Heimweh bei alten Migranten: Die Sehnsucht nach der Heimat ist auch eine Sehnsucht nach dem Raum

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  • 8/20/2019 Heimweh bei alten Migranten: Die Sehnsucht nach der Heimat ist auch eine Sehnsucht nach dem Raum

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     Maria Dietzel-Papakyriakou

    Heimweh bei alten Migranten:Die Sehnsucht nach der Heimat ist auch eine Sehnsucht nach dem Raum

    Erscheint 2004 in: Yasemin Karakasoglu, Julian Lüddecke (Hrsg.: !ktuelle Ent"icklungen in#heorie, Em$irie und %ra&is und 'igrationsorschung.)a&mann *erlag 'ünster 

    *ielleicht ist es gerade in +eiten der lo-alisierung und unehmender r/umlicher 'o-ilit/tnot"endig u $rüen, o- 'enschen r/umliche indungen ha-en, und "orau dieseurückuühren sind. 1a 'igranten keine onder"esen sind, eigen sie lediglich unter den

     -esonderen !norderungen der 'igration in -esonderer )eise das, "as allen 'enscheneigentlich gemeinsam ist. 1aher ist der olgende #e&t ein *ersuch, 3ragen der'igrationsorschung mit !ns/ten der kognitien !nthro$ologie u er-inden1. )/hrend -ei

    der Erkl/rung soialer %h/nomene die eugnahme au die $hiloso$hische !nthro$ologieü-lich ist, k5nnte die Hilenahme der 6atur"issenschaten $ro-lematisch erscheinen. eistes7und oial"issenschaten -egegnen den 6atur"issenschaten h/uig mit dem8eduktionismusor"ur und "ehren sich gegen die 1ominan des natur"issenschatlichen%aradigmas und seiner #enden, soiale %h/nomene u naturalisieren. 1er treit knü$t an diedualistische icht"eise der #rennung on eist und K5r$er an. 1ie !nthro$ologie stellt eininterdisi$lin/res 3eld dar, in dem -eide eiten ihre H9$othesen alidieren und miteinandererknü$en k5nnen ('etinger ;;eistes"issenschaten mit?-ersetungs$ro-lemen konrontiert ist (gl. inger 200@, .metinger>$u-likationen>;;

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    kollektien Erinnerungen an, au die die indiiduelle dentit/t ange"iesen ist (!ssmann ;CHal-"achs ;2. 1enken ist ohne +eit und 8aum nicht m5glich. Erinnern, das+urückschauen hat "ie Gedes 1enken ne-en der +eitkom$onente4 immer eine r/umliche. D1a)ahrnehmung meistens au soiale üter -". Le-e"esen in ihrem !rrangement ielt,"erden sie usammen mit den Mrten, an denen sie $latiert sind, "ahrgenommen. Mrt und

     $latiertes Element "erden nicht getrennt (L5" 200, .;;. n der Hirnorschung "ird onDEnsem-les on 6erenellen ausgegangen, die s9nchron Deuern, um ein M-Gekt, dasimmer in eiehung mit anderen M-Gekten "ahrgenommen "ird, u re$r/sentieren (inger200@.

    Erinnerungen sind ilder im Ko$, die immer 8aum -einhalten5, daher ist Heim"eh(6ostalgie auch eine ehnsucht nach dem 8aum. eorg immel s$richt in seinerD!-handlung ü-er den 8aum und die r/umlichen Mrdnungen der esellschat ü-er dasHeim"eh, diese Dleidenschatliche !nh/nglichkeit an den oden, sie eige sich gerade anden e-irgs-e"ohnern und Dgeht ielleicht au die au/llige 1ierenierung des odensurück, die das e"usstsein stark an ihn und die esonderheit seiner estalt esseln muss, otgrade an das 3leckchen Erde, das dem Einelnen geh5rte oder das er -e"ohnt hat (immel;0, .4

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    (reerus ;A;, .;A. 1ie 8elektion ü-er den 8aum sett also erst mit der *erlusterahrungein. !uch +"ingmann (;

