence-basierten H andlungs-

korridor für Pflegende dar. Der Algorithmus ist durch mehrere Entscheidungssituati o-

nen basierend auf einem umfassenden Assessment und standardisierten Anschlussmes-

sungen vorstrukturiert. Anschließend werden jeweils aus einem Bündel von Schlüsse l-

empfehlungen Maßnahmen individuell auf den Patienten angepasst au sgewählt.

Hypothese: Durch den Einsatz eines mittels eines H andlungsalgorithmus strukturierten

und evidenz-basierten Praxisleitlinie kann eine qualitätsgesicherte, effiziente und effekt i-

ve Pflegeintervention, individuell auf den Patienten abgestimmt, umgesetzt werden.

Methode: Grundlage dieses Entwurfes eines H andlungsalgorithmus zur Pfleger ischen

Mitw irkung bei der Antiemese-Medikation ist der gegenwärtige internationale For-

schungsstand. Er ist in einer weit reichenden, disziplinübergreifenden Zusammenarbeit

von Pflegewissenschaftlern, Pflegepraktikern und Ärzten entstanden. In der Struktur

greift der Algorithmus den Pflegeprozess auf und inhaltlich ist er gemäß der Klassifik a-

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 40 –

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tion von Pflegediagnose, Intervention und Outcome der North American Nurses Asso-

ciation (Johnson 2001; McC loskey Dochterman 2004) gestaltet. Im Verständnis des A l-

gorithmus als einen H andlungskorridor werden ergänzend Schlüsselempfehlungen und

erweiterte Maßnahmen als standardisierter Pflegeplan formuliert.

Ab b .1: Sc h lü sse le m p f e h lu n g e n zu r Pf le g e d iag n o se Wisse n sd e f iz it - Au ssc h n it t au s d e m Alg o rith m u s zu r

Pf le g e r isc h e n M itw irku n g b e i d e r An tie m e t ika - Me d ikat io n

Ergebnisse:

H andlungsalgorithmen als evidence-basierte Entscheidungshilfen in der täglichen Pfle-

gepraxis, stellen nützliche H ilfen in der Arbeit mit dem Patienten dar. Sie kö nnen trotz

fester Strukturierung, Möglichkeiten bieten, die empfohlenen Maßnahmen auf die ind i-

viduellen Bedürfnissen Einzelnen abzustimmen. Sie liefern somit einen wertvollen Be i-

trag zur Sicherung einer kontinuierlichen und qualitativ hochwertigen Pflege von Pat ien-

ten mit chemotherapie-induzierter Nausea und Emesis.

Literatur

Börjeson, S., H ursti, J.T., Tishelman, C ., Peterson, C ., Steineck, G., (2002). "Treatment of Nausea and

Emesis During C ancer C hemotherapy : Discrepances Between Antiemetic Effect and Well-Being."

Journal of Pain and Sy mptom Management 24(3): 345-358.

Ihbe-H effinger A, E. B., Bernard R, Berger K, Peschel C , Eichler H G, Deuson R, Thodtmann J, Lordick

F. (2004). "The impact of delay ed chemotherapy -induced nausea and vomiting on patients, health re-

source utilization and costs in German cancer centers." Annals of Oncology 15(3): 526-36.

Johnson, M., Bulechek, G., McC loskey -Dochtermann, J., Maas, M., Moorhead, S. (2001). Nursing Diag-

noses, Outcomes, Interventions - NAN DA, NOC and NIC Linkages. St. Louis, Mosby .

KrPflG (2004). "Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege und zur Änderung anderer Gesetze." Bun-

desgesetzblatt 36(Teil 1): 1442-1458.

McC loskey Dochterman, S., Bulechek, G. (2004). Nursing Interventions C lassification (NIC ). St. Louis,

Mosby .

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 41 –

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5.2. Statements zu Erfahrungen mit pflegerisch- interdisziplinärer

pharmakologischer Intervention

5.2.1 . Statement Dr. med. Dirk Grothe

Zur Person: Dr. med. Dirk Grothe

Klinik für Innere Medizin IV, H ämatologie-Onkologie, Universitätsklinikum H alle-

w ittenberg

Bedeutung von Übelkeit und Emesis:

Übelkeit und Erbrechen sind zwei der belastensten Nebenwirkungen und C hemother a-

pie. Noch vor 20 Jahren gehörte N/V unabwendbar zur C hemotherapie dazu. Bei bis zu

20% der Patienten führten N/V zu einer Verzögerung der C hemotherapie bzw. zu de-

ren Abbruch.

Seitdem hat sich viel in der Prophy laxe der C hemotherapie-induzierten Emesis getan.

Insbesondere die Akute Übelkeit lässt sich medik amentös gut beherrschen. Dennoch

steht über die Zeit hinweg das Sy mptom » Übelkeit« in Patientenumfragen unverändert

an erster Stelle. In der Wahrnehmung von Ärzten und Pflegern wird di ese unterschätzt.

Dies schlägt sich nicht zuletzt in der antiemetischen Therapie nieder:

In der akuten Phase, unter der C hemotherapie, erhalten 80% der Patienten eine Leitl i-

niengerechte antiemetische Therapie.

In der nachfolgenden verzögerten Phase sind es jedoch nur noch 20% der Patienten, die

Leitlinien-gerecht behandelt werden.

Prädisponierende Faktoren für Übelkeit:

Patienten-abhängige Faktoren:

Junges Alter

Weibliches Geschlecht

N iedriger Alkoholkonsum

Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Schwangerschaft

Schlechte Lebensqualität

Vorausgegangenes N/V unter C hemotherapie

Chemotherapeutika Emesis-Risiko Beispiele

Hoch-emetogen: >90% Cisplatin

moderat-emetogen: 30 – 90% Irinotecan

Gering-emetogen: 10 – 30% Docetaxel

Minimal-emetogen: <10% Bleomycin, Retuximab

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 42 –

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Antiemetische Therapie:

Durch eine korrekte antiemetische Prophy laxe lässt sich bei 70 – 80% der Patienten ein

kompletter Schutz vor N/V auch nach Gabe hochemetogner C hemotherapeutika erre i-

chen.

Grundregeln der antiemetischen Therapie:

- Prophy laxe geht vor Therapie

- Antiemetika-Gabe 30 Minuten vor der C hemotherapie

- 1x tägliche Gabe der Antiemetika ist ausreichend

- Orale Therapie ist der intravenösen Therapie ebenbürtig

- Verzögerte Übelkeit und Erbrechen darf nicht unterschätzt werden

- Neue verfügbare Substanzklasse (NK-1-Rezeptorantagonist, Aprepitant) insbe-

sondere bei verzögerter Übelkeit/Erbrechen

- Nebenwirkungen der antiemetischen Therapie beachten:

o 5-H T3-Antagonisten: Obstipation, Kopfschmerz

o Glucocorticoide: Blutzucker-Entgleisung, H y pertonie

o Dopamin-Rezeptor-Antagonisten: Dy stonien

o Neurokin-1-Rezeptor-Antagonisten: Schluckauf, Müdigkeit, Obstipation

o Interaktion mit Dexamethason (→H albierung der Dexamtheson-Dosis)

Trotz korrekter antiemetischer Prophy laxe tritt bei ca. 50% der Patienten unter der G a-

be hchemetogener C hemotherapeutika verzögert Übelkeit und Erbrechen auf.

Verzögerte Übelkeit und Erbrechen:

N/V, das 24h bis 3 Tage nach Gabe eines C hemotherapeutikums auftritt: Im Gegensatz

zur Frühen N/V über die Substanz P vermittelt, woraus sich die Rationale zum Einsatz

von Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten in Kombination mit Dexamethason und 5-

H T3-Antagonisten ergibt: Das vollständige Ansprechen auf die antiemetische Therapie

w ird hierdurch um 20% verbessert. Eine Zulassung für diese neue Substanzgruppe gibt

es bislang jedoch nur für C isplatin-haltige C hemotherapien, obwohl eine Wirksamkeit

auch bei moderat emetogenen Therapien belegt ist.

Bedeutung der Kooperation zwischen Pflege und Arzt:

Erkennen des Problems des verzögerten Übelkeit und Behandlung durch pharmakologi-

sche und pflegerische Maßnahmen mit dem Ziel die Lebensqualität des Patienten zu ver-

bessern und insbesondere die Entwicklung eines antizipatorischen Erbrechens zu ver-

hindern.

Antizipatorisches Erbrechen:

Erbrechen, dass durch Geschmack, Geruch, Ansicht, Gedanken oder Angst nach einer

Episode schlechten Ansprechens auf eine antiemetische Therapie hervorgerufen w ird

(klassische Konditionierung).

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 43 –

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5.2.2. Daniel Wecht, Leiter Fort- und Weiterbildung Pflege, Universitätskli-

nik Marburg

Zur Person: Daniel Wecht

Fachkrankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, cand. Diplom Pflegepädagoge,

Leiter der Weiterbildung Fachkrankenpflege in der Onkologie am Universitätsklinikum

Gießen und Marburg GmbH - Standort Marburg

Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitungen der Weiterbildungsstätten für die

Pflege des krebskranken, chronisch-kranken Menschen innerhalb der KOK/DKG

Nachfolgendes Statement bezieht sich auf den Powerpoint-Foliensatz

JAHN/RENZ/STU KEN KEMPER/H ORN/LANDENVERGER/THOKE.C OLBERG: Vorstellung

eines Algorithmus zur Pflegerischen Mitw irkung bei der Antiemetika-Medikation

Relevanz und Bedeutung des Forschungs(teil)projekts

In onkologischen Pflegesituationen kann häufig beobachtet werden, dass selbst hoch-

qualifizierte Fachpflegekräfte trotz ihres Wissens und Könnens fatalistisch Rückzug s-

tendenzen im H andlungsfeld der Antiemetika-Medikation zeigen, z.T. resu ltierend aus

Unsicherheiten über die pflegerischen H andlungspielräume zwischen den Vorgaben von

Therapieprotokollen, medizinischen Leitlinien (z.B. MASC C -Leitlinien), ärztlichen

Verordnungen und teils auch ökonomischen Restriktionen. Aus der Perspektive eines

Leiters von pflegerischen onkologischen Fachweiterbildungskursen ist die Initiative eine

Praxisleitlinie zur pflegerischen Mitw irkung bei der Antiemetika-Medikation zu erarbei-

ten und zu evaluieren sehr zu begrüßen. Pflegende erhalten mit ihr einen klar umrisse-

nen, legitimierten pflegespezifischen H andlungsauftrag innerhalb des multiprofessionel-

len Teams.

Im vorgestellten Algorithmus w ird der Pflegeprozess mit standardisierten Begriffen aus

Klassifikationen der Pflegediagnosen (NANDA -I), Pflegeinterventionen (NIC ) und

Pflegeergebnissen (NOC ) abgebildet. Damit w ird einer breiteren bundesdeutschen Pfl e-

gefachöffentlichkeit exemplarisch anwendungsbezogen und vermutlich erstmalig das

Konzept der NNN -Klassifikation am Beispiel des pflegerischen Managements von

Übelkeit/Emesis vorgestellt. Damit diese Konzeption keine Insellösung im geschützten

Rahmen eines Forschungsprojekts bleibt, sollten Praktiker und Wissenschaftler der lau-

fenden Forschung im Falle einer Bestätigung der Forschungshy pothese auch Verantwo r-

tung für die Implementation in die deutschsprachige Pflege übernehmen. Von Interesse

sind insbesondere die Begründung der Entscheidung für das gewählte Begriffsy stem aus

der Perspektive der Wissenschaftler und der Praktiker, die Anforderungen an praktikab-

le papier- oder EDV-gestützte Dokumentationssy steme zur patientennahen Unterstü t-

zung der Pflegenden und zur Dokumentation der Notwendigkeit und Wirksamkeit der

Pflegeinterventionen.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 44 –

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Beurteilung des A lgorithmus

»Pflegerische Mitwirkung bei der Antiemetika-Medikation« (Folie 5)

Der Algorithmus leitet durch den zirkulär rückgekoppelten Pflegeprozess. Die Rauten

» Pflegediagnose Übelkeit« und » Pflegediagnose Wissensdefizit« sy mbolisieren als gra-

phisch markante Knotenpunkte einerseits Endpunkte von Assessement und diagnost i-

scher Entscheidung andererseits Ausgangspunkte zur Planung ergebnisbezogener Inter-

ventionen. Soweit w ird das pflegerische H andeln im Sinne der zentralen Forschungsfr a-

ge abgebildet und geleitet.

