Herausgeber Aus dem Inhalt - Zeitschrift für … · Bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder beim...

64
ZUR Zeitschrift für Umweltrecht Das Forum für Umwelt- und Planungsrecht Aus dem Inhalt Das Thema: Wasserrahmenrichtlinie Günther-Michael Knopp Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie auf dem weiteren Weg des wasserrechtlichen Vollzugs in Deutschland 505 Fritz Holzwarth Stand der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie in Deutschland und der Harmonierungsprozess auf EU-Ebene 510 Harald Ginzky Ausnahmen zu den Bewirtschaftungszielen im Wasserrecht – Voraussetzungen, Zuständigkeiten, offene Anwendungsfragen 515 Aufsatz Wilfried Erbguth/Mathias Schubert Das Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG) 524 Rechtsprechung Zur Anwendung der Störfallverordnung bei der Zwischenlagerung von Transportgut, OVG Münster 531 Mit einer Anmerkung von Stefan Kopp-Assenmacher 533 Reichweite der Rüge- und Kontrollfähigkeit von Abwägungsfehlern mittels Verbandsklage, BVerwG 534 Anwendung der Chemikalienverbotsverordnung auf Abfallverwertung, OVG Lüneburg 537 Gesetzgebung Malte Kohls/Moritz Reese/Peter Schütte Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht 555 Rechtsprechung in Leitsätzen, Tagungsbericht, Buchrezension, Buchneuerscheinungen, Termine Herausgeber Verein für Umweltrecht e.V. in Verbindung mit: Prof. Dr. Martin Beckmann Siegfried Breier Prof. Dr. Matthias Dombert Dr. Günther-Michael Knopp Prof. Dr. Hans-Joachim Koch Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff Dr. Frank Petersen Dr. Renate Philipp Michael Sauthoff Prof. Dr. Reinhard Sparwasser Prof. Dr. Michael Uechtritz Prof. Dr. Ludger-Anselm Versteyl Prof. Dr. Andreas Voßkuhle Prof. Dr. Gerd Winter 11/2005 Jahrgang 16 · Seiten 505– 560 · E 10882 Nomos Immissionsschutz Naturschutz Klimaschutz Bodenschutz Gentechnik Energiewirtschaft Abfallwirtschaft Gewässerschutz Chemikaliensicherheit

Transcript of Herausgeber Aus dem Inhalt - Zeitschrift für … · Bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder beim...

ZURZeitschrift für Umweltrecht

Das Forum für Umwelt- und

Planungsrecht

Aus dem Inhalt

Das Thema: Wasserrahmenrichtlinie

Günther-Michael KnoppDie Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie auf dem weiteren Weg des wasserrechtlichen Vollzugs in Deutschland 505

Fritz HolzwarthStand der Umsetzung der EuropäischenWasserrahmenrichtlinie in Deutschland und der Harmonierungsprozess auf EU-Ebene 510

Harald GinzkyAusnahmen zu den Bewirtschaftungszielen imWasserrecht – Voraussetzungen, Zuständigkeiten,offene Anwendungsfragen 515

AufsatzWilfried Erbguth/Mathias SchubertDas Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG) 524

Rechtsprechung

Zur Anwendung der Störfallverordnung bei derZwischenlagerung von Transportgut, OVG Münster 531Mit einer Anmerkung von Stefan Kopp-Assenmacher 533

Reichweite der Rüge- und Kontrollfähigkeit vonAbwägungsfehlern mittels Verbandsklage, BVerwG 534

Anwendung der Chemikalienverbotsverordnung auf Abfallverwertung, OVG Lüneburg 537

Gesetzgebung

Malte Kohls/Moritz Reese/Peter SchütteNeueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht 555

Rechtsprechung in Leitsätzen, Tagungsbericht,Buchrezension, Buchneuerscheinungen, Termine

Herausgeber

Verein für Umweltrecht e.V.

in Verbindung mit:Prof. Dr. Martin BeckmannSiegfried BreierProf. Dr. Matthias DombertDr. Günther-Michael KnoppProf. Dr. Hans-Joachim KochProf. Dr. Gertrude Lübbe-WolffDr. Frank PetersenDr. Renate PhilippMichael SauthoffProf. Dr. Reinhard SparwasserProf. Dr. Michael UechtritzProf. Dr. Ludger-Anselm VersteylProf. Dr. Andreas VoßkuhleProf. Dr. Gerd Winter

11/2005Jahrgang 16 · Seiten 505– 560 · E 10882

Nomos

Immissionsschutz ■ Naturschutz ■ Klimaschutz ■ Bodenschutz ■ GentechnikEnergiewirtschaft ■ Abfallwirtschaft ■ Gewässerschutz ■ Chemikaliensicherheit

Gelzer/Bracher/Reidt BauplanungsrechtBegründet von Vors. Richter am OVG a. D. Prof. Dr.Konrad Gelzer, fortgeführt von RA und FA VerwR Dr.Christan-Dietrich Bracher und RA und FA VerwR Dr.Olaf Reidt. 7. Auflage 2004, rd. 1.100 SeitenLexikonformat, gbd. 99,– 2 [D]. ISBN 3-504-15736-4.

9/05

Bestellschein ausfüllen und faxen (02 21) 9 37 38-943

Name

Straße

PLZ

Datum

Ort

Unterschrift

�� Ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Gelzer/Bracher/Reidt Bauplanungsrecht gbd. 99,– 2 [D]. ISBN 3-504-15736-4

B e s t e l l e n S i e b e i I h r e r B u c h h a n d l u n g o d e r b e i m Ve r l a g D r . O t t o S c h m i d t · P o s t f a c h 5 1 1 0 2 6 · 5 0 9 4 6 K ö l n

Das öffentlich-rechtliche Baurecht

hat durch das Europarechts-Anpas-

sungs-Gesetz (EAG Bau) umfang-

reiche Änderungen erfahren. Des-

halb sollten Sie auf die aktuelle

Auflage dieses Standardwerks zum

Bauplanungsrecht nicht verzichten.

Denn hier klären Spezialisten wie-

der zuverlässig alle Praxisfragen,

die sich im Zusammenhang mit

dem neuen Baugesetzbuch stellen.

Der bewährte systematische

Aufbau des Werkes erspart Ihnen

die zeitraubende Einarbeitung in

die Materie. Denn die Gliederung

folgt dem praktischen Ablauf der

Bauplanung:

� Gemeindliche Bauleitpläne

� Planungsrechtliche

Einschränkung der Baufreiheit

� Sicherung der Bauleitplanung

� Anhang mit Auszügen des neuen

BauGB und der BauNVO

Selbstverständlich ist das neue

EAG Bau vollständig in die aktuelle

Auflage eingearbeitet. Natürlich

haben die Autoren auch alle ande-

ren Bereiche grundlegend überar-

beitet und ergänzt.

*„Resümierend bleib festzu-

halten, dass das Werk ein unent-

behrlicher Ratgeber bei der Lösung

von Fragen aus dem Bereich der

Bauleitplanung ist. Es ist praxis-

orientiert, informativ, übersichtlich

und wissenschaftlich fundiert. Ein

Standardwerk im besten Sinne des

Wortes, das in großen Bereichen

Kommentare ersetzt.“RAin Birgit Epple in KommJur 4/05

ww

w.o

tto

-sch

mid

t.d

e

Einunentbehrlicher

Ratgeber*

ZUR 11/2005 | I

DAS THEMA: WASSERRAHMEN-RICHTLINIE

Die Umsetzung der Wasserrahmenricht-linie auf dem weiteren Weg des wasser-rechtlichen Vollzugs in DeutschlandGünther-Michael Knopp 505

Stand der Umsetzung der EuropäischenWasserrahmenrichtlinie in Deutschlandund der Harmonierungsprozess auf EU-EbeneFritz Holzwarth 510

Ausnahmen zu den Bewirtschaftungs-zielen im Wasserrecht –Voraussetzungen, Zuständigkeiten,offene AnwendungsfragenHarald Ginzky 515

AUFSATZDas Gesetz zur Einführung einerStrategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie2001/42/EG (SUPG)Wilfried Erbguth/Mathias Schubert 524

RECHTSPRECHUNG

� OVG MünsterZur Anwendung der StörfallVO bei derZwischenlagerung von TransportgutUrteil vom 8. Juni 2005 – 8 A 3745/03 531

Mit einer Anmerkung von Stefan Kopp-Assenmacher 533

� BVerwGReichweite der Rüge- und Kontroll-fähigkeit von Abwägungsfehlern mittels VerbandsklageBeschluss vom 1. April 2005 – 9 VR 7.05 534

� OVG LüneburgAnwendung der Chemikalienverbots-verordnung auf AbfallverwertungUrteil vom 21. April 2005 – 7 LC 41/03 537

� VGH MünchenSchutz atomarer Anlagen vorterroristischen AnschlägenUrteil vom 28. Juli 2005 – 22 A 04.40061 540

� VGH MünchenUmweltverträglichkeitsprüfung undÖffentlichkeitsbeteiligung imÄnderungsgenehmigungsverfahrenUrteil vom 13. Mai 2005 – 22 A 96.40091 542

� VGH KasselVerwaltungskosten bei Prüfung vonprivaten AltlastengutachtenBeschluss vom 10. August 2005 – 5 ZU 3645/04 545

I N H A LT

Schriftleitung

Prof. Dr. Wolfgang Köck (V.i.S.d.P.)UFZ – Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbHUniversität LeipzigDr. Moritz ReeseUniversität HamburgDr. Sabine SchlackeUniversität Rostock

Redaktionsadresse: Zeitschrift für Umweltrecht e.V. Langenstr. 34 c 28195 Bremen Tel. 0421/56 64 744Fax: 0421/56 64 745E-Mail: [email protected]

Redaktion:Prof. Dr. Christian CalliessUniversität GöttingenMarkus DetjenUniversität HamburgProf. Dr. Andreas FisahnUniversität BielefeldDr. Harald GinzkyUmweltbundesamtCarola GlinskiUniversität BremenDr. Ekkehard HofmannUniversität HamburgDr. Malte KohlsRechtsanwalt, HamburgStefan Kopp-AssenmacherRechtsanwalt, BerlinDr. Susan KrohnBundesministerium für Umwelt,Naturschutz und ReaktorsicherheitDr. Silke R. LaskowskiUniversität HamburgChristian Maaß, MdHBVorsitzender des Umweltausschussesder Hamburgischen Bürgerschaft,HamburgDr. Antje NäckelMinisterium für Landwirtschaft,Umwelt und ländliche Räume,Schleswig-HolsteinDr. Peter SchütteRechtsanwalt, BremenProf. Dr. Bernhard W. WegenerUniversität ErlangenDr. Cornelia ZiehmRechtsanwältin, Hamburg,Rat von Sachverständigen für Umwelt-fragen, Hamburg

Verlag:Nomos-VerlagsgesellschaftWaldseestr. 3-5 c 76520 Baden-BadenTelefon (07221) 2104-0 Fax: (07221) 2104-27

Zeitschrift fürUmweltrechtDas Forum für Umwelt und Recht

16. Jahrgang, S. 505- 560

ZUR 11/2005

Vorschau auf Heft 12/2005Vorgesehen s ind u.a .Die Novellierung derAbfallrahmenrichtlinieFrank Petersen

Neuerungen imInformationszugangsrecht: UIG, IFG, LFBGChristian Schrader

Informationsansprüche nach demUIG n.F. gegenüber PrivatenThomas Schomerus

� VGH KasselA-380-Wartungshalle Flughafen Frankfurt/M.Urteil vom 28. Juni 2005 – 12 A 8/05 546

Rechtsprechung in Leitsätzen 554

GESETZGEBUNG

Neueste Entwicklungen im BundesumweltrechtMalte Kohls/Moritz Reese/Peter Schütte 555

TAGUNGSBERICHT

Rostocker Umweltrechtstag 2005 Strategischer Umweltschutz (SUP) –Stand, Rechtsfragen, PerspektivenJeannette Edler 557

BUCHREZENSION

Versteyl, Ludger-Anselm/Sonder-mann, Wolf Dieter: Bundes-Boden-schutzgesetz, KommentarStefan Kopp-Assenmacher 559

RUBRIKEN

BUCHNEUERSCHEINUNGEN 560

TERMINE II

ZUR_11_05_Mantel_NEU 20.10.2005 7:56 Uhr Seite I

I I | ZUR 11/2005

17. NOVEMBER 2005

Luzern/Schweiz

Zusammenarbeit der Verwaltung

mit Branchen und Unternehmen

beim Vollzug des Umweltrechts

Die Vereinigung für Umweltrecht (VUR)

und die Konferenz der Vorsteher der Um-

weltschutzämter der Schweiz (KVU) führen

gemeinsam diese Tagung durch. Der Einbe-

zug von Privaten beim Vollzug des Um-

weltrechts wird erst seit einigen Jahren

praktiziert. Inzwischen liegt dennoch eine

überschaubare Anzahl solcher Verträge vor,

und es sind Erfahrungen mit den verschie-

denen Modellen gemacht worden. Es ist so-

mit ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen,

Erkenntnisse weiterzugeben und den Nut-

zen für die verschiedenen Beteiligten sowie

die Grenzen der Instrumente aufzuzeigen.

Das Thema ist speziell aktuell auf dem Hin-

tergrund des New Public Managements

NPM und angesichts des häufig diskutier-

ten Vollzugsnotstandes sowie der von den

Unternehmen immer wieder eingeforder-

ten Eigenverantwortung.

Themen:

– Einbezug von Privaten bei der Gewähr-

leistung des Umweltschutzes

– Branchen und Behörden in Zusammen-

arbeit

– Erfahrungen der Cementindustrie

– Erfahrungen des Malergewerbes

– Kooperationsvereinbarungen: 5 Jahre

Praxis im Kanton Solothurn

– Erfahrungen eines Einzelbetriebes: Von

der Verfügung zur Partnerschaft

Information: Vereinigung für Umweltrecht

(VUR), Postfach 2430, 8026 Zürich, Tel.:

044 241 76 91/Fax: 044 241 79 05,

[email protected]/www.vur-ade.ch.

29. und 30. NOVEMBER 2005

Köln

Achte Fresenius Umweltjahrestagung:ISO und EMAS – Was bedeuten dieNovellen der Umweltmanagement-Normen für die Praxis?

Lesestoff und Handlungsbedarf für Umwelt-beauftragte: Anfang des Jahres ist die Neu-fassung der weltweit angewandten ISO-Norm zum Umweltmanagement ISO 14001in Kraft getreten. Parallel dazu wurde auchdie ISO 14004 (Norm für Umweltmanage-mentsysteme) überarbeitet, diese Neufas-sung ist seit Sommer 2005 verfügbar. Dieachte Umweltjahrestagung der AkademieFresenius am 29. und 30. November 2005bringt Klarheit: Was ändert sich? Was bleibtwie es ist?Die alten und neuen Gemeinsamkeiten derStandards DIN ISO und EMAS werden vonden Experten ebenso diskutiert wie neueAnsätze zur Mitarbeitermotivation und In-tegration der Managementsysteme in dasTagesgeschäft. Anregungen für die eigeneArbeit bieten die Praxisberichte der Umwel-texperten von Lufthansa, Philips Automoti-ve Lightning, BASF und CWS Lackfabrik.Ein besonderes Forum widmet sich demThema Umweltmanagement unter Nach-haltigkeitsaspekten. (Das komplette Ta-gungsprogramm im Netz: www.akademie-fresenius.de)Referenten (Auswahl):Petra Lück, DQS, Deutsche Gesellschaft zurZertifizierung von ManagementsystemenmbH, FrankfurtJürgen Paeger, Paeger Consulting, BochumDieter Brübach, B.A.U.M. e.V., HannoverFrank Sprenger, Sustainable, MünchenDr. Heinz Herzog, CWS Lackfabrik, DürenJan-Ole-Jacobs, Deutsche Lufthansa AGRalf Wunderlich, Lufthansa Technik AG,FrankfurtDr. Andreas Kicherer, BASF AG, Ludwigsha-fen

Stefan Löbbert, Bayerische Hypo- und Ver-einsbank, MünchenDr. Kay Herrmann, Philips AutomotiveLighting, PlauenKontakt: Die Akademie Fresenius GmbH,Monika Stratmann, Alter Hellweg 46,44379 Dortmund, Tel.: 0231 75896-48,Fax: 0231 75896-53, http://www.akademie-fresenius.de, [email protected].

WINTERSEMESTER 2005/2006

Justus-Liebig-Universität Giessen

Umweltrechtliches Praktikerseminar

Programm:17.11.2005 Reformierte EU-Agrarpolitik un-ter umweltpolitischen AspektenMinisterialdirigent Dr. A. Runzheimer, Hes-sisches Ministerium für Umwelt, ländlichenRaum und Verbraucherschutz15.12.2005 Maßnahmen zur Senkung derFeinstaubbelastungRechtsanwalt Dr. Ulrich Ellinghaus, Partnerder Anwaltssozietät Baker & Mc Kenzie,Frankfurt am Main19.01.2006 Grenzen der Zielverbindlichkeitgemeinschaftsrechtlicher Umwelt-Richtlini-en – Untersuchung am Beispiel der Wasser-rahmenrichtlinieProf. Dr. Joachim Wolf, Universität Bochum9.2.1006 Probleme bei der Ermittlungdes/der Sanierungsverantwortlichen für Rü-stungsaltlasten am Beispiel der ehemaligenSprengstoffwerke DAG und WASAG, Stadt-allendorfDipl.-Ing. Hans Jürgen Wolff, Regierungs-präsidium Gießen, Abteilung UmweltKontakt: Prof. Dr. Klaus Lange, Justus-Lie-big-Universität Gießen, Professur für Öf-fentliches Recht und Verwaltungslehre,Hein-Heckroth-Str. 5, 35390 Gießen, Tel.:0641/99 21180/1, Fax: 0641/99 21189, e-mail: [email protected], In-ternet : www.uni-giessen.de.

T E R M I N E

ZUR_11_05_Mantel_NEU 20.10.2005 7:56 Uhr Seite II

Die weitere Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie auf dem Weg deswasserrechtlichen Vollzugs in Deutschland erfolgt auf der vorläufigen Be-standsaufnahme der Oberflächengewässer und der Grundwasserkörperdes Jahres 2004 in den 10 deutschen Flussgebietseinheiten. NächsterSchritt ist das Monitoring der Gewässer nach den Programmen zur Über-wachung des Zustands der Gewässer. Erforderlich für die Umsetzung derRichtlinie bei den heute, schon vor dem Vorliegen der Maßnahmenpro-gramme und Bewirtschaftungspläne im Jahr 2009, zu treffenden Einze-lentscheidungen ist die richtige Zuordnung bei den Oberflächengewäs-sern nach den §§ 25a und 25b WHG für die jeweils maßgebendenBewirtschaftungsziele und die zu treffende Beurteilung bei den Voraus-setzungen für die Erteilung von Ausnahmen nach § 25d bzw. § 33 Abs.4 WHG. Wichtig ist für zu treffende wasserrechtliche Entscheidungendas richtige Verständnis zum Verhältnis des bereits bestandenen deut-schen Wasserrechts zu den durch die Umsetzung der Wasserrahmen-richtlinie hinzugekommenen wasserrechtlichen Vorschriften.

A. Die ersten Umsetzungsschritte in Deutschland nach Maß-gabe der Wasserrahmenrichtlinie

I. Die rechtliche Umsetzung

Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Wasserrahmenrichtlinie – WRRL1 – hat-ten »die Mitgliedsstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften

Günther-Michael Knopp

Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie auf dem weiteren Weg des wasserrechtlichen Vollzugsin Deutschland

(zu) erlassen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestensab dem 22. Dezember 2003 nachzukommen.« Mit Klageschriftvom 8.2.2005 erhob die Europäische Kommission Klage gegen dieBundesrepublik Deutschland »wegen Feststellung, dass die Bundes-republik Deutschland gegen ihre Verpflichtung aus der Richtlinie2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnah-men der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik verstoßen hat,dass sie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zurUmsetzung der Richtlinie nicht erlassen bzw. der EuropäischenKommission diese Vorschriften nicht mitgeteilt hat (Vertragsverlet-zungsverfahren 2004/0017)«. Die Kommission verwies hierbei aufdie zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene Umsetzung ineinigen Bundesländern.2 Zwischenzeitlich sind alle Landeswasser-

A U F S Ä T Z E

11/200516. Jahrgang • Seiten 505- 560

Zeitschrift fürUmweltrecht

Herausgeber: Verein für Umweltrecht e.V. Prof. Dr. Martin Beckmann, Rechtsanwalt, Münster; Siegfried Breier, EU-Kommission,Brüssel; Prof. Dr. Matthias Dombert, Rechtsanwalt, Potsdam; Dr. Günther-MichaelKnopp, Ministerialrat, Bayerisches Umweltministerium, München; Prof. Dr. Hans-Joachim Koch, Universität Hamburg; Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Richterin des Bun-desverfassungsgerichts, Karlsruhe; Dr. Frank Petersen, Ministerialrat, Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn; Dr. Renate Philipp, Richterin amBundesverwaltungsgericht, Leipzig; Michael Sauthoff, Vizepräsident des Oberverwal-tungsgerichts Greifswald; Prof. Dr. Reinhard Sparwasser, Rechtsanwalt, Freiburg; Prof. Dr.Michael Uechtritz, Rechtsanwalt, Stuttgart; Prof. Dr. Ludger-Anselm Versteyl, Rechtsan-walt, Hannover; Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Universität Freiburg; Prof. Dr. Gerd Winter,Universität BremenSchriftleitung: Prof. Dr. Wolfgang Köck, Dr. Moritz Reese, Dr. Sabine Schlacke

ZUR 11/2005 | 505

ZURDas Forum für Umwelt- und Planungsrecht

1 ABl. EG Nr. L 327, S. 1, vom 22.12.2000.2 Der Bundesgesetzgeber hatte mit dem 7. Gesetz zur Änderung des Wasserhaus-

haltsgesetzes vom 18.6.2002 (BGBl. I S. 1914, ber. S. 2711) die Gesetzgebungs-aufträge aus der Wasserrahmenrichtlinie hinsichtlich der abschließenden Aus-gestaltungen entsprechend dem Rahmencharakter des Wasserhaushaltsgesetzes,wie er sich durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994(BGBl I S. 3146) ergibt (hierzu auch zum Altenpflegegesetz vom 17.11.2000BVerfG, Urteil vom 24.10.2002, BVerfGE 106, 62 = NJW 2003, 41), an die Lan-desgesetzgeber weitergereicht. Für die Anpassung der Landeswassergesetze wur-den von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) die erforderlichen Mu-stervorschriften und zur Umsetzung der Anhänge II und V WRRL durch dieergänzenden Rechtsverordnungen eine Musterverordnung erarbeitet (zur Mu-sterverordnung: Horn, Die Musterverordnung der LAWA zur Umsetzung der Was-serrahmenrichtlinie, WASSER und ABFALL 2004, Heft 4, S. 37 ff).

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 505

D A S T H E M A | Knopp, Umsetzung der Wasser rahmenr icht l in ie

506 | ZUR 11/2005

gesetze angepasst und, nachdem die Verordnung des Landes Sach-sen-Anhalt über die Wasserrahmenrichtlinie vom 24.8.20053 vor-liegt, für die Umsetzung der Anhänge II und V WRRL nur noch dieRechtsverordnung in Nordrhein-Westfalen zu erlassen. Der Erlassdieser Verordnung hat sich verzögert, nachdem die Neufassung des§ 2a des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen4 (»Dieoberste Wasserbehörde erlässt im Einvernehmen mit dem fürUmweltschutz zuständigen Ausschuss des Landtags durch Rechts-verordnung die zur Durchführung von bindenden Beschlüssen derEuropäischen Gemeinschaft erforderlichen Vorschriften, um dieGewässer und die direkt von ihnen abhängigen Ökosysteme undFeuchtgebiete nach Maßgabe der in § 2 genannten Ziele zu bewirt-schaften.«) nunmehr beim Verordnungserlass auch die Befassungdurch den Landtag verlangt, die noch nicht erfolgte.

In der Klagebeantwortung wurde der Verfahrensstand in denbetroffenen Ländern im Einzelnen dargestellt. Die Kommissionhat auf eine Erwiderung zur Klagebeantwortung verzichtet, so dassdas schriftliche Verfahren abgeschlossen ist. Eine mündliche Ver-handlung wird aufgrund der Sachlage nicht stattfinden. Sobaldalle Länder die Umsetzung durch Verordnung abgeschlossenhaben und die Verordnungen notifiziert sind, kann die Bundes-republik Deutschland bei der Europäischen Kommission die Kla-gerücknahme beantragen. Dieses Verfahren kann erfahrungs-gemäß längere Zeit in Anspruch nehmen, so dass eine Entschei-dung des EuGH zur anhängigen Klage der EuropäischenKommission in der Zwischenzeit nicht auszuschließen ist.

II. Ergebnisse der Bestandsaufnahme 2004 in Deutschland undgrundsätzliche Anmerkungen hierzu

1. Bestandsaufnahme 2004 nach Maßgabe des Artikel 5 Wasserrahmen-richtlinie

Die in Deutschland nach Maßgabe des Art. 5 WRRL auf der Grund-lage einer »Gemeinsamen Umsetzungsstrategie« der EU und denvon der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) auf der Grund-lage dieser europäischen Leitlinie in einer Arbeitshilfe konkreti-sierten Kriterien für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, obein Gewässer ohne weitergehende Maßnahmen die Umweltzieleder Richtlinie erreicht, abgeschlossene »Bestandsaufnahme2004«5 ist der erste wichtige Schritt, sozusagen die »Eröffnungsbi-lanz«, zum Zustand der Oberflächengewässer und des Grundwas-sers. Die im März 2005 der Europäischen Kommission vorgelegtenBerichte beziehen sich auf die 10 Flussgebietseinheiten inDeutschland, wie sie in § 1b Abs. 1 WHG6 aufgeführt und inAnhang 1 des WHG in Kartenform dargestellt sind, von denen 6Flussgebietseinheiten (Oder, Elbe, Rhein, Ems, Maas und Donau)international sind. Hierfür wurden von den beteiligten Staatenauch gemeinsame zusammenfassende Berichte erarbeitet.

Um die Ergebnisse der im Folgenden zu würdigenden Bestands-aufnahme 2004 für Deutschland richtig einzuschätzen, ist auf die3 Schritte, aus denen die Bestandsaufnahme besteht, einzugehen.Im Schritt »Charakterisierung und Typisierung« wird ein Gewässereinem bestimmten Typ zugeordnet, wobei festgestellt wird, wel-che Lebewesen und Stoffe in einem weitgehend vom Menschenunbeeinflussten Zustand in diesem Lebensraum vorkommen wür-den. Im zweiten Schritt werden die vorhandenen Belastungen derGewässer erfasst und ihre Wirkung auf den Zustand der Gewässerabgeschätzt. Auf der Grundlage dieser Bewertung war von denLändern in einem dritten Schritt die Frage zu beantworten, ob einbestimmter Flussabschnitt, See oder Grundwasserleiter die Zieleder Richtlinie erreichen kann oder ohne weitere Maßnahmen ver-fehlen würde. Auf dieser Grundlage erfolgt nach Art. 8 WRRL das

Monitoring der Gewässer entsprechend den Programmen zurÜberwachung des Zustands der Gewässer.

2. Folgerungen anhand des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 13 der64. Umweltministerkonferenz

Die 64. Umweltministerkonferenz am 19./20.5.2005 hat imBeschluss zum Tagesordnungspunkt 13 – Schwerpunkte derZusammenarbeit von Bund und Ländern bei der weiteren Umset-zung der EU-Wasserrahmenrichtlinie – zu den für die Flussgebietezwischen den beteiligten Bundesländern koordinierten gemeinsa-men Berichten, die alle fristgerecht der Europäischen Kommissionübermittelt wurden und die zugleich auch eine für die internatio-nalen Flussgebiete abgestimmte Berichterstattung darstellen,unter 2. festgestellt:

»Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme zeigen, dass sich Gewäs-ser in einer seit Jahrhunderten wirtschaftlich entwickelten Kultur-landschaft nicht in einem reinen Naturzustand befinden können.Die Umweltministerkonferenz unterstreicht, dass die Bestandsauf-nahme die deutlichen Erfolge der gewässerpolitischen Maßnah-men der letzten Jahrzehnte bei der Verbesserung der Gewässergütebestätigt hat, betont aber zugleich, dass dennoch bei einem erheb-lichen Teil der Gewässer die ambitionierten Ziele der EU-Wasser-rahmenrichtlinie ohne weitere Maßnahmen voraussichtlich nichterreicht werden können.

Die Hauptursache für diesen Befund liegt bei den Oberflächen-gewässern in den Beeinträchtigungen der Gewässerstrukturen auf-grund der Nutzung für Schifffahrt und Wasserkraft, sowie derintensiven Nutzung der Uferregionen. Relevant sind zudem dievielfältigen Wanderungshindernisse in Form von Querbauwerkensowie zu hohe diffuse Nährstoffeinträge und andere stofflicheBelastungen. Dazu gehört auch der noch nicht optimale Anschlus-sgrad in Teilen der neuen Länder. Auch für das Grundwasser sinddie Nährstoffbelastungen aus diffusen Quellen die Hauptursache.«

a) Wertung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme 2004Für die Oberflächengewässer (Flüsse, Seen, Übergangs- undKüstengewässer) wird damit eines der Ergebnisse der Bestandsauf-nahme aufgegriffen: Morphologische Beeinträchtigungen derGewässerstrukturen und Querbauwerke, die die natürliche Wan-derung von Fischen und kleineren Organismen verhindern, sinddie häufigste Ursache dafür, »dass viele Oberflächengewässer dieZiele der Richtlinie möglicherweise verfehlen.«7

An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Ergebnisse der Bestand-saufnahme 2004 in Deutschland differenzierter zu bewerten sind,als es in der Broschüre »Die Wasserrahmenrichtlinie – Ergebnisseder Bestandsaufnahme 2004 in Deutschland« zum Ausdruckkommt. Zum einen ist auf einer deutlichen Aussage aufzubauen,dass es neben den Gewässern nach § 25a WHG im Bewusstsein,dass eine Kulturlandschaft in Deutschland die Gewässer mitgeprägt hat, erheblich veränderte Gewässer nach § 25b WHG gibt,wo das zu erreichende Ziel nicht der »gute Zustand«, sondern das»gute ökologische Potential« sein wird.

Zum anderen ist bei den zusammenfassenden Darstellungen deraggregierten Ergebnisse bei der Einschätzung der Zielerreichung inden Kategorien »Zielerreichung unwahrscheinlich – unsicher –wahrscheinlich« nicht von einer integralen Betrachtung, gestützt

3 GVBl. Land Sachsen-Anhalt 2005, 564.4 I.d.F. der Bek vom 25.6.1995 (GV.NRW S. 926), geändert durch Art. 1 des Geset-

zes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 3.5.2005 (GV.S. 463).5 Hierzu Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und Bun-

desumweltamt: »Die Wasserrahmenrichtlinie-Ergebnisse der Bestandsausnahmein Deutschland – Kurzfassung –«. Berlin, Januar 2005, S. 6.

6 Wasserhaushaltsgesetz in der Fassung der Bek. vom 21.8.2002 (BGBl. I S. 3245),zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.6.2005 (BGBl. I S. 1746).

7 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und Umweltbun-desamt (Fn.5), S. 10/11.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 506

auf das Kriterium – Struktur – im Sinne eines »one out – all out«auszugehen. Vielmehr entspricht es der Transparenz, die 4 Einzel-kriterien– Saprobie: das Maß für organische Belastungen,– Trophie: das Maß für die Belastungen mit Stickstoff und Phos-

phor,– Chemie: Spezifische chemische Schadstoffe,– Struktur: Hydromorphologische Veränderungen nicht zusammenzuziehen, sondern nebeneinander darzustellen,um so dem notwendigen Erkenntniswert der Darstellung gerechtzu werden. Nur auf diese Weise können auch die Erfolge der bishe-rigen Bemühungen um den Gewässerschutz mit hohem finanziel-len Einsatz deutlich gemacht werden. Die erforderlichen Maßnah-men und damit letztlich auch die dafür zu erwartenden Kostenwerden damit klarer und führen nicht bei den für die GewässerVerantwortlichen zu unnötigen Verunsicherungen. Gerade beiden Kommunen haben die nicht in die 4 Einzelkriterien gehendenDarstellungen zu der Einschätzung geführt, dass die Umweltzielein den §§ 25a und 25b WHG finanziell unerreichbar sind.

b) Rechtliche Einordnung eines Gewässers nach § 25a WHG und eines erheb-lich veränderten Gewässers nach § 25b WHG; Ausnahmen nach § 25d WHGBei den erheblich veränderten Gewässern im Sinne des § 25b WHGhandelt es sich nicht um Ausnahmen gegenüber den nicht erheb-lich veränderten Gewässern. Entscheidend für die Beurteilung desVerhältnisses zweier Normen ist, ob der Sache nach ein Regel-Aus-nahme-Verhältnis besteht oder ob beide Vorschriften gemeinsamin der Kombination zweier Rechtsgedanken eine in sich konsisten-te Regelung schaffen.8 Der Normtext ist insoweit offen.9 Folgerich-tig ist davon auszugehen, dass die allgemeine Zielsetzung derWRRL wie auch die Kurskorrektur im Vermittlungsverfahren zwi-schen Umweltrat und Europäischem Parlament vor diesem Hinter-grund nicht ausreichen, § 25b WHG als einschränkend auszulegen-de Ausnahmeregelung zu verstehen. Zum einen wird durch dieBewirtschaftung eines Gewässers nach Maßgabe der Ziele des § 25bdie allgemeine Zielsetzung der WRRL nicht konterkariert, sondernlediglich der tatsächlich festzustellenden Situation im Geltungsbe-reich der Richtlinie angepasst, zumal auch nach § 25b durchausanspruchsvolle Bewirtschaftungsziele vorgegeben werden. Zumanderen erscheint es heute ebenso wenig überzeugend, weil nichtrealistisch, als überwiegenden Regelfall der Gewässerbewirtschaf-tung einen anthropogenen weitgehend unbeeinflussten Referenz-zustand zugrunde legen zu wollen, wie es auch verfehlt ist, die rela-tivierte Bewirtschaftung durch das Kriterium der Machbarkeit zubeschreiben. Denn auch die Bewirtschaftung kann sich selbstver-ständlich nicht den unüberwindbaren Grenzen des Machbarenentziehen, da sonst die Regelung als auf etwas UnmöglichesGerichtetes von vornherein nichtig wäre.

Die §§ 25a und 25b WHG bilden vielmehr ein zweigliedrigesBewirtschaftungsmodell mit unterschiedlichen materiellen Anfor-derungen,10 das hinreichend präzise Regelungen für die Zuord-nung einzelner Gewässer unter das eine oder andere Bewirtschaf-tungsregime bereithält.11 Dass es sich nicht um Ausnahmen han-delt, wird auch dadurch bestätigt, dass nur § 25d WHG in seinerÜberschrift ausdrücklich von »Ausnahmen« spricht. Dass es sichum keine eng auszulegenden Ausnahmen handelt,12 wird weiterdadurch deutlich, dass das für § 25b WHG maßgebende Umwelt-ziel in Anhang V Nr. 1.2.5 WRRL lediglich den Umständen derSituation bei künstlichen bzw. erheblich veränderten Gewässernentsprechend ergebnisoffener formuliert ist, als der gute Zustandbei nicht künstlichen bzw. nicht erheblich veränderten Gewäs-sern.13

Davon unabhängig steht vor der Einstufung des Gewässers als»erheblich verändert« eine ausführliche Prüfung, ob nicht durch

Maßnahmen doch noch der gute Zustand zu erreichen ist. Die Ein-stufung als »erheblich verändertes Gewässer« setzt voraus, dass dieVeränderungen des Ausbauzustands, die notwendig wären, umeinen guten Zustand herbeizuführen, u.a. signifikante negativeAuswirkungen auf die vorliegenden Gewässernutzungen (z.B. fürdie Stromerzeugung aus dem Wasserkraftwerk) hätten und die vor-liegenden Gewässernutzungen aus technischen oder Kostengrün-den auch nicht in anderer umweltverträglicher Weise erreicht wer-den können.14 Im Übrigen werden Anstrengungen zur Verbesse-rung der Gewässerqualität durch die Ausweisung als erheblichveränderter Wasserkörper keineswegs entbehrlich. Lediglich derReferenzzustand ist im Unterschied zu natürlichen Gewässern einanderer.15

Unter Nr. 3 des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 13 –Schwerpunkte der Zusammenarbeit von Bund und Ländern beider weiteren Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie – der 64.Umweltministerkonferenz am 19./20.5.2005 wird festgehalten,dass bei der Umsetzung der WRRL »ökologische Ziele und sozio-ökonomische Belange in gleichem Maße Berücksichtigung findenmüssen.« Hierzu ist auch das von den EU-Wasserdirektoren am20.6.2005 verabschiedete Papier »Enviromental objectives underthe Water Framework Directive – Policy Summary and BackgroundDocument« einzubeziehen, das in der einleitenden Anmerkungals nicht förmliche Übereinstimmung aller Wasserdirektorenbezeichnet wird. In den Schlüsselergebnissen dieses Papiers wirdnicht nur herausgestellt, dass künstliche und erheblich veränderteGewässer keine Ausnahme sind, sondern auch, dass die Ausnah-men, deren Grundlage in Deutschland für Oberflächengewässer §25d WHG ist, auf den für Küstengewässer in § 32c WHG und fürGrundwasser in § 33a Abs. 4 WHG Bezug genommen wird, einintegraler Bestandteil der Umweltziele in Art. 4 WRRL und des Pla-nungsprozesses sind. Die sozioökonomischen Gesichtspunktesind im Rahmen der Ausnahmen von den nach Art. 4 WRRL zuerreichenden Umweltzielen zu berücksichtigen, wobei der Aus-wahl und Umsetzung der kosteneffizientesten Kombinationenvon Maßnahmen im Rahmen des Maßnahmenprogramms ent-scheidende Bedeutung zukommt.16

c) Die Bedeutung der Kosten für die Umsetzung der WasserrahmenrichtlinieUnter Nr. 3 des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 13 – Schwer-punkte der Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der weite-ren Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie – der 64. Umwelt-ministerkonferenz am 19./20.5.2005 wird u.a. darauf hingewie-sen, dass »bei der Prioritätensetzung für die Inanspruchnahme derEU-Förderprogramme Maßnahmen zur Umsetzung der Wasser-rahmenrichtlinie angemessen berücksichtigt werden.«

Hier ist anzumerken, dass weder der Rat noch das EuropäischeParlament sich bei den Beratungen zur WRRL mit den durch ihre

ZUR 11/2005 | 507

Knopp, Umsetzung der Wasser rahmenr icht l in ie | D A S T H E M A

8 Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl., § 25b Rn. 2, unter Bezugnahme auf Larenz,Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 355.

9 Czychowski/Reinhardt auch unter Hinweis auf die insoweit bestätigende Auffas-sung von Rechenberg/Seidel, Ausweisung erheblich veränderter Gewässer-Aus-nahme oder Regelfall, WASSER und ABFALL 2002, Heft 9, S. 36 f.

10 Hierzu auch Bundestag-Drs. 14/7755, S. 18, wonach der Fall der künstlichen odererheblich veränderten Gewässer gesondert geregelt sind.

11 Czychowski/Reinhardt, § 25b, Rn. 2.12 a.A.Dörr/Schmalholz in: von Keitz/Schmalholz (Hrsg.) Handbuch der EU-Wasser-

rahmenrichtlinie, Berlin 2002 S. 54.13 Knopp in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 25a Rn.7.14 Knopp, Die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie aus der Sicht der Länder,

ZfW 2003, 1,7.15 Umweltgutachten 2004 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen »Um-

weltpolitische Handlungsfähigkeit sichern«, Bundestag-Drs. 15/3600, Rn. 388 (S.243).

16 Forschungsarbeit »Grundlagen für die Auswahl der kosteneffizientesten Maß-nahmenkombinationen zur Aufnahme in das Maßnahmenprogramm nach Ar-tikel 11 der Wasserrahmenrichtlinie – Handbuch« von Ecologic, Institut für In-ternationale und Europäische Umweltpolitik, Berlin, und dem Institut fürGewässerforschung und Gewässerschutz e.V. an der Universität Kassel im Auf-trag des Umweltbundesamtes (UBA-Texte 02/2004).

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 507

Umsetzung entstehenden Kosten auseinandersetzten. Es fehlt hierdamit die erforderliche Folgenabschätzung.17 Deshalb war es naheliegend, dass die Kommission gleichzeitig mit der Veröffentli-chung der WRRL die Erklärung abgab, dass sie »in ihrem Berichtgemäß Artikel 18 Abs. 3 mit Unterstützung der Mitgliedsstaateneine Kosten-Nutzen-Analyse aufnehmen wird.«18

B. Im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie von derKommission noch lösungsbedürftige Punkte

I. Die Grundwasserrichtlinie in Umsetzung des Artikels 17 WRRL

Die 64. Umweltministerkonferenz am 19./20.5.2002 hat imBeschluss zum Tagesordnungspunkt 13 – Schwerpunkte derZusammenarbeit von Bund und Ländern bei der weiteren Umset-zung der EU-Wasserrahmenrichtlinie – unter 3. festgestellt: »Dienoch ausstehenden EU-Regelungen (u.a. Tochterrichtlinie Grund-wasser und prioritäre Stoffe) sind umgehend zu schaffen, um EU-einheitliche Standards für die Umsetzung zu gewährleisten.«

Zur Umsetzung des Art. 17 Abs. 1 und 2 WRRL liegt zwi-schenzeitlich die überarbeitete Fassung des Vorschlags für eineRichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutzdes Grundwassers vor Verschmutzung vor, die der vom Rat(Umwelt) am 24.6.2005 erzielten politischen Einigung entspricht.Wie sich aus Art. 1 des Richtlinienvorschlags ergibt, umfassen die-se speziellen Maßnahmen zur Verhinderung und Begrenzung derGrundwasserverschmutzung im Sinne der genannten Vorschrif-ten »a) Kriterien für die Beurteilung des guten chemischenZustands des Grundwassers und b) Kriterien für die Ermittlungund Umkehrung signifikanter und anhaltender steigender Trendssowie für die Festlegung der Ausgangspunkte für die Trendum-kehr.« Die Verabschiedung des gemeinsamen Standpunkts erfolgtegegen die Stimme Deutschlands.19

Der Vorschlag des Rates (Umwelt) entspricht nicht den Anforde-rungen des Art. 17 WRRL, sondern stellt insoweit eineAbschwächung gegenüber den »Maßnahmen« in Art. 17 dar, da sich – die Kriterien für die Beurteilung des chemischen Zustands des

Grundwassers (Art. 17 Abs. 2 Satz 2 lit. a) nach Art. 3 des Richtli-nienvorschlags hinsichtlich der in Anhang I aufgeführtenGrundwasserqualitätsnormen nur auf 2 Schadstoffe (Nitrat;Wirkstoffe in Pestiziden) beschränken und Teil B des Anhangs IInur Stoffe ohne Qualitätsnormen (Grenzwerte) aufführt,

– die Kriterien für die Ermittlung signifikanter und steigenderTrends (Art. 17 Abs. 2 Satz 2 lit. b) entsprechend Art. 5 desRichtlinienvorschlags in dessen Anhang IV nicht hinreichendfinden,

– in Anhang III (Beurteilung des chemischen Zustands desGrundwassers) des Richtlinienvorschlags zur Feststellung, obein guter Zustand des Grundwassers vorliegt, nur unklareAnhaltspunkte ergeben.

Diese gegenüber Art. 17 WRRL abgeschwächten »Maßnahmen«stehen in keinem Verhältnis zu den in Art. 5 Abs. 4 und Abs. 5 desRichtlinienvorschlags enthaltenen Berichtspflichten. Eine solcheÜberreglementierung mit einem riesigen Verwaltungsaufwand istdeshalb abzulehnen.

II. Tochterrichtlinie zu den prioritären gefährlichen Stoffen

Zu den im bereits unter B.I. zitierten Beschluss der Umweltmini-sterkonferenz am 19./20.5.2005 aufgeführten prioritären Stoffenist nach Art. 16 Abs. 6 WRRL ebenfalls noch eine Tochterrichtliniemit einer Strategie zur Reduzierung dieser Stoffe bzw. einer Beendi-gung oder schrittweisen Einstellung von »Einleitungen, Emissio-

nen und Verlusten« prioritärer gefährlicher Stoffe erforderlich.20

Bei der Verabschiedung der WRRL waren die Mitgliedsstaatendavon ausgegangen, dass nur durch einheitliche europäische Vor-gaben das Ziel der Einstellung der Einträge von prioritären gefährli-chen Stoffen erreichbar ist. In dem nunmehr hierzu vorliegendenEntwurf eines Vorschlags der Kommission ist die Festlegung vonnicht abschließenden Bewertungsmaßstäben für die zukünftigeEinordnung von Stoffen als prioritär gefährlich enthalten, die aufder Richtlinie 91/414/EWG vom 15.7.1991 über das Inverkehrbrin-gen von Pflanzenschutzmitteln,21 der Verordnung (EG) Nr.850/2004 vom 29.4.2004 über persistente organische Schadstoffeund zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG22 sowie dem künfti-gen REACH-Regelwerk (System »Registration, Evaluation undAuthorisation of Chemicals«)23 aufbauen. Die Mitgliedsstaatenwerden in diesem Vorschlagsentwurf verpflichtet, entsprechendeMaßnahmen auf nationaler Ebene zu treffen, was insbesondere aufdie Festlegung von Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung zutrifft.

III. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Förderung derEntwicklung des ländlichen Raumes durch den Europäischen Land-wirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)

Art. 36 Abs. 1 des Vorschlags für eine Verordnung des Rates überdie Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes durch denEuropäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des länd-lichen Raumes (ELER)24 wurde vom Europäischen Parlamentdahingehend ergänzt, dass die den Landwirten jährlich je Hektarlandwirtschaftlich genutzte Fläche zum Ausgleich von Kosten undEinkommensverlusten zu gewährende Beihilfe gemäß Art. 34 lit.a) Ziffer iii) auch für solche gilt, die ihnen durch die Umsetzungder WRRL entstehen. Diese Gemeinschaftsförderung soll ab1.1.2007 zur Anwendung kommen. Damit wird künftig ein wich-tiger Beitrag zur EU-politischen Priorität der nachhaltigen Bewirt-schaftung natürlicher Ressourcen im Zusammenhang mit derUmsetzung der WRRL geleistet.

C. Neue Gesichtspunkte durch die Vorschriften zur Umsetzungder Wasserrahmenrichtlinie beim wasserrechtlichen Vollzug

I. Vollwertige Einbeziehung der Umsetzungsvorschriften

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 WHG »wird durch Landesrecht bestimmt,dass für jede Flussgebietseinheit nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6ein Maßnahmenprogramm aufzustellen ist, um die in § 25a Abs. 1,§ 25b Abs. 1, §§ 32c, 33a Abs. 1 festgelegten Ziele zu erreichen.«

508 | ZUR 11/2005

D A S T H E M A | Knopp, Umsetzung der Wasser rahmenr icht l in ie

17 Knopp, Bewirtschaftung in Flussgebieten: Aufgaben, Instrumente und Probleme,in: Bohne (Hrsg.), Ansätze zur Kodifikation des Umweltrechts in der EuropäischenUnion: Die Wasserrahmenrichtlinie und ihre Umsetzung in nationales Recht,Band 169 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Berlin 2005, S. 29, unter Be-zugnahme auf die Mitteilung »Europäisches Regieren« der Kommission vom6.6.2002 KOM (2002) 275 endg./2, S. 4.

18 Abl. EG L 327 vom 22.12.2000, S. 73.19 Hierzu Holzwarth, Stand der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenricht-

linie in Deutschland und der Harmonisierung auf EU-Ebene, in diesem Heft, S.510

20 Mit Art. 1 der Entscheidung Nr. 2455/2001/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitikund zur Änderung der Richtlinie 2000/60/EG vom 20.11.2001 (ABl. EG Nr. L 331vom 15.12.2001 – Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik –) wurdeAnhang X in die WRRL eingefügt.

21 ABl. EG Nr. L 230/1, geändert durch Richtlinie 93/71/EWG vom 27.7.1993, ABl.EG Nr. 221/27 (Pestizidrichtlinie).

22 ABl. EG Nr. L 158/7.23 Hierzu der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Registrierung, Be-

wertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaf-fung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe sowie zur Änderung derRichtlinie 1999/45/EG und der Verordnung (EG) (über persistente organischeSchadstoffe), KOM (2003) 644 endg.

24 KOM (2004) 0490 endg.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 508

ZUR 11/2005 | 509

Knopp, Umsetzung der Wasser rahmenr icht l in ie | D A S T H E M A

Entsprechend § 36 Abs. 7 Satz 1 WHG ist durch Landesrecht dievon Art. 11 Abs. 7 WRRL vorgegebene Frist, wonach die Maßnah-menprogramme spätestens 9 Jahre nach Inkrafttreten der WRRLaufgestellt sein müssen, festzulegen. Diese Umsetzung und nachden Vorgaben des § 36b WHG entsprechend für den Bewirtschaf-tungsplan erfolgte durch die 16 Landeswassergesetze.

Zu Recht weist Rüdiger Breuer auf die nicht erfolgte bundesrecht-liche Regelung unter anderem durch das Fehlen der Inhalte desMaßnahmenprogramms und der Bewirtschaftungspläne für dieEinzelfallentscheidungen der wasserwirtschaftlichen Benutzungs-ordnung als Schwäche des neuen wasserrechtlichen Planungsin-strumentariums hin.25 Schon vor der Aufstellung der Maßnah-menprogramme in den Flussgebietseinheiten zum Jahr 2009 sindfür die Gewässerbenutzung, den Gewässerausbau und die Gewäs-serunterhaltung Gewässer gestaltende Entscheidungen zu treffen,die in das spätere Gesamtkonzept des Maßnahmenprogrammsund Bewirtschaftungsplans passen müssen und die nicht bis zumJahr 2009 vertagt werden können. Über die wasserrechtlichenGenehmigungsanträge ist in angemessener Frist zu entscheiden(hierzu § 71b Verwaltungsverfahrensgesetz und die entsprechen-den Vorschriften in den Landesverfahrensgesetzen).

In dem Zusammenhang ist auch auf den Bericht von Roman Göt-ze über die Tagung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirt-schaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) am 23./24.2.2005 hinzu-weisen, wo zutreffend ausgeführt wird, dass die Prognose, nachder die überwiegend gewässerfachliche Herangehensweise bei derUmsetzung der WRRL mittelfristig rechtlicher Durchdringungausgesetzt sein wird, keiner prophetischen Gabe bedarf. Im sich zukonkreten Aussagen in Bewirtschaftungsplänen und Maßnah-menprogrammen verdichtenden Umsetzungsprozess der WRRLwerden komplexe Rechtsfragen – etwa des Rechtsschutzes imdurch Umweltqualitätsziele heraufbeschworenen Verteilungskon-flikt zwischen Wassernutzern – schon in nicht allzu ferner Zeit zuentscheiden sein.26 Dies gilt z.B. auch für wasserrechtlich zu wür-digende Änderungen an Wasserkraftanlagen, die Gegenstand derVergütung für Strom aus Wasserkraft nach § 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21.7.200426a sind.

Zur Erläuterung soll folgender Sachverhalt dienen, der derzeitGegenstand eines Antrags auf Zulassung der Berufung zu einemKlage abweisenden Verwaltungsgerichtsurteil ist:

Für das Ablassen von Wasser aus einem bestehenden Karpfen-teich in ein Fließgewässer wurde eine neue wasserrechtliche Erlaub-nis beantragt. Die Versagung der Erlaubnis durch die zuständigeVerwaltungsbehörde wird auf das entgegenstehende Wohl der All-gemeinheit nach den §§ 6 Abs. 1 und 25a WHG gestützt.

Fachlich begründet wird die Versagung mit dem Ergebnis derBeurteilung der biologischen Gewässergüte des Gewässers unter-halb der Einleitungsstelle des Wassers aus dem Karpfenteich in dasFließgewässer im Vergleich zur Gewässergüte des Gewässers ober-halb der Einleitungsstelle. Diese Beurteilung der biologischenGewässergüte erfolgt nach dem schon vor der Umsetzung derWRRL bestandenen 7-stufigen Klassifikationssystems, das dieGewässer im Wesentlichen anhand des Sabrobienindex einstuft. Das Verwaltungsgericht wies die gegen den Versagungsbescheideingelegte Anfechtungsklage mit der gleichen Begründung ab.

Weder die Verwaltungsbehörde noch das Verwaltungsgerichtbefassten sich mit der Frage, ob es sich nicht im Gewässerabschnittder Einleitungsstrecke um ein erheblich verändertes Gewässer imSinne des § 25b WHG handelt. Gerade dieser Vorfrage der richtigenEinordnung des Gewässers unter die Kategorie des § 25a oder § 25bWHG wird aber auch besondere Bedeutung bei der Umsetzung derMaßnahmenprogramme durch die auf wasserrechtlichen Entschei-dungen gestützten Einzelmaßnahmen zukommen. Ebenso erfolgtekeine Auseinandersetzung mit der weiteren Frage, warum ein Ver-

stoß gegen das Verschlechterungsverbot des § 25a Abs. 1 Nr. 1 WHGvorliegt, wonach »oberirdische Gewässer, soweit sie nicht als künst-lich oder erheblich verändert eingestuft werden, so zu bewirtschaf-ten sind, dass eine nachteilige Veränderung ihres ökologischen undchemischen Zustands vermieden wird«.27 Die Beurteilung derGewässerstruktur beim Gewässerzustand richtet sich nach den unterA.II.2.a) aufgeführten 4 Kriterien, wobei der Antrag auf wasserrechtli-che Gestattung auch einen Antrag auf eine Ausnahme nach § 25dWHG darstellen dürfte. Nach den näheren Maßgaben des Abs. 3 darfbei beantragter Veränderung der Eigenschaften des Gewässersgrundsätzlich hingenommen werden, dass der gute ökologischeZustand oder das gute ökologische Potential nicht erreicht werdenkann oder sich der Gewässerzustand verschlechtert.28

Hier ist noch ein Umdenkprozess in der täglichen Vollzugspra-xis der Wasserwirtschaftsverwaltung erforderlich. Die zu einemwasserrechtlichen Antrag heute zu treffende Entscheidung musssich bereits in das künftige Maßnahmenprogramm einpassen kön-nen. Das bedeutet aber auch, dass bei solchen Anträgen schonheute eine konkrete Einstufung des Gewässerzustands nach derWRRL-Umsetzung zu treffen ist.

Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Durchgängigkeit undihrer Ausgestaltung bei einem konkreten Antrag auf Errichtungeiner Wasserkraftanlage ebenso wie bei der Entscheidung überMaßnahmen beim Erlöschen einer Erlaubnis oder Bewilligungbezüglich der Anlagen für die Gewässerbenutzung, wie z.B. ihrerBeseitigung, ist schnellstmöglich eine Gesamtkonzeption in denFlussgebietseinheiten zu entwickeln.29

II. Das neue zweistufige Bewirtschaftungsermessen in Deutschland

Ausgangspunkt im Zusammenhang mit dem Bewirtschaftungser-messen ist § 6 Abs. 1 WHG mit der dort gewählten Formulierung»sind zu versagen, wenn.« Hiermit wird nicht nur darauf hingewie-sen, dass die Behörde bei Vorliegen des Versagungsgrunds an dieRechtsfolge in Gestalt der Versagung der Gestattung gebunden ist,sondern, dass sich auch nicht in einem Umkehrschluss ergibt, dassbei Nichtvorliegen des Versagungsgrunds die Erteilung der Gestat-tung gefordert werden kann. Vielmehr weist der Wortlaut daraufhin, dass bei Fehlen des Versagungsgrunds die Gestattung nichterteilt werden muss, sondern kann. Hierbei muss sich die Ermes-sensausübung am »Wohl der Allgemeinheit« orientieren, wobeidamit eine einzelfallbezogene auf das »Wohl der Allgemeinheit« hinausgerichtete Optimierung des Gewässerschutzes verbunden ist.

Zum Zusammenwirken des die WRRL umsetzenden 7. WHG-Änderungsgesetzes vom 18.6.2002 und den hierzu ergänzendenlandesgesetzlichen Vorschriften einerseits und den davor schongegoltenen wasserrechtlichen Vorschriften andererseits ist daraufhinzuweisen, dass es auch außerhalb der Umsetzung der Wasser-rahmenrichtlinie sowohl hinsichtlich der erfassten Gewässer alsauch hinsichtlich des Inhalts nach wie vor auf der Grundlage desschon immer bestandenen wassergesetzlichen Vollzugs inDeutschland diesen Vollzug weiter geben wird.

Das mit der Umsetzung der WRRL in das deutsche Wasserrechtzu beachtende zweistufige Bewirtschaftungsermessen mit der Ebe-ne des planerischen Bewirtschaftungsermessens und des Gestat-tungs-Bewirtschaftungsermessens hat zu einer grundlegenden

25 Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl., München 2004, Rn. 622,S. 447.

26 Götze, Erfurter Gespräche zur Wasserrahmenrichtlinie, DVBl 2005, 825, 828.26a BGBl. I S. 191827 Hierzu näher Knopp in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 25a, Rn. 12 ff.28 Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl., 2003, § 25d Rn. 2.29 Hierzu als Beispiel Handbuch Querbauwerke des Ministeriums für Umwelt und

Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, 2005.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 509

510 | ZUR 11/2005

D A S T H E M A | Holzwarth, Wasser rahmenr icht l in ie – der Harmonis ie rungsprozess auf EU-Ebene

Nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie haben die EU-Mitglied-staaten in dem Zeitraum von 2001 bis 2015 in allen Gewässern einenguten Zustand herzustellen.Deutschland hat als ersten Schritt die rechtlichen und verwaltungsmäßi-gen Vorgaben für eine ganzheitliche Bewirtschaftung aller Flüsse von derQuelle bis zur Mündung geschaffen. Da die Nutzung der Gewässer durchden Menschen zu Beeinträchtigungen der Gewässerqualität führt unddies auch zukünftig auf Grund der industriellen Entwicklung nicht zu ver-hindern ist, sieht die WRRL Ausnahmen von den Zielen vor. Als ersterSchritt für die bis zum Jahre 2009 zu erstellenden Maßnahmen hattendie Mitgliedstaaten bis zum März 2005 die Bestandsaufnahme aller Ge-wässer abzuschließen. Zum ersten Mal wurden in Deutschland alle Be-lastungen der in Wasserkörper unterteilten Oberflächengewässer und derGrundwasserkörper bewertet. Unsicherheiten in der Bewertung sind bis

Ende 2006 mit zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen auszuräumen.Das Ergebnis der Bestandsaufnahme zeigt, dass in Deutschland zahlrei-che Gewässerstrecken in der Struktur erheblich verändert, ein ebenfallsgroßer Teil der Gewässer mit Nährstoffen überlastet und ein kleiner Teilmit unerwünschten Schadstoffen noch übermäßig belastet ist. Wenn er-hebliche Belastungen aus punktuellen Abwassereinleitungen beseitigtsind, sollte vorrangiges Ziel der bis zum Jahre 2012 abzuschließendenVerbesserungsmaßnahmen die Wiederherstellung einer möglichst weit-gehenden Naturbelassenheit der Gewässer sein.Im nächsten Jahr sind Messprogramme aufzustellen, die vor allen dieWasserkörper berücksichtigen müssen, die einen guten Gewässerzustandverfehlen können.

Fritz Holzwarth

Stand der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie in Deutschlandund der Harmonierungsprozess auf EU-Ebene1

Dr. Günther-Michael KnoppMinisterialrat, Leiter des Referats Wasserrecht im Bayerischen Staatsmini-sterium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Rosenkavalier-platz 2, 81925 MünchenAktuelle Veröffentlichungen: Mitherausgabe der Kommentare Sieder/Zeit-ler/Dahme/Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, München Stand Oktober2005, und Bayerisches Wassergesetz, München Stand Dezember 2005.Mitverfasser des Lehrbuchs Knopp/Hermann, Wasser- und Immissions-schutz in Bayern, München 2005.

Wandlung des Systems des Bewirtschaftungsermessens geführt.30

Im Mittelpunkt des planerischen Bewirtschaftungsermessens stehtdas Maßnahmenprogramm des § 36 WHG. Dabei ist die Frage, obdas Maßnahmenprogramm als Rechtssatz einzuordnen ist, nichtdafür entscheidend, ob das Maßnahmenprogramm selbst unmit-telbar Rechte und Pflichten Dritter begründet.

Nachdem es beim Maßnahmenprogramm um eine gesamthafteDarstellung und damit auch um die Koordination innerhalb derFlussgebietseinheit derjenigen Maßnahmen geht, die zur Errei-chung der Umweltziele des Art. 4 WRRL notwendig sind, stellt esein planerisches Instrument dar, dessen einzelne Elemente gemein-sam die Verwirklichung der gesetzten Ziele sicherstellen sollen. DieMaßnahmenprogramme können als vorbereitende Instrumentebetrachtet werden, deren Erstellung zwar eine eigenständige Ver-pflichtung ist, deren Inhalt sich jedoch auf die Zusammenfassunganderweitig geregelter Maßnahmen beschränkt bzw. beschränkenkann und insofern keine eigenständige Natur aufweist. Sie bedür-fen daher nicht des Erlasses in Form eines Rechtssatzes.31

Für das Gestattungs-Bewirtschaftungsermessen als zweite Stufedes Bewirtschaftungsermessens im Wasserrecht ist nach wie vor§ 6 WHG Anknüpfungspunkt, wobei dieses Ermessen entschei-dend durch die Festlegungen des Maßnahmenprogramms beein-flusst wird. Hierbei werden künftig Ausnahmeentscheidungennach § 25d Abs. 3 WHG ein größeres Gewicht bekommen.32 ImZusammenhang mit solchen Ausnahmeanträgen kann bei schonvor dem Vorliegen des Maßnahmenprogramms erforderlichenEinzelentscheidungen der das Maßnahmenprogramm betreffendeSatz 2 des § 36 Abs. 1 WHG Bedeutung bekommen, wonach »dieZiele der Raumordnung zu beachten sind; die Grundsätze undsonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichti-gen«. Hier ist noch die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen derRaumplanung und der Wasserwirtschaft zu entwickeln.33

D. Leistungsstarke Wasserwirtschaftsverwaltung in den Ländern

Die der Wasserwirtschaft von heute in den Ländern gestellten Auf-gaben kann nur eine Wasserwirtschaftsverwaltung erfüllen, die

funktionsfähig ist. Dies ist nicht nur eine Frage der Motivation.Die der Wasserwirtschaft gestellten Aufgaben gehen nicht zurück.Im Gegenteil zeigen schon die Umsetzung der Bewirtschaftungs-ziele nach der WRRL, wie es in diesem Beitrag zumindest umrissenwird, und die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an denvorbeugenden Hochwasserschutz aufgrund des Gesetzes vom3.5.200534 eine deutliche Zunahme der Aufgaben.

Das bedeutet aber auch, bei einer Reform der Wasserwirtschafts-verwaltungen wie bei der Reform der Umweltverwaltungenschlechthin in den Ländern funktionsfähige Strukturen nicht zuschwächen. Das setzt letztlich eine fundierte Auseinandersetzungmit den gestellten Aufgaben voraus.

Nur eine leistungsstarke Wasserwirtschaft in den Ländern, dieauch künftig im Rahmen der Neugestaltung des Umweltförderalis-mus gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten haben, kann dieAufgaben der Zukunft mit Erfolg bewältigen.

30 Hierzu im Einzelnen Frank Hasche, Das neue Bewirtschaftungsermessen im Was-serrecht. Die Auswirkungen der Wasserrahmenrichtlinie und der IVU-Richtlinie,Berlin 2005.

31 Knopp, in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 36 Rn. 11 mit weiteren Nachwei-sen.

32 Knopp, Ausnahmen von den Umweltzielen des Artikel 4 WRRL und ihre Bedeu-tung beim wasserrechtlichen Vollzug in Deutschland, WASSER und ABFALL2005, H.3, Seite 27-31, hier S. 29.

33 Hierzu im Einzelnen Knopp, in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 36 Rn. 10 un-ter Bezugnahme auf Lothar Finke, Künftige Zusammenarbeit von Wasserwirt-schaft und Raumplanung, Positionspapier des Leiters des Ad-hoc-Arbeitskreises»EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und Raumplanung« der Akademie fürRaumordnung und Landesplanung (ARL), ARL-Nachrichten 2003/2, S. 1, 4.

34 BGBl. I S. 1224

1 Herrn MinRat Udo Bosenius danke ich für seine Unterstützung beim Erstellen desArtikels.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 510

Holzwarth, Wasser rahmenr icht l in ie – der Harmonis ie rungsprozess auf EU-Ebene | D A S T H E M A

ZUR 11/2005 | 511

die die zeitliche Streckung der Zielerreichung oder auch mindereZiele betreffen. Eine Sonderstellung nehmen dabei die künstli-chen oder erheblich veränderten Gewässer ein. Erheblich verän-derte Gewässer sind natürliche Gewässer, die hydromorpholo-gisch zur Gewährleistung bestimmter Nutzungen substanziellvom Menschen verändert wurden. Ziel ist das gute ökologischePotenzial statt des guten ökologischen Zustands, d.h. der unterden bestehenden Nutzungen zu erzielende bestmögliche Zustandist das Bewirtschaftungsziel. Zu den Zielen der WRRL haben dieWasserdirektoren der EU, die Beitrittskandidaten Bulgarien undRumänien sowie die sich freiwillig dem Regime der WRRL ansch-ließenden Länder Norwegen, Island und die Schweiz in einer Leit-linie »Umweltziele« beschlossen, wie die Umsetzung der Ziele undAusnahmen in der Praxis durchgeführt werden soll. Die WRRLsieht zwar keine Rangfolge bei den Ausnahmen vom gutenZustand der Gewässer vor, die Leitlinie empfiehlt aber, zunächstdie zeitliche Streckung der Zielerreichung in Anspruch zu nehmenund die Formulierung minderer Ziele quasi nur als letztes Mitteleinzusetzen. Die wasserwirtschaftliche Planung auf der Grundlageder Ergebnisse der Bestandsaufnahme des Jahres 2004 nach Art. 5und der Ergebnisse der nach Art. 8 bis Ende 2006 aufzustellendenÜberwachungsprogramme muss zunächst anstreben, die Ziele derRichtlinie 2015 zu erreichen. Ergibt sich aus der naturwissen-schaftlichen Betrachtung (z.B. weil Fließ- und Regenerationszeitenzu lang sind) oder aus der ökonomischen Betrachtung (z.B. weildie Maßnahmen bis 2015 nicht finanzierbar sind), dass dieses Zielnicht erreicht werden kann, ist die Planung von Verbesserungs-maßnahmen auf die Verlängerungsmöglichkeiten bis 2027 –jeweils im Sechsjahresturnus – auszurichten. Sollte das Ziel einesguten Zustands wegen unproportional hoher Kosten auch dannnicht erreichbar sein, kann von den in Art. 4 Abs. 4 WRRL vorgese-henen minderen Zielen Gebrauch gemacht werden. Bei derBestandsaufnahme haben Kostenüberlegungen hingegen keinenRaum. Nur Bewertungen von Belastungen auf der Grundlage vonErgebnissen der biologischen, chemischen und physikalischenGewässergüteüberwachung erlauben die Feststellung einer mögli-chen Abweichung vom guten ökologischen und chemischenZustand (Analysebericht nach Art. 5 WRRL).

C. Die Bestandsaufnahme der Belastungen

Nach der Umsetzung der WRRL in deutsches Recht und der Aus-richtung der Wasserwirtschaftsverwaltung auf die neuen Anforde-rungen einer auf das gesamte Flussgebiet bezogenen Bewirtschaf-tung ist die Bestandsaufnahme nach Art. 5 WRRL die Grundlage fürdie weiteren Schritte zur Zielerreichung. Auf dieser Basis sind bisEnde 2006 die Messprogramme aufzustellen. Die Bestandsaufnah-me, die darauf aufbauenden Messprogramme und die Auswertungihrer Ergebnisse sind die Grundlagen für die in der Zeit von 2008bis 2009 auszuwählenden und zu beschließenden Maßnahmen.

Bei der Bestandsaufnahme haben die Bundesländer dieOberflächengewässer entsprechend ihrer unterschiedlichen Emp-findlichkeit und Reaktion gegenüber äußeren Einflüssenabschnittsweise in einheitliche Wasserkörper unterteilt, die einembestimmten Gewässertyp zugeordnet wurden, dessen Referenzbe-dingungen sich an einem weitgehend von außen unbeeinflusstenZustand orientiert (sehr guter ökologischer Zustand). Die Wasser-körper sind die Gewässerabschnitte, für die Maßnahmen vorzuse-hen sind, nachdem die Belastungen erfasst und ihre Auswirkun-gen bewertet worden sind. Einheitlichkeit ist dann gegeben, wenn

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich mit der EU-Kommission auf eine ge-meinsame Strategie der Umsetzung der WRRL verständigt. Hierzu gehörtinsbesondere die Schaffung von Grundlagen für eine harmonisierte Be-wertung der Gewässer. Ein schwieriger Umsetzungsbereich ist das Themader Kosteneffizienz künftiger Maßnahmen. Zur Verbesserung der Be-richterstattung an die Kommission wird ein EDV-gestütztes Informati-onssystem für den gesamten Wasserbereich in Europa geschaffen. DieUmsetzungsschritte werden begleitet von Vorhaben der Kommission zumHochwasser- und Meeresschutz.

A. Das Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie

Die mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie2 (WRRL) ver-folgten Ziele bei der Gewässerbewirtschaftung sind inzwischenhinreichend bekannt, der »gute Zustand« von Grund- und Ober-flächengewässern steht im Vordergrund der Bemühungen der Mit-gliedstaaten. Bis zu ihrer Verabschiedung im Oktober 2000 standdie Verbesserung des chemischen Zustands der Gewässer im Zen-trum der europäischen Wasserpolitik. Anfang der 90er Jahre ent-schloss sich die Kommission auch auf Initiative von Deutschlandzur Erarbeitung einer ökologisch ausgerichteten Gewässerschutz-richtlinie. Während der Verhandlungen über den vorgelegten Ent-wurf entschieden sich aber dann die Akteure, einen Entwurf einerumfassenden Rahmenrichtlinie zu wagen, der die Gewässer undderen Einzugsgebiete grenzüberschreitend schützen und verbes-sern sollte. Mit dem Inkrafttreten der WRRL am 22.12.2000 ist inallen Flussgebieten in den europäischen Mitgliedstaaten ein guterZustand der Gewässer bis zum Jahre 2015 zu erreichen, Art. 4 Abs.1 WRRL. Dieser gute Zustand ist in Anhang V näher beschrieben,der recht genaue Beschreibungen des ökologischen Zustandes derOberflächengewässer enthält. Der gute Zustand umfasst den gutenökologischen und chemischen Zustand der Oberflächengewässereinschließlich der Ästuare und Küstengewässer sowie einen gutenmengenmäßigen und chemischen Zustand des Grundwassers.Nach Art. 3 WRRL hat Deutschland die verwaltungsmäßigen Vor-gaben für eine Flussbewirtschaftung im gesamten Einzugsgebietgeschaffen und der Kommission hierüber auch im März 2003berichtet. Was die rechtliche Umsetzung der WRRL betrifft, so hatder Bund die notwendigen und rechtlichen zulässigen Rahmenre-gelungen durch die am 25.6.2002 in Kraft gesetzte Novellierungdes Wasserhaushaltsgesetzes geschaffen. Die Länder haben dieÄnderungen ihrer Landeswassergesetze und Verordnungen erst imJahr 2005 abgeschlossen, was die Kommission zur Einleitung einesVertragsverletzungsverfahrens veranlasst hat. Die in einigen Län-dern seit dem Inkrafttreten der Novelle zum WHG bis zu 3 Jahrendauernde Novellierung der Landeswassergesetze zeigt erneut dieProbleme einer dem Bund nur zustehenden Rahmenkompetenzbeim Gewässerschutz auf. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auchDeutschland vom EuGH zu einem Zwangsgeld verurteilt wird.Dabei ist der EuGH auch nicht davor zurückgeschreckt, sowohl einZwangsgeld als auch einen Pauschalbetrag zu verhängen. Voraus-setzung ist, dass die Vertragsverletzung seit der Erstverurteilungfortbestanden hat und die Nichterfüllung der Verpflichtungen ausdem Urteil private und öffentliche Interessen verletzt hat (EuGH-Urteil vom 12.7.2005).

B. Die Ausnahmen

Bei dem von der WRRL in Art. 4 Abs. 1 verfolgten Ziel eines gutenZustandes in allen europäischen Gewässern wird nicht übersehen,dass Gewässer von Menschen genutzt werden. Unter bestimmtenBedingungen können daher auch Ausnahmen formuliert werden,

2 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Ok-tober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Ge-meinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Nr. L 327/1, vom 22.12.2000).

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 511

der Typ und der Zustand des Gewässers im Wesentlichen gleichsind.

Für die in Deutschland gelegenen Gewässer wurden 24 Flussge-wässertypen, 14 Seentypen, ein Übergangsgewässertyp und 9Küstengewässertypen an Nord- und Ostsee festgelegt. Die Bela-stungen der Wasserkörper wurden dementsprechend erfasst undihre Wirkung auf den unbeeinflussten Zustand des Wasserkörpersbewertet. Die Bestandsaufnahme ist dabei auf drei Kategorien aus-gerichtet worden: Zielerreichung wahrscheinlich, unsicher oder –ohne Sanierungsmaßnahmen – unwahrscheinlich. Grundlage fürdie Einstufung war eine weitere europäische Leitlinie (StrategicGuidance) zur ersten Bestandsaufnahme der Belastungen nachArt. 5, der die EU-Wasserdirektoren im Juni 2004 unter irischerPräsidentschaft zugestimmt hatten. Dabei ist die englische Formu-lierung klarer in der Einstufung: not at risk, probably at risk, atrisk. Diese Einstufung stellt allerdings noch keine Klassifizierungdes Gewässerzustandes nach der WRRL dar. Unsicherheiten in derEinstufung sind durch entsprechend konkrete Überwachungser-gebnisse spätestens ab Ende 2006 auszuräumen. Obwohl die Bun-desländer bei der Bestandsaufnahme insbesondere bei der Auswei-sung von Wasserkörpern unterschiedlich vorgegangen sind, zeich-net sich als Gesamtbild ab, dass ohne zusätzlicheSanierungsmaßnahmen mehr als die Hälfte der Oberflächenge-wässerkörper eine gute Gewässerqualität im Sinne der WRRLwahrscheinlich nicht erreichen würden. Ein Teil dieser Wasserkör-per, die die Ziele der WRRL wahrscheinlich nicht erreichen, sinddie vorläufig als erheblich verändert charakterisierten Gewässer,da für sie bis zur endgültigen Ausweisung der gute ökologischeZustand als Vergleichsmaßstab gilt. Für diese gilt: Wenn mit deroperativen Überwachung und nach Durchführung der in Art. 4Abs. 3 vorgesehenen sozio-ökonomischen Prüfschritte bestätigtwerden kann, dass substantielle hydromorphologische Verände-rungen zugunsten von anderweitig nicht erreichbaren NutzungenUrsache dieser Schädigungen sind, werden diese Wasserkörper als»erheblich verändert« eingestuft werden können. Das hat zur Fol-ge, dass für diese Wasserkörper das gute ökologische Potenzial dasZiel von Verbesserungsmaßnahmen sein wird. Mit dieser Zielset-zung werden dann vermutlich viele Wasserkörper nicht mehr als»at risk« eingestuft werden.

Die Analyse einer möglichen Zielerreichung ist durch erhebli-che Unsicherheiten bestimmt, die sich insbesondere auf Grundfehlenden Datenmaterials ergeben. Es fehlt auch die noch zu ver-abschiedende Grundwasserrichtlinie und die schon seit langerZeit überfällige Richtlinie zur Begrenzung der Einleitung prioritä-rer Stoffe. Ferner befinden sich die Bewertungsverfahren für diebiologischen Elemente des ökologischen Status europaweit nochin der Entwicklung und es ist der für sie vorgesehene Interkalibrie-rungsprozess für eine harmonisierte Klassifizierung der Gewässerin Europa noch nicht abgeschlossen. Folglich ist die Analyse derBeeinträchtigung der Gewässer nur auf Grund vorläufiger Zielfest-legungen durchgeführt worden. Trotzdem lässt sich als Gesamt-bild feststellen, dass in Deutschland ein Großteil der Gewässerhydromorphologisch verändert, ein ebenfalls großer Teil mitNährstoffen überlastet und ein kleiner Teil mit Schadstoffen zuhoch belastet ist. Folge ist die Feststellung, dass der überwiegendeTeil der Wasserkörper in Deutschland die Ziele ohne weitere Maß-nahmen nicht erreichen kann. Dies ist auch eine Folge des »oneout – all out« – Ansatzes, nach dem die Überschreitung einesUntersuchungskriteriums zur Herabstufung der Qualität einesWasserkörpers führt. Selbst wenn die chemische Qualität einesGewässers im guten Zustand ist, kann ein Querbauwerk die biolo-gische Qualität derart belasten, dass der gesamte Wasserkörperökologisch nicht mit »gut« bewertet werden kann. Im Gegensatzzu früher, als das Hauptaugenmerk bei der Bewirtschaftung der

512 | ZUR 11/2005

D A S T H E M A | Holzwarth, Wasser rahmenr icht l in ie – der Harmonis ie rungsprozess auf EU-Ebene

Gewässer in Deutschland der Verbesserung der chemischen Qua-lität der Gewässer gegolten hat, hat die WRRL zum Ziel, die ökolo-gische Qualität zu verbessern, d.h. die stoffliche Qualität ist hier-bei nur ein Baustein. Der sog. kombinierte Ansatz der Begrenzungvon Einleitungen unerwünschter Stoffe und der Einhaltung fach-lich begründeter Qualitätsstandards war bis dahin in Deutschlandin der Praxis der Gewässerbewirtschaftung eher die Ausnahme(Art. 10 WRRL). Auch gelangte das Ziel der Wiederherstellungeiner möglichst weitgehend naturnahen Gewässerstruktur erst inden 90er Jahren in das Blickfeld.

I. Ergebnisse der Bestandsaufnahme

Die Ende 2004 abgeschlossene Bestandsaufnahme der Belastungs-situation der Gewässer – tatsächlich haben fast alle Mitgliedstaa-ten bei der Analyse den Abgabetermin des 22.3.2005 voll ausge-schöpft – ist die Grundlage für die bis Ende 2009 aufzustellendenMaßnahmenprogramme. Vorrangiges Ziel dieser Maßnahmensollte insbesondere in den Gewässern, die keine nennenswerteVerringerung der Punktquellen mehr erfordern, die Herstellungeiner weitgehenden Naturbelassenheit sein. Inhalt der Maßnah-men kann daher die Auenreaktivierung, die Ausweisung vonGewässerrandstreifen, Deichrückverlegungen mit dem zusätzli-chen Effekt der Verbesserung des Hochwasserschutzes und dieUmgestaltung des Gewässerbettes sein (naturnahe Profile, Durch-gängigkeit). Solche Maßnahmen benötigen einen langen Zeit-raum und die Akzeptanz langwieriger naturbezogener Prozesse.Zwar ist das Ende des Jahres 2009 noch in zeitlicher Ferne, trotz-dem sollte man bereits jetzt mit solchen Maßnahmen beginnen,die sich auch ohne zusätzliches Überwachungsprogramm als not-wendig erweisen. Bei den Planungen kann nach Sinn und Zweckder WRRL aber nicht nach dem Grundsatz verfahren werden, Ver-besserungsmaßnahmen dann zu unterlassen und schwächere Zie-le als eine gute Gewässerqualität anzustreben, wenn sich das ange-strebte Ziel auch bei Inanspruchnahme der zeitlichen Ausnahmenbis zum Jahre 2027 nicht erreichen lässt (Art. 4 Abs. 4 c WRRL). DieWRRL lässt hier eine Fristverlängerung ohne zeitliche Begrenzungzu, wenn die natürlichen Gegebenheiten diese Überschreitungverlangen. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist insbesondere beiVerbesserung des Grundwasserzustandes extensiv auszulegen. DieEntstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 WRRL zeigt auf, dass dasEuropäische Parlament eine möglichst schnelle Realisierung der inArt. 4 Abs. 1 WRRL festgelegten Ziele mit dem Endtermin 2027erreichen wollte, ohne damit die Bemühungen zur Zielerreichungauf diesen Zeitpunkt zu fixieren. Der Umweltrat war vom Jahr2033 ausgegangen.

Die Bestandsaufnahme der Bundesländer ist im Rahmen derFlussgebiete durchgeführt und abgestimmt worden. Eine Zusam-menschau ergibt folgendes Bild:

Oberflächengewässer:– Nur etwa 14 % der bewerteten Wasserkörper erreichen wahr-

scheinlich das Ziel einer guten Gewässerqualität,– etwa 60 % erreichen das Ziel jedenfalls ohne zusätzliche Maß-

nahmen wahrscheinlich nicht,– bei etwa 26 % ist unsicher, ob sie das Ziel erreichen können.

Grundwasser:– Etwa 47 % der Grundwasserkörper erreichen wahrscheinlich

die Umweltziele,– etwa 53 % erreichen die Umweltziele ohne weitere Maßnah-

men wahrscheinlich nicht.3

3 Quelle: Die Wasserrahmenrichtlinie – Ergebnisse der Bestansaufnahme 2004 inDeutschland, BMU/UBA-Bericht 2005.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 512

Holzwarth, Wasser rahmenr icht l in ie – der Harmonis ie rungsprozess auf EU-Ebene | D A S T H E M A

ZUR 11/2005 | 513

Bei den Oberflächengewässern sind morphologische Veränderun-gen der Gewässerstrukturen und vor allem Querbauwerke, die z.B.die Wanderung von Fischen behindern, für die Einstufung als »atrisk« verantwortlich. Stoffliche Belastungen kommen überwie-gend aus diffusen Quellen, vorrangig aus der Landwirtschaft. DieEinstufung der Gewässer als »erheblich verändert« ist mit der Ana-lyse nach Art. 5 WRRL noch nicht endgültig erfolgt (s.o.). InDeutschland sind 23 % der Wasserkörper vorläufig als erheblichverändert und 14 % als künstliche Wasserläufe eingestuft worden,was immerhin 37 % der Wasserkörper entspricht.

Aus den Berichten der Bundesländer ergibt sich für den Zustanddes Grundwassers, dass kein Mangel an Grundwasser herrscht,aber für etwa 52 % der Grundwasserkörper ohne weitere Maßnah-men der gute chemische Zustand nicht erreicht wird.

Das Grundwasser wird vor allem durch den Eintrag von Nitrataus landwirtschaftlich genutzten Flächen belastet. Vielfach wirdder Grenzwert für Nitrat nicht eingehalten.

Es ist nunmehr notwendig, ein an den Belastungsquellen derGewässer orientiertes Überwachungssystem aufzubauen. In denfolgenden Jahren ist bis Ende 2009 die Sanierung und Verbesserungderjenigen Gewässer einzuleiten, die im Jahre 2015 den gutenZustand verfehlen würden. Eine große Zahl von Querbauwerkenprägt das Bild der Gewässer in nahezu allen Einzugsgebieten. Siesind oftmals Wanderungshindernisse insbesondere für Fische. Diewirtschaftliche Nutzung der Gewässer hat aber auch weitere Ein-griffe in die Gewässerstruktur verursacht: Begradigung der Flussbet-ten, Uferverbauung, Ableitungen in Kanäle und Eindeichungen.

Die Verbesserung der Gewässermorphologie, die Herstellung derDurchgängigkeit und die Verminderung von diffusen Stoffeinträ-gen aus der Landwirtschaft müssen im Fokus des Handelns stehen.Aber auch signifikante Belastungen aus Kläranlagen in wenig fürden Abbau von Belastungen geeignete Gewässer und vor allemEinleitungen von Regenwässern sind zu reduzieren.

II. Die wirtschaftliche Analyse

Die Bestandsaufnahme enthält auch eine Beschreibung der Was-sernutzungen, den Nachweis der Kostendeckung für Wasser-dienstleistungen und eine Voraussage über die Entwicklung desWasserdargebots und der Wassernachfrage bis zum Jahr 2015, Art.5 Abs. 1, Anhang III WRRL.

Die Länder haben sich bei der Ermittlung der Kostendeckung inder Bestandsaufnahme ausschließlich auf die betrieblichen Kostenbeschränkt. Die WRRL fordert aber auch die Berücksichtigung vonUmwelt- und Ressourcenkosten. In dieser Hinsicht können dievon einigen Bundesländern erhobenen Wasserentnahmeentgelte,die bundesweit für die Einleitung von Schadstoffen erhobeneAbwasserabgabe und Ausgleichsmaßnahmen bei wasserrechtli-chen Erlaubnissen oder Bewilligungen als Internalisierungskostenangeführt werden.

Für die Erarbeitung der von der WRRL geforderten kosteneffizi-enten Maßnahmen muss die Methodik, die im UBA-Handbuch(Texte 02/04) entwickelt wurde und auf die die meisten Bundes-länder in ihren Bestandaufnahmen verwiesen haben, weiter ent-wickelt und in der Praxis erprobt werden.

III. Zusammenfassung

Die Bestandsaufnahmen der Bundesländer und damit die Ein-schätzung darüber, ob die Ziele der WRRL erreichbar sind, fallenteilweise deutlich unterschiedlich aus. Dies liegt sowohl an denunterschiedlichen Belastungsquellen, ist aber auch in der differen-zierten bundesländerspezifischen Vorgehensweise begründet. Fer-ner verfügen die Länder über eine nicht immer einheitliche

Datenlage. Einvernehmen besteht aber in der Feststellung, dassdie Veränderungen der Gewässerstruktur durch den Menschen dieHauptursache für die Zielverfehlung eines guten Gewässerzustan-des für die Flüsse sind. Für knapp ein Viertel der Fließgewässer wol-len die Bundesländer gemäß Art. 4 (3) der WRRL prüfen, ob dieNutzungs- und Schutzziele erst dann vereinbar sind, wenn mandiese Gewässer als »erheblich verändert« ausweist und das »gutePotenzial« als Ziel formuliert. Zusätzlich scheint sich abzuzeich-nen, dass für viele weitere Wasserkörper Maßnahmen zur Verbes-serung der Gewässerstruktur geplant werden müssen, um den gut-en ökologischen Zustand zu erreichen. D.h. auch im Segment dernatürlichen nicht erheblich veränderten Gewässer ist die Verände-rung der Gewässerstruktur die Hauptursache für eine wahrschein-liche Zielverfehlung. Die Gewässer sind in Deutschland überwie-gend den industriellen und landwirtschaftlichen Entwicklungenin der Landschaft angepasst. Schifffahrt, Wasserkraft, Land- undForstwirtschaft und Hochwasserschutz sind Beispiele für Nutzun-gen, die hydromorphologische Veränderungen der Gewässer ver-ursacht haben. Es wird darauf ankommen, hydromorphologischeVerbesserungen zu erreichen, ohne die bestehenden Nutzungenzu gefährden. Keine Erfahrungen liegen bisher darüber vor, wie beider Ausnahmeregelung der erheblich veränderten Gewässergeprüft werden soll, ob die wirtschaftlichen Nutzungen, zum Bei-spiel der Schifffahrt oder der Wasserkraft, nicht auf eine andere,umweltverträgliche Art und Weise realisiert werden können, Art. 4Abs. 3 WRRL.

Für alle zehn Flussgebietseinheiten, an denen DeutschlandAnteil hat, hatten sich das Bundesumweltministerium, die Bun-desländer und die Nachbarstaaten darauf verständigt, gemeinsa-me Analyseberichte zu erstellen. Dafür mussten die Arbeiten aufdrei Ebenen erfolgen. Auf der A-Ebene fand die länder- und gren-züberschreitende Koordinierung und Zusammenfassung derBerichte aus den Koordinierungsräumen (B-Ebene) statt, in die diegroßen Flussgebiete (Rhein, Elbe, Donau, Weser und Ems) unter-teilt wurden. Auch die Teileinzugsgebiete der B-Ebene überschrei-ten häufig die Grenzen der Länder. Unter Federführung eines Lan-des wurden die Berichte auf der kleinräumlichen dritten Ebene (C-Ebene) ebenfalls gebündelt.

D. Das Monitoring

Als nächster Umsetzungsschritt der WRRL sind die Messprogram-me aufzustellen, Art. 8 WRRL. Die WRRL sieht für Wasserkörper,die möglicherweise oder wahrscheinlich den guten Zustand nichterreichen, eine operative Überwachung vor. Hierzu ist ein auf dieBelastungsquellen ausgerichtetes, mehr oder minder engmaschi-ges Netz von Messstellen einzurichten. Neben Messdaten könnenauch andere Bewertungsmethoden, z.B. Modellrechnungen,zusätzlich herangezogen werden.

Die Bestandsaufnahme sowie die Ergebnisse der Überblicksüber-wachung sind hierfür die Grundlage. Nach Überarbeitung undFortschreibung insbesondere auf der Grundlage der Messergebnis-se ist die Bestandsaufnahme für die Ausarbeitung der Maßnah-menprogramme in den Jahren 2008 und 2009 heranzuziehen, Art.11 WRRL.

