Handbuch der Fließgewässer Norddeutschlands · 2017. 3. 29. · C1.jpg. Aus technischen Gründen...

30
Sommerhäuser • Schuhmacher Handbuch der Fließgewässer Norddeutschlands Typologie • Bewertung • Management Atlas für die limnologische Praxis WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

Transcript of Handbuch der Fließgewässer Norddeutschlands · 2017. 3. 29. · C1.jpg. Aus technischen Gründen...

  • Sommerhäuser • Schuhmacher

    Handbuch derFließgewässerNorddeutschlands

    Typologie • Bewertung • Management

    Atlas für die limnologische Praxis

    WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

    dcd-wgC1.jpg

  • Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer

  • Sommerhäuser Schuhmacher

    Handbuch der Fließgewässer Norddeutschlands

  • Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer

  • Sommerhäuser • Schuhmacher

    Handbuch derFließgewässerNorddeutschlands

    Typologie • Bewertung • Management

    Atlas für die limnologische Praxis

    WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

  • Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung.

    Verfasser: Dr. Mario Sommerhäuser, Prof. Dr. Helmut Schuhmacher

    Titelbild: Steinbach, Nordrhein-Westfahlen (Sommerhäuser), Larve der Köcherfliege Oligostomis reticulata L. (Laukötter & Sommerhäuser)

    Gefördert durch: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Förderkennzeichen 0339563)

    Die Verfasser weisen darauf hin, dass die vorliegende Schrift den Raum des Norddeutschen Tieflandes im Sinne der üblichen naturräumlichen Gliederung (Norddeutsche Tiefebene) abdeckt und nicht die unter dem Begriff Norddeutschland bisweilen vorgenommene Abgrenzung entlang der Mainlinie verwendet.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    2003 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

    Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache über-tragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.

    ISBN 978-3-527-32178-0

  • Geleitwort

    Gewidmet Herrn Privatdozenten Dr. rer. nat. Tobias Timm (1956-1996), der mit Mut zu neuen Konzepten die wissenschaftliche Erforschung der FlieRgewasser des Tieflandes wesentlich angeregt hat und Wegbereiter des

    dieser Schrift zugrunde liegenden Forschungsprojektes war.

    Geleitwort

    Unser allgemeines Bild vom FlieiJgewasser ist gepragt vom groiJen FIUSS, der im Gebirge entspringt und nach DurchflieiJen mehrerer biozonotischer Zonen von der Salmonidenregion uber die Barben- und Brachsenregion schlieglich mit dem Brackwasserbe- reich und der Kaulbarsch-Flunderregion das marine System erreicht. Damit war zugleich der Bergbach als der Bach schlechthin definiert. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Flieggewassern im Tiefland, die in die- ser Region entspringen und deshalb auch eigene Cha- rakteristika besitzen. Der ,,Forellenbach des Tieflan- des" beispielsweise blieb lange Zeit kaum beachtet. Dazu kommt, dass die Erforschung der Stoffkreislau- fe im Vordergrund der FlieiJgewasserforschung stand. Die zu Beginn der limnologischen Forschung anfangs des 20. Jahrhunderts hoch im Kurs stehende regionale Limnologie blieb dahinter weit zuruck. Durch die Entwicklung der Wasserwirtschaft zum Gewasserschutz mit okosystemarem Ansatz erwuchs die Notwendigkeit, die FlieGgewasser zu typisieren, ohne ihre individuellen Eigenheiten zu ignorieren.

    Ausgehend von okologischen Studien an Kriebel- mucken (Simuliidae) kam der leider sehr fruh verstor- bene TOBIAS TIMM zu einer Typologie von Niede- rungsbachen im norddeutschen Tiefland. Inzwischen kann die Erarbeitung von Typologien aufbauen auf eine Fulle neuer Erkenntnisse aus der Grundlagenfor- schung an FlieiJgewassern.

    Angesichts der Erfordernisse des praktischen Ge- wasserschutzes hat das fur die Forschung zustandige Bundesministerium fur Bildung, Forschung und Technologie ein umfassendes Forschungsprojekt auf- gelegt, das im Verbund von zwei regional weit von- einander entfernten Arbeitsgruppen durchgefuhrt wurde. Die altglazialen Landschaften in Nordrhein- Westfalen sowie die jungglazialen Landschaften in Mecklenburg-Vorpommern wurden intensiv typolo- gisch unter biozonotischen und hydrologischen As- pekten bearbeitet; Studien in Schleswig-Holstein, das von beiden Eiszeiten gepragt wurde, kamen hinzu.

    Das Ergebnis der Arbeiten liegt mit diesem Buch vor. Es ist die erste, den gesamten norddeutschen Raum umfassende Typologie der Bache und kleinen Flusse. Es ist allen Beteiligten zu danken, dass es trotz der grogen raumlichen Entfernung der Untersucher und ihrer Untersuchungsgebiete gelungen ist, das Ergeb- nis in einem Guss zu prasentieren.

    Die Arbeit kommt zu einer Zeit heraus, in der die Typologie der Binnengewasser gleichwertig ein Bei- trag zur Grundlagenforschung ist als auch eine wich- tige Grundlage fur die praktische Umsetzung der En- de des Jahres 2000 erlassenen Europaischen Richtli- nie zur Schaffung eines Ordnungsrahmens fur Mag- nahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpo- litik, der sogenannten Wasser-Rahmenrichtlinie (WRRL). Diese Richtlinie stellt die typspezifischen Biozonosen in den Mittelpunkt der Bewertung und fordert MaiJnahmen zur Verbesserung der Gewasser- qualitat, wenn die Organismengemeinschaften er- hebliche Defizite gegenuber dem naturlichen Zu- stand aufweisen. Dem Bundesforschungsministeri- urn ist besonders zu danken, dass es die Untersuchun- gen bereits zu einer Zeit gefordert hat, als noch nicht abzusehen war, dass die Aufstellung von Gewasserty- pen zu einer elementaren Aufgabe des Gewasser- schutzes werden wurde. Ungeachtet dieser prakti- schen Anwendbarkeit sind die Ergebnisse der hier vorliegenden Arbeiten von allgemeiner Bedeutung fur die FlieiJgewasserforschung, denn trotz der unbe- streitbaren Individualitat der einzelnen Flusse und Bache ist das Erfassen von Gemeinsamem und Tren- nendem in der Vielfalt ein Wert an sich und gibt wei- tere AnstoiJe fur die Forschung.

    Ich freue mich, dass dieses grundlegende und zu- kunftsweisende Werk in so schoner Ausstattung er- scheint und wunsche ihm weite Verbreitung und freundliche Aufnahme bei allen, denen die FlieiJge- wasser des Tieflandes am Herzen liegen.

    Gunther Friedrich

    V

  • Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer

  • lnhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis

    Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . v 3.1.2

    In haltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII 3.1.3 3.1.4

    1

    1.1

    1.2 1.3

    2

    2.1

    2.1.1

    2.1.2 2.2 2.3

    2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.5

    3

    3.1

    3.1.1

    Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3.1.5 3.2

    Die Vielfalt eines verkannten 3.2.1 Lebensraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Die Typisierung der Fliefigewasser . . . 3 3.2.2 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3.2.3

    3.2.4 Die Landschafts- und Flussgeschichte des Nord- deutschen Tieflandes . . . . . . . 9 Die Entstehung des Norddeutschen Tieflandes - Ein landschaftsgenetischer Ruckblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Norddeutsche Tiefland vor den Eiszeiten (praquartare Geschichte) . . Die Eiszeiten formen das Land. . . . . . Ursachen und Prozesse . . . . . . . . . . . Regionale Landschaftsgeschichte im Alt- und Jungglazial unter besonderer Berucksichtigung von Nordrhein- Westfalen, Mecklenburg- Vorpommern und Schleswig-

    3.3 3.3.1

    3.3.2 9

    9

    18

    12 3.3.3

    3.3.4

    3.3.5

    Direkte Veranderungen der Abflussverhaltnisse . . . . . . . . . . . . . . Veranderungen der Auen . . . . . . . . . . Gewasserbauliche Veranderungen . . . Unterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Biber als Wasserbauer . . . . . . . . . Ehemalige und heutige Verbreitung des Bibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bautatigkeit des Bibers . . . . . . . . Auswirkungen der Aktivitaten des Bibers auf Prozesse, Morphologie und Besiedlung von Tieflandbachen . . . . . Konnen Biberbauten Teil der Leit- bildvorstellungen fur die Fliefigewasser Norddeutschlands sein? . . . . . . . . . . . Totholz in Tieflandbachen . . . . . . . . Okologische Funktionen von Totholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Totholzmengen in Bachen des Norddeutschen Tieflandes . . . . . . . . . Nutzung von Totholz durch Makroinvertebraten . . . . . . . . . . . . . Fallstudie: Besiedelung von Totholz in einem sommertrockenen Bach . . . . Totholz und Leitbildvorstellungen fur Tieflandbache . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . 26 Farbtafel I: Zu den Kapiteln 1 Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . Holozan-Entwicklung . . . . . . . . . . . . Der Verlust der Moore in Norddeutschland . . . . . . . . . . . . . . .

    3 1 32 36

    39

    4

    FlieBgewasser im Tiefland fruher und heute - Ausgewahlte 4.1 Aspekte der Flussgeschichte unter dem Einfluss des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2

    4.2.1 Anthropogene Veranderung von 4.2.2 Fliefigewassern und -auen . . . . . . . . . Veranderungen in den Einzugs- gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    43 4.3

    43 4.3.1

    44 46 51 55 57

    57 58

    5 8

    60 62

    62

    63

    65

    66

    69

    bis 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

    Gewassertypologie - Gesc h ichte, Begriffsbestimmung und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Gewassertypologie - eine limnolo- gische Disziplin zwischen Grundlagen- forschung und Anwendungsbezug . . . Geschichte der Gewassertypologie . . . Langszonale Gewassertypologien . . . Regionale Gewassertypologien . . . . . Methodische Grundlagen einer moder- nen regionalen Gewassertypologie . . . Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    77 78 78 80

    87 8 7

    VII

  • In haltsverzeichnis

    4.3.2

    4.3.3

    4.3.3.1 4.3.3.2

    4.3.3.3 4.4

    5

    5. I

    5.2

    6

    6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6. I .4 6.1 .s 6.1.6 6.1.7 6.1.8 6.1.9

    6.2

    6.2.1

    6.2.2

    VIII

    Grundlagen und Definitionen: Untersu- chungsgegenstande und -parameter einer ganzheitlichen Gewasser- typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsschritte und MaRstabs- ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transdisziplinaritat . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an Referenzbe- dingungen und Arbeitsschritte zur Erstellung regionaler Typologien . . . . Kartografische Darstellungen . . . . . . Gewassertypologie und Leitbilder in der EU-Wasser-Rahmenrichtlinie . . .