Der letzte Abschnitt des Algorithmus mit den Ja/Nein-Entscheidungsrauten » Erbre-

chen?« und » Dehy dration?« sollte überdacht werden unter dem Aspekt, dass die Sy ste-

matik der im oberen Abschnitt verwendeten NNN -Klassifikation möglichst kongruent

fortgeführt w ird: z.B. durch die Pflegediagnose » Gefahr eines Flüssigkeitsdefizits« mit

den entsprechenden Outcome-Indikatoren und Pflegeinterventionen, die Pflegediagnose

Mangelernährung bzw. die (noch ?) nicht durch NANDA -I anerkannte Pflegediagnose

» Gefahr einer Mangelernährung« um der Gefahr einer Anorexie gerecht zu werden.

» Erbrechen« ist keine Pflegediagnose im Verständnis von NA NDA-I, kann jedoch in

einer Entscheidungsraute als Ereignis im Ja-Ast mit entsprechenden Pflegeaktivitäten

verbunden werden.

Bezüglich der Pflegediagnose Wissensdefizit sollte die Angemessenheit des Ko nzepts

Wissensdefizit in Bezug auf Menschen, die schicksalhaft und unvorbereitet in eine

schwierige und belastende Lebenslage geraten sind, kritisch reflektiert werden. Ty p i-

scher Weise reagieren Menschen in solchen durch neue Lebensaufgaben gekennzeichn e-

ten Situationen mit der Suche nach hilfreichen Informationen(vgl. C onley , 1998). Es bi e-

tet sich also an, im Rahmen des Forschungsprojekts beispielsweise eine Pflegediagnose

» Informationsbedarf« (Need for Information) zu definieren und entsprechende Kenn-

zeichen (Defining C haracteristics) und beeinflussende Faktoren (Related Factors) nach

den Vorgaben der Diagnosis Submission Guidel ines der NANDA-I zu erarbeiten (vgl.

NANDA, 2005) und einzureichen.

Der vorgestellte Algorithmus erscheint sehr geeignet zu sein, zwei Ziele auf ganz unter-

schiedlichen Ebenen erreichen:

Bezogen auf die Patienten: Milderung der ANE-Sy mptomatik durch pflegerische Mit-

w irkung bei der Antiemese-Medikation (Folie 19).

Bezogen auf die pflegerische Professionalität: Exemplarische Veranschaulichung der i n-

haltlichen Präzisierung des Pflegeprozesses durch eine standardisierte Fachspr ache.

Literatur

C onley , V.M. (1998): Bey ond Knowledge Deficit to a Proposal for Information -Seeking Behaviors. In:

Nursing Diagnosis, Volume 9, No. 4: 129-135

NANDA International (2005): Nursing Diagnoses: Definitions & C lassification. 2005-2006

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 45 –

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5.2.3. Statement Rudolf Nieth

Zur Person: R. N ieth

Fachkrankenpfleger i.d. Onkologie, Praxisanleiter

Stationsleitung KMT Marburg, Mitarbeiter der Weiterbildungsstätte Onkologie

Komm. Sprecher KMT/SZT AG der Pflege;

Uni-Klinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Station 224, KMT

Baldingerstrasse

35043 Marburg

Arbeitsgruppe KMT/SZT der Pflege:

Bundesweit agierende Gruppe von Pflegenden der KMT/SZT Einheiten. Derzeit ca. 35 -

40 Zentren aktiv. Ein Mitglied aus der Schweiz, der auch Sprecher der Schweizer A r-

beitsgruppe ist. Die Arbeitsgruppe befürwortet in ihren Zielen evidenz basierte Pflege

auf nationaler und europäischer Ebene. Sie unterstützt, fördert und initiiert Pflegefo r-

schungsprojekte und Studien im Bereich KMT / SZT.

Pflege innerhalb KMT-Einrichtungen und onkologischen Abteilungen haben in der

Vergangenheit voneinander partizipiert, so das auch hier ein Austausch erhofft werden

darf.

Als in diesem Zusammenhang erwähnenswert ist, das aktuell in einer kleineren AG das

Thema Ernährung behandelt w ird. Start war zunächst eine Bestandaufnahme der ver-

schiedenen Ernährungsregimes der KMT-Zentren.

Bisher war das ANE-Sy ndrom jedoch noch nicht Bestandteil von Arbeitsgruppensi t-

zungen, dennoch immer Gesprächsthema. Festzustellen ist, das standardisierte Vorge-

hensweisen auch auf KMT-Einheiten nicht konsequent durchgeführt werden. Sehrwohl

w ird in einzelnen Fällen mit Pflegediagnosen, NIC und NOC gearbeitet. In der Umset-

zung von medikamentöser Therapie ist die Pflege auf KMT-Einheiten sehr involviert, da

das Infusionsmanagement vom Pflegepersonal gesteuert w ird. Auch die Beurteilung von

Übelkeit und Erbrechen w ird durch die Pflege dokumentiert und en tsprechend reagiert.

Leider gibt es keine einheitlichen Messinstrumente für den Ausprägungsgrad speziell der

Übelkeit. Nach vorhandenen Messinstrumenten w ird erst in der noch ausstehenden B e-

fragung im Rahmen der Datenbankaktualisierung im Dezember diesen Jahres gefragt.

Wie groß der Einfluss bzw. die Mitw irkung von Pflegepersonal in der Einhaltung von

Leitlinien in bezug auf pharmakologisch, medizinische Behandlungen haben, kann ich

als komm. Sprecher der KMT-AG nicht für alle Zentren sagen, da es dazu innerhalb der

AG keine offiziellen Daten gibt. Aus Einzelgesprächen kann man jedoch schließen, dass

in einigen Zentren eine fruchtbare Kooperation möglich ist. Ein evidenz basierter Stan-

dard ist selbstverständlich auch für KMT-Zentren hoch interessant. Besonders die in

Folie 3 des Vortrags von H r. Jahn benannten Aspekte ( Vorbereitung, Verabreichung,

Beobachtung der Wirkung, Vermittlung von Information, Spezielle Beratung, Anleitung

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 46 –

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und Training) werden in vielen KMT-Zentren von der Pflege schon jetzt wahrgenom-

men, allerdings meist in unstrukturierter Form.

Zu Begriffsverwirrungen kommt es in Bezug auf die Definitionen Standard, Leitlinie,

Praxisleitlinie. Diese Definitionen sind sicherlich nicht überall konsent.

(Bsp.: » Leitlinien sind sy stematisch entwickelte Feststellungen (Thesen) mit dem Ziel,

die Entscheidungen von Ärzten und Patienten über eine angemessene Gesundheitsver-

sorgung (Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge) für spezifische klinische S i-

tuationen zu unterstützen.«

Definition nach Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in der M e-

dizin (AQS) und Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellscha f-

ten (AWMF)

Die AG KMT-SZT der Pflege ist sehr gespannt auf die Ergebnisse der hier besprochenen

Forschungsarbeit und bedankt sich an dieser Stelle ausdrücklich für die Einladung

Literatur:

MASC C - C onsensus C onference Perugia 2004 – www.mascc.org

Prophy laxe und Therapie des durch Zy tostatika induzierten Erbrechens, Stand: September 2004, Deutsche

Gesellschaft für H ämatologie und Onkologie – www.dgho.de

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 47 –

Page 52: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

6. Intervention »Pflegerisch-interdisziplinäre Entspannung

und Information / Beratung« (P4)

6.1 . Intervention »Pflegerisch-interdisziplinäre Entspannung und Infor-

mation / Beratung« (P4)

Zur Person: Dipl.-Psy ch. Steffi Scheerschmidt

Pflegedirektion, UKK H alle

Krebs gehört zu den am meisten gefürchteten Diagnosen und unter Krebspatienten ist

die C hemotherapie eine der bedrohlichsten Behandlungen. Dass die C hemoth erapie mit

vielen unangenehmen Nebenwirkungen verbunden ist, ist den Betroffenen aus den M e-

dien bekannt. Es werden vor allem schwerwiegende Folgen für die L ebensqualität und

die Veränderung der äußeren Erscheinung befürchtet. Patienten reagieren häufig mit

Angst, Unsicherheit, Verzweiflung sowie H offnungs- bzw. H ilflosigkeit. Eine profes-

sionelle onkologische Pflege sollte daher neben der fachlich fundierten Aufklärung, Pro-

phy laxe und Therapie durch den Arzt, diesen und den Patienten beim Umgang mit den

Nebenwirkungen einer C hemotherapie unterstützen.

Inwieweit dabei eine strukturierte Pflegeintervention bei C hemotherapie-Patienten Ne-

benwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Appetitmangel vorbeugen, lindern bzw.

verhindern kann, soll durch eine derzeit laufende Multicenterstudie am Universitätskl i-

nikum H alle und Klinikum rechts der Isar (MRI), TU Mü nchen erforscht werden. Die

erwarteten Ergebnisse der strukturierten Pflegeintervention sind:

1. Vermeidung und Linderung der Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen und A p-

petitmangel

2. Behebung des Wissensdefizits in Bezug auf die Nebenwirkungen Übelkeit, Er b-

rechen und Appetitmangel

3. Verbesserung der Lebensqualität durch Förderung der Selbstpflegekompetenz

und Alltagsautonomie

Die Grundlage für die praktische Umsetzung der strukturierten Pflegeintervention bi l-

dete eine umfassende Schulung von Pflegenden aus verschiedenen onkologischen Bere i-

chen. Durch Wissensvermittlung und praktische Übungen sollten die Pflegenden autor i-

siert werden, Interventionen eigenverantwortlich umzusetzen. Eine Schulung zu folgen-

den fünf Bereichen wurde durchgeführt:

1. Assessment-Instrument

2. Ernährung und Ernährungsberatung

3. Pflegerische Mitw irkung bei ärztlicher Antiemetika-Medikation

4. Information und Beratung

5. Entspannungsverfahren: Progressive Muskel Relaxation (PMR), Atemstimuli e-

rende Einreibung (ASE) und Respectare

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 48 –

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Bei diesen genannten Bereichen bzw. Schulungsinhalten handelt es sich um evidenzba-

sierte Interventionen, also um pflegerische H andlungen, die nachweislich zur Verbesse-

rung des Gesundheitszustandes und der Lebensqualität onkologischer Patienten beitr a-

gen.

Ein kleiner Teil, die teilweise Vorbereitung und Durchführung der Schulungsmodule

Information und Beratung und Entspannungsverfahren (PMR bzw. ASE) oblagen mei-

nem Aufgabenbereich. Das Schulungsmodul der Entspannung soll Gegenstand der fo l-

genden Ausführungen sein.

Bei der Entwicklung eines Schulungsmoduls zu Entspannungsverfahren in der onkologi-

schen Pflege, für Patienten mit chemotherapieinduzierter Übelkeit und Erbrechen, zei g-

te sich, dass die bisherigen H andlungskompetenzen Pflegender auf eher einfache oder

zum Teil wenig konkretisierte Maßnahmen beschränkt sind, w ie beispielsweise das Lüf-

ten, die Empfehlung an den Patienten sich Musik anzuhören, Atemübungen durchz u-

führen, Gespräche mit Angehörigen oder Pflegenden zur Ablenkung zu nutzen oder

allgemein für die Gestaltung einer ruhigen, ungestörten, woh ltemperierten Umgebung

zu sorgen. Die Durchführung evidenzbasierte Entspannungsverfahren von Pflegenden in

der onkologischen Pflege bei Patienten mit C hemotherapie w ird derzeit wenig prakt i-

ziert. Ziel war es, den Pflegenden supportive, evidenzbasierter Entspannungsmethoden

zu vermitteln, welche ohne großen Zeitaufwand in den Pflegealltag integriert und sel bst-

ändig praktiziert werden können.

Das Resümee der Literaturrecherche von Dipl.-Psy ch. Frau Bernd und H errn Stibale ist,

dass Interventionsstudien überwiegend für die PM R bei C hemotherapiepatienten einen

signifikant positiven Effekt aufzeigen (z.B. Molassiotis, Yung & Yam, 2001; King, 1997;

Arakawa, 1997; Vasterling & Jenkins, 1993; Devine & Weslake, 1997). Insgesamt wäre

aber zur Wirksamkeit von Entspannungsverfahren bei chemotherapieinduzierter Übel-

keit und Erbrechen innerhalb Deutschlands ein großes Forschungsdefizit zu verzeich-

nen.