E. Der Harmonisierungsprozess auf EU-Ebene

I. Stand der Umsetzung der WRRL

Die EU-Mitgliedstaaten hatten der EU-Kommission nach Art. 15Abs. 2 WRRL die Berichte über die Bestandsaufnahme bis zum

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 513

22.3.2005 vorzulegen. Bis Ende Juni hatten 20 Mitgliedstaaten diesePflicht erfüllt, Deutschland hat mit wenigen anderen Mitgliedstaa-ten termingerecht geliefert. Die Kommission wird alle Berichte auchder Öffentlichkeit zugänglich machen. Eine erste Einschätzung hatergeben, dass die Berichte sowohl in der Genauigkeit der Analyse alsauch in den Detailangaben stark voneinander abweichen. Eine derHauptaufgaben der Analyse besteht darin, die Wasserkörper zubeschreiben, die die Umweltziele der WRRL im Jahre 2015 nichterreichen und die weitergehende Maßnahmen zur Verbesserung derGewässerqualität erfordern. Nicht nur für die deutschen Flussgebie-te hat sich gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Wasserkörper die Zie-le ohne weitere Maßnahmen nach dem jetzigen Kenntnisstandnicht erreichen. Die Hauptbelastungsquellen sind nach Einschät-zung der Kommission Einträge aus der Landwirtschaft und hydro-morphologische Veränderungen der Gewässer. Das Bild ist hier inden übrigen Mitgliedstaaten das gleiche wie in Deutschland. Ent-sprechend den Erfahrungen aus der Umsetzung der Kommunal-Abwasserrichtlinie kommt es in zahlreichen Mitgliedstaaten nachwie vor auch zu nicht tolerierbaren Verschmutzungen aus kommu-nalen Einleitungen und bei Hochwasser.

II. Gemeinsame Strategie zur Umsetzung der WRRL

Im Dezember 2004 haben die Wasserdirektoren das für die Jahre2005 und 2006 vorgesehene Arbeitsprogramm beschlossen.

1. Die Interkalibrierung biologischer Untersuchungsverfahren

Eine besonders vordringliche Aktivität auf EU-Ebene besteht in derFortschreibung des Interkalibrierungsprozesses. Nur wenn dieGewässer in Europa auf gleicher oder vergleichbarer wissenschaftli-cher Grundlage bewertet werden, kann eine Harmonisierung derAnforderungen an eine gute Gewässerqualität gewährleistet werden.

Startpunkt für den Interkalibrierungsprozess war die Verabschie-dung eines Registers, das alle Messstellen in den EU-Mitgliedstaa-ten, von den Beitrittskandidaten Bulgarien und Rumänien sowievon Norwegen enthält, die in europäisch definierten großräumi-gen Gewässertypen auf der Grundlage eigener Kenntnisse über diebiologischen Bewertungsmethoden die Grenzen sehr gut/gut undgut/mäßig des ökologischen Status definieren. Für die Ausweisungeiniger Messstellen stehen zurzeit nur ein oder zwei biologischeQualitätskomponenten zur Verfügung. Die für die Qualität derGewässer notwendigen Komponenten sind daher zu erweiternund zusätzliche Datengrundlagen zu beschaffen, die die Einstu-fung in die ökologische Klassifikation ermöglichen. Der Prozessselbst ist dann 18 Monate nach der Veröffentlichung der Messstel-len, die noch im Jahr 2005 erfolgen wird, abzuschließen. DerInterkalibrierungsprozess ist unterteilt in 14 geographische Inter-kalibrierungsgruppen (GIG), die entsprechend den europäischfestgelegten Typologien der Flüsse, Seen und Küsten- bzw. Über-gangsgewässern organisiert sind. Beispiele hierfür sind Flüsse desMittelmeeres, Seen in Skandinavien oder der Nordwest-Atlantik.Im Rahmen des Interkalibrierungsprozesses werden die Grenzenzwischen dem sehr guten, guten und mäßigen ökologischenZustand definiert. Alle nationalen Klassifizierungsmethoden inden Mitgliedstaaten haben sich an den EU-weit festzulegendenGrenzen des ökologischen Zustandes (sehr gut/gut undgut/mäßig) auszurichten.

2. Flussgebietsbezogene Pilotvorhaben

Die Kommission lässt die in Arbeitsgruppen erstellten Leitfäden(guidance documents) in von den Mitgliedstaaten angebotenenFlussbereichen auf ihre Praktikabilität testen. Bund und Länderstehen den bisher gefundenen Ergebnissen kritisch gegenüber, da

sie nur partiell auf die Umsetzungsarbeiten in den deutschen Flus-sgebieten übertragbar sind.

3. Integrierte Flussbewirtschaftung

Eine EU-Arbeitsgruppe behandelt ausgewählte Fragen der inte-grierten Flussbewirtschaftung. Deren Arbeiten behandeln zurzeitdie Suche nach notwendigem Forschungsbedarf. Nach deutscherAuffassung stehen hier die weitgehend noch ungeklärten Proble-me bei der Interkalibrierung der verschiedenen Untersuchungs-verfahren im Vordergrund. In vielen südlichen Mitgliedstaatengibt es erhebliche Versorgungsprobleme mit Wasser – bedingtdurch lang anhaltende Dürreperioden. Für die Mittelmeerregio-nen muss daher ein auf diese Probleme zugeschnittenes Wasserm-anagement entwickelt werden.

Unter französischer Federführung werden zum Thema derKosteneffizienz von Maßnahmen Anwendungsbeispiele erarbei-tet. In diesem Kontext sollen insbesondere Fragen der geeignetenräumlichen Ebene, des Umgangs mit Unsicherheiten, der Wirk-samkeit von Maßnahmen und der Rolle der Effizienzanalyse imPlanungsprozess behandelt werden.

4. Water Information System for Europe (WISE)

Ein weiterer Schwerpunkt auf Gemeinschaftsebene ist die Entwick-lung eines von der Kommission installierten Informationssystemsfür den gesamten Wasserbereich in Europa. Die Auswertung der derKommission übersandten Analyseberichte kann nur dann zu einembrauchbaren Ergebnis führen, wenn die Inhalte auch auf elektroni-scher Basis übermittelt werden. Es wurde daher von allen Mitglied-staaten anerkannt, auf diesem Feld eng mit den zuständigen Kom-missionsstellen zu kooperieren und auf freiwilliger Basis die Berichteauch auf elektronischem Weg in das neue WISE-System zu integrie-ren. Ziel muss es sein, Doppelerhebungen und Doppelmeldungenvon Daten zu verhindern und durch die Nutzung von Schnittstellendas EU-weite Informationssystem mit den nationalen Datenbankenzu verbinden. In Deutschland erfolgt die nationale Sammlung was-serwirtschaftlicher Grundlagen in der Bund-Länder-Informations-und Kommunikationsplattform WasserBLIcK.

5. Hochwasserschutz

Mehr als 100 Hochwasserkatastrophen hat es zwischen 1998 und2002 in Europa gegeben. Die dramatischen Ereignisse an der Elbevon 2002 sind dabei noch in guter Erinnerung. Die Kommissionsieht es daher als notwendig an, ein Aktionsprogramm für dasHochwassermanagement auf den Weg zu bringen, um europaweitdie Mitgliedstaaten zu vorbeugenden Maßnahmen zu verpflichten.Vielfach werden die Vorschläge bereits mit nationalen Vorsorgeplä-nen übereinstimmen. Das Aktionsprogramm wird aus drei Kompo-nenten bestehen: Verbesserung des Informationsaustauschs in undunter den Flussgebieten, den bestmöglichen Einsatz staatlicherMittel und den Vorschlag für eine EG-Richtlinie. Hiergegen habensich bisher eine Reihe von Mitgliedstaaten und Bundesländerngewandt. Doch es scheint, dass es zunehmend weniger Vorbehaltegegen eine Regelung auf Gemeinschaftsebene gibt.

6. Meeresschutz

Nachdem die Kommission mit der WRRL die Grundlage für eine alleFlussgebiete, Seen sowie Küsten- und Übergangsgewässer sowie dasGrundwasser umfassende Gewässerbewirtschaftung gelegt hat, willsie durch eine Meeresschutzstrategie die Bewirtschaftung der Flüssemit dem Meeresschutz verbinden. Das operationale Ziel besteht dar-in, auch in der Meeresumwelt einen guten Zustand zu erreichen.Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, regionale Meeres-schutzstrategien zu entwickeln, die eine Bewertung der Belastungen

514 | ZUR 11/2005

D A S T H E M A | Holzwarth, Wasser rahmenr icht l in ie – der Harmonis ie rungsprozess auf EU-Ebene

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 514

Bis Ende 2009 müssen nach §§ 25 a bis d, 36, 36 b WHG für alle Ge-wässer Bewirtschaftungsziele sowie die für deren Erreichung erforderli-chen Maßnahmen festgelegt werden. Bei der Bestandsaufnahme von2005 hat sich gezeigt, dass erhebliche Defizite bestehen, die nur mitgroßem finanziellen Sanierungsaufwand behoben werden können. Daherbesteht ein erhebliches Interesse, Ausnahmen zu den Bewirtschaftungs-zielen zuzulassen. Die Voraussetzungen sind in den §§ 25 c und d WHGgeregelt. Der Beitrag setzt sich mit den Voraussetzungen auseinander undplädiert für eine Auslegung, die dem Ausnahmecharakter der Regelungengerecht wird und die europarechtlichen Vorgaben der Wasserrahmen-richtlinie berücksichtigt.

A. Einleitung

Die Anforderungen, die aus der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)1

für die Wasserwirtschaft in den Mitgliedstaaten folgen, sindanspruchsvoll. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a und b WRRL müssenerstens ab Inkrafttreten der Richtlinie jede weitere Verschlechte-rung der Gewässer vermieden und zweitens bis 2015 für alleGewässer (Oberflächengewässer und Grundwasser) ein guterZustand erreicht werden. Bei Oberflächengewässern bedeutet diesnach Art. 2 Nr. 18 WRRL, dass ein guter chemischer und ökologi-scher Zustand realisiert werden muss. Für das Grundwasser mussnach Art. 2 Nr. 20 WRRL ein guter chemischer und mengenmäßi-ger Zustand erreicht werden.2 Ferner ist bei Oberflächengewässerndie Verschmutzung durch prioritäre Stoffe schrittweise zu reduzie-ren. Beim Grundwasser sind schließlich auch alle signifikantenund anhaltenden Trends bezüglich einer stofflichen Belastung

umzukehren und die Einleitung von Schadstoffen ist zu verhin-dern oder zu begrenzen.

Erstens fordert die WRRL also das Vermeiden jeder weiteren Ver-schlechterung, zweitens verlangt sie, dass die Mitgliedstaatensoweit erforderlich Anstrengungen für eine Verbesserung des sta-tus quo unternehmen.

Zu einem anspruchsvollen Ziel gehört – gleichsam denknotwen-dig – die Ausnahme von der Regel. So erlaubt die WRRL fürbestimmte Konstellationen ein Abweichen von den Zielen. Zuläs-sig sind nach Art. 4 Abs. 4 bis 7 WRRL bei Beachtung strenger Vor-aussetzungen grundsätzlich eine Verlängerung der Fristen, ein»Absenken« der Umweltziele, eine vorübergehende Verschlechte-rung bei Umweltkatastrophen und bei Unfällen sowie ein Abwei-chen auf Grund von neuen Veränderungen der Gewässerstruktur(z.B. Gewässerausbau).

Diese Struktur ist durch die 7. Novelle des WHG3 übernommenworden.4 Die Bewirtschaftungsziele und die Ausnahmetatbestän-de finden sich für die Oberflächengewässer in den §§ 25 a ff. WHGund für das Grundwasser in § 33a WHG.5

ZUR 11/2005 | 515

Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht | D A S T H E M A

Dr. Fritz Holzwarth Leiter der Unterabteilung Wasserwirtschaft, Bundesministerium fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Robert-Schumann-Platz 3,53175 Bonn.Veröffentlichungen u.a.: Fritz Holzwarth, Udo Bosenius; Die Wasser-rahmenrichtlinie im System des europäischen und deutschen Gewässer-schutzes; in: Stephan von Keitz und Michael Schmalholz (Hrsg.) Hand-buch der EU-Wasserrahmenrichtlinie, Berlin 2002; Fritz Holzwarth,Hansjörg Radtke, Bernd Hilger, Günther Bachmann; Bundesboden-schutzgesetz / Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, Hand-kommentar, 2. neu bearb. und erw. Auflage, Berlin 2000.

Harald Ginzky

Ausnahmen zu den Bewirtschaftungszielen im WasserrechtVoraussetzungen, Zuständigkeiten, offene Anwendungsfragen

enthalten, einen Rahmen für regionale Umweltziele formulieren,Indikatoren und Überwachungsmaßnahmen vorsehen, um die Zie-le erreichen zu können. Diese Strategie wird dazu beitragen, die aufEU-Ebene bestehenden Defizite einer integrierten Meeresschutzpo-litik abzubauen und auf einen integrierten Ansatz zu setzen.

F. Ausblick

Die Umsetzung der WRRL verlangt auch von der Kommission wei-tere zusätzliche rechtliche Vorgaben. Die WRRL verlangt in Art. 17die Vorlage einer neuen Grundwasserrichtlinie, zu der derUmweltministerrat gegen die Stimme von Deutschland im Juli2005 den gemeinsamen Standpunkt verabschiedet hat, und eineTochterrichtlinie für die prioritären Stoffe, Art. 16 Abs. 6 WRRL,mit einer Strategie zur Reduzierung dieser Stoffe. Bei Verabschie-dung der WRRL gingen die Mitgliedstaaten davon aus, dass nurdurch einheitliche europäische Vorgaben das Ziel der Einstellungder Einträge von prioritären gefährlichen Stoffen erreichbar ist.

Auf nationaler Ebene wird es darauf ankommen, ein Auseinan-derfallen der Bewertungs- und Bewirtschaftungsgrundsätze in deninsgesamt 10 Flussgebietseinheiten zu vermeiden. Zur Gewährlei-stung einer kohärenten Umsetzung der WRRL in Deutschlandwäre eine Stärkung der Bundeskompetenz im Hinblick auf die Ein-führung einer konkurrierenden Gesetzgebung auch im Wasser-recht förderlich.

1 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.Ok-tober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Ge-meinschaft im Bereich der Wasserwirtschaft, ABl. EG L 327/1.

2 Die Menge ist bei Oberflächengewässer für den biologischen Zustand bedeutsamund wird insoweit auch berücksichtigt. Für Grundwasser steht hingegen wegender Bedeutung für die Trinkwasserversorgung das Dargebot im Vordergrund. Hin-sichtlich der Grundwasserbiologie liegen bislang keine hinreichenden Kennt-nisse für die Normierung konkreter rechtlicher Anforderungen vor.

3 BGBl. I (2002), S. 1914.4 Siehe hierzu allgemein M. Kotulla, Das Wasserhaushaltsgesetz und dessen 7. Än-

derungsgesetz, NVwZ 2002, 1409 und M. Reinhardt, Wasserrechtliche Richtli-nientransformation zwischen Gewässerschutzrichtlinie und Wasserrahmen-richtlinie, DVBl. 2001, 145.

5 Nach § 32 c WHG gelten die Regelungen für die Oberflächengewässer auch fürdie Küstengewässer.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 515

Bei der Bestandsaufnahme hat sich gezeigt, dass eine Vielzahlvon Gewässern den guten ökologischen Zustand nicht erreichenwird. Da die erforderlichen Sanierungskosten erheblich sein wer-den, besteht ein starker Bedarf, die Ausnahmetatbestände inAnspruch nehmen zu können. Dies hängt insbesondere von derAuslegung der rechtlichen Voraussetzungen ab. Aus Sicht der Pra-xis stellen sich in diesem Zusammenhang viele Rechtsfragen.

In der Literatur und der Rechtsprechung sind diese Rechtsfragenbislang kaum und jedenfalls nicht umfassend behandelt worden.6

Politik und Verwaltung beginnen allerdings langsam, sich mit denFragen auseinanderzusetzen. Die EU-Kommission hat im Frühjahr2005 ein Diskussionspapier vorgelegt,7 dass auf einer Fachkonfe-renz im Mai 2005 in Berlin anhand von einigen Fallbeispielenerörtert wurde. Die Konferenzteilnehmer, Vertreter aus den Mit-gliedstaaten und der EU-Administration, haben sich auf die sogenannten »Main Findings« der Tagung geeinigt.8 Auf dieserGrundlage haben die Wasserdirektoren der EU-Mitgliedstaaten aufihrer Sitzung im Juni 2005 das Papier »Environmental Objectivesunder the Water Framework Directive – Policy Summary« verab-schiedet, das sich unter anderem mit der Frage der Ausnahmetat-bestände – allerdings nicht primär aus juristischer Sicht – ausein-andersetzt.9 Auch der Rechtsausschuss der LAWA beschäftigt sichmit der Thematik. Ein erstes Papier, das als Ausgangspunkt der Dis-kussion verwendet werden könnte, liegt aus NRW vor.10

B. Allgemeines zu den Ausnahmetatbeständen

I. Die Ausnahmen

Die Ausnahmetatbestände sind für die Oberflächengewässer inden §§ 25 c und d WHG normiert. §§ 33a und § 32c WHG enthal-ten für das Grundwasser und für die Küstengewässer einige Son-derregelungen, die im Abschnitt C. III. erörtert werden.

1. Die verschiedenen Tatbestände

Das WHG kennt in Entsprechung zur WRRL vier verschiedeneAusnahmetatbestände.11

– Zunächst besteht die Möglichkeit der Fristverlängerung nach §25 c Abs. 2 WHG. Die Fristverlängerung ist grundsätzlich zuläs-sig, wenn keine Verschlechterung eintritt und die notwendigenMaßnahmen entweder wegen der natürlichen Bedingungenoder aus technischen Gründen oder wegen des unverhältnis-mäßig hohen Aufwands nicht durchgeführt werden können.

– Zweitens können nach § 25 d Abs. 1 WHG geringere Ziele fest-gelegt werden, wenn die Gewässer durch menschliche Tätigkei-ten oder durch ihre natürlichen Gegebenheiten so beeinträch-tigt sind, dass die Erreichung der Ziele unmöglich oder mitunverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist, wenn kei-ne besseren Lösungsoptionen bestehen, die Verschlechterungdes Gewässers vermieden wird und trotzdem der unter diesenVoraussetzungen bestmögliche Zustand erreicht wird.

– Ferner kann nach § 25 d Abs. 2 WHG die vorübergehende Ver-schlechterung des Gewässerzustands zulässig sein. Die Ver-schlechterung muss nach § 25 d Abs. 2 WHG auf Umständenberuhen, »die entweder in natürlichen Ursachen begründetoder durch höhere Gewalt bedingt sind«, die ferner außerge-wöhnlich und nicht vorhersehbar waren oder die Folge vonUnfällen waren.

– Schließlich können neue Veränderungen der physischen Eigen-schaften von Gewässern, obwohl sie eine Verschlechterung desZustands verursachen oder wegen derer der gute Zustand nichtzu erreichen ist, ausnahmsweise zulässig sein. Voraussetzung ist,

dass ein öffentliches Interesse an den Aktivitäten besteht oderder Nutzen der Aktivität den Nutzen der Bewirtschaftungszieleübersteigt, dass keine bessere Lösungsoption gegeben ist undalle möglichen Vermeidungsmaßnahmen ergriffen werden.

Die Ausnahmetatbestände nehmen auf unterschiedliche Fall-konstellationen Bezug. Die Tatbestände »Fristverlängerung« und»Geringere Ziele« beschreiben Konstellationen, bei denen dieErreichung der Bewirtschaftungsziele entweder aus zeitlichenGründen oder aus materiellen Gründen nicht möglich ist. DerAusnahmetatbestand »vorübergehende Verschlechterung« hinge-gen reagiert auf Sachverhalte wie Umweltkatastrophen, die dermenschlichen Einflusssphäre entzogen sind. Schließlich könnengrundsätzlich auch neue menschliche Veränderungen der Gewäs-serstruktur zulässig sein, obwohl sie das Erreichen der Bewirtschaf-tungsziele in Frage stellen oder zu einer Verschlechterung führen,wenn sie aus Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt sind. Beispielehierfür sind etwa der Ausbau oder die Unterhaltung von Wasser-straßen oder von Wasserkraftwerken.

2. Künstlich oder erheblich veränderte Gewässer

Nach § 25 a WHG besteht ferner die Möglichkeit, Oberflächenge-wässer als »künstlich oder erheblich verändert« auszuweisen. Indiesem Fall ist nach § 25 b Abs. 1 WHG statt des guten ökologi-schen Zustands nur das gute ökologische Potential zu erreichen.Die sonstigen Bewirtschaftungsziele gelten weiterhin. Der Begriff»gutes ökologisches Potential« ist in der WRRL und im WHGwenig präzise definiert.12 Eindeutig ist allerdings, dass es sich umein niedrigeres Niveau handelt als beim guten ökologischenZustand.

Voraussetzung für die Annahme eines künstlichen oder erheb-lich veränderten oberirdischen Gewässers ist zweierlei. Erstensmuss tatsächlich nach § 25b Abs. 4 WHG ein künstliches, d.h.»von Menschen geschaffenes«, Gewässer oder ein erheblich verän-dertes, d.h. »ein durch den Menschen in ihrem Wesen physika-lisch verändertes« Gewässer vorliegen. Zweitens muss eine förmli-che Einstufung vorliegen, um auf die verminderten Bewirtschaf-tungsziele nach § 25b WHG abstellen zu können. In welcher Formdie Einstufung erfolgt, ergibt sich aus dem Landesrecht.

Nach Art. 13 WRRL muss die Einstufung spätestens mit der Auf-stellung des Bewirtschaftungsplans Ende 2009 erfolgen. Allerdingskönnen die Gewässer auch schon vorher rechtsverbindlich alskünstlich oder erheblich verändert eingestuft werden.

Streitig ist, ob die Einstufung eines Gewässers als »künstlich odererheblich verändert« als Ausnahmetatbestand zu verstehen ist.13

Die Bedingungen, an die die Einstufung nach § 25b Abs. 2 WHGgeknüpft sind, sprechen für die Annahme einer Ausnahmerege-lung. Erstens müssen die Änderungen der hydromorphologischen

516 | ZUR 11/2005

D A S T H E M A | Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht

6 Siehe z.B. G.M. Knopp, Ausnahmen von den Umweltzielen des Artikel 4 WRRLund ihre Bedeutung beim wasserrechtlichen Vollzug in Deutschland, in: WuA2005, S. 27 und H. Ginzky, Die nächste Elbvertiefung – Ausgewählte rechtlicheFragen, insbesondere die Berücksichtigung von Alternativen, unter: http://vor-ort.bund.net/hamburg/fileadmin/user_upload/projekte/Elbe/Tagungsband-Elbe.pdf

7 EU-Kommission, Environmental Objectives under the Water Framework Direc-tive, Background Document.

8 Water Framework Directive Objectives Workshop, Berlin 26./27. Mai 2005,»Main Findings«.

9 Siehe Wasserdirektoren, »Environmental Objectives under the Water FrameworkDirective – Political Summary«, Stand Juni 2005.

10 Diskussionspapier aus Nordrhein-Westfalen »Überlegungen zu Umweltzielennach WRRL« (Verfasser S. Pawlowski/U. Frotscher-Hoof/A. Lerho/T. Menzel), StandJuli 2005.

11 Kritisch zu der Struktur der Ausnahmetatbestände M. Schmalholz, Die EU-Was-serrahmenrichtlinie – Der »Schweizer Käse« im europäischen Gewässerschutz ?,ZfW 2001, 69, 82 ff.

12 Siehe Czychowski/Reinhardt WHG-Kommentar, § 25b Rn. 3.13 Siehe hierzu Rechenberg/Seidel, Ausweisung erheblich veränderter Gewässer –

Ausnahme oder Regelfall ?, in: WuA 2002, S. 36 ff. und Schmalholz (Fn 11), ZfW2001, 76.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 516

Merkmale, die erforderlich wären, um einen guten ökologischeZustand zu erreichen, signifikante Auswirkungen auf die Umweltoder auf Nutzungen des Gewässers durch den Menschen, z.B. dieSchifffahrt haben. Zweitens dürfen die Ziele dieser Nutzungennicht durch andere Lösungen umweltgerechter erreicht werdenkönnen, die zudem technisch durchführbar sind und keine unver-hältnismäßigen Kosten verursachen. Andererseits sprechen vorallem systematische Argumente gegen die Annahme einer Aus-nahmebestimmung.14 Insoweit ist auf den Text der WRRL zurück-zugreifen. In Art. 4 Abs. 1 lit. a (i) WRRL wird für alle Oberflächen-gewässer das Verschlechterungsverbot normiert, während in denbeiden nachfolgenden Anstrichen (ii) und (iii) weitere Anforde-rungen zunächst für die »normalen« Oberflächengewässer undanschließend für die »künstlich oder erheblich veränderten« Was-serkörper aufgestellt werden. Auch aus der Formulierung in Art. 4Abs. 1 lit. a (ii) WRRL, dass für alle Oberflächengewässer »vorbe-haltlich der Anwendung der Ziffer iii« (Regelungen für künstlichoder erheblich veränderte Gewässer) ein guter Zustand zu errei-chen ist, lassen sich keine Argumente für die Annahme eines Aus-nahmetatbestandes ablesen.15 Denn die Formulierung besagtlediglich, dass für »künstlich oder erheblich veränderte Gewässer«andere Ziele gelten. Ferner können die oben genannten Ausnah-men nach § 25 c und d WHG auch in Bezug auf die künstlichenoder erheblich veränderten Gewässer zur Anwendung gebrachtwerden. Die Umweltziele stehen also nebeneinander, ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist nicht erkennbar.16

3. Rangfolge der Ausnahmetatbestände

Es ist fraglich, ob unter den Ausnahmetatbeständen eine Rangfol-ge in dem Sinne besteht, dass zunächst der eine oder der andereangewendet werden muss. Da die beiden Ausnahmetatbestände»vorübergehende Verschlechterung« und »neue Maßnahmen«spezifische Konstellationen zum Gegenstand haben, steht nur dasVerhältnis zwischen einer Fristverlängerung und der Festlegungweniger strenger Umweltziele zur Debatte.

Aber auch die beiden anderen Ausnahmetatbestände scheinenspezifische Situationen zu meinen, die nicht deckungsgleich sind,so dass eine grundsätzliche Hierarchie schon aus inhaltlichenGründen ausscheidet. Denn bei der Fristverlängerung geht es inder Regel darum, dass das fristgerechte Erreichen der Ziele nichtmöglich ist, während das Erreichen der Ziele bei dem Ausnahme-tatbestand »geringere Ziele« grundsätzlich und in der Regel dauer-haft in Frage gestellt ist.17 Deutlich wird das auch daran, dass eineVerlängerung der Frist nach Art. 4 Abs. 4 lit. c WRRL nur bis maxi-mal 2027 (d.h. zwei Aktualisierungen des Bewirtschaftungsplans)möglich ist; ausgenommen von dieser »deadline« ist die Begrün-dung wegen der natürlichen Gegebenheiten. »Geringere Ziele«können hingegen über diesen Zeitpunkt hinaus festgelegt wer-den.18 Ferner sind die Voraussetzungen unterschiedlich. DieAnforderungen für die Festlegung »geringerer Ziele« sindanspruchsvoller, da zusätzlich belegt werden muss, dass keine bes-seren anderweitigen Lösungsoptionen bestehen.

Eine Hierarchie zwischen den Ausnahmetatbeständen ist somitnicht auszumachen;19 in der Praxis wird es aber in vielen Fällenzweckmäßig sein, sich zunächst auf den Ausnahmetatbestand»Fristverlängerung« zu stützen, weil die Begründungslasten gerin-ger sind.20

4. Kombination von Ausnahmen

Fraglich ist auch, ob die Ausnahmetatbestände kombiniert werdenkönnen. Dagegen wird der Wortlaut von § 25 d Abs. 2 WHG ange-führt, wonach vorübergehende Verschlechterungen nur insoweitzulässig sind, als »gegen die Zielsetzungen nach § 25 a Abs. 1 und

§ 25 b Abs. 1« WHG verstoßen wird. Daher sei eine Abweichungvon den Zielen, wie sie nach §§ 25 c und d Abs. 1 WHG festgelegtwerden, nicht möglich.21

Europarechtlich ist nach Art. 4 Abs. 6 WRRL diese Einschrän-kung nicht vorgesehen. Ferner ist es auch sachlich nicht überzeu-gend, dass z.B. in einem Gewässer, für das eine Fristverlängerungoder weniger strenge Ziele statuiert wurden, weitere Ausnahmenwegen Katastrophen oder Unfällen oder wegen neuer Veränderun-gen nicht möglich sein sollen. Eine Kombination der Ausnahme-tatbestände ist somit grundsätzlich zulässig.

II. Auslegungsgrundsätze

Ausnahmeregelungen sind entsprechend den allgemein aner-kannten Grundsätzen der rechtswissenschaftlichen Methodenleh-re eng auszulegen.22 Das folgt aus dem Regel-Ausnahme-Verhält-nis. Eine extensive Interpretation der Voraussetzungen der Aus-nahmen könnte hingegen dieses Verhältnis umkehren.

Daher müssen auch die Ausnahmen nach §§ 25 c und d WHGeng ausgelegt werden.23 Zwar beinhaltet die Anwendung der Aus-nahmetatbestände in der Praxis notwendigerweise eine Entschei-dung über Prioritäten bei der Bewirtschaftungsplanung.24 Insofernkönnen die Ausnahmeregelungen auch ein Instrument der Pla-nung sein. Das erlaubt aber nicht, die rechtlichen Anforderungenüber eine extensive Auslegung zu relativieren.25

III. Abschließende Aufzählung

In eine ähnliche Richtung geht der nachfolgende Aspekt. Fraglichist, ob die Ausnahmetatbestände, wie sie in den §§ 25 c und dWHG aufgelistet sind, abschließend sind oder ob auf Grund allge-meiner Rechtsgrundsätze, wie etwa des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes Ausnahmen von den Bewirtschaftungszielen ergän-zend zulässig sein können.

Aus dem Wortlaut von §§ 25 c und d WHG ergibt sich nicht aus-drücklich, dass die Aufzählung der Ausnahmen abschließend ist.Der Blick in WRRL zeigt allerdings, dass genau das gewollt ist. Ausder Formulierung in Art. 4 Abs. 1 WRRL »vorbehaltlich etwaigerVerlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absät-ze 5, 6 und 7« wird deutlich, dass die Umweltziele nach WRRL nurdann nicht gelten, wenn die Ausnahmebestimmungen aus Art. 4Abs. 4 bis 7 WRRL greifen. Dies hat im Umkehrschluss zur Folge,dass die Ausnahmetatbestände nach WRRL als abschließend zuverstehen sind.26 Die §§ 25 c und d WHG sind entsprechendbereits als gesetzgeberische Konkretisierung des Verhältnismäßig-

ZUR 11/2005 | 517

Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht | D A S T H E M A

14 Siehe auch das Diskussionspapier (Fn 10), S. 6 f., der die künstlich oder erheb-lich veränderten Gewässer als einen Sondertatbestand ("specific water bodies")bezeichnet.

15 A.A. Rechenberg/Seidel (Fn 13), S. 38. Die englische Formulierung "subject to"spricht noch weniger für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis.

16 So auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 b, Rn. 2. Siehe Wasserdirektoren (Fn9), S. 2. So auch Knopp (Fn 5), S. 27.

17 So auch Kotulla WHG-Kommentar, § 25 d, Rn. 9.18 Es darf aber nicht verkannt werden, dass für viele Begründungen wie z.B. tech-

nische oder finanzielle Unmöglichkeit beide Ausnahmetatbestände grundsätz-lich in Betracht kommen.

19 Anders in dem Diskussionspapier (Fn 10) S. 6.20 So auch Wasserdirektoren (Fn 9), S. 3. In den "Main Findings" (Fn 8), Ziffer 2, wird

empfohlen, dass zunächst der Ausnahmetatbestand der Fristverlängerung her-angezogen werden soll.

21 So Kotulla (Fn 4), S. 1414. 22 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1992, S. 243 f.23 So auch Kotulla (Fn 17), § 25 d, Rn. 4. 24 Wasserdirektoren (Fn 9), S. 3.25 Mißverständlich insoweit die Ausführungen in dem Diskussionspapier (Fn 10),

S. 20 ff.26 Siehe hierzu auch Ginzky (Fn 5), S. 42.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 517

keitsgrundsatzes zu verstehen, die einer weiteren Öffnung nichtzugänglich ist.27

IV. Begründungs- und Beweislasten

Nach § 36 b Abs. 3 WHG müssen in den Bewirtschaftungsplan dieFristverlängerungen, die Festsetzung von geringeren Zielen, dieAusnahmen wegen neuer Veränderungen der physischen Gewäs-serstruktur sowie wegen außergewöhnlicher und nicht vorherseh-barer Umstände aufgenommen werden.28

Die Begründung für die Anwendung der Ausnahmetatbeständemuss von den zuständigen Behörden geliefert werden. Das folgteigentlich schon aus der Natur der Sache, weil die Behörden derMitgliedstaaten für die Bewirtschaftungsplanung zuständig sind.Die Erwägungsgründe 30 und 31 verlangen ausdrücklich eine Ent-scheidung anhand von »geeigneten, eindeutigen und transparen-ten Kriterien«. Auch nach Art. 4 Abs. 4 bis 7 WRRL ist die Darlegungder Gründe für die Fristverlängerung und für die Festlegung gerin-gerer Ziele und eine jährliche Überprüfung für die Anwendung desAusnahmetatbestands »vorübergehende Verschlechterung« erfor-derlich.29

Durch diese Vorgaben wird sichergestellt, dass die Entscheidun-gen über Ausnahmen inhaltlich begründet und nach außen doku-mentiert werden.

Da die Bewirtschaftungspläne auch der EU-Kommission nachArt. 15 WRRL vorzulegen sind, besteht des Weiteren eine Begrün-dungslast der Mitgliedstaaten gegenüber der EU-Kommission.

V. Öffentlichkeitsbeteiligung

Über die Ausnahmetatbestände muss bei der Aufstellung desBewirtschaftungsplans entschieden werden.30 Nach Art. 14 WRRLbzw. § 36 b Abs. 5 WHG muss die Öffentlichkeit bei der Aufstel-lung, Überprüfung und Aktualisierung der Bewirtschaftungsplänebeteiligt werden. Art. 14 WRRL verlangt, dass der Öffentlichkeitbis Ende 2006 eine Zeitplan und ein Arbeitsprogramm für die Auf-stellung des Plans, bis Ende 2007 ein vorläufiger Überblick über diewichtigen Bewirtschaftungsfragen und bis Ende 2008 der Entwurfdes Bewirtschaftungsplans zur Verfügung gestellt wird. Die Öffent-lichkeit hat dann jeweils ein halbes Jahr Zeit, um zu den jeweiligenPapieren Stellung zu nehmen.

VI. Rechtsschutz

Im Zusammenhang mit den Begründungs- und Dokumentations-lasten steht auch die Frage, ob es gegen die Entscheidungen derBehörde, Ausnahmen nach §§ 25 c und d WHG festzulegen, Kla-gemöglichkeiten gibt.

Die Festlegung der Ausnahmen könnte zumindest inzidentüberprüft werden, wenn gegen die Maßnahmenprogrammegeklagt werden kann. Die LAWA geht derzeit davon aus, dass dieMaßnahmenprogramme generell nicht justiziabel sind. Da aber inden Maßnahmenprogrammen verbindliche Vorgaben auch hin-sichtlich der zu treffenden Maßnahmen festgelegt werden unddiese auch für den Einzelnen Bedeutung haben, muss zumindestinsoweit die Außenwirksamkeit und deren gerichtliche Anfecht-barkeit anerkannt werden.31 Dafür spricht auch die vorherige auf-wändige Öffentlichkeitsbeteiligung. Insoweit wäre dann aucheine gerichtliche Überprüfung der Bewirtschaftungsziele bzw. derAusnahmen möglich.32

518 | ZUR 11/2005

D A S T H E M A | Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht

C. Voraussetzungen der Ausnahmen

I. Querschnittsfragen

1. Erreichen der Bewirtschaftungsziele

Nach § 25 c Abs. 1 WHG werden die Länder ermächtigt, die Fristenfür das Erreichen der Bewirtschaftungsziele aus §§ 25 a und bWHG festzulegen. Einen Zeitpunkt selbst nennt das Gesetz nicht.Allerdings ist Art. 4 Abs. 1 WRRL insofern eindeutig. Die Umwelt-ziele sind 15 Jahre nach Inkrafttreten, mithin am 22.12.2015 zuerreichen.

Jede Abweichung von dieser zeitlichen Vorgabe für die Zielerrei-chung bedarf somit der Rechtfertigung im Rahmen der Ausnah-metatbestände nach § 25 c und d WHG. Eine Interpretation,wonach die Zielerreichung im Grunde erst nach der zweimaligenVerlängerungsoption nach Art. 4 Abs. 4 WRRL erforderlich ist,33

widerspricht somit den europarechtlichen Vorgaben.

2. Unverhältnismäßig hoher Aufwand

Der Begriff »unverhältnismäßig hoher Aufwand« wird im Vollzugder Ausnahmetatbestände eine herausragende Rolle spielen, daökonomische Zwänge allgegenwärtig sind. Gleichzeitig ist erwenig präzise, so dass eine wirkliche Steuerung durch ihn kaumerreicht werden kann. Dies wird dadurch verstärkt, dass auch inder ökonomischen Theorie wenig konsentiertes Wissen überMethoden von Kosten-Nutzen-Abwägungen bei Umweltschutz-maßnahmen vorfindbar ist. Die nachfolgenden Ausführungen –auch diejenigen zu den einzelnen Ausnahmetatbeständen - neh-men daher nicht für sich in Anspruch, den Stein des Weisen gefun-den zu haben. Es sollen erste Klarstellungen und Konkretisierun-gen hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen erreicht werden,auf denen aufbauend an anderer Stelle, insbesondere von ökono-mischer Seite, weitere Fragen zu klären sind.

Die §§ 25 c und d WHG verwenden den Begriff an vier Stellen. In§ 25 c Abs. 2 und in § 25 d Abs. 1 Nr. 1 WHG wird der Begriff alsVoraussetzung der Inanspruchnahme der Ausnahmetatbeständeverwendet. So kann eine Frist nach § 25 c Abs. 2 WHG verlängertwerden, wenn »die Einhaltung der Frist mit unverhältnismäßighohem Aufwand verbunden wäre«. Nach § 25 d Abs. 1 Nr. 2 und§ 25 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WHG darf hingegen die Alternativlösungnicht mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbundensein. Dadurch wird eine Anforderung an die Alternativlösung nor-miert, deren Fehlen wiederum Voraussetzung des Ausnahmetatbe-stands ist.34 Der Begriff wird also in zwei völlig unterschiedlichenKontexten gebraucht.

Trotz der unterschiedlichen Kontexte ist immer zu klären, inBezug zu welchen Aspekten die Verhältnismäßigkeit des jeweili-gen Aufwandes zu prüfen ist.

27 A.A. Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25d, Rn. 1, der davon ausgeht, dass dies we-gen der generellen Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig ist.

28 Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 36 b, Rn. 21 ff.29 Bei der Fristverlängerung und den neuen Veränderungen erfolgt die Überprüfung

im Rahmen der Aktualisierung des Bewirtschaftungsplans.30 Eine Ausnahme bildet hierzu der Ausnahmetatbestand "neue Veränderungen",

soweit eine Verschlechterung zu erwarten ist. Die Entscheidung ist dann jeweilsim Vorfeld der neuen "Veränderung" zu treffen. Zu der Frage, auf welcher Pla-nungsebene die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Ausnahmebestim-mung beim Ausbau von Bundeswasserstraßen anzusiedeln ist, siehe Ginzky (Fn5), S. 45 ff.

31 So auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 36, Rn. 7. 32 Siehe Kotulla (Fn 17), § 36, Rn. 24, der von einer generellen gerichtlichen Über-

prüfbarkeit der Maßnahmenprogramme ausgeht.33 In diese Richtung geht das Diskussionspapier (Fn 10), siehe etwa S. 15 und 20 ff. 34 In der WRRL ist an den entsprechenden Stellen von unverhältnismäßig hohen

Kosten die Rede. Obwohl der Begriff »Aufwand« weiter sein dürfte und insbe-sondere auch den technischen Aufwand beinhalten kann, dürfte sich im Ergeb-nis kein Unterschied des WHG zur WRRL ergeben, da erstens technische Schwie-rigkeiten immer berücksichtigt werden müssen und zweitens sich technischeSchwierigkeiten in der Regel auch monetarisieren lassen.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 518

Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht | D A S T H E M A

ZUR 11/2005 | 519

Soweit es um den unverhältnismäßigen Aufwand der Alterna-tivlösung geht, sind die Kosten der eigentlich angestrebten Maß-nahme der Bezugspunkt. Da die Zwecke und die Qualität der bei-den Lösungen vergleichbar sein müssen, können die Kosten inso-fern in der Regel direkt abgeglichen werden.35

Im Rahmen der § 25 c Abs. 2 und § 25 d Abs. 1 Nr. 1 WHG ist derBezugspunkt deutlich schwieriger zu bestimmen. Bezugspunkt fürdie Verhältnismäßigkeit der Kosten der Maßnahmen ist die nach§ 25 c Abs. 2 WHG fristgerechte oder nach § 25 d Abs. 1 Nr. 1 WHGgenerelle Erreichung der Bewirtschaftungsziele. Den Kosten derMaßnahmen ist also der Nutzen der Zielerreichung gegenüber zustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das generelle Ziel (»guterZustand des Gewässers«) eine Vorgabe des EU-Gesetzgebers ist, dienicht in Frage gestellt werden kann.

Zur Berechnung der Kosten der Maßnahmen existieren inDeutschland hinreichende Kenntnisse,36 während die Quantifizie-rung des Nutzens weiterhin problematisch ist. Sofern es sich dabeium den Nutzen für bestimmte Gewässerbenutzungen handelt, isteine Monetarisierung zwar noch leistbar. Schwierigkeiten entste-hen insbesondere bei der Quantifizierung hinsichtlich der Gewäs-serökologie, so dass man sich hier vermutlich mit qualitativenAussagen begnügen muss.

Die alleinige Begründung, eine Maßnahme sei zu teuer, ohneden Bezug zum Nutzen der Bewirtschaftungsziele herzustellen,wäre daher unzureichend und mithin rechtswidrig.37

Im Rahmen dieser Kosten-Nutzen-Abwägung ist vor allem zuberücksichtigen, wie sich die Maßnahmen für die jeweils betroffe-ne Gruppe auswirken.38 Die Folgen der Maßnahme für jeden Ein-zelnen oder für jedes einzelne Unternehmen sind insofern nichtder wesentliche Entscheidungsmaßstab. Allerdings kann durchAuflagen, Befristungen oder Ausnahmeregelungen die finanzielleBelastung ggf. gestreckt werden, um erhebliche Nachteile im Ein-zelfall abzumildern.

Ratsam ist schließlich hinsichtlich der Kosten und des Nutzensdie Differenzierung zwischen Auswirkungen auf Private und dieAllgemeinheit. Denn bei Verboten hinsichtlich der Verwendungoder der Vermarktung von Chemikalien hat sich immer wiedergezeigt, dass zwar für die betroffenen Firmen betriebswirtschaftli-che Nachteile entstehen, die Volkswirtschaft aber von den Verbo-ten dadurch profitiert, dass Innovationen und Investitionen ange-regt werden.39 Ähnliche Effekte mögen sich auch im Bereich derWasserwirtschaft ergeben.

Unstreitig ist, dass der zuständigen Behörde insoweit ein weiterErmessensspielraum zugebilligt werden muss. Das betrifft, soweitkeine verwaltungsinternen Vorgaben vorliegen, sowohl die Wahl derökonomischen Methoden als auch die Einschätzung des Einzel-falls.40

Um allerdings einen halbwegs einheitlichen Vollzug sicherzu-stellen, sind Vereinbarungen sowohl im europäischen Kontext alsauch zwischen den Bundesländern empfehlenswert. Entsprechen-de Anstrengungen werden sowohl auf EU-Ebene als auch im Rah-men der LAWA unternommen.