    6.2.3

    87 6.2.4

    89 6.2.5 89

    6.2.6 90 96 6.2.7

    98 6.2.8

    Das Konzept einer 6.2.9 raumlichen und prozessualen FlieBgewassertypologie . . . . 101

    6.2.10 Gliederung nach geologisch-pedolo- gischen Kriterien (,,Raumliche 6.2.1 1 FlieiSgewassertypen " ) und hydrolo-

    gischen Kriterien (,,Prozessuale FlieiS- 6.2.12

    Das regionale Typensystem . . . . . . . . 109 6.3 gewassertypen"/Typusvarianten) . . . . 101

    6.3.1 Eine regionale 6.3.1.1 FI ieBgewassertypolog ie fur das Norddeutsche Tiefland . 11 1 6.3.1.2

    Die FlieiSgewasserlandschaften . . . . . 111 Moranen des Altglazials . . . . . . . . . . 112 Moranen des Jungglazials . . . . . . . . . 113 Kreidegebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Sander und sandige Aufschuttungen . 115

    Flussterrassen (altere Terrassen) . . . . 116 Flussniederungen und Moorgebiete . . 117 Marschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 7 Steil- und Flachkusten des Ostseekiistensaumes . . . . . . . . . . . . . 11 8 Ubersicht der raumlichen FlieiS- gewassertypen Norddeutschlands . . . 11 8 Kiesgepragte, gefallereiche FlieR-

    Lossgebiete (Borden) . . . . . . . . . . . . . 1 15

    6.3.2 6.3.2.1 6.3.2.2 6.3.3

    6.3.4

    6.3.4.1 6.3.4.2 6.4

    Kiesgepragte, gefallearme FlieR- gewasser der Moranen, Verwitter-

    Kreidegepragte, gefallereiche

    Stein- und lehmgepragte FlieiSgewasserabschnitte der Durchbruchstaler . . . . . . . . . . . . . . . 123 Sandgepragte Flieggewasser der San-

    125 Teilmineralisch gepragte FlieiS- gewasser der Sander und sandigen

    Organisch gepragte FlieiSgewasser der Sander und sandigen Aufschiittungen . 126 Teilmineralisch gepragte FlieiS- gewasser der Flussniederungen und

    Loss-lehmgepragte FlieRgewasser der Bordenlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . 1 28 Schlickgepragte Fliefigewasser der Kustenmarschen . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Sand- und schlickgepragte FlieR-

    Ubersicht der FlieiSgewasser-Prozess-

    ungsgebiete und Flussterrassen . . . . . 122

    FlieiSgewasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

    der und sandigen Aufschiittungen . . .

    Aufschuttungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

    Moorgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

    gewasser der Flachkusten . . . . . . . . . 129

    typen Norddeutschlands . . . . . . . . . . 130 Permanente FlieRgewasser . . . . . . . . . 13 1

    gewasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1

    gewasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Temporare Fliefigewasser . . . . . . . . . 133 Periodische FlieGgewasser . . . . . . . . . 134 Karstgewasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

    gewasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

    Ubergangszonen . . . . . . . . . . . . . . . . 140

    Tide-beeinflusste Flieggewasser . . . . . 141

    Oberflachenwassergepragte Flieg-

    Grundwassergepragte FlieiS-

    Seeausfluss-beeinflusste FlieiS-

    Flieggewasser der Kiisten und

    Riickstau-beeinflusste Flieggewasser . 140

    Eine Typologie des Gewasserumfeldes fur die raumlichen Gewassertypen Norddeutschlands . . . . . . . . . . . . . . . 141

    gewasser der Steilkusten und Hangkanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Kiesgepragte, gefallereiche FlieB- gewasser der Moranen und Verwitter- ungsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

    Farbtafel II: Zu den Kapiteln 5 und 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

  • lnhaltsverzeichnis

    7 Atlas der Raumlichen GUT 6 FI iefigewassertypen Norddeutsc h lands . . . . . . . . . . 15 1

    _ I

    FG-Typ 1

    FG-Typ 2

    FG-Typ 3

    FG-Typ 4

    FG-Typ 5

    FG-Typ 6

    FG-Typ 7

    FG-Typ 8

    FG-Typ 9

    b U l / Kiesgepragte, gefallereiche FlieBgewasser der Steilkiisten und Hangkanten 152 GUT8 Kiesgepragte, gefallereiche FlieB- gewasser der Moranen und Ver- GUT 9

    Kiesgepragte, gefallearme Fliefl-

    . . . . . . . . . . . . . . . . .

    witterungsgebiete . . . . . . . . . . . . . 156

    Basenreiche Laub-Mischwalder der Kerb-, Mulden- und Sohlentaler der Endmoranendurchbruche . . . . . . . . . 204 Bachbegleitende Bruchwalder der Flachmuldentaler, Sohlentaler und

    Rohrichte, Grofiseggenriede und

    Rohrichte und Kiefernwalder der Flach-Muldentaler der kustennahen

    Niederungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

    Bruchwalder der Niederungen . . . . . . 208

    Aufschiittungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 10 gewasser der Moranen, Verwitte- GUT 10 Rohrichte und Bruchwalder der rungsgebiete und Flussterrassen. . . 160 Kreidegepragte, gefallereiche FlieBgewasser 164 Stein- und lehmgepragte FlieB- gewasserabschnitte der Durch- bruchstaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Sandgepragte Flieflgewasser der 9.1 Sander und sandigen Aufschiittun- 9.2

    Teilmineralisch gepragte FlieB-

    . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

    gewasser der Sander und sandigen Aufschiittungen . . . . . . . . . . . . . . . 176

    der Sander und sandigen Auf-

    9.3

    Organisch gepragte Flieflgewasser

    9.4 schiittungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . 180 9.5 Teilmineralisch gepragte Fliefl-

    gewasser der Flussniederungen und 9.5.1 Moorgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 9.5.2

    FG-Typ 10 Loss-lehmgepragte Flieflgewasser der Bordenlandschaft . . . . . . . . . .

    a

    GUT 1

    GUT 2

    GUT 3

    GUT 4

    GUT 5

    Nordseemarschen . . . . . . . . . . . . . . . 2 12

    Zur Fischfauna der FlieRgewasser Norddeutschlands . . . . . . . . . . 215 Historische Bestandsaufnahme . . . . . 21.5 Anforderungen an Bache und kleine Fliisse des Tieflandes als Fisch- lebensraume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Langszonale Muster im Auftreten der Fischarten - Fischregionen im Tiefland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 8 Beschaffenheit der Auen . . . . . . . . . . 2 19 Annaherung an die naturliche Fisch- fauna im Tiefland . . . . . . . . . . . . . . . 220 Bache und kleine Fliisse . . . . . . . . . . . 220 Unterlaufe und Astuare . . . . . . . . . . . 221

    Farbtafel 111: Zu den Kapiteln 9

    Atlas der Gewasser-

    Norddeutschlands . . . . . . . . . . 193 Bach-Auenwalder der Kerb- und 10.1

    Basenarme Laubwalder der 10.2

    umfeld-Typen 10

    Muldentaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

    Muldentaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Basenreiche Laubwalder der 10.3 Muldentaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 10.3.1 Basenreiche Laub-Mischwalder der Kerb- und Muldentaler der Steilkusten 10.3.2 der Ostsee ..................... 200 Basenreiche Laub-Mischwalder der Kerb- und Muldentaler der Kreide- gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

    und 10 . . . . . . . . . . . . . . . 223

    Gefahrdung und Schutz von Tief landbachen . . . . . . . . . . . . . 229 Degenerationsursachen der Gewasser- typen Norddeutschlands . . . . . . . . . . 229 Heutiger Zustand der Flieggewasser- typen Norddeutschlands . . . . . . . . . . 233 Schutz und Wiederherstellung . . . . . . 237 Gesetzliche und allgemeine Grund- lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Fallbeispiele zur okologischen Verbesserung von FlieBgewassern im Rahmen von Ausbau und Unter- haltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

    IX

  • lnhaltsverzeichnis

    11

    11.1

    11.2

    11.3

    11.3.1

    11.3.2

    Okologische Bewertung von 11.4 Tief landgewassern . . . . . . . . . 247

    ihre Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

    11.4.1 Degradation von Tieflandbachen und 11.4.2

    Beispiele Tieflandbach - spezifischer Ansatze 248 Biozonotische Indikation von Gewasserbelastungen: Das Saprobiensystem . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Das Saprobiensystem nach 13 DIN 38410 Teil 2 (1991). . . . . . . . . . 251

    Bewertung von Tieflandbachen . . . . . 254

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    Die Revision des Saprobiensystems und ihre Auswirkung auf die

    Bewertung der okologischen Integritat ...................... 256 Die EU Wasser-Rahmenrichtlinie . . . 256 Moglichkeiten zur Bewertung der okologischen Integritat . . . . . . . . . . . 256

    Quellen- und Literat urverzeic h n is . . . . . . . . 26 1

    St i c h wo rtve rzeic h n is . . . . . . . 274

    X

  • 1 Einfuhrung

    Aquae sunt talis qualis terrae per quam fluunt'j (Plinius der Altere, Naturalis historia, Buch 31, 5 52, Z. 5 )

    Nur in den Sanderflachen, der Marsch und sehr ebe- nen Bereichen der Grundmoranen ist der Begriff ,,Flachland" berechtigt; im Bereich des jungglazialen

    1 .I Die Vielfalt eines verkannten Lebensraumes

    Welche Vorstellungen verbinden sich mit einem ,,FlieGgewasser des Tieflandes" ? Im giinstigsten Fall ist dieses ein klassisch maandrierender Sandbach - zumeist wird die Vorstellung jedoch von einem ver- krauteten Wiesengraben bestimmt, vollstandig iiber- formt zur Entwasserung unmittelbar angrenzender landwirtschaftlicher Nutzflachen, ein eingeschrank- ter Lebens- wie Erlebnisraum. Fur den deutschen Theoretiker fliefiwasserokologischer Klassifizie- rungssysteme, Joachim ILLIES, war der Tieflandbach ein ,,Sonderfall" limnischer Lebensraume ( ILLIES 1961), der nicht in das idealtypische Konzept der langzonalen Gliederung eines Flieggewassers auf sei- nem Weg vom Gebirge in das Meer passen wollte: Im Tiefland entspringend, wurde ihm ein echter Quell- und Bachcharakter abgesprochen, fehlten ihm doch scheinbar die obligatorischen Attribute wie eine grobschottrige Sohle, geringe Temperaturamplitude und starke Stromung. Hier wird deutlich, dass auch die limnologische Vorstellung eines Baches bislang von einem einzelnen regionalen Gewassertyp - ,,dem" Mittelgebirgsbach - diktiert wurde.