Die Progressive Muskel Relaxation wurde von Jacobsen entwickelt und beruht auf dem

Prinzip von konzentrierter, w illkürlicher Anspannung und Entspannung bestimmter

Muskelgruppen. Es soll eine Verringerung der Muskelanspannung unter das N iveau der

alltäglichen Anspannung erreicht werden (Magraf, 1996). Das Verfahren ist leicht ve r-

mittel- bzw. erlernbar und w ird zumeist in kleinen Gruppen, aber auch im Einzeltrai-

ning eingeübt, bis die Patienten autorisiert sind, PMR selbständig durchzuführen und in

unterschiedlichen Situationen anzuwenden. Problematisch ist, dass aufgrund des meh r-

stündigen Zeitaufwandes, diese Methode nicht von Pflegenden angeboten werden kann,

sondern die Durchführung anderen Berufsgruppen w ie z.B. Entspannungstherapeuten,

Psy chologen bzw. Phy siotherapeuten obliegt. Somit verblieb während der Schulung i n-

nerhalb der Studie nur die Möglichkeit, Patienten eine konkrete Empfehlung auszuspre-

chen. Zur Gewährleistung der Beratungs- und Vermittlungskompetenz wurden die Pfle-

genden umfassend über die PMR informiert und konnten in einer kurzen Selbsterfah-

rung die Methode kennen lernen.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 49 –

Page 54: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Die Atemstimulierende Einreibung nach Bienstein und Fröhlich sowie Respectare nach

Berggötz wurden als komplementäre, durch die Pflege praktikable Entspannungsmaß-

nahmen geschult. Kritisch bleibt dabei die Studienlage hinsichtlich der Evidenz der be i-

den Entspannungsmethoden auf die Nebenwirkungen bei C hemotherapiegabe. Der

Grundgedanke bei der Atemstimulierenden Einreibung beruht auf dem Konzept der

basalen Stimulation. Durch eine wertschätzende Berührung, durch das Zusammenspiel

von Bewegung und Wahrnehmung, durch die Abstimmung der H andlung auf den P a-

tienten kann bei diesem ein angenehmes Körpergefühl, ein Sich-Selber-Spüren sowie die

Konzentration und Bereitschaft für A ußenreize gefördert werden. Die veränderte

Wahrnehmung soll gleichzeitig eine ruhige, tiefe Atmung, die Entspannung und das

Wohlbefinden fördern (Bienstein & Fröhlich, 2004). Neben der Vermittlung der theor e-

tischen Grundlagen wurde bei der Schulung das praktische Vorgehen von jedem Tei l-

nehmer geübt. Außerdem konnte jeder Teilnehmer an der eigenen Person die Atemst i-

mulierende Einreibung erfahren.

Die Atemstimulierende Einreibung und Respectare sind vom Zeitaufwand gut in den

Pflegealltag zu integrieren und werden von den geschulten Pflegekräften bei Bedarf an-

geboten und durchgeführt. Nach kurzer Anleitung kann die Atemstimulierende Einre i-

bung auch von einer Bezugsperson übernommen werden und so auch poststationär

durchgeführt werden.

Fazit:

Mit der Schulung innerhalb der strukturierten Pflegeinterventionsstudie konnten die

Pflegenden H andlungskompetenzen erwerben, welche eine problem-, ressourcen- und

zielorientierte sowie konkrete, praxisnahe Umsetzung zweier pflegerischer Entspan-

nungsmaßnahmen ermöglicht. Kritisch bleibt die Evidenz von Atemstimulierender Ei n-

reibung und Respectare auf die Nebenwirkung bei C hemotherapiegabe und bietet somit

ein neues Forschungsfeld.

Literatur

Arakawa, S. (1997). Relaxation to reduce nausea, vomiting, and anxiety induced by chemotherapy in Jap a-

nese patients. C an c e r Nu rsin g , 20(5), 342- 349.

Bienstein, C . & Fröhlich, A. (2004). Basa le St im u la t io n in d e r Pf le g e . Seelze-Velber: Kallmey er.

Devine, E. & Westlake, S. (1995). The effects of psy choeducational care provided to adults w ith cancer:

Meta-analy sis of 116 studies. O n co lo g y Nu rsin g Fo ru m , 22(9), 1369-1381.

King, C .R. (1997). Nonpharmacologic management of chemotherapy - induced nausea and vomiting. O n -

c o lo g y Nu rsin g Fo ru m , 24(7), 41-48.

Margraf, J. (1996). Le h rb u c h d e r Ve rh a lt e n sth e rap ie . Ban d 1. Berlin, H eidelberg: Springer-Verlag.

Molassiotis, A ., Yung, H .P., Yam, B.M.C . & C han, F.Y.S. (2001). The effectiveness of progressive muscle

relaxation training in managing chemotherapy - induced nausea and vomiting in C hinese breast cancer

patients. Su ppo rt iv e C are in C an c e r , 10, 237-246.

Vasterling, J. & Jenkins, R. A. (1993). C ognitive distraction and relaxations training for the control of side

effects due to cancer chemotherapy . Jo u rn a l o f B e h av io u ra l Me d ic in e , 16/1.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 50 –

Page 55: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

6.2. Statements zu Erfahrungen mit pflegerisch- interdisziplinärer Ent-

spannung und Information/Beratung

6.2.1 . Statement A lexander Pröbstl, MRI München

Zur Person: Alexander Pröbstl, stv. Pflegedirektor am Klinikum rechts der Isar der

Technischen Universität München

H elle Dokken, Dipl. Pflegewirtin (FH ) tätig in der Pflegedirektion am

Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

Zur Person Susana Lorenz, Dipl. - Berufspäd. tätig in der Pflegedirektion

am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

Im Rahmen der Qualitätssicherung der Studie konnten Eindrücke auf den Intervention s-

stationen zum Modul Entspannung gesammelt werden. Ich w ill hier einige Beobachtu n-

gen vorstellen:

Während der Entwicklungsphase hat sich die Projektgruppe auf folgende Schwerpunkte

im Modul Entspannungs- und Ablenkungstechniken geeinigt: Die Pflegenden überneh-

men in erster Linie eine Koordinierungsaufgabe in der Vermittlung eines u mfassend

vorhandenen interdisziplinären Angebot, z.B progressive Muskelrelaxation durch Psy -

chologen oder Krankenkassen. Dieses w ird ergänzt durch die Durchfü hrung einfacher

pflegerischer Entspannungsmaßnahmen. Exemplarisch wurden atemstimulierende Ei n-

reibung (basale Stimulation) und Respectare® ausgewählt.

Die Durchführung dieser Maßnahmen stellt für die Pflegenden im Praxisalltag eine be-

sondere H erausforderung dar, da es sich hier um eine neue pflegerische H andlungsko m-

petenz handelt. Wie in jedem Veränderungsprozess bedarf es hier noch weitere Unters-

tützung der Durchführenden.

Atemstimulierende Einreibung eignet sich besonders zur Anwendung im stationären

Ablauf. Während des Abenddurchgangs können sich die Pflegenden in ruhiger Atm os-

phäre besonders den Patienten w idmen und, falls gewünscht, eine atemstimuli erende

Einreibung anbieten.

Durch den hektischen Ablauf und fehlende Rückzugsmöglichkeiten innerhalb der tages-

klinischen Versorgung eignet sich vor allem Respectare als Entspannungstechnik, da die

Patienten hierzu vollständig bekleidet bleiben können. Pflegende w ie Patienten b e-

schreiben diese Maßnahme als besonders nahe gehend und zum Teil als zu intim. Die

eingeschränkte Akzeptanz dieser speziellen Entspannungsübung ist und w ird weiterhin

thematisiert ohne dabei Druck auf die Pflegenden au szuüben, der zu einer Demotivation

führen könnte. Im Einklang mit den Prinzipien von Respectare w ird auch hier ein r es-

pektvoller Umgang mit individuellen H emmungen gesucht. Die Pflegenden wenden die

erlernten Methoden nicht ziellos sondern ausgewählt an, um in den jeweiligen Rahmen-

bedingungen patientenorientiert Entspannung zu ermöglichen.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 51 –

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Entsprechend der Konzipierung lässt sich feststellen, dass der beratende Anteil als G e-

genmaßnahme zu einem vorhandenen Wissensdefizit im Vergleich zur » hands-on Pfle-

ge« den größeren Anteil im Modul Entspannung einnimmt.

Die vorgegebenen Entspannungsmöglichkeiten (PMR/ASE/ Respectare) werden von

den beobachteten Mitarbeitern durch einfache, pflegerische Entspannungsmöglichkeiten

(lüften, Atemtechniken, Umgebungsgestaltung, etc.) ergänzt.

Die Inhalte der Informationsbroschüre bilden eine sinnvolle Basis zur Durchführung des

Beratungsgesprächs in Bezug auf die Vermittlung des umfassenden interdi sziplinären

Angebots zu Entspannung gesehen. Im Wesentlichen orientieren sich die Pflegenden an

den Vorgaben der H andlungsleitlinie, von erfahrenen Pflegekräften w ird diese gezielt

durch eigenes Wissen erweitert. Vereinzelt w ird die Möglichkeiten der Beratungsbr o-

schüre als Arbeitsmittel nicht vollständig ausgeschöpft (Visualisierung, Individualisi e-

rung). H ier w ird von der Studienleitung gezielter Nachschulungs- und auch Überw a-

chungsbedarf gesehen.

Wie ursprünglich geplant und am MRI geschult w ird Progressive Muskelrelaxation

nicht als aktive Methode der Pflegenden angeboten. Stattdessen werden interessierte P a-

tienten in die Klinik für Psy chosomatische Medizin und Psy chotherapie vermittelt. Dort

werden regelmäßig Gruppen- und Einzeltrainings zu Entspannungs- und Atemtechni-

ken unter fachlich-qualifizierter Leitung angeboten.

Fazit

Nach der ersten stichprobenartigen Erfassung der Umsetzungsgenauigkeit des Interven-

tionsmoduls Entspannungstechniken und darauf bezogener Beratung ergibt sich weit e-

rer H andlungsbedarf in Form eines strukturierten, stationsübergreifenden A udits. H ier

sind verschieden Elemente w ie nicht-teilnehmende Beobachtung und anony misierte Per-

sonalbefragungen geplant.

Die breit angelegt Initialschulung hat die Umsetzung eines umfassenden Angebots von

Entspannungstechniken bewirkt. Um die projektierten positiven Effekte im Rahmen der

Studie voll auszuschöpfen w ird von der Studienleitung mitarbeiterbezogener C oaching-

Bedarf gesehen.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 52 –

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7. Exkurs: Geeignete Messinstrumente für Anwendungsorien-

tierte Pflegeforschung

7.1 . Die Verwechslung von Zielen und Mitteln und von interner und ex-

terner Evidence. Das Ziel Lebensqualität in der Onkologie

Zur Person: Prof. Dr. Johann Behrens

Direktor des institutes für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Medizinsichen Fa-

kultät, Universität H alle-Wittenber; , Sprecher Pflegeforschungsverbund Mitte Süd

Die Verwechslung von Zielen und Mitteln und von interner und externer Evidence.

Lebensqualitätsforschung in der Onkologie

In der Onkologie sind in den letzten Jahren Merkmale der Lebensqualität als Ziel n eben

sogenannten » harte Erfolgskriterien« w ie Überleben, Responserate, Toxizität usw . ge-

stellt worden. Auch ist eine große Zahl von Assessmentverfahren entw ickelt worden, die

die Lebensqualität von onkologisch erkrankten Menschen mit Bevölkerungsdurch-

schnitten vergleichen und auf diese Weise therapeutische Entscheidungsprozesse im

Einzelfall auf eine rationale Grundlage stellen wollen.

In diesen beiden Entwicklungen ist ein Fortschritt zu sehen, der nicht in Abrede g estellt

wrden soll. Der knappe Raum dieses Artikels soll aber genutzt werden, um auf zwei

grundlegende Verwechslungen in diesen beiden Entwicklungen hinzuweisen. Im N ebe-

neinander von Lebensqualität, Outcomes und sogenannten harten Outcomes ist eine

Verwechslung von Zielen und Mitteln zu sehen und in der Praxis, durchschnittliche

Werte der Lebensqualität bei der Entscheidung über die Behandlungsbedürftigkeit im

Einzelfall heran zu ziehen, liegt die Gefahr der Verwechslung von interner und externer

Evidence. Werden diese beiden Verwechslungen vermieden, kann sich die Entwicklung

der Lebensqualität Forschung sehr positiv für den einzelnen Patienten auswirk en.