3. Andere Lösungsoptionen

Die Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände »geringere Zie-le« und »neue Veränderung« setzt nach § 25 d Abs. 1 Nr. 2 und Abs.3 Nr. 2 WHG voraus, dass keine anderen Lösungsoptionen beste-hen, mit denen die gleichen Ziele verfolgt werden können, diewesentliche geringere nachteilige Auswirkungen auf die Umwelthaben und die technisch möglich sowie nicht unverhältnismäßigteuer sind.41 Hier stellen sich aus rechtlicher Sicht die folgendensechs Fragen.

a. Wann ist eine andere Lösung eine andere Lösung im Sinne von § 25 dAbs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 WHG?Maßnahmen sind im rechtlichen Sinne nur dann andere Lösun-gen, wenn auch durch sie die angestrebten Zwecke der an sichgeplanten Maßnahme »erreicht werden können«. In § 25 d Abs. 1Nr. 2 WHG geht es um die »ökologischen und sozioökonomischenErfordernisse«, in § 25 d Abs. 3 WHG um die »Ziele«. Zu prüfen ist,wann diese Voraussetzung erfüllt ist.

Anhaltspunkte ergeben sich aus der Rechtsprechung zu derAlternativenprüfung im Rahmen der naturschutzrechtlichenSchutzgebietsverträglichkeitsprüfung. Hier liegt eine andereLösung nur vor, wenn mit ihr zumindest ähnliche Ziele erreichtwerden können.42 Nicht gefordert werden kann allerdings dieVollkommenheit hinsichtlich der Erreichung der vom Vorhaben-sträger gesetzten Ziele.43 Dem Vorhabensträger kommt auf Grundseines planerischen Gestaltungsspielraums bei der Festlegung derPlanungsziele eine weitreichende Definitionsmacht zu.44

Im Falle des Ausbaus einer Bundeswasserstraße könnte der Vor-habensträger also argumentieren, die regionalwirtschaftlichenZiele des Ausbaus können durch den Ausbau einer anderen Was-serstraße oder eines anderen Verkehrsträgers nicht erreicht wer-den. Daher handele es sich bei diesen »Ideen« im Rechtssinnenicht um andere Lösungsmöglichkeiten.

Die Übertragung der naturschutzrechtlichen Auslegungs-grundsätze auf das Wasserrecht würden allerdings gegen die Inten-sion der §§ 25 d Abs. 1 und 3 WHG und der WRRL verstoßen. Soverbietet das Regel-Ausnahme-Verhältnis, das eine enge Ausle-gung der Ausnahmetatbestände fordert, dass tatsächlich vorhan-dene Alternativen nicht geprüft werden.

Ferner etabliert die WRRL den Grundsatz der ökonomischenRationalität zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele. Das kommtin den in der WRRL normierten Grundsätzen des Verursacherprin-zips, der Berücksichtigung der Kosteneffizienz bei der Auswahl derMaßnahmen45 sowie der Pflicht zur Internalisierung der Umwelt-kosten zum Ausdruck.

Durch diese drei Grundsätze soll sichergestellt werden, dass diewasserbezogenen Entscheidungen ökonomisch fundiert undzweckmäßig sind. Obwohl dies bei den Ausnahmebestimmungennicht ausdrücklich erwähnt ist, muss dieser Leitgedanke der WRRLder ökonomischen Rationalität auch bei deren Auslegung berück-sichtigt werden. Denn wenn dieser Grundsatz schon bei der Aus-wahl von Maßnahmen zu beachten ist, muss dies auch für die Fest-legung der Ziele und der Ausnahmen gelten.46 Dabei entspricht esder ökonomischen Rationalität der WRRL, volkswirtschaftlicheAspekte gleichrangig neben regionalwirtschaftlichen Interessen indie Prüfung einzustellen.47 Daher müssten in dem obigen Fallbei-

35 Siehe hierzu unter C II 1.36 LAWA, Leitlinien zur Durchführung dynamischer Kostenvergleichsrechnungen,

2005. 37 A.A. Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 d, Rn. 1.38 A.A. Diskussionspapier (Fn 10), S. 21.39 Siehe hierzu Winter/Ginzky/Hansjürgens, Kosten und Nutzen der europäischen

Chemikalienregulierung, 1999.40 So auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 d, Rn. 3.41 Der Wortlaut in den beiden Absätzen ist nicht identisch. In der Sache dürfte al-

lerdings kein Unterschied bestehen. So ist die technische Durchführbarkeit, ob-wohl in § 25 d Abs. 3 Nr. 2 WHG nicht erwähnt, eine notwendige Voraussetzungfür die Annahme einer »geeigneten Maßnahmen«.

42 BVerwG ZUR 2004, 222, 224. Ob diese Auslegung der Rechtsprechung der FFH-Richtlinie europarechtskonform ist, mag wegen des in der Richtlinie zum Aus-druck gebrachten strengen Regel-Ausnahme-Verhältnis für Beeinträchtigungenin FFH-Gebieten bezweifelt werden. Eine Entscheidung des EuGH zu dem Krite-rium »Alternativlösung« nach FFH-Richtlinie liegt bislang nicht vor.

43 BVerwG NUR 2002, 739, 742 mit Anm. Fisahn, ZUR 2003, 26.44 Siehe hierzu BVerwG ZUR 1998, 203, 206.45 Siehe zu einer Methodik der Bewertung der Kosteneffizienz das Handbuch

»Grundlagen für die Auswahl der kosteneffizientesten Maßnahmenkombinatio-nen zur Aufnahme in das Maßnahmenprogramm nach Art. 11 WRRL«, UBA-Tex-te 02/04. Download unter: http://www.umweltdaten.de/wasser/hmwbawb.pdf

46 So auch im Ergebnis Kotulla (Fn 17), § 25 d, Rn. 10.47 Ausführlich hierzu Ginzky (Fn 5), S. 40 ff.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 519

D A S T H E M A | Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht

520 | ZUR 11/2005

spiel der Ausbau anderer Bundeswasserstraßen oder anderer Ver-kehrsträger als andere Lösungsoptionen berücksichtigt werden.

Im Rahmen des §§ 25 d Abs. 1 Nr. 2 und 3 WHG gilt also ein wei-tes Verständnis hinsichtlich der anderen Lösungsoptionen.Tatsächlich bestehende Optionen können daher etwa nicht mitdem Argument ausgeschieden werden, die spezifischen regional-wirtschaftlichen Zielstellungen könnten so nicht verfolgt werden.

b. Räumliche Erstreckung der anderen LösungsoptionDa sich die Bewirtschaftungsplanung grundsätzlich immer auf eineFlussgebietseinheit erstreckt, könnte argumentiert werden, »ande-re Maßnahmen« seien nur dann berücksichtigungsfähig, wenn siesich auch räumlich in der beplanten Flussgebietseinheit befinden.

Am Beispiel des Ausbaus der Bundeswasserstraße wird schnelldeutlich, dass eine solche Interpretation keinen Sinn machte, dadamit wichtige tatsächlich vorhandene Alternativen, nämlich derAusbau anderer Wasserstraßen außerhalb der Flussgebietseinheit,aus Rechtsgründen unbeachtlich bleiben könnten.

Eine solche Interpretation widerspräche auch den Grundsätzender WRRL, die an verschiedenen Stellen verlangt, bei der Planungvon Flussgebietseinheiten über »deren Tellerrand« hinaus zu den-ken, m.a.W. die Auswirkungen außerhalb der Flussgebietseinheitzu berücksichtigen. So verlangt Art. 3 WRRL die Koordinierung voninternationalen Flussgebietseinheiten – sei es innerhalb der EUoder über deren Grenzen hinaus – ebenso wie nach Art. 12 WRRLwasserwirtschaftliche Probleme, die nicht von einem Mitgliedstaatzu lösen sind, über die EU-Kommission zu koordinieren sind.48

Daher müssen Lösungsoptionen auch dann geprüft werden, wennsie sich außerhalb der beplanten Flussgebietseinheit befinden.

c. Typengleichheit der anderen LösungsoptionNach dem deutschen Planungsrecht sind grundsätzlich nur solcheAlternativen zu berücksichtigen, mit denen die Zwecke des jeweili-gen Fachgesetzes verfolgt werden können. Im Rahmen einerstraßenrechtlichen Planfeststellung kann daher nur der Ausbauanderer Straßen geprüft werden. Lösungen durch andere Verkehrs-träger dürfen aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt werden.49

Entsprechende Schranken auch für die §§ 25 d Abs. 1 und 3WHG anzunehmen, hieße, den Sinn der wasserwirtschaftlichenPlanung zu konterkarieren. Nach Art. 11 i.V.m. Anhang III WRRLmuss die kosteneffizienteste Maßnahmenkombination gewähltwerden. Dass hier auf die Kombination von offensichtlich ver-schiedenen Maßnahmentypen abgestellt wird, zeigt, dass sich dieWRRL keine Beschränkungen auferlegen möchte, wie sie das deut-sche Fachplanungsrecht vorsieht. Dies gilt auch für die Prüfunganderer Lösungsoptionen.

d. Wesentliche geringere UmweltauswirkungenDie andere Lösung darf nur »wesentliche geringere Umweltauswir-kungen« verursachen. Die Kernaussage ist also, dass sich derWechsel zu der Alternativlösung wirklich lohnen muss. Wenn die-se z.B. lediglich vergleichbare Auswirkungen zeitigt, kann dieInanspruchnahme der Ausnahmebestimmung gerechtfertigt sein.

e. Kein unverhältnismäßig hoher Aufwand Gleichsam als Pendant scheidet eine Alternativlösung erst dannaus, wenn ihre Durchführung »mit unverhältnismäßig hohemAufwand verbunden« ist. Das passt zu der Anforderung »wesentli-che geringere Umweltauswirkungen«, da die Verminderung derAuswirkungen bei der Erreichung der gleichen Ziele in der Regelmit höheren Kosten verbunden ist.

Eine Alternativlösung muss also, wenn sie die sonstigen Voraus-setzungen nach § 25 d Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WHGerfüllt, ergriffen werden, wenn sie geringere oder ähnliche Kostenverursacht.

Rechtlich gesehen muss die Qualität der Zielerreichung durchdie Alternativlösung zumindest vergleichbar mit der der an sichangestrebten Maßnahme sein. In diesem Fall kann der jeweiligeAufwand direkt miteinander verglichen werden. In Einzelfällenmag aber auch die Situation auftreten, dass die Alternativmaßnah-me die angestrebten Ziele weit besser verwirklicht. In diesem Fallmüssten rechtlich gesehen die beiden Maßnahmen sowohl hin-sichtlich ihrer Qualität als auch hinsichtlich der Kosten miteinan-der verglichen werden. Geeignete Methoden müssen von der öko-nomischen Theorie geliefert werden.

f. Zwingende VoraussetzungFraglich ist, ob das Vorliegen einer anderen Lösungsoption im Sin-ne des § 25 d Abs. 1 und 3 WHG zwingend die Inanspruchnahmeder Ausnahmetatbestände ausschließt. Der Gesetzestext ist hiereindeutig. Das Fehlen einer anderen Lösungsoption ist als tatbe-standliche Voraussetzung für die Annahme einer Ausnahmerege-lung formuliert. M.a.W.: Besteht eine andere Lösungsoption, dür-fen die Ausnahmetatbestände nicht angewandt werden.50

4. Weitere VerschlechterungIn allen vier Ausnahmetatbeständen spielt das Verschlechterungs-verbot eine zentrale Rolle. In den Ausnahmetatbeständen »Frist-verlängerung« und »Festlegung geringerer Ziele« wird als Voraus-setzung formuliert, dass eine weitere Verschlechterung des Gewäs-serzustands nicht eintritt. Bei den Ausnahmetatbeständen»vorübergehende Verschlechterung« und »neue Veränderungen«wird eine Verschlechterung des Gewässerzustands bei Beachtungbestimmter Voraussetzungen erlaubt.

Zu klären ist also, was unter einer Verschlechterung des Gewäs-serzustands zu verstehen ist. Der Begriff »Verschlechterung«, wieer in den §§ 25 c und d WHG verwendet wird, wird nach § 25 aAbs. 1 Nr. 1 WHG als »eine nachteilige Veränderung ihres (derOberflächengewässer: der Verf.) ökologischen und chemischenZustands« definiert. Das entspricht dem Verschlechterungsverbotnach Art. 4 Abs. 1 lit. a (i) WRRL. Nachteilig ist jede Veränderungdes Gewässerzustands nach § 25a WHG, wenn sich die Eigenschaf-ten des Wassers im Vergleich zu seinem vorherigen Zustand ver-schlechtern. Eine vorherige Verunreinigung schließt mithin eineweitere Verschlechterung nicht aus. Die Veränderung kann auchdann nachteilig sein, wenn sie sich nicht auf die bestehenden odergeplanten Nutzungen auswirkt.51 Eine Änderung der Klasse,wonach das Oberflächengewässer nach Anhang V Ziffer 1.4.WRRL eingestuft wurde, ist daher nicht erforderlich.

Dies gilt allerdings nur für die Oberflächengewässer. BeimGrundwasser tritt eine Verschlechterung erst ein, wenn eineZustandsänderung nach Anhang V Ziffer 2 WRRL vorliegt. Dennwäre auch beim Grundwasser jede nachteilige Veränderung als Ver-schlechterung zu interpretieren, wäre das eigenständige Bewirt-schaftungsziel »Umkehr aller signifikanten und anhaltendenTrends ansteigender Schadstoffkonzentrationen« überflüssig.52

Das Verschlechterungsverbot gilt bereits seit Inkrafttreten derWRRL. Denn es wäre mit dem Zweck der WRRL nicht vereinbar,wenn die Mitgliedstaaten auf der einen Seite bis 2009 berechtigtwären, ihre Gewässer weiter zu verschmutzen, und auf der anderenSeite bis 2015 die ambitionierten Ziele der WRRL umsetzen müs-sten. Die Rechtsprechung hat das Verschlechterungsverbot nach

48 Im Ergebnis so auch Wasserdirektoren (Fn 9), S. 3.49 BVerwG ZUR 1998, 203, 206 ff. So auch Beckmann/Lambrecht, Verträglichkeits-

prüfung und Ausnahmeregelung nach § 19 c BNatSchG, S. 1, 7 f.50 Das gleiche gilt für die Alternativenprüfung im Naturschutzrecht: Siehe BVerwG

NUR 2002, 739, 742 und BVerwG 110, 302, 304.51 Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25a, Rn. 8 i.V.m. § 26 Rn. 26.52 S. dazu Rechenberg/Seidel, Was bedeutet das Verschlechterungsverbot der EG-

Wasserrahmenrichtlinie für den Grundwasserschutz ?, WuA 10/2002, S. 48 ff.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 520

Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht | D A S T H E M A

ZUR 11/2005 | 521

der Umsetzung in das deutsche Recht als zwingend zu beachtendenAspekt im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens gewertet.53

5. Gefährdung der Zielerreichung in anderen Gewässern

Nach § 25 c Abs. 3 WHG dürfen Fristverlängerungen die Verwirkli-chung der Bewirtschaftungsziele »in anderen Gewässern derselbenFlussgebietseinheit nicht dauerhaft ausschließen oder gefährden«.Diese Anforderung gilt nach § 25 d Abs. 4 WHG auch für alle Aus-nahmetatbestände.

Deutlich wird an der Regelung zunächst, dass sich die Ausnah-metatbestände auf Teilräume einer Flussgebietseinheit beziehenkönnen. Die Ausnahmetatbestände müssen also nicht das gesamteFlusseinzugsgebiet betreffen.

§ 25 c Abs. 3 WHG verlangt somit, dass die Auswirkungen derInanspruchnahme einer Ausnahmeregelung auf andere Gewässerin derselben Flussgebietseinheit berücksichtigt werden. Dabeigenügt es, wenn die Zielerreichung gefährdet wird. Als weitereAnforderung formuliert § 25 c Abs. 3 WHG, dass die Auswirkung»dauerhaft« sein muss. »Dauerhaft« meint hier einen relevantenZeitraum, nicht gefordert ist allerdings eine zeitlich unbefristeteAuswirkung.

§ 25 c WHG ist nicht als striktes Gebot zu verstehen.54 Ggf. müs-sen die zuständigen Behörden prüfen, ob auch für das benachbarteGewässer ein Ausnahmetatbestand in Anspruch genommen wer-den soll.

Fraglich ist ferner, ob die Pflicht zur Rücksichtnahme auf dieGewässer in der beplanten Flussgebietseinheit beschränkt ist.Nach dem Sinn und Zweck der WRRL, flächendeckend einen gut-en Zustand aller Gewässer bis 2015 zu erreichen, folgt, dass zumin-dest offenkundige Auswirkungen auf Gewässer auch außerhalbder Flussgebietseinheit zu berücksichtigen sind.55

II. Die einzelnen Ausnahmebestimmungen

Die nachfolgenden Ausführungen dienen der Erörterung bishernicht besprochener Aspekte bei den einzelnen Ausnahmen.

1. Fristverlängerung

Eine Fristverlängerung nach § 25 c Abs. 2 WHG setzt voraus, dasserstens keine weitere Verschlechterung des Gewässerzustands ein-tritt und dass zweitens die notwendigen Verbesserungen aufGrund der natürlichen Gegebenheiten nicht fristgerecht erreichtwerden können, die Maßnahmen nur schrittweise in einem länge-ren Zeitraum vollzogen werden können oder die Einhaltung derFristen mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre.Es handelt sich um alternative Voraussetzungen.

In § 25 c WHG ist keine Höchstgrenze für die Fristverlängerunggenannt. Nach Art. 4 Abs. 4 lit. c WRRL ist eine Verlängerung maxi-mal bis zu zwei Aktualisierungen des Bewirtschaftungsplans, alsobis 2027, zulässig. Eine Ausnahme gilt für Fristverlängerungen, dieauf Grund von natürlichen Gegebenheiten erforderlich sind.56

Daher ist die Auslegung des Begriffs »natürliche Gegebenhei-ten« von hoher praktischer Bedeutung. Abzugrenzen ist er insbe-sondere gegenüber der zweiten Zulässigkeitsvoraussetzung, dertechnischen Unmöglichkeit der fristgerechten Erreichung derUmweltziele. Denn technische Schwierigkeiten lassen sich immerauch als Folge der natürlichen Gegebenheiten interpretieren.Unzulässig ist es wegen der verschiedenen ausdrücklich normier-ten Voraussetzungen allerdings, jede technische Schwierigkeit alsErgebnis der »natürlichen Gegebenheiten« zu deklarieren, um sodie »deadline« von 2027 zu umgehen.

Eine technische Unmöglichkeit liegt vor, wenn z.B. eine Sanie-rungstechnik unabhängig von den natürlichen Gegebenheiten im

Einzelfall grundsätzlich länger als die an sich vorgesehenen sechsJahre in Anspruch nimmt.57 Ein Beispiel mag etwa die hydrauli-sche Sanierung von Grundwasser sein, die in der Regel länger alssechs Jahre dauert. »Natürliche Gegebenheiten« sind hingegenentweder besondere geologische oder hydrologische Bedingungenim Einzelfall oder schlicht Naturgesetze, die unabhängig von dereingesetzten Maßnahme die Zielerreichung bis 2015 ausschließen.Ein Beispiel für die erste Variante wären außergewöhnliche Bedin-gungen bei einer Grundwassersanierung. Die zweite Variante liegtzum Beispiel vor, wenn eingetragene Schadstoffe sich bereits inder Nahrungskette befinden und daher die Auswirkungen aufMeeressäuger nicht mehr zu unterbrechen sind.

Als dritte alternative Voraussetzung kann eine Fristverlängerungdarauf gestützt werden, dass »die Einhaltung der Frist mit unver-hältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre«. Wie oben ausge-führt muss bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung immer derBezugspunkt bestimmt und bei der Prüfung berücksichtigt wer-den.58 Hier geht es auf der einen Seite um die Kosten der Maßnah-me, auf der anderen Seite steht die fristgerechte Erreichung desBewirtschaftungsziels. Rechtlich könnte man daher die Auffas-sung vertreten, dass sich die Unverhältnismäßigkeit der Kostendurch das fristgerechte Erreichen des Bewirtschaftungsziels erge-ben muss.59 Eine Begründung einer Fristverlängerung, dass diefinanziellen Ressourcen zwar bis 2015 nicht im ausreichendenMaße zur Verfügung stehen, genügte also nicht den Anforderun-gen nach § 25 c Abs. 2 Nr. 3 WHG.

Die Konsequenz wäre allerdings, dass vermutlich auf den Aus-nahmetatbestand »geringere Ziele« ausgewichen würde. Fernerscheint es aus praktischer Sicht notwendig, dass bei der Bewirt-schaftungsplanung berücksichtigt werden kann, dass finanzielleMittel nicht aktuell unbegrenzt verfügbar sind.60 Das ist grundsätz-lich auch mit dem Ziel der WRRL, zu einer kontinuierlichen Verbes-serung des Zustands der Gewässer beizutragen, vereinbar.

Allerdings ist insofern erforderlich, dass die Fristverlängerungsoweit möglich terminiert wird. Ansonsten wäre dieser Ausnah-metatbestand in seinem Anforderungsprofil beliebig. Dies folgtauch aus der Verpflichtung zu einer restriktiven Auslegung. EineTerminierung ist zumindest bei den beiden Voraussetzungen nach§ 25 c Abs. 2 Nr. 2 und 3 WHG, technische Schwierigkeiten undUnverhältnismäßigkeit, auch inhaltlich möglich.

2. Geringere Umweltziele

Nach § 25 d Abs. 1 WHG können für bestimmte Gewässer wenigerstrenge Bewirtschaftungsziele formuliert werden. Die nachfolgen-den Voraussetzungen gelten kumulativ: – Beeinträchtigung der Gewässer durch menschliche Tätigkeiten

oder Beschaffenheit auf Grund natürlicher Gegebenheiten, sodass eine Zielerreichung unmöglich oder unverhältnismäßig ist

– Keine Alternativlösung zur Realisierung der ökologischen undsozioökonomischen Erfordernisse der menschlichen Tätigkeit

– Ausschluss einer weiteren Verschlechterung

53 Siehe hierzu auch VG Koblenz, Urteil vom 19. April 2005, – 1 K 3375/04.KO –,(nicht veröffentlicht) Manuskript S. 7 und VGH München, Urteil vom 28. Juni2005, – 22 B 95.2188 – (nicht veröffentlicht) Manuskript S. 20.

54 So auch Kotulla (Fn 17), § 25 c, Rn. 17.55 So auch Main Findings (Fn 8), Ziffer 7.56 Siehe Kotulla, (Fn 17), § 25 c, Rn. 10 und 11.57 So auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 c, Rn. 6.58 Siehe oben unter C I. 2.59 So auch Kotulla (Fn 17), § 25 c, Rn. 16. A.A. Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 c,

Rn. 7, der nur auf das Verhältnis zwischen Nutzen der Bewirtschaftungsziele undden Kosten der Maßnahme abstellt und daher die Anforderung als vergleichs-weise gering bewertet.

60 So auch Diskussionsvorschlag (Fn 10) S. 5, der die Fristverlängerung als »Mittelder Priorisierung der Aktivitäten und Element der Bewirtschaftungsplanung«sieht.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 521

D A S T H E M A | Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht

522 | ZUR 11/2005

– Erreichung des bestmöglichen ökologischen und chemischenZustands des Gewässers

Zunächst muss die Zielerreichung unmöglich oder unverhältnis-mäßig sein, entweder wegen der vorhandenen Beeinträchtigungdurch menschliche Tätigkeiten oder auf Grund natürlicher Gegeben-heiten. Der Begriff »natürliche Gegebenheiten« ist analog zu § 25 cAbs. 2 WHG zu verstehen. Zentral dürfte daher für den Vollzug derTatbestand »Beeinträchtigung durch menschliche Tätigkeiten« sein.

Insofern fragt sich, ob es sich um gegenwärtige Aktivitäten han-deln muss oder ob auch die Folgen vergangenen Handelns berück-sichtigt werden können. Relevant wird dies vor allem für denBereich Altlasten, da hier die nutzbringenden Tätigkeiten längstvorüber sind. Da § 25 d Abs. 1 WHG die Formulierung »beeinträch-tigt … sind« statt »beeinträchtigt …werden« wählt, ist es zumindestnach dem Wortlaut her möglich, auch vergangene menschlicheHandlungen unter die Norm zu fassen. Für gegenwärtige Tätigkei-ten spricht allerdings § 25 d Abs. 1 Nr. 2 WHG – Notwendigkeit desFehlens einer Alternativlösung –, der darauf abstellt, dass dieZwecke der menschlichen Tätigkeit durch eine andere Maßnahmerealisiert werden können. § 25 d Abs. 1 WHG könnte aber dahinge-hend interpretiert werden, dass diese Voraussetzung für vergange-ne Handlungen nicht gelten soll.61 Dass auch vergangene Hand-lungen unter § 25 d Abs. 1 WHG subsumiert werden können, wirdvor allem durch die Formulierung in Art. 4 Abs. 5 WRRL belegt.Danach geht es um menschliche Tätigkeiten, »wie gemäß Artikel 5Abs. 1 festgelegt« und mithin solchen, deren Auswirkungen in derBestandsaufnahme berücksichtigt werden müssen. Eine Beschrän-kung auf gegenwärtige Handlungen ist im Anhang III der WRRLnicht vorgesehen. Daher können auch vergangene Handlungen,durch die Altlasten verursacht wurden, menschliche Tätigkeitenim Sinne von § 25 d Abs. 1 Nr. 1 WHG darstellen.62

Zum Teil wird vertreten, dass »unmöglich« im Sinne von § 25 dAbs. 1 WHG als objektive Unmöglichkeit zu verstehen ist. Das hättezur Folge, dass die weiteren Voraussetzungen aus § 25 d Abs. 1 WHGnicht mehr geprüft werden müssten und eine Pflicht zur Zielerrei-chung nicht bestünde.63 Diese Auffassung übersieht aber, dass es umdie Unmöglichkeit der Zielerreichung geht, die durch die Fort-führung dieser menschlichen Tätigkeiten verursacht wird. Wenn die-se Tätigkeit durch eine andere Maßnahme nach § 25 d Abs. 1 Nr. 2WHG ersetzt werden kann, entfällt auch die Unmöglichkeit der Ziel-erreichung. In diesem Fall ist die Inanspruchnahme der Ausnahme-bestimmung nicht möglich. Insofern muss immer geprüft werden,ob durch eine andere Lösungsoption das Ziel erreicht werden kann.

Zu den Voraussetzungen Fehlen einer anderen Lösungsvarianteund Verbot einer weiteren Verschlechterung gelten zunächst dieobigen Ausführungen.64 Hinsichtlich der anderen Lösungsvarian-te verlangt § 25 d Abs. 1 Nr. 2 WHG, dass durch sie die gleichen»ökologischen und sozioökonomischen Erfordernisse« verwirk-licht werden können. Im Gegensatz zu § 25 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1WHG wird hier nicht der Begriff »öffentliche Interessen« ver-wandt. Daraus ist zu schließen, dass sowohl öffentliche als auchprivate Ziele berücksichtigt werden können.65

Nach § 25 d Abs. 1 Nr. 4 WHG muss unter Berücksichtigung derauf Grund der menschlichen Tätigkeit oder wegen der natürlichenGegebenheiten unvermeidbaren Auswirkungen »der bestmögli-che ökologische und chemische Zustand« erreicht werden. DieseFormulierung bezeichnet keinen gesteigerten Anspruch hinsicht-lich der Bewirtschaftungsziele, sondern formuliert den Kompro-miss zwischen dem Unvermeidbaren und dem Möglichen und istsomit Ausdruck des generellen Verhältnismäßigkeitsgrundsat-zes.66 Wasserwirtschaftlich ist zu klären, in welchem Umfang trotzder bestehenden Beeinträchtigungen Maßnahmen möglich undangemessen sind.

Eine Höchstfrist gilt für die Anwendung dieser Ausnahmebe-stimmung nicht. Sie kann also auch über 2027 hinaus in Anspruchgenommen werden.

Die Festlegung weniger strenger Ziele muss, obwohl das WHGkeine expliziten Aussagen hierzu trifft, alle sechs Jahre mit derAktualisierung der Bewirtschaftungspläne überprüft werden. Dasfolgt erstens aus der Aktualisierungspflicht und zweitens expressisverbis aus Art. 4 Abs. 5 lit. d WRRL.

3. Vorübergehende VerschlechterungVorübergehende Verschlechterungen können zulässig sein, wennsie nach § 25 c Abs. 2 WHG auf »Umständen beruhen, die entwe-der in natürlichen Ursachen begründet oder durch höhere Gewaltbedingt sind und die außergewöhnlich sind, nicht vorhersehbarwaren oder durch Unfälle entstanden sind«. Dabei sind nach § 25c Abs. 2 WHG drei Bedingungen zu beachten: – Alle Maßnahmen sind zu ergreifen, die eine weitere Verschlech-

terung des Zustands der betroffenen sowie der angrenzendenGewässer verhindern.

– Die Maßnahmen dürfen nach Wegfall der Umstände nicht dieWiederherstellung des vorherigen Zustands gefährden. Sie sindim Maßnahmenprogramm aufzuführen.

– Jährlich sind die Auswirkungen der Umstände zu überprüfenund es muss jeweils über die geeigneten Maßnahmen entschie-den werden.

– Nach § 36 b Abs. 3 Nr. 4 WHG sind schließlich die »Bedingun-gen und die Kriterien für die Geltendmachung von Umständenfür vorübergehende Verschlechterungen …, die Auswirkungender Umstände … sowie die Maßnahmen zur Wiederherstellungdes vorherigen Zustands« aufzuführen.

Im Wesentlichen übernimmt § 25 c Abs. 2 WHG die Vorgaben desArt. 4 Abs. 6 WRRL. Die Umstände müssen entweder auf natürlicheUmstände oder höhere Gewalt zurückzuführen sein. Die weiterenVoraussetzungen »außergewöhnlich« und »nicht vorhersehbar«unterstreichen die Funktion der Norm, für Ausnahmesituationenein Abweichen von Bewirtschaftungszielen zu ermöglichen.

Im Gegensatz zur WRRL könnte § 25 c Abs. 2 WHG bei einerwörtlichen Auslegung dahingehend interpretiert werden, dassUnfälle zur Begründung dieses Ausnahmetatbestands nur dannherangezogen werden können, wenn sie entweder auf natürlicheUrsachen oder auf höhere Gewalt zurückzuführen sind. Dennwährend Art. 4 Abs. 6 WRRL Unfälle als eigene Voraussetzungnennt, ist dies nach § 25 c Abs. 2 WHG nicht eindeutig.67 Die Folgewäre, dass auf menschliches Verschulden zurückzuführendeUnfälle im Rahmen des § 25 c Abs. 2 WHG nicht beachtlich wären.Erstens ist aber schon die Sprachfassung der Norm nicht eindeu-tig, da sich das »oder« vor »durch Unfälle« auch auf den gesamtenersten Teil des Relativsatzes beziehen könnte. Zweitens wurde inder Gesetzesbegründung nicht auf eine Einschränkung des EU-Rechts hingewiesen.68 Somit ist davon auszugehen, dass es sich –wenn überhaupt – um einen redaktionellen Fehler handelt. Beieiner europarechtskonformen Auslegung können also auchanthropogen verursachte Unfälle die Anwendung von § 25 d Abs.2 WHG begründen.

61 So auch N. Steiner/A. Willand, Rechtliche Rahmenbedingungen für die Altla-stensanierung unter dem Einfluss des EU-Wasserrechts, altlasten-spektrum 2004,40, 43.

62 Im Ergebnis auch Steiner/Willand (Fn 61), S. 43.63 Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 d, Rn. 5.64 Siehe C I 2 und 3.65 Kotulla (Fn 17), § 25 d, Rn. 10 meint, dass auch die menschlichen Tätigkeiten,

die zu einer Beeinträchtigung des Gewässerzustands führen, zulässige »sozio-ökonomische Erfordernisse« verfolgen müssen, ansonsten könnten sie im Rah-men von § 25 d Abs. 1 Nr. 1 WHG nicht berücksichtigt werden. Ob eine solcheInterpretation praktische Bedeutung hätte, ist zweifelhaft.

66 So auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 d, Rn. 9.67 So auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 25 d, Rn. 10.68 Siehe BT-Drs. 14/7755 S. 18 f.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 522

Ginzky, Ausnahmen zu den Bewir t schaf tungsz ie len im Wasser recht | D A S T H E M A

ZUR 11/2005 | 523

Die Verschlechterungen dürfen nur »vorübergehender« Natursein. Eindeutig ist, dass nicht nur die Ursachen, sondern insbeson-dere die Folgen, nämlich die Verschlechterungen des Gewässerzu-stands, nicht dauerhaft sein dürfen. »Vorübergehend« meint mit-hin, dass die negativen Auswirkungen auf ein einmaliges Ereignis,das zudem außergewöhnlich und nicht vorhersehbar war, zurück-zuführen sind und die Folgen des Ereignisses sich entweder vonallein zurückbilden oder später durch menschliche Maßnahmenbeseitigt werden sollen.69

Nach § 25 c Abs. 2 WHG müssen die erforderlichen Maßnahmenzur Beschränkung weiterer Verschlechterung getroffen werden.Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit müssen die Grundsätze derWahl der kosteneffizientesten Maßnahmenkombination nach Art.11 i.V.m. Anhang III WRRL beachtet werden. Als weitere materielleAnforderungen an die Maßnahmen formuliert § 25 d Abs. 2 Nr. 2WHG, dass diese nach der Beendigung des Krisenmanagementseine ordnungsgemäße Wasserwirtschaft nicht behindern dürfen.

Ferner sind die Maßnahmen im Maßnahmenprogramm zudokumentieren. Jährlich ist nach § 25 d Abs. 2 Nr. 3 WHG übereine Anpassung der Maßnahmen zu entscheiden. Die Dokumen-tationspflicht gilt nach § 36 b Abs. 3 Nr. 3 WHG auch für dieBewirtschaftungspläne.70

4. Neue Veränderungen

Der letzte Ausnahmetatbestand betrifft nach § 25 d Abs. 3 WHGdie neue Veränderung der physischen Eigenschaften von Gewäs-sern, die zu einer Verschlechterung des Gewässerzustands führenoder das Erreichen des guten ökologischen Zustands unmöglichmachen.

Der Ausnahmetatbestand ist an drei Voraussetzungen gebun-den:– die Gründe für die Veränderung sind von »überwiegenden

öffentlichem Interesse« oder der Nutzen der Veränderung fürdie menschliche Gesundheit, die Sicherheit des Menschen odereine nachhaltige Entwicklung übersteigt den Nutzen der ord-nungsgemäßen Verfolgung der Bewirtschaftungsziele

– Es bestehen keine anderen Lösungsoptionen, mit denen dieZiele verfolgt werden können.

– Es werden alle praktischen Maßnahmen ergriffen, um die nach-teiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern.

Gegenstand von § 25 d Abs. 3 WHG sind Veränderungen derhydromorphologischen Eigenschaften von Oberflächengewässernoder des Pegels von Grundwasserkörpern. § 25 d Abs. 3 WHGerlaubt daher grundsätzlich bei Beachtung der genannten Voraus-setzungen erforderliche physische Einwirkungen auf die Gewäs-serkörper.71 Nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallenmithin neue oder zusätzliche Einleitungen von Schadstoffen, diein keinem Zusammenhang mit Ausbau- oder Umgestaltungsakti-vitäten stehen.

Die Maßnahmen müssen wegen der Verwendung des Präsens in§ 25 d Abs. 3 WHG nach Inkrafttreten der WRRL durchgeführt wer-den. Eine Rechtfertigung von menschlichen Aktivitäten aus derVergangenheit ist daher nach § 25 d Abs. 3 WHG nicht möglich.

Als Voraussetzung verlangt § 25 d Abs. 3 Nr. 1 WHG zunächst,dass die Veränderung entweder durch überwiegende öffentlicheInteressen gerechtfertigt ist oder dass der Nutzen der Veränderun-gen den Nutzen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung über-wiegt. Der Begriff »öffentliche Interessen« wird mit Wohl der All-gemeinheit gleichgesetzt. Überwiegend wird angenommen, dassauch gewerbliche Interessen von nicht unerheblicher volkswirt-schaftlicher Bedeutung darunter fallen können.72 Primär privateInteressen können hingegen nur im Rahmen der zweiten Alterna-tive Berücksichtigung finden.73 Voraussetzung ist allerdings, dass

sie entweder der menschlichen Gesundheit, der Sicherheit derMenschen oder einer nachhaltigen Entwicklung dienen. Letzteresverlangt nach dem allgemeinen Verständnis des Begriffs »nachhal-tige Entwicklung«, dass den ökologischen und sozialen Belangenbei den mit der Maßnahme verfolgten Zwecken Rechnung getra-gen worden ist.74

Für beide Alternativen muss aber in jedem Fall der Nachweisgeführt werden, dass entweder das öffentliche Interesse oder derNutzen der Veränderung als höherwertig einzustufen sind. Gleich-wertigkeit genügt mithin nicht. Geeignete Bewertungsmethodenmuss insofern wiederum die ökonomische Theorie liefern.

Des Weiteren darf keine andere Lösungsmöglichkeit bestehen.Die obigen Ausführungen gelten entsprechend.75 Schließlich müs-sen alle Maßnahmen ergriffen werden, um nachteilige Auswirkun-gen auf den Gewässerzustand zu verringern.

§ 25 d Abs. 3 Satz 2 WHG schafft einen weiteren Ausnahmetat-bestand. Hiernach kann eine Verschlechterung von einem sehrguten Zustand zu einem guten Zustand des Oberflächengewässerszulässig sein. Voraussetzung ist erstens, dass es sich um »neuenachhaltige Einwirkungen des Menschen im Sinnes des § 25 bAbs. 2 Nr. 1 WHG« handelt, und zweitens, dass die drei obengenannten Bedingungen erfüllt sind. Die erste Voraussetzungscheint aber den eigentlichen Gehalt des Art. 4 Abs. 7 2. AnstrichWRRL nicht wiederzugeben. Dort ist von neuen nachhaltigen Ent-wicklungstätigkeiten die Rede.76 Die Nachhaltigkeit ist also nichtauf die Qualität der Einwirkung bezogen.77 Vielmehr wird hier-durch eine weitere zwingende Anforderung an den Zweck der Ver-änderung formuliert. M.a.W. darf ein sehr guter Zustand nur dannverschlechtert werden, wenn die Maßnahme unabhängig von denwasserwirtschaftlichen Auswirkungen den Kriterien einer nach-haltigen Entwicklung entspricht. Diese Vorgabe muss auch bei derAuslegung von § 25 d Abs. 3 Satz 2 WHG berücksichtigt werden.

III. Sonderregelungen für Grundwasser

§ 33a Abs. 4 WHG enthält für das Grundwasser die Verweise aufdie Ausnahmetatbestände für Oberflächengewässer. § 33a Abs. 4WHG enthält auch zwei Sonderregelungen.

Erstens kommt § 25 d Abs. 3 Satz 2 WHG nicht zur Anwendung,weil die WRRL für die Grundwasserkörper keine Einstufung in sehrgut und gut kennt. Zweitens gilt bei der Fristverlängerung und derFestlegung geringerer Ziele, dass beim Grundwasser »statt des best-möglichen ökologischen Zustands die geringstmöglichen Verän-derungen des guten Zustands des Grundwassers zu erreichen ist.«Die unterschiedlichen Formulierungen sind hinsichtlich desAnforderungsniveaus aber weitgehend identisch.78

69 So auch Kotulla (Fn 17) § 25 d, Rn. 15. 70 Czychowski/Reinhardt (Fn 129, § 36 b, Rn. 24. Die Norm ist nicht so zu verstehen,

dass die »Bedingungen und Kriterien« für zukünftige Katastrophen formuliertwerden müssen. Denn dies stünde im logischen Widerspruch zu der Zulässig-keitsvoraussetzung nach § 25 d Abs. 2 WHG, dass die Umstände »nicht vorher-sehbar« sein müssen.

71 Kotulla (Fn 17), § 25 d, Rn. 23.72 Czychowski/Reinhardt (Fn 12) § 25d Rn. 21. Siehe auch G.-M. Knopp, Die Umset-

zung der Wasserrahmenrichtlinie in deutsches Recht, ZUR 2001, 368, 374.73 Siehe hierzu die bekannte Differenzierung in gemein- und privatnützige Plan-

feststellung, so auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 31 Rn. 4 und 5.74 Ob gerade mit dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung ein zweckmäßiges Kri-

terium gewählt wurde, wird zu Recht bezweifelt, da er schon eine immanenteVerhältnismäßigkeitsprüfung verlangt und daher wenig konturiert ist. So Czy-chowski/Reinhardt (Fn 12) § 25d Rn. 21.

75 Siehe oben unter C. I. 3. 76 Der englische Text spricht analog von »sustainable human development activi-

ties«.77 So unter der Auslegung des deutschen Rechtstextes Czychowski/Reinhardt (Fn 12)

§ 25d Rn. 24.78 So auch Czychowski/Reinhardt (Fn 12), § 33a, Rn. 22.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 523

524 | ZUR 11/2005

Nachdem die Strategische Umweltprüfung (SUP) im vergangenen Jahrfristgerecht zunächst nur in das Recht der Raumordnung und Bauleitpla-nung eingeführt worden ist, erfolgte die gemeinschaftsrechtlich geboteneIntegration der SUP in weitere Bereiche des Bundesumwelt- und Pla-nungsrechts erst mit einiger Verspätung durch das Gesetz zur Einführungeiner Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie2001/42/EG (SUPG) vom 28.6.2005.

A. Vorbemerkung

Die Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswir-kungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-RL)1 war ausweis-lich ihres Art. 13 Abs. 1 vor dem 21.7.2004 in nationales Rechtumzusetzen. Die fristgerechte Implementierung gelang dem Bun-desgesetzgeber – unter Federführung des Bundesministeriums für

Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – indes nur für die Bereichedes Raumordnungs- und des Städtebaurechts; durch das »Europa-rechtsanpassungsgesetz Bau« (EAG Bau)2 fand die SUP (erstmals)Eingang in das deutsche Planungsrecht.3

Die Vorbereitung der darüber hinaus auf bundesrechtlicher Ebe-ne gebotenen Umsetzung oblag dem BMU; die hindernisreicheGenese des nunmehr am 29.6.2005 verspätet in Kraft getretenen

A U F S AT Z | Erbguth/Schubert , Das Gesetz zur E in führung e iner St rateg ischen Umweltprüfung

Wilfried Erbguth/Mathias Schubert

Das Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG)

IV. Sonderregelungen für Küstengewässer

§ 32c WHG enthält für die Küstengewässer einen direkten Verweisauf die Ausnahmetatbestände für Oberflächengewässer, so dasssich insoweit keine Besonderheiten ergeben.

Als Küstengewässer sind vereinfacht gesagt nach § 1b Abs. 3 Satz2 WHG die Gewässer eine Seemeile seewärts von der Küste79

bestimmt. Für die sonstigen Hoheitsgewässer (bis zwölf Seemeilenvon der Küste entfernt) ist nach § 32c Satz 2 WHG nur der gutechemische Zustand beachtlich.80 Diese Vorgabe gilt auch für dieAnwendung der Ausnahmeregelungen nach §§ 25 c und d WHG.

D. Ausblick

Der Anlass, über die Notwendigkeit von Ausnahmen zu denBewirtschaftungszielen nachzudenken, werden in der Regel dieerforderlichen Maßnahmenkosten sein. Die ökonomische Bewer-tung ist also von zentraler Bedeutung und entsprechende ökono-mische Methoden, insbesondere zur Bewertung des Nutzens derMaßnahmen, sind dringend erforderlich. Die vorstehenden recht-lichen Ausführungen setzen die Rahmenbedingungen, die gleich-sam Wegweiser für das ökonomische Denken sind.

Die Ausführungen haben gezeigt, dass die Ausnahmeregelungennach §§ 25 c und d WHG auf bestimmte Konstellationen Bezugnehmen und daher jeweils einer eigenen Rationalität verpflichtetsind. Dies muss bei der Auslegung ebenso berücksichtigt werdenwie der allgemeine Grundsatz, dass Ausnahmen restriktiv zu inter-pretieren sind. Eine Interpretation in dem Sinne, die Regelungender §§ 25 c und d WHG seien wegen der Geltung des Verhältnis-mäßigkeitsgrundsatzes nur als unverbindliche Hinweise zu verste-hen, ist daher nicht zulässig. Sie verbietet sich auch wegen der prä-zisen Vorgaben der Art. 4 Abs. 4 bis 7 WRRL.

Dr. Harald Ginzky Umweltbundesamt, Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau Umweltbundes-amt, Fachgebiet II 2.1 - Übergreifende Angelegenheiten Wasserwirt-schaft, Grundwasserschutz, Tel.: 0340 - 2103 – 2373 Fax: 0340 - 2104– 2373 Mail: [email protected]: Wasser- und Bodenschutzrecht.Aktuelle Veröffentlichungen: Geringfügigkeitsschwellen im Wasserrechtund anderen Rechtsgebieten, Wasser und Abfall 2004, Heft 11, S. 44und Heft 12, S. 37 (zusammen mit Bernd Kirschbaum und Ellen Six);Grundwasserschutz zwischen gestern und morgen – neue Werte brauchtdas Land, ZUR 2005, S. 291; Die nächste Elbvertiefung – insbesonde-re die Berücksichtigung von Alternativen nach § 25 d WHG, NUR i.E.