    Die naturliche Vielfalt gerade der Flieggewasser des Tieflandes ist jedoch grog: Mehrere Eiszeiten ha- hen in den letzten 400.000 Jahren Oberflachenfor- men, Boden und Entwasserungsnetz Norddeutsch- lands auf tiefgreifende Weise gestaltet, zwei Meere weite Teile der flacheren Zonen zusatzlich gepragt. Entstanden ist eine abwechslungsreiche Landschaft aus kleineren und grogen Hugeln, flachwelligen Lossanwehungen, ausgedehnten Sanderebenen und vermoorten Niederungen. Der marine Einfluss der Nordsee hat die flacheren Teile der Tiefebene his an die Hiigelgruppen der Geest mit Meeressedimenten bedeckt, entstanden sind die Marschen als Bindeglied zwischen Land- und Meeresbereich.

    Hiigellandes wie der altglazialen Geestinseln, der Verwitterungsgebiete des Kernmiinsterlandes, aber auch der Flussterrassen des Rheins konnen Relief- energie und Talbodengefalle an Mittelgebirgsniveau heranreichen, so dass angesichts der 200 Meter iiber dem Meeresspiegel nicht iiberschreitenden Hohenla- ge der gesamten Norddeutschen Tiefebene der Be- griff ,,Tiefland" fur den Raum und ,,Tieflandbach oder -fluss" fur die hier befindlichen Fliessgewasser angemessener ist.

    Die Norddeutsche Tiefebene bietet naturlicherwei- se die Kulisse fur eine Reihe von Gewassertypen, die in ihren morphologischen Strukturen - also schon augenfallig - sehr unterschiedlich sind und eine viel- faltige Tier- und Pflanzenwelt beherbergen konnen: An Mittelgebirgsgewasser erinnernde, schnellflie- fiende Kiesbache in kleinen Kerbtalern, weit maan- drierende Sandbache, anmoorige Niederungsbache, vom Tideeinfluss gepragte, verschlickte Marschfliis- se sowie die Seeausfliisse und Durchbruchstaler des noch nicht ausgereiften Gewassernetzes der Jungmo- ranengebiete stehen exemplarisch fur den ursprungli- chen Typen- und Formenschatz der Fliefigewasser Norddeutschlands; dieser hat allerdings eine weitge- hende Uberformung durch den Menschen erfahren. August THIENEMANN merkte bereits vor einem hal- hen Jahrhundert an, in Schleswig-Holstein lediglich ,,ein einziges Fliisschen" zu kennen, das ,,weniptens noch in seinem Mittellauf naturliche Verhaltnisse zeigt" (THIENEMANN 1954, 104).

    Das skizzierte vielfaltige Erscheinungsbild ,,des" Flieggewassers im Tiefland wird in seinem gesamten Verlauf zusatzlich vom kleinraumigen Wechsel der Landschaftsformen, vor allem in Bezug auf Relief und Boden, gepragt: Die Schrift der Eiszeiten hat ein geomorphologisches Fleckenmuster in der Land- schaft hinterlassen, das den Fliefigewassern in ihrem

    ' I Frei uhcrsctn: ,.Die Gewnsser sind so heschaffcn, wle d a c Land. durch daa sie flieBen."

    1

  • Die Vielfalt eines verkannten Lebensraumes 1 Einfuhrung

    Verlauf ,,von der Quelle bis zur Mundung" eine mehrfach wechselnde Physiographie verleiht, die der Lehrbuchvorstelluiig zur ,,Langszonierung von FlieRgewiissern" hiiufig zuwiderlauft und die An- wendung bestehender Okosystemtheorien auf Tief- landbiche und -flusse erschwert. Anders als im Mit- telgebirge lassen sich im Tiefland die wesentlichen System-Eigenschaften eines idealtypischen FlieRge- wiissers in der Regel nicht aus dem Gefalle ableiten: TieflandflieGgewassern fehlt die in Lehrbuchern be- schriebene Liingszonierung mit einem ausgepragten Gradienten von grogem Gefalle, starker Stromung, grohen Substraten und kuhlem Wasser im Oberlauf bis zu geringem Gefalle, schwacher Stromung, Fein- substraten und hohen Temperaturmaxima und -amplituden im Unterlauf. S o kiinnen Flieggewasser in Tieflandgebieten beispielsweise als kleiner Sand- bach beginnen, i n einem breiten Sohlental trage ein Niedermoor durchfliegen und - nach dynamischer Passage eines Durchbruchstals - sich zu einem von der Ostsee zuruckgestauten, Riihricht-bestandenen Kustengewasser wandeln.

    Mehr noch als f u r montane Gebiete gilt daher fur das Tiefland, dass Flieggewasser aufgrund des Ver- hiiltnisses von ausgedehnter Uferlinie zu geringer Wasserfliehe in der umgebenden Landschaft ,,veran- kert", von dieser ,,ahhiingig" sind - der Fluss ist ,,Glied der Landschaft" (THIENEMANN 1954, 23) und wird v o n ihr bestimmt: ,,the valley rules the stre- am" (HYNES 1974 - siehe auch Zitat von Plinius dem Alteren in der Kapiteluberschrift).

    Aufgrund der traditionellen Mittelgebirgspragung der wissenschaftlichen Theoriebildung zu Fliefl- gewiissern und des Verkennens (aber auch der heuti- gen Uberformung) der naturlichen Vielfalt von Tief- landbiichen und -flussen fehlen sowohl Erklarungs- muster ihrer von einem idealtypischen FlieRgewasser in vielen Punkten abweichenden Prozessablaufe und Eigenheiten als auch wissenschaftlich begrundete Ordnungs-, Bewertungs- und Naturschutzkonzepte, wie sie von der aktuellen nationalen und europai- schen Gewasser- und Umweltpolitik gefordert wer- den.

    Die limnologische Forschung hat ausgewahlte Flieggewasser des Tieflandes zwar schon fruh in ein- zelnen Monographien bearbeitet, es handelte sich je- doch zumeist uni mittelgebirgsahnliche Standorte bzw. Wasserliiufe, wie die Rugener Kreidebache, die Baumbergebiiche des Kernmunsterlandes oder die

    Bache des Flamings (z. B. THIENEMANN 1906, BEYER 1932, ALBRECHT 1952). In diesen Arbeiten nahm die Detektion von Ahnlichkeiten zwischen Tiefland- und Mittelgebirgsbachen und damit die Ubertragbarkeit von an Mittelgebirgsbachen gewonnenen Erkennt- nissen auf Tieflandbache bezeichnenderweise groRen Raum ein. Altere Arbeiten zu Tieflandbichen mit we- niger montanem Erscheinungsbild wie zum Sandfluss Ems (VONNEGUT 1937) oder den Sandbiichen der Lu- neburger Heide (WELLMANN 1938, STEUSLOFF 1937) sind selten. Wie bereits gesagt, galten nach den Theorien zur ,,allgemeinen bioziinotischen Gliede- rung der FlieRgewasser" (z . B. ILLIES 1961 ) Tiefland- flieggewasser der geinagigten Breiten his in die Ge- genwart als ,,Ausnahmen", schien hier doch bereits der Bachoberlauf (Rhithral) aufgrund von geringem Gefalle, hoheren Temperaturen und feineren Sedi- menten als Potamal ausgebildet zu seiii.

    Die Eigenstandigkeit des TieflandflieRgewassers wurde entscheidend erst mit den Arbeiten von STATZ- NER (1979, 1981), BOTTGER (198.5, 1986), POPPEKL (1991), BOTTGER & POPPEKL (1 992) erkannt, die be- sonders den Seeausflussen und ihren Lebensgemein- schaften gewidmet waren, aher in der Einbeziehung der Ufergeholzfunktion bereits Gewiisser-Umland- Beziehungen mit betrachteten. Fur den niederlandi- schen Raum sind hier TOLKAMP (1 980), fur den dani- schen THOKUP (1966) und MOTH-IVEKSEN et al. (1978) zu nennen, die u. a. Substrat-Organismen-Be- ziehungen behandelten. OTTO & BKAUKMANN ( 1983) stellten den ,,Flachlandbach" als eigenen orographi- schen Gewassertyp gleichrangig neben die montanen und alpinen Flieggewasser, bioziinotisch wurde dies von BRAUKMANN (1987) untersetzt. Fine weitere Ordnung erfolgte allerdings nur in der geochemisch begrundeten Unterscheidung von Silikat- und Karbo- natbachen. In Hinblick auf ihre unterschiedliche Phy- siographie wurden die Bache nicht weiter unterschie- den; bestimmte, im Tiefland nicht seltene Erschei- nungen wie Niedermoorbache sowie hydrologische Varianten wie eine temporare Wasserfuhrung wur- den als ,,Sonderfalle" zuruckgestellt. Die erstmalige Gesamtschau der Bachtypen Deutschlands und die Gleichstellung des Tieflandbaches neben die Berg- und Gebirgsbache stellten jedoch eiiien gewasserty- pologischen Meilenstein dar.

    2

  • 1 Einfuhrung Die Typisierung der FlieOgewasser

    1.2 Die Typisierung der FI ieogewasser

    Die Gewassertypologie (oder ,,regionale Limnolo- gie", NAUMANN 1932) ist Teilbereich der Limnologie und stellt, wie Einar NAUMANN (1932, 1) formuliert, ,,die Stufe der hochsten limnologischen Synthese [dar], die die Verbreitung der Gewassertypen behan- delt." Die Entstehung der regionalen Limnologie wurzelt in den produktionsbiologischen Arbeiten der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und hier in der Fischereibiologie, besag also von Anbeginn an ei- nen anwendungsorientierten Charakter. Arbeitsfeld der Gewassertypologie als Element limnologischer Grundlagenforschung ist die naturwissenschaftlich gesicherte Klassifizierung der Vielfalt der Gewasser, Aufgabe des angewandten Limnologen ist ihre an- wendungsorientierte Beschreibung, wie sie in diesem Werk neben anderem fur die FlieRgewasser des Norddeutschen Tieflandes vorgelegt wird. Die Ge- wassertypisierung ist dabei - wie kaum eine andere limnologische Fachrichtung - eine Querschnittsauf- gabe, zu der neben dem zoologisch oder botanisch orientierten aquatischen Okologen auch der Geo- morphologe, der Geograph, der Hydrochemiker und der Hydrologe seinen Beitrag liefert.

