he Topologieoptimierung Da geht doch noch was - :K Magazin · Verwendung von OptiStruct schon zu...

4
CAD CAM 7-8/2010 51 RUNNING SNAIL RACING TEAM. Seit 2004 entwickeln und bauen die Studenten der Hochschule Am- berg-Weiden Prototypenrennwa- gen für die Formula Student. Dabei genügt dem Team Running Snail Racing das Motto »Dabei sein ist al- les« schon lange nicht mehr. Denn sonst hätten sie den aktuellen Weltranglistenplatz 35 und den Status als fünftbestes deutsches Team wohl nie erreicht. Und so ging es auch bei der Entwicklung des RS10-LC4. Sollen neue Bauteile den beste- henden in allen Belangen überlegen sein, ist es extrem wichtig, sich ein Bild davon zu machen, welche Kräfte unter welchen Randbedin- gungen auf ein Bauteil wirken. Vor diesem Hintergrund hat das Team bei der Auslegung des Antriebs- strangs des 2010er-Modells RS10 einen neuen Weg eingeschlagen. Wurden Lasten in den Vorjahren noch aus Motormoment und Übersetzungen oder aus maximal übertragbaren Momenten der Rei- fen errechnet, entschied man sich in diesem Jahr dafür, das anliegen- de Drehmoment an den Antriebs- wellen direkt zu messen. Dazu wur- den diese mit Dehnmessstreifen ausgerüstet, welche über einen an- geschlossenen Funksender alle Da- ten drahtlos an einen Messverstär- ker senden. Dieser ist mit einem Laptop verbunden, sodass die Da- ten in Echtzeit erfasst werden konnten. Durch verschiedene Fahrmanö- ver, wie den Beschleunigungsstart oder eines gewaltsamen Abwürgens des Motors durch schlagartiges Kupplungsschnalzen, ließ sich ein maximales Moment von rund 500 Nm ermitteln. Dieser Wert bil- dete die Grundlage aller weiteren Der Antrieb mit opti- mierten Lagerschilden und verbessertem Kettenrad beeinflusst das Gewicht entscheidend. Topologieoptimierung Da geht doch noch was »Die Bauteile sind am Limit, da geht nichts mehr«, war die Meinung zum Antrieb des Boliden RS09-LC4. Doch der Einsatz einer modernen Software zur Topologieoptimierung zeigte, wie viel wirklich noch in den Bauteilen steckte. Das Amberger Team Running Snail Racing setzte dabei auf HyperWorks der Firma Altair. Autor: Mathias Hötling, Running Snail Racing Team 2010 Carl Hanser Verlag, München www.cad-cam.de Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.

Transcript of he Topologieoptimierung Da geht doch noch was - :K Magazin · Verwendung von OptiStruct schon zu...

Page 1: he Topologieoptimierung Da geht doch noch was - :K Magazin · Verwendung von OptiStruct schon zu Beginn der Entwicklung mit einfließen konnten. So ist es mög-lich, verschiedenste

CAD CAM 7-8/2010 5 1

RUNNING SNAIL RACING TEAM.Seit 2004 entwickeln und bauen dieStudenten der Hochschule Am-berg-Weiden Prototypenrennwa-gen für die Formula Student. Dabeigenügt dem Team Running SnailRacing das Motto »Dabei sein ist al-les« schon lange nicht mehr. Dennsonst hätten sie den aktuellenWeltranglistenplatz 35 und denStatus als fünftbestes deutschesTeam wohl nie erreicht. Und soging es auch bei der Entwicklungdes RS10-LC4.

Sollen neue Bauteile den beste-henden in allen Belangen überlegen

sein, ist es extrem wichtig, sich einBild davon zu machen, welcheKräfte unter welchen Randbedin-gungen auf ein Bauteil wirken. Vordiesem Hintergrund hat das Teambei der Auslegung des Antriebs-strangs des 2010er-Modells RS10einen neuen Weg eingeschlagen.

Wurden Lasten in den Vorjahrennoch aus Motormoment undÜbersetzungen oder aus maximalübertragbaren Momenten der Rei-fen errechnet, entschied man sichin diesem Jahr dafür, das anliegen-de Drehmoment an den Antriebs-wellen direkt zu messen. Dazu wur-

den diese mit Dehnmessstreifenausgerüstet, welche über einen an-geschlossenen Funksender alle Da-ten drahtlos an einen Messverstär-ker senden. Dieser ist mit einemLaptop verbunden, sodass die Da-ten in Echtzeit erfasst werdenkonnten.