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    *erlust6 des 8aumes der $rim/ren oialisation ührt, um Heim"eh kommt. )enn sich also'enschen nach dem 8aum sehnen, stellen sich als erste 3ragen: "as ist der 8aum und "iekommt der 8aum in den Ko$F

    Der Raum ist kein bloßer physikalischer Behälter

    1ie !lltagsorstellung on 8aum geht daon aus, dass der 8aum uns orgege-en ist, er ist ein $h9sikalischer eh/lter. n diesem leeren, geometrisch7dreidimensionalen 8aum, -e"egt sichder 'ensch und nimmt ihn durch seine !ugen "ahr. 1ie ilder, die durch die 8etina insehirn gelangen. sind demnach o-Gekti. 1as ist das unhinterragte !lltagserst/ndnis (urKritik: L5" 200. !-er auch in der "ahrnehmungs$s9chologischen 3orschungs$ra&is ha-enü-er iele Jahrehnte drei 1ogmen dominiert: a die *orstellung on )ahrnehmung als $assiund ree$ti, - die !uassung, dass 3unktionen der )ahrnehmung Genseits on Handlungs7und Kommunikationsusammenh/ngen -estimmt "erden k5nnen und c die *orstellung, dassdie Dinne $rim/r als getrennt o$erierende Kan/le -". Lieeranten on normationenungieren (Loenho 2002, .4.

    n der %hiloso$hie "ird ü-er den 8aum als edingung und 3olge on Erkenntnis seit der!ntike de-attiert. 1as #hema erh/lt im 8ahmen der natur"issenschatlichen undkognitionsorientierten 3orschung groNe !umerksamkeit und -lei-t "eiterhin entral ür die%hiloso$hie. %laton s$richt ü-er den 8aum in seiner Kosmologie im D#imaios und!ristoteles -ehandelt den 8aum als eine Kategorie "ie Rualit/t, Ruantit/t, 8elation, +eit,u-stan etc. Er unterscheidet da-ei "ischen den Mrt (to$os und das )o ($ou. Kant inseiner 8aumlehre in der DKritik der reinen *ernunt deiniert den 8aum und die +eit so"ohlals Dreine !nschauung a $riori und auch als D3orm der !nschauung. )ie das u-Gekt den8aum erkennt, ist in allen $hiloso$hischen %ositionen die 3rage, die ugleich eine dermeta$h9sischen rundragen, d.h. das Lei-7eele7 oder 'aterie7eist7%ro-lem -". das%ro-lem des e"usstseins ist. ie stellt immer noch eine der gr5Nten Herausorderungen ürdie %hiloso$hie dar. m Laue der Jahrhunderte konkurrieren monistische mit dualistischenErkenntnistheorien und die %hiloso$hen, on den *orsokratikern -is u %laton und!ristoteles, "erden Ge nach nter$retation der einen oder anderen 8ichtung ugeordnet. 1asQhristentum -aute au der 1ichotomie "ischen ster-lichem K5r$er und unster-licher eelesein meta$h9sisches 9stem au, das das euro$/ische 1enken nachhaltig $r/gte7. 8enS1escartes "ird gemeinhin als 1ualist -etrachtet, der die eele als res cogitans om K5r$er als

    res e&tensa ent"eit, demnach entscheiden mentale %h/nomene ü-er die $h9sikalischen. 1ermaterialistische 'onismus "iederum, in seiner langen #radition on dem antiken%hiloso$hen 1emokrit ü-er #homas Ho--es -is hin ur egen"arts$hiloso$hie in seiner

    6 1ie Konte&t/nderung kann einen radikalen *erlust der $h9sischen =m"elt -edeuten, "enn sie u einer 5lliganderen Landschat, Klima und Lichterh/ltnisse ührt. 1ass der 'ensch k5r$erlich on der $h9sischen =m"eltmitge$r/gt "ird und dies !us"irkungen au seine $s9chische und soiale Mrganisation hat, ist eine H9$othese,die -ereits in der !ntike ormuliert "urdeC so schrei-t Hi$$okrates ü-er den +usammenhang "ischen