    Regionalisierte FlieRgewassertypologien im eigent- lichen Sinn wurden erst mit den Arbeiten der FOR- SCHUNGSGRUPPE FLIESSGEWASSER (1993) fur einen Teil der Mittelgebirgsregion Baden-Wurttembergs und von TIMM fur die Tieflandregion Nordrhein- Westfalens vorgelegt (z. B. TIMM et al. 1991, TIMM 1993, 1995, TIMM & OHLENFORST 1994, TIMM & SOMMERHAUSER 1993, 1994). In diesen Arbeiten wurden erstmals flachendeckende Darstellungen der FlieRgewasserlandschaften (limnogeographisch ein- heitlicher ,,Verbreitungsraume" von definierten FlieRgewassertypen) sowie ganzheitliche Leitbildbe- schreibungen, die Gewassermorphologie und -hy- drologie, Wasserbeschaffenheit und Biozonosen um- fassen, inter- oder besser transdisziplinar entwickelt. Fur verschiedene Fragestellungen der Wasserwirt- schaft wurden auf Grundlage dieser Forschungsar- beiten anwendungsorientierte Gesamtdarstellungen publiziert, die auch Hinweise zu 1eitbildgemaBen Verfahren von Gewasserunterhaltung und -ausbau umfassen (MURL NW 1995, LUA NW 1999a, b, 200 1 a, b).

    Wissenschaftlich war damit in mehrfacher Hinsicht ein ,,neuer Ansatz zu einer Typisierung der FlieRge- wasser des Norddeutschen Tieflandes" (TIMM 1994) geschaffen: Die in Nordrhein-Westfalen gewonnenen Erkenntnisse konnten prinzipiell auf vergleichbare, altglazial') gepragte Gebiete Norddeutschlands uber- tragen werden, was sich in einer Ausweisung ahnli- cher oder vergleichbarer regionaler Bachtypen fur das Altglazial Niedersachsens, Brandenburgs und Schleswig-Holsteins niederschlug (RAWER 200 1, MUTZ et al. 2001, SOMMERHAUSER et a]. 2000).

    Als besonders bedeutsam fur die Biozonosenstruk- tur von TieflandflieBgewassern stellte sich neben den Substratbedingungen an der Gewassersohle, die als ,,geologisch-pedologische Ebene" der Typologie be- zeichnet wurden, die Hydrologie der Gewasser he- raus, die als weiteres Gliederungsprinzip (,, hydrolo- gische Ebene") eingefiihrt wurde (TIMM et a]. 1995): Ein vorwiegend oberflachenwassergepragtes ( ,,grundwasserarmes" ) Abflussregime bedingt ande- re Lebensgemeinschaften als ein durch Tiefengrund- wasser beeinflusstes (,,grundwassergepragtes"), wie es fur die ,,Forellenbache des Tieflandes" ( SCHIE- MENZ 1935, 1941) kennzeichnend ist; ganz eigen- standige Lebensraume sind temporare, in der Regel sommertrockene Gewasser (z. B. FOLTYN et al. 1996, SOMMERHAUSER et a]. 1997, SOMMERHAUSER 1998, 2000).

    Nur teilweise iibertragbar sind die fur den altglazi- all) gepragten Raum der nordwestlichen Bundeslan- der erarbeiteten FlieRgewassertypologien auf die jungglazialen Gebiete der nordostlichen Bundeslan- der. Fur die FlieBgewassertypen der Naturraume Mecklenburg-Vorpommerns legte MEHL (1 998) eine landschafts- und gewasserokologische Studie vor, in der die Biotik allerdings nur kursorisch berucksich- tigt wird. Ein wesentlicher Unterschied des Jungmo- ranengebietes zu den alteren Bildungen des Altmora- nenlandes besteht im lebhafteren Landschaftsrelief, das eine weitaus geringere Abtragung erfahren hat, wobei, wie GARNIEL (1997) ausfuhrt, die ,,Ausrei- fung" des Gewassernetzes in der Jungmoranenland-

    ' 1 Bei der Unterscheidung quartarer Landschaftsformen h.it sich d a s Hegriff\p,i.ir Alt- und Jungglazial eingehurgert. Bei genauer Heachtung der chronostratigra- phischen Abfolge Alt-, Mittel- und Jungpleistozan 1st allerdtngs testiu\tellen, dass die sogenannte altglaziale Landschaftsgestaltiing hauptsachlich im Mittel- pleistozan (Elsrer-, Saaleeiszeit) erfolgte. Die in der aktuellen geographischcn 1.1- teratur inzwischen konsequenterweise eingefuhrte l)~fferenrierung in Alt- und Jungmoranenland hat sich noch nichr in anderen I)is7iplinen durchgcwtir. 50 dass hier beide Sprachregelungen zur Verwendung kommen.

    3

  • Zielsetzung 1 Einfuhrung

    schaft durch die anthropogene Festlegung der Ge- wasserlaufe gestoppt wurde.

    In Bezug auf die Festsetzung von Leit- und Charak- terarten fur die Gewassertypen Norddeutschlands sind zoogeographische Unterschiede zwischen den mehr atlantisch beeinflussten Flieflgewassern der Alt- moranengebiete und den kontinental gepragten der Jungmoranenlandschaften zu beriicksichtigen; aber auch mit zunehmendem Breitengrad kommt es zum Ausfall von Arten und dem Auftreten anderer, so dass z. B. auch innerhalb des altglazialen Raumes Un- terschiede in den Bachzonosen auftreten.

    1.3 Zielsetzung Mit diesem Handbuch wird nunmehr eine flachende- ckende Flieflgewassertypologie fur das Norddeut- sche Tiefland vorgelegt, die die Typologien der Bun- deslander mit Flachenanteilen an der Norddeutschen Tiefebene - soweit diese bereits vorliegen - auf der Maflstabsebene der Bundesrepublik Deutschland in- tegriert, die wesentlichen Leitbilder der Flieflgewas- ser Norddeutschlands anwendungsorientiert dar- stellt und Hinweise zu einer typusspezifischen Bewer- tung und Gestaltung gibt. Diese ,,Weiterentwicklung der Flieflgewasserbewertung auf der Grundlage regi- onalspezifischer Leitbilder fur die glazialen und post- glazialen Landschaften der Norddeutschen Tiefebe- ne" war Gegenstand eines mehrjahrigen Forschungs- projektes (1996-1999) im Auftrag des Bundesminis- teriums fur Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Forderkennzeichen 0339563), dessen Abschlussbericht mit dieser Schrift zugleich vorgelegt wird.

    Hintergrund dieses Projektes war zum einen das allgemeine Wissensdefizit zum ,,Okosystem" Tief- landflieflgewasser, zum anderen die dringende Erfor- dernis, angesichts der Innovationen in der europai- schen Gewasserschutzpolitik, wie sie sich in der soge- nannten ,,EU-Wasser-Rahmenrichtlinie" manifes- tiert (im folgenden EU-WRRL; in Deutschland ge- setzliche Vorgabe seit dem 22.12.2000), die erforder- lichen fachlichen Grundlagen bereit zu stellen. Grundprinzipien dieser zukunftig den Rahmen fur das deutsche Wasserrecht bestimmenden Direktive sind eine sich an regionalen Leitbildern orientieren- de, integrierte biozonotische Bewertung und Gewas- serbewirtscha ftung.

    Aber auch bestehende nationale Bewertungsverfah- ren wie das eine fast hundertjahrige Tradition auf- weisende, bewahrte Saprobiensystem, das nicht nur in Deutschland (DIN 38 410), sondern in erweiterter Form nach SLADECEK (1973) auch in vielen osteuro- paischen Landern zur amtlichen Gewassergiiteiiber- wachung angewandt wird, erfahren gegenwartig eine grundlegende Revision. Ziele der Revision der DIN 38 410 sind eine erhebliche Erweiterung des Katalogs der Saprobier unter starkerer Berucksichtigung von Tieflandarten sowie eine Neueinstufung der Taxa, besonders in Hinblick auf eine adaquate Bewertung der Flieflgewasser des Tieflandes. Hintergrund ist das auch in anderen Bewertungsverfahren als Messlatte ,,unausgesprochen" hinterlegte Leitbild des unbelas- teten Mittelgebirgsbaches, an dem die Wertstufen ausgerichtet sind. Fur die saprobielle Bewertung fuhrt dieser Umstand zu einer systemimmanenten Herabstufung allosaprobiell unbelasteter Tiefland- flieflgewasser aufgrund ihrer hoheren naturlichen Autosaprobie und der ,,mittelgebirgslastigen" Liste der Saprobier, in der typische Tieflandtiere (bei einer Skala der Saprobiewerte von 1,0 bis 4,O) kaum eine bessere Einstufung als 2,O erreichen. Auch bei einer Revision im Sinne einer Aufnahme vieler Tieflandar- ten und einer Neueinstufung vorhandener Tiere kann eine korrektere Einstufung der Tieflandflieflgewasser wohl nur durch die Einfuhrung ,,saprobieller Leitbil- der" fur die verschiedenen Gewassertypen Deutsch- lands erzielt werden, bei der die Eigenheiten der Flieflgewasser der Norddeutschen Tiefebene entspre- chend beriicksichtigt werden. Diese befinden sich un- ter Mitarbeit der Verfasser ebenfalls in Vorbereitung (vgl. Kap. 12).

    Die Erkenntnisse einer modernen, an naturraum- typischen Leitbildern und der umgebenden Land- schaft orientierten Flieflgewasserlimnologie finden somit auch in dieser Hinsicht Eingang in die europai- sche und nationale Gesetzgebung.

    4

  • 1 Einfuhrung Zielsetzung

    Vor diesem Hintergrund stellten Auftraggeber und Auftragnehmer des genannten BMBF-Projektes ge- meinsarn folgenden Ziel- und Untersuchungskom- plex fur das Forschungsvorhaben auf:

    1. Systematisierung der naturraumlichen Vielfalt der FlieB- gewasser Norddeutschlands, Erarbeitung regionalspezi- fischer Leitbilder auf der MaBstabsebene der Bundesre- publik Deutschland.

    2 . Ausweisung von Flieflgewasserlandschaften (sensu FOR- SCHUNGSGRUPPE FLIESSGEWASSER 1993, TIMM et al. 1995), die auch in der EU-WRRL als ,sub-ecoregions' ei- ne wichtige Gliederungsebene darstellen, als Bestandteil der Flieflgewassertypologie Norddeutschlands.

