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Medien. Migranten TEXT: HARRY ROSENBAUM Ohne Gesicht Obwohl ein Viertel der Schweizer Bevölkerung Migranten sind, wird über sie mehrheitlich negativ berichtet, wenn überhaupt. Auch unter den Journalisten Sbt es nur wenige mit Migratiohs- hintergrund. Verschiedene lnitiativen wollen das ändern. ,,Das ist meine erste Kolumne. Aus diesem in Rheineck", fährt er mit seiner Vorstel- Grund habe ich mir gedacht, dass ich euch lung fort. ,,Da meine Mutter schon ein Jahr zuerst ein wenig über mich erzähle: Mein vor uns hier war, konnte ich mit meinen Name ist Yonas Gebrehiwet. Ich komme drei Brüdern per Familiennachzug in die aus Dekemhare in Eritrea und bin 18 Jahre Schweiz kommen. Ich bin der Zweitältes- alt" - mit diesen Worten startet der junge te. Als ich hier ankam, war alles total neu: Mannseine journalistischeLaufbahnbeim die Kultur, die Sprache, die Leute usw. Ostschweizer Kulturmagazin ,,Saiten", wo Doch ich wollte mich so schnell wie mög- er künftig als Kolumnist in Erscheinung lich integrieren und die fremde Sprache treten wird. ,,Seit September 2011 lebe ich beherrschen. " Der Eritreer absolviert das zweite Lehrjahr als Textiltechnologe. Er gibt unprätentiös Einblick in sein Leben und macht so seine Situation als junger Migrant auf menschliche und auch amüsante Weise erfahrbar. ,,Am tufang ging es aber nicht so einfach mit der Sprache", schreibt er.,,Den Grund dafiir habe ich erst nach ein paar Monaten herausgeftrn den: Es war das Schweizerdeutsch." Corinne Riedener, Redaktorin beim ,,Saiten" -Magazin in St. Gallen, engagiert sich für den Medienzugang eritreischer Migranten und arbeitet in einer Projektgruppe. Daran beteiligt sind einheimische Medienschaffen- de undleute derJugendgruppe des Schwei- zer Zweiges des Eritrean Movement for Soli- darity and National Salvation (EVSNS). Zusammen haben sie eine Projektskizze fur einen Medienbund erarbeitet, der crossme- dial und transkulturell arbeiten soll. ,,Die Eritreerinnen und Ertitreer sollen mit unserer Hilfe befähigt werden, ihre Anliegen in den Schweizer Medien selber vertreten zu kön- nen", sagt Riedener. ,,Vor allem gilt es, Sprachbarrieren zu überwinden, damit die jungen Menschen von den Medien überhaupt wahrgenommen werden. Zu diesem Zweck wollen wir ein eritreisches Team aus allen Teilen der Schweiz auf die Beine stellen, das sich künftig selbstbewusst, kompetent und aktiv um die Öffentlichkeitsarbeit ktimmern kann - im Guten wie im Schlechten." Mit Unterstützung verschiedener Journalisten, Filmemacher, KüLnstler und Fachleuten sollen die Eritreer die Medienweltund ihre Spielre- geln kennenlernen, sichaustauschenund sich das Handwerk zulegen, um ihre eigenen Bot schaften zu vermitteln und sich im medialen Getöse Gehör zu verschaffen. Ohne Hilfe von anderen. Schweizer Medien vernachlässigen die Mi- granten, auch wenn sie fast ein Viertel der Bevölkerung ausmachen. Das belegen vier Studien, die in den letzten sieben Jahren er- schienen sind. Die Untersuchungen kommen zum Schluss, dass über Migranten mehrheit- lich negativ berichtet wird, meistens im Zu- sammenhang mit Einwanderung, Asyl, Kri- minalität und Terrorismus. Nur selten lassen die Medien sie selbst zu Wort kommen. Die Publizistikstudenten Pascal Dietrich, Tobias Füchslin und Sandro Geisshüsler haben sich in ihrer Studie ,,Integration durch die Presse" mit dem Migranten-Bild im ,,Blick", in der ,,NZZ" und in den SRF-Nachrichtensendun- gen befasst. Ihr Fazit: Die untersuchten Me- g d U F o 4 - z d @ z I o o ,,Kaum erkennbar": Migranten sind in der Berichterstattung unterrepräsentiert, sasen Studien. 56 I SCHWEIZER IOURNALIST +06-07/201s

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Medien. Migranten

TEXT: HARRY ROSENBAUM

Ohne GesichtObwohl ein Viertel der Schweizer Bevölkerung Migranten sind,wird über sie mehrheitlich negativ berichtet, wenn überhaupt.Auch unter den Journalisten Sbt es nur wenige mit Migratiohs-hintergrund. Verschiedene lnitiativen wollen das ändern.

,,Das ist meine erste Kolumne. Aus diesem in Rheineck", fährt er mit seiner Vorstel-Grund habe ich mir gedacht, dass ich euch lung fort. ,,Da meine Mutter schon ein Jahrzuerst ein wenig über mich erzähle: Mein vor uns hier war, konnte ich mit meinenName ist Yonas Gebrehiwet. Ich komme drei Brüdern per Familiennachzug in dieaus Dekemhare in Eritrea und bin 18 Jahre Schweiz kommen. Ich bin der Zweitältes-alt" - mit diesen Worten startet der junge te. Als ich hier ankam, war alles total neu:Mannseine journalistischeLaufbahnbeim die Kultur, die Sprache, die Leute usw.Ostschweizer Kulturmagazin ,,Saiten", wo Doch ich wollte mich so schnell wie mög-er künftig als Kolumnist in Erscheinung lich integrieren und die fremde Sprachetreten wird. ,,Seit September 2011 lebe ich beherrschen. "

Der Eritreer absolviert das zweite Lehrjahrals Textiltechnologe. Er gibt unprätentiösEinblick in sein Leben und macht so seineSituation als junger Migrant auf menschlicheund auch amüsante Weise erfahrbar. ,,Amtufang ging es aber nicht so einfach mit derSprache", schreibt er.,,Den Grund dafiir habeich erst nach ein paar Monaten herausgeftrnden: Es war das Schweizerdeutsch."

Corinne Riedener, Redaktorin beim,,Saiten" -Magazin in St. Gallen, engagiert sichfür den Medienzugang eritreischer Migrantenund arbeitet in einer Projektgruppe. Daranbeteiligt sind einheimische Medienschaffen-de undleute derJugendgruppe des Schwei-zer Zweiges des Eritrean Movement for Soli-darity and National Salvation (EVSNS).Zusammen haben sie eine Projektskizze fureinen Medienbund erarbeitet, der crossme-dial und transkulturell arbeiten soll. ,,DieEritreerinnen und Ertitreer sollen mit unsererHilfe befähigt werden, ihre Anliegen in denSchweizer Medien selber vertreten zu kön-nen", sagt Riedener. ,,Vor allem gilt es,Sprachbarrieren zu überwinden, damit diejungen Menschen von den Medien überhauptwahrgenommen werden. Zu diesem Zweckwollen wir ein eritreisches Team aus allenTeilen der Schweiz auf die Beine stellen, dassich künftig selbstbewusst, kompetent undaktiv um die Öffentlichkeitsarbeit ktimmernkann - im Guten wie im Schlechten." MitUnterstützung verschiedener Journalisten,Filmemacher, KüLnstler und Fachleuten sollendie Eritreer die Medienweltund ihre Spielre-geln kennenlernen, sichaustauschenund sichdas Handwerk zulegen, um ihre eigenen Botschaften zu vermitteln und sich im medialenGetöse Gehör zu verschaffen. Ohne Hilfe vonanderen.

Schweizer Medien vernachlässigen die Mi-granten, auch wenn sie fast ein Viertel derBevölkerung ausmachen. Das belegen vierStudien, die in den letzten sieben Jahren er-schienen sind. Die Untersuchungen kommenzum Schluss, dass über Migranten mehrheit-lich negativ berichtet wird, meistens im Zu-sammenhang mit Einwanderung, Asyl, Kri-minalität und Terrorismus. Nur selten lassendie Medien sie selbst zu Wort kommen. DiePublizistikstudenten Pascal Dietrich, TobiasFüchslin und Sandro Geisshüsler haben sichin ihrer Studie ,,Integration durch die Presse"mit dem Migranten-Bild im ,,Blick", in der,,NZZ" und in den SRF-Nachrichtensendun-gen befasst. Ihr Fazit: Die untersuchten Me-

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,,Kaum erkennbar": Migranten sind in der Berichterstattung unterrepräsentiert, sasen Studien.

56 I SCHWEIZER IOURNALIST +06-07/201s

IT IT, f Prozent: Bei der Berichterstattung über

"J 2 Ausländer kommen MigranLen nur in: : 22prozentder Beiträgäselbstzu wort.

dien behindem durch die negative Darstellungder Migranten deren Integration mehr, alsdass sie sie fördern.

Das Institut Publicomuntersuchte in seinerStudie ,,Analyse der Radioprogramme derSRG SSR" 14 SRG-Radios in allen tandesteilenund kommt zum Schluss: ,,Der Beitrag dermeisten SRG-Radios zur Integration der Aus-länder ist - zumindest, was die Thematisie-rungsleistung anbelangt - kaum erkennbar. "Die internationale Beratungsfirma Media Tenor veröffentlichte kurz vor der Volksabstim-mung über die Einwanderungsinitiative dieStudie ,,Ausländerbild in Schweizer Medienverschffi SVP-Initiative Rückenwind". Me-dia Tenor kommt zum Schluss, dass in überBo Prozent aller SRF-Nachrichten seit 2006,in denen von Auslindern die Rede war, diesevorrangig als Problem präsentiert werden.Der Zürcher Publizistikprofessor Heinz Bon-fadelli stellt in der Studie ,,Migration, Medienund Integration" fest, dass Radio und Fern-sehen, egal ob SRG oder Private, Migrantengegenüber Schweizern ,,fast schon systema-tisch ungleich behandeln". Bei der Berichterstattung über Ausländer kommen Migran-ten nur in22Prozent, Schweizer jedoch in68 Prozent der Beiträge zuWort, stellt Bon-fadelli fest.

Tendenziell treffe es immer noch zu, dass inden Medien Migranten selten selbst zu Wortkämenundmehrheitlichin einnegatives Lichtgerückt wtfu:den, sagt Bonfadelli.,,Immerhinfindet man heute in Zeitungen und Zeitschrif-ten vermehrt auch Artikel oder Porträts, wel-che sich mit demleben einzelner Migrantenin der Schweiz und mit ihren Integrationsbe-mühungen beschäftigen. Im Kontext derKriegssituationin Synienistdas'Ihema Flüctrt-lingselend zudem stärker thematisiert wor-den. Bei den Medienschaffenden hat sich dieSensibilität gegenüber dem Thema sichererhöht. " - Trotzdem, woher kommt das ver-breitete Negativ-Image? ,,In der Kommunikationswissenschaft gehen wir davon aus,dass Medien Themen und Ereignisse aufgrundihres Nachrichtenwerts auswählen und be-werten", sagt Bonfadelli. Tendenziell orien-tiere sich dabei die journalistische Aufmerk-samkeit am Faktor ,,Negativität", also anAbweichung, Gewalt, Ikiminalität, Skandal.Sicher spiele dabei auch eine Rolle, dass nursehr wenige Medienschaffende in der Schweizüber einen Migrationshintergrund verfiigten.

Das MAZ in Luzern beschäftige sich nichtexplizit in einem Kurs mit Migration, baue

das Thema aber in verschiedene Kurse undProjekte ein, sagt Studienleiter Bernd Merkel.,,Ein Beispiel ist das neu lancierte Real21, woes um die Auslandberichterstattung und dieFörderung von Themen um die globale Ent-wicklung geht. Dort kommt Migration zurSprache. Ebenso in den seit Jahren laufendenDEZA-Stages, wo die Studierenden auf einerRedaktion im Ausland arbeiten. Und auchder vom MAZ mitgetragene internationaleMasterstudiengang New Media Journalismbaut explizit auf leinder- und kulturtibergrei-fende Ausbildung", sagt Merkel. Im Unter-richt gehe es vor allem im Kurs ,,Medien-ethik" um Fairness und all jene Gebote, dieeinen qualitativ hochstehenden und saube-renJournalismus ausmachten, sagt der MAZStudienleiter weiter. ,,Dort wird auch dieFähigkeit geschult, diskriminierende Aus -serungen zu erkennen und ihre Auswirkun-gen zu erörtern."

Migrant oder Ausliänder?lnaPapazoglou (+z). neaattorin bei derZeit-schrift ,,Wohnen", hat eine Schweizer Mutterund einen Griechen als Vater. Weil sie in derSchweiz aufgewachsen ist, fühlt sie sich mehr-heitlich als Einheimische. Migration habe inihrer Wahrnehmung keine Rolle gespielt.,,Dass ich als Arbeiterkind ans Gymnasiumging und anschliessend studierte, war hinge-gen ziemlich unüblich", sagt Papazoglou.,,Ichdenke, ich habe von zwei Faktoren profitiert:Erstens war meingriechischer Name damalseher positiv konnotiert, im Vergleich zu an-deren Menschen aus dem Balkan. Zweitensspreche ich lupenreines Züridütsch mit vielenalten Dialektausdrticken, die ichvon meinerSchweizer Grossmutter habe. " Die Zeitschrif-tenjournalistin hat wegen ihres Namens aberauch schon negative Erfahrungen gemacht.,,Ich erhielt anon;nne SchreibenaufgrundvonArtikeln zu Abstimmungsresultaten. Diesewurden mir zugeschickt, mit roter Einrah-mung meines Namens und mit dem hand-schriftlichen Vermerk dazu, ich solle ambesten dahin zurückkehren, woher ich kom-me", sagt sie.

Toprak Yerguz (+r) wurde als Sohn einestü,rkischen Vaters und einer schweizerischenMutter in Ankara geboren. 1978 zog die Fa-milie in die Schweiz. Nach dem Studium ar-beitete Yerguz zunächst als freier Journalistfür die Tagespresse und ist heute Leiter undChefredaktor der Abo-Zeitungen des BaslerReinhardt Verlags . Seiner Meinung nach wird

lligrationsmüde: Toprak Yerguz (at), Chefredaktor derAbo-Zeitungen des Basler Reinhardt Verlags sagt: ,,DerBegriff Migration ruft bei der Leserschaft mittlerweileLangweile hervor, weil es sich um einen vornehmlichvon Verwaltungsstellen und Akademikern verwende-ten Begriff handelt."

die Migration in den Schweizer Medien aus-reichend behandelt.,,Aber die Qualitait dürf-te durchaus noch ein bisschen zunehmen",sagt Yerguz. Die Medien müssten über das,,Wir werdenvon den Fremden überrannt" -Muster hinausgehen. ,,Ichglaube auch, dassder Begriff Migration bei der Leserschaft mittlerweile Langweile hervorruft, nicht zuletzt,weil es sich um einen vornehmlich von Verwaltungsstellen und Akademikern verwen-deten Begriffhandelt."

Elsbeth Steiner, Redaktorin der Zeitschrift,,Terra Cognita", die von der EidgenössischenKommission ftir Migrationsfragen (UfU)he-rausgegeben wird, sieht noch ein anderesProblem: ,,Weil die Sprache bei den Mediendas Wichtigste ist, sind sie ftir Migranten derersten Generation meistens ausser Reichwei-te", sagt sie. ,,Bei Migranten der zweiten Ge-neration ist es anders. Sie haben Zugang zuden Medien. Vor allem die SRG setzt sich da-für ein. In Deutschland haben sich Medien-schaffende mit Migrationshintergrund in derGruppe Neue deutsche Medienmacher zu-sammengeschlossen und sorgen mit ihrenkulturellen und sprachlichen Kompetenzenund W'urzeln fti,r mehr \telfalt in den Medien.In der Schweizwäre ein Zusammenschlussdieser Art wünschbar. "

HARRY ROSENBAUMist freier.lournalisi in Si. Gallen.

harry.rosenbaumpbluewin.ch

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