7.1 .1 . Die Verwechslung von Mitteln und Zielen: Vier Stufen der Qualität

Das gleichberechtigte Nebeneinander von Endpunkten w ie der Überlebensrate ( 10 oder

5 Jahre) der Rezidivfreiheit in der Zeit und der Remission (Rate, Dauer) mit Lebensqu a-

lität Eigenschaften w ie körperlicher Belastbarkeit, Belastbarkeit im Alter, Beschwerden

im Armbereich, Körperbild, Schmerzen, Emotionen, Konzentration/Erinnerung, M ü-

digkeit und Familienleben/Soziale Unternehmungen, w ie sie das auch in diesem H eft

vorgestellte Projekt des Universitätsklinikums Marburg für Patientinnen mit Brustkrebs

in den Vordergrund stellen, eine Verwechslung von Zielen und Mitteln dar: Die erstg e-

nannten medizinisch traditionell erhobenen Endpunkte sind nämlich Zwischenziele,

Mittel für die Erreichung einer Lebensqualität, die der eigentliche Grund für Patienten

ist, sich einer Behandlung zu unterziehen. Sie können also logisch nicht gleichberechtigt

nebeneinander stehen. Die Lebensqualität ist das letztlich begründende Ziel medizin i-

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 53 –

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scher Behandlungen. Und welche Komponenten der Lebensqualität für den einzelnen

relevant sind, kann nur dieser selbst entscheiden.

Von Lebensqualität, also vom qualis, dem Wie des Lebens, sprechen w ir in der Onkol o-

gie vor allem deswegen, weil Überlebenswahrscheinlichkeiten nicht alles sind. Es ist

eine traurige Tatsache, dass es Zustände des Lebens gibt, die für viele Menschen schli m-

mer sind als der Tod. Und schon vor dieser Wahl zw ischen Leben und Tod ist das Wie

des Lebens besonders relevant, wenn Behandlungen mit Schmerzen und Nebenwirkun-

gen verbunden sind, ihr Nutzen aber nicht bei allen Behandelten eintritt. Diese Verhäl t-

niszahl gibt die number needed to treat w ieder: Sie ist die Zahl der Menschen, die sich

einer Behandlung unterziehen müssen, damit einer unter ihnen einen Nutzen von dieser

Behandlung hat. Diese Zahl ist im Rückblick auf viele Behandlungserfolge gut zu erh e-

ben. Können wir im Einzelfall nie sagen, ob ein erkrankter Mensch zu denen gehören

w ird, denen eine Behandlung nützt. H ier ist also eine Entscheidung im Einzelfall zu tref-

fen, die mit dem kranken Menschen zusammen getroffen werden muss. Es ist eine En t-

scheidung unter Unsicherheit. In der A bwägung zwischen Behandlungsalternativen

kann für den Einzelnen das Wie des Lebens eine entscheidende R elevanz einnehmen.

Wie kommt es überhaupt zu der Verwechslung von Mitteln und Zielen? Ein Grund mag

darin bestehen, dass das berühmte Donabedian-Schema, mit der w ir uns die Qualität in

der Medizin klarzumachen gewöhnt haben, nur drei Stufen enthält. Donabedian kennt

Ergebnissqualität, Prozessqualität und Strukturqualität. Der Zusammenhang zwischen

diesen drei Größen ist einfach. Ich muss die Ergebnisse eines Prozesses kennen, um zu

w issen, welcher Prozess der angemessene ist und ich muss den Prozess kennen, um die

Anforderung an die Struktur ableiten zu können, die dieser Prozess nötig macht. Bei der

Beurteilung der Ergebnisqualität empfiehlt es sich, zw ischen solchen Ergebni ssen zu

unterscheiden, die durch den Prozess direkt erreicht werden können, und solchen, die

die Patienten eigentlich als angestrebte, die Behandlung erst begründenden Ziele zu u n-

terscheiden. H äufig ist das Prozessergebnis nur ein Beitrag zum angestrebten begrü n-

denden Ziel des Patienten. Gleichwohl ist es dieses letztlich angestrebte begründende

Ziel, die einen Patienten eine Behandlung wünschen lässt. Daher ist vorgeschlagen wo r-

den (vgl. Behrens 1999 und Behrens/Langer 2004, S. 31), zur besseren Klarheit das D o-

nabediansche dreistufige Schema durch eine vierte Stufe zu erweitern: D adurch kann

zwischen den Prozessergebnissen und dem angestrebten begründenden Ziel klarer u n-

terschieden werden (vgl. Abb. 1)

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 54 –

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Abb. 1 : Der Zusammenhang der vier Ebenen der Qualität

Diese Unterscheidung bewährt sich darin, dass der Beitrag der Ergebnisse des Pr ozesses

zu den angestrebten begründenden Zielen einer Behandlung reflektiert werden kann.

Das Verdienst der Lebensqualitätsforschung liegt darin, dass sie den Zusammenhang von

Prozessergebnissen zu angestrebten begründenden Zielen aufklären und lange Wi r-

kungsketten prospektiv prüfen kann. Je mehr w ir über den Zusammenhang von Ergeb-

nissen therapeutischer Prozesse und den eigentlich angestrebten begründenden Zielen

Wissen, um so besser können Menschen in schwier igen Entscheidungssituationen sich

für Behandlungen entscheiden. Diese Entscheidung kann allerdings immer nur eine ind i-

viduelle sein. Das zu begründen ist Zweck des nächsten Abschnittes.

7.1 .2. Verwechslung von interner und externer Evidence

Die nicht reduzierbare Unterscheidung zwischen externer und interner Evidence ist die

Schlüsselunterscheidung der evidence based medicine bzw. evidence based nursing als

eine Bewegung der patientenorientierten klinischen Entscheidung. Die U nterscheidung

ist sehr einfach. Externe Evidence bezeichnet alles gesicherte Wissen, das w ir aus der

Erfahrung Dritter ziehen können. Interne Evidence dagegen bezeichnet alles Wissen, das

w ir nur in unserer Kommunikation mit unserem einzigartigen Patienten erzeugen kö n-

nen. Externe Evidence, also Erfahrungen Dritter, liegen uns ty pischer Weise als Folgen

von Behandlungen innerhalb von Gruppen vor, also in gruppenspezifischen H äufigke i-

ten. Diese Ergebnisse unterrichten uns also darüber, zu welchen Folgen eine Behandlung

bei Dritten geführt hat. Diese H äufigkeiten als Wahrscheinlichkeit in unserem Einzelfall

zu interpretieren, stellt keine logische Ableitung dar. Vielmehr ist es eine Bewertung, die

eine unausweichliche Entscheidung unter Ungewissheit darstellt. Externe Evidence i n-

formiert uns also bestenfalls darüber, was bei anderen w ie geholfen hat. N icht aus exter-

ner Evidence ableitbar ist hingegen, was mein Patient w ill und wessen er bedarf. Welche

Aspekte der Lebensqualität für meinen Patienten relevant sind, kann nur im Gespräch

mit diesem selbst erarbeitet werden. Deswegen kann eine Erhebung der Relevanz von

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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Komponenten der Lebensqualität für den Durchschnitt einer Bevölk erung oder auch

einer Gruppe von erkrankten Personen prinzipiell nicht die Erhebung dieser Relevanz

im einzigartigen Fall meines Patienten ersetzen. (Jeder, der von seinem Zahnarzt schon

einmal gehört hat » das kann doch gar nicht weh tun« , kennt diese Verwechslung von

interner und externer Evidence. Die zahnärztliche Meinung, sie mag fachlich so gut b e-

gründet sein w ie sie will, es könne etwas gar nicht weh tun, ändert natürlich an unserem

Schmerz gar nichts. Sie ist allenfalls relevant, um die Gründe für Schmerzen weiter zu

explorieren.) Siehe Abb. 2

Abb. 2: Ev id e n c e -basierte pflegerische professionelle Praxis: interne Evidenz und

externe Ev id e n c e , moralische und ökonomische Anreize bei pflegerischen Entscheidun-

gen

In der Lebensqualitätsforschung ist dieses Verhältnis von interner und externer Eviden-

ce, ohne sich so klar in diesen Begriffen zu diskutieren, im SEIQoL -Verfahren zur Be-

stimmung individueller Lebensqualität reflektiert worden .

Literatur

Behrens, J. 1999 Evaluation of OH S as a sy stem of incentives – a German example; in: Menckel, E.,

Westerholm, P. (H rsg.): Evaluation in Occupational H ealth Practice, Butterworth -H einemann, Ox-

ford, ISBN 075064303X

Behrens, J., Langer, G. 2004 Evidence-based nursing: vertrauensbildende Entzauberung der "Wissen-

schaft" . H ermeneutisch-interpretative und statistische Methoden für tägliche Pflegeentscheidungen

H uber Verlag Bern, ISBN 3-456-83623-6

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 56 –

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8. Intervention »Pflegerische Ernährungsunterstützung und –

beratung« (P4)

8.1 . Evidenzbasierte pflegerische Massnahmen der Ernährung/-

sberatung für onkologische Chemother apie-Patienten

Zur Person: Dipl. PGw. Petra Renz

Dipl. Pflege- und Gesundheitsw issenschaftlerin, Krankenschwester, derzeit tätig im In-

stitut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinischen Fakultät, Martin -Luther-

Universität H alle-Wittenberg sowie im Zentralen Pflegedienst der medizinischen Faku l-

tät der Martin-Luther-Universität H alle-Wittenberg.

Onkologische Erkrankungen stehen mit rd. 30% nach Krankheiten des Kreislaufsy stems

an zweiter Stelle der Mortalität in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2002; DeWy s et

al. 1980; Bender/McDaniel et al. 2002).

Bei 31-87% der onkologischen Patienten vollzieht sich bereits vor Diagnosestellung ein

Gewichtsverlust. . Bei 15% der Patienten ist bereits ein schwerer Gewichtsverlust (>10%

des Ausgangsgewichts) bis zur Diagnosestellung eingetreten.

Eine Befragung von ambulant behandelten onkologischen Patienten ergab, dass ein A n-

teil von 44% der Patienten die Aufklärung und Information über Nebenwirkungen als

unzureichend empfanden. Sie wünschen sich umfassende Informationen über Methoden

der Selbstpflege bei Nebenwirkungen. Über die H älfte der Patienten (51,7% ) fühlen sich

in Bezug auf Ernährungsberatung nur unzureichend unterstützt (Weis 2003: 1 ff.).

Mit der Gabe einer speziellen Trink - und Sondennahrung konnte bei onkologischen

Patienten ein positiver Effekt nachgewiesen werden (Wigmore et al. 1996: 27 -30). Go-

gos et al. (1998: 395-402) ermittelten eine Verlängerung der medianen Überlebenszeit

der Patienten der Interventionsgruppe, die Sonden- und Trinknahrung mit Fischöl er-

hielten.

Ollenschläger et al. (1992: 546-553), untersuchten im Rahmen einer prospektiven ran-

domisierten und kontrollierten Studie die Effizienz oraler Ernährungstherapie bei Pa-

tienten mit akuter ly mphatischer Leukämie und akuter nicht ly mphatischer Leuk ämie.

Aufgrund der Studienintervention konnte bei allen Patienten der Versuchsgru ppe einer

lebensbedrohlichen Mangelernährung vorgebeugt werden, ohne auf künstliche Ernäh-

rung zurückzugreifen. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass eine tägliche Ernäh-

rungstherapie im Zusammenhang mit diätetischer Beratung der herkömmlichen Vorg e-

hensweise überlegen ist. Eine effektive orale Ernährungstherapie mit einer kontinuierl i-

chen Ernährungsberatung sowie Förderung der Motivation w irkt sich ebenso effektiv

auf die Tumortherapie hinsichtlich des Ernährungsstatus als auch auf die Lebensqualität

der Patienten aus (O llenschläger et al. 1992: 546 ff).

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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Eckert (1998) führte eine pflegewissenschaftliche Beobachtungsstudie zum Thema "Es-

sen und Trinken im Krankenhaus" durch. Als Ergebnis wurden gravierende Mängel bei

der Darreichung der Speisen im Krankenhaus festgestellt. Als Ursache nennt der Autor

die mangelnde Qualifikation der Darreichenden, die fehlende Kommunikation, die u n-

genügende Darreichungsform sowie die fehlende Kontrolle der Nahrungsaufnahme der

Patienten. Insgesamt w ird deutlich, dass die Pfl egenden dem Thema Essen und Trinken

(zu) wenig Bedeutung bemessen.

Evidencebasierte Praxisleitlinie zur pflegerischen Ernährung

Ziel der Praxisleitlinie ist die Vorbeugung und Linderung des ANE-Sy ndroms durch

ernährungsbezogene, evidencebasierte Pflegemaßnahmen. Die Umsetzung der Pfleg e-

maßnahmen soll mittels der Sy stematik des Pflegeprozesses erfolgen. Gleichzeitig dienst

die Praxisleitlinie als Grundlage für Beratung und Anleitung des Patienten.