    3. Betrachtung der gesamten Norddeutschen Tiefebene als Untersuchungsraum. Unter Beriicksichtigung der unter- schiedlichen eiszeitlichen Pragung des Raumes wurden als Untersuchungsschwerpunkte die Bundeslander Nordrhein-Westfalen (altglaziale Pragung) und Meck- lenburg-Vorpommern (jungglaziale Pragung) ausge- wahlt. Untersucht wurden in den Jahren 1996 bis 1998 ca. 40 moglichst gering beeintrachtigte Referenzgewas- ser; in Hinblick auf die Evaluation und Entwicklung von Bewertungsverfahren wurden zusatzlich unterschiedlich degradierte Gewasserabschnitte in das Untersuchungs- programm aufgenommen. Die Untersuchungen sollten in beiden Bundeslandern zeitlich synchron und metho- disch vergleichbar durchgefiihrt werden, um eine spatere Zusammenfuhrung und gemeinsame Auswertung aller Datensatze zu gewahrleisten.

    4. Neben den auf das eigentliche Flieflgewasser bezogenen Untersuchungsteilen wurde ein Untersuchungspro- gramm fur das Gewasserumfeld (Aue, Talraum) erstellt, um erstmals in einem gewassertypologischen For- schungsvorhaben der im Tiefland besonders engen Ver- zahnung von Flieggewassern und terrestrischem Umfeld Rechnung zu tragen.

    5. Je nach Fragestellungen wurden kontinuierliche, periodi- sche oder exemplarische Untersuchungen zu folgenden Themenschwerpunkten durchgefiihrt (vgl. Tab. 1): - Bereich Gewasser: Aufnahme von physiographischen (morphologischen) Kenndaten zum Gerinnebett, Was- seranalysen, hydrologische und hydraulische Messun- gen, quantitative Aufsammlungen zur Indikatorgruppe Makrozoobenthos. - Bereich Umfeld: Aufnahme geomorphologischer Kenn- daten zum Talraum, Kartierung der Boden, Vegetation- saufnahmen, quantitative Aufnahmen zu den Indikator- gruppen Kocherfliegen (Imagines), Schmetterlinge und Laufkafer.

    6 . Bereits vorhandene oder in der Entwicklung befindliche Flieflgewassertypologien der nordlichen Bundeslander sollten iiberpriift und moglichst integriert werden. Ein enger Austausch mit den zustandigen Fachleuten der Lander bestand wahrend der gesamten Projektlaufzeit. Zugleich sollte die Flieflgewassertypologie fur das Nord-

    deutsche Tiefland mit einer Zusammenstellung der ,,Bio- zonotisch relevanten Flieflgewassertypen Deutschlands" (SCHMEDTJE et al. 2001), die als Arbeitsgrundlage fur die Umsetzung der EU-WRRL dient, abgestimmt werden.

    7. Durchgefiihrt wurde das Projekt in Nordrhein-Westfa- len von der Universitat Essen, Institut fur Okologie, Ab- teilung Hydrobiologie, die zugleich Koordinator war, in Mecklenburg-Vorpommern von dem privatwirtschaftli- chen Gutachter Fa. biota, Gesellschaft fur okologische Forschung und Beratung, Gustrow. In der Kombination einer staatlichen Forschungseinrichtung und einem pri- vaten Gutachterbiiro sollten zugleich der wissenschaftli- che wie der anwendungsbezogene Anspruch gewahrleis- tet werden.

    8. Wissenschaftliche Mitarbeiter aus den beiden regionalen Projektgruppen wirkten parallel zum Forschungsvorha- ben in einschlagigen nationalen Grernien der Normung und der wissenschaftlich-technischen Verbande mit, urn einerseits die Erstellung von Richtlinien und Normen di- rekt mit Erkenntnissen aus dem laufenden Forschungs- projekt fachlich zu unterstutzen (z. B. die Revision der DIN 38 410 Saprobienindex), andererseits die Erfahrun- gen und Vorschlage der in den Ausschiissen vertretenen Anwender bei der Projektdurchfuhrung und -auswer- tung beriicksichtigen zu konnen.

    9. Die Projektbegleitung lag beim Projekttrager Biologie, Energie, Umwelt (BEO) des Bundesministeriums fur Bil- dung und Forschung, Berlin.

    Auf den Raum der beiden beteiligten Bundeslander beschrankte, fliei3wassertypologische Ergebnisse wurden entweder bereits vor bzw. unmittelbar nach der Projektzeit publiziert (Nordrhein-Westfalen: MURL 1995, LUA 1999a, b, LUA 2001a, b) oder aber wahrend des noch laufenden Projektes (Meck- lenburg-Vorpommern: MEHL 8r THIELE 1998).

    Zugunsten kam dem laufenden Projekt die Anbin- dung eines weiteren flief3wassertypologischen For- schungsauftrages, die Erstellung von Leitbildern fur die Flieggewasser Schleswig-Holsteins im Auftrag der Landerarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), ad- rninistrativ abgewickelt durch die Deutsche Vereini- gung fur Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (ATV-DVWK). Diese Studie wurde 1997 bis 1999 durch die Universitat Essen in Verbindung mit dem Landesamt fur Natur und Umwelt, Kiel, und ortsansassigen Gutachtern durchgefuhrt und bot die ideale Moglichkeit, die bisher gewonnenen Erkennt- nisse an einem Bundesland zu uberprufen, das eine sowohl alt- als auch jungglaziale Pragung aufweist. Auch die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit (LANU 2001) flief3en in die vorgelegte Schrift ein.

    5

  • Zielsetzung 1 Einfuhrung

    In der hier vorgelegten Monographie zu den Flieflge- wassern Norddeutschlands bilden die Ergebnisse der genannten und fruherer Forschungsprojekte der Au- toren das Gerust der Typologiebildung und Leitbild- beschreibung sowie die Grundlage der Evaluation von Bewertungsverfahren fur Tieflandflieflgewasser. Nur Teile der umfangreichen, in der fast vierjahrigen Untersuchungsphase zusammengetragenen Daten- satze (vgl. Tab. 1) konnen jedoch im Rahmen eines ,,Handbuches" zur Darstellung kommen. Weitere bleiben wissenschaftlichen Einzelpublikationen vor- behalten, wie sie zu ausgewahlten Themenkomple- xen v. a. mit faunistischem Schwerpunkt bereits er- schienen sind (z. B. POTTCIESSER et al. 1998a, b, THIELE 2000, THIELE & COSTER 1999, SOMMER- HAUSER et al. 1999, HENKEL 2000, POTTCIESSER &

    In den folgenden Kapiteln sollen zunachst die fach- wissenschaftlichen Grundlagen zur Landschaftsge- nese und -struktur Norddeutschlands, immer mit Blick auf die Herausbildung der Flieflgewassertypen, vermittelt werden. In ausgewahlten Beitragen wer- den aktuelle Spezialthemen wie die Einflussnahme des Menschen auf die Gewassersituation, die Rolle des Bibers, die Bedeutung des ,,Sekundarsubstrates" Totholz gerade in Tieflandbachen sowie das bisher noch vollig unzulanglich beschriebene Thema der Fischfauna in den Flieflgewassertypen des Tieflandes behandelt. Vor diesem Hintergrund wird das Kon- zept einer mehrdimensionalen, d. h. die Physiogra- phie wie die Prozesse zugrundelegenden, ganzheitli- chen Flieflgewassertypologie fur die Norddeutsche

    SOMMEKHAUSER 2000, SOMMERHAUSER et a]. 2000).

    Tiefebene entwickelt. Das aus den abgeschlossenen Untersuchungen abgeleitete System in ihrer Zahl uberschaubarer Flieflgewasserlandschaften, Flieflge- wassertypen und Gewasserumfeldtypen wird zu- nachst im Uberblick vorgestellt. Die Leitbildbeschrei- bungen der Flieflgewasser- wie der Umfeldtypen wer- den dann detailliert in Form mehrseitiger Steckbriefe (,,Tableaus") in ihren abiotischen und biotischen Charakteristika prasentiert, wobei aktuelle Anforde- rungen an die Leitbildelemente wie die Kategorien der EU-Wasser-Rahmenrichtlinie oder die Auswei- sung von Leitarten und Begleitern Berucksichtigung finden.

    Besondere Bedeutung kommt den Flieflgewasser- Prozesstypen zu: Die wesentlichen, in Hinblick auf ihr hydrologisches Regime sowie den marinen Ein- fluss differenzierbaren Typusauspragungen werden mit Darstellung der zugrundeliegenden Prozesse und deren biozonotischen Effekten unterschieden und ih- re Bedeutung fur eine ganzheitliche Flieflgewasserty- pologie herausgestellt.

    Zur leichteren Identifizierung und Abgrenzung der Typen wird ein Bestimmungsteil fur die Flieflgewas- sertypen des Norddeutschen Tieflandes vorgestellt. Aufbauend auf der vorgelegten Typologie werden be- stehende Konzepte der Flieflgewasserbewertung in ihrer Eignung fur das Tiefland gepruft und Ansatze fur neue Verfahren entwickelt. Unter Berucksichti- gung der spezifischen Charakteristika der einzelnen Typen werden ihre heutige Gefahrdungssituation diskutiert und mogliche Maflnahmen zu ihrem Schutz und ihrer Wiederherstellung vorgeschlagen.

    6

  • 1 Einfuhrung Zielsetzung

    Untersuchte naturnahe Referenzgewasser [n]

    Tab. 1.1: Ubersicht iiber die Anzahl der untersuchten Gewasser, Untersuchungsfrequenzen und -methoden in den drei Teil- Untersuchungsraumen Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern mit Angaben der ermit- telten Arten- und Individuenzahlen der verschiedenen Indikatorgruppen (zu den Untersuchungsmetboden vgl. Ergebniska- pitel).

