Hans-Joachim Blome, Harald Zaun Der Urknall Anfang und ... · Führt der Big Bang unweigerlich zum...

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128 Seiten mit 7 Abbildungen. Broschiert ISBN: 978-3-406-68416-6 Weitere Informationen finden Sie hier: http://www.chbeck.de/15361695 Unverkäufliche Leseprobe © Verlag C.H.Beck oHG, München Hans-Joachim Blome, Harald Zaun Der Urknall Anfang und Zukunft des Universums

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128 Seiten mit 7 Abbildungen. Broschiert

ISBN: 978-3-406-68416-6

Weitere Informationen finden Sie hier:

http://www.chbeck.de/15361695

Unverkäufliche Leseprobe

© Verlag C.H.Beck oHG, München

Hans-Joachim Blome, Harald Zaun

Der Urknall

Anfang und Zukunft des Universums

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Einleitung:Kosmos und Mensch in der Gegenwart

EinleitungEinleitung

Die Zeit wird kommen, wenn eifriges Forschen über lange Zeit-räume hinweg Dinge ans Licht bringt, die jetzt noch verborgenliegen. . . . Es wird . . . eine Zeit kommen, wenn unsere Nachfah-ren staunen, dass wir Dinge, die ihnen so einfach erscheinen,nicht wussten. . . . Viele Entdeckungen aber sind künftigen Jahr-hunderten vorbehalten, wenn wir längst vergessen sind. UnserUniversum wäre betrüblich unbedeutend, hätte es nicht jederGeneration neue Probleme zu bieten. . . . Die Natur gibt ihreGeheimnisse nicht ein für alle Mal preis. (Seneca, Naturalesquastiones, 7.Buch)

Irgendwann zu keinem Zeitpunkt und irgendwo an keinembestimmten Ort, als Zeit und Raum noch nicht definiertwaren, entsprang aus einem extrem heißen, extrem dichtenAnfangszustand von unvorstellbar hoher Energiedichte undTemperatur das uns bekannte Universum. Obwohl diese sogenannte «Anfangssingularität» selbst nicht der Raumzeit an-gehörte und obgleich besagter Anfangszeitpunkt selbst nichtdas Datum dieses vermeintlichen «Ereignisses» war, trat be-reits in dieser Phase die kosmische Materie als ein sich rasant,isotrop und nahezu homogen ausdehnendes Gemisch vonElementarteilchen unterschiedlichster Art – durchflutet vonhochenergetischen Photonen und vermutlich auch Gravita-tionswellen – in die Welt. Diese Anfangssituation, die Astro-physiker als heißen «Urknall» (engl. Big Bang)1 bezeichnen, istdie Ursache dafür, dass der gesamte Kosmos – die Entstehungund Strukturierung der Materie und die Geometrie der Raum-Zeit – einem Entwicklungsprozess unterliegt, der durch dievier fundamentalen Kräfte, insbesondere der Gravitation undder Expansion, geformt wird. Alles, was sich aus diesem kaum

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definierbaren Etwas herauskristallisierte – ob Galaxien, Sterneoder Planeten –, hebt sich heute von der samtenen, mitunterentseelt wirkenden Schwärze des «kalten» Weltraums deutlichab, lässt das All aber zugleich in pittoresker Schönheit erstrah-len. Gleichwohl ist dies nur eine punktuelle Momentaufnahmeeiner sich fortwährend im Wandel befindlichen kosmischenEvolution, dessen Ende unabsehbar ist. Heute sprechen alleBeobachtungen für einen Kosmos, der ewig expandiert2 unddessen Ausdehnung dabei sogar beschleunigt wird – und indem die Existenz einer bewohnbaren Zeitzone nur den Charak-ter einer Übergangszeit hat. Dabei ist aber die vermeintlicheGeschichtslosigkeit des Universums, die scheinbare Ruhe undUnveränderlichkeit des Sternenhimmels, eine «optische Täu-schung». Diese Einsicht, die auf Beobachtungen erdgebunde-ner und satellitengetragener Teleskope basiert, führte zu neuenphysikalisch fundierten Theorien, die in der Astrophysik denvielleicht wichtigsten Paradigmenwechsel des 20. Jahrhundertsmarkierten. Hieraus resultiert auch die Erkenntnis, dass derHomo sapiens – aus dem Blickwinkel der Naturgesetze – ineiner Welt lebt, in der es sehr behutsam zugeht. Gefangenzwischen Makro- und Mikrokosmos, bewegt er sich mitGeschwindigkeiten, die erheblich kleiner sind als die Lichtge-schwindigkeit. Gefangen in der Gegenwart, vermag er beimBetrachten der am nächtlichen Firmament funkelnden Sterneimmerhin ad oculos zu realisieren, dass jeder Blick ins All auf-grund der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtsgleichzeitig auch ein Blick in die Vergangenheit ist. Weder derheutige Zustand noch die Entwicklung einzelner Objekte sinduns zugänglich; sie sind nur eine Mischung aus Zustands- undEntwicklungsdaten. Daraus resultiert eine weitere spezifischeSchwierigkeit der Kosmologie. Raum-, Zeit- und Objektfragensind miteinander verflochten: Wir können nicht in großeEntfernungen schauen, ohne gleichzeitig in die Vergangenheitzurückzublicken. Insbesondere die Entdeckung von EdwinHubble (1929), dass sich fast alle fernen Galaxien von unsfortbewegen, und die Messung eines kosmischen Strahlungs-feldes im Mikrowellenbereich durch Arno Penzias und Robert

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Wilson (1964), worauf zu guter Letzt unser ganzes Weltbildder physikalischen Kosmologie beruht, in dem die Urknall-Theorie fest verankert ist, entlarvten die historische Dimensionunseres Alls. Heute wissen wir, dass unser Lebensraum undder dem Menschen durch Raumfahrt zugängliche Teil desWeltraums im Vergleich zur räumlichen Erstreckung des Kos-mos extrem winzig und dass die Welt außerhalb der Erdeäußerst lebensfeindlich ist. Nur an einem speziellen Ort inunserem Sonnensystem hat eine große Zahl von besonderenFeinabstimmungen bestimmte Bedingungen geschaffen, die dasheutige Leben und Bewusstsein sowie die gegenwärtige Intelli-genz realisierten. All dies hat auf die moderne Kosmologie des20. Jahrhunderts einen geradezu revolutionären Einfluss ge-habt, änderte sich doch so die Perspektive auf die Stellung desMenschen im Kosmos fundamental. Angesichts der Erkennt-nis, dass der Mensch in die Evolution der irdischen Biosphäreund diese wiederum in die planetarische Evolution der Erdeeingebunden ist, wurde die materielle Verknüpfung mit derGeschichte des Kosmos evident. Denn die Atome und Mole-küle, aus denen unser Körper besteht, existierten in der Ge-burtsstunde des Kosmos noch nicht, sondern sind erst imLaufe von Jahrmilliarden im Innern der Sterne aus dem an-fangs alleinig vorhandenen Wasserstoff und Helium generiertworden. Wir sind – wie es Ernesto Cardenal umschreibt –samt und sonders Kinder der Sonne und tragen alle den Ster-nenstaub, der in unzähligen Supernovae-Explosionen in denKosmos freigesetzt wurde, größtenteils in uns.3

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I. Terminologie, Etymologie und Philosophiedes Urknalls

I. Terminologie, Etymologie und Philosophie des UrknallsI. Terminologie, Etymologie und Philosophie desUrknalls

Der Urknall ist in Wahrheit unser Horizont in der Zeit und imRaum. Wenn wir ihn als Nullpunkt unserer Geschichte betrach-ten, dann aus Bequemlichkeit und in Ermangelung eines Besse-ren. Wir sind wie Entdeckungsreisende vor einem Ozean: Wir se-hen nicht, ob es hinter dem Horizont etwas gibt. (Hubert Reeves)

Wohl selten hat ein angesehener Wissenschaftler das Faszino-sum und das Mysterium des Urknalls so treffend pointiert wieder frankokanadische Grandseigneur der Astrophysik, HubertReeves.4 Dabei dürfte die Frage nach dem Beginn und Ur-sprung des Universums, das wir erleben und zu verstehen ver-suchen, die im Verlaufe der Menschheitsgeschichte am häufigs-ten gestellte sein. Zu allen Zeiten, in allen Kulturen richtetendie Menschen den Blick zu den Sternen und rätselten über denAnfang aller Materie und allen Seins. Seitdem am 2. Oktober1608 der Brillenmacher Hans Lipperhey aus Middelburg inder flämischen Provinz Seeland ein Patent beantragte – für«ein gewisses Instrument, um in die Ferne zu sehen»5 –,ermöglichen uns die «klassischen» Fernrohre und ihre Nach-folger – von den hochsensiblen erdgebundenen Teleskopen bishin zu Weltraumobservatorien – einen immer tieferen undzugleich faszinierenden Einblick in das Universum und führenuns dabei tagtäglich vor Augen, dass das All eine Geschichtehat, dass Astronomen und Kosmologen nichts anderes als fra-gende Historiker des Universums sind. Warum existiert deruns bekannte Kosmos überhaupt? Woher kam er – wohin gehter? Führt der Big Bang unweigerlich zum Big Crunch,6 oderexpandiert der Kosmos bis in alle Ewigkeit? Gibt es eine deter-ministische Konstante, einen ersten Beweger, eine erste Ursa-che, die alles bedingt hat?

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12 I. Terminologie, Etymologie und Philosophie des Urknalls

All diese bewegenden Fragen, worüber sich Äonen zuvorbereits die Philosophen der Antike, die Gelehrten des Mittelal-ters und die Universalisten der Aufklärung – von Platon überGiordano Bruno bis hin zu Isaac Newton – die Köpfe zerbra-chen, sind heute Gegenstand der physikalischen Kosmologie,die Hoimar von Ditfurth einmal als «Fortsetzung der Meta-physik» charakterisierte. Auf der Suche nach dem kosmischenGral, dem Schlüssel zu allem, fokussiert sich die Kosmologieimmer stärker auf den Big Bang, jene Ur-Sache aller Ursachendieser Welt, die in unserem Sprachraum gerne mit der unzu-reichenden Metapher «Urknall» umschrieben wird. Aber ganzim Gegensatz zu dem in der Wissenschaft mittlerweile ge-flügelten und etablierten Wort «Big Bang», das auf den Ver-fechter der Steady-State-Theorie Fred Hoyle zurückgeht, lässtsich der Urheber der deutschen Translationsvariante nament-lich nicht mehr ausmachen. Hoyle hatte diesen Ausdruck am25. Februar 1950 während der BBC-Radiosendung «Man’sPlace in the Expanding Universe», die im Rahmen der sechs-teiligen Lecture-Serie «The Nature of the Universe»7 ausge-strahlt wurde, erstmals zum Besten gegeben und damit denUrknall-Verfechtern keineswegs schmeicheln wollen. Dass daseinheitlich anerkannte Standardmodell der Kosmologie, dasden Beginn der Welt charakterisiert, mit einem derart de-platzierten Namen versehen wurde, überrascht umso mehr, alsder Urknall im eigentlichen Sinne weder ein Ereignis – hierfürwären die Koordinaten Zeit und Raum eine entscheidendeVoraussetzung gewesen – noch eine Explosion im herkömm-lichen Sinne gewesen sein kann. Ebenso wenig ging er miteinem Knall einher, da ein solcher eine räumliche Dimensionund zugleich einen Luftwiderstand erfordert hätte. Nein, derUrknall war alles andere als eine Explosion irdischer Art, daer sich eben nicht in einem bereits existierenden Raum «er-eignete». Wenn überhaupt, dann «füllte» diese Explosion «imGegenteil das gesamte Universum» aus.8 Folglich hat derUrknall zugleich an jedem Punkt dieses Universums und aneinem bestimmten Ort stattgefunden. Egal, wo Sie dieses Buchim Augenblick auch lesen mögen, egal, wo Sie morgen sein

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I. Terminologie, Etymologie und Philosophie des Urknalls 13

werden: An jedem dieser Punkte fand dereinst auch der Ur-knall statt, weil am Anfang dieser Welt alle Orte ein und der-selbe Ort waren.9

Keineswegs ein und dasselbe vermitteln dagegen die mitdem Urknall in engem Konnex stehenden Begriffe Universumund Kosmos. Während Astrophysiker unter einem Universumdas größtmögliche existierende Objekt, das «alles» umfassen-de System, quasi das Weltganze verstehen, das alle Materieund Antimaterie als Teilsystem(e) in sich vereint, betrachtensie den Kosmos (griech. = «Ordnung») allenfalls als theoreti-sches Konstrukt, als hypothetisches Abbild des Universums.Setzte man das Universum mit dem Planeten Erde gleich, dannwäre analog hierzu der Kosmos schlichtweg ein Atlas. Gänz-lich anders verhält es sich mit der Metagalaxis, womit Astro-nomen ausschließlich jenen empirisch zugänglichen Teil desUniversums verbinden, der im Rahmen astronomischer Beob-achtungen perzeptorisch, also via Teleskop etc., observierbarist. Möglicherweise ist aber auch der gesamte Kosmos nureiner unter vielen Welten – ein Objekt im Multiversum. Dannlebten wir in einem von vielen koexistierenden Universen,die alle in einen höherdimensionalen Raum eingebettet sind.Diese Hypothese gewinnt an Gewicht, wenn wir die Quanten-theorie auf das Universum anwenden. Gehen wir nämlich voneinem Quantenzustand am Anfang aus, dann gibt es in derTat viele Möglichkeiten, ein Universum zu kreieren oder garUniversa zu bilden, die sich durch den konkreten Wert derNaturkonstanten, die Hierarchie der Wechselwirkungen oderdas Massenspektrum der Elementarteilchen unterscheidenkönnten. Ob solcherlei Universa tatsächlich parallel zu unse-rem Kosmos in einem höherdimensionalen Raum existieren,entzieht sich aber jeglicher Beobachtung und bleibt daheräußerst spekulativ.10

Wie dem auch sei – das Standardmodell jedenfalls be-schreibt nicht die Entstehung, sondern nur die Entwicklungder Welt. Es vermittelt ein idealisiertes Bild einer Realität, diewir nicht direkt erfahren, sondern mit Teleskopen sondierenund mithilfe mathematischer Physik erschließen können.11

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14 II. Wegbereiter der modernen Kosmologie

Heute dringen die Astronomen auf ihren Zeitreisen immertiefer in das unbegrenzte, möglicherweise endliche, aber stetigwachsende Universum vor und nähern sich zumindest derGrenze des Urknalls unaufhörlich. Ermutigt durch das immerbesser werdende astronomische Instrumentarium, beflügeltvon neuen oder optimierten Detektionsmethoden und fort-während präziser arbeitenden Computersimulationen, kristal-lisieren sich dabei immerfort feinere Bilder und Modelle her-aus. Und dennoch bleibt bis dato ungeklärt, wer oder was vorlanger Zeit das Drehbuch schrieb, die Regie führte, das Thea-ter baute, die Requisiten besorgte und die Mimen, die dort ihrGastspiel zelebrierten, auf die Bühne platzierte und ob derHomo sapiens wirklich der einzige Zuschauer im Auditoriumist, der diesem unglaublichen kosmischen Schauspiel beiwoh-nen darf. Dies steht auch nicht in den Sternen, die der Urknallkreiert hat.

II. Wegbereiter der modernen Kosmologie

Er sagt, bei der Entstehung des heutigen, geordneten Universumshätte sich aus dem Ewigen eine Wärme und Kälte Zeugendes ab-gesondert [sic!] und daraus sei eine Feuerkugel um die die Erdeumgebende Luft gewachsen, wie um einen Baum die Rinde. In-dem diese dann geplatzt und das Feuer in bestimmten Kreiseneingeschlossen worden sei, hätten sich Mond und Sterne gebildet.(Anaximander, um 610–545v.Chr.)

1. Philosophische Kosmogonen der Antike

Es wird für immer ein Mysterium der Wissenschaftsgeschichtebleiben, wer wohl der erste Mensch gewesen war, der – denBlick den Sternen zugewandt – über den Beginn der Welt sin-nierte und über die erste Ursache allen Daseins rätselte. Warder Schöpfer des ersten kosmogonischen Gedankens ein archa-

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