Die Praxisleitlinie gliedert sich w ie folgt:

1. Ziel der Praxisleitlinie

2. Aufgabenbereiche innerhalb des Pflegeprozesses

3. Evidencebasierung

4. Interdisziplinäre Kooperation und Koordination

5. Merkblatt: Algorithmus

6. Merkblatt: Maßnahmenkatalog (activities)

Der Zweck der Praxisleitlinie liegt in der Bereitstellung einer Entscheidungshilfe zur

Auswahl evidencebasierter Maßnahmen bei Ernährungsproblemen. Aufgabe der Pflege-

kraft ist es, diese individuell auf den Patienten abzustimmen. In begründeten Fällen

kann von evidencebasierten Schlüsselempfehlungen abgewichen werden. Evidencebasiert

ist eine pflegerische Intervention, deren Wirksamkeit durch Studien nachgewiesen ist.

Dabei unterscheidet man 5 Grade (Phillips et al 2004, vereinfachte Darstellung):

- Grad 1: Sy stematische Übersichtsarbeiten (Metaanaly se) bestehend aus hom o-

genen, randomisierten, klinischen Studien (RC T´s)

- Grad 2: Kohortenstudien und heterogene RC T´s

- Grad 3: Fall-Kontroll-Studien

- Grad 4: Fall-Serien

- Grad 5: Expertenmeinungen

Ziele der Evidencebasierung und Strukturierung sind der folgenden Tabelle darg estellt.

- Begründbarkeit des H andelns

- Vergleichbarkeit

- Leistungskonstanz: Gleichbleibendes Leistungsniveau

- Entscheidungskriterien bei der Auswahl von evidencebasierten Pflegeinterven-

tionen

- Problemlösungsprozess als Methode sy stematischen Berufhandelns

- Fachspezifik

Quelle: Landenberger/Renz 2005

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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Die onkologische Fachpflege wandelt sich von erfahrungsgeleitetem zu w issenschaftlich

gestütztem Berufshandeln und benötigt dafür eine Fachterminologie. Im Rahmen des

BMBF-P4-Projektes wurden die Klassifkationssy steme der North American Nursing

Diagnosis Association (NANDA), Nursing Outcome C lassification (NOC ) und die

Nursing Intervention C lassification (NIC ) und deren Verknüpfung verwendet.

Schritte der Evidencebasierung:

Im ersten Schritt erfolgte die Literaturrecherche kliniküblicher Pflegemaßnahmen zu

den Pflegediagnosen Übelkeit, Mangelernährung und Wissensdefizit in der Nursing

Intervention C lassification, in Fachbüchern der Onkologie und Ernährung sowie in

Krankenpflegelehrbüchern. Im zweiten Schritt erfolgte eine Literaturr echerche und

Auswertung von Studien zur Evidencebasierung kliniküblichen Pflegemaßnahmen (act i-

vities). Im dritten Schritt wurden daraus evidencebasierte Schlüsselempfehlungen festg e-

legt, die in einen interdisziplinär erstellten Algorithmus einflossen (Pfleg ewissenschaft,

Diätassistenz/Ernährungsberatung, Arzt). Um die Praxisrelevanz zu prüfen, wurde ein

Peer review-Verfahren durch Experten aus dem Bereich Ernährung/-sberatung durchge-

führt.

In der folgenden Tabelle ist beispielhaft die Evidencebasierung an der Pflegediagnose

Mangelernährung dargestellt:

Evidencegrad Interventions-Nummer Belegende Studie

1 --- ---

2 5, 7, 8, 9, 12, 15

6

Ollenschläger et al 1992

Milne 2005; Baldwin 2001

3 --- ---

4 --- ---

5 1, 2, 5, 10, 11, 14

3, 16

13

McCloskey Dochterman 2004

Wieteck 2004

Scholz 2002

Die Praxisleitlinie Ernährung/-sberatung enthält über 70 Maßnahmen/activities zu Pfle-

gediagnosen Übelkeit, Mangelernährung und Wissensdefizit. Darunter sind Schlüsse l-

empfehlungen mit höheren, teilweise auch niedrigeren Evidencegraden. In der Literatu r-

recherche hat sich gezeigt, dass nur für wenige activities w issenschaftliche Studien vo r-

liegen. Die Nursing Intervention C lassification (NIC ) enthält umfangreiche Maßnah-

menempfehlungen, die Expertenmeinungen w iedergeben (Evidencegrad 5). Diese wu r-

den mangels Maßnahmenempfehlungen mit höheren Evidenzgraden in die Praxisleitlinie

aufgenommen. Die Aufnahme von Maßnahmen/activities mit niedrigem Evidenceniveau

(NIC ) erfolgte, da sonst nur eine sehr geringe Zahl von act ivities in die Praxisleitlinie

eingeflossen wäre.

Wissenschaftlich lässt sich jedoch bisher noch keine Aussage darüber treffen, ob ei nzelne

activities oder die Kombination der activities (= Intervention) einen Erfolg hervorrufen.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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Zusammenfassend weist die Praxisleitlinie zu pflegerischen/interprofessionel ler Ernäh-

rung /-sberatung eine mittlere Evidence auf.

Literatur

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8.2. Statements zu Erfahrungen mit pflegerisch- interdisziplinärer Er-

nährung, -sberatung, Diät

8.2.1 . Statement Pia Kulka, Diätassistentin, Ernährungsberatung UKK Halle

Zur Person: Pia Kulka

Seit Beginn der Mitarbeiterschulung zur Intervention » Pflegerische Ernährungsunters-

tützung und –beratung« , ist in unserer Klinik eine erhöhte Sensibilität des geschulten

Pflegepersonals zum Thema Mangelernährung/ Ernährungsprobleme bei Tumorpatien-

ten erkennbar. Dies hat sich auf eine deutlich gestiegene Anzahl von Ernährungsber a-

tungsanforderungen für diese Patienten ausgew irkt.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 60 –

Page 65: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Die meisten der beratenen Patienten zeigten ein ausgesprochenes Interesse an H inwei-

sen, w ie sie ihren verlorengegangenen Appetit anregen -, oder ihre kalorienarmen Ge-

tränke oder Speisen inhaltreicher zubereiten können, ohne das Nahrung svolumen zu

erhöhen. Sehr dankbar werden auch Proben von speziellen Trinknahrungen angenom-

men.

Sehr w ichtig zur erfolgreichen Durchführung einer Ernährungsberatung ist der geeign e-

te Zeitpunkt.

Der Patient sollte zu dieser Zeit in der Lage sein, sich auf das Thema Ernährung ko n-

zentrieren zu können.

Im Kliniksalltag kommt es gelegentlich vor, dass eine Ernährungberatung erst am En t-

lassungstag des Patienten angefordert w ird, so dass der Patient vor dem Ernährungsg e-

spräch bereits diverse Arztgespräche und organisatorische Absprachen (zur Therapi e-

weiterführung etc.) treffen mußte und es ihm dann kaum möglich ist dem Thema Ernäh-

rung entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken.

Besonders bei onkologischen Patienten mit Ernährungsproblemen ist die individuelle

Ernährung im Krankenhaus ein w ichtiger Aspekt zur Verbesserung des Befindens und

letztendlich auch des Therapieerfolgs .

Deshalb werden in unserer Klinik diese Patienten mit Wunschkost versorgt. Die Au f-

nahme der Mahlzeitenwünsche erfolgt jeweils am Vortag. Da sich der Appetit gerade bei

Patienten unter C hemotherapie sehr spontan ändert oder einstellt ist dieser Zei traum zu

lang. Trotz einiger Nahrungsvorräte auf den Stationen ist die vollständige Umsetzung

des Maßnahmenkataloges (z.B. Essenauswahl ermöglichen, Nahrungsmittel verfügbar

machen ...) gerade in den Abendstunden nur teilweise realisierbar.

Weitere Schwierigkeiten gibt es bei der häuslichen Nahrungsversorgung alleinlebender

Patienten. Ihnen fehlt oft die Kraft sich abwechslungsreich und ausgewogen zu ernäh-

ren. Für sie ist die Umsetzung einiger Empfehlungen nicht möglich. So müssen sie ihr

Essen häufig selbst zubereiten und können nicht von Kochgerüchen ferngehalten wer-

den. Auch ist der Einkauf von vitaminreichem Obst und Gemüse mit viel A nstrengung

verbunden.

Nach Forschungsergebnissen von Gogos C . A. et al.(1998) waren positive Wirkungen

von speziellen Trink- und Sondennahrungen auf den Ernährungsstatus, sowie auf die

Überlebenszeit onkologischer Patienten erkennbar. Seit 1. Oktober 2005 müssen bei der

Verordnung von Trinknahrungen für ambulante Patienten neue Regelungen beachtet

werden. So muss auf Rezepten genau beschrieben sein, dass der Patient nicht- oder nicht

ausreichend in der Lage ist sich normal zu ernähren. Da es sich bei Tumorerkrankungen

um konsumierende Erkrankungen handelt, welche häufig mit einem Mehrbedarf an

Nährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen einhergehen, ist die no r-

male Ernährung oft nicht ausreichend.

Einige Spezialprodukte sind nicht verordnungsfähig, da der Gesetzgeber die medizin i-

sche Evidenz als nicht ausreichend ansieht.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 61 –

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9. Schulung der Pflegenden in einer strukturierten Studien-

Intervention (P4)

9.1 . Schulung der Pflegenden in einer strukturierten Studien-

Intervention

Zur Person: Susana Lorenz, Dipl. - Berufspäd. tätig in der Pflegedirektion am Klinikum

rechts der Isar der Technischen Universität München

Einleitung

Die folgende Zusammenfassung basiert auf dem Vortrag » Schulung der Pflegenden in

einer strukturierten Studien-Intervention« der im Rahmen des Workshops » Intervention

bei onkologischen Patienten: Expertenaustausch zu inhaltlichen und methodischen Fr a-

gen« am 25.-26.11.05 in Lutherstadt Wittenberg gehalten wurde. Die Verfasserin ist seit

1990 Krankenschwester, nach Abschluss des Studiums Lehramt Pflegewissenschaft

(LSIIbF) 2005 in Bremen Diplom Berufspädagogin Pflegewissenschaft und seit Oktober

2005 neue Mitarbeiterin der Pflegedirektion des Klinikum rechts der Isar. Als solche legt

sie den Fokus neben der Darstellung des Schulungsprogramms auf einer krit ischen

Würdigung und muss auf gemachte Erfahrungen im Projekt verzichten.

Das C urriculum des Schulungsprogramm wurde von H öhne, J. (1) , Jahn, P. (1), Renz, P.

(1), Stukenkemper, J. (2), Zirkler, A. (2) entw ickelt.

Zunächst w ird die Organisation der Schulungen erläutert. Wobei hier auf die so genan n-

te Auftaktveranstaltung und dem Ablauf der Schulungswoche eingegangen w ird.

Ausgehend von der Zielsetzung der Mitarbeiterschulung wurde ein C urriculum entw i-

ckelt. Die didaktische Konzepte und das Konzept der Schlüsselqualifikationen werden

kurz vorgestellt.

Wie sich die für die Studie entw ickelte H andlungsanleitung und ihre Sy stematik im

Schulungskonzept w ieder finden w ird anschließend erläutert.

Am Ende des Beitrages sollen Fragen aufgeworfen und diskutiert werden.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 62 –

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Organisation der Schulung

Auftaktveranstaltung

Die Übersicht (Abbildung 1) zeigt

den Ablauf der Schulung im

zusammenhang.

An der Auftaktveranstaltung am Kli-

nikum rechts der Isar haben sowohl

die Mitarbeiter der Interventions-

gruppe als auch die der Kontroll-

gruppe teilgenommen. Eine analoge

Durchführung fand am Universitäts-

klinikum Krölw itz in H alle statt.

Inhalte dieser Veranstaltung waren

die Projektvorstellung, die Klärung

der Frage warum Pflege Forschung

braucht, Aspekte der praktischen

Durchführung (Was? Bei wem?

Wann?), das Datenmonitoring und

die Motivation und Betreuung der

Studienpatienten.

Abbildung 1: Ablauf

Ablauf der Schulungswoche

Abbildung 2: Ablauf der Schulungswoche

Im Folgenden w ird der Ablauf am Klinikum rechts der Isar vorgestellt (Abbildung 2).

Der Ablauf in H alle ist dahingehend verändert, dass ein zweitägiges Seminar zu je 8

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 63 –

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Stunden und eine Teilung des Entspannungsseminars in zwei Blöcke zu j eweils 1,5

Stunden vorgenommen wurde.

Das Seminar Assessment ist allen anderen Modulen vorgeschaltet. Mit H ilfe eines spe-

ziell entw ickelten Assessmentinstruments sollen Pflegende ausgewählte Pfleg ediagnosen

erkennen, um darauf aufbauend im Rahmen des Pflegeprozesses konkrete Interventi o-

nen planen und evaluieren zu können. Inhaltlich werden die Themen

- Durchführung eines Assessments,

- Grundlagen des Pflegeprozesses,

- Grundlage der Selbstpflegetheorie nach D. Orem,

- Überblick über die Pflegediagnostik (NANDA, NOC , NIC ) und

- Kommunikationsgestaltung

bearbeitet.

Das Modul Assessment weist einen unmittelbaren Bezug zu jedem Interventionsmodul

auf. Zentral ist hier die Einführung des neuen Formularwesens.

Das Seminar »Pflegerische Mitwirkung bei der Antiemetika-Medikation« baut auf das

Seminar Assessment auf. Es werden hier H andlungskompetenzen bzgl. instrumenteller

und kommunikativer pflegerischer Interventionen sowie der Dokumentation und Eva-

luierung (wo sich auch die Pflegediagnosen w ieder finden) vermittelt.

Das Seminar »Ernährung, Ernährungsberatung durch Pflegende« setzt diese Kenn-

tnisse aus dem vorhergehenden voraus bzw. integriert sie durch bewusste Wiederholung.

Die Schulung hinsichtlich der pflegerischen Unterstützung der Ernährungstherapie w ird

praxisnah durch die Illustration an einem Fallbeispiel vermi ttelt.

Das Seminar »Informationsbroschüre und Beratungsgespräch« bildet den Abschluss

der Schulungen. In diesem Seminar erhalten die Pflegenden die nötige Fach - und H and-

lungskompetenz, um anhand der Informationsbroschüre ein Beratungsgespräch durch-

zuführen. Die vorhergegangenen Schulungen dienen dabei als Grundlage.

Zu den einzelnen Modulen wurden am Klinikum rechts der Isar Experten im Bereich

der Onkologie, Ernährungsmedizin, Praxisanleitung und der Psy chologie geladen. Bei

Fragen der Teilnehmer stellten sie eine kompetente Unterstü tzung dar.

Curriculum

Für das Schulungsprogramm wurde ein Gesamtcurriculum entwickelt, wobei Mer kmale

offener C urricula im Vordergrund stehen. Offene C urricula sind persönlichkeitsorien-

tiert. Es werden Lernprozesse implementiert die sich am Erfahrungswissen, am Praxis-

bedarf und an den Lebenssituationen der Lernenden ausrichten. Ein weiteres Merkmal

ist die adressaten- und handlungsorientierte Didaktik. H andlungssituationen werden als

H erausforderungs-, Erfahrungs- und Lernsituationen angeboten, in denen Lernende

entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen, Entwicklungsimpulse erhalten und in

neue Fähigkeiten umsetzen können

Durch die Erweiterung der beruflichen H andlungskompetenz in Bezug auf Informat ion,

Beratung und Anleitung von Patienten und Angehörigen soll das Ziel erreicht werden:

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 64 –

Page 69: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

- Die Selbstpflege- und Alltagskompetenz der Patienten zu steigern,

- eine Reduktion des Wissensdefizits beim Patienten erreicht werden und das Ko n-

zept

dauerhaft in die pflegerische Praxis implementiert werden.

Pflegetheoretisch bildet das Selbstpflegemodel nach D. Orem den Bezugsrahmen.

Schlüsselqualifikationen

Schlüsselqualifikationen (Becker 2002: 135f) sind Fähigkeiten, die von einzelnen b erufs-

und allgemein bildenden Lerninhalten und Fächern nicht abgedeckt werden. Sie sind

nicht durch ein zusätzliches Fach vermittelbar, sondern durch Änderung in den Lehr -

und Lernmethoden implizit als Unterrichts- bzw. Unterweisungsprinzip zu vermitteln.

Abbildung 3: Schlüsselqualifikationen

Aufgabe ganzheitlicher Berufsausbildung ist die Vermittlung beruflicher H andlungs-

kompetenz mit den Elementen

- Fachkompetenz,

- Methodenkompetenz und

- Sozialkompetenz.

Dies gilt auch für die Fort- u. Weiterbildung.

Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen durch Mitarbeiterschulung kann ein all-

gemeines Ziel der Pflegedirektion definiert werden und stellt somit eine Komponente

der Personalentw icklung dar.

Zielsetzung der Mitarbeiterschulung

Folgende Zielsetzungen wurden auf der curricularen Ebene formuliert und galten als

Richtschnur für die Formulierung von Zielen der einzelnen Schulungsmodule:

- Entwicklung von Problembewusstsein und Sensibilität hinsichtlich pflegerischer

H andlungsmöglichkeiten und – Notwendigkeiten im Umgang mit Patienten mit

ANE-Sy ndrom

- Entwicklung von Wissensvoraussetzungen und H andlungskompetenzen in der

Pflege von C hemotherapiepatienten mit ANE-Sy ndrom

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 65 –

Page 70: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

- Entwicklung spezifischer H andlungskompetenz zur Vermeidung bzw. Reduzi e-

rung des ANE-Sy ndrom bei Patienten mit C hemotherapie

- Entwicklung spezifischer H andlungskompetenz zur Reduzierung des Kommuni-

kations- und Wissensdefizit bei Patienten mit C hemotherapie

- Vermittlung theoretischer Grundlagen zur Begründung pflegerischen H andelns

als Instrument der Qualitätssicherung (Pflegetheorie nach Dorothea Orem, Pfl e-

geprozess und Pflegediagnosen)

Methodik und Didaktik

Das C urriculum stützt sich auf folgende methodisch-didaktische Konzepte:

Kritisch konstruktive Didaktik nach Klafki

Mit der Weiterentwicklung der bildungstheoretischen zur kritisch -konstruktiven Didak-

tik fordert Klafki den Unterricht so zu gestalten, dass er den grundlegenden Zielstellu n-

gen der Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit

entspricht.

Die Unterrichtsinhalte müssen hinsichtlich der Kriterien Gegenwartsbedeutung, Zu-

kunftsbedeutung und exemplarische Bedeutung begründet werden und stellen die zen t-

rale Richtschnur für die Wahl der Schulungsinhalte dar. Insbesondere kommt dem Pri n-

zip der » Exemplarität« eine große Bedeutung zu, wenn es um die Förderung der Trans-

ferfähigkeit von Wissen der Pflegenden in Richtung Patienten geht.

Handlungsorientierte Ansätze

H andlungsorientierte Ansätze sollen die Selbsttätigkeit, Selbstständigkeit und Kooper a-

tionsfähigkeit in einer aktiven Auseinandersetzung mit Menschen, Sachen und Probl e-

men fördern. Ein handlungsorientierter Unterricht zeichnet sich durch die Merkmale

Ganzheitlichkeit, im Sinne einer Berücksichtigung personaler, inhaltlicher und method i-

scher Aspekte, hohe Schüleraktivität, H erstellung von H andlungsprodukten (Inszeni e-

rungen, Vorhaben/Projekte etc.), subjektive Schülerinteressen als Au sgangspunkt der

Unterrichtsarbeit, Beteiligung der Schüler bei der Unterrichtsplanung, Öffnung der Ler-

norte und das Schaffen eines ausgewogenen Verhältnis zw ischen Kopfarbeit und H an d-

arbeit.

Wenn auch nicht alle Merkmale eines handlungsorientierten Unterrichts in der Schulung

berücksichtigt werden konnten (Gründe hierfür werden in Kapitel 0 erläutert), so w ird

insbesondere bei der Wahl der Methoden, w ie z.B. Arbeit mit Fallbeispielen, Rollenspie-

len und Skillstraining, auf eine Umsetzung geachtet.

Lernzielorientierter A nsatz

H ier handelt es sich um einen behavioristischen Ansatz der gewählt wurde, um der B e-

deutsamkeit von Lernzielen in den einzelnen Unterrichtseinheiten der verschiedenen

Module Nachdruck zu verleihen. Eine w ichtige Funktion ist dabei die Gewährlei stung

der Vergleichbarkeit der Schulungsprogramme in den verschiedenen Kliniken. Weiter

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 66 –

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dienen sie als Grundlage der Entwicklung eines personalorientierten Fragebogens als

Audit-Instrument.

Kritisch-konstruktive Didaktik der Krankenpflege (Wittneben 1998)

Wittneben geht davon aus, dass auf der Basis eines breit angelegten patientenorientierten

Pflegebegriffs in der Pflegeausbildung eine schülerorientierte Bildung zur Selbst-, Mit-

bestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit möglich sein soll. Mit dem von ihr entw ickelten

Modell der » multidimensionalen Patientenorientierung« und dem » Modell der kritisch

– konstruktiven Pflegedidaktik « führt sie die Dimensionen der patientenorientierten

Ausbildungsperspektive und Überlegungen zur schülerorientierten Bildung zusammen.

Der von Wittneben formulierte Anspruch ist übertragbar auf das Vorhaben zur modul a-

ren Schulung von Pflegenden und Patienten zu ANE – Sy ndrom im Zusammenhang mit

Kommunikations- und Wissensdefizit, da er die Perspektiven der Nutzer des Gesund-

heitssy stems und die der Leistungserbringer vereint.

Lernfeldansatz

Durch einen Beschluss der Kultusministerkonferenz im Mai 1996 zu den » H andrei-

chung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen für den berufsbezogenen Unterricht

in der Berufsschule...« werden Unterrichtsfächer zukünftig durch Lernfelder ersetzt. Mit

dieser Umstrukturierung der Lerninhalte w ird dabei das Ziel verfolgt, die H andlung s-

kompetenzen der Lernenden durch eine Verstärkung des Berufsbezuges der Struktur der

Lehrinhalte auszubauen. Dieser Idee verpflichtet sich auch das Schulungsprogramm und

vermittelt durch eine modulare Sy stematik exemplarisch bedeutsame H andlungssituat i-

on fächerübergreifend, wobei theoretische und praktische Kompetenzen vermittelt wer-

den. (vgl. Bader:1999)

Die Systematik der Handlungsanleitung in der Schulung

Jedes Modul hat ein praxisbezogenes Fallbeispiel zur Grundlage. Eine Or ientierung an

den Phasen des Pflegeprozesses und Verknüpfung des theoretischen Anteils (Fachkom-

petenz) mit dem praktischen Anteil (H andlungskompetenz) ist obligatorisch, so dass

sich die Sy stematik der Interventionsmodule (H andlungsanleitung mit Praxisleitlinie)

weitgehend in der Sy stematik der Schulung w ieder findet (s. Abbildung 4, Abbildung 5).

Abbildung 4: Sy stematik der Interventionsmodule in der H andlungsleitlinie

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 67 –

Page 72: Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und ... · 1.1. Hintergrund 4 1.2. Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten 4 1.3. Ziele der Untersuchun g und Fragestellungen 5 1.4. Studiendesign,

Abbildung 5: Inhalt der H andlungsanleitung

In der Schulung w ird mit der H andlungsanleitung gearbeitet, wenn beispielsweise ein

Fallbeispiel aufgegriffen w ird und für den Patienten ein Pflegeplan erstellt werden soll.

Die Pflegeplanung erfolgt nach den Schritten des Pflegeprozesses, der sich in der H and-

lungsanleitung bei jedem Modul w ieder findet. Als Entscheidungshilfen werden der A l-

gorithmus und ein Pflegplan hinzugezogen. Dadurch dieses Vorgehensweise sollen sich

die Teilnehmer bei der Anwendung der H andlungsanleitung in der Praxis besser z urech-

tfinden.

Des Weiteren kann die Literatur den Teilnehmern zugänglich gemacht werden und das

Interesse der Mitarbeiter kann gefördert werden, indem beispielsweise Artikel mit den

Mitarbeitern vor Ort bei Bedarf besprochen werden.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 68 –

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Abbildung 6: Pflegeprozess als Grundlage der Schulung

Abbildung 7: Entscheidungshilfe » Algorithmus«

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 69 –

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Abbildung 8: Entscheidungshilfe "Pflegeplan"

Diskussion

Die Thematik von Mitarbeiterschulungen im Rahmen einer Forschungsarbeit, dessen

H y pothese sich darauf stützt, eine Verbesserung des Patientenzustandes durch eine

strukturierte pflegerische Intervention zu erzielen, ist sehr interessant un d kann viel-

schichtig diskutiert werden. So wurden abschließend im Vortrag folgende Fragen aufg e-

worfen:

- Wie viel Mitarbeiter werden wann geschult, um das bestmögliche Ergebnis zu er-

zielen. Welche Problematiken sind mit Nachschulungen verbunden?