79 Tatsächlich ist nicht die Küstenlinie für die Bemessung der einen Seemeile ent-scheidend, sondern vielmehr bestimmte auf der so genannten Basislinie befind-lichen einzelnen Punkte.

80 Dies entspricht der Vorgabe nach Art. 2 Nr. 1 WRRL.

Für die rechtliche Konkretisierung der Voraussetzungen der Aus-nahmen ist es entscheidend, ob der Klageweg zu den deutschenGerichten, insbesondere hinsichtlich der Maßnahmenprogram-me, eröffnet wird. In diesem Fall würden die Gerichte die rechtli-chen Vorgaben auf Einzelfälle anwenden müssen und dadurch zueiner Klärung beitragen. Dadurch würde auch die rechtswissen-schaftliche Diskussion befördert.

Anderenfalls bliebe die Interpretation der Ausnahmen den ein-zelnen Wasserwirtschaftsverwaltungen überlassen. In jedem Fallwird die EU-Kommission die Begründungen der Mitgliedstaatenzu den Ausnahmen sehr kritisch prüfen und ggf. Klärung beimEuGH im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens herbeiführen.

1 Richtlinie v. 27.6.2001, ABl. EG Nr. L 197 v. 21.7.2001, S. 30; allg. zu den Richtli-nienanforderungen vgl. Näckel, Umweltprüfung für Pläne und Programme: DieRichtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prü-fung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme und ihre Um-setzung in das deutsche Recht, 2003; Sangenstedt, in: Reiter (Hrsg.), Neue Wege inder UVP – Novelliertes UVP-Gesetz und innovative Methodik, Bonn 2001, S. 235.

2 Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsan-passungsgesetz Bau – EAG Bau), BGBl. v. 30.6.2004, S. 1359; die Neufassung desBauGB ist im BGBl. v. 1.10.2004, S. 2414, bekannt gemacht.

3 Zur SUP im Raumordnungsrecht Erbguth, NuR 2005, 211, 214; ders., NuR 2004,91, 92; Uebbing, Umweltprüfung bei Raumordnungsplänen, Münster 2004; zurSUP im Städtebaurecht Erbguth/Wagner, Grundzüge des öffentlichen Baurechts,

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 524

ZUR 11/2005 | 525

Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung undzur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG)4 lässt sich wiefolgt nachzeichnen: Erst wenige Wochen vor Ablauf der Umset-zungsfrist legten die Regierungsfraktionen am 29.6.2004 einenGesetzentwurf vor,5 welchen sich die Bundesregierung am13.8.2004 zu Eigen machte.6 Nach (deutlich) kritischer Stellung-nahme des Bundesrates vom 15.10.20047 sowie der (weitgehendablehnenden) Gegenäußerung der Bundesregierung vom17.11.20048 beschloss der Bundestag das Gesetz am 17.12.2004.9

Daraufhin rief der Bundesrat am 18.2.2005 den Vermittlungsaus-schuss an,10 dessen Beschlussempfehlung vom 11.5.200511 derBundestag am 12.5.200512 und der Bundesrat am 27.5.200513

schließlich angenommen haben.Das Gesetz enthält sechs Artikel: Art. 1 novelliert das UVPG, Art.

2 enthält Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes, Art. 2a hebt§§ 6, 7 des Bundeswaldgesetzes auf, Art. 2b enthält eine Änderungdes Raumordnungsgesetzes, Art. 3 ermächtigt das BMU zurBekanntmachung des neu gefassten UVPG im Bundesgesetzblatt14

und Art. 4 regelt das Inkrafttreten des SUPG.

B. Das novellierte UVPG

Kerngehalt des SUPG ist dessen Art. 1, welcher umfangreiche Ände-rungen des UVPG nach sich zieht. Art. 1 SUPG enthält zunächsteinige Bestimmungen zur Bereinigung von Rechtsproblemen beider Anwendung des § 3c UVPG sowie Vorschriften zur Anpassungdes UVP-Rechts an die Änderungen der UVP-RL15 durch die Öffent-lichkeitsbeteiligungs-Richtlinie.16 Gegenstand der nachfolgendenBetrachtungen sind indes jene Neuregelungen, die Ausdruck derVerpflichtung sind, die SUP-RL in das deutsche Recht umzusetzen.Damit richtet sich der Blick zunächst auf die SUP-bedingte Neusys-tematisierung des UVPG und in diesem Zusammenhang eingeführ-te allgemeine Vorschriften (nachfolgend unter I.). Anschließendsind schwerpunktmäßig die Bestimmungen betreffend die SUP zuuntersuchen (nachfolgend unter II.).

I. Neue Systematik des UVPG und allgemeine Vorschriften

Die Einführung der SUP in das UVPG17 bedingt eine neue Systema-tik des Gesetzes, welche sich nunmehr wie folgt darstellt: Dasnovellierte UVPG setzt sich aus sechs Teilen zusammen, derenerster allgemeine Vorschriften für die Umweltprüfungen, nament-lich eine Zweckbestimmung des Gesetzes (§ 1 UVPG), Begriffsbe-stimmungen (§ 2 UVPG) sowie Regelungen zum Anwendungsbe-reich (§ 3 UVPG) enthält. § 1 Nr. 1 UVPG etabliert den Terminus»Umweltprüfungen« als Oberbegriff für die (projektbezogene)Umweltverträglichkeitsprüfung und die (plan- bzw. programmbe-zogene) Strategische Umweltprüfung. Teil 2 des UVPG enthältnunmehr in §§ 3a–14 die spezifischen Bestimmungen zur UVP,während sich die neuen Vorschriften zur SUP in §§ 14a–14o UVPGfinden, welche den dritten Teil des Gesetzes formieren. Die derge-stalt vorgenommene Verortung der SUP-Vorschriften ist in forma-ler Hinsicht auf Kritik gestoßen: So ist im Rahmen der Verbandsbe-teiligung – nicht ohne Berechtigung – vorgetragen worden, diefortlaufende Nummerierung der gesetzlichen Bestimmungen soll-te erneuert werden; die »Notwendigkeit der Umgewöhnung sei zuverschmerzen und gegenüber der Verwechslungsgefahr von Para-graphenbezeichnungen von z.B. 14 bis 14o vorzuziehen«.18 DerGesetzgeber ist diesem Rat nicht gefolgt und hat die Nummerie-rung der im UVPG a.F. enthaltenen Vorgaben beibehalten. Soschließen sich in §§ 15–19b UVPG – als Teil 4 – besondere Verfah-rensvorschriften für die Umweltprüfungen an. Teil 5 entsprichtTeil 2 des UVPG a.F. und enthält Vorschriften für bestimmte Lei-

tungsanlagen und andere Anlagen (§§ 20–23 UVPG); die Schluss-vorschriften in §§ 24, 25 UVPG formieren schließlich Teil 6 desGesetzes. Die Anlagen 1 und 2 zum UVPG haben inhaltlich unver-ändert Bestand; daran schließen sich nunmehr eine Liste SUP-pflichtiger Pläne und Programme als Anlage 3 sowie die Anlage 4an, welche Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmeneiner SUP bereitstellt.

Der dergestalt umrissene Aufbau des neu gefassten UVPGerscheint prima facie übersichtlich und leicht handhabbar; gleich-wohl dürfte der Einwand nicht unberechtigt sein, dass der unver-änderte Titel des Gesetzes dessen um die SUP angereichertenInhalt nicht mehr vollständig abdecke.19 Eine Umbenennung in»Umweltprüfungsgesetz – UPG« hätte der neuen Systematik eherRechnung getragen; freilich hätte im Gefolge dessen manches aufdas UVPG verweisende Gesetz entsprechend angepasst werdenmüssen. Um der Vermeidung solchen Aufwands willen ist die ent-standene begriffliche Schieflage zu verschmerzen.20

II. Strategische Umweltprüfung

Nachfolgend gilt es, die wesentlichen Vorgaben des novelliertenUVPG zum Begriff, zum Erfordernis und zur Durchführung einerSUP in den Blick zu nehmen.

1. Begriff der SUP

Eine Definition der SUP findet sich in § 2 Abs. 4 S. 1 UVPG: Danachist die Strategische Umweltprüfung ein unselbständiger Teilbehördlicher Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Plä-nen und Programmen, die von einer Behörde, einer Regierungoder im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens angenommen wer-den. Zur Vervollständigung der Begriffsbestimmung verweist Satz2 der Vorschrift auf die Definition der UVP in § 2 Abs. 1 S. 2 und 3UVPG. Demnach umfasst die SUP die Ermittlung, Beschreibungund Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungeneines Plans oder Programms auf die Umwelt. Der Schutzgutkatalogin § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG ist der Klarstellung halber an die teils weiter

Erbguth/Schubert , Das Gesetz zur E in führung e iner St rateg ischen Umweltprüfung | A U F S AT Z

4. Aufl., München 2005, § 3 Rn. 28 ff.; Schubert, Harmonisierung umweltrecht-licher Instrumente in der Bauleitplanung, 2005, S. 252 ff.; ders., NuR 2005, 369;Erbguth/Schubert, DÖV 2005, 533, 536 ff.; dies., UTR 83 (2005), 63; Bunge/Nese-mann, in: Storm/Bunge (Hrsg.), Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung,Bd. 1, Loseblatt, Stand: 5/2005, Ziff. 0520; Söfker, in: Hendler/Ibler/Martínez So-ria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, Festschrift für Volkmar Götz zum 70. Ge-burtstag, Göttingen 2005, S. 143.

4 BGBl. v. 28.6.2005, S. 1746.5 BT-Drs. 15/3441.6 BR-Drs. 588/04.7 BR-Drs. 588/04.8 BT-Drs. 15/4236.9 BR-Drs. 52/05.

10 BR-Drs. 52/05 (Beschluss).11 BT-Drs. 15/5479.12 BR-Drs. 356/05.13 BR-Drs. 356/05 (Beschluss).14 Von der Ermächtigung hat das BMU Gebrauch gemacht, s. BGBl. v. 28.6.2005,

S. 1757.15 RL 85/337/EWG v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei be-

stimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EG Nr. L 175, S. 40, v.5.7.1985, geändert durch die RL 97/11/EG v. 3.3.1997 zur Änderung der Richtli-nie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öf-fentlichen und privaten Projekten, ABl. EG Nr. L 73, S. 5, v. 14.3.1997.

16 RL 2003/35/EG v. 26.5.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aus-arbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Ände-rung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öf-fentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. Nr. L 156, S. 17, v.25.6.2003.

17 Der Gesetzentwurf begründet diesen Weg der Umsetzung mit der Sachnähe derSUP zur UVP, BR-Drs. 588/04, S. 29.

18 UVP-Gesellschaft e.V., Stellungnahme zum SUPG-Entwurf v. 17.5.2004, S. 2, imInternet abrufbar unter www.uvp.de.

19 Vgl. die Stellungnahme von Bunge im Gesetzgebungsverfahren anlässlich der An-hörung des Umweltausschusses v. 29.9.2004, S. 10, im Internet abrufbar unterwww.bund.net/verkehr; auch Hendler, NVwZ 2005, 977, 978.

20 Ebenso Bunge, a.a.O.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 525

526 | ZUR 11/2005

A U F S AT Z | Erbguth/Schubert , Das Gesetz zur E in führung e iner St rateg ischen Umweltprüfung

differenzierenden, aber inhaltlich übereinstimmenden21 Vorga-ben in Anhang I der SUP-RL angepasst worden und umfasst nun-mehr auch die menschliche Gesundheit und die biologische Viel-falt. Begriffsbestimmend ist besagtem Gesetzesverweis zufolgeauch die in § 2 Abs. 1 S. 3 UVPG genannte Einbeziehung derÖffentlichkeit in die SUP.22

§ 2 Abs. 5 UVPG lässt sich entnehmen, dass das Gesetz als Pläneund Programme solche versteht, die bundesrechtlich vorgesehensind und zu deren Ausarbeitung, Annahme oder Änderung eineBehörde durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verpflichtetist. Mit der Anbindung des Plan- bzw. Programmbegriffs an einerechtlich begründete Aufstellungspflicht soll Art. 2 lit. a) 2. Spie-gelstrich SUP-RL umgesetzt werden, wonach nur solche Pläne undProgramme Gegenstand der Richtlinie sind, die aufgrund vonRechts- oder Verwaltungsvorschriften aufgestellt werden müs-sen.23 Zwar kann letztere Vorschrift auch so verstanden werden,dass lediglich Pläne und Programme gemeint sind, die in einemrechtlich ausgestalteten Verfahren erstellt werden müssen, ohnedass es auf den Grund für ihre Aufstellung ankäme;24 indes spre-chen die besseren Gründe für die in § 2 Abs. 5 UVPG vorgenom-mene Anknüpfung an eine normativ begründete Aufstellungs-pflicht,25 die sich damit als gemeinschaftsrechtskonform erweist.

Während Art. 3 Abs. 8 SUP-RL Pläne und Programme, die aus-schließlich Zielen der Verteidigung oder des Katastrophenschutzesdienen, sowie Finanz- und Haushaltspläne und -programme ausdem Geltungsbereich der Richtlinie ausschließt, sind die genann-ten Erscheinungsformen nach § 2 Abs. 5 S. 2 UVPG schon begriff-lich keine »Pläne und Programme« i.S.d. Gesetzes.

2. SUP-pflichtige Pläne und Programme

Nach § 14a Abs. 1 UVPG hat die zuständige Behörde frühzeitigfestzustellen, ob der/das aufzustellende bzw. zu änderndePlan/Programm nach Maßgabe der §§ 14b–14d UVPG einer SUP zuunterziehen ist. Das Gesetz unterscheidet in systematischer Hin-sicht Pläne und Programme, die kraft Gesetzes einer Umweltprü-fung bedürfen (§§ 14b Abs. 1, 14c UVPG: obligatorische SUP) undsolche, die nach Maßgabe einer Vorprüfung des Einzelfalls SUP-pflichtig sind (§§ 14b Abs. 2, 14d Abs. 1 UVPG: konditionale SUP).

a. Obligatorische SUPDer obligatorischen SUP unterfallen zunächst nach § 14b Abs. 1Nr. 1 UVPG Pläne und Programme, die in der Anlage 3 Nr. 1 desUVPG aufgeführt sind. Es handelt sich um Verkehrswegeplanungendes Bundes einschließlich Bedarfsplänen (Nr. 1.1), unter bestimm-ten Voraussetzungen Ausbaupläne nach § 12 Abs. 1 LuftVG (Nr.1.2), Hochwasserschutzpläne nach § 31d WHG (Nr. 1.3), Maßnah-menprogramme nach § 36 WHG (Nr. 1.4), Raumordnungsplänenach §§ 8, 9 ROG (Nr. 1.5), die Raumordnung des Bundes in derAWZ nach § 18a ROG (Nr. 1.6), die Festlegung von Eignungsgebie-ten nach § 3a SeeanlagenVO (Nr. 1.7), Bauleitplanungen nach§§ 6, 10 BauGB (Nr. 1.8) sowie Landschaftsplanungen nach §§ 15 f.BNatSchG (Nr. 1.9).26

Des Weiteren sind nach § 14b Abs. 1 Nr. 2 UVPG solche Pläneund Programme zwingend einer SUP zu unterziehen, die in derAnlage 3 Nr. 2 zum UVPG aufgeführt sind27 und für Entscheidungenüber die Zulässigkeit von UVP- oder vorprüfungspflichtigen Vor-haben einen Rahmen setzen. Dem Gesetz zufolge ist unerheblich,ob sich die UVP- bzw. Vorprüfungspflicht aus dem Bundesrecht(hier aus der Anlage 1 zum UVPG) oder aus dem Landesrechtergibt. Das Kriterium der Rahmensetzung für die Zulässigkeitbesagter Vorhaben ist in Art. 3 Abs. 2 lit. a) SUP-RL vorgegeben,findet sich indes EG-rechtlich nicht konkretisiert. Der Bundesge-setzgeber hat gleichwohl die Entscheidung getroffen, jene Anfor-derung näher zu bestimmen. So kommt nach § 14b Abs. 3 UVPG

einem Plan oder Programm rahmensetzende Wirkung zu, wenn erbzw. es Festlegungen mit Bedeutung für spätere Zulassungsent-scheidungen, insbesondere zum Bedarf, zur Größe, zum Standort,zur Beschaffenheit, zu Betriebsbedingungen von Vorhaben oderzur Inanspruchnahme von Ressourcen enthält. Die im Vermitt-lungsausschuss gefundene Formulierung »mit Bedeutung für…«vermag indes keinen substanziellen Beitrag zur Erhellung dessenzu leisten, was unter der besagten Rahmensetzung zu verstehenist. Ein höheres Maß an Aussagekraft besaß hingegen die – verwor-fene – Fassung im Gesetzentwurf, die darauf abstellte, dass diegenannten Festlegungen des Plans bei der späteren Zulassungsent-scheidung zu berücksichtigen sind28 und angesichts deren bereitsKonsens im Schrifttum bestand, dass davon nicht nur strikteBeachtenspflichten, sondern auch eine Abwägungs- oder Ermes-sensrelevanz der Planaussagen erfasst würden.29 Der Bundesratwandte demgegenüber ein, eine rahmensetzende Funktion kom-me nur solchen Plänen zu, die rechtsverbindliche Vorgaben ent-halten, die bei der späteren Zulassungsentscheidung zu berück-sichtigen sind und forderte eine entsprechende Korrektur.30 Dieletztlich in das Gesetz aufgenommene Kompromissformel enthältfreilich nichts mehr von dieser Forderung; die gebotene gemein-schaftsrechtskonforme Auslegung der Norm muss ohnehin zudem oben dargelegten weiten Verständnis führen, wonach auchabwägungs- und ermessensrelevante Planaussagen als rahmenset-zend zu gelten haben – einer Beschränkung auf strikt beachtlicheVorgaben ist damit von vornherein der Boden entzogen.

Im Vorfeld der Umsetzung war die Auslegung des Art. 3 Abs. 2lit. a) SUP-RL Gegenstand einer Kontroverse, die um die Fragekreiste, ob auch solche Pläne und Programme einer obligatori-schen SUP zu unterziehen seien, die einen Rahmen für die ledig-lich konditional UVP-pflichtigen Projekte des Anhangs II der UVP-RL setzen.31 Insofern wurde eine einschränkende Auslegungdahingehend erwogen, nur die Anhang-II-Projekte zu erfassen, dienach Gebrauch des mitgliedstaatlichen Ermessens bzw. nachDurchführung einer Vorprüfung für UVP-pflichtig befunden wur-den.32 Der Gesetzgeber hat sich indes in dem Bestreben, gemein-

21 So zutreffend BR-Drs. 588/04, S. 53; dazu bereits Schubert (Fn. 3), S. 156 f., 220 f.22 Dazu näher unter B. II. 3 d.23 BR-Drs. 588/04, S. 55.24 So Bunge, in: Hartje/Klaphake (Hrsg.), Die Rolle der Europäischen Union in der

Umweltplanung, Marburg 1998, S. 117, 128.25 Dazu näher Hendler, Umsetzung der EG-Richtlinie für die UVP bei Plänen und

Programmen: Bestimmung der von der Richtlinie erfassten Pläne und Program-me des deutschen Rechts, Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriumsfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2002, S. 25 f.; Schink, NVwZ2005, 615, 617.

26 Zur Vereinbarkeit der in § 14b Abs. 1 i.V.m. der Anlage 3 des UVPG geregeltenSUP-Pflichtigkeit einzelner Plan-Kategorien mit den Vorgaben der SUP-RL kannvorliegend aus Raumgründen nicht näher ausgeführt werden, vgl. hierzu Schink,NVwZ 2005, 615, 617 anhand des SUPG-E; zur SUP im Wasserrecht Reinhardt,NuR 2005, 499 sowie die Beiträge im Tagungsband zum Rostocker Umwelt-rechtstag 2005: Erbguth (Hrsg.), Strategische Umweltprüfung (SUP) – Stand,Rechtsfragen, Perspektiven, Baden-Baden 2005, i.E.

27 Es handelt sich im Wesentlichen um Lärmaktionspläne nach § 47d BImSchG (andieser Stelle wurde das UVPG (i.d.F. des SUPG) bereits am 25.6.2005 durch Art. 2des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämp-fung von Umgebungslärm v. 24.6.2005 erneut geändert – die Lärmaktionsplänetraten an die Stelle der im SUPG noch aufgeführten Lärmminderungspläne, s.BGBl. v. 29.6.2005, S. 1794), Luftreinhaltepläne nach § 47 Abs. 1 BImSchG,Abfallwirtschaftskonzepte nach § 19 Abs. 5 KrW-/AbfG sowie Abfallwirtschafts-pläne nach § 29 KrW-/AbfG.

28 Vgl. zur Begründung BR-Drs. 588/04, S. 72, die Stellungnahme des Bundesratesin BR-Drs. 588/04 (Beschluss), S. 10 sowie die zutreffende Gegenäußerung derBundesregierung in BT-Drs. 15/4236, S. 4.

29 Hendler (Fn. 25), S. 49; Näckel (Fn. 1), S. 250; Stüer, UPR 2003, 97, 98.30 BR-Drs. 52/05 (Beschluss), S. 6; gefordert wurde die (eher zu Missverständnissen

verleitende) Formulierung »…wenn sie unmittelbar Festlegungen […] treffen, die…«;dagegen zutreffend die Replik der Bundesregierung in BT-Drs. 15/4236, S. 4.

31 Näher dazu Schubert (Fn. 3), S. 67 f.32 Hendler, NuR 2003, 2, 5.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 526

ZUR 11/2005 | 527

schaftsrechtlich riskante Umsetzungsoptionen zu meiden,33 gegeneine derartige Reduktion des insoweit eindeutigen Richtlinientex-tes entschieden. Das ist zu begrüßen, zumal auch die Kommissiondieser Lesart zugeneigt ist34 und überdies die besseren Gründegegen besagte Einschränkung sprechen dürften. So sei insbesonde-re darauf hingewiesen, dass der SUP besonderer Wert mit Blick aufdie Standortentscheidung für ein Vorhaben eignet; diese Prüfunghat ihren eigenen Sinn unabhängig davon, ob das konkrete Pro-jekt zu den nach Auffassung des Mitgliedstaats immer erheblichumweltrelevanten und daher obligatorisch UVP-pflichtigen Pro-jekten zählt oder nicht.35 Damit erhellt zugleich, dass es im Fall derRahmensetzung für ein lediglich vorprüfungspflichtiges Vorhabennicht darauf ankommt, ob die Vorprüfung eine UVP-Pflicht nachsich ziehen würde; die Vorprüfungspflicht führt vielmehr ohneweiteres zur SUP-Pflicht des rahmensetzenden Plans bzw. Pro-gramms.36

Eine weitere Kategorie obligatorisch SUP-pflichtiger Pläne undProgramme benennt § 14c UVPG in Umsetzung von Art. 3 Abs. 2lit. b) SUP-RL: Es handelt sich um Pläne und Programme, die einerFFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 35 S. 1 Nr. 2 BNatSchG zuunterziehen sind.37 Letztere wird freilich infolge der SUP-Pflichtnicht hinfällig. Beide Prüfungen sind vielmehr entsprechend denjeweiligen gesetzlichen Anforderungen eigenständig durchzu-führen; sie können jedoch gem. § 14n UVPG miteinander verbun-den werden.38

b. SUP nach Maßgabe einer Vorprüfung des Einzelfalls (konditionale SUP)Der Gesetzgeber des UVPG hat von der gemeinschaftsrechtlicheröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, bestimmte Pläne undProgramme nach Maßgabe einer Vorprüfung im Einzelfall (sog.Screening) der SUP-Pflicht zu unterwerfen. Das betrifft nach § 14bAbs. 2 S. 1 UVPG alle nicht in der Anlage 3 UVPG aufgeführten Plä-ne und Programme, die gleichwohl besagte rahmensetzende Wir-kung haben, wobei unerheblich ist, ob Letztere sich auf UVP- odervorprüfungspflichtige Vorhaben bezieht. Die Vorprüfung führt diezuständige Behörde gem. § 14b Abs. 4 S. 1 UVPG »überschlägig«unter Berücksichtigung der in der Anlage 4 zum UVPG normiertenKriterien durch; in das Ergebnis fließt nach Satz 2 zudem ein,inwieweit Umweltauswirkungen durch Vermeidungs- und Ver-minderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werdenkönnen. Die in § 14h UVPG genannten Behörden sind nach Satz 3der Vorschrift an der Vorprüfung zu beteiligen. Führt diese zu demErgebnis, dass der Plan bzw. das Programm voraussichtlich erheb-liche Umweltauswirkungen hat, die im weiteren Aufstellungsver-fahren nach § 14k Abs. 2 UVPG zu berücksichtigen wären, ist erbzw. es einer SUP zu unterziehen.

Werden obligatorisch SUP-pflichtige Pläne oder Programmei.S.v. §§ 14b Abs. 1, 14c UVPG nur geringfügig geändert oder legensie die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene fest, so sind diesePläne und Programme bzw. deren Änderungen gleichfalls nachMaßgabe einer Einzelfallprüfung SUP-pflichtig, wie § 14d Abs. 1S. 1 UVPG zu entnehmen ist. Mit dieser Vorschrift macht der Bun-desgesetzgeber von dem in Art. 3 Abs. 3, 5 SUP-RL eröffnetenBestimmungsrecht Gebrauch, ohne die dort aufgeführten Tatbe-stände näher zu konkretisieren. So bleibt es der Landesgesetzge-bung bzw. dem Rechtsanwender überantwortet zu bestimmen,wann eine nur geringfügige Plan- bzw. Programmänderung vor-liegt und was ein kleines Gebiet auf lokaler Ebene ist.39 LetzteresMerkmal dürfte freilich nur die kommunale Planungsebene erfas-sen, wobei die dort angesiedelte Bauleitplanung nicht Regelungs-gegenstand von § 14d Abs. 1 S. 1 UVPG, sondern der bereichsspezi-fischen (SUP-)Vorgaben des BauGB40 ist, wie § 14d Abs. 1 S. 2UVPG klarstellt.

Hat die Behörde eine Vorprüfung vorgenommen, so ist derenErgebnis nach § 14a Abs. 2 S. 1 Hs. 1 UVPG der Öffentlichkeit nachden Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugangzu Umweltinformationen zugänglich zu machen.

3. Verfahrensanforderungen

Nachdem die Behörde die SUP-Pflicht des Plans bzw. Programmsfestgestellt hat, führt sie die Umweltprüfung nach Maßgabe derVerfahrensanforderungen in §§ 14e – 14l UVPG durch.41 Nichtmehr zum eigentlichen SUP-Verfahren gehört die Überwachungder Umweltauswirkungen infolge der Realisierung des Plans(§ 14m UVPG); sie knüpft indessen unmittelbar an die Umwelt-prüfung, genauer: an die Angaben im Umweltbericht, an. Diegenannten Verfahrensbestimmungen sind nachfolgend zubetrachten.

a. Festlegung des Untersuchungsrahmens, AbschichtungDer erste Verfahrensschritt, das sog. Scoping42, erweist sich als wei-chenstellend für den weiteren Verlauf des SUP-Prozesses:43

Zunächst hat die Behörde nach § 14f Abs. 1 UVPG den Untersu-chungsrahmen der SUP einschließlich des Umfangs und Detaillie-rungsgrads der in den Umweltbericht nach § 14g UVPG aufzuneh-menden Angaben festzulegen. Maßstab dieser Eingrenzung sindnach § 14f Abs. 2 S. 1 UVPG die Rechtsvorschriften betreffend dieEntscheidung über die Ausarbeitung, Annahme oder Änderungdes Plans oder Programms – und damit die spezifischen Rege-lungen des jeweils einschlägigen Fach(planungs-)rechts.44

Die im Rahmen des Scoping u.a. festzulegende Untersuchungs-tiefe findet sich gesetzlich eingeschränkt: So bestimmt § 14f Abs. 2S. 2 UVPG, dass der Umweltbericht nur die Angaben zu enthaltenbraucht, die mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden können;überdies sind der gegenwärtige Wissensstand und der Behördebekannte Äußerungen der Öffentlichkeit, allgemein anerkanntePrüfungsmethoden, Inhalt und Detaillierungsgrad des Plans oderProgramms sowie dessen Stellung im Entscheidungsprozess zuberücksichtigen. Letzteres Kriterium verweist bereits auf denInhalt der in § 14f Abs. 3 UVPG nachfolgenden Abschichtungsre-gelung, welche zur Anwendung gelangen soll, wenn Pläne undProgramme Bestandteil eines mehrstufigen Entscheidungsprozes-ses sind und daraus die Gefahr erwächst, dass dieselben AspekteGegenstand unnötiger Mehrfachprüfungen sind. Zu deren Ver-meidung soll die Behörde bestimmen, auf welcher Entscheidungs-stufe bestimmte Umweltauswirkungen schwerpunktmäßig

Erbguth/Schubert , Das Gesetz zur E in führung e iner St rateg ischen Umweltprüfung | A U F S AT Z

33 Zur bewussten Abkehr vom Prinzip der »Minimalumsetzung« Sangenstedt, in:Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.), Die strategische Umweltprü-fung (sog. Plan-UVP) als neues Instrument des Umweltrechts, Berlin 2004, S. 37,44.

34 Europäische Kommission, Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG des europäischenParlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimm-ter Pläne und Programme, Luxemburg, 2003, Rn. 3.22.

35 Pietzcker/Fiedler, Gutachten zum Umsetzungsbedarf der Plan-UP-Richtlinie derEG im Baugesetzbuch, erstattet im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr,Bau- und Wohnungswesen, Bonn 2002, S. 31, veröffentlicht unter www.bm-vbw.de/Anlage9939/Gutachten_zur_Plan-UVP.pdf.

36 Ebenso Schink, NVwZ 2005, 615, 618 f.37 Näher Schink, NVwZ 2005, 615, 619.38 Vgl. hierzu die Vernetzungsmöglichkeiten bei Schubert (Fn. 3), S. 240 ff. sowie mit

Blick auf die Integration der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in die SUPS. 167 ff.

39 Hierzu Schubert (Fn. 3), S. 74 f.; Pietzcker/Fiedler (Fn. 35), S. 20.40 Vgl. § 2 Abs. 4 BauGB; dazu eingehend Erbguth/Wagner (Fn. 3), § 3 Rn. 28 ff.41 Kommt die Behörde dagegen zu dem Ergebnis, es bedarf keiner SUP, so hat sie

dies einschließlich der dafür wesentlichen Gründe bekannt zu geben, § 14a Abs.2 S. 1 Hs. 2 UVPG.

42 Dazu Calliess, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.), Die strategi-sche Umweltprüfung (sog. Plan-UVP) als neues Instrument des Umweltrechts,Berlin 2004, S. 153, 167 f.; Schink, NuR 2005, 143, 144 f.

43 Sangenstedt (Fn.33), S. 47; ähnlich Hendler (Fn. 19), S. 981.44 Bei der Festlegung des Untersuchungsrahmens hat die Behörde überdies die Vor-

gaben des § 2 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 UVPG zu berücksichtigen (§ 14f Abs. 2 S. 1UVPG).

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 527

528 | ZUR 11/2005

A U F S AT Z | Erbguth/Schubert , Das Gesetz zur E in führung e iner St rateg ischen Umweltprüfung

geprüft werden sollen, wobei Art und Umfang der Umweltauswir-kungen, fachliche Erfordernisse sowie Inhalt und Entscheidungs-gegenstand des Plans oder Programms zu berücksichtigen sind.Entsprechend beschränkt § 14 Abs. 3 S. 3 UVPG den Prüfungsum-fang auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungensowie auf erforderliche Aktualisierungen und Vertiefungen, wennauf einer tieferen Planungsstufe, die sich für die aktuelle (höhere)Ebene als rahmensetzend i.S.d. § 14b Abs. 3 UVPG erweist, bereitseine SUP durchgeführt wurde. Eine entsprechende Abschich-tungswirkung soll der SUP nach § 14f Abs. 3 S. 3 UVPG für dienachfolgende Vorhabenzulassung zukommen; freilich ist diesystematische Verortung dieses Erfordernisses im Gefüge der SUP-Verfahrensanforderungen zu beanstanden, weil es sich dabei umeine Regelung handelt, welche die Festlegung des Untersuchungs-rahmens nicht der SUP, sondern der UVP betrifft.45

Die gemeinschaftsrechtlich in Art. 5 Abs. 4 SUP-RL angeordneteBehördenbeteiligung am Scoping sieht § 14f Abs. 4 S. 1 UVPG vor.Der Wortlaut der Umsetzungsnorm weicht insofern von der EG-rechtlichen Vorgabe ab, als auch die Behörden, deren umwelt- undgesundheitsbezogener Aufgabenbereich durch den Plan oder dasProgramm berührt wird, zu beteiligen sind, während die Richtlinielediglich auf den umweltbezogenen Aufgabenbereich abstellt, hieraber ein potentielles Betroffensein der Behörde ausreichen lässt.§ 14f Abs. 4 S. 1 UVPG ist demnach gemeinschaftsrechtskonformso auszulegen, dass eine positive Feststellung des Berührtseins derBehörde nicht erforderlich ist, sondern bereits die Möglichkeitdazu ausreicht, um das Beteiligungsrecht der Behörde zu begrün-den. Die Erfassung auch der Behörden mit gesundheitsbezogenemAufgabenbereich dient der Gesetzesbegründung zufolge derUmsetzung des Art. 6 Abs. 2 des SEA-Protokolls. Sie dürfte sich –darin ist der Stellungnahme des Bundesrats zuzustimmen – alsüberflüssig erweisen, da es im Zusammenhang mit der SUP nur aufumweltbezogene Gesundheitsbelange i.S.d. Schutzguts dermenschlichen Gesundheit in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UVPG ankom-men kann; diese werden aber bereits vom »umweltbezogenen Auf-gabenbereich« erfasst.46

§ 14f Abs. 4 S. 2 und 4 UVPG enthält weitere Einzelheiten zurBehördenbeteiligung am Scoping. Satz 3 der Vorschrift stellt derzuständigen Behörde anheim, Sachverständige und Dritte hinzu-zuziehen. Eine EG-rechtlich nicht geforderte zwingende Öffent-lichkeitsbeteiligung am Scoping47 sieht demnach auch das deut-sche Recht nicht vor.48

b. Erstellung des UmweltberichtsNach Maßgabe des zuvor abgesteckten Untersuchungsrahmenshat die Behörde dem eigentlichen Prüfauftrag der SUP nachzu-kommen, indem sie nach § 14g Abs. 1 UVPG die voraussichtlichenerheblichen Umweltauswirkungen der Durchführung des Plansoder Programms sowie vernünftiger Alternativen ermittelt,beschreibt und bewertet und diese Arbeitsschritte in einem früh-zeitig zu erstellenden Umweltbericht dokumentiert. Die notwen-digen Inhalte des Umweltberichts, welche in Anhang I der SUP-RLniedergelegt sind, finden sich in § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–9 UVPG inenger Anlehnung an den Richtlinientext umgesetzt. Ein Fehler beider Umsetzung ist dem Gesetzgeber indessen im Hinblick auf dieImplementierung von lit. h) des Anhangs I der SUP-RL unterlau-fen: Während jener Vorgabe zufolge eine Beschreibung, wie dieSUP vorgenommen wurde, Bestandteil des Umweltberichts zu seinhat, ist nach § 14g Abs. 2 S. 1 Nr. 8 UVPG lediglich eine Beschrei-bung der Alternativenprüfung gefordert. Diese Lücke ist durchunmittelbare Anwendung der weitergehenden Richtlinienanfor-derung zu schließen.

Der Inhalt des Umweltberichts soll nach § 14g Abs. 2 S. 2 UVPGentsprechend der Art des Plans oder Programms Dritten die Beur-

teilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von denUmweltauswirkungen des Plans oder Programms betroffen wer-den können. Dazu soll auch die allgemein verständliche, nicht-technische Zusammenfassung der Angaben beitragen, die demUmweltbericht nach Satz 3 der Vorschrift beizufügen ist.

Bereits im Umweltbericht sind nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SUP-RL die Umweltauswirkungen des Plans oder Programms zu bewer-ten. Dieser Vorgabe trägt § 14g Abs. 3 UVPG Rechnung und kon-kretisiert sie dahingehend, dass die Bewertung (zunächst) »vorläu-fig« und im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinneder §§ 1 und 2 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG nach Maßgabeder geltenden Gesetze vorzunehmen ist. Somit findet sich klarge-stellt, dass die SUP ebenso wenig über eigene Bewertungsmaßstäbeverfügt wie die UVP, sondern solche des einschlägigen Fachrechtsheranzuziehen hat.49 Die Einschränkung i.S.e. nur vorläufigenBewertung sieht die SUP-RL nicht vor; sie erklärt sich im Zusam-menhang mit der abschließenden Bewertung nach § 14k Abs. 1UVPG, bei deren Behandlung darauf zurückzukommen ist.50

§ 14g Abs. 4 UVPG ermöglicht der zuständigen Behörde, Anga-ben in den Umweltbericht aufzunehmen, die ihr aus anderen Ver-fahren oder Tätigkeiten vorliegen, wenn sie für den vorgesehenenZweck geeignet und hinreichend aktuell sind. Diese Art. 5 Abs. 3SUP-RL umsetzende Regelung dient der Verfahrensökonomisie-rung; sie ergänzt die in § 14f Abs. 3 S. 3 UVPG vorgeseheneAbschichtung der Umweltprüfungen unter dem gemeinsamenZiel, unnötige Doppelungen bei der Untersuchung von Umwelt-auswirkungen zu vermeiden.

c. BehördenbeteiligungDie Beteiligung anderer Behörden ist Gegenstand der Regelung in§ 14h UVPG. Danach übermittelt die zuständige Behörde denBehörden, deren umwelt- und gesundheitsbezogener Aufgabenbe-reich durch den Plan oder das Programm berührt wird, den Ent-wurf des Plans oder Programms sowie den Umweltbericht undholt die Stellungnahmen dieser Behörden ein. Für die Abgabe derStellungnahmen hat die zuständige Behörde eine angemesseneFrist zu setzen, die mindestens einen Monat betragen muss.

d. ÖffentlichkeitsbeteiligungEntsprechend den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1, 2 und 4 SUP-RLgestaltet das UVPG die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen derSUP trichterförmig aus.51 Das Gesetz differenziert zwischen der»Öffentlichkeit« und der »betroffenen Öffentlichkeit« und weistihnen unterschiedliche Beteiligungsrechte zu. Beide Begriffe sindin § 2 Abs. 6 UVPG legal definiert. »Öffentlichkeit« i.S.d. UVPGsind einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personensowie deren Vereinigungen. Der Öffentlichkeit wird in § 14i Abs. 2S. 1 UVPG ein Recht auf Einsichtnahme dergestalt gewährt, dassder Entwurf des Plans oder Programms, der Umweltbericht sowieweitere Unterlagen, deren Einbeziehung die zuständige Behördefür zweckmäßig hält, frühzeitig für eine angemessene Dauer vonmindestens einem Monat öffentlich auszulegen sind.

Ein Äußerungsrecht steht hingegen nicht der gesamten, son-dern nur der betroffenen Öffentlichkeit zu, welcher in § 2 Abs. 6 S.2 UVPG für die Beteiligung am SUP-Verfahren jede Person zuge-

45 Zum Vorstehenden auch Schink, NuR 2005, S. 144 f.46 S. BR-Drs. 588/04 (Beschluss), S. 11.47 Für eine Beteiligung der Umweltverbände am Scoping Ginzky, UPR 2002, 47, 51;

Sangenstedt (Fn. 1), S. 235, 247; Calliess (Fn. 42), S. 167 f.; ablehnend Kläne, Stra-tegische Umweltprüfung (SUP) in der Bauleitplanung: Zur Umsetzung der Richt-linie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates überdie Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, Ham-burg 2003, S. 231 f., dagegen Schubert (Fn. 3), S. 117 f.

48 Dazu kritisch anhand der entsprechenden Regelung im Städtebaurecht Schubert(Fn. 3), S. 264.

49 Vgl. hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs in BR-Drs. 588/04, S. 79 f.50 Dazu unter B.II.3.e.51 Dazu Schink, NuR 2005, 143, 147 m.w.N. in Fn. 40.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 528

ZUR 11/2005 | 529

Erbguth/Schubert , Das Gesetz zur E in führung e iner St rateg ischen Umweltprüfung | A U F S AT Z

rechnet wird, deren Belange durch einen Plan oder ein Programmberührt werden; hierzu gehören auch Vereinigungen, deren sat-zungsmäßiger Aufgabenbereich durch den Plan oder das Pro-gramm berührt wird, darunter auch Vereinigungen zur Förderungdes Umweltschutzes. Diese Definition ist der Umsetzung von Art.6 Abs. 4 SUP-RL zu dienen bestimmt, wonach es den Mitgliedstaa-ten obliegt, die einwendungsberechtigte Öffentlichkeit zu bestim-men; jene schließt die Teile der Öffentlichkeit ein, die vom Ent-scheidungsprozess gemäß der SUP-RL betroffen sind oder voraus-sichtlich betroffen sein werden oder ein Interesse daran haben,darunter auch relevante Nichtregierungsorganisationen, z.B. sol-che zur Förderung des Umweltschutzes und andere betroffeneOrganisationen.52 Die Abweichung der Umsetzungsvorschriftvom Wortlaut der Richtlinie rechtfertigt der Gesetzgeber damit,»eine schon seit langem bewährte Begriffskonkretisierung desdeutschen Verwaltungsrechts« verwenden zu wollen, die der EG-rechtlichen Definition inhaltlich entspreche – es handele sichdabei um den Begriff der »berührten Belange« aus § 73 Abs. 4 S. 1VwVfG.53 Somit könne auf bewährte, in Rspr. und Literaturgeprägte Grundsätze zurückgegriffen werden, wonach der Begriffder »Belange« weiter zu verstehen sei als der des »subjektivenöffentlich Rechts« und alle öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlichbegründeten eigenen Rechte sowie wirtschaftliche, ökologische,soziale, kulturelle, ideelle oder sonstige nicht unredlich erworbeneund deshalb anerkennenswerte eigene Interessen des jeweiligenBeteiligten umfasse.54 Für die Frage, ob derartige Belange in con-creto berührt sind, reicht es nach Auffassung des Gesetzgebers inÜbereinstimmung mit dem allgemeinen Verständnis des deut-schen Verwaltungsrechts aus, dass eine Betroffenheit zumindestmöglich erscheint.55 Nur so verstanden, vermag die Vorschriftdem Verdikt der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zu entgehen. Frei-lich wäre der Gesetzgeber angesichts der strengen Anforderungendes EuGH an eine eindeutige und klare Richtlinienumsetzung mitder ausdrücklichen Bezugnahme (auch) auf ein voraussichtlichesBerührtsein auf der sicheren Seite gewesen. Mit Blick auf die in Art.6 Abs. 4 SUP-RL neben dem (voraussichtlichen) Betroffenseingenannte Alternative eines Interesses am Entscheidungsprozessdürften keine Bedenken hinsichtlich der EG-Rechtskonformitätvon § 2 Abs. 6 S. 2 UVPG bestehen, weil – darin ist der zitiertenGesetzesbegründung zuzustimmen – die anerkennenswertenInteressen einer Person vom Begriff der Belange i.S.d. Vorschrifterfasst werden.56

Die Einwendungsberechtigung besagter Nichtregierungsorgani-sationen in § 2 Abs. 6 S. 2 UVPG begegnet ebenfalls keinen Beden-ken; so entspricht insbesondere das Rekurrieren auf das Betroffen-sein des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs von Vereinigungender gemeinschaftsrechtlichen Beschränkung auf »relevante« Orga-nisationen.57

Die so eingegrenzte betroffene Öffentlichkeit ist nach § 14i Abs.3 S. 1 UVPG berechtigt, sich zum Plan- bzw. Programmentwurfund zum Umweltbericht zu äußern. Um abzusichern, dass diebetroffene Öffentlichkeit ihr Äußerungsrecht wirksam wahrneh-men kann, verpflichtet § 14i Abs. 2 S. 2 UVPG die Behörde zu einerFestlegung geeigneter Auslegungsorte unter Berücksichtigung vonArt und Inhalt des Plans oder Programms. Die Einwendungsfristist wiederum von der Behörde zu bestimmen und darf einenMonat nicht unterschreiten. Die Vorschrift des § 14i Abs. 3 S. 3UVPG, wonach ein Erörterungstermin durchzuführen ist, soweitRechtsvorschriften des Bundes dies für bestimmte Pläne und Pro-gramme vorsehen, entbehrt indes eines substanziellen Regelungs-gehalts und erscheint daher verzichtbar.58

e. Abschließende Bewertung und BerücksichtigungIm Anschluss an die Konsultationen sieht Art. 8 SUP-RL vor, denUmweltbericht, die Stellungnahmen von Behörden und Öffent-lichkeit sowie die Ergebnisse ggf. durchgeführter Konsultationenbei der Ausarbeitung und vor der Annahme des Plans oder Pro-gramms oder vor dessen Einbringung in das Gesetzgebungsverfah-ren zu berücksichtigen. Daraus geht hervor, dass eine Fortschrei-bung des Umweltberichts von Gemeinschaftsrechts wegen nichterforderlich ist.59 Solches sieht indessen § 14k Abs. 1 UVPG vor, derbestimmt, dass die zuständige Behörde nach Abschluss des Beteili-gungsverfahrens die Darstellungen und Bewertungen des Umwelt-berichts unter Berücksichtigung der ihr nach §§ 14h–14j übermit-telten Stellungnahmen und Äußerungen zu überprüfen hat; diesanhand der in § 14g Abs. 3 UVPG bestimmten Maßstäbe. Aus dieserÜberprüfungspflicht resultiert das Erfordernis, den Umweltberichtentsprechend anzupassen, wenn die Behörde auf Grund besagterStellungnahmen und Äußerungen zu neuen Erkenntnissen hin-sichtlich der Umweltauswirkungen des Plans oder Programmsgelangt ist.60 Erst das Ergebnis der Überprüfung ist nach § 14k Abs.2 UVPG im Verfahren zur Aufstellung oder Änderung des Plansoder Programms zu berücksichtigen. Wenngleich die Wortwahljener Bestimmungen etwas missglückt erscheint, so kann derenGemeinschaftsrechtskonformität nicht in Abrede gestellt werden.Denn die Stellungnahmen und sonstigen Konsultationsergebnissefinden mittelbar über die ggf. erforderliche Fortschreibung desUmweltberichts Eingang in die Berücksichtigung nach § 14k Abs. 2UVPG. Das hätte jedoch im Normtext klarer zum Ausdruckgebracht werden können: Bei Lichte betrachtet ist nicht das Ergeb-nis der Überprüfung des Umweltberichts zu berücksichtigen, son-dern das Ergebnis der Umweltprüfung selbst, welches sich inGestalt des Umweltberichts manifestiert; entweder unverändert,weil dessen Überprüfung keinen Anpassungsbedarf zu Tage geför-dert hat oder – wie wohl regelmäßig – fortgeschrieben und damitangereichert um die Konsultationsergebnisse. Die über das gemein-schaftsrechtlich Geforderte hinausreichende zweistufige Bewer-tung ist hingegen zu begrüßen, weil sie sicherstellt, dass die Behör-de sich mit den Äußerungen der anderen Behörden und der Öffent-lichkeit eingehend auseinandersetzt und dies auch imUmweltbericht dokumentiert. Dies dürfte die Qualität des Umwelt-berichts in nicht unerheblichem Maße erhöhen und damit dieSteuerungswirkung der SUP insgesamt verbessern.61

f. BekanntgabeDie Annahme des Plans oder Programms ist öffentlich bekannt zumachen (§ 14l Abs. 1 S. 1 UVPG). Zu diesem Zweck ist der Planoder das Programm öffentlich auszulegen; ihm sind eine zusam-menfassende Erklärung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 UVPG und nach Nr.3 der Vorschrift eine Aufstellung vorgesehener Überwachungs-maßnahmen nach § 14m UVPG beizufügen. Ist der Plan geschei-tert, so sieht § 14l Abs. 1 S. 2 UVPG eine fakultative öffentlicheBekanntmachung der Ablehnung vor. All jene Erfordernisse ent-sprechen den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben aus Art. 9 Abs. 1SUP-RL.