    Nordrhein-West- Mecklenburg- Schleswig-Hol- falen Vorpommern stein

    11 17 9

    Gefalle, Talform

    Hydraulik

    I Untersuchte degradierte Gewasser [n] I 6 I 6 I 3

    Rundum-Laser

    FST-Hemispha- ren"

    1 Untersuchungsprogramm 1996-98

    Handnetz (teils Shovelsampler)

    (halbquantitativ)

    Gewassermorphologie Erhebungsbogen in Anlehnung an Strukturgiitekartie- rung

    Handnetz (halb- quantitativ)" "

    Vegetation des Umfeldes

    Laufkafer

    Wasseranalytik, ca. 16 Parameter DEV, 8-ma1

    Transekte

    Barberfallen im Transekt und uferparallel

    Ma krozoobenthos

    Lichtfalle spora- disch (halbquan- titative Auswer-

    tung)

    Lichtfalle (quali- tativ, halbquanti-

    tativ)

    Shovelsampler (quantitativ), 8-

    n. d.

    n. d. Kocherfliegen (Imagines)

    Schmetterlinge

    sefalle (monad., 14-tagige Stand- zeit) (quantitati- ve Auswertung)

    Licht-, Malaise- falle (quantitativ)

    Lichtfalle (2-ma1 monad.), Malai-

    I n. d. FST-Hemispha-

    ren '. 2-8-ma1 DEV, 3-ma1 jahr.

    lich

    Transekte

    Barberfallen im Transekt und uferparallel

    * STATLNEK SL MULLER (1989) * * n.d. = nicht durchgefiihrr in diesern Vorhaben

    Daren wurden iiberlassen von LANU SH

    7

  • Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer

  • 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte des Norddeutschen Tief landesl)

    2.1 Die Entstehung des Norddeutschen Tieflandes - Ein landschafts- genetischer Ruckblick

    Das Norddeutsche Tiefland ist - zusammen mit der Niederlandischen Tiefebene, Danemark, Siidschwe- den und einem GroBteil Polens - Bestandteil des lim- nogeographischen GroiSraumes ,,Zentrales Tief- land" (ILLIES 1978, EU-WRRL 2000). Dieses wird im Westen vom flandrischen und franzosischen Flachland und im Osten von der Baltischen Provinz flankiert. Die Kiistenlinien der siidlichen Nord- und Ostsee und die Staatsgrenzen zu Belgien, den Nieder- landen, Danemark und Polen (wobei sich in den Grenzbereichen der Landschaftscharakter nicht an- dert) bilden fur das Norddeutsche Tiefland einen kla- ren Rahmen. Die siidliche Abgrenzung ist durch den FUR der Mittelgebirge definiert, wobei diese Linie aufgrund der weit nach Siiden reichenden Nieder- rheinischen und Kolner Bucht, der Miinsterlander (Westfalischen) Bucht und der Leipziger Bucht sehr gewunden ist (s. Abb. auf Vorsatzblatt). Im westli- chen Abschnitt ist der jeweilige GebirgsfuiS eindeutig festzulegen, im Osten, etwa bei dem allmahlich an- steigenden Erzgebirge, hilft die Vereinbarung, dass das Norddeutsche Tiefland hochstens eine Hohe von 200 m iiber dem Meer hat (der Flaming mit maximal 201 m ist eine Ausnahmeerscheinung).

    Das Norddeutsche Tiefland ist keineswegs nur eine ebene Flache. Die Landschaft ist in Teilbereichen wellig bis hiigelig mit kleinraumig auch steilen Han- gen. Dennoch ist die Reliefenergie insgesamt deutlich geringer als in Suddeutschland, was fur das Fliegver- halten der Bache und Fliisse von Bedeutung ist.

    Blickt man auf eine geologische Deutschlandkarte, so hebt sich der nordliche Bereich als recht einheitlich gegeniiber den ,,bunten" mittleren und siidlichen Be-

    reichen ab. Das Norddeutsche Tiefland zeigt nur eine Signatur: Quartar. Es wurde also durch die Eiszeiten gepragt; das betrifft nicht nur die Oberflachengestalt, sondern auch das anstehende Material - erdge- schichtlich junge, pleistozane Ablagerungen, welche die alteren Schichten fast iiberall mit einer mehr oder weniger machtigen Decke iiberlagern. Hingegen ra- gen in den siidlich anschliegenden Landschaften Ge- birgsriimpfe des Variszikums neben unterschiedlich abgetragenen und tektonisch verstellten Schichtfol- gen des Mesozoikums und Kanozoikums oft bis an die Oberflache. Die geomorphologischen Prozesse des Quartars, die das Erscheinungsbild des Nord- deutschen Tieflandes gepragt haben, werden im Fol- genden naher besprochen. Zuvor sol1 hier noch ein kurzer Blick auf die praquartare Erdgeschichte ge- worfen werden, da es bei bestimmten FlieBgewasser- Typen nicht ohne Belang ist, welche wasserl6slichen Stoffe aus dem Untergrund - natiirlich oder anthro- pogen bedingt - in die Oberflachengewasser gelan- gen.

    2.1 .I Das Norddeutsche Tiefland vor den Eiszeiten (praquartare Geschichte)

    Unter der quartaren Abdeckung lassen sich durch Tiefbohrungen Ablagerungen aus allen Erdzeitaltern nachweisen (Abb. 2.1). Diese Schichten sind unter- schiedlich machtig, was die Wirkungsdauer der zu- grundeliegenden Prozesse (z.B. Kalksedimentation in einem marinen Milieu), aber auch teilweise Abtra- gungen widerspiegelt. Sie konnen ferner im Verlaufe vieler Jahrmillionen durch tektonische Ereignisse verstellt und abgesunken sein; so streicht das im siid- lichen Ruhrgebiet anstehende flozfiihrende Oberkar- bon bis weit unter die Nordsee, ist dort allerdings erst in 2000 - 3000 Metern Tiefe anzutreffen. SchlieRlich

    " I)iew\ Knpitel resumiert in1 wesentlichen aktuelles Lehrbuchwissen. Jessen Quellen a m Schluss aufgefuhrt m d . Daher werden n u r in hegrundeten Ein7elt.illen I 1tcr.i~ tur7it.1te im Tcxt genannr.

    9

  • Entstehung des Norddeutschen Tieflandes 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte

    1 sw NE Munsterlarc Niedersachsisches Tektogen Pompeckjsche Scholle Ostholster&lock

    i i

    Tertiar u Krede Jura Trias Zechsleln Rot- Westfalu Namuru Devm Ouaner lK?gendes Stefan Unterkarbon

    Abb. 2.1: Schematisierter geologischer Schnitt durch die Norddeutsche Senke (nach WALTER 1992), MaRstab in k m

    kiinnen unterschiedliche Auflasten Salzablagerungen plastisch verformen und diese domartig als Salzsto- eke aufquellen lassen. Die im Untergrund der Nord- deutschen Senke zahlreich anzutreffenden Salzstocke und Salzkissen sind Sedimente des jungeren Zech- steinmeeres (Perm); die strukturbildenden Salzwan- derungen erfolgten bereits wahrend der jungeren Trias- und Jurazeit und hielten his zum spaten Tertiar an (WALTER 1992). Ein prominentes Beispiel einer salzstockbedingten Aufwolbung ist Helgoland; hier wurden besonders im mittleren Tertiar die uber dem Zechsteinsalz liegenden mesozoischen Schichten beulenartig angehoben, dann teilweise verwittert, von Gletschern der Elster- und Saaleeiszeit ( s.u.) uberfahren und wahrend des Holozans vom Meer ah rad i e rt.

    Kalkhaltige Ablagerungen entstehen wahrend ma- riner Bedingungen. Der norddeutsche Raum war wiederholt und anhaltend von Meeren bedeckt, wah- rend die siidlich anschliessende Mittelgebirgsregion seit der variskischen Auffaltung im Devon regional als mehr oder weniger groger Festlandsockel heraus- ragte. Seither dauern hier Abtragungsprozesse an und liefern Material in die nordlich vorgelagerte Sen- ke. Eine besonders lange und ergiebige Sedimentati- onsphase stellt mit ca. 65 Mio. Jahren die Kreidezeit dar. Dieses Zeitalter ist durch einen Meereshochst- stand gekennzeichnet. Zwischen den skandinavisch- baltischen Landmassen im Norden und den variski- schen, inselartig aufragenden Massiven im Suden er- streckte sich das Kreidemeer, gegliedert in viele Buch-

    ten, Flachmeerbereiche und auch brackig his fluviatil gepragte Kiistenzonen. So stellt das Elbsandsteinge- birge die bis zu 400 m machtigen Ablagerungen in ei- nem Meeresarm dar. Die besonders homogenen Kalkschlamme (Schreibkreide) der spaten Kreidezeit kennzeichnen die maximal ausgedehnten Flachmeer- buchten des Meereshochststandes. Trotz der relativ leichten Erodierbarkeit der Kreideablagerungen ste- hen diese mancherorts unmittelbar an (z.B. Becku- mer Berge im Kernmunsterland, Jasmund auf Ru- gen); dieser Umstand bezeugt sowohl die augeror- dentliche Machtigkeit der Schichten als auch spatere tektonische Hebung.

    Wahrend des Tertiars wurde die Norddeutsche Senke wiederholt vom Meer iiberdeckt. Die Auffal- tung der Alpen ist gemeinhin das dramatischste erd- geschichtliche Ereignis des Tertiars (hauptsachlich der Perioden Eozan und Oligozan) in Mitteleuropa. Zu seinen tektonischen Auswirkungen gehoren aber auch Grabenbriiche, wie z.B. die Einsenkung des Oberrheingrabens (z.B. WALTER 1992, GRABEKT 1998). Der norddeutsche Raum wurde allerdings nur durch tektonische Randeffekte betroffen. Bedeuten- der war hier die Einsenkung des Nordseebeckens (im Zusammenhang mit der endgultigen Offnung des Nordatlantiks zwischen Gronland und Norwegen). Der zu Ende der Kreidezeit trockengefallene Raum wurde im Palaoziin wieder von einem Flachmeer iiberdeckt, welches sich iiber das heutige Nordrhein- Westfalen erstreckte. Seine tonigen Ablagerungen stehen heute lokal in den Bachbetten an. Die weiter

    10

  • 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte Entstehung des Norddeutschen Tieflandes

    ostlich gelegene Region blieb hingegen ein flachwelli- ges Festland. Eine erneute Absenkung im Oligozan, die auch den Einbruch der Niederrheinischen Bucht mit sich brachte, erlaubte weitgreifende Meeresvor- stoRe - jetzt auch von Suden (Tethys) uber den Ober- rheingraben (GRABERT 1998). Die flachen Kustenbe- reiche dieses Meeres wanderten auch im folgenden Miozan vor und zuruck. In den Lagunen und kusten- nahen Seen entwickelten sich iippige Sumpfwalder und Moore. Die hier akkumulierten Biomassen wur- den unter LuftabschluR konserviert und von marinen wie auch fluviatilen Sedimenten iiberdeckt. Heute werden sie als Braunkohle in der Niederrheinischen Bucht ebenso wie im Leipziger und Lausitzer Becken abgebaut. Wasser, welches aus diesen Tagebauen ab- gepumpt wird, sowie Abfliisse von dem aufgeschich- teten Haldenmaterial sind durch eine augerordent- lich hohe Leitfahigkeit, betrachtlichen Salzgehalt und niedrigen pH-Wert gekennzeichnet. Der Salzanteil stammt aus den marinen Uberdeckungen; der Schwe- felsauregehalt beruht auf dem einst von den Organis- men festgelegten Schwefel, der als Pyrit iiberliefert und jetzt unter LufteinfluR zu Sulfat oxidiert ist. Prin- zipiell gleiche Eigenschaften haben auch die ,,Sump- fungswasser" aus den Steinkohlebergwerken und de- ren Haldenabfliisse.

    Wahrend der Endphase des Tertiars, des Pliozans, wurde der Norddeutsche Raum nicht mehr vom Meer bedeckt - von einem marinen VorstoR abgese- hen, der ungefahr bis in das Gebiet der unteren Ems bzw. Hamburg reichte. Die in diesem Zeitraum abge- lagerten Sedimente sind durchwegs fluviatil und ha-

    ben lange Transportstrecken hinter sich. Das Relief dieser Landschaft war weitgehend ausgeglichen mit weitflachigen Rumpfebenen und flachmuldigen Ta- lern. Das in den vorangegangenen Perioden ausge- pragt tropische Klima hatte fur eine tiefreichende chemische Verwitterung der tertiaren Sedimente ge- sorgt. Die nur gering eingetieften FluRsysteme hatten ihren Ursprung in den Grundgebirgen zwischen Mit- telschweden und der baltischen Region. Dieser ,, bal- tische Hauptstrom" war nach Siidwesten gerichtet, er verlief - wie anhand von schwedischen FluRgerol- len zu rekonstruieren ist - sudostlich der Insel Riigen entlang des heutigen Elbetales weiter nach Westen bis in die Niederlande (BRAMER 1991). Die Ostsee als nacheiszeitliche Bildung existierte damals noch nicht. Auch die aus dem zentralen mitteleuropaischen Raum kommenden Fliisse, die Ur-Oder, Ur-Elbe und Ur-Weser, haben ihre AbfluRbasis in diesem Haupt- strom gefunden.

    Rhein und Maas hatten bereits ungefahr das glei- che Miindungsgebiet wie heute (Abb. 2.2). Der Rhein entwasserte allerdings bis ins jungere Pliozan nur die Bereiche des heutigen Mittel- und Niederrheins; erst im jiingsten Pliozan konnte die Aare (zuvor ein Zu- fluR der Rh6ne) nach Hebungen des Untergrundes die Wasserscheide am Kaiserstuhl (sudlicher Ober- rheingraben) iiberwinden und AnschluR an das nord- liche Rheinsystem finden. Die VergroRerung des Ein- zugsgebietes um die wasserreichen Alpen verdoppel- te nahezu die jahrliche Abflussmenge des Rheins und erhohte den Geschiebetrieb betrachtlich.

    11

  • Entstehung des Norddeutschen Tieflandes 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte

    Abb. 2.2: Abflusssysteme im Nordwestdeutschen Raum wahrend der Wende Plioziin-Pleistozan. Die Ostsee existiert noch nicht. Wcser und Elbe sind Nebenfliisse des baltischen Flusssystems. Verrnutete Nordseekiiste gestrichelt (aus EHIIKS 1994).

    2.1.2 Die Eiszeiten formen das Land

    Das Quartar ist das einzige Erdzeitalter, welches kli- matisch begrundet wird. Anders als bei anderen Epo- chen, die durch klare Schichtgrenzen gekennzeichnet sind, verlief die Faunen- und Florenabfolge wahrend des Uberganges vom Tertiar (Pliozan) zum Quartar fliefiend. Daher wurden erdmagnetische Daten he- rangezogen, um den Beginn des Quartars festzulegen: 2,4 Mio Jahre vor heute. Mit dem Quartar begann ein kiihler Klimaabschnitt der Erdgeschichte, ein Eis- zeitalter (icehouse-climate), wie es solche schon frii- her (z.B. Ordovizium, OberkarbonPerm) gegeben hat - ebenso wie Warmzeitalter (greenhouse-clima- te), zuletzt im Eozan oder zuvor wahrend der Kreide- zeit.

    Das gegenwartige Eiszeitalter gliedert sich in das Pleistozan und das Holozan; letzteres umfaiSt die letz- ten zehntausend Jahre. Bezuglich Zeitdimension und Temperaturverlauf entspricht das Holozan vergan- genen Warmphasen des Pleistozans, die als Zwi- scheneiszeiten (Interglaziale) von wenig mehr als zehntausend Jahren Dauer Kaltzeiten (Glaziale) von jeweils ein- bis mehreren hunderttausend Jahren un- terbrochen haben.

    Perioden weitraumiger Vergletscherungen in Eu- ropa, die von Skandinavien im Norden und den Al- pen im Siiden ihren Ausgang genommen hatten, sind seit ca. hundert Jahren als Elster-, Saale- und Weich- seleiszeit bekannt; die iiblichen Entsprechungen im Alpenraum sind Mindel-, Riss- und Wurmeiszeit (au- fierdem zeitlich davor: Giinzeiszeit). Die Holstein-

    12

  • 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte Entstehung des Norddeutschen Tieflandes

    Gliederung und Zeitstellung I

    Zahlen in Mio Jahnn vor heule

    iOLOZAN (Postglazial, Alluvium) 0,010

    Hochweichsel Denekamp-InlersladIaI ~roh- und Mlnelweichsel

    0,115

    0,128 Warlhaabdlum S Ill Allenweldar SWiwn S I1

    4,187 Wacken-. Wmnill-Wannzeil Mehlbeck-. Fuhne-Kallreil

    0,357

    19 0.585 Hdslsin i.e.S.. Mderifr-W,

    MalkrsnrlMlr Phase Zwidmuer Phase I ' 1- 0'76 IV Nwrdbegum-W. C Kalkeil

    Ebumn (Donm~) Llelh-(Wyrha-) KaIlrell

    W J I; I B KIOCkau-Kellrail

    Nordsnde- Wsnnzeil

    A EkhdlXallrell

    Wennhom- Wennzeil

    PrBlegelenkompl. (Erzlggen-, Eiber- Kallenhom-Kallreil

    TERTIAR: PLIOZAN: Reuver

    0 ' 5 ' 1 0 ' ' i;' /112 (Talaue) 1171 1.10 (Nledertenassan)

    Kdlund. Lwprledl, Weimar- Ehringrdorl

    8 8 *2

    8

    *13 4

    Hamaln

    Wecken nw Ptitmalk

    , I l rehw

    Kllekan no. Desrau.

    LauenburQM Ton 1 *13 FRchen-W. Ill

    Moabrchr Smde

    Buchenaullahn m. Marburg

    Abb. 2.3: Gliederung des Quartars (verandert nach LIEDTKE & MARCINEK 1995). Bezeichnungen von Zwischeneiszeiten und Interstadialen sind kursiv gedruckt. Die Klimakurve zeigt die Jahresmitteltemperaturen. Die romischen Ziffern bedeuten: 1. Frostschutttundra, 11. Strauchtundra, 111. Birken-Kiefernwald, IV. kuhl-gemagigte Waldvegetation, V. warm-gemagigte Waldvegetation, VI. mediterrane Vegetation. Die Abkiirzungen tR1 ff. bedeuten: pleistozane Terrasse des Rheins, erste Terrasse von oben unterhalb der des Plioziin. Die Datierungen dieser Tabelle weichen z.T. von den Angaben im Text ab, was u.a. Unsicherheiten bei den Datierungsmethoden und stratigraphischen Verknupfungen sowie auch unterschiedliche Interpretationen von Autoren widerspiegelt. Die Gliederung des Holozans findet sich in Abb. 2.6.

    13

  • Entstehung des Norddeutschen Tieflandes 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte

    " C

    2 5

    2 0

    15

    10

    5

    0

    mi0 a 60 50 40 30 20 10 2 0

    Abb. 2.4: Klimaschwankungen im Tertiar und Quartar. Generalisierte Kurve der Jahresmitteltemperaturen fur West- und Mitreleuropa. Beachte die Dehnung des ZeitmaBstabes a b Miozan (nach LANG, 1994).

    und Eem-Zwischeneiszeit sowie das gegenwartige Holozan kennzeichnen die jeweils warmen Klima- ausschlage nach den oben genannten Kaltzeiten. Die- se weitverbreitete Vorstellung ist allerdings stark ver- einfacht und wird dem tatsachlichen dynamischen Geschehen nicht gerecht. Im Altpleistozan gab es schon ein Folge von Glazialen und Interglazialen; ih- re Spuren sind allerdings nicht so eindeutig zu diffe- renzieren wie die der jiingeren Kaltzeiten. AuiSerdem ,, klappte" die Temperaturkurve nicht einfach von der warmen zur kalten Seite und zuriick, sondern sie oszillierte vielmehr wahrend der Kaltzeiten in relativ engen Zeitspannen: so umfasst ein Glazial mehrere kalte Phasen (Stadiale) und weniger kalte Interstadia- le (Abb. 2.3). Das bedeutete nicht nur eine stetige Veranderung der Eismassen und ihrer Randlagen, sondern auch entsprechend dynamische Geschehen bei Schmelzwasserabfliissen, Sediment- und Geroll- verlagerungen sowie Vegetationsveranderungen.

    Eine globale schleichende Veranderung des Klimas erfolgte seit dem jiingeren Tertiar im Zusammenhang mit der immensen Akkumulation des Antarktischen Inlandeises und der Abkiihlung der Weltmeere (Abb. 2.4). Im friihen Pleistozan hatten sich zwar schon di- eke Eiskappen in Skandinavien aufgebaut, aber es kam noch nicht zu einer Vergletscherung des nord- deutschen Raumes. Hier lassen nur entsprechende Vegetationsspuren auf - relativ ,,milde" - Kalteperi- oden (sechs bis neun an der Zahl) schliegen, die durch Warmzeiten unterbrochen waren. Letztere sind - mit

    abnehmender Tendenz - durch tertiare Florenrelikte charakterisiert.

    Der erste gesicherte GletschervorstoiS aus dem Norden, der weit nach Deutschland hereinreichte, war das Elstereis (die Eiszeiten werden nach Flussen, die geographische Randlagen kennzeichnen, be- nannt). Eine absolute Datierung der Elstereiszeit ist recht unsicher und schwankt zwischen 760 000- 585 000 (LIEDTKE & MARCINEK 1995) und 400 000- 260 000 (WALTER 1992) Jahren vor heute. Die Glet- scherrandlagen reichten ostlich von Paderborn von allen Eisvorstogen am weitesten nach Suden - wah- rend der ,,Zwickauer Phase" bis zum Elbsandsteinge- birge. Die im Leipziger Raum schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eindeutig identifizierten Ablagerungen fuhrten daher auch zu den namensge- benden Bezeichnungen Elster- und Saaleeiszeit. Im westlichen norddeutschen Tiefland verlief die Eis- grenze iiber Osnabriick nach dem niederlandischen Drenthe und reichte demnach nicht so weit wie die der folgenden Saaleeiszeit. Die wahrend der Elstereis- zeit gebildeten Gelandeformen wurden durch die spateren Eisvorstofle wieder verwischt. Ein bemer- kenswertes Relikt sind jedoch die Tiefrinnen - mit Sand und Kies erfiillte langgestreckte Hohlformen, die bis zu 300 Meter unter das heutige Meeresspiegel- niveau reichen. Vermutlich waren es Schmelzwasser- abflugrinnen unter den Elstergletschern, die noch wahrend der Elsterkaltzeit wieder verfiillt wurden. Heute sind sie wichtige Grundwasserspeicher. Am

    14

  • 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte Entstehung des Norddeutschen Tieflandes

    Niederrhein erreichte die elsterzeitliche Eintiefung die tiefste Erosionsmarke in der gesamten Geschichte des Rheins, dies gilt auch fur die Elbe oberhalb von Dresden (THOME 1998).

    Die anschlieBende Holstein-Warmzeit dauerte wahrscheinlich nicht Ianger als 15 000 Jahre (STREIF 1999). In dieser Zeit hatte sich das Eis his nach Mit- telskandinavien zuruckgezogen. Eine deutliche Ab- kiihlung mit Bildung von Permafrost (Fuhnekalt- zeit?) wird heute als Endphase der Holsteinzeit ange- sehen. Der folgende Saale-Komplex von ca. 170 000 Jahren Dauer setzte mit einem kurzen Interglazial (Wackenwarmzeit) ein. Die Saalekaltzeit im engeren Sinne begann in Norddeutschland mit einer langeren eisfreien Periode. Dann kam es aber zu machtigen GletschervorstoiSen nach Suden und zwar in drei Sta- dien, wobei das altere Drenthe-Stadium in Nord- westdeutschland die weitest vorgeschobenen End- moranen ablagerte und das jiingere Warthe-Stadium von ganz Schleswig-Holstein uber die Liineburger Heide (Wilseder Berg = Endmorane) und den Fla- ming bis nordlich von Breslau reichte. In Nordrhein- Westfalen uberfuhren die Gletscher des Drenthe-Sta- diums den Teutoburger Wald und das Munsterland. Sie erreichten vor ca. 200 000 Jahren mit mehreren Loben die niederrheinische Bucht bei Dusseldorf, Xanten und Kleve, wo sie teils machtige Endmoranen ablagerten, die noch heute markant aus der flachen Niederrhein-Landschaft aufragen. Der Rhein und die anderen nach Norden entwassernden Fliisse wurden nach Westen abgelenkt (Abb. 2.5). Es wird disku- tiert, dass Diimmer und Steinhuder Meer die verblie- benen Reste von Gletscherausschurfungen aus jener Zeit seien.

    Die Eem-Warmzeit dauerte nach LIEDTKE & MAR- CINEK (1995) von 128 000 bis 115 000 vor heme (nach Berichtigung von Tiefseesedimentdatierungen kommt THOME (2000) auf ein Alter von nur ca. 80 000 Jahren vor heute); dieses Interglazial war et- was warmer und niederschlagsreicher als die Jetzt- zeit. Vor allem mildere Winter sind zu erschliegen aus der weit nach Osten reichenden Verbreitung der Stechpalme ( I lex) , des Buchsbaumes (Buxus) und des Konigsfarnes (Osmunda). Die Ahnlichkeit zum Ho- lozan pradestinieren Eem-Untersuchungen als Mo- dellstudien der kunftigen Klimaentwicklung.

    Wahrend der Weichselkaltzeit gelangte zum letz- ten Ma1 Gletschereis skandinavischen Ursprungs nach Norddeutschland. Infolge von Warmeschwan-

    kungen wahrend der ersten Kaltzeitabschnitte bildete sich eine geschlossene Eisdecke im norddeutschen Raum erst spat aus, namlich im Zeitraum 25 000 his 12 000 vor heute und zwar vom ostlichen Schleswig- Holstein uber weite Teile Mecklenburgs bis nach Brandenburg. Die Elbe wurde von den mehrfach und in Staffeln vorruckenden Gletschern (nach klassi- scher Auffassung Brandenburger und Pommersches Stadium - manche Autoren rechnen die Frankfurter Phase als Teil des Brandenburger Stadiums) nicht mehr uberquert (Abb. 2.5). Das anschlieBende Holozan setzte mit einem raschen Temperaturanstieg ein (Abb. 2.6). Dieser ist am Um- schlag der Artenzusammensetzung von planktischen Diatomeen (deren Kieselsaurepanzer jahresschicht- weise am Boden von Seen konserviert sind) recht genau zu verfolgen. Fur den Hamelsee bei Hannover ist der Wechsel von einem Kaltwasser-Phytoplank- ton hin zu einer Artengemeinschaft, die fur sommer- warme Gewasser typisch ist, auf den Zeitpunkt 11 575 vor heute datiert (MERKT LQ MULLER 1999). Pollenanalytische Methoden geben - naturbedingt - einen solchen Temperaturwechsel zeitlich verzogert und gedehnt wieder, da es Jahrzehnte dauert, bis Bir- ke, Kiefer und andere windblutige Baume nach ihrer Einwanderung in ein Gebiet dort soviel Pollen produ- zieren, dass die Menge in Moor- oder Seeablagerun- gen bemerkbar ist. Auf der Basis pollenanalytischer und weiterer vegetationskundlicher Erhebungen er- folgte der Ubergang vom spaten Pleistozan zum Ho- lozan zunachst iiber eine baumlose, schiitter mit an- nuellen Pflanzen sowie Zwergstrauchern bestandene Tundra (alteste Tundrenzeit und Bolling) hin zu ei- nem lockeren, noch kaltetoleranten Kiefern- und Bir- kenwald (Allerod) mit einem ,,Tundren-Riickschlag" in der jiingeren Dryas. Der 0.g. Zeitpunkt des Plank- tonumschlages zu warmeliebenderen Arten fallt in das friihe Boreal, welches vor allem durch das Hinzu- treten der Haselnuss gekennzeichnet ist. Das folgen- de Atlantikum war warmer als die heutige Zeit und durch Mischwalder mit hohem Ulmen- und Linden- anteil gekennzeichnet. Seit 5 200 vor heute setzte wie- der eine leichte Abkuhlung ein und seither dominie- ren neben Fichte und Tanne Buchen- und Eichenwal- der.

    Mit dem Ruckzug der Gletscher kam es zu einem Meeresspiegelanstieg: im Bereich der Nordsee von ei- nem Niveau von ca. - 110 Meter zunachst langsam, dann relativ rasch zum heutigen Meeresstand, der et-

    15

  • Entstehung des Norddeutschen Tieflandes 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte

    Saale - Eiszeit DrentheStadium Warthe-Stadium

    Weichsel - Eiszeit n/ Brandenburger Stadium

    Frankfurter Stadium Pommersches Stadium

    0 UrstromtWr

    0 50 100 km - Abb. 2.5: Eisrandlagen der Elster-, Saale- und Weichsel-Eiszeit sowie Lage der Urstromtiiler - von Siidwest nach Nordost I: Kreslau-Brenier Urstromtal, Elbe-Urstromtal mit seinen Aufgliederungen 11: Glogau-Baruther Urstromtal, Warschau- Berliner Urstromtal, Thorn-Eherswalder Urstromtal, Pommersches Urstromtal (veriindert nach LIEDTKE MAKCINEK 199.5).

    wa 5 000 Jah re vor heute erreicht wurde. Die heutige Ostsee stellte sich nach dem Abschmelzen der Glet- scher zunachst (d. h. vor ca. 10 000 Jahren) als ein groiSer Schmelzwassersee (baltischer Eissee) dar, der tnehrere von den Gletschern ausgeschiirfte Becken iiberflutet hatte. Sein Seespiegel lag iiber dem Mee-

    resniveau; die DariSer Schwelle bildete den Westrand und die Uberlaufkante des Eissees. Ein kompliziertes Wechselspiel von eustatischem Meeresanstieg der Nordsee und isostatischer Landhebung erlaubte und verschloiS im Bereich der danischen Inseln wiederholt die Verbindung mit dem Meer, so dass die Ostsee

    16

  • 2 Die Landschafts- und Flussgeschichte Entstehung des Norddeutschen Tieflandes

    I Jahre I Klima- Vegetations-

    perioden entwicklung ''' heule

    anthrqmgen beeinfluBte WBlder. Kulturlandschaften.

    /Heiden I 1000 Subatlantikum

    (Nachwlrmezeil) Buchenzeit I 2000 Eichen-Buchen-Zeit

    -H 3000 5000

    Eichen-

    midmeld. Hesel-Zeit (mit Erlen-

    Linden- waldem)

    Atlantikum (Mittlere

    Wlrmezeit)

    6Ooo

    7WO

    8000

    I

    9Ooo

    I I Prlboraal (vorwarmezeit) Birken-Kiefern-Zeit

    kiefern-

    ilteste Dryas-Zeit baumlore Tundrenzeil 7-l

    10.000

    11.000

    12.000

    13.000

    14.000 7 Pleniglazial (Endphase)

    Frostschutt-Tundra

    15.000

    tor und nach Chr. Geb. -

    loo0

    0

    1OW

    2000

    3000

    4000

    5000

    60W

    7000

    8000

    9oM)

    1o.OOo

    11.000

    12.OW

    13.000

    Klimaentw.

    Juli- Mitleltc oeratur

    Sedimente

    I I I I

    I I I

    I I t I I I I

    I I I I

    Ostsee- stadium

    dya -Mwr (sei 500 n.Chr.)

    Limned-Meer (2000 v.Chr. - 500 n.Chr.)

    Litorina -Mew

    v. C hr. ) (5100 - 2000

    9ncylu.s-Meer (7250 - 51 00

    v.Chr.)

    Yddie-Meer

    v.Chr.) (eo00 - 7250

    Baltischer Eissee

    Kultur- perioden

    Neuzeit

    Mittelalter

    ROmische Kaiserzeit

    Eisenzeit

    Bronzezeit

    Veolithikurr

    lesolithkun

    JungpalBo- lithikum (Magda- lenien)

    Abb. 2.6: Gliederung des ausgehenden Pleistozans und des Holozans (verandert nach GKABERT 1998, und WALTER 1992); vergl. auch Abb. 2.1 8. Zur Gliederung des gesarnten Pleistozans s. Abb. 2.3.

    17