     $h9sischer =m"elt und D#em$erament des 'enschen in seinem )erk D%eri aeron, h9daton, to$on (ü-er)inde, )asser, Mrte. n den neueren oialisationstheorien geht man nicht on einem direkten 1eterminismusaus, sondern es "ird angenommen, dass der =mgang mit der 6atur durch das soiale und kulturelle 9stemermittelt "ird. )as sich in einem selektien Einsat der inne und einer selektie nter$retation der

    innes"ahrnehmungen /uNert.7 !ndere Kulturen stehen or diesem %ro-lem nicht. 1ualistische etrachtungen sind keines"egs uniersell, siesind aus heutiger icht den neueren Erkenntnissen der Kognitions"issenschaten "eniger nah, als diemonistische 9steme mancher sogenannten D"eniger ent"ickelten oder D$rimitien esellschaten.

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    modernen *ersion des %h9sikalismus (Qhurchland ;;A ersteht alle mentalen %h/nomeneals $h9sikalische %h/nomene. 1ieser %osition olgt das %rogramm der 6aturalisierung derErkenntnis, das "angsl/uig mit einem 8eduktionismus au das em$irisch Erass-areer-unden ist. 6ur "as em$irisch ass-ar und Iuantiiier-ar ist, "ird als "irklich -etrachtet.1ies erührt dau, eine dentit/t on )ahrnehmung und )irklichkeit anunehmen8.)ahrnehmung ist allerdings ielmehr ein aktier Konstruktions$roess. !n dieser %ositionorientieren sich heute die Kognitions"issenschaten, "enn sie daon ausgehen, dass der8aum nicht ein -loNer $h9sikalischer eh/lter, sondern ein $s9chokognities Konstrukt ist.)ahrnehmungs$s9chologische E&$erimente eigen, dass .. enternte M-Gekte gr5Ner"ahrgenommen "erden als sie aus o$tisch7$ers$ektiistischen ründen aussehen müssten,a-er natürlich kleiner als sie tats/chlich sind (8oth 200@, .@4. 8aum nehmen "ir ü-er unsergesamtes inns9stem "ahr, or allem a-er ü-er  das isuelle und das H5rs9stem mit demhiermit er-undenen, das r/umliche Em$inden tragenden, leichge"ichtss9stem. 1asisuelle 9stem konstruiert et"a die r/umliche #iee, so dass "ir -is u einer -estimmtenEnternung stereosko$isch sehen k5nnen. M-"ohl das ild au der 6ethaut durch diest/ndigen e"egungen der !ugen, des Ko$es und des K5r$ers er"ackelt, erhalten "irdurch die *errechnungen aller dieser ilder durch das ehirn ein schares ild (8oth 200@,.4@. 1och noch -eor das ehirn die innesreie erar-eiten kann, "erden die inneaugrund on *orannahmen eingesett. =nser ganer )ahrnehmungsa$$arat ist daraueingerichtet, .. gane ereiche on %h/nomenen, die so durchg/ngig sind, dass sie ürunser allt/gliches Le-en und seine edürnisse keine -esondere 8olle s$ielen, u ignorieren()hor ;49.

    olche *orannahmen ühren dau, dass )ahrnehmung mehr als die umme derEm$indungen au lokale 8eie ist, die nur eine 1eskri$tion des 8aumes lieern "ürden. 1ie%h/nomenologie des 8aumes geht daon aus, dass unsere )ahrnehmungDor"issenschatlichen *orannahmen olgt. o unterscheidet Husserl10 "ischen dem 8aumder eometrie und dem 8aum des !lltagsle-ens. 1er erste kann durch o-Gektie *erahrengemessen "erden, der "eite "ird aus dem Konte&t der Le-ens"elt hergeleitet. 1iese istnicht raglos orgege-en, sondern -esitt eine D#9$ik, die als !usgang und Leitaden, alsDurs$rüngliche Eiden ür alles Le-en, ür gegenst/ndliche 1inge und ür u-Gekte und ihreemeinschaten dient. 1ie 8e$r/sentation on 8aum entsteht so im Konte&t der Le-ens"elt,in der der 8aum Derle-t und Dgele-t "ird.