52 Zu diesen EG-rechtlichen Anforderungen Calliess (Fn. 42), S. 170 ff.; Schubert (Fn.3), S. 85 f.

53 Vgl. BR-Drs. 588/04, S. 57.54 Ebda.55 BR-Drs. 588/04, S. 58.56 So auch die Stellungnahme von Hendler im Gesetzgebungsverfahren anlässlich

der Anhörung des Umweltausschusses v. 29.9.2004, S. 2, im Internet abrufbar un-ter www.bund.net/verkehr; ebenso Bunge (Fn. 19), S. 3.

57 Bunge (Fn. 19), S. 4.58 Es sei darauf hingewiesen, dass nach § 14i Abs. 1 UVPG für die Öffentlichkeits-

beteiligung § 9 Abs. 1 UVPG entsprechend gilt, soweit § 14i Abs. 2, 3 UVPG nichtsanderes bestimmt. Das betrifft insbesondere die in § 9 Abs. 1 S. 3, 4 UVPG in Be-zug genommenen Vorgaben des § 73 Abs. 3, 4 bis 7 VwVfG.

59 Schubert, NuR 2005, 369, 373.60 Vgl. BR-Drs. 588/04, S. 83.61 In diesem Sinne auch Schink, NuR 2005, 143, 148.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 529

A U F S AT Z | Erbguth/Schubert , Das Gesetz zur E in führung e iner St rateg ischen Umweltprüfung

530 | ZUR 11/2005

g. ÜberwachungDas in Art. 10 SUP-RL vorgesehene »Monitoring«, d.h. die Überwa-chung der erheblichen Umweltauswirkungen infolge der Plan-bzw. Programmrealisierung,62 ist in § 14m UVPG geregelt. Danachsind die erforderlichen Überwachungsmaßnahmen mit derAnnahme des Plans oder Programms auf der Grundlage der Anga-ben im Umweltbericht festzulegen. Die Überwachung obliegtnach § 14 Abs. 2 UVPG – soweit bundes- oder landesrechtlichnichts Abweichendes geregelt ist – der für die SUP zuständigenBehörde. Diese kann nach § 14m Abs. 3 UVPG von anderen Behör-den verlangen, dass ihr alle erforderlichen Umweltinformationenzur Verfügung gestellt werden, die zur Wahrnehmung der Überwa-chungspflicht erforderlich sind. Die Ergebnisse der Überwachungsind der Öffentlichkeit sowie den in § 14h UVPG benanntenBehörden zugänglich zu machen; dies nach Maßgabe der einschlä-gigen Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen(§ 14m Abs. 4 UVPG).

III. Verbleibende Erfordernisse landesrechtlicher Umsetzung

Nach § 14o UVPG obliegt es den Ländern, das Verfahren für dieFeststellung der SUP-Pflicht und für die Durchführung der SUP inBezug auf Pläne und Programme zu regeln, für die der Bund ledig-lich eine Rahmengesetzgebungskompetenz besitzt – dies sindnamentlich die wasserhaushalts- und die raumordnungsrechtli-chen Planungen, wobei § 14o S. 2 UVPG ausdrücklich dieRaumordnung in der deutschen AWZ, die nach § 18a ROG demBund überantwortet ist, ausnimmt. Keine Regelungsbefugnissewerden diesbezüglich den Ländern für die grenzüberschreitendeBehörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der SUPgewährt (§ 14o S. 3 UVPG). Hier gelten die Anforderungen des §14j UVPG unmittelbar.

Die Länder regeln ferner die Voraussetzungen und das Verfahrender UVP im Rahmen von Raumordnungsverfahren für nach Anla-ge 1 zum UVPG UVP-pflichtige Projekte, wobei §§ 8, 9a und 9bUVPG unberührt bleiben und § 4 UVPG keine Anwendung findet.

Weiterhin der Landesgesetzgebung überantwortet ist nach § 19aAbs. 1 S. 2 UVPG das Verfahren der Landschaftsplanungen inBezug auf die nach § 19a Abs. 1 S. 1 UVPG durchzuführende SUP.

Prof. Dr. Wilfried ErbguthUniversität Rostock, Lehrstuhl für Öffentliches Recht unter besondererBerücksichtigung des Verwaltungsrechts, Geschäftsführender Direktordes Ostseeinstituts für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht,Richard-Wagner-Str. 31, 18119 Rostock.Tätigkeitsschwerpunkte: Verwaltungs- und Verfassungsrecht, Europa-recht, Umweltrecht, PlanungsrechtAktuelle Veröffentlichungen: Allgemeines Verwaltungsrecht, Baden-Ba-den 2005, 324 S.; Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Heidelberg2005, 548 S. (zusammen mit Peter J. Tettinger); Grundzüge des öffent-lichen Baurechts, 4. Aufl., München 2005, 427 S. (zusammen mit JörgWagner); Umweltrecht, Baden-Baden 2005, 333 S. (zusammen mit Sa-bine Schlacke); Die Abfallwirtschaftsplanung, 2. Aufl., Rostocker Schrif-ten zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 27, Baden-Baden 2004, 103 S.;Phasenspezifischer oder konzentrierter Rechtsschutz? Anhand des Um-welt- und Planungsrechts, Art. 14 GG, § 35 III 3 BauGB, in: NVwZ2005, S. 241-247

Dr. Mathias SchubertUniversität Rostock, Koordinator der wissenschaftlichen Forschung amOstseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht, Rich-ard-Wagner-Str. 31, 18119 Rostock.Tätigkeitsschwerpunkte: Öffentliches Recht, Planungs- und Baurecht,UmweltrechtAktuelle Veröffentlichungen: Harmonisierung umweltrechtlicher In-strumente in der Bauleitplanung, Baden-Baden 2005, 314 S.; Die bau-planungsrechtliche Umweltprüfung im Spannungsfeld EG-rechtlicherVorgaben und kommunaler Praktikabilitätsansprüche, NuR 2005,S. 369-375, Umweltrechtliche Instrumente und bauleitplanerische Ab-wägung im neuen Städtebaurecht, in: Reinhard Hendler/Peter Marbur-ger/Michael Reinhardt/Meinhard Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Um-welt- und Technikrechts 2005, S. 63-89 (zusammen mit WilfriedErbguth); Zur Geltung des § 35 BauGB für Bauvorhaben in Küstenge-wässern; in: LKV 2005, 384-387 (zusammen mit Wilfried Erbguth)

C. Fazit und Ausblick

Trotz der eingangs skizzierten hindernisreichen Entstehungsge-schichte des SUPG und – zum Teil daraus resultierender – verein-zelter Unstimmigkeiten darf das Ergebnis insgesamt als gelungenbezeichnet werden. Das grundsätzliche – durchaus anspruchsvolle– Anliegen der Bundesregierung, eine EG-rechtskonforme undpraxisfreundliche Umsetzung der SUP-RL vorzunehmen, konnte,entgegen manchen Widerständen des Bundesrates, weitgehenddurchgesetzt werden.

Von einer Konsolidierung des UVPG kann indessen keine Redesein: Dem Gesetz steht eine erneute Novellierung in Gestalt dessog. Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes63 bevor, mit dem (weite-re) Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie64 inBezug auf die UVP implementiert werden sollen.65 Der Umsetzungbesagter Richtlinie, welche ihrerseits Vorgaben der Aarhus-Kon-vention66 umsetzt, ist ferner das derzeit gleichfalls im Entwurf vor-liegende Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz67 zu dienen bestimmt, mitdem u.a. eine allgemeine Verbandsklage bei allen Entscheidungeneingeführt werden soll, denen eine UVP voranzugehen hat. Diemit der Durchführung von Umweltprüfungen befasste Praxismuss sich somit angesichts der weiter voranschreitenden Europäi-sierung des deutschen Umwelt(verfahrens)rechts68 auch inZukunft auf fortwährende Rechtsänderungen einstellen.

62 Hierzu Sangenstedt (Fn. 1), S. 252 f.; Giegrich, UVP-report, Sonderheft UVP-Kon-gress 2002, 75.

63 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umwelt-angelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteili-gungsgesetz) – Stand: 21.2.2005, im Internet abrufbar unter http://www.bmu.de/buergerbeteiligungsrechte/downloads/doc/35113.php.

64 S. Fn. 16.65 Dazu und zum Nachstehenden Schlacke, UVP-report 2005, 67, 69 ff.; Knopp, ZUR

2005, 281.66 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteili-

gung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltan-gelegenheiten v. 25.6.1998, 38 ILM (1999) 517; dazu von Danwitz, NVwZ 2004,272; Schlacke, UVP-report 2005, 67, 67 ff.; Erbguth/Schlacke, Umweltrecht, Baden-Baden 2005, § 8 Rn. 19; Fisahn, ZUR 2004, 136.

67 Entwurf eines Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Um-weltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbe-helfsgesetz) – Stand: 21.2.2005, im Internet abrufbar unter http://www.bmu.de/buergerbeteiligungsrechte/downloads/doc/35113.php.

68 Dazu etwa Kloepfer, NVwZ 2002, 645; Calliess, ZUR 2003, 129; Sparwasser/En-gel/Vosskuhle, Umweltrecht, Grundzüge des öffentlichen Umweltschutzrechts, 5.Auflage 2003, § 1 Rn. 145 f.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 530

ZUR 11/2005 | 531

Zur Anwendung der StörfallVO bei derZwischenlagerung von Transportgut

OVG Münster, Urteil vom 8. Juni 2005 – 8 A 3745/03 –

Leitsätze:

1. Die Lagerung von Gefahrgut in einem (Container-)Umschlag-terminal des kombinierten Verkehrs ist als zeitlich begrenzteZwischenlagerung im Sinne von Art. 4 lit. c der Richtlinie96/82/EG – »Seveso II« – vom Anwendungsbereich der Stör-fallVO ausgenommen, wenn die Zwischenlagerung im räum-lichen, funktionalen und zeitlichen Zusammenhang mit derBeförderung steht.

2. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang ist gewahrt, wenndie »24-Stunden-Regel« gemäß § 3 Abs. 4 GefStoffV einge-halten ist. Ob die Zwischenlagerung von Transportgut auch beieiner Überschreitung dieser Regelfrist als transportbedingtangesehen werden kann, richtet sich nach den Umständen desEinzelfalls.

3. Die Überwachung nach der StörfallVO obliegt bei Betriebs-anlagen von Eisenbahnen des Bundes dem Eisenbahn-Bundes-amt.

Vorinstanz: VG Düsseldorf – 3 K 4696/02 –

Zum Sachverhalt:Die Kl. betreibt ein Containerumschlagterminal, in dem bei einemGefahrgutanteil von etwa 10 % Güter zwischen Straße und Schie-ne umgeschlagen werden. Sie war der Ansicht, dass die StörfallVOauf das Umschlagterminal keine Anwendung findet. Das VG wiesihre diesbezüglich erhobene Feststellungsklage gegen das Staatli-che Umweltamt ab. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

Der Betrieb des Umschlagterminals der Kl. ist bei derzeit gegebe-nen Gestaltung der Betriebsabläufe gemäß § 1 Abs. 5 StörfallVOi.V.m. Art. 4 lit. c der Richtlinie 96/82/EG vom 9.12.1996 (ABl. EGNr. L 10/13) i.d.F. der Änderung durch die Richtlinie 2003/105/EG(ABl. EU Nr. L 345/97) – im Folgenden: RL 96/82/EG – vomAnwendungsbereich der StörfallVO ausgenommen (1.). Abgese-hen davon wäre der Beklagte für Maßnahmen nach der StörfallVOgegenüber der Klägerin auch nicht zuständig (2.).

1. Die StörfallVO findet auf die Anlage der Kl. gemäß § 1 Abs. 5StörfallVO i.V.m. Art. 4 lit. c RL 96/82/EG keine Anwendung. § 1StörfallVO legt den Anwendungsbereich der Verordnung fest.Nach § 1 Abs. 5 StörfallVO gilt die Verordnung nicht für die in Art.4 RL 96/82/EG genannten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkei-ten; nach Art. 4 lit. c RL 96/82/EG sind von der Geltung der Richt-linie ausgenommen die Beförderung gefährlicher Stoffe und derenzeitlich begrenzte Zwischenlagerung auf der Straße, der Schiene,den Binnenwasserstraßen, dem See- oder Luftweg außerhalb derunter diese Richtlinie fallenden Betriebe, einschließlich des Be-und Entladens sowie des Umladens von einem Verkehrsträger aufeinen anderen Verkehrsträger in Hafenbecken, Kaianlagen oderVerschiebebahnhöfen. Die Voraussetzungen des Art. 4 lit. c RL96/82/EG sind vorliegend gegeben, da das Abstellen der Gefahr-gutcontainer auf den Flächen des Umschlagterminals der Kl. einezeitlich begrenzte Zwischenlagerung im Sinne dieser Bestimmungist. Eine »zeitlich begrenzte Zwischenlagerung« in diesem Sinne istanzunehmen, wenn die Zwischenlagerung in einem funktionalen,räumlichen und engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Trans-

port steht (a). Diese Anforderungen erfüllt das hier umstrittenekurzzeitige Abstellen des Gefahrguts (auch) in den Gefahrgutab-stellwannen (b). Die Zwischenlagerung erfolgt ferner »außerhalbder unter diese Richtlinie fallenden Betriebe« im Sinne von Art. 4lit. c RL 96/82/EG (c). Ob die bei der Kl. ausgeführten Tätigkeiten(auch) ein »Be- und Entladen sowie Umladen von einem Verkehrs-träger auf einen anderen Verkehrsträger in einem Verschiebebahn-hof« im Sinne des zweiten Halbsatzes des Art. 4 lit. c RL 96/82/EGdarstellen, kann offen bleiben (d).

a) Eine zeitlich begrenzte Zwischenlagerung auf der Straße bzw.der Schiene (oder anderen Verkehrswegen) im Sinne der genann-ten Bestimmung ist anzunehmen, wenn ein transportbedingtesAbstellen der Güter im Rahmen der Beförderung vorliegt. Ausrei-chend, aber auch erforderlich ist es, dass ein funktionaler, räumli-cher und zeitlicher Zusammenhang des Zwischenlagerns mit demTransport besteht. Dies beruht auf folgenden Überlegungen:

aa) Das Tatbestandsmerkmal der »Zwischenlagerung« erfordertbereits ausgehend von seinem Wortlaut, dass es sich nicht um eineendgültige Lagerung handeln darf, sondern nur um eine solche,die sich als Unterbrechung eines (Beförderungs-)Vorgangs dar-stellt. Aus der Systematik, nämlich der Stellung des Satzteils »undderen zeitlich begrenzte Zwischenlagerung« zwischen »Beförde-rung« und »auf der Straße ….« ergibt sich, dass die Zwischenlage-rung im Zusammenhang mit der Beförderung auf den genanntenVerkehrswegen stehen muss. Auch Sinn und Zweck der Bestim-mung sprechen für ein Verständnis, wonach die Zwischenlage-rung im Zusammenhang mit dem Transport steht: Mit ihr soll eintransportbezogenes Abstellen des Beförderungsguts von eigen-ständigen Lagerungsvorgängen abgegrenzt werden, um eine klareSchnittstelle zwischen dem Störfallrecht auf der einen und demGefahrgutbeförderungsrecht auf der anderen Seite herzustellen(vgl. Wietfeldt/Neuser, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutz-recht Band 2, 2. Auflage, Loseblatt, Stand: März 2005, § 1 12.BImschV Rn. 20). Dementsprechend liegt nach der den Begriff derBeförderung im Sinne des Gefahrgutbeförderungsgesetzes –GGBefG – bestimmenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 GGBefG einzeitweiliger Aufenthalt im Verlauf der Beförderung vor, wenndabei gefährliche Güter für den Wechsel der Beförderungsart oderaus sonstigen transportbedingten Gründen zeitweilig abgestelltwerden. Das Erfordernis der Transportbedingtheit ist schließlichauch in der amtlichen Begründung zu § 3 Abs. 5 a BImSchG ange-sprochen. In dieser Vorschrift, die den für das Eingreifen der Stör-fallVO bedeutsamen Begriff des »Betriebsbereichs« bestimmt,werden ebenfalls die in Art. 4 lit. c RL 96/82/EG angeführten Ein-richtungen, Gefahren und Tätigkeiten ausgenommen. DerBegründung zufolge sollte es bei der Ausnahme gemäß Art. 4 lit. cRL 96/82/EG darum gehen, das »Recht der Beförderung gefährli-cher Güter mit allen Verkehrsträgern einschließlich des Be- undEntladens, des Umladens und der transportbedingten Zwischen-aufenthalte« vom Störfallrecht abzugrenzen (vgl. BT-Drs.13/11118, S. 7). Ist für die Beurteilung des erforderlichen funktio-nalen Zusammenhangs der Zwischenlagerung mit dem Transportmithin eine Abgrenzung zu einer eigenständigen, aus anderenGründen erfolgenden Lagerung vorzunehmen, kann die Zwi-schenlagerung etwa dann nicht mehr als transportbedingt angese-hen werden, wenn der Ort der Lagerung Destination des Trans-portguts und der Beförderer Versender oder (endgültiger) Empfän-ger des Transportguts ist (vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer,Umweltrecht Band II, Durchführungsvorschriften zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Loseblatt, Stand: Dezember 2004 , § 1 12.BImSchV Rn. 8; Wietfeldt/Neuser, in: Feldhaus, a.a.O., § 1

R E C H T S P R E C H U N G

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 531

12. BImschV Rn. 21). Von der Transportbedingtheit der Zwi-schenlagerung kann im Weiteren nur dann ausgegangen werden,wenn der Beförderer keine Verwahrungsvereinbarung geschlossenund keinen Verwahrungs- oder Bevorratungswillen hat. Fernermüssen Beförderungspapiere vorliegen, die Bestimmungsort undAnschlusstransportmittel ausweisen (vgl. BT-Drs. 13/10158, S. 14,zum GGBefG; auch Feststellungen des »Barcelona-Workshops«vom 28./29.4.1997, 2.1). Das Transportgut darf – von erforderli-chen Kontrollen und von Defekten abgesehen – auch nicht geöff-net und erst recht nicht bearbeitet werden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 5GGBEfG (…).

bb) Das weitere Tatbestandsmerkmal der Zwischenlagerung »aufder Straße« bzw. »auf der Schiene« ist … nicht dahin zu verstehen,dass die Zwischenlagerung auf den in Art. 4 lit. c RL 96/82/EG Ver-kehrswegen im gegenständlichen Sinne erfolgen müsste. Gegenein derartiges Verständnis sprechen schon die praktischen Schwie-rigkeiten, die mit einer Zwischenlagerung auf den Verkehrswegenselbst verbunden wären; insbesondere eine Lagerung »auf demLuftweg« ist schwerlich vorstellbar. Die Begrifflichkeiten »auf demSeeweg« (statt: »auf dem Meer«) und »auf dem Luftweg« (statt: »inder Luft«) verdeutlichen gleichfalls, dass es nicht um die gegen-ständlichen Verkehrswege, sondern um die Beförderungsmodigeht (…).

cc) Die Frage, ob der erforderliche zeitliche Zusammenhang mitdem Transport, auf den das Tatbestandsmerkmal »zeitlichbegrenzt« besonders hinweist, gewahrt ist, ist für den Regelfall ori-entiert an der »24-Stunden-Regel« zu beantworten, wie sie in § 3Abs. 4 GefStoffV i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.12.2004(BGBl. I S. 3758) normiert ist. Allerdings ist diese Regel nicht alsstarre Grenze zu begreifen; daneben sind die Verhältnisse des Ein-zelfalls in den Blick zu nehmen (…).

b) Dies zugrunde gelegt stellt sich bei der derzeitigen Gestaltungder Betriebsabläufe in der Anlage der Kl. das kurzzeitige Abstellendes Gefahrguts (auch) in den Gefahrgutabstellwannen als trans-portbedingte Zwischenlagerung dar. Der erforderliche räumliche,funktionale und zeitliche Zusammenhang des Zwischenlagernsmit der Beförderung ist zu bejahen (…). Auch wenn ein Aufenthaltüber einige Stunden hinaus erforderlich und Gefahrgut dazu inden separaten Gefahrgutabstellwannen abgestellt wird, die sichauf dem Gelände der Kl. in gewisser Entfernung zu den Gleisenbefinden, entfällt der Transportzusammenhang nicht. Für dieFunktion eines Umschlagterminals ist es erforderlich, dass einesichere Abstellfläche für Gefahrgut vorgesehen wird, das nichtdirekt umgeschlagen werden kann. Unter den Bedingungenmodernen, hier europaweiten Verkehrs können gelegentliche Ver-zögerungen aufgrund von Staus, Defekten, Streiks, Streckensper-rungen usw. nicht verlässlich ausgeschlossen werden; dergleichenentzieht sich weitgehend dem Einfluss des Betreibers einer Ver-kehrsanlage. Der Umstand, dass die Gefahrgutabstellwannen, diefür den über Stunden hinausgehenden Aufenthalt von Gefahrgutvorgesehen sind, nicht direkt an den Gleisen gelegen sind, son-dern hierfür ein gesondertes Areal vorgesehen ist, das in etwa 15 mEntfernung von den Gleisen beginnt, zerreißt den Zusammen-hang mit dem Transport nicht. Unter Umweltschutzgesichtspunk-ten ist es sinnvoll (und im Übrigen nach der Verordnung überAnlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und überFachbetriebe (VAwS) vom 20.3.2004, GV. NRW. 2004 S. 274 auchgeboten), besonders gegen den Austritt gefährlicher Stoffe gesi-cherte Bereiche vorzusehen, die hier zudem den Vorteil bieten,dass sie bei Leckagen und anderen Störfällen etwa für Feuerwehr-fahrzeuge von allen Seiten zugänglich sind (…).

Angesichts dessen ist nicht ausschlaggebend, ob der Betrieb derKl. … im Sinne des Eisenbahnrechts, des UVPG oder nach einerEntscheidung des BFH … als Eisenbahninfrastruktur bzw. Ver-

kehrsanlage oder ob er nach dem BImSchG als Verkehrsweg anzu-sehen wäre. Die immissionsschutz- und eisenbahnrechtlichenBegrifflichkeiten decken sich nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom20.5.1998 – 11 C 3.97 –, NVwZ 1999, 67 = Buchholz 406.25 § 41BImSchG Nr. 18; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.10.1999 – 5 S2575/98 –, NVwZ-RR 2000, 420 (421)), weshalb das Argument der»Einheit der Rechtsordnung« nicht weiterhilft. Keiner der Begriffe»Eisenbahninfrastruktur«, »Verkehrsanlage« oder »Verkehrsweg«findet in der Vorschrift des Art. 4 lit. c RL 96/82/EG Erwähnung.Die Beurteilung, dass ein funktionaler Zusammenhang des Zwi-schenaufenthalts von Gefahrgut in den Gefahrgutabstellwannenmit der Beförderung gegeben ist, stützt es allerdings, dass die Anla-ge der Kl. eisenbahnrechtlich insgesamt als Eisenbahninfrastruk-tur bzw. Betriebsanlage der Eisenbahn anzusehen ist. Insoweit istdas Kriterium der Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d.h. der Ver-kehrsfunktion und des räumlichen Zusammenhangs mit demEisenbahnbetrieb, maßgeblich. Wie bereits unter Geltung desBundesbahngesetzes wird dabei orientiert an § 4 Abs. 1 EBO vom8.5.1967 (BGBl. II S. 1563), zuletzt geändert durch Gesetz vom21.6.2002 (BGBl. I S. 2191, 2197), ein weiter Anlagenbegriffzugrunde gelegt, von dem Umschlagplätze für den Güterverkehrund auch Lagerplätze in Gleisnähe umfasst sein können, wenn sienotwendige Bestandteile des Eisenbahnbetriebes darstellen (vgl.BVerwG, Urteil vom 27.11.1996 – 11 A 2.96 –, BVerwGE 102, 269(274) = NVwZ 1997, 920 (921), m.w.N.; VGH Bad.-Württ.,Beschluss vom 10.12.2001 – 5 S 2274/01 –, NVwZ-RR 2002, 818,m.w.N.; Nds. OVG, Urteil vom 16.12.1992 – 7 L 3734/91 –, Gew-Arch 1993, 373; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.2.1975 – 2 A 83/74 –,juris; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht – Band I Bun-des-Immissionsschutzgesetz, Loseblatt, Stand: September 2004,§ 2 BImSchG Rn. 21, m.w.N.; Heldwein, BayVBl. 2000, 65 (66); Pät-zold/Wittenberg/Heinrichs/ Mittmann, Kommentar zur Eisen-bahn-Bau- und Betriebsordnung, 4. Auflage 2001, § 4 EBO Rn. 3;Wegener, DÖV 1996, 305 (308), m.w.N). Ob auch bei zeitlichbegrenzten Zwischenaufenthalten im Verlauf einer Beförderungein Gefahrenpotential entstehen kann, bei dem die Anwendungdes Störfallrechts als sinnvoll oder gar erforderlich anzusehenwäre, ist angesichts der Entscheidung des Verordnungsgebers, dieBeförderung von Gefahrgut und dessen zeitliche begrenzte Zwi-schenlagerung von der Geltung der StörfallVO ausdrücklich aus-zunehmen (vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer Band II,a.a.O., § 1 12. BImschV Rn. 5; Uth, Störfallverordnung, 3. Auflage2000, S. 37), nicht maßgeblich. Aus dem gleichen Grund kommtes auf die – auf den Begriff des Lagerns bezogene – Überlegungnicht an, eine solche liege aufgrund des identischen Gefährdungs-potentials schon dann vor, wenn in einem umgrenzten Bereichimmer wieder Stoffe in bestimmter Menge vorhanden seien, auchwenn die jeweiligen Gebinde stets wechselten (vgl. dazu OVGNRW, Beschluss vom 26.10.2000 – 21 B 1468/00 -, NWVBl. 2001,106 (108), für den Begriff des »Lagerns«). Klarstellend sei ange-merkt, dass die vorgenommene Bewertung des bei der Kl. vorkom-menden kurzzeitigen Abstellens der Güter bei Transportunterbre-chungen als zeitlich begrenzte Zwischenlagerung im Sinne von § 1Abs. 5 StörfallVO i.V.m. Art. 4 lit. c RL 96/82/EG entgegen derAnsicht der Kl. nicht zwingend bedeutet, dass der Tatbestand desLagerns im Sinne anderer Bestimmungen wie Nr. 9 des Anhangszur 4. BImschV nicht erfüllt ist (vgl. hierzu OVG NRW, Beschlussvom 26.10.2000 – 21 B 1468/00 –, a.a.O). Vielmehr ist nicht vonvornherein ausgeschlossen, dass ein zeitlich begrenztes Zwi-schenlagern dem Begriff des Lagerns unterfällt (vgl. etwa VGHBad.-Württ., Urteile vom 8.10.1992 – 10 S 289/92 –, UPR 1993,191, und vom 7.8.1984 – 10 S 2137/83 –, UPR 1985, 246 (247);Nds. OVG, Urteil vom 17.7.1985 – 7 OVG A 29/84 –, DÖV 1986,

532 | ZUR 11/2005

R E C H T S P R E C H U N G | OVG Münster, S tör fa l lVO be i der Zwischenlagerung von Transportgut

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 532

385 jeweils für Abfallentsorgungs- bzw. -beseitigungsanlagen), wieauch etwa § 2 Abs. 7 VAwS belegt.

c) Die Zwischenlagerung erfolgt vorliegend auch »außerhalb derunter diese Richtlinie fallenden Betriebe« im Sinne von Art. 4 lit. cRL 96/82/EG. Mit diesem Tatbestandsmerkmal sollen von der Aus-nahme des Art. 4 lit. c RL 96/82/EG wiederum die Fälle der inner-betrieblichen Beförderung gefährlicher Stoffe sowie Transportvor-bereitungs- und -abschlusstätigkeiten in einem im Übrigen derRichtlinie unterfallenden (Produktions- oder Lager-)Betrieb ausge-klammert werden, wie dies innerhalb weiträumiger Produktions-anlagen denkbar ist (in diesem Sinne auch § 1 Abs. 1 Nr. 1GGBefG). Einen solchen Betrieb stellt das Umschlagterminal derKl. nicht dar. Dort sind gefährliche Stoffe allein im Zusammen-hang mit dem Transport und Transportunterbrechungen vorhan-den. Dafür, dass das Containerterminal auch abgesehen davon derStörfallVO unterfiele, gibt es keine Anhaltspunkte (...).

2. Der Bekl. ist auch deshalb nicht berechtigt, der Kl. gegenüberMaßnahmen nach der StörfallVO zu ergreifen, weil er für solcheMaßnahmen aufgrund der in § 4 Abs. 2 AEG vom 27.12.1993(BGBl. I S. 2378, 2396, 1994 I S. 2439), zuletzt geändert durchGesetz vom 27.4.2005 (BGBl. I S. 1138), getroffenen Regelungnicht zuständig wäre. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AEG obliegen Baufrei-gaben, Abnahmen, Prüfungen, Zulassungen, Genehmigungenund Überwachungen für Errichtung, Änderung, Unterhaltungund Betrieb der Betriebsanlagen und für Schienenfahrzeuge vonEisenbahnen des Bundes aufgrund anderer Gesetze und Verord-nungen ausschließlich dem Eisenbahn-Bundesamt. Die Kl. ist eineEisenbahn im Sinne der Norm. Gemäß § 2 Abs. 1 AEG sind Eisen-bahnen – unter anderem – öffentliche Einrichtungen oder pri-vatrechtlich organisierte Unternehmen, die eine Eisenbahninfra-struktur betreiben. Gemäß § 2 Abs. 3 AEG umfasst die Eisenbah-ninfrastruktur die Betriebsanlagen der Eisenbahn einschließlichder Bahnstromfernleitungen. Die Kl. betreibt eine Eisenbahninfra-struktur in diesem Sinne (...). Die Kl. ist auch eine Eisenbahn desBundes (...). Unter diesen Umständen wäre gemäß § 4 Abs. 2 AEGdas Eisenbahn-Bundesamt für die Überwachung der Anlage der Kl.nach der StörfallVO zuständig. § 4 Abs. 2 AEG begründet eineumfassende Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für denVollzug anderer Gesetze und Verordnungen, soweit – wie hier mitder StörfallVO – Bundesrecht angewendet wird (…). Damit bleibtfür den Erlass von Anordnungen durch die Immissionsschutz-behörde kein Raum mehr (vgl. BT-Drs. 13/4386, S. 6; BR-Drs.907/95, S. 3; Führ, in: GK-BImSchG, a.a.O., § 2 Rn. 23 c, m.w.N.;Lechelt, in: GK-BImSchG, a.a.O., § 52 Rn. 46; Hansmann, in:Landmann/Rohmer Band I, a.a.O., § 52 Rn. 22; Wittenberg/Hein-richs/ Mittmann/Zwanziger, Kommentar zum Allgemeinen Eisen-bahngesetz, 2004, § 4 AEG Rn. 5).

Anmerkung zum Urteil des OVG Münster

Die Entscheidung des OVG Münster verdient besondere Beach-tung, da sie ein Rechtsgebiet beleuchtet, das gemeinhin eher eineSchattenexistenz führt. Es geht um die Schnittstelle zwischenGefahrgutbeförderung, Gefahrstoffrecht und (BImSchG-)Anla-genrecht. Das OVG hatte zu klären, ob die zeitweilige Zwischenla-gerung von gefährlichen Stoffen im Rahmen ihrer Beförderung zueiner Anwendung der StörfallVO führt oder ob bestimmte Aus-nahmetatbestände greifen, die dies verhindern. Trotz der enor-men Folgen für Gesundheit und Umwelt, die von gefährlichenStoffen ausgehen können, fehlt es hier an einer etwa mit anderenGebieten des Umweltrechts vergleichbaren Dynamik an Rezepti-on und Fortentwicklung der Regeln. Die gerichtliche Aufarbeitungist gering, Schrifttum eher selten. Das OVG Münster hat also etwas

Licht in ein Rechtsgebiet gebracht, das ansonsten schwer durch-schaubar ist. Dies ist das wichtigste Verdienst der Entscheidung.

Der Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde liegt, dürfte in seinerkonkreten Konstellation – wie immer – einmalig, seinen Struktu-ren nach aber häufig anzutreffen sein: Im Rahmen der Beförde-rung von Materialien mit gefährlichen Stoffen kommt es zu einerzeitweiligen Zwischenlagerung, etwa – wie vorliegend – beimUmladen des Materials im Rahmen der Beförderung mit der Bahn;denkbar aber auch etwa als zeitlich befristete Zwischenlagerungbei Transporten auf der Straße, dem Luft- oder Wasserweg. DieGründe für diesen »Zwischenakt« können vielfältig sein: Der wei-tere Transportweg ist noch nicht »frei«, sei es wegen Staus, techni-scher Probleme oder wetterbedingt. Möglich sind auch etwaArbeitskämpfe, die eine Fortführung des Transports behindern.Zwischenlager dienen dann der zwischenzeitlichen sicheren Auf-bewahrung des Gefahrguts. An dieser Stelle setzt die Problematikein: Denn es wirkt sich rechtlich unterschiedlich aus, ob man dieZwischenlagerung als Teilakt der Beförderung oder als eigenstän-digen Anlagenbetrieb sieht. Letztgenannten Standpunkt verfolgtedie immissionsschutzrechtliche Vollzugsbehörde mit der Folge,dass sie die Maßgaben der StörfallVO auf das Zwischenlager desBeförderungsunternehmens Bahn anwenden wollte. Das OVGMünster hat dieser Sichtweise einen Riegel vorgeschoben: Solangeund soweit die Zwischenlagerung transportbedingt und zeitlichbegrenzt sei, greift der Anwendungsausschluss der StörfallVOnach § 1 Abs. 5 StörfallVO i.V.m. Art. 4 lit. c) der Richtlinie96/82/EG (»Seveso-II-Richtlinie«).

Grundsätzlich liegt es auf der Hand, dass überall dort, wo mitgefährlichen Stoffen in Anlagen umgegangen wird, Gesundheitund Umwelt durch besonders restriktive Vorschriften zu schützensind. Auf europäischer Ebene soll dies die Richtlinie 96/82/EG zurBeherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährli-chen Stoffen vom 9.12.1996 (»Seveso-II-Richtlinie«)1 sichern. Sienimmt ausdrücklich auf die Unfälle von Bophal und Mexiko CityBezug, die zu verheerenden Schäden für Mensch und Umweltgeführt haben. Die Richtlinie wird im deutschen Recht durch die12. BImSchV (»StörfallVO«)2 umgesetzt.3 Sie regelt allgemeine undbesondere Sicherheitsanforderungen für bestimmte Betriebsberei-che und für bestimmte genehmigungsbedürftige Anlagen nachdem BImSchG, die ein gesteigertes Gefährdungspotential aufwei-sen.

4Der Begriff des »Betriebsbereichs« ist dabei neu in das deut-

sche Immissionsschutzrecht eingeführt worden (§ 3 Abs. 5a BIm-SchG), das ansonsten an den Anlagenbegriff anknüpft. Gemeintist damit der Bereich, der der Aufsicht eines Betreibers untersteht.Betriebsbereich und Anlage werden regelmäßig deckungsgleichsein, in Sonderfällen kann der Betriebsbereich eine Mehrzahl von(genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen)Anlagen umfassen.

Art. 4 lit c) der Richtlinie 96/82/EG nimmt allerdings die zeitlichbegrenzte Zwischenlagerung gefährlicher Stoffe im Rahmen ihrerBeförderung auf Straße, Schiene, Binnenwasserstraße, See- oderLuftweg von ihrem Anwendungsbereich aus. § 1 Abs. 5 StörfallVOnimmt diese Einschränkung auf. Für die Praxis stellt sich damit dieFrage, was unter »zeitlich begrenzt« und »im Rahmen der Beförde-rung« zu verstehen ist. Ohne eine konkrete Bestimmung dieserTatbestandsvoraussetzungen kann es nicht zu einer sinnvollenAbgrenzung der Fälle kommen, die – trotz des Umgangs mitgefährlichen Stoffen – nicht der Anwendung der StörfallVO unter-

ZUR 11/2005 | 533

Anmerkung Kopp-Assenmacher zum Urte i l des OVG Münster | R E C H T S P R E C H U N G

1 ABl. der EG 1997 Nr. L 10/13, geändert durch Art. 1 der RL 2003/105/EG vom16.12.2003, ABl. der EG Nr. L 345/97.

2 VO vom 26.4.2000, BGBl. I S. 603. 3 Siehe hierzu Müggenborg, Die neue Störfall-Verordnung, NVwZ 2000, 1096ff.4 Siehe hierzu ausführlich Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 14 Rn. 127 f.

m.w.N.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 533

liegen.5 Durch die Entscheidung des OVG Münster liegen nunpraxistaugliche Parameter für die Unterscheidung der verschiede-nen Fallkonstellationen vor. Sie stellen im Wesentlichen auf denfunktionalen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang derZwischenlagerung mit dem Transport ab. Entscheidend kommt esauf den »Transportbezug« der Zwischenlagerung an. Für die zeitli-che Begrenzung der Zwischenlagerung hat das OVG Münster die24-Stunden-Regel des § 3 Abs. 4 GefStoffV fruchtbar gemacht.6

Im Einzelnen wird demnach in ähnlich gelagerten Fällen zu prü-fen sein, ob die Zwischenlagerung lediglich eine Unterbrechungdes Beförderungsvorgangs darstellt (wie dies speziell das Gefahr-gutbeförderungsgesetz vorsieht, etwa um bei gefährlichen Güterndie Beförderungsart zu wechseln oder aus sonstigen transportbe-dingten Gründen (vgl. § 2 Abs. 2 GGBefG)), oder ob ein Transport-bezug der Zwischenlagerung fehlt, weil etwa der Transporteurselbst Versender oder Empfänger des Transportgutes ist, oder weildie erforderlichen Beförderungspapiere für den Bestimmungsortund die Anschlusstransportmittel nicht vorliegen. Für die Abgren-zung kommt es zudem darauf an, dass das Transportgut – abgese-hen von Notfällen – nicht geöffnet oder gar bearbeitet wird. DasOVG Münster hat dabei betont, dass freilich immer die Besonder-heiten des Einzelfalls zu berücksichtigen seien.

Nicht entscheidend ist dagegen, ob die Zwischenlagerung imgegenständlichen Sinn auf dem Transportweg selbst erfolgt: DasZwischenlager kann aus nachvollziehbaren Gründen, etwa wegenerforderlicher technischer Vorkehrungen, auch abseits des Trans-portweges liegen, soweit ein betrieblicher und räumlicher Zusam-menhang gegeben ist. Für den Luftweg als Transportweg verstehtsich diese Auslegung ohnehin von selbst.

Liegt nach diesen Kriterien ein funktionaler, räumlicher und zeit-licher Zusammenhang der Zwischenlagerung mit dem Transportvor, scheidet die Anwendung der StörfallVO aus. Dieses Ergebnismag aus umweltpolitischen Gründen Befremden hervorrufen, ent-spricht aber dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der beider Umsetzung der Richtlinie 96/82/EG eine klare Trennung zwi-schen dem Anwendungsbereich der Richtlinie und dem Recht derBeförderung gefährlicher Güter einschließlich transportbedingterZwischenaufenthalte erreichen wollte.7 Besser verständlich als inder Richtlinie hat es daher die Unabhängige Sachverständigenkom-mission zum Umweltgesetzbuch8 formuliert, wonach auch »zeit-weilige Aufenthalte im Verlauf der Beförderung« zur Beförderungvon gefährlichen Gütern zu rechnen sind (§ 703 Nr. 2 UGB-KomE).

Um Missverständnissen aber vorzubeugen: Der Anwendungs-ausschluss der StörfallVO bedeutet nicht, dass sonstiges Immissi-onsschutzrecht bzw. andere Vorschriften nicht (mehr) zum Tragenkämen. Im Gegenteil: Zu beachten sind insbesondere etwaigeGenehmigungserfordernisse für das Zwischenlager, wie sie sichbeispielsweise aus Nr. 9 des Anhangs der 4. BImSchVO ergebenkönnen. Zu beachten sind ferner etwa auch einschlägige Rechts-vorschriften zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. DieHerausnahme der transportbedingten Zwischenlagerung gefährli-cher Stoffe aus dem Störfallrecht entbindet somit keineswegs vonden ansonsten geltenden Anforderungen des Rechts zum Schutzvon Mensch und Umwelt.

Rechtsanwalt Stefan Kopp-Assenmacher, Berlin

Reichweite der Rüge- und Kontrollfähigkeit vonAbwägungsfehlern mittels Verbandsklage

BVerwG, Beschluss vom 1. April 2005 – 9 VR 7.05

Leitsätze der Redaktion:1. § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG schließt eine umfassende gericht-

liche Kontrolle der planerischen Abwägung gemäß § 17 Abs. 1Satz 2 FStrG aus. Die Vorschrift begrenzt die Kontrolle desfachplanerischen Abwägungsgebots auf die Beachtung derBelange des Naturschutzes und der Landschaftspflege.

2. Belange des Immissionsschutzes wie etwa Verletzungen vonVorschriften der 22. BImSchV sind nur insoweit rüge- undkontrollfähig, wie sie zumindest auch den Belangen desNaturschutzes zu dienen bestimmt sind.

Aus den Gründen:Der Antrag, mit dem der Antragsteller ein im Freistaat Sachsenanerkannter Naturschutzverein die Anordnung der aufschieben-den Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschlussdes Regierungspräsidiums Leipzig für das Vorhaben B 87 Jahnallee(von Zeppelinbrücke bis Elsterstraße und von Leibnizstraße bisRosentalgasse) begehrt, ist zulässig. Der angegriffene Planfeststel-lungsbeschluss betrifft ein Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2VerkPBG. (…) Als im Freistaat Sachsen anerkannter Naturschutz-verein ist der Antragsteller auch antragsbefugt (§ 61 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 i.V.m. § 69 Abs. 7 Satz 1, Abs. 5 Nr. 1 BNatSchG).

Der Antrag ist jedoch unbegründet. (...)Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand des Gerichts verstößt

der Planfeststellungsbeschluss gegen keine Rechtsvorschriften,deren Verletzung der Antragsteller als anerkannter Naturschutz-verein nach Maßgabe der den Umfang seines Klagerechtsbeschränkenden Vorschriften des § 61 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3BNatSchG mit der Folge einer Aufhebung des Planfeststellungsbe-schlusses oder der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrensgemäß § 17 Abs. 6 c Satz 2 FStrG geltend machen kann. Unter die-sen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von derim Gesetz (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG) vorgesehenen Regel dersofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses abzu-sehen.

(...)2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers verfügt das plan-

festgestellte Fernstraßenvorhaben über die erforderliche Plan-rechtfertigung. Dazu genügt es nach der ständigen Rechtspre-chung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Planung auf dieZielsetzung des Fernstraßengesetzes ausgerichtet und erforderlich,d.h. vernünftigerweise geboten ist (so z.B. BVerwG, Urteil vom 6.Dezember 1985 BVerwG 4 C 59.82 Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.62 S. 81). Davon ist hier auszugehen.

(...)Der Senat hat keine Zweifel, dass diese Maßnahmen erforderlich

sind, um die Leistungsfähigkeit der B 87 zu erhalten, nachdeminzwischen der über die Gustav-Adolf-Straße geführte landwärtigeVerkehr wieder über die Jahnallee geleitet wird und bereits jetztunstreitig von einer Verkehrsbelegung von 28 000 Kraftfahrzeu-gen/24 h in der inneren Jahnallee auszugehen ist. Das stellt auchder Antragsteller nicht in Frage. Nach seiner Ansicht fehlt es demVorhaben aber dennoch an der Planrechtfertigung, weil vorgese-hen ist, den Bundesstraßenverkehr etwa ab 2011 über den mittle-ren Ring und nicht mehr über die Jahnallee zu leiten. Das lässt diePlanrechtfertigung jedoch nicht entfallen. Wie das Bundesverwal-tungsgericht bereits entschieden hat, sind selbst im Anwendungs-bereich des Fernstraßenausbaugesetzes vorübergehende Verbesse-rungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen, obwohl absehbar ist,dass sie durch bereits geplante weitere Ausbaumaßnahmen ent-

534 | ZUR 11/2005

R E C H T S P R E C H U N G | BVerwG, Rüge- und Kontro l l fäh igke i t von Abwägungsfeh lern mit te l s Verbandsk lage

5 Siehe hierzu auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: März2002, § 1 12. BImSchV Rn. 8.

6 Vgl. hierzu auch Hansmann, a.a.O.; Wietfeldt/Neuser, in: Feldhaus, Bundesim-missionsschutzrecht, Stand: März 2005, § 1 12. BImSchV Rn. 20.

7 Vgl. BT-Drs. 13/11118, S. 7.8 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.), Umwelt-

gesetzbuch (UGB-KomE), Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkom-mission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit, 1998.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 534

behrlich werden können (Beschluss vom 15. Mai 2001 Buchholz407.0 Allgemeines Straßenrecht Nr. 24). Dasselbe gilt für Ausbau-planungen außerhalb dieses Anwendungsbereichs. Denn derStraßenbaulastträger muss auch hier in der Lage sein, Verkehrssi-cherheit und Verkehrsfluss durch die erforderlichen Maßnahmenzu garantieren. Es kann offen bleiben, welche Anforderungen andie Planrechtfertigung vorübergehender Maßnahmen im Einzel-nen zu stellen sind. Denn das Vorhaben der Beigeladenen erfülltnicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft die Anforderungenan die Planrechtfertigung. Auch nach Herausnahme des Bundes-straßenverkehrs ist in der Jahnallee von einem durchschnittlichenwerktäglichen Verkehr von 23 500 bis 33.340 Kraftfahrzeugen/24h (Prognose 2015) auszugehen, der nach den Empfehlungen fürdie Anlage von Hauptverkehrsstraßen (EAHV 93) eine vierspurigeVerkehrsführung jedenfalls rechtfertigt, zumal der Antragstellereher höhere Verkehrszahlen für wahrscheinlich hält. Auf seineBedenken im Hinblick auf die Erforderlichkeit des Ausbaus geradefür die Fußballweltmeisterschaft 2006 kommt es nicht an, weil sol-che Überlegungen zwar den Zeitplan der Beigeladenen für die Fer-tigstellung des Vorhabens bestimmen mögen, jedoch im Planfest-stellungsbeschluss nicht zur Planrechtfertigung herangezogenwerden.(...)

Es kommt danach nicht darauf an, dass der Antragsteller alsanerkannter Naturschutzverein nach der Rechtsprechung des 4.Senats des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nicht befugtist, das Fehlen der Planrechtfertigung zu rügen (vgl. Beschluss vom1. Juli 2003 BVerwG 4 VR 1.03 Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG2002 Nr. 3 S. 22).

3. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an Abwägungs-mängeln, die von dem Antragsteller gemäß § 61 Abs. 2 Nr. 1, § 61Abs. 3 BNatSchG gerügt werden könnten.

§ 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG schließt eine umfassende gerichtli-che Kontrolle der planerischen Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2FStrG aus. Die Vorschrift begrenzt die Kontrolle des fachplaneri-schen Abwägungsgebots auf die Beachtung der Belange des Natur-schutzes und der Landschaftspflege. Soweit die Ermittlung, Bewer-tung und Abwägung dieser Belange nicht betroffen ist, kann derVerein Abwägungsmängel im Rahmen seines nach § 61 Abs. 1BNatSchG eröffneten Klagerechts nicht geltend machen (vgl.BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998 BVerwG 4 A 9.97 BVerwGE 107,1 ). Darüber hinaus ist die gerichtliche Kontrolle des Abwägungs-gebots auf solche Einwendungen beschränkt, mit denen der Ver-ein nicht nach § 61 Abs. 3 BNatSchG präkludiert ist. Auf dieserGrundlage greifen die vom Antragsteller geltend gemachtenRügen voraussichtlich nicht durch.

a) Fehl geht zunächst der Einwand des Antragstellers, die Gustav-Adolf-Straße sowie die innere Jahnallee hätten nicht aus dem Plan-feststellungsbeschluss des Beklagten ausgeklammert werden dür-fen. Auf der Grundlage des Vortrags des Antragstellers ist schonnicht erkennbar, welchen Bezug diese Ausklammerung zu denBelangen von Naturschutz und Landschaftspflege haben sollte.Unabhängig davon gibt die Abwägung insoweit keinen Anlass zuBeanstandungen. Allerdings darf eine Bildung von Teilabschnitteneines planerischen Gesamtkonzepts nur unter Beachtung desAbwägungsgebots erfolgen (grundlegend BVerwG, Beschluss vom26. Juni 1992 BVerwG 4 B 1 bis 11.92 Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.89 S. 89 f.). Das Abwägungsgebot verlangt aber nicht, selbständigeund bereits realisierte Maßnahmen nachträglich wieder in Frage zustellen. Deswegen bedurfte es der förmlichen Einbeziehung derGustav-Adolf-Straße von vornherein nicht.

Im Hinblick auf die innere Jahnallee kann von (unzulässiger)»Abschnittsbildung« schon deswegen nicht die Rede sein, weil diedort vorgesehenen Maßnahmen nicht planfeststellungsbedürftigsind. Durch sie wird die B 87 in diesem Bereich nicht im Sinne von

§ 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG »geändert«. Davon ist nur bei Änderungendes Grund- oder Aufrisses der Straße (vgl. Kodal/Krämer, Straßen-recht, 6. Aufl., Kap. 34, Rn. 7.32), nicht jedoch schon dann auszu-gehen, wenn wie hier eine Lichtsignalanlage aufgestellt wird, Hal-testellen ohne bauliche Änderung entfallen oder bloße Änderun-gen der Verkehrsführung im vorhandenen Straßenraumdurchgeführt werden. Etwas anderes könnte nur für die vomAntragsteller genannte Verlegung von Gleisanlagen gelten. Sie istjedoch nicht in der inneren Jahnallee vorgesehen, sondern, wieder Antragsteller selbst darlegt, am Waldplatz und mithin inner-halb des ohnehin planfestgestellten Bereichs.

Die »Ausklammerung« der inneren Jahnallee aus dem Planfest-stellungsbeschluss erweist sich auch nicht deswegen als abwä-gungsfehlerhaft, weil in diesem Bereich Hindernisse für dieAbwicklung des prognostizierten Verkehrs in der Jahnallee zuerwarten wären, die nur durch planfeststellungsbedürftige Aus-baumaßnahmen beseitigt werden könnten. Die Planfeststellungs-behörde ist davon ausgegangen, dass die innere Jahnallee schonaufgrund nicht planfeststellungsbedürftiger Maßnahmen hinrei-chend leistungsfähig sein wird, um den zukünftig zu erwartendenVerkehr aufzunehmen. Das erscheint dem Senat im Hinblick aufdie dort geplante »dynamische Verkehrsführung«, die Beseitigungder Haltestellen und die bereits jetzt nach Rückführung des land-wärtigen Verkehrs auf die Jahnallee bestehende hohe Verkehrsbe-legung überzeugend und wird auch vom Antragsteller nicht in Fra-ge gestellt.

b) Auch die Angriffe des Antragstellers gegen die Variantenaus-wahl greifen voraussichtlich nicht durch.

Im Hinblick auf die von der Planfeststellungsbehörde abgelehn-te Variante 1 folgt dies bereits daraus, dass der Antragsteller wegenseines nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG beschränkten Klagerechtsdie Variantenauswahl nur insoweit angreifen kann, als sie sich aufdie Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege auswir-ken kann. Das ist jedoch nicht der Fall. Die ebenfalls vierspurigeVariante 1 dient vielmehr im Wesentlichen dem Erhalt des denk-malgeschützten Gebäudes Jahnallee 25 (»Kleine Funkenburg«),der durch eine Verschwenkung der Jahnallee und eine an diebeengten Verhältnisse angepasste Gestaltung der Haltestelleerreicht wird. Dass sich hierdurch Unterschiede zwischen der Vari-ante 1 und der planfestgestellten Vorzugsvariante im Hinblick aufdie Belange von Naturschutz und Landschaftspflege ergebenkönnten, ist nicht erkennbar. Der vom Antragsteller hervorgeho-bene Erhalt des Hauses Jahnallee 25 im Falle der Realisierung derVariante 1 betrifft den Belang der Denkmalpflege und ist von sei-nem Klagerecht jedenfalls nicht umfasst. Dem weiteren Vorbrin-gen des Antragstellers zur Variante 1 lässt sich ein Bezug zu denBelangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege allenfallsim Hinblick auf die vorhabenbedingte Teilabdeckung des Elster-mühlgrabens entnehmen. Insoweit führt der Antragsteller abergerade aus, dass diese Auswirkung dieselbe sei wie bei Realisierungder planfestgestellten Straßenführung. Ob und welche Auswirkun-gen sich für die Belange des Naturschutzes und der Landschafts-pflege durch diese Teilabdeckung konkret ergeben, hat der Antrag-steller ohnehin nicht dargelegt.

Ob es dem Antragsteller aus demselben Grund auch verwehrtist, die Variantenauswahl im Hinblick auf die Variante 2 zu rügen,lässt der Senat dahingestellt. Denn die Variantenauswahl durchdie Planfeststellungsbehörde erweist sich insoweit aller Voraus-sicht nach nicht als abwägungsfehlerhaft. Nach gefestigter Recht-sprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grenzen derbei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten beste-henden planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten,wenn sich eine andere als die von der Behörde gewählte Linien-führung hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom

ZUR 11/2005 | 535

BVerwG, Rüge- und Kontro l l fäh igke i t von Abwägungsfeh lern mit te l s Verbandsk lage | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 535

9. Juni 2004 Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41).Das ist aber jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Trassenvari-ante von vornherein nicht geeignet ist, die mit der Planung ver-folgten Ziele zu erreichen. Davon ist die Planfeststellungsbehördehier ausgegangen, weil die Variante 2 den prognostizierten Ver-kehr von 23 500 Kraftfahrzeugen/24 h in der inneren Jahnallee(Prognose 2015) nicht aufnehmen könne und somit dort und imBereich der umschließenden Netzknoten zu inakzeptablen Ver-kehrsverhältnissen führen müsse. Diese Annahme ist im Hinblickauf die bereits erwähnten Vorgaben der Empfehlungen für dieAnlage von Hauptverkehrsstraßen (EAHV 93) und die bei der Vari-ante 2 gegebenen besonderen Hindernisse, die der ungehindertenAbwicklung des Verkehrs auf je einer Fahrspur entgegenstehen(gemeinsame Nutzung der Fahrspur durch Individual- und starkenStraßenbahnverkehr einschließlich Haltestellen; ein- und auspar-kende Fahrzeuge wegen der vorgesehenen und vom Antragstellergeforderten Parkbuchten), nicht zu beanstanden. Mit etwaigenVorteilen dieser Alternative musste sich die Planfeststellungs-behörde unter diesen Voraussetzungen nicht auseinander setzen.

c) Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch im Übrigen voraus-sichtlich nicht an durchgreifenden Abwägungsmängeln, die dieEinbeziehung und angemessene Berücksichtigung der Belangevon Naturschutz und Landschaftspflege betreffen.

Der Antragsteller hält den Planfeststellungsbeschluss für abwä-gungsfehlerhaft, weil er die Belange des Immissionsschutzes imHinblick auf Luftschadstoffe unberücksichtigt lasse und gegenzwingende Vorschriften des Immissionsschutzes verstoße. DieserVortrag lässt schon einen Bezug zu den Belangen von Naturschutzund Landschaftspflege nicht erkennen. Zwar ist davon auszuge-hen, dass die 22. BImSchV, auf die sich der Antragsteller stützt,zumindest auch den Belangen des Naturschutzes im Sinne von§ 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG zu dienen bestimmt ist. Das gilt aber,wie etwa die dortige Unterscheidung zwischen Regelungen zumSchutz der menschlichen Gesundheit, zum Schutz von Ökosyste-men und zum Schutz der Vegetation zeigt, nur für einen Teil derVorschriften der 22. BImSchV. Nur insoweit kann das Klagerechtnach § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG eröffnet sein. Abgesehen davon,dass der Antragsteller seinen Vortrag insoweit nicht substantiiert,legt er jedenfalls nicht dar, in welcher Weise Belange des Natur-schutzes und der Landschaftspflege durch zu erwartende Schad-stoffimmissionen gerade im Bereich der inneren Jahnallee, in demGrenzwertüberschreitungen zu erwarten sind, konkret betroffensein können.

Die Rüge mangelnder Berücksichtigung der Schadstoffproblema-tik im Planfeststellungsbeschluss greift jedenfalls nicht durch. Dasplanungsrechtliche Abwägungsgebot verlangt, dass der Planfest-stellungsbeschluss die durch die Planungsentscheidung geschaffe-nen oder ihr sonst zurechenbaren Konflikte hinreichend zu bewäl-tigen hat (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004 Buchholz 406.25 § 48aBImSchG Nr. 1 S. 6 m.w.N.). Die Planfeststellungsbehörde hattedeswegen nicht nur die zukünftige Schadstoffsituation in den plan-festgestellten Abschnitten der Jahnallee, sondern auch in der inne-ren Jahnallee in ihre Abwägung einzustellen, auch wenn dieserBereich wie dargelegt mangels planfeststellungsbedürftiger Maß-nahmen nicht in die vom Planfeststellungsbeschluss förmlicherfassten Abschnitte der Jahnallee einzubeziehen war. Das hat derAntragsgegner erkannt. Er hat im Planfeststellungsbeschluss aus-führlich die Schadstoffsituation im gesamten Abschnitt zwischenZeppelinbrücke und Rosentalgasse unter Einschluss der innerenJahnallee auf der Grundlage des ebenfalls den gesamten Bereichbetreffenden, von der Beigeladenen im Planfeststellungsverfahrenvorgelegten lufthygienischen Gutachtens behandelt. Insofern trifftder Vorwurf des Antragstellers, der Antragsgegner habe die innereJahnallee »ausgeklammert«, nicht zu.

Die Planfeststellungsbehörde hat die Schadstoffproblematikauch hinreichend bewältigt. Zwar hat sie trotz prognostizierterGrenzwertüberschreitungen im Bereich der inneren Jahnallee kei-nen Anlass zur Anordnung von Schutzauflagen gesehen. Ob diesallein mit der Überlegung gerechtfertigt werden kann, die beste-hende Vorbelastung in diesem Abschnitt mit Luftschadstoffenwerde durch das Vorhaben nicht erhöht, lässt der Senat offen.Denn die weitere im Planfeststellungsbeschluss enthaltene selbst-ändige Erwägung, die Einhaltung der Grenzwerte der 22. BImSchVkönne im vorliegenden Fall dem in dieser Verordnung vorgesehe-nen Verfahren der Luftreinhaltung und der hierfür zuständigenBehörde überlassen werden, ist nicht zu beanstanden, denn siesteht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. In seinemUrteil vom 26. Mai 2004 (BVerwG 9 A 6.03 a.a.O.) hat er ausge-führt, dass die Einhaltung der Grenzwerte der 22. BImSchV keineRechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung einesStraßenbauvorhabens darstellt. Das schließe zwar das Erforderniseiner Bewältigung der durch das Vorhaben bewirkten Luftschad-stoffprobleme nicht von vornherein aus. Dem Grundsatz der Pro-blembewältigung werde jedoch in der Regel dadurch hinreichendRechnung getragen, dass die Planfeststellungsbehörde die Einhal-tung der Grenzwerte dem Verfahren der Luftreinhalteplanungund der hierfür zuständigen Behörde überlasse. Diese Verfahrens-weise werde dem Grundsatz der Problembewältigung nur dannnicht mehr gerecht, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorha-ben zulasse, obgleich absehbar sei, dass seine Verwirklichung dieMöglichkeit ausschließe, die Einhaltung der Grenzwerte mit denMitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion desVorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern. Dass hier voneinem solchen Ausnahmefall auszugehen ist, für dessen Annahmenach der genannten Rechtsprechung des Senats besondereUmstände vorliegen müssen, ist nicht zu erkennen. Zwar handeltes sich in der inneren Jahnallee um eine wegen der engen Randbe-bauung zweifellos schwierige, aber nicht ungewöhnliche Schad-stoffsituation im städtischen Bereich. Der Senat hat in seiner Ent-scheidung vom 26. Mai 2004 bereits hervorgehoben, dass sichgerade in Fällen des Ausbaus von Bestandsstraßen in bereits starkmit Luftschadstoffen belasteten Gebieten das Verfahren der Luftr-einhalteplanung als Problembewältigung besonders anbiete, weildafür ein breites Spektrum vorhabenunabhängiger Maßnahmenzur Verfügung stehe, mit deren Hilfe Schadstoffbelastungen nichtnur reduziert, sondern auch kompensiert werden könnten. Aufder Grundlage des bereits erwähnten lufthygienischen Gutach-tens, das gerade auf diese Möglichkeiten der Luftreinhalteplanunghinweist, mussten sich für die Planfeststellungsbehörde keineAnhaltspunkte ergeben, dass diese Instrumentarien nicht ausrei-chend sein könnten, zumal durch das planfestgestellte Vorhabenkeine Verschlechterung der ohnehin in der Jahnallee bereits beste-henden bzw. ohne Realisierung des Vorhabens zu erwartendenSchadstoffsituation eintritt. Soweit die Planfeststellungsbehördeeine Reduktion des Schwerlastverkehrsanteils im Wege einer Ver-kehrsbeschränkung nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2 BIm-SchG als mögliche Maßnahme im Rahmen der Luftreinhaltungbenennt, stellt sie damit entgegen der Auffassung des Antragstel-lers nicht die Verkehrsfunktion des Vorhabens in Frage. Denn diePlanunterlagen ergeben keinen Hinweis darauf, dass von einerbesonderen Bedeutung der Jahnallee für den Schwerlastverkehrauszugehen wäre. Das liegt bei einer innerstädtischen Lage auchnicht nahe. Im Übrigen stellen Verkehrsbeschränkungen dergenannten Art, auch soweit sie nicht nur den Schwerlastverkehrbetreffen, ein vom Gesetzgeber gerade für den Zweck einer effekti-ven Luftreinhalteplanung vorgesehenes, in Umfang und zeitlicherHinsicht flexibles Instrumentarium dar, mit dem insbesonderegrenzwertüberschreitenden Spitzenbelastungen gezielt entgegen-

536 | ZUR 11/2005

R E C H T S P R E C H U N G | BVerwG, Rüge- und Kontro l l fäh igke i t von Abwägungsfeh lern mit te l s Verbandsk lage

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 536

gewirkt werden kann, ohne hierdurch sogleich die Verkehrsfunkti-on einer Straße grundsätzlich und dauerhaft in Frage zu stellen.

Soweit der Antragsteller im verwaltungsgerichtlichen VerfahrenEinwendungen gegen die im lufthygienischen Gutachten enthal-tenen tatsächlichen Feststellungen erhoben hat, ist nicht erkenn-bar, dass der vom Antragsgegner gewählte Weg der Problembewäl-tigung hierdurch in Frage gestellt wird. Zwar macht der Antragstel-ler insbesondere geltend, Grenzwerte der 22. BImSchV seien zumTeil stärker überschritten als im Gutachten angenommen und eshätten auch weitere Schadstoffe untersucht werden müssen. DieMöglichkeit, die Einhaltung der Werte im Wege der Luftreinhal-tung zu erreichen, stellt er jedoch nicht schlüssig in Frage, weil erdas Instrument einer Reduzierung des Individualverkehrs und ins-besondere des Schwerlastverkehrs von vornherein als mit derFunktion des Vorhabens unvereinbar ausschließt. Das ist aber wiedargelegt unzutreffend.4. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt auch nicht derart gegendie naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, dass dem Antrag aufGewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben wäre.

Der Antragsteller macht geltend, der Planfeststellungsbeschlussentspreche, soweit er die Rodung von 117 Alleebäumen in der(äußeren) Jahnallee vorsehe, nicht den Anforderungen des § 9SächsNatSchG. Der Antragsgegner meint demgegenüber, dieseVorschrift sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Maß-nahme nur dann als Eingriff in Natur und Landschaft anzusehenwäre, wenn es sich gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 11 SächsNatSchG umlandschaftsprägende Bäume handelte. Wegen der innerörtlichenLage sei das aber nicht der Fall.

Der Senat lässt offen, ob dieser Auffassung zu folgen ist. Dennauch wenn § 9 SächsNatSchG anzuwenden gewesen wäre, könntedies im Hauptsacheverfahren lediglich zu einem Planergänzungsan-spruch des Antragstellers führen, der die hier begehrte Anordnungder aufschiebenden Wirkung aber nicht begründen könnte. Das giltunabhängig davon, ob der Antragsteller im Hinblick auf seine ledig-lich Baumgruppen in den Haltestellenbereichen Waldplatz undSportforum betreffende Einwendung in seiner Stellungnahme vom19. Mai 2004 mit seinem nunmehr die gesamte Rodungsmaßnah-me umfassenden Vortrag teilweise präkludiert ist. (…)

Anwendung der Chemikalienverbotsverordnung aufAbfallverwertung

OVG Lüneburg, Urteil vom 21.04.2005 – 7 LC 41/03

Leitsätze:1. Eine Abfallverwertung erfolgt nicht ordnungsgemäß im Sinne

des § 5 Abs. 3 S. 1 und 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallge-setzes – KrW-/AbfG –, wenn sie gegen das Verkehrsverbot des§ 1 der Chemikalien-Verbotsverordnung – ChemVerbotsV –verstößt.

2. Die in der ab 1. März 2003 am 21. April 2005 geltenden Fas-sung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV enthaltene Ausnahmevom Verkehrsverbot für Stoffe, Zubereitungen oder Erzeug-nisse, die »zur gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung« inden Verkehr gebracht werden, umfasst – vorbehaltlich abwei-chender Bestimmung in Spalte 3 des Anhangs zu § 1 – keineStoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse, die zum Zwecke derAbfallverwertung in den Verkehr gebracht werden.

Sachverhalt:Der Kläger betreibt ein ordnungsgemäß zugelassenes Entsorgungs-unternehmen. Er hat in der Vergangenheit asbesthaltige Abfälle andie X-GmbH zum Einbau in den ehemaligen Braunkohletagebau»Y« in Sachsen geliefert und beabsichtigt das auch weiterhin. Der

Einbau von Abfällen aus der Herstellung von Asbestzement warvon dem Bergamt Borna mit Bescheid vom 10. Mai 2000 als Neben-bestimmung Nr. 18a der 23. Ergänzung »Wiedernutzbarmachungder AFB-Kippe (Südteil)« zum Abschlussbetriebsplan »TagebauDelitzsch-SW/Breitenfeld« als Einsatz »zur Verwertung« zugelassenworden. Mit Bescheid vom 8. November 2001 untersagte derBeklagte dem Kläger mit sofortiger Wirkung, bergbaulichen Betrie-ben asbesthaltige Abfälle zur Verwertung im Tagebau zuzuführen.Ebenso wie bei Abfällen aus privaten Haushaltungen, diegrundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuüberlassen seien, gelte auch für Abfälle aus anderen Herkunftsberei-chen eine Überlassungspflicht, sofern sie nicht verwertet würden.Die Einbringung asbesthaltiger Abfälle in einen bergbaulichenTagebau stelle aber keine stoffliche Verwertung dar, weil bei diesemVorgang ausschließlich das Volumen der asbesthaltigen Abfällegenutzt werde und die Beseitigung des Schadstoffpotentials alsHauptzweck der Maßnahme im Vordergrund stehe. Auch stündender Verbringung derartiger Abfälle die Vorschriften der Gefahrstoff-verordnung sowie der Chemikalienverbotsverordnung entgegen.

Aus den Gründen:Die zulässige Berufung hat Erfolg, denn die Klage ist unbegründet.(…) Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 21 Abs. 1des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherungder umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (KrW-/AbfG)vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2704). Danach kann diezuständige Behörde die im Einzelfall erforderlichen Anordnungenzur Durchführung des KrW-/AbfG treffen. (…) Die auf § 21 Abs. 1KrW-/AbfG gestützte Anordnung ist zur Durchführung des Geset-zes erforderlich, weil die Beklagte durch das Einbringen der asbest-haltigen Abfälle im Tagebau Delitzsch-Südwest gegen die Andie-nungspflicht des § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG verstößt. Nach dieserBestimmung besteht auch für Erzeuger und Besitzer von »Abfällenzur Beseitigung« aus anderen Herkunftsbereichen als den in § 13Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG geregelten privaten Haushaltungen einePflicht zur Überlassung der Abfälle an die öffentlich-rechtlichenEntsorgungsträger, soweit sie die Abfälle nicht in eigenen Anlagenbeseitigen oder überwiegende öffentliche Interessen eine Überlas-sung erfordern.

Die streitbefangenen asbesthaltigen Abfälle sind Abfälle zurBeseitigung im Sinne dieser Vorschrift und unterfallen daher derAndienungspflicht des § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG.

Die begriffliche Abgrenzung zwischen Abfällen zur Beseitigungund Abfällen zur Verwertung ist nach Maßgabe der §§ 3 Abs. 1, 4Abs. 3 KrW-/AbfG vorzunehmen. Ob vorliegend insbesondere diefür die Annahme einer stofflichen Verwertung entscheidendenVoraussetzungen des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG erfüllt sind, kanndahingestellt bleiben (dazu I.). Denn selbst wenn der Einbau derasbesthaltigen Abfälle nach den konkreten Umständen im Grund-satz als stoffliche Verwertung angesehen werden könnte, kanndiese Verwertung aus Rechtsgründen nicht »ordnungsgemäß«erfolgen, wie es § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG verlangt (dazu II). Ist abereine ordnungsgemäße Verwertung aus Rechtsgründen ausge-schlossen, müssen die betroffenen Stoffe als »Abfälle zur Beseiti-gung« entsorgt werden (dazu III).

I. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Einbau der asbest-haltigen Abfälle im Tagebau Delitzsch-Südwest die in § 4 Abs. 3KrW-/AbfG aufgestellten Kriterien für eine stoffliche Verwertungs-maßnahme erfüllt. (…)

II. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon aus-geht, dass die tatsächlichen Umstände der Verfüllung des Tage-baus Delitzsch-Südwest mit asbesthaltigen Abfällen den Kriterienentspricht, die § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG für eine Qualifizierung alsstoffliche Verwertung aufstellt, verstieße eine solche Verwertung

ZUR 11/2005 | 537

OVG Lüneburg, Anwendung der Chemika l ienverbotsV auf Abfa l lverwertung | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 537

538 | ZUR 11/2005

R E C H T S P R E C H U N G | OVG Lüneburg, Anwendung der Chemika l ienverbotsV auf Abfa l lverwertung

gegen das Gebot des § 5 Abs 3 KrW-/AbfG. Danach hat die Verwer-tung von Abfällen, insbesondere durch ihre Einbindung in Erzeug-nisse, ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen.

1. Von der Schadlosigkeit des hier fraglichen Entsorgungsvor-gangs ist auszugehen. Gemäß § 5 Abs. 3 S. 3 KrW-/AbfG ist eineSchadlosigkeit anzunehmen, wenn nach der Beschaffenheit derAbfälle, dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Ver-wertung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nichtzu erwarten sind, insbesondere keine Schadstoffanreicherung imWertstoffkreislauf erfolgt. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfallgegeben sind, ist in Fällen des Einsatzes von Abfällen zur Gestal-tung einer Bergbaufolgelandschaft eines ehemaligen Tagebau-geländes im Rahmen des bergrechtlichen Betriebsplanzulassungs-verfahrens und ggf. weiterer Bewilligungsverfahren zu prüfen(BVerwG, Urt. v. 26.05.1994 – 7 C 14.93 –, BVerwGE 96, 80 <86>;Nds.OVG, Beschl. v. 14.07.2000 – 7 M 2005/99 –, NVwZ-RR 2001,19 <20>). Die bergrechtliche Betriebsplanzulassung ist nach ihremVerfahren und den materiellen Zulassungsvoraussetzungen soausgestaltet, dass mögliche Gefährdungen der menschlichenGesundheit, der Umwelt und anderer rechtlich geschützter öffent-licher und privater Belange verhindert werden müssen (vgl. § 1 Nr.3, § 48 Abs. 2, §§ 50 ff. BBergG). Die Schadlosigkeit ist daher vorlie-gend bereits im Rahmen der Zulassung des bergrechtlichenAbschlussbetriebsplans und der darauf bezogenen Ergänzungenzu prüfen. Insbesondere die zahlreichen Nebenbestimmungen imBescheid des Bergamts Borna über die Zulassung der 23. Ergän-zung zum Abschlussbetriebsplan vom 10. Mai 2000 lassen erken-nen, dass diese Prüfung durchgeführt worden ist. So werden etwain der Nebenbestimmung Nr. 16a die Einhaltung bestimmter Qua-litätsanforderungen und Vorsorgewerte für die Herstellung derdurchwurzelten Bodenschicht verlangt und in Nr.16b genaubestimmte Schadstoffgrenzwerte für den Erdkörper unterhalb derdurchwurzelten Bodenschicht festgelegt. Speziell für die Verwen-dung von Asbestmaterialien wird in der Nebenbestimmung Nr. 20zudem die Einhaltung der vom Ausschuss für Gefahrstoffe aufge-stellten »Technischen Regeln für Gefahrstoffe – Asbest: Abbruch,Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten« (TRGS 519, bekannt-gegeben im BArbBl. 9/2001 S. 64 ff.) vorgeschrieben, die diverseAnforderungen, z.B. eine maximal zulässige Einbautiefe von min-destens einem Meter über den höchsten zu erwartenden Grund-wasserspiegel, beinhalten. Angesichts dieser Maßgaben und derTatbestandswirkung der bestandskräftigen Betriebsplanzulassunghat der Senat keinen Anlass zu Zweifeln, dass der Einsatz derasbesthaltigen Abfälle im Tagebau Delitzsch-Südwest »schadlos«erfolgen kann.

2. Die geplante Verwendung der asbesthaltigen Abfälle im Rah-men der Wiedernutzbarmachung des ehemaligen Tagebaugelän-des ist aber keine »ordnungsgemäße« Verwertung im Sinne des § 5Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG. Gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG erfolgteine Verwertung ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit denVorschriften des KrW-/AbfG und anderen öffentlich-rechtlichenVorschriften steht. Durch diese umfassende Rechtmäßigkeitsan-forderung, die es ermöglicht, die Einhaltung anderweitiger, nichtabfallrechtlicher Rechtsvorschriften im abfallrechtlichen Überwa-chungsverhältnis zu prüfen, soll gewährleistet werden, dass derEinsatz von Abfällen zur Verwertung im Wirtschaftskreislaufgegenüber dem Einsatz von Primärrohstoffen weder bevorzugtnoch benachteiligt wird (Begründung des Regierungsentwurfszum KrW-/AbfG, BT-Dr. 12/5672, S. 42). Zu den »anderen öffent-lich-rechtlichen Vorschriften« im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG gehört auch die Verordnung über Verbote und Beschrän-kungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungenund Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Ver-botsverordnung – ChemVerbotsV).

Der hier fragliche Einsatz der asbesthaltigen Abfälle verstößtgegen das Verkehrsverbot des § 1 ChemVerbotsV (dazu c.). Diedavon abweichende Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwal-tungsentscheidung (dazu a.) ist für die vom Senat zu treffende Ent-scheidung nicht maßgeblich (dazu b.).

a) Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, am 25.Januar 2002, galt die ChemVerbotsV in der Fassung der Bekannt-machung vom 19. Juli 1996 (BGBl. I S. 1151), seinerzeit zuletztgeändert durch Verordnung vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 747).Nach Maßgabe dieser Rechtslage unterfiel eine Verwertung vonAbfällen nicht dem Verkehrsverbot des § 1 Abs. 1 ChemVerbotsV.

Gemäß § 1 der ChemVerbotsV durften bestimmte Stoffe, die ineinem Anhang aufgelistet sind, nicht in den Verkehr gebracht, alsoinsbesondere nicht frei an Dritte in den Wirtschaftskreislauf gege-ben werden (vgl. die Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 9 ChemG).Gemäß Abschnitt 2 Spalten 1 und 2 des Anhangs zu § 1 unterfielauch Asbest diesem Verkehrsverbot. § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsVenthielt aber eine Ausnahme für Stoffe, Zubereitungen oder Erzeug-nisse, die »zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung in den Verkehrgebracht werden, sofern in Spalte 3 des Anhangs nicht etwas ande-res bestimmt ist«. Weil der durch Änderungsverordnung vom 22.Dezember 1998 (BGBl. I S. 3956) in Abs. 5 der Spalte 3 eingefügteSonderfall einer Verwendung von asbesthaltigen Materialien imUntertagebau in der vorliegenden Konstellation nicht einschlägigist, richtete sich die Anwendbarkeit des Verkehrsverbots im Zeit-punkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides allein danach, obdie Ausnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV für das Inverkehr-bringen von Stoffen »zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung«auch Maßnahmen der Abfallverwertung umfasste. Die Beantwor-tung dieser Frage war in Rechtsprechung und Literatur umstritten:Nach einer Auffassung, der sich auch der Kläger angeschlossen hat,muss der Begriff der »Abfallentsorgung« im Sinne der Definition des§ 3 Abs. 7 KrW-/AbfG verstanden werden, weshalb auch Vorgänge,die einer Verwertung der asbesthaltigen Abfälle dienen, vom Ver-kehrsverbot auszunehmen seien (Hess.VGH, Beschl. v. 18.12.2000 –6 TG 2353/02 – UPR 2003, 314 f.; Spoerr, in: Jarass/Ruchay/Weide-mann, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 96; Fluck, in Ders., KrW-/AbfG, § 5 Rn.142; Beckmann/Kersting, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5KrW-/AbfG, Rn. 70). Die Gegenansicht, der sich der Beklagte ange-schlossen hat, verweist darauf, dass die Definition des § 3 Abs. 7KrW-/AbfG keine Geltung für eine Rechtsnorm beanspruchen kön-ne, die bereits vor dem Inkrafttreten des KrW-/AbfG erlassen wor-den sei, und plädiert für ein Verständnis des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Chem-VerbotsV, das nur Vorgänge der Abfallbeseitigung vom Verkehrsver-bot ausnimmt (VG Karlsruhe, Beschl. v. 04.10.2000 – 4 K 1289/00 –,NVwZ-RR 2002, 270 <271>; Frenz, KrW-/AbfG, 3. Aufl. 2002, § 5 Rn.63; v. Köller, KrW-/AbfG, 1996, S. 68 f.). Wenn man berücksichtigt,dass auch die vor Inkrafttreten des KrW-/AbfG maßgebliche Termi-nologie des Abfallgesetzes (AbfG) vom 27. August 1986 (BGBl. I S.1410) »Abfallentsorgung« gemäß § 1 Abs. 2 AbfG bereits als Oberbe-griff für die Abfallbeseitigung – unter der Bezeichnung »Ablagernvon Abfällen« – und die Abfallverwertung verstanden hat (näherdazu Mann, Abfallverwertung als Rechtspflicht, 1992, S. 60 ff.),spricht vieles dafür, dass die verwaltungsgerichtliche Sichtweisezutreffend ist, nach der die Ausnahme in § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVer-botsV a.F. auch die Abfallverwertung umfasste, wenngleich dieMaterialien zu der im März 2003 in Kraft getretenen Rechtsände-rung (s.u. c.) darauf hinzudeuten scheinen, dass der Verordnungsge-ber lediglich eine terminologische Klarstellung beabsichtigte (vgl.BR-Drs. 273/1/02, S. 26).

b) Auf diese Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Wider-spruchsbescheides vom 25. Januar 2002 ist vorliegend jedochnicht abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr die Rechtslage, wie sie

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 538

sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erken-nenden Senat darstellt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibtes keinen verwaltungsprozessrechtlichen Grundsatz des Inhalts,dass bei einer Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des Verwal-tungsakts stets nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt derletzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen ist. Auf welcheSach- und Rechtslage bei der Beurteilung einer Anfechtungsklageabzustellen ist, bestimmt sich vielmehr in erster Linie nach demeinschlägigen materiellen Recht (BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 – IVC 21.74 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19, S. 1 <3>; BVerwG, Urt.v. 25.11.1981 – 8 C 14.81 –, BVerwGE 64, 218 <221 f.>; BVerwG,Urt. v. 29.09.1982 – 8 C 138.81 –, BVerwGE 66, 178 <182>). ImZweifel gilt die Regel, dass bei der Anfechtung von Verwaltungsak-ten ohne Dauerwirkung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt derletzten Verwaltungsentscheidung maßgebend ist (BVerwG, Urt. v.27.01.1993 – 11 C 35/92 –, BVerwGE 92, 32 <35>; BVerwG, Urt. v.14.12.1994 – 11 C 25/93 –, BVerwGE 97, 214 <220 f.>; Nds.OVG,Urt. v. 28.10.1996 – 3 L 5433/94 –, NdsVBl 1997, 113; Nds.OVG,Urt. v. 21.04.2004 – 7 LC 98/02 –, NdsVBl. 2004, S. 301). Bei Ver-waltungsakten mit Dauerwirkung sind hingegen – je nach demzeitlichen Umfang des Aufhebungsbegehrens – auch spätere Ver-änderungen der Sachlage bis zum Schluss der mündlichen Ver-handlung des Tatsachengerichts zu berücksichtigen (BVerwG, Urt.v. 14.12.1994 – 11 C 25/93 –, BVerwGE 97, 214 <220 f.>; Nds.OVG,Urt. v. 28.10.1996 – 3 L 5433/94 –, NdsVBl 1997, 113). Die hierangefochtene Verfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheidesund unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlungvor dem Verwaltungsgericht erfolgten Klarstellung ist ein Verwal-tungsakt mit Dauerwirkung. Denn indem die Verfügung der Klä-gerin untersagt, die streitigen Abfälle aus anderer Herkunft zumTagebau Delitzsch-Südwest zu verbringen, erschöpft sie sich nichtin einem einmaligen Verbot, sondern zeitigt Wirkungen, die nachihrem Sinn und Zweck und dem insoweit maßgeblichen materiel-len Recht wesensgemäß auf Dauer angelegt sind. Insbesondereweil die Klägerin nicht nur einen einmaligen Einbau der asbesthal-tigen Abfälle, sondern auch weiterhin entsprechende Lieferungenzum Tagebau Delitzsch-Südwest beabsichtigt, sollte die Verfügungein auf Dauer angelegtes und in seinem weiteren Bestand von derVerfügung abhängiges Rechtsverhältnis begründen.

c) Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Sach- und Rechtsla-ge erweist sich der Einsatz der asbesthaltigen Abfälle zur Verfül-lung im Tagebau als Verstoß gegen das Verkehrsverbot des § 1 Abs.1 ChemVerbotsV.

Die aktuell geltende Fassung der ChemVerbotsV geht zurück aufdie Neubekanntmachung vom 13. Juni 2003 (BGBl. I S. 867) undwurde zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom23. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3855). Im hier maßgeblichenZusammenhang ist gegenüber der im Zeitpunkt des Widerspruchs-bescheides (Januar 2002) geltenden Fassung vor allem die Ände-rung relevant, die die generelle Ausnahme vom Verkehrsverbot in§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV erfahren hat. Durch Art. 2 Nr. 1 derVerordnung über die Entsorgung von Altholz vom 15. August2002 (BGBl. I S. 3302) wurden mit Wirkung zum 1. März 2003 (vgl.Art. 5 der Altholz-VO) in § 1 Abs. 2 Nr. 2 die Wörter »zur ordnungs-gemäßen Abfallentsorgung« durch die Wörter »zur gemeinwohl-verträglichen Abfallbeseitigung« ersetzt. Damit sind Stoffe, diezum Zwecke der Abfallverwertung in den Verkehr gebracht wer-den sollen, nicht mehr generell vom Verbot des Inverkehrbringensgem. § 1 Abs.1 ChemVerbotsV ausgenommen, sondern nur nochdann, wenn die Spalte 3 des Anhangs für einzelne Stoffe etwasanderes bestimmt. Mit Blick auf die in Abschnitt 2 des Anhangs 1zu § 1 Abs. ChemVerbotsV thematisierten Asbeststoffe folgt dar-aus, dass seit dieser Rechtsänderung eine Verwertung asbesthalti-

ger Abfälle außer bei dem in Spalte 3 Abs. 5 genannten Einbau vonasbesthaltigen Materialien, die als Versatzmaterial im Untertage-bergbau verwendet werden und der vorliegend nicht stattfindet,unzulässig ist.

d) Die neue Rechtslage der ChemVerbotsV steht nicht im Wider-spruch zum KrW-/AbfG.

Soweit an der vorbezeichneten Rechtsänderung kritisiert wird,sie sei alleine zu dem Zweck erfolgt, durch eine Ausdehnung derAndienungs- und Überlassungspflichten den finanziellen Interes-sen der entsorgungspflichtigen Körperschaften und der länderei-genen Stellen zur Sonderabfallentsorgung entgegen zu kommen(so Stede, UPR 2003, 293 <294>), vermag dieser Einwand die amWortlaut der geänderten Vorschrift orientierte Auslegung nicht zuerschüttern. Denn selbst wenn diese Motive für die Rechtsände-rung bestimmend gewesen wären, was sich anhand der verfügba-ren Quellen (vgl. BR-Drs. 273/02 und 273/1/02) nicht verifizierenlässt, wäre doch der geänderte Wortlaut maßgeblich. Ebenso gehtauch die rechtssystematische Kritik, durch die Verengung der all-gemeinen Ausnahme vom Verkehrsverbot in § 2 Abs. 2 Nr. 2ChemVerbotsV auf Maßnahmen zur gemeinwohlverträglichenAbfallbeseitigung werde das Kreislaufwirtschaftskonzept beein-trächtigt und der in § 4 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG verankerte Grund-satz des Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung aufgehoben(in diesem Sinne Hess.VGH, Beschl. v. 18.12.2002 – 6 TG 2353/02– UPR 2003, 314 <315> und Stede, UPR 2003, 293 <294>), ins Lee-re. Die Regelung in der ChemVerbotsV widerspricht diesenGrundsätzen des KrW-/AbfG bereits deshalb nicht, weil das KrW-/AbfG selbst eine Verwertung nur zulässt, wenn sie nach Maßgabeanderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften ordnungsgemäßerfolgt (§ 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG), und darüber hinaus in § 7 Abs.1 Nr. 4 b) KrW-/AbfG sogar ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet,für Abfälle, deren Verwertung das Allgemeinwohl beeinträchtigenkann, Verkehrsverbote auszusprechen. Soweit sich schließlich derHessische VGH 2002 in einem Verfahren des vorläufigen Rechts-schutzes (a.a.O.) entschieden hat, die seinerzeit streitgegenständli-che Verwertung von Asbestzement nicht dem Verkehrsverbot dergeänderten ChemVerbotsV zu unterstellen, war dafür nebenUmweltgesichtspunkten die Annahme von zentraler Bedeutung,dass noch vor Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache eineweitere Änderung der ChemVerbotsV erfolgen werde, durch diedas betreffende Verwertungsverfahren, mit dem die Asbestfasernnach einer Behandlung vollständig zerstört werden können, aus-drücklich als weitere Ausnahme in Spalte 3 des Anhangs zurChemVerbotsV aufgelistet werden würde. Diese – bis zum heuti-gen Tage unerfüllt gebliebene – Annahme ist auf den hier zu ent-scheidenden Einzelfall nicht zu übertragen.

e) Die Verengung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV auf Maß-nahmen der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung istzudem von der Verordnungsermächtigung in § 17 Abs. 1 ChemGgedeckt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung dieAuffassung geäußert hat, über das Chemikalienrecht dürfe nichtder Verwertungsvorrang des Abfallrechts außer Kraft gesetzt wer-den, verkennt dieser Einwand, dass das Abfallrecht in § 5 Abs. 3 S.2 KrW-/AbfG diese Möglichkeit bereits selbst vorsieht.

III. Ist wegen des Verstoßes gegen das Verbot eines Inverkehr-bringens von asbesthaltigen Stoffen gemäß § 1 Abs. 1 ChemVer-botsV i.V.m. Abschnitt 2 der Anlage zu § 1 ChemVerbotsV eineordnungsgemäße Verwertung im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG ausgeschlossen, müssen die betroffenen Stoffe als »Abfällezur Beseitigung« entsorgt werden.

1. Das KrW-/AbfG spricht nicht ausdrücklich aus, welchen Sta-tus Abfälle erlangen, deren Verwertung aus Rechtsgründen nichtordnungsgemäß im Sinne des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG erfolgen kann.Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG sind Abfälle zur Verwertung sol-

ZUR 11/2005 | 539

OVG Lüneburg, Anwendung der Chemika l ienverbotsV auf Abfa l lverwertung | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 539

R E C H T S P R E C H U N G | VGH München, Schutz atomarer Anlagen vor ter ror i s t i schen Anschlägen

540 | ZUR 11/2005

che Abfälle, die verwertet werden; Abfälle die nicht verwertet wer-den sind Abfälle zur Beseitigung. Trotz dieser Formulierung kannaber nicht allein die tatsächliche Vornahme einer Verwertungs-handlung maßgeblich sein. Aus teleologischen Gründen sind»Abfälle, die verwertet werden« nur solche Abfälle, die »im Ein-klang mit dem KrW-/AbfG« verwertet werden, denn andernfallswürde das KrW-/AbfG selbst auf die Einhaltung seiner Regelungenfür den Wertstoffkreislauf verzichten. Kann daher eine Verwer-tung nicht ordnungsgemäß und schadlos erfolgen, ist sie als sol-che unzulässig. Es kommt dann nur noch eine gemeinwohlver-trägliche Beseitigung in Betracht (vgl. Beckmann/ Kersting, in:Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 Rn. 66; Fluck, in Ders.,KrW-/AbfG, § 5 Rn. 135; Kunig, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl. 2003, § 5 Rn. 25). In Anknüpfung an § 10 Abs. 1KrW-/AbfG sind die hier fraglichen Abfälle dann »Abfälle zurBeseitigung« und unterfallen als solche der Überlassungspflichtgem. § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG.

2. Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem europäischenAbfallrecht. Auch nach europäischem Recht kann die Verfüllungeines Tagebaus mit Asbestabfällen eine Abfallbeseitigung sein. DieRichtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15.07.1975 über Abfälle(ABl. EG Nr. L 194, S. 39), zul. geänd. d. VO 1882/2003 vom29.09.2003 (ABl. EU 2003, L 284 S. 1) unterscheidet in Art. 1Buchst. e und f zwischen den Begriffen Verwertung und Beseiti-gung, verweist zur Abgrenzung im Übrigen aber auf ihre AnhängeII A und II B. Weil man mit dem Erlass des KrW-/AbfG insbesondereden Abfallbegriff dieser Richtlinie umsetzen wollte, deckt sich derAnhang II A zum KrW-/AbfG inhaltlich mit dem Anhang II A derRichtlinie 75/442/EWG des Rates. Nach Art. 1 Buchst. e der Richtli-nie 75/442/EWG sind die in Anhang II A aufgeführten Verfahrenals Beseitigung qualifiziert, ohne dass daneben eine weitere allge-meine Definition des Rechtsbegriffs »Beseitigung« oder Abgren-zungen allgemeiner Art (wie etwa nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG)Anwendung finden (EuGH, Urt. v. 27.02.2002 – Rs. C 6/00 -, Slg.2002 I -1961 Rn. 58). Die vorliegend relevante Form der Verfüllungeines Tagebaus mit in sog. Bigbags verpackten Asbestplatten erfülltdie Tatbestände D 1 (Ablagerung in oder auf dem Boden, Deponi-en) und D 12 (Dauerablagerung) des Anhangs »II A: Beseitigungs-verfahren«, könnte grundsätzlich aber auch - wie die vom EuGH(a.a.O.) entschiedene Einbringung von Schlacken und Aschen inein stillgelegtes Bergwerk – als »Verwertung/Rückgewinnung vonanderen anorganischen Stoffen« von der VerfahrensbeschreibungR 5 des Anhangs »II B: Verwertungsverfahren« erfasst sein.

Die Rahmenrichtlinie 75/442/EWG legt in ihrem Art. 3 Abs. 1zwar einen Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung fest, stelltdiesen aber, ähnlich wie § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG im deutschenRecht, in Art 4 der Richtlinie unter den Vorbehalt, dass eine Ver-wertung nicht umwelt- oder gesundheitsschädlich erfolgen darf.Die Richtlinie 91/689/EWG des Rates über gefährliche Abfälle vom12.12.1991 (ABl. EG 1991, L 377, S. 20), geänd. d. Richtlinie94/31/EWG vom 27.06.1994 (ABl. EG 1994, L 168, S. 28) knüpftmit Blick auf materielle Schutzaspekte ebenfalls an diesen Art. 4der Richtlinie 75/442/EWG an (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie91/689/EWG) und fügt vor allem besondere Überwachungsver-fahren hinzu. In diesem Kontext sind dann diejenigen Schutzan-forderungen zu beachten, die das europäische Umweltrecht inanderen Rechtsakten aufstellt. Mit Blick auf die vorliegende Kon-stellation sind daher vor allem die Richtlinie 76/769/EWG desRates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriftender Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringensund der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitun-gen vom 27.7.1976 (ABl. EG 1976, L 262, S. 201, zul. geänd. d.Richtlinie 2004/21/EG, ABl. EG 2004, L 57, S. 4) und die Richtlinie91/659/EWG der Kommission zur Anpassung des Anhangs I der

Richtlinie 76/769/EWG an den technischen Fortschritt (Asbest)vom 3.12.1991 (ABl. EG 1991, L 363, S. 36) zu nennen, die Ver-kehrsverbote für Asbest vorsehen und zu deren Umsetzung in dasdeutsche Recht die ChemVerbotsV erlassen wurde. (…)

Schutz atomarer Anlagen vor terroristischen Anschlägen

VGH München, Urteil vom 28. Juli 2005 – 22 A 04.40061

Leitsätze der Redaktion:1. Anspruch auf Drittschutz vor terroristischen Eingriffen besteht

– wie auch gegenüber Störfallrisiken – nur insoweit, wie einzum Schaden führender Geschehensablauf nicht nach denMaßstäben der praktischen Vernunft ausgeschlossen erscheintund daher nicht dem hinzunehmenden Restrisiko zuzuordnenist (ständige Rechtsprechung).

2. Zu der Frage welche Sicherheitsvorkehrungen geeignet sind,die durch terroristische Angriffe bedingten Gefährdungen aufein hinzunehmendes Restrisiko zu minimieren.

Zum Sachverhalt:Die Kläger verlangen im Rahmen der atomrechtlichen Zulassungeines Forschungsreaktors zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zurMinimierung des durch mögliche terroristische Angriffe beding-ten Risikos.

Aus den Gründen:(...)

I. Soweit die Kläger eine erhebliche Gefährdung durch gezielteterroristische Flugzeugabstürze auf den FRM-II geltend machen,kann dies ihren Klagen nicht zum Erfolg verhelfen. Das Risiko desgezielten terroristischen Flugzeugabsturzes ist bereits beim Erlassder dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 von der Genehmi-gungsbehörde in Betracht gezogen worden (S. 51 der dritten Teil-genehmigung; Verfahrensunterlage Nr. 44 »gutachtliche Stellun-gnahme zu den Auswirkungen eines gezielten Absturzes einer voll-betankten Verkehrsmaschine auf den FRM-II« vom 5.6.2002 mitAnhang II). Das StMUGV hat im hier angefochtenen Bescheid aufdie klägerischen Befürchtungen hin ergänzend auch das Risiko desgezielten terroristischen Flugzeugabsturzes mit einem Großraum-flugzeug vom Typ Airbus A 380 – F auf den FRM-II behandelt (S. 3f., S. 6 f.). Eine erhebliche Gefährdung der Kläger und ihrer Rechts-güter besteht danach nicht. Entscheidungserhebliche Ermitt-lungs- und Bewertungsfehler sind insoweit nicht erkennbar.

1. Das StMUGV hat zum einen darauf abgestellt, dass bei denzuständigen Aufsichtsbehörden Einigkeit darüber bestehe, dassein gezielter Flugzeugabsturz nicht in die verwaltungsinterneRichtlinie für den Schutz von Kernkraftwerken mit Leichtwasser-reaktoren gegen Störungen oder sonstige Einwirkungen Dritter(sog. SEWD-Richtlinie) aufzunehmen sei; die Terroranschläge vom11. September 2001 hätten insofern zu keiner anderen Beurteilunggeführt (S. 3 f. des angefochtenen Bescheids). Die Rechtmäßigkeitder allgemeinen Zuordnung dieses Szenarios zum Restrisikobe-reich hat der Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 7. Oktober2004 – Az. 22 A 03.40036 offen gelassen (S. 15); auch im vorliegen-den Fall ist eine Klärung dieser Frage nicht erforderlich.

2. Das StMUGV hat zum andern darauf abgestellt, dass jeden-falls angesichts der speziellen Gegebenheiten beim FRM-II eingezielter terroristischer Flugzeugabsturz nach dem Maßstab derpraktischen Vernunft ausgeschlossen ist (S. 6 f.). Diese Überlegun-gen sind nachvollziehbar und frei von Überschreitungen des derAufsichtsbehörde eingeräumten Beurteilungsspielraums. DasStMUGV hat darauf hingewiesen, dass der FRM-II im Vergleich zuanderen potentiellen Zielen terroristischer Angriffe eines der

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 540

VGH München, Schutz atomarer Anlagen vor ter ror i s t i schen Anschlägen | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 11/2005 | 541

»unattraktivsten« überhaupt wäre (S. 7). Dafür spricht schon dieBeobachtung, dass sich der internationale Terrorismus in der Regelsog. »weiche«, schwer zu schützende Ziele aussucht. Dafür sprichtinsbesondere, dass es extrem schwierig wäre, mit einem schwerfäl-ligen, aber gleichwohl schnellen Großraumflugzeug wie dem Air-bus A 380-F einen Angriff auf den FRM-II als einem extrem boden-nahen und kleinflächigen Ziel erfolgreich durchzuführen, was nurbei einem horizontalen Treffer ca. 20 m über der Erdoberflächedenkbar wäre. Zudem ist davon auszugehen, dass terroristischenTätergruppen nicht unbekannt geblieben ist, dass der FRM-II welt-weit der einzige Forschungsreaktor ist, der von seiner Konzeptionher baulich gegen Flugzeugabstürze gesichert worden ist. DasStMUGV durfte mit diesen im angefochtenen Bescheid sinn-gemäß enthaltenen Erwägungen im konkreten Fall des FRM-II vonRechts wegen die Gefahr eines gezielten terroristischen Flugzeug-absturzes so gering einschätzen, dass es sie dem Restrisikobereichzuordnen durfte. Die Einwände der Kläger hiergegen greifen nichtdurch. Sie befassen sich eher allgemein mit den Risiken für denBetrieb von Kernkraftwerken und gehen auf die speziellen Gege-benheiten beim FRM-II nicht ein. Gerade für den von den Klägernbeschriebenen äußerst skrupellosen und brutalen Tätertyp, dermöglichst viele »Feinde« vernichten und die größtmögliche Zahlan Opfern erzielen will und dafür sein eigenes Leben preisgibt,muss der FRM-II als sehr unattraktives Ziel erscheinen. Für eineextrem geringe Trefferwahrscheinlichkeit und daher eine extremgeringe Schadenswahrscheinlichkeit müsste er sein eigenes Lebenpreisgeben. Die Annahme des StMUGV, dass dies vernünftigerWeise nicht zu erwarten ist, ist plausibel und von Rechts wegennicht zu beanstanden.

3. Hinzu kommt, dass das StMUGV ohne Rechtsfehler festge-stellt hat, dass die baulich-technischen Maßnahmen beim FRM-IIderart sind, dass eine unterstellte Gefahr eines terroristischenAngriffs durch gezielten Flugzeugabsturz abgewehrt werden kann,und zwar auch hinsichtlich des neuen Großraumflugzeugs AirbusA 380-F. Der Beklagte hat dazu in der Klageerwiderung ergänzendzum angefochtenen Bescheid ausgeführt: »Angesichts der Flügel-spannweite von ca. 80 m beim Airbus A-380-F und einem Abstandder äußeren Triebwerke von ca. 55 m bzw. der inneren Triebwerkevon ca. 40 m sowie einem Abstand eines inneren Triebwerks zumgegenüberliegenden äußeren Triebwerk von ca. 48 m ist bei die-sem jedoch allenfalls das gleichzeitige Auftreffen von zwei der ins-gesamt vier Triebwerke denkbar. Wesentliche Teile der Tragflächenmit ihren Kerosinmassen von insgesamt ca. 90 t in den Flügeltankswerden jedoch am Reaktorgebäude ebenso vorbeigehen wie diebeiden anderen Triebwerke. Somit wird sich die gesamte möglicheAufprallmasse des A 380-F von den angenommenen 590 t auf Wer-te reduzieren, die nur wenig über den bei der Boeing 747 unter-stellten 413 t liegen. Die Gebäudereserven sind auch in diesem Fallbei weitem noch nicht aufgezehrt«. Hiergegen bringen die Klägerkeine durchgreifenden Einwände mehr vor. Für den Verwaltungs-gerichtshof sind insofern auch keine Ermittlungs- und Bewer-tungsfehler erkennbar.

II. Soweit die Kläger eine erhebliche Gefährdung durch gezielteterroristische Angriffe auf den FRM-II mit handgetragenen panzer-brechenden Waffen, insbesondere solchen, die mit Flugabwehrra-keten und bunkerbrechenden Gefechtsköpfen ausgestattet sind,geltend machen, und zwar von der Südseite aus dem öffentlichzugänglichen Bereich heraus, kann dies ihren Klagen ebenfallsnicht zum Erfolg verhelfen.

Das Risiko des gezielten terroristischen Angriffs mit handgetra-genen panzerbrechenden Waffen ist vom StMUGV in Betrachtgezogen worden, wie der Beklagte in der Klageerwiderung darge-stellt hat. Zweifel hieran sind weder von den Klägern geäußertworden, noch sonst für den Verwaltungsgerichtshof ersichtlich. In

der Begründung des angefochtenen Bescheids brauchte dasStMUGV auf dieses Thema deshalb nicht näher einzugehen, weiles bis dahin im Vorbringen der Kläger keine Rolle gespielt hatte.Entscheidungserhebliche Ermittlungs- und Bewertungsdefizitebestehen jedenfalls auch insofern nicht.

1. Das StMUGV hat zwar zum einen darauf abgestellt, dass sowohlder Einfach- als auch der Mehrfachbeschuss mit Panzerabwehrwaf-fen nach der sog. SEWD-Richtlinie zu berücksichtigen ist. Die Über-arbeitung der SEWD-Richtlinie nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001 in den USA hat dem StMUGV zufolge zum einendazu geführt, dass bei den potentiellen Tätern Selbstmordbereit-schaft zu unterstellen ist, zum andern Erweiterungen der in Fragekommenden Tatmittel mit sich gebracht (S. 12 des angefochtenenBescheids). Das StMUGV hat dazu in der Klageerwiderung aber wei-ter mitgeteilt, dass die von der Klägerseite angeführten Tatmittel derFlugabwehrrakete und des bunkerbrechenden Gefechtskopfs nichtzum nach der SEWD-Richtlinie maßgeblichen Tatmittelspektrumgehören würden. Ob diese Zuordnung von gezielten terroristischenAngriffen mit Flugabwehrraketen und mit bunker-brechendenGefechtsköpfen auf den FRM-II zum Restrisikobereich rechtsfehler-frei möglich ist, lässt der Verwaltungsgerichtshof offen, weil es imvorliegenden Fall hierauf nicht ankommt.

2. Das StMUGV hat nämlich zum andern auch hier auf die spezi-ellen Gegebenheiten beim FRM-II abgestellt. Seine diesbezügli-chen Erwägungen sind nachvollziehbar und frei von Überschrei-tungen des der Aufsichtsbehörde eingeräumten Beurteilungsspiel-raums. Auszugehen ist auch nach Ansicht der Kläger davon, dassein äußerer Angriff von der Südseite das Durchdringen der Außen-wand des Reaktorgebäudes (ca. 1,80 m Stahlbeton) und der Wanddes Reaktorbeckens (ca. 1,60 m Stahlbeton) auf der Höhe derGeländeoberkante voraussetzen würde (Stellungnahme des Fach-beistands der Kläger vom 18.4.2005). Der Beklagte hat dazu in derKlageerwiderung festgestellt, dass diese Auslegung des FRM-IIauch gezielte terroristische Angriffe mit handgetragenen Panzer-abwehrwaffen mit Flugabwehrraketen und bunkerbrechendenGefechtsköpfen abdecken würde. Zur Begründung wurde daraufverwiesen, dass die Gefechtsköpfe von Flugabwehrraketen nichtauf die wirkungsvolle Schädigung von Betonstrukturen ausgelegtseien. Weiter wurde ausgeführt, dass bunkerbrechende Gefechts-köpfe von handgetragenen Panzerabwehrwaffen eine Durch-schlagskraft haben, die erheblich unterhalb des für die Zerstörungder 1,80 m starken Wandstruktur des Reaktorgebäudes erforderli-chen Werts liegen. Die Beigeladene hat dem zugestimmt undzusätzlich darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehbar sei,wie beim zweiten Schuss genau durch das beim ersten Schusserzeugte Loch in einer 1,80 m dicken Wand geschossen werdenkönne. Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Erwägungen fürnachvollziehbar. Eine weitere, eventuell Probleme des § 99 Abs. 1Satz 2 VwGO aufwerfende Sachaufklärung (vgl. VGH vom7.10.2004 – Az. 22 A 03.40036, S. 19) wurde von den Klägern nichtausdrücklich beantragt, nicht einmal angeregt und drängt sichdem Verwaltungsgerichtshof auch nicht auf (§ 86 Abs. 1 VwGO),so dass diesbezüglich keine Aufklärungs- oder Beweisbeschlüsse zuergehen brauchen. Die Kläger haben sich nicht ausdrücklichgegen die genannten Erwägungen des Beklagten und der Beigela-denen gewandt und schon gar keine substantiierten Einwändeerhoben. Eine Aufklärung, von welchen bunkerbrechendenGefechtsköpfen und welchen handgetragenen Panzerabwehrwaf-fen der Beklagte ausgegangen ist, wie deren genaue Durchschlags-kraft wertmäßig zu beziffern ist und welcher Wert für die Durch-schlagung der Wandstruktur des Reaktorgebäudes erforderlichwäre, im Sinne einer zusätzlichen Vergewisserung, drängt sichauch unabhängig vom Verhalten der Kläger im vorliegenden Fallnicht auf. Für eine grenzwertige Situation besteht kein Anhalts-

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 541

R E C H T S P R E C H U N G | VGH München, UVP und Bete i l igung be i Änderungsgenehmigung

542 | ZUR 11/2005

punkt, weil nach den Angaben des Beklagten noch erheblicheSicherheitsreserven vorhanden sind; Anhaltspunkte für Zweifelbestehen insofern nicht.

III. Soweit die Kläger eine erhebliche Gefährdung durch gezielteterroristische Angriffe sog. Innentäter auf den FRM-II geltendmachen, kann dies ihren Klagen ebenfalls nicht zum Erfolg verhel-fen. Das Risiko der terroristischen Einwirkung durch sog. Innentä-ter ist bereits beim Erlass der dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai2003 von der Genehmigungsbehörde in Betracht gezogen worden(vgl. dazu BayVGH vom 7.10.2004 – Az. 22 A 03.40036, S. 17). Obdieses Risiko gegebenenfalls dem sog. Restrisikobereich zuzuord-nen wäre, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Urteil offengelassen (S. 17). Auch im vorliegenden Fall ist eine Klärung ent-behrlich; es sind ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffenworden, dass ein eventueller terroristischer Angriff sog. Innentäterdie Kläger in rechtlich erheblicher Weise gefährdet.

1. Der Beklagte hat bereits im Verfahren 22 A 03.40036 ausge-führt, dass das StMUGV in dem in der dritten Teilgenehmigungvom 2. Mai 2003 enthaltenen Betriebsreglement Vorkehrungengetroffen hat, die eine Gefährdung der Kläger nach dem Maßstabder praktischen Vernunft ausschließen. Der Verwaltungsgerichts-hof hat dazu im Urteil vom 7. Oktober 2004 – Az. 22 A 03.40036folgendes ausgeführt:

»Das administrativ-organisatorische Sicherungskonzept desFRM-II dient gestaffelt auf der ersten Ebene der Erkennung undVerhinderung eines unerlaubten Zutritts und der Einbringungunerlaubter Hilfsmittel sowie auf der zweiten Ebene der Erken-nung und Verhinderung unerlaubter Manipulationen. Ein erstesElement besteht darin, dass die Zugangsregelungen zum FRM-IIrestriktiv sind und das Reaktorpersonal sowie das am FRM-II tätigewissenschaftliche Eigenpersonal gemäß den Festlegungen derAtZÜV zuverlässigkeitsüberprüft wird. Personen, die nicht zuver-lässigkeitsüberprüft sind, werden bei jedem Zutritt zum sicher-heitsrelevanten inneren Sicherungsbereich kontrolliert. Hierzuwerden diese Personen mit Metalldetektor und durch Abtastenüberprüft sowie das von ihnen mitgeführte Gepäck auf unerlaubteGegenstände, wie z.B. Sprengstoff oder Waffen, durchsucht. MitBlick auf die wissenschaftliche Nutzung des Reaktors – auch durchnicht zuverlässigkeitsüberprüfte Gastwissenschaftler – wurde dieAnlagensicherung vor allem durch das Konzept der Berechti-gungszonen in Verbindung mit den vorgeschriebenen Kontrollenvon Personen und Gepäck so ausgelegt, dass die unterschiedlichsicherheitsrelevanten Anlagenbereiche voneinander durchmechanische Barrieren, technische Überwachung und admini-strative Festlegungen abgegrenzt sind. Die technische Abgrenzungder Berechtigungszonen erfolgt durch versperrte Stahltüren oderVereinzelungsanlagen, die nur mit einem entsprechend kodiertenAusweis passiert werden können. Berechtigungszonen sind insbe-sondere – geordnet nach zunehmender Sicherheitsrelevanz – dieNeutronenleiterhalle, die Experimentierhalle und zuletzt dieReaktorhalle. Jeder Versuch einer Überwindung solcher Abgren-zungen wird detektiert und löst entsprechende Alarme aus. ImAlarmfall erfolgen im Betriebsreglement festgelegte, bewaffneteInterventionen des Objektsicherungsdienstes: Experimentatorenwird der Zutritt durch entsprechende Kodierung des zugehörigenBerechtigungsausweises nur zu derjenigen Berechtigungszonegewährt, in der sie ihre Forschungstätigkeit ausführen. Zur Reak-torhalle haben diese Personen in aller Regel keinen Zutritt. Dievon dort zu beschickenden Bestrahlungseinrichtungen werdennur von zuverlässigkeitsüberprüftem Personal der Bestrahlungs-gruppe des FRM-II be- und entladen. Entsprechend restriktiveZutrittsbegrenzungen, die sich strikt nach dem Erfordernis desentsprechenden Zutritts richten, gelten auch für Eigenpersonalund Mitarbeiter von Fremdfirmen, die im inneren Sicherungsbe-

reich der Anlage Wartungsarbeiten durchzuführen haben.«Ermittlungs- und Bewertungsfehler sind insoweit nicht erkennbar,wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem genannten Urteilausgeführt hat, das die Anfechtungsklagen der Kläger gegen diedritte Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 betrifft. Dieses Urteilbezieht sich zwar auf die Sach- und Rechtslage, wie sie am 2. Mai2003 bestand. Anhaltspunkte dafür, dass nunmehr im Zeitpunktdes Erlasses des Bescheids vom 19. November 2004 oder, falls esdarauf ankommen sollte, im Zeitpunkt der Entscheidung des Ver-waltungsgerichtshofs eine andere Beurteilung geboten ist, beste-hen aber nicht.

2. Abgesehen davon hat das StMUGV darauf abgestellt, dassselbst geglückte Anschläge von sog. Innentätern keine Erfolge zei-tigen würden, die mit rechtlich erheblichen Gefahren für die Klä-ger verbunden wären. Danach ist weiterhin davon auszugehen,dass die Auswirkungen der verschiedenen denkbaren Szenarienvon terroristischen Angriffen sog. Innentäter für die Nachbar-schaft unterhalb der Schädlichkeitsschwelle gehalten werden kön-nen. Die entscheidende Erwägung geht davon aus, dass eine sog.trockene Kernschmelze und die daraus folgenden Belastungendurch ionisierende Strahlung weder durch intelligente Eingriffenoch durch massive Gewalteinwirkung zu erreichen sind. Diehieran von den Klägern geäußerten Zweifel vermögen die diesbe-züglichen Darstellungen und Erläuterungen des Beklagten nichtin Frage zu stellen. Zum einen ist nicht erkennbar, wie durch ver-schiedene von den Klägern genannte Sabotageakte so riesige Leck-agen entstehen könnten, dass Beckenwasser in nennenswertemUmfang verloren ginge. Selbst wenn lediglich ein Restwasservorratvon 27 m3 in der massiven Beckengrube unterhalb der Strahlrohr-unterkante erhalten bliebe, was auch die Kläger nicht mehrbezweifeln, käme es nicht zu einer trockenen Kernschmelze. DerFachbeistand der Kläger hat zwar im Rahmen der Klagebegrün-dung eingewandt, auch bei der Erhaltung dieses Restwassers kön-ne zumindest ein erheblicher Teil des Brennelements zunächstohne Wasserüberdeckung schmelzen, mit allen negativen Folgenfür die Freisetzung von leichter flüchtigen Radionukliden (insbe-sondere Edelgase, Jod, Magnesium). Dem hält der Beklagte aberentgegen, dass es nicht vorstellbar sei, dass der Reaktorkern ange-sichts seiner filigranen Konstruktion und Abstützung selbst beieiner Kernschmelze dauerhaft in seiner ursprünglichen Positionverharren und nicht sofort in die wassergefüllte Reaktorgrubeabstürzen sollte. Die Kläger haben keine triftigen Gegengründevorgebracht, die diese Einschätzung hätten erschüttern können.Daher könnten die zusätzlichen baulich-technischen Maßnah-men, die die Kläger zum Schutz vor terroristischen Innentäterak-tionen fordern, allenfalls als Maßnahmen zur Restrisikominimie-rung verstanden werden, auf die die Kläger aber keinen Anspruchhaben). (…)

Umweltverträglichkeitsprüfung undÖffentlichkeitsbeteiligung imÄnderungsgenehmigungsverfahren

VGH München, Urteil vom 13. Mai 2005 – 22 A 96.40091

Leitsätze der Redaktion:1. Das Änderungsverfahren des § 16 Abs. 1 BImSchG ist auch

dann anzuwenden, wenn bereits mit der erstmaligen Errich-tung der Anlage von dem Genehmigungsbescheid abgewi-chen werden soll.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen mangels »erheblichernachteiliger Auswirkungen« nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchGdie Öffentlichkeitsbeteiligung entbehrlich ist.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 542

VGH München, UVP und Bete i l igung be i Änderungsgenehmigung | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 11/2005 | 543

3. Der durch das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachungimmissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom9. Oktober 1996 neu gefasste § 16 Abs. 2 BImSchG entspricht beieuroparechtskonformer Auslegung den Vorgaben der IVU-RL.

Aus dem Tatbestand:Die Klägerin wendet sich gegen die immissionsschutzrechtlicheGenehmigung der Regierung von Mittelfranken (ab hier: Regie-rung) zur Errichtung und zum Betrieb einer ortsfesten thermi-schen Abfallbehandlungsanlage nach dem Thermoselect-Verfah-ren in Ansbach und gegen die immissionsschutzrechtliche Geneh-migung der Regierung für die wesentliche Änderung dieser Anlagevom 21. Mai 2001. (…)

Zu den mit Bescheid vom 21. Mai 2001 genehmigten Änderun-gen trug sie vor, dadurch sei der Charakter der Anlage völlig verän-dert und die Gesamtkapazität auf 150.000 t/a erweitert worden, sodass eine Genehmigung nur nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG undnicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG in Betracht komme. VorErteilung der Änderungsgenehmigung habe es in jedem Fall einesförmlichen Verfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung undÖffentlichkeitsbeteiligung bedurft; der Verzicht darauf sei nach §16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sowie nach den einschlägigen IVU- undUVP-Richtlinien wegen der Möglichkeit erheblicher nachteiligerAuswirkungen auf die Umwelt unzulässig gewesen. Wegen derÄnderungen seien neuartige und zusätzliche Emissionen undImmissionen im Normal- und Störfallbetrieb zu befürchten. (...)

Aus den Gründen:(…) 3. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Klä-

gerin wird durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigungvom 23. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom10 März 1997 und in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21.Mai 2001 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1VwGO).

3.1. Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmi-gung für die Errichtung und den Betrieb einer Thermoselect-Anla-ge verstößt auch in ihrer geänderten Form nicht gegen Verfahrens-vorschriften, auf die sich die Klägerin berufen kann.

3.1.1. Rechtsgrundlage für die Ausgangsgenehmigung vom 23.April 1996, die im förmlichen Verfahren erteilt wurde, war § 4 Abs.1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 8.1 a) Spalte 1 der Ver-ordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV).Fehler in dem dieser Genehmigung vorangegangenen Verfahren,das gemäß § 10 BImSchG i.V.m. der Verordnung über das Geneh-migungsverfahren (9. BImSchV) unter Beteiligung der Öffentlich-keit stattfand, sind nicht ersichtlich. (…)

Soweit vom Vorhabenträger in § 4 e Abs. 3 der 9. BImSchV inUmsetzung des Anhangs III Nr. 2 der UVP-RL 1985 eine Übersichtüber die wichtigsten von ihm geprüften technischen Verfahrensal-ternativen und die Mitteilung der wesentlichen Auswahlgründeverlangt wurde, lag darin ebenfalls kein Ansatzpunkt für eine vonder Genehmigungsbehörde vorzunehmende Alternativenprüfung(vgl. Jarass, a.a.O., RdNr. 16 zu § 19). Die genannte Verfahrensbe-stimmung setzte ein bezüglich des Standorts und des technischenVerfahrens bereits feststehendes Vorhaben voraus; die Auswahlkri-terien waren nicht erst im Verfahren der Umweltverträglichkeit-sprüfung zu gewinnen, sondern bereits an dessen Beginn vorzule-gen (vgl. BVerwG a.a.O.; BayVGH vom 31.1.2000, NVwZ-RR 2001,661). Eine anderes Verständnis lässt sich auch aus der von der Klä-gerin zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom11. August 1995 zur UVP-RL 1985 (NVwZ 1996, 369) nicht herlei-ten. Die im vorliegenden Verfahren vom Träger des Vorhabensvorgelegte Untersuchung zur Umweltverträglichkeit enthielt eineÜbersicht über die wichtigsten zuvor geprüften thermischen und

nicht-thermischen Verfahren der Abfallbehandlung und benann-te die wesentlichen Auswahlkriterien für die zugunsten der Ther-moselect-Technik getroffene Entscheidung. Vorgelegt wurdeaußerdem eine Dokumentation zur Standortfindung mit ausführ-licher Darstellung und Bewertung der geprüften Alternativstan-dorte. Damit war sowohl der Vorschrift des § 4 e Abs. 3 der9. BImSchV als auch den Vorgaben der UVP-RL 1985 in jedem Fal-le Genüge getan. Soweit die Klägerin die damalige Umweltverträg-lichkeitsprüfung gleichwohl aus allgemeinen Gründen für unvoll-ständig hält bzw. der Behörde eine unzureichende Ermittlung oderBewertung umweltrelevanter Daten vorwirft, rügt sie der Sachenach keinen Verstoß gegen formelle Vorschriften des UVPG 1990oder der UVP-RL 1985, sondern beruft sie sich letztlich auf diematerielle Rechtswidrigkeit der Genehmigung; hierauf ist erst inspäterem Zusammenhang einzugehen.

3.1.2. Als Rechtsgrundlage für die weitere Genehmigung vom21. Mai 2001 kam allein die Vorschrift des § 16 Abs. 1 BImSchG inBetracht. Die von der Beigeladenen zu 2 zur Genehmigung gestell-ten Änderungen bestimmter Betriebsteile und betriebstechnischerAbläufe waren entgegen dem klägerischen Vorbringen lediglichals Änderung einer bereits genehmigten Anlage gemäß §§ 15, 16BImSchG und nicht als Neuerrichtung gemäß § 4 Abs. 1 BImSchGanzusehen.

Eine Neuerrichtung liegt bei Änderungen von Lage, Beschaffen-heit oder Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage nur vor,wenn dadurch das genehmigte Vorhaben in seinem Kernbestandvollständig oder jedenfalls überwiegend verändert wird und sichdaher der Charakter der Gesamtanlage ändert (vgl. Jarass, a.a.O.,RdNr. 12a zu § 15, RdNr. 6 zu § 16, Czajka in: Feldhaus, a.a.O.,RdNr. 23 zu § 16 BImSchG). Anhaltspunkte für eine derart weitge-hende Umgestaltung des Konzepts, der Funktion oder des Erschei-nungsbilds der geplanten Abfallbehandlungsanlage sind vorlie-gend nicht erkennbar und auch von der Klägerin nicht substanti-iert dargelegt worden. Die genehmigten Änderungen betrafenbloße Modifikationen in der Anordnung der Anlagenteile und imverfahrenstechnischen Ablauf, die sich aus der Beschränkung auf(zunächst) eine statt der vorgesehenen zwei Verfahrenslinien undaus zwischenzeitlich gewonnenen Erfahrungen mit der nochwenig erprobten Thermoselect-Technik an anderen Standortenergaben. Die Änderungen waren auch in ihrer Summe nicht sogewichtig, dass von einer völligen Neukonzeption der Anlage hät-te gesprochen werden können.

Auf die Gesamtanlage bezogen lag auch keine Ausweitung desbisher zugelassenen Anlagenbetriebs vor. Demzufolge kann offenbleiben, ob und ab welcher quantitativen Schwelle bereits eineKapazitätssteigerung dazu führen kann, dass die geänderte Anlageals Neuerrichtung zu betrachten ist. Im vorliegenden Fall wurdemit der Änderungsgenehmigung jedenfalls keine Erhöhung derursprünglichen Gesamtkapazität von 108.000 t/a zugelassen. Diemaßgebende Nebenbestimmung zur Begrenzung der Feuerungs-wärmeleistung und des Heizwerts bei einem maximalen Abfall-durchsatz, der den Einsatz zweier Behandlungslinien unter derdafür im Leistungsdiagramm angegebenen Volllast von jeweils 8,7t/h voraussetzt, blieb im Änderungsbescheid gegenüber dem Aus-gangsbescheid unverändert (Nr. 3.1.2.1.1). Eine höhere Gesamt-durchsatzmenge hatte die Beigeladenen zu 2 auch nicht beantragt.Die von ihr vorgelegten Unterlagen zur Anlagenänderung sahenlediglich vor, dass der bisher als Volllast zugrunde gelegte Abfall-durchsatz pro einzelner Linie bei dem als zusätzliche Option bean-tragten (vorläufigen) Ein-Linien-Betrieb so erhöht werden sollte,dass die hierfür vorgesehene Verarbeitungsmenge von 75.000 t/aerreicht werden konnte. Die Änderungsgenehmigung ergänztedemzufolge die Nebenbestimmung Nr. 3.1.2.1.1 dahingehend,dass beim Betrieb nur einer Linie ein Abfalldurchsatz von 10,4 t/h

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 543

R E C H T S P R E C H U N G | VGH München, UVP und Bete i l igung be i Änderungsgenehmigung

544 | ZUR 11/2005

mit entsprechend höherer maximaler Feuerungsleistung undhöherem Heizwert zugelassen wurde. Damit erhöhte sich zwar dieVerarbeitungskapazität der einzelnen Verfahrenslinie bei isolier-tem Betrieb von rechnerisch 54.000 t/a auf 75.000 t/a. Diese Stei-gerung hätte aber bei Errichtung und Betrieb einer zweiten Liniekeine Bedeutung mehr gehabt, da in diesem Fall weiterhin dieursprünglich gesetzte Obergrenze von insgesamt 108.000 t/a beieiner Durchsatzleistung von jeweils 8,7 t/a pro Linie hätte einge-halten werden müssen.

Die Anwendung des § 16 Abs. 1 BImSchG scheiterte im vorlie-genden Fall auch nicht daran, dass die streitgegenständliche Anla-ge zum Zeitpunkt des Änderungsantrags bzw. des Änderungsbe-scheids noch nicht vollständig errichtet und nicht einmal teilwei-se in Betrieb genommen worden war. Da der Begriff der Änderungin § 16 Abs. 1 BImSchG an ein Abweichen des Vorhabens vomGenehmigungsbescheid und nicht von dem tatsächlichen Anla-genbestand oder Anlagenbetrieb anknüpft (vgl. Jarass, a.a.O.,RdNr. 5 zu § 16 und RdNrn. 6 f. zu § 15), erscheint es sachgerecht,die Änderungsvorschriften auch dann anzuwenden, wenn bereitsmit der erstmaligen Errichtung der Anlage von dem Genehmi-gungsbescheid abgewichen werden soll (Jarass, a.a.O, RdNr. 11 zu§ 15; Czajka in: Feldhaus, a.a.O., RdNr. 24 f. zu § 16 m.w.N.).Anders als bei einer schon während des Genehmigungsverfahrenserfolgten Änderung ist das Vorhaben hier bereits einmal umfas-send geprüft und als rechtmäßig bewertet worden, so dass nur fürdie geänderten Teile und nicht für die Anlage als Ganzes einBedürfnis nach einer erneuten behördlichen Kontrolle besteht.

3.1.3. Die baulichen und verfahrenstechnischen Modifikatio-nen der genehmigten Thermoselect-Anlage waren zwar nicht bloßanzeigebedürftig nach § 15 Abs. 1 BImSchG, sondern bildetengemäß § 16 Abs. 1 BImSchG »wesentliche« und daher genehmi-gungsbedürftige Änderungen, da auf Grund der vorgelegtenUnterlagen die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen und derenRelevanz für die Prüfung der immissionsschutzspezifischen Anfor-derungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG zumindest in der Summenicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte (vgl. Czajkain: Feldhaus, a.a.O., RdNr. 34 zu § 16 BImSchG; Jarass, a.a.O.,RdNr. 9 ff. zu § 16). Zugleich war jedoch für die Behörde erkenn-bar, dass durch die Änderungen jedenfalls keine »erheblichennachteiligen Auswirkungen« auf die in § 1 BImSchG genanntenSchutzgüter zu besorgen waren, so dass hier auf Antrag des Betrei-bers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG von der öffentlichen1Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung desAntrags und der Unterlagen abgesehen werden durfte.

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Verzicht aufdie Beteiligung der Öffentlichkeit im Änderungsverfahren liegenvor, wenn für die Behörde bereits zu Beginn des Änderungsgeneh-migungsverfahrens erkennbar ist, dass mit der Änderung schonihrer Art nach allenfalls geringe Umweltauswirkungen verbundensein können oder wenn an sich mögliche nachteilige Auswirkun-gen auf die gesetzlich genannten Schutzgüter durch die bereitsgetroffenen oder vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Maß-nahmen ausgeschlossen werden (§ 16 Abs. 2 Satz 2 1. AlternativeBImSchG). Hierbei sind wegen des umfassenden Schutzzwecks des§ 1 BImSchG nicht nur die möglichen Auswirkungen zu Lasteneinzelner Dritter zu beachten, sondern auch solche zu Lasten derAllgemeinheit, etwa in Bezug auf den Schutz der natürlichenUmwelt oder die Vorsorge gegenüber künftig eintretenden schäd-lichen Umwelteinwirkungen (Sellner in: Landmann/Rohmer,Umweltrecht, Bd. 1, BImSchG, RdNr. 121 zu § 16 m.w.N.). Einebloße Vermehrung der von der Anlage ausgehenden Effekte (etwaEmissionen) genügt allerdings nicht; entscheidend sind die Ein-wirkungen (insbesondere Immissionen) auf die Schutzgüter des§ 1 BlmSchG (Jarass, a.a.O., RdNr. 40 zu § 16). Im Begriff der

»erheblichen nachteiligen Auswirkungen« liegt eine graduelle Ver-schärfung gegenüber jenen (einfachen) nachteiligen Auswirkun-gen, die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bereits zur Qualifizierungeiner Änderung als wesentlich und damit als genehmigungsbe-dürftig führen (vgl. Czajka, a.a.O., RdNr. 65 zu § 16, Sellner, a.a.O.,RdNr. 125 zu § 16 BImSchG). Die »Erheblichkeit« der nachteiligenAuswirkungen bestimmt sich nach ihrem jeweiligen Gewicht undAusmaß; bei der insoweit gebotenen Einzelfallprüfung ist aucheine im Einwirkungsbereich der Anlage bestehende Vorbelastungzu berücksichtigen (Sellner, a.a.O., RdNr. 126 zu § 16). Die gefor-derte Prognose verlangt einen erhöhten Grad an Zuverlässigkeitdergestalt, dass aus Sicht der zuständigen Behörde unter Berück-sichtigung aller Umstände kein vernünftiger Zweifel an der Uner-heblichkeit der nachteiligen Auswirkungen mehr bestehen darf(Czajka, a.a.O., RdNr. 66 zu §,16; Sellner, a.a.O., RdNr. 127 zu § 16).

Nach diesen Maßstäben ist die von der Regierung aufgrund dervorgelegten Unterlagen zum Änderungsantrag und der eingehol-ten Sachverständigengutachten getroffene verfahrensbezogeneFeststellung, dass von den beantragten Änderungen keine erhebli-chen nachteiligen Auswirkungen auf die in § 1 BImSchG genann-ten Schutzgüter zu besorgen sind, rechtlich nicht zu beanstanden.(…) Zweifel an diesen Feststellungen des Fachgutachters bestehenaus Sicht des Gerichts nicht; auch die Klägerin hat deren Richtig-keit im Laufe des Klageverfahrens nicht substantiiert in Frage stel-len können. Zu den von ihr bzw. ihren Sachbeiständen getroffe-nen Aussagen über mögliche Auswirkungen der Änderungen istim Einzelnen Folgendes auszuführen: (...)

3.1.4. Die mangels »erheblicher nachteiliger Auswirkungen«nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG entbehrliche Öffentlichkeitsbe-teiligung im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der Änderungs-genehmigung musste auch nicht auf der Grundlage des Art. 15Abs. 1 IVU-RL stattfinden (Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24.9. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung derUmweltverschmutzung; ABI. EG Nr. L 257 vom 10.10.1996 S. 26).Danach treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnah-men, um sicherzustellen, dass Anträge auf Genehmigung neuerAnlagen oder wