HEINRICH GEDDER -T RECH UNTD MORAL...HEINRICH GEDDER -T RECH UNTD MORAL Schriften zu Rechtsthr e...

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  • HEINRICH GEDDERT - RECHT UND MORAL

  • S c h r i f t e n z u r R e c h t s t h e

    Heft 111

  • Recht und Mora l Zum Sinn eines alten Problems

    Von

    Heinrich Geddert

    D U N C K E R & H U M B L O T / B E R L I N

  • Gedruckt m i t Un te rs tü tzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

    CIP-Kurzt i telaufnahme der Deutschen Bibl iothek

    Geddert, Heinrich: Recht und Moral: Zum Sinn e. alten Problems/ von Heinrich Geddert. — Berl in: Duncker und Humblot, 1984

    (Schriften zur Rechtstheorie; H. 111) ISBN 3-428-05631-0

    NE: GT

    Alle Rechte vorbehalten © 1984 Duncker & Humblot, Berlin 41

    Gedruckt 1984 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

    ISBN 3-428-05631-0

  • Inhaltsverzeichnis

    Vorwort 9

    0. Einleitung: Rechtsphilosophie als Sinnklärung — Was ist der Sinn der Frage nach dem Verhältnis von Recht und Moral? 12

    0.1 Sinnklärung als Aufgabe der Philosophie 12 0.11 Empirischer Sinn 18 0.111 Ethische Sätze 20 0.12 Philosophischer Sinn — Philosophie und Linguistik 21 0.121 Reflexivität der Philosophie 25 0.122 Praktische Bedeutung der Philosophie 26 0.13 Die Begriffe „sinnlos", „unsinnig" und „Scheinproblem" 28 0.2 Inwiefern ist die Frage nach dem Verhältnis von Recht und Moral

    sinnvoll? - Beschränkung der Fragestellung dieser Untersuchung ... 31 0.21 Theoretischer und unmittelbar praktischer Sinn 31 0.22 Deskriptive und normative Theorien zum Verhältnis von Recht und

    Moral 32 0.23 Eine Klassifikation aller Fälle, in denen das Verhältnis von Recht und

    Moral unmittelbare praktische Bedeutung hat 34 0.24 Das traditionelle Problem der Verhältnisbestimmung 36 0.3 Programm dieser Untersuchung 39

    1. Die traditionellen rechtstheoretischen Unterscheidungen zwischen Recht und Moral: Recht und Moral als spezifische Normen-komplexe 41

    Vorüberlegungen 41 1.1 Die Normativität von Recht und Moral 43 1.11 Recht und Moral als Normenkomplexe 43 1.12 Einige Bedeutungen von „Norm" — Recht und Moral als präskrip-

    tive Normen 49 1.13 Präskriptivität und Verbindlichkeit — Zur Unterscheidung zwischen

    internem und externem Standpunkt 61 1.131 Die Unterscheidung zwischen internem und externem Standpunkt im

    Erkennungssinn 63 1.1311 Exkurs: „Erklären" und „Verstehen" menschlicher Handlungen .. 65 1.132 Die Unterscheidung zwischen internem und externem Standpunkt im

    Wertungssinn 69

  • 6 Inhalt

    1.133 Zum Begriff der Regelbefolgung 73 1.134 Der Begriff der Präskriptivität 77 1.14 Rechtfertigung des präskriptiven Normbegriffs 78 1.141 Exkurs: Freiheit oder Determinismus 81 1.2 Ein Katalog möglicher Kriterien zur Unterscheidung von Recht und

    Moral 86 1.21 Der Ursprung der Norm 90 1.211 Gesetzte und ungesetzte Normen 91 1.212 Verschiedene Normgeber 95 1.2121 Staat und Gesellschaft I 95 1.2122 Autonome und heteronome Normen 104 1.21 Zusammenfassung 107 1.22 Der Geltungsgrund der Norm 107 1.221 Unterschiedliche Geltungsgründe von Recht und Moral als Normen-

    komplexen ' 111 1.2211 Normen ohne Geltungsgrund — der Begriff der „absoluten

    Geltung" 114 1.2212 Das Verhältnis unterschiedlicher Geltungsmodi von Recht und

    Moral zueinander 116 1.2213 Autonomie und Heteronomie 118 1.222 Unterschiedliche Geltungsgründe einzelner Rechts- bzw. Moralnor-

    men 125 1.22 Zusammenfassung 129 1.23 Der Regelungsgegenstand der Normen 130 1.231 Äußere Handlungen — innere Gesinnung 130 1.232 Recht regelt das Gemeinschaftsleben, Moral das Individualleben 140 1.2321 Recht und Moral dienen verschiedenen Zwecken 144 1.233 Staat und Gesellschaft II — Recht und Moral regln verschiedene

    soziale Rollen 145 1.2331 Verschiedene Normadressaten 155 1.2332 Verschiedene Arten des geregelten Sollens 158 1.23 Zusammenfassung 160 1.24 Die Form der Normen 160 1.241 Rechtsnormen verbieten, Normalnormen gebieten 162 1.242 Rechtsnormen sind imperativ-attributiv, Moralnormen nur impera-

    tiv; Rechtsnormen berechtigen, Moralnormen verpflichten 163 1.243 Rechtsnormen sind hypothetische Imperative, Moralnormen unbe-

    dingte Imperative 167 1.2431 Rechtsnormen sind Mittel, Moralnormen Zwecke 170 1.2432 Rechtsnormen gebieten eine Sanktion zu verhängen, Moralnormen

    nicht 171 1.244 Die Komplexe Recht und Moral haben unterschiedliche formale

    Eigenschaften 174 1.24 Zusammenfassung 175 1.25 Die Reaktion auf die Verletzung der Normen 176 1.251 Recht und Sanktion 176

  • Inhalt

    1.252 Unterschiedliche emotionale Raktionen auf Normverletzungen .. 184 1.25 Zusammenfassung 186 1.2 Zusammenfassung und einige Bemerkungen zum Verhältnis der ver-

    schiedenen Unterscheidungsgesichtspunkte zueinander 186

    2. Zur Angemessenheit unterschiedlicher Begriffe von Recht und Moral — Was an dem Verhältnis von Recht und Moral ist analytisch und was empirisch? 190

    2.1 Die Unterscheidung zwischen empirischem und analytischem Zusam-menhang 193

    2.11 Quines Kritik an der Unterscheidung „empirisch — analytisch" .. 195 2.12 Die Grenzen der Definitionsfreiheit 196 2.2 Theorie und Wirklichkeit - Das Problem der praktischen Unterschei-

    dung zwischen begrifflicher (analytischer) und empirischer Ebene .. 199 2.3 Zur Frage nach der Realität von Normen 211 2.4 Naturrecht oder Rechtspositivismus - Das „Hitler-Argument" 217 2.41 Verfehlt der Rechtspositivismus das Wesen des Rechts? 218 2.42 Ist der Rechtspositivismus unzweckmäßig? 225 2.421 MißVerständlichkeit als Zweckmäßigkeitskriterium 233 2.5 Die begriffliche Beziehung von Recht und Moral als normatives Problem 236

    3. Lassen sich Normen begründen? 241 3.1 Lassen sich Normen erklären? 242 3.11 „Erklärung" 243 3.111 „Deduktiv-nomologische Erklärungen" 243 3.112 „Induktiv-statistische Erklärungen" 245 3.113 Geisteswissenschaftliche Erklärungen 246 3.1131 Erklärung und Praktischer Syllogismus 251 3.12 Lassen sich Normen erklären? 256 3.2 Lassen sich Normen begründen? 257 3.21 „Begründung" (im engeren Sinn) 257 3.22 Normative — empirische Begründung 260 3.221 Zum Verhältnis von Sein und Sollen 261 3.222 Sind Normen wahrheitsfähig? 266 3.23 Endlichkeit von Begründung 272 3.231 Unmöglicher Weltbildrelativismus 275 3.24 Lassen sich Normen begründen? 284 3.3 Lassen sich Normen rechtfertigen? 286 3.31 „Rechtfertigung" 286 3.311 Rechtfertigung und Interaktion 288 3.32 Lassen sich Normen rechtfertigen? 292

  • 8 Inhalt

    3.321 Die theoretische (logische) Möglichkeit der Rechtfertigung von Nor-men 292

    3.3211 Die logisch mögliche Rechtfertigung von Normen — Ein Modell 295 3.3212 Die Subjektivität des Einigungsgewinns — Lagebeschreibung und

    Präferenzen 299 3.3213 Die Sicherheit des Einigungsgewinns — das Gefangenen-

    Dilemma 304 3.322 Die empirische Möglichkeit der Rechtfertigung von Normen . . . . 307 3. Zusammenfassung 30$

    4. Der Sinn der Frage nàch dem Verhältnis von Recht und Moral. Zusam-menfassung der Ergebnisse dieser Untersuchung und einige Andeutun* gen zur materialen Diskussion über einen angemessenen normativen Rechtsbegriff 311

    Anhang

    1. Literatur zum Verhältnis von Recht und Moral 315 2. Literatur zur Begründung von Normen 328

    Namen- und Sachregister 335

  • Vorwort

    In Diderots „Gespräch eines Vaters mit seinen Kindern" gibt es eine Stelle, die das Problematische am Verhältnis von Recht und Moral in vorzüglicher Weise zusammenfaßt. Nach einer längeren Diskussion über verschiedene Beispiele schwer entscheidbarer Fälle im Grenzbereich von Recht und Moral geht der Vater zu Bett. „Als ich an der Reihe war, ihm gute Nacht zu sagen und ihm seinen Kuß zu geben, flüsterte ich ihm ins Ohr: Lieber Vater, im Grund genommen gibt es keine Gesetze für den Weisen ... Sprich leiser ... Da es von allen Gesetzen Ausnahmen gibt, bleibt es ihm überlassen, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob man sich dem Gesetz zu unterwerfen hat oder ob man sich darüber hinwegsetzen darf. Ich hätte nichts dagegen, antwortete er mir, wenn es in der Stadt ein oder zwei Bürger wie dich gäbe; aber ich würde dort nicht wohnen wollen, wenn alle so dächten." *

    Mein Interesse an der Frage nach dem Verhältnis von Recht und Moral entstammt einem ursprünglichen Interesse an der Frage nach der Begrün-dung, Entstehung und Durchsetzung von Normen — und zwar ungefähr in dieser Reihenfolge, sofern man bei miteinander zusammenhängenden Fra-gen überhaupt von einer Reihenfolge sprechen kann. Die Überschrift „Recht und Moral" schien mir geeignet, diesem ursprünglicheren Interesse nachzu-gehen; in dieser Erwartung wurde ich nicht enttäuscht. Allerdings mußte ich bald feststellen, daß sie ein gar zu weites Feld umschreibt. Es gibt praktisch kein rechtsphilosophisches Problem, das nicht irgendwie mit diesem Ver-hältnis zusammenhängt. Daher war ich in mehrfacher Hinsicht zu Ein-schränkungen und UnVollständigkeiten gezwungen.

    Eine erste und wichtige Einschränkung ergibt sich aus dem Untertitel. Ich versuche nicht, die Frage nach dem Verhältnis von Recht und Moral zu beantworten, sondern ich untersuche das Problem, wie mögliche Antworten auf diese Frage aussehen könnten. Diese Beschränkung ist mir schwer gefallen, denn die Untersuchung von mehr oder minder aktuellen Problemen mit dem Ziel unmittelbarer Handlungsorientierung ist in mancherlei Hin-sicht spannender. Sie erlaubt es nicht nur, in aktuellen politisch-moralischen Diskussionen dezidiert Stellung zu beziehen, sondern sie ist auch mit der Erörterung von „Sachfragen" verbunden, ermöglicht es also, ins empirische Detail zu gehen. Beides trägt dazu bei, daß man bei einer materialen ethi-

    • Denis Diderot: Gespräch eines Vaters mit seinen Kindern, München 1978, S. 61.

  • 10 Vorwort

    sehen Diskussion sehr viel genauer weiß, mit wem man worüber streitet, als wenn man über den Sinn eines solchen Streits nachdenkt. Gerade in Anse-hung der Diskussion über das Verhältnis von Recht und Moral scheint es mir jedoch notwendig, den theoretischen Rahmen, innerhalb dessen man sinn-voll streiten kann, umfassend zu klären, denn dies ist noch nicht in ausrei-chendem Maße geschehen.

    Auch innerhalb des durch diese thematische Beschränkung gesetzten Rah-mens gibt es noch eine solche Vielzahl von Problemen, daß ich mich häufig zu einer kursorischen Behandlung gezwungen sah. Es wäre eine Kleinigkeit, etwa den Teil über die Begründbarkeit von Normen auf ein Mehrfaches seines jetzigen Umfangs zu erweitern. Meinem ursprünglichen Arbeitsplan nach sollte er z.B. noch eine ausführliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Varianten der Diskurstheorie enthalten. Hier wie an vielen anderen Stellen mußte ich mein Vorhaben beschränken. Trotzdem hoffe ich, daß man über das, was ich geschrieben habe, diskutieren kann, ohne sogleich über das reden zu müssen, was ich nicht geschrieben habe. Im übrigen gestehe ich natürlich sofort zu, daß man auch andere Schwerpunkte setzen könnte.

    Die von mir behandelten Fragen stehen in einem systematischen Zusam-menhang. Wenn ich mich auch nicht in der Lage fühle, ein rechtsphilosophi-sches System zu entwerfen, so glaube ich doch, daß der hier vorgelegte Text so etwas wie die Vorarbeit zu einem solchen System darstellt. Daß so etwas wie systematisches Philosophieren heute noch möglich ist, wird vielfach bestritten. Daran ist sicherlich wahr, daß wir heute die Schwierigkeiten solcher Versuche genauer kennen als die vorkritischen Philosophen. Aber solange Philosophie mit dem Anspruch antritt, intersubjektiv verständliche und überprüfbare wahre Sätze aufzustellen, ist sie systematische Philoso-phie, ob sie diesen Anspruch nun einlöst oder nicht. Der philosophische Wahrheitsanspruch selbst ist eine Tatsache, und als solche unterliegt er weder einer Rechtfertigung noch einer Krit ik — er wird sich wohl ebensowe-nig wie der Sündenfall anders rückgängig machen lassen als durch das jüngste Gericht.

    Nach dem bisher Gesagten wird es kaum überraschen, daß von Anfang an die Wahl eines geeigneten Ausgangspunktes, die Organisation meiner Gedanken und die Auswahl der ausdrücklich behandelten Fragen meine Hauptprobleme waren. Es gibt keinen unbezweifelbaren Ausgangspunkt für die Behandlung von Fragen der hier gestellten Art; die in jedem Ausgangs-punkt enthaltenen Voraussetzungen lassen sich nicht unabhängig von den Ergebnissen rechtfertigen. Das spätestens seit Hegel allbekannte Problem des Anfangs läßt keine unter allen Bedingungen richtige Lösung zu. Weder können anspruchsvolle Theorien auf wenige grundlegende Hypothesen zurückgeführt werden, noch ist innerhalb solcher Theorien der Ableitungs-

  • Vorwort

    Zusammenhang so eindeutig, daß man strikt zwischen Voraussetzungen und Schlußfolgerungen unterscheiden kann.

    Vor einem solchen Hintergrund wird die Wahl des Ausgangspunktes und der Richtung der Argumentation zu einer praktischen Frage. Es gilt, beides so zu bestimmen, daß es für den Leser möglichst von Anfang an plausibel ist. Da es jedoch den Leser nicht gibt, nicht einmal als eine Durchschnittsgrößc, wird jeder Autor sich mehr oder weniger eindeutig an sein Publikum wenden, d.h. an Menschen, die in ähnlichen Denktraditionen aufgewachsen sind wie er selbst, ähnlichen Richtungen zuneigen etc. Bei mir bedeutet das eine merkwürdige Mischung aus idealistischer und analytischer Philosophie — wobei ich selbst diese Mischung natürlich nicht als „merkwürdig", sondern als sachgerecht empfinde. Es ist hier nicht der Ort, diesen irgendwo zwischen Autobiographie und Philologie angesiedelten Fragen weiter nachzugehen. Ich wollte nur deutlich machen, welcher Art die Probleme waren, die ich bei der Gliederung dieses Buches hatte, um auf diese Weise sowohl allzu heftiger Krit ik seitens derjenigen, die sie nicht überzeugend finden werden, als auch allzu heftigem Lob der Gegenseite — die es hoffentlich auch geben wird — den Boden zu entziehen.

    Da ich nicht damit rechnen kann, daß jeder Leser alle von mir behandelten Fragen interessant finden wird, habe ich mich bemüht, meine Kapitel als in sich verständliche — wenn auch natürlich aufeinander verweisende — Stel-lungnahmen zu abgrenzbaren Problemen zu formulieren. Dabei habe ich in gewissem Umfang auch Wiederholungen in Kauf genommen. Meine Absicht war es, meine Gedanken so um bekannte Problemstellungen herum zu gruppieren, daß auch ein eiliger Leser schnell das findet, was ich zu den Fragen zu sagen habe, die ihn interessieren. Daß auch insoweit nur ein Kompromiß möglich ist, versteht sich von selbst.

    Schließlich noch ein Wort zu Sprache: Ich habe mich um eine einfache Ausdrucksweise bemüht. Dennoch stelle ich bei der Lektüre meiner Texte fest, daß sie nicht einfach zu verstehen sind. Ich kann nur hoffen, daß sich hierin Schwierigkeiten der Sache widerspiegeln und nicht Unklarheiten mei-nes Denkens. Einige solcher Unklarheiten sind mir bei Überarbeitungen aufgefallen, und ich habe mich bemüht, sie zu beseitigen. Besonderen Dank schulde ich in diesem Zusammenhang Prof. Dr. Kulenkampff, mit dem ich eine große Anzahl von Problemen diskutieren konnte und dessen scharfsin-nige Krit ik mir immer wieder Anlaß zu Präzisierungen und Korrekturen war. Die Liste der Freunde und Bekannten, die mir in der einen oder anderen Weise geholfen haben, ist zu umfangreich, um sie hier abdrucken zu können. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Buches trage ich allein.