    Das Erleben on Raum

    1as Erle-en on 8aum olgt dieser -esonderen #9$ik der Le-ens"elt -". -estimmter*orannahmen, die sich daraus erge-en. *orannahmen erge-en sich .. aus der Kultur, in dieder 'ensch ge-oren "ird, da er ein s9m-olisches )esen ist, ein Danimal s9m-olicum

    8 !uch -ei der 8aum"ahrnehmung konkurrieren natiistische mit em$iristischen !ns/ten. 1ie einen sehen die3/higkeit, den 8aum u erkennen $h9logenetisch, als ange-oren, die anderen ontologisch, als erlernt an.)/hrend die em$iristischen #heorien um %ositiismus des ehaiorismus ühren und die genaue !--ildungon )irklichkeit ür m5glich halten, ühren die natiistischen #heorien unter anderem ur %h/nomenologie.9 !uch in der "issenschatlichen 3orschung ist die )ahrnehmung immer theoriegeleitet, denn die em$irischenduktion durch unsere inne erasst nicht die gesamte )irklichkeit, sondern geht selekti or (%o$$er ;4.10 Husserls %h/nomenologie des 8aumes, -eginnend mit der *orlesung T1ing und 8aumT on ;0A, sett sichmit der 8aumtheorie Kants auseinander. )/hrend Husserl "ischen Dor7"issenschatlicher undD"issenschatlicher Erahrung trennt, geht Kant daon aus, dass DErahrung als Dem$irische Erkenntnis

     -ruchlos ur "issenschatlichen Erkenntnis ührt (tr5ker ;

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    ('ünch ;;;. Kultur"elten sind 9m-ol"elten11. Qharakteristisch ür das Erle-en on8aum ist die $rache (Qassirer ;@C *9gotski ;AAC Lako>Johnson ;0. !lle $rachen

     -rauchen ne-en dem eitlichen eug der Handlung auch immer r/umlicheMrientierungsmeta$hern12. 3olgt man Kant, ist die 3/higkeit 8aum u erkennen ange-oren13.Eine solche %osition ents$richt dem edürnis der !nthro$ologie, =niersalien, die derattung 'ensch eigen sind, ausindig u machen. 1ie ethnologische und die linguistische3orschung "iederum, in ihrem au em$irischen 1aten -asierenden s9stematischen *ergleichder Kulturen, oen-aren, dass es unterschiedliche 1ei&is79steme, d.h. 9steme desr/umlichen *er"eisens in den erschiedenen $rachen gi-t. =na-h/ngig daon, o- diese nurkonte&ta-h/ngige !us$r/gungen on anthro$ologischen Konstanten sind, oder o- 7 "ie diea$ir7)hor7H9$othese in ihrem radikalen Kulturrelatiismus annimmt 7 es ielmehr dies$rachlichen Kodierungen sind, die das 1enken determinieren, kann estgehalten "erden,dass die )ahrnehmung des 8aumes in enger nterde$enden mit der Kultur steht (Leinson200. o"ohl -ei der !unahme (%ere$tion, als auch -ei der *erar-eitung undnter$retation der innesreie (8e$r/sentation intereniert Kultur. m euro$/ischenKulturkreis olgen !nahl und Hierarchisierung der inne (ehen, H5ren, chmecken,8iechen, #asten der !ristotelischen 9stematik, "o-ei dem ehen die h5chste edeutung

     -eigemessen "ird. 1ie kulturalistische Kritik "endet gegen die ethnologische 3orschung indiesem +usammenhang ein, dass sie ethnoentrisch orgeht und schon -eim eginn Geglicher3eldorschung den methodischen 3ehler -egeht, remden Kulturen unsere innenhierarchie uunterstellen. Ethnologen sammeln ihr em$irisches 'aterial or allem durch sehen und h5ren(.. ragen und -eo-achten und -lenden damit ielleicht andere, ür die on ihnenuntersuchten Kulturen m5glicher"eise "ichtigeren inne aus14. 

    1ie inne "erden also kultura-h/ngig eingesett. Hin"eise darau gi-t auch die %ro&emik,die als relati neues 3orschungsge-iet seit den

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    geschlechtss$eiisch ariieren k5nnen, -estimmen unterschiedliche isuelle 3elder, d.h. "asü-erhau$t gesehen "ird. !uch estik -eeinlusst die )ahrnehmung, ü-er das ehen hinausauch alle anderen inne, .. "as aus der $h9sischen =m"elt ertastet oder an erüchenerasst "ird. 1a durch die e"egung on H/nden und !rmen au -estimmte !-schnitte des8aumes hinge"iesen "ird. Uhnliches gilt ür Ko$nicken, Ko$schütteln und den gesamtenereich der K5r$ers$rache, die ü-er die $h9logenetischen Konstanten hin"eg15 in denerschiedenen Kulturen unterschiedlich ritualisiert und semantisch -elegt "urde. 1er K5r$ersel-st "ird sogar durch die Kultur geormt. 3ür 'erleau7%ont9 (;

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    nicht "ei oneinander getrennte ereiche. estimmte !ns/te derkognitions"issenschatlichen 3orschung sind Kone$ten "ie dem des Dgele-ten 8aumes der

     $h/nomenologischen !nthro$ologie nah18. )/hrend der 8aum der %h9siologie ein -eschrei--arer, mit Mrientierungen nach links, rechts, o-en und unten, und sein Erassen ü-erdas o$tische 3eld, ü-er die K5r$er-e"egungen, die Kali-ration etc. M-Gektkognitions"issenschatlicher 3orschung ist, stellt der Dgele-te 8aum der

     $h/nomenologischen !nthro$ologie ein $r/rele&ies und $r/kognities %h/nomen dar.'erleau7%ont9 (;

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    au das $r/rele&ie Einle-en des 8aumes. 1er erle-te und gele-te 8aum "ird in mentaletrukturen einerlei-t. DUhnlich erl/ut die Erinnerung. n ihr erschmelen M-Gekte und'enschen mit ihren Lokalisierungen an konkreten Mrten u einelnen Elementen, die dann imed/chtnis -e"ahrt "erden und au diese )eise die allt/gliche Konstitution on 8aum

     -eeinlussen (L5" 200, .;;. Hal-"achs (;2, !ssmann (; und andere, ..Qarruthers (;;@ s$rechen daon, dass sich das ed/chtnis an Mrten orientiert.

    Es ist nicht u ü-ersehen, dass $arallel ur Ent"icklung in den Kognitions"issenschatenso"ohl in der !nthro$ologie als auch in den oial"issenschaten der Lei-, als die"ahrnehmende nstan immer mehr in den *ordergrund der #heorie-ildung rückt. DLei-lichesHandeln ist "ar nicht in Gedem 3all ein soiales Handeln, umgekehrt a-er ist soialesHandeln immer ein lei-liches Handeln, da soiales Handeln immer die )ahrnehmung anderer oraussett (uguter 2002, .24. n DLei-, K5r$er und dentit/t unternimmt uguter(2002 den *ersuch, den Lei- in eine dentit/tstheorie u integrieren. Er kritisiert, dass dieidentit/tsreleante 8olle des lei-lichen Em$indens in der soial"issenschatlichen#heorie-ildung -isher un-erücksichtig ge-lie-en ist. 1as lei-liche Em$inden liegt a-er alsor-e"usste und ors$rachliche Erahrung der el-strele&ion u runde und "irkt an derEnt"icklung und !urechterhaltung der dentit/t mit. Er -eieht sich hier-ei au 'erleau7%ont9 (;

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    ü-er die +eit hin"eg. ?-er diesen rundsat herrscht in der soial"issenschatlichendentit/tsorschung Konsens (uguter 2002.

    )enn nach chmit (;;2 die %erson im Hin und Her "ischen $ersonaler 8egressionund $ersonaler Emani$ation entsteht, so geschieht dies in der +eit. 1as, "as in denoial"issenschaten als -iogra$hische dentit/ts-ildung -eeichnet "ird, -edeutet, dass

     Gedes u-Gekt Erahrungen immer nur or dem Hintergrund seiner $ers5nlichenLe-ensgeschichte macht, und dass die Erahrungen, die orher gemacht "urden, -ei der!neignung der neuen Erahrungen releant sind. 1iese Erahrungen sind in der Erinnerungenthalten und sind da-ei umso "ichtiger, Ge st/rker das ndiiduum on diesen lei-lich7aekti -etroen ge"esen ist (uguter 2002. Uhnlich erh/lt es sich mit der Erinnerung anden 8aum. +"ar liegt das lei-liche Em$inden, auch das r/umliche Em$inden des eigenenK5r$ers und des K5r$ers im 8aume, Geder soialen ituation u runde" der 8aum, on demhier die 8ede ist, ist a-er der 8aum aus der $rim/ren oialisation. 1ieser "ird in derErinnerung "irksam, denn es ist anunehmen, dass in dieser %hase der oialisation die

     -asale lei-lich7aektie !nlage, die Dlei-liche 1is$osition einer %erson entsteht. 3ürchmit (;;2 eine lang, mitunter le-enslang andauernde lei-liche rundstimmung, die dieasis ür die dentit/tsent"icklung darstellt.

    Der Migrant im Raum" der Raum im #op$ 

    )enn also der 'igrant sich erinnert, dann ist #eil seines auto-iogra$hischen ed/chtnissesein 8aum, der ür ihn einmal $h9sisch orhanden "ar und mit edeutung, kogniti "ielei-lich7aekti, -elegt "urde. 'it diesem 8aum "ar er $h9sisch er-unden24. 1er 'igranterinnert sich, "eil sein K5r$er (Lei- daon $r/rele&ie $uren tr/gt. Dehlen (;

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    Handeln organisieren, ohne sich au ein e&$liites )issen u -eiehen. Es sind $s9chische,sensomotorische und emotionale 1is$ositionen, die in einem -estimmten soialen 'ilieuinteriorisiert "urden (1escola 200.

    Kogniti ge"endet -edeutet dies, dass "/hrend der oialisation die natürliche, soialeund s9m-olische =m"elt die Ent"icklung der kognitien trukturen -estimmt, diese dann"iederum -estimmen, "as hereingelassen "ird, um erar-eitet u "erden.25. 1as heiNt, dassdie aktuelle 8aum"ahrnehmung on der rüheren 8aum"ahrnehmung a-h/ngig ist" "eil dasaktuelle )issen immer mit Hile des orausgegangenen )issens strukturiert "ird. 1a-eihandelt es sich nicht nur um normationen ü-er den 8aum, sondern um 9steme der8aumkone$tion, die Dumindest -is u einem ge"issen rade auch nach der%rim/rsoialisation erlern-ar (sind V und andere nicht (ent 200, .24. =nd im rundegeht es um diese einmaligen, endgültigen und nicht "ieder erlern-aren !nteile.

     6ach der 'igration ist "ohl anunehmen, dass ür 'igranten der neue 8aum keine 5lligDsatisaktionierende #erritorialit/t darstellt (reerus ;A;, denn 'igranten erügen ü-erkognitie trukturen, die dem neuen 8aum nicht ad/Iuat sind. !uch iele ihrer  nter$retationsraster scheitern -ei der s9m-olischen 1ekodierung des neuen 8aumes. 1ieseH9$othese -esagt Gedoch lediglich, dass das 1enken so"ohl als %rodukt der Erkenntnis alsauch als e$istemologisches *orgehen konte&ta-h/ngig ist. 3/llt der urs$rünglich erle-te($rim/re 8aum "eg, ersagen im neuen Konte&t, umindest teil"eise, die kognitien1is$ositionen. Hieru geh5ren auch die erlernten 8eerens9steme, die der Mrientierung im8aum dienen. ie sind 'arkierungen, die so"ohl unktionale als auch s9m-olisch7emotionaleedeutung ha-en und einigartig sind (.. das Elternhaus, der lockenturm (ollno";eist, der 8aum "ird durch den K5r$er "ahrgenommen, eine *orstellung, die der%h9siologie und der d9namiistischen !uassung in der Kognitions"issenschat sehr nahekommt. 1er 'ensch "ird als ein einiges 9stem usammen mit seiner $h9sikalischen=m"elt erstanden26. 1er 8aum "ird, inkor$oriert oder einerlei-t, #eil des K5r$erschemas.)/hrend das ehirn ein ed/chtnis ü-er den eigenen K5r$er hat (K5r$erschema, hat es inder !useinandersetung mit der allt/glichen )elt ein )issen ü-er den aktuellen +ustand desK5r$ers (K5r$er-ild (childer ;2@. 1as K5r$erschema ist das eugss9stem aller

    25 !ndere kognitions"issenschatlichen %ositionen gehen daon aus, dass das ehirn ein geschlossenes 9stemist, das sel-st die normationen ereugt, die es erar-eitet ('aturana%*arela ;A.26  Eine 8eihe on !ns/ten einer DEm-odied Qognitie cience ersuchen das *erh/ltnis "ischenDK5r$er"issenW und kognitiem )issen u kl/ren (gl. *arela>#hom$son>8osch ;;.

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    r/umlichen eiehungen ür die )elt auNerhal- des K5r$ers27. 1as K5r$erschema "ird durchalle innesem$indungen om /uNerlichen 8aum und durch die Em$indungen durch unsereMrgane u einem esamt-ild usammengeügt (Joraschk9 ;@. )ie o-en er"/hnt, "irdangenommen, dass K5r$er, K5r$er-ild und K5r$erschema in einer triangul/ren trukturinteragieren28. Eine *er/nderung oder t5rung im r/umlichen eugss9stem des K5r$erser/ndert das K5r$er-ild, das nicht mehr in ?-ereinstimmung mit dem r/umlicheneugss9stem des K5r$erschemas steht (8oth 200@. 1a Erinnerung auch immer einenk5r$erlichen eug (in der %h9siologie &neuronales u-strat' hat, k5nnte man dieH9$othese austellen, dass das K5r$erschema des 'igranten, ("ie das Gedes 'enschen sichau den 8aum seiner $rim/ren oialisation -eieht. 3/llt dieser "eg, k5nnte man in !nalogieum Konstrukt: K5r$er, K5r$er-ild und K5r$erschema annehmen, dass 7 -ildlich ges$rochen7 dies u eine !rt D%hantomschmer29 ührt ('etinger ;;. 1ieses eühl des *erlustesk5nnte die =rsache ür die 6ostalgie des 8aumes sein, die "egen der*ergangenheitsorientierung alter 'enschen und der der 'igration olgenden #rennung omurs$rünglichen 8aum30 -ei alten 'igranten -esonders stark orkommt! 

    (iteratur

    !rndt, Hans )erner (;4: 'erleau7%ont9, 'aurice: 1as !uge und der eist, Ham-urg!ssmann, Jan (;: Kollekties ed/chtnis und kulturelle dentit/t. n: !ssmann,

    Jan>H5lscher, #onio (Hrsg.: Kultur und ed/chtnis, 3rankurt>'ain, .;7;ergson, Henri (;2: 'aterie und ed/chtnis, 3rankurt>'ainollno", Mtto 3. (;

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    und 1enken. n: )hor, enGamin Lee: $rache 7 1enken 7 )irklichkeit. eitr/ge ur'etalinguistik und $rach$hiloso$hie, 8ein-ek 

    +"ingmann, Qharles (;