- Wie viel H andlungsorientierung im didaktischen Sinne ist in Schulungen im Rah-

men einer strukturierten Intervention möglich?

- Bezogen auf die Implementierung der Interventionsmodule sind folgende Aspekte

interessant:

o Wie wird mit Widerständen bei der Umsetzung in die Praxis umgegangen?

o Zeichnet sich eine gesteigerte Akzeptanz des Pflegeprozesses durch Sch u-

lungsform ab?

o Wie kann man eine Ergebnissicherung über die Mitarbeiterschulung h i-

naus gewährleisten?

- Und zuletzt kann man diskutieren inwiefern eine Erweiterung der Zie le für Mi-

tarbeiterschulung um die Komponente der » Forschungskompetenz« sinnvoll ist.

Der Punkt einer unterschiedlichen Schulungsorganisation wurde in der Diskussion au f-

gegriffen und dahingehend beleuchtet ob der Unterschied zwischen den Kliniken, die

Umsetzung der Interventionen maßgeblich beeinflusst. Dieser Aspekt muss au fgegriffen

werden und kann beispielsweise im Rahmen der Qualitätssicherung überprüft werden.

Wobei der Fragestellung nachgegangen w ird, inwieweit die Zielsetzu ngen und Inhalte

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 70 –

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der Schulung mit der Umsetzung der Interventionen im stationären Alltag übereinsti m-

men.

Eine weitere Frage entw ickelte sich bei der Bearbeitung des C urriculums durch die A u-

torin und betrifft die sich teilweise w idersprechenden didaktischen Konzeptionen. Das

Konzept der H andlungsorientierung und das Konzept der Lernzielorientierung w ider-

sprechen sich in ihrer w issenschaftstheoretischen Fundierung. Die Formuli erung von

Lernzielen ist auch in einem handlungsorientiertem Konzept möglich, so dass die B e-

gründung für die Wahl des lernzielorientierten Ansatzes nach Möller zu überprüfen ist.

Eine Problematik die sich daraus entstehen kann ist, dass sich diese konzeptionellen U n-

stimmigkeiten auf das Lehrverhalten und damit auf die Schulungsteilnehmer auswirken

könnten. Inwieweit dies im laufenden Forschungsprojekt der Fall war könnte man refl e-

xiv durch die vorgenommene Schulungsevaluation einer Diplomatin aus H alle prüfen.

Eine Anmerkung aus der didaktischen Perspektive soll an dieser Stelle zur H andlung s-

orientierung in Bezug auf eine strukturierte Intervention gemacht werden. Ein wesentl i-

ches Merkmal des handlungsorientierten Unterrichts ist eine sehr hohe » Schüleraktivi-

tät« . Wird dies konsequent weitergedacht, so werden Unterrichtsinhalte nicht » vorge-

kaut« , sondern von den Lernenden selbst erarbeitet. Die Selbsttätigkeit ist unbedingte

Voraussetzung für eine Selbständigkeit und Selbstbestimmung, was sich auch im Ko n-

zept von Klafki w ieder findet. Unter dieser Prämisse ist es aber möglich, dass sich die

Ergebnisse aus der Schulung nicht 1:1 mit den w issenschaftlich fundierten Vorgaben in

der strukturierten Intervention decken, nach denen die Mitarbeiter letztlich handeln

müssen und die durch die Lehrenden während der Schulung vollständig vermittelt wer-

den müssen. Nach der Analy se des C urriculums w ird auch deutlich, dass folgerichtig in

der Schulung nicht durchgehend das handlungsorientierte Konzept angewendet, sondern

vielmehr die Maxime einer Verbindung zwischen Kopf-, H erz- und H andarbeit durch

eine Methodenvielfalt verfolgt wurde.

Der Erfolg einer Bildungsmaßnahme ist nicht kurzfristig zu messen. Es ist demnach

sinnvoll, eine längerfristig angelegte Überleitungszeit zur Erprobung der Transferfähi g-

keit einzuplanen. Insbesondere wenn das C urriculum einen Neuigkeitsanspruch hat, w ie

es in diesem Forschungsvorhaben der Fall ist, und daher einen gewissen Bildungsvorlauf

schaffen muss. Die Qualitätssicherung im Rahmen der Forschung wird dies berücksich-

tigen und eine gezielte Begleitung gewährleisten.

Durch dieses Forschungsvorhaben w ird deutlich, dass im Zuge der Weiterentwicklung

der Pflegewissenschaft, Pflegende zukünftig immer häufiger mit Forschungspr ojekten in

der Pflegepraxis in Berührung kommen werden. Die gezielte Vorbereitung der Mitarbe i-

ter auf diese Entwicklung, insbesondere in einer Universitätsklinik, stellt eine neue H e-

rausforderung für das Pflegemanagement im Zusammenhang mit der Personalentw ick-

lung dar.

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

Hallesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflegewissenschaften, 5. Jahrgang, Heft 3– 71 –

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9.2. Statements zu Erfahrungen mit innerbetrieblicher Fortbildung und

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9.2.1 . Statement Michael Beau

Zur Person: Michael Beau

Praktikant Pflegedirektion UKK H alle, Studierender Ges.-förderung/-management

Die vom BMBF geförderte prospektive cluster-randomisierte Multicenterstudie zielt auf

die Bildung und Umsetzung einer strukturierten Pflegeintervention inklusive Entwick-

lung eines Pflegepfades zur » kriterienorientierten Führung von C hemotherapiepatienten

(und) Entwicklung eines C urriculums zur Schulung von Mitarbeitern und Patienten be-

zogen auf das ANE-Sy ndrom«3 ab. Die Intervention der Studie besteht aus einer geziel-

ten Schulungsmaßnahme von Pflegenden der Interventionsstationen und anschließender

praktischer Umsetzung von Lerninhalten bei den Patienten der Interventionsstationen4.

Erste Vorarbeiten zur Seminar-Organisation wurden am beteiligtem Zentrum Universi-

tätsklinikum H alle (Saale) im Februar/ März 2005 begonnen.

Am Universitätsklinikum H alle (Saale) sind insgesamt sechs Stat ionen und Tagesklini-

ken innerhalb der Studie involviert. Diese wurden vor Randomisierung (in Kontroll -

und Interventionsstationen) und Seminarbeginn mittels Interview hinsichtlich Zei tpunkt

der Seminare, Mitarbeiter-Anzahl je Station/ Seminare sowie Weiterbildungs-Motivation

befragt. Die Ergebnisse der anschließenden narrativen Auswertung fanden Ei ngang in

die zu planende Organisation der Veranstaltungen. In einem ersten Modell wurde hierzu

von einer 100% tigen Beteiligungsrate durch die zu schulenden Pflegenden in einem

Zeitraum von 12 Tagen ausgegangen.

Um durchgehende Akzeptanz der teilnehmenden Stationen zu gewährleisten, sind vor

Seminarbeginn verschiedene Informationsveranstaltungen (s. Abb.1) durchgeführt wo r-

den. Am ersten Info-Board nahmen die beteiligten Fachleitungen unter Bekanntgabe

allgemeiner Informationen zum Projekt teil. Als Ergebnis dieser Sitzung wurde die m o-

dulare Ausbildung von 50% der Pflegenden der drei Interventionsstationen b eschlossen.

3 vgl. Klinikum der Medizinischen Fakultät, Geschäftsbericht 2003, S. 168

4 U . Berndt et al., Pflege und Gesellschaft, 205, S. 24

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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Se m in ar Beratung/Anleitung zu

Ernährung

1 .1 . Pause

Se m in ar Information und Beratung

1 .2. Pause

Te ilse m in ar I I

Pflegerische/ Interdisziplinäre Ent-

spannung

7.00 -10.00

Uhr

10.30 -

13.30 Uhr

14.00 -

16.00 Uhr

Se m in ar Assessment

1 .3.

1 .4. Pause

Se m in ar Pflegerische Mitw irkung

bei der Antiemese-Medikation

1 .5. Pause

Te ilse m in ar I

Pflegerische/ Interdisziplinäre

Entspannung

7.00 -10.00

Uhr

10.30 -

13.30 Uhr

14.00 -

16.00 Uhr

Tagesseminar II: 6.09./ 13.09./ 20.09.05 Tagesseminar I: 5.09./ 12.09./ 19.09.05

Am zweiten Info-Board nahmen die Fach- und Stationsleitungen einschließlich Ärztl i-

cher Dienst mit gleicher Thematik teil.

Abb.1

Zur Auftaktveranstaltung wurden außer

den Fach- und Stationsleitungen auch die

Mitarbeiter der Pflege und Ärztlicher

Dienst geladen. Neben der w issenschaft-

lichen Einführung in die Studie wurden

hierbei die Ergebnisse der Randomisie-

rung in Kontroll- und Interventionssta-

tionen, sowie die entgültige Seminar-Organisation präsentiert. Diese stellte sich für das

Universitätsklinikum Halle (Saale) w ie folgt dar: Die Modulare Au sbildung erfolgt unter

Zuordnung zweier Tagesseminare (s. Abb. 2).

Abb. 2

Zu Beginn ordnen sich die Pflegenden der Interventionsstationen stationsübergre ifend

einem von insgesamt drei verschiedenen Schulungsblöcken zu (s. Abb. 3). Die g e-

wünschte Beteiligungsrate von 50% wurde hierbei erreicht. Am Universitätskli nikum

München rechts der Isar erfolgte die Wissensvermittlung an die Pflegenden der vier

Interventionsstationen innerhalb von zwei Wochen. Jedes der fünf Module wurde in der

Zeit von 13:00 - 16:00 Uhr an je einem Wochentag gelehrt.

Innerhalb der Schulung wurde der Theorie-Praxis-Verknüpfung durch konsequente

Einbeziehung von praktisch tätigen Experten Rechnung getragen. Jedes Modul (Sem i-

nar) wurde durch ein entsprechendes Schulungsteam gelehrt. Am Universitätskl inikum

H alle (Saale) wurde das Modul Pf le g e r isc h e / I n te rd iszip lin äre En tspan n un g geteilt und

an jeweils einem Tagesseminar getrennt unterrichtet.

1. Info-Board: 21.07.2005, 14:00 - 16:00

Uhr

2. Info-Board: 03.08.2005, 14:00 - 16:00

Uhr

Auftaktveranstaltung: 24.08.2005, 14:00 – 16:00

Uhr

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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1. Schulungsblock: 05.-06.09.2005

2. Schulungsblock: 12.-13.09.2005

3. Schulungsblock: 19.-20.09.2005

Abb. 3

Eine Bewertung der Schulung erfolgte durch

Befragung der teilnehmenden Pflegekräfte als

Maßnahme von Qualitätsmanagement und

Qualitätssicherung innerhalb der Studie. Erste

Ergebnisse konnten ein sehr gutes Feedback zur Schulungsumsetzung aufze igen.

Gleichzeitig wurde für das Zentrum H alle die zeitliche Abfolge von zwei Tagessemin a-

ren, als auch die modulare Zwei-Teilung des Entspannungsseminars als positiv beurteilt.

Nach erfolgter Wissensvermittlung und erster Patientenrekrutierung erschien die Bi l-

dung einer (Studien-) Reflexionsgruppe aus Gründen der Akzeptanzsicherung, Beteil i-

gung und des Erfahrungsaustauschs ratsam. Die erste Zusammenkunft von Pflegenden

aller Studienstationen ergab, dass eine Nachschulung seitens der Pflegenden nicht für

notwendig erachtet w ird. Einmal monatlich stattfindende, weitere Treffen der Reflex i-

onsgruppe, sind in Planung und sollen zum Erfolg der Studie beitragen.

Literatur

Berndt, U . et al (2005): Strukturierte Pflegeintervention zu Übelkeit und Kommunikations -/ Wissensdefi-

zit von C hemotherapie-Patienten. Prospektive cluster-randomisierte kontrollierte Multicenterstudie.

Pflege & Gesellschaft. 10. Jahrgang 1/2005. 23-25.

Martin-Luther-Universität H alle-Wittenberg, Klinikum der Medizinischen Fakultät (2003): Geschäftsbe-

richt

9.2.2. Dipl.-PGw Stephanie Hanns

Zur Person: Dipl. Stephanie H anns

Dipl. Pflege- und Gesundheitsw issenschaftlerin, Krankenschwester, w issenschaftl iche

Mitarbeiterin am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Martin-Luther-

Universität H alle-Wittenberg, Mitarbeiterin im Projekt P1 »Entwicklung und Evaluati-

on eines Trainingsprogramms für das Pflegepersonal in Altenpflegeheimen zum Umgang

mit Demenzkranken – Eine prospektive kontrollierte Interventionsstudie« im Rahmen

des Pflegeforschungsverbundes Mitte-Süd, Trainerin und stellv. Koordinatorin des

German C enter for Evidence-based Nursing » sapere aude« .

Im Rahmen des Pflegeforschungsverbundes Mitte Süd mit dem Forschungsschwerpunkt

» kommunikativ schwierige Situationen« bin ich im Projekt P1 » Entwicklung und Eva-

luation eines Trainingsprogramms für das Pflegepersonal in Altenpflegeheimen zum

Umgang mit Demenzkranken – Eine prospektive kontrollierte Interventionsstudie« tätig

und demzufolge in der Auseinandersetzung mit Schulungsprogrammen für Pflegende.

Dieses Thema bot die Grundlage des Workshops und sollte bezogen auf das Projekt P4

diskutiert und kritisch reflektiert werden.

Mein Statement zum Vortrag » Schulung der Pflegenden in einer strukturierten Studien-

Intervention (P4)» bezieht sich auf folgende drei Bereiche:

1. Methodische Überlegungen zur Interventionsstudie

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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2. Inhalte der Schulung

3. Umsetzung der Praxisleitlinie

Zu 1. Bei wahrscheinlich allen Projekten zu Schulungsprogrammen erscheint die Aus-

wahl der Stichprobe, d.h. die Auswahl der Pflegenden der Interventions- und Kontroll-

gruppe ein w ichtig zu betrachtender Aspekt zu sein. Es ist sicherlich sehr abhängig von

der Information, Motivation und Bereitschaft der Pflegenden w ie sich die Teilnahme, die

Mitarbeit während der Schulung und das Engagement zur Umsetzung der Praxisleitlinie

gestaltet. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage zum Projekt P4, w ie mit Über-

tragungseffekten auf die Kontrollgruppe, da sich diese innerhalb der gleichen Einrich-

tungen rekrutiert, umgegangen w ird. Es ist meiner Meinung nach davon auszugehen,

dass Informationen der Schulung zwischen den Gruppen ausgetauscht werden und Ef-

fekte dieser Übertragung nicht aufgedeckt oder erfasst werden können. Weiterhin ist es

möglich, dass Ursachen zum veränderten H andeln nicht nur aufgrund der Schulung

sondern möglicherweise auch durch Konkurrenzdenken oder Nachahmung zu begrü n-

den sind. Eine C luster-randomisierte Zuteilung von Intervention- und Kontrollgruppe

über verschiedene Einrichtungen könnte dieser potentiellen Verzerrung entgegen w i r-

ken.

Zur Evaluation von Schulungen ist es einerseits sehr sinnvoll die Bewertung des g e-

wünschten veränderten H andelns auf der Ebene des Klienten nachzuweisen, andererseits

sind aber auch die Effekte beim geschulten Personal von Interesse. H ier w ird das gen e-

relle Problem offensichtlich, w ie erreicht werden kann, dass Schulungen nicht nur Wi s-

sen und Kompetenzen präsentieren, sondern w ie Veränderungen des H andelns Pflegen-

der erreicht werden können.

Zu 2. Im vorgestellten Schulungsprogramm werden Fach-, Methoden- und Sozialkom-

petenzen vermittelt. Für weitere Schulungen ist es im Detail von Interesse, welche didak-

tischen Methoden sinnvoll und effektiv eingesetzt wurden und w ie Pflegende im Rah-

men von Schulungseinheiten am besten zu motivieren sind, das Gelernte in der Praxis

auch umzusetzen. H äufig ist es im Bereich der Methodenkompetenz schwierig Szenarien

bzw. Pflegeprobleme in den Schulungen so zu bearbeiten, dass deren Lösung auch in der

Praxis erreicht werden kann. Strukturelle oder personelle Bedingtheiten der Praxis lassen

Pflegende oft resignieren oder es fehlt an ausreichender Betreuung und weiterführender

Unterstützung der Pflegenden in der Praxis. Aufgrund eigener Erfahrungen mit Pfle-

genden, ist außerdem zu bedenken, dass Pflegende sich meist noch scheuen eigenveran t-

wortlich zu H andeln und selbst bestimmt Dinge zu verändern. In diesem Sinne erscheint

mir fraglich w ie diese Veränderungen in relativ kurzen Schulungseinheiten erreicht wer-

den können oder ob nicht eine Adaption der Stationen vorgenommen und die kont i-

nuierliche Betreuung intensiviert werden muss. Verschiedene Studien zu Schulungspr og-

rammen zeigen, dass vor allem durch eine nachhaltige Betreuung und Begleitung in der

Praxis bessere Erfolge verzeichnet werden können.

Im Bereich der Sozialkompetenz sind viele Übungen, Diskussionen und Ansätze zur

Selbsterfahrung nötig, um Pflegende zu sensibilisieren, Empathie und Akzeptanz zu e r-

Strukturierte pflegerisch-interdisziplinäre Intervention bei onkologischen Patienten

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zeugen und die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zu schulen. Auch hier ist die didak-

tische Gestaltung der Schulung von Interesse, anhand welcher Methoden auf die Sozia l-

kompetenz eingegangen wurde.

Zu 3. Bei der Entwicklung der Intervention (Praxisleitlinie) ist hervorzuh eben, dass auf

interne und externe Evidence zurückgegriffen wurde. Die Bewertung und die Einstu-

fung der externen Evidence muss allerdings nachvollziehbarer und transparenter darg es-

tellt werden. Für Pflegende und Patienten ist w ichtig w ie Leitlinien entstan den und w ie

deren Empfehlungen belegt sind, um letztendlich eine Einzelfallentscheidung zu treffen.

Die Umsetzung der entw ickelten Praxisleitlinie w ird durch die Schulung der Pflegenden

unterstützt. Von Interesse ist, w ie sichergestellt und überprüft w ird, ob und w ie die Leit-

linie umgesetzt w ird und w ie die Resonanz der Patienten ist. Bei der Auswertung und

Einschätzung der Ergebnisse des Projekts ist zu betrachten, ob sich die Umsetzung

eventuell vorrangig auf eine Patientengruppe mit bestimmten Merkmalen bezieht und

w ie die C harakteristika von Patienten, die die Umsetzung verweigern, sind.

Die Definition des H auptziels Verbesserung der Patientensituation mit ANE-Sy ndrom

ist zu hinterfragen, w ie w ird Verbesserung operationalisiert und gemessen? Wird au s-

schließlich von einer Abnahme der subjektiv empfundenen Übelkeit ausgegangen, kann

Übelkeit objektiv gemessen werden oder w ie w ird die Situation erfasst, wenn das Ph ä-

nomen Übelkeit durch die Patienten anders bewertet w ird? Wie w ird mit der Situation

umgegangen, wenn Patienten keine Wissenserweiterung wünschen und H andlungsen t-

scheidungen lieber in der Verantwortung der Pflegenden und Ärzte belassen möchten?

Die Prüfung von komplexen Interventionen, die zu einem großen Teil von Kommunik a-

tion und Beziehungsarbeit gekennzeichnet sind, werfen einerseits viele methodische Fr a-

gen und Probleme in der Umsetzung auf, andererseits haben aber gerade diese kompl e-

xen Interventionen eine hohe pflegerische Relevanz und prägen die Praxis. Sehr sinnvoll

erscheint mir die Orientierung am Pflegeprozess, da so pflegerische Phänomene umfas-

send und praxisnah betrachtet werden können. Insgesamt ist die ausführliche Diskussion

des Projektes, verbunden mit den Erfahrungen der Pflegenden und Experten eine nützl i-

che Variante, um Pflegeforschung weiter voran zu bringen und vor allem um dabei die

Praxis besser einzubeziehen.

9.2.3. Statements Ralf Becker

Zur Person: Ralf Becker

Studierender PGW, KOK Frankfurt/M

Fachkrankenpfleger in der Onkologie

C and. Pflege- und Gesundheitsw issenschaftler

Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH , Standort Marburg

Leitung der Station 331

Baldingerstrasse

35043 Marburg

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Gerade wenn Pflegende eines Stationsteams in der Anwendung einer strukturierten St u-

dienintervention geschult werden sollen muss an diese Schulung ein hoher Qualitäts-

maßstab zur Beurteilung angelegt werden. Die Pflegenden müssen nach dieser Schulung

in der Lage sein die richtige Intervention auszuwählen und diese entsprechend dem St u-

dienprotokoll anzuwenden.

Legt man die Qualitätsebenen nach Donabedian zugrunde, so sollte man das Schulungs-

konzept auf ihre Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität hin untersuchen.

Strukturqualität der Schulung

Auf dieser Ebene kommen die strukturellen Aspekte der Schulung zu tragen. In di esem

Fall werden folgende Aspekte näher betrachtet.

Schulungszeitraum

Die Schulung wurde für den Zeitraum über eine Woche konzipiert. Alle Mitarbeiter ha t-

ten die Möglichkeit an der Auftaktveranstaltung teilzunehmen. An der sich anschließen-

den Schulungswoche wurde jedoch nur ein Teil der Mitarbeiter geschult. Der Zeitrah-

men dieser Veranstaltungen umfasste je drei Unterrichtseinheiten. Bedenklich ist, i n-

w ieweit die Pflegenden nach einem eventuellem Frühdienst für die nötige Konzentration

aufbringen können. Alternativ hätte die Schulung als Zweitagesveranstaltung konzipiert

werden können. Die entsprechenden Mitarbeiter wären zwar für diese Tage aus dem

Stationsbetrieb entnommen worden, w ären jedoch von der Belastung durch Dienst und

Schulung befreit gewesen.

Schulungsmaterial

Soll eine Intervention, nach der Schulung, korrekt durchgeführt werden, muss ein b e-

sonderes Augenmerk auf das Schulungsmaterial gelegt werden. Es sollte so gestaltet sein,

dass es nach der Schulung als Nachschlagewerk verwandt werden kann. Der Vorgestellte

Teil der Pflegeinterventionen umfasst 62 Seiten. Dies erscheint, selbst wenn vier Inter-

ventionsmodule beschrieben werden sehr lang.

Umfang des Stoffgebietes

Der Umfang der Schulung je Modul ist mit drei Unterrichtseinheiten nicht zu umfan g-

reich. Jedoch sind alle Module in sich sehr Komplex. Beispielhaft hierfür das Modul

» Seminar Info und Beratung« Ein solches Thema kann in drei Unterrichtseinheit nicht

erschöpfend behandelt werden. N icht umsonst werden Gesprächsführungsseminare zum

Teil über mehrere Tage angeboten.

Prozessqualität der Schulung

Auf der Prozessqualitätsebene sollen folgende Punkte genauer besprochen werden.

Auswahlsystematik der Mitarbeiter

Die Auswahl der Mitarbeiter die für die Schulung in Frage kommen ist ein wesentl icher

Faktor zur Umsetzung der Interventionen. Daher sollte die Auswahl der Tei lnehmer

nicht dem Zufall überlassen werden. Die Tei lnehmer haben die Aufgabe das Wissen auf

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Station weiter zu verbreiten. Kriterien zu Auswahl sollten sein, dass die Mitarbeiter im

Team anerkannt sind, Wissen vermitteln können und das Projekt unterstützen.

Umgang mit »Verweigerern«

In jedem Team gibt es Mitarbeiter, die eine Teilnahme an Projekten aktiv verweigern.

Maßgeblich für ein gelingen ist es welchen Status diese Mitarbeiter im Stationsteam i n-

nehalten. Sind sie sehr hoch angesehen kann ein Projekt dadurch negativ beeinflusst

werden.

Die Motivation jedes Mitarbeiters ist von großer Bedeutung. Von Seiten der Projektle i-

tung sollte die Motivation zur Mitarbeit gefördert und weiter erhalten werden.

Ergebnisqualität der Schulung

Auf der Ebene der Ergebnisqualität stellt sich die Frage, ob alle Mitarbeiter die Interven-

tion korrekt umsetzen und w ie die Umsetzung überprüft w ird. Bei der Schulung eines

kompletten Stationsteams ist es schwer sicherzustellen, dass sich alle an die Interventio-

nen halten, bzw. dass sich der Alltag w ieder in den Stationsablauf einschleicht und die

Interventionen daher in Vergessenheit geraten. Wichtig ist es die U msetzung regelmäßig

zu überprüfen und das w issen um die Interventionen bei mög lichst allen Mitarbeitern

wach zu halten.

10. Danksagung

Wir danken folgenden Firmen für Ihre freundliche Unterstützung:

FRESENIUS-KABI Deutschland GmbH

MSD (Merck/Sharp/Dhome) GmbH

AMGEN GmbH

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