Durch verschiedene Fahrmanö-ver, wie den Beschleunigungsstartoder eines gewaltsamen Abwürgensdes Motors durch schlagartigesKupplungsschnalzen, ließ sich einmaximales Moment von rund500 Nm ermitteln. Dieser Wert bil-dete die Grundlage aller weiteren

Der Antrieb mit opti-

mierten Lagerschilden und

verbessertem Kettenrad

beeinflusst das Gewicht

entscheidend.

T o p o l o g i e o p t i m i e r u n g

Da geht doch noch was»Die Bauteile sind am Limit, da geht nichts mehr«, war die Meinung zum Antrieb des Boliden

RS09-LC4. Doch der Einsatz einer modernen Software zur Topologieoptimierung zeigte, wie viel

wirklich noch in den Bauteilen steckte. Das Amberger Team Running Snail Racing setzte dabei

auf HyperWorks der Firma Altair. Autor: Mathias Hötling, Running Snail Racing Team

51-54_SOCC110146-Altair-Y 16.08.2010 13:05 Uhr Seite 51

W20

10C

arlH

anse

rV

erla

g,M

bnch

enw

ww

.cad

-cam

.de

Nic

htzu

rV

erw

endu

ngin

Intr

anet

-un

dIn

tern

et-A

ngeb

oten

sow

ieel

ektr

onis

chen

Ver

teile

rn.

Page 2: he Topologieoptimierung Da geht doch noch was - :K Magazin · Verwendung von OptiStruct schon zu Beginn der Entwicklung mit einfließen konnten. So ist es mög-lich, verschiedenste

5 2 CAD CAM 7-8/2010

Berechnungen bei der Antriebsaus-legung. Mit diesen Erkenntnissengalt es nun, einen Antriebsstrangfür den neuen Rennwagen zu ent-wickeln, der in Hinblick auf Funk-tionalität und Zuverlässigkeit eineSteigerung zu der Version im RS09-LC4 darstellen sollte.

Ganz neu denkenEs kam gelegen, dass die Firma Al-tair im August 2009 einen Formula-Student-Workshop abhielt, um ihrSoftwarepaket HyperWorks denanwesenden FS-Rennteams zu prä-sentieren. Vor allem die Topologie-optimierung mit OptiStruct über-zeugte sofort und durch die um-fangreiche Unterstützung der Fir-ma Altair, die das Team nicht nurmit einigen Volllizenzen, sondernauch mit vielen Schulungen ver-

sorgte, war es möglich, bereits EndeSeptember 2009 die Entwicklungam Rennwagen zu starten. Durchinterne Wissensweitergabe gelanges, das System der Topologieopti-mierung am gesamten Fahrzeuganzuwenden. So wurden unter an-derem der Gitterrohrrahmen, dieRadträger, die Radnaben, einigeTeile des Antriebs und weitere klei-ne Bauteile mithilfe von OptiStructentwickelt.

Ein entscheidender Vorteil beider Benutzung des GesamtpaketsHyperWorks besteht darin, dassmit HyperMesh und HyperViewein Prä- und ein Postprozessor zurVerfügung stehen, die es ermög-lichen, unabhängig von der ange-strebten Simulationsart eine ein-heitliche Bedienlogik und Menü-führung zu verwenden. Diese sind

immer gleich, egal ob nun eine rei-ne Festigkeitsbetrachtung, eineStrukturoptimierung oder eineMehrkörpersimulation durchge-führt werden soll. Selbst für Be-rechnungen mit Solvern von Dritt-anbietern können HyperMesh undHyperView genutzt werden. Unteranderem mit Ansys, Nastran undAbaqus werden nahezu alle aufdem Markt erhältlichen Systemeunterstützt.

Lagerschildgewicht halbiertBesonders intensiv wurde die To-pologieoptimierung mit Opti-Struct dabei bei der Konstruktiondes Antriebsstrangs, insbesondereder Lagerschilde und des Ketten-blatts, eingesetzt. Die Lagerschildehaben in erster Linie die Funktion,das Differenzial – hier kommt ein

Im Lauf von sechs Jahren haben die Running-

Snail-Autos mehrmals ihr Gewicht halbiert.

Oben: die Mitglieder des FS-Teams der Hoch-

schule Amberg-Weiden.

51-54_SOCC110146-Altair-Y 16.08.2010 13:05 Uhr Seite 52

W20

10C

arlH

anse

rV

erla

g,M

bnch

enw

ww

.cad

-cam

.de

Nic

htzu

rV

erw

endu

ngin

Intr

anet

-un

dIn

tern

et-A

ngeb

oten

sow

ieel

ektr

onis

chen

Ver

teile

rn.

Page 3: he Topologieoptimierung Da geht doch noch was - :K Magazin · Verwendung von OptiStruct schon zu Beginn der Entwicklung mit einfließen konnten. So ist es mög-lich, verschiedenste

CAD CAM 7-8/2010 5 3

speziell für die Formula Studententwickeltes Sperrdifferenzial derFirma Drexler zum Einsatz – direktgegen den Motor abzustützen. Dieanliegende Kettenkraft, berechnetaus dem vorher gemessenen Mo-ment, von maximal rund 12 kN lei-tet sich also komplett über die La-gerschilde ab.

Optimierungsgrundlage war einSchalenmodell, das den maximalzur Verfügung stehenden Bauraumrepräsentierte. Nach der Definitionder anliegenden Kräfte und Lage-rungen wurden verschiedene Opti-

mierungsparameter durchgespielt,um ein perfektes Ergebnis zu erzie-len, das unter anderem auch Ferti-gungsparameter berücksichtigt.

Zusätzlich können in Hyper-Mesh beziehungsweise OptiStructBereiche festgelegt werden, welchevon der Optimierung ausgeschlos-sen werden. Dies sind im Beispielder Lagerschilde die Verschraubun-gen zum Motor sowie die Lagerstel-len, in denen das Sperrdifferenzialläuft.

Die Ergebnisse wurden mithilfevon HyperView ausgewertet und

flossen direkt in die Gestaltung derLagerschilde in Pro/Engineer ein.Hierbei war es von Vorteil, dassHyperView die Möglichkeit bietet,das Optimierungsergebnis im STL-Format zu exportieren. Nach demImport in das CAD-System kanndas Modell mit den errechnetenWerten abgeglichen werden. Die soentstandenen Modelle unterzogendie Jungkonstrukteure wiederumeiner nochmaligen Festigkeitsbe-trachtung mit HyperWorks, umDetails wie Radien und endgültigeWandstärken anzupassen.

Mit HyperMesh und HyperView stehen e in Prä-

und e in Postprozessor zur Verfügung, die es er-

möglichen, unabhängig von der angestrebten

Simulationsart e ine e inheitl iche Bedienlogik

und Menüführung zu ver wenden. .

51-54_SOCC110146-Altair-Y 16.08.2010 13:06 Uhr Seite 53

W20

10C

arlH

anse

rV

erla

g,M

bnch

enw

ww

.cad

-cam

.de

Nic

htzu

rV

erw

endu

ngin

Intr

anet

-un

dIn

tern

et-A

ngeb

oten

sow

ieel

ektr

onis

chen

Ver

teile

rn.

Page 4: he Topologieoptimierung Da geht doch noch was - :K Magazin · Verwendung von OptiStruct schon zu Beginn der Entwicklung mit einfließen konnten. So ist es mög-lich, verschiedenste

Das Ergebnis sind zwei Lager-schilde, die zum einen bei nahezugleicher Steifigkeit um 56,7 Prozent(links) beziehungsweise 48 Prozent(rechts) leichter als die Vorjahrs-versionen und zum anderen durchdie Gestaltung ohne Hinterschnei-dungen deutlich günstiger undschneller zu fertigen sind.

Fertigung berücksichtigenNeben den Lagerschilden wurdedas Kettenblatt mithilfe von Opti-Struct optimiert. Grundlage warauch hier ein Schalenmodell, dasden Bauraum repräsentierte.Durch die Funktion ›Pattern grou-ping‹ konnte die Rotationssymme-trie des Kettenblattes berücksich-tigt werden – eine Funktion, dieauch bei der Optimierung von Fel-gen angewendet wird. Einstellbarist dabei die Anzahl der Wiederho-lungen über eine Umdrehung, wo-bei sich am Kettenblatt eine sechs-fache Wiederholung als besterKompromiss aus Steifigkeit undFertigungsaufwand erwiesen hat.

Das endgültige Kettenblatt liegtbei einem Gewicht von lediglich205 g, was einer Einsparung von66 Prozent gegenüber der Versionaus dem Vorjahr entspricht. Durchdie einteilige Gestaltung – im Vor-jahr wurde das Kettenblatt noch aufeinem Adapter verschraubt, der sei-nerseits auf das Differenzialgehäuseaufgeschoben wurde – erhöhte sichdie Zuverlässigkeit, da die Schraub-verbindung entfallen ist.

Durch den Einsatz der Topolo-gieoptimierung mit HyperWorksin vielen Bereichen des Rennwa-gens konnte vor allem das Fahr-zeuggewicht reduziert werden. InZahlen ausgedrückt, handelt es sichum eine Reduzierung um rund25 kg, was bei einem Fahrzeugge-wicht des Vorgängers von 190 kg(RS09-LC4) einer Einsparung von13 Prozent gleichkommt.

Dies konnte nur dadurch er-reicht werden, dass vorhandeneBauteile aus dem Vorjahr nicht nurweiterentwickelt, sondern vonGrund auf mittels Topologieopti-mierung neu betrachtet wurden. Eswurden von Anfang an klare Ziel-

vorgaben für das jeweilige Bauteildefiniert, welche aufgrund der viel-fältigen Einstellparameter bei derVerwendung von OptiStruct schonzu Beginn der Entwicklung miteinfließen konnten. So ist es mög-lich, verschiedenste Optimierungs-randbedingungen zu definieren,die von maximal zulässigen Verfor-mungen bis hin zu einer definier-ten Spannungsobergrenze reichen.

Auch wird es immer wichtiger,auf die Fertigungskosten und Ferti-gungsmöglichkeiten Rücksicht zunehmen. Denn wenn ein Bauteilnicht gefertigt werden kann, nütztdem Konstrukteur die beste Opti-mierung nichts. Und auch hier bie-tet OptiStruct Möglichkeiten, umbeispielsweise Auszugsrichtungenund Trennebenen bei Gussteilen zudefinieren oder eine Extrusions-richtung vorzugeben. Mit derFunktion ›Minimum member size‹hingegen kann von vorneherein ei-ne Mindeststärke von Verstrebun-

gen festgelegt werden, um allzu fili-grane Ergebnisse auszuschließen.

Gewicht und Zeit gespartDer Einsatz von HyperWorks hataber nicht nur das Gewicht desFahrzeugs verringert und die Zu-verlässigkeit sowie die Funktiona-lität erhöht, er hat zugleich die Ent-wicklungszeit verkürzt, wodurch esgelang, den ›Design Freeze‹ beimRS10-LC4 früher anzusetzen als dieJahre zuvor.

Die gesamte Entwicklung dau-erte von Ende September bis EndeNovember und betrug somit ledig-lich zwei Monate, immerhin zweiWochen weniger als die Entwik-klung des Vorgängermodells. Derdadurch entstandene Zeitvorteilkonnte im Laufe der Saison in einelängere Testphase investiert wer-den, was bei einem Prototypen-rennwagen von großem Wert ist.

Altair half mit eigens angesetz-ten Schulungsterminen, die es denEntwicklern ermöglichten, in kür-zester Zeit die Funktionalitäten unddie Bedienung von HyperWorks zuerlernen. Auch bei weitergehendenFragestellungen im Laufe der Ent-wicklung stand jederzeit ein kom-petenter Ansprechpartner zur Ver-fügung, wodurch sich Problemekurzfristig lösen ließen. Die ein-heitliche Bedienlogik in den ver-schiedenen Tools von HyperWorksbegünstigte die kurze Einarbei-tungszeit zusätzlich.

Für die Entwicklung des RS11setzt das Running Snail RacingTeam auch wieder auf die umfang-reiche Lösung der Firma Altair, umvor allem auch die Entwicklung imBereich der Faserverbundbauteilevoranzutreiben.

RSt

www.altairhyperworks.deDiesen Artikel finden Sie auf unserer Homepagewww.cad-cam.de unter der Dokumenten-nummer CC110146.

@

Einige Unternehmen

machen inzwischen die

Teilnahme in e inem

Formula-Student-Team

zur Einstellungsvor-

aussetzung.

5 4 CAD CAM 7-8/2010

51-54_SOCC110146-Altair-Y 16.08.2010 13:06 Uhr Seite 54

W20

10C

arlH

anse

rV

erla

g,M

bnch

enw

ww

.cad

-cam

.de

Nic

htzu

rV

erw

endu

ngin

Intr

anet

-un

dIn

tern

et-A

ngeb

oten

sow

ieel

ektr

onis

chen

Ver

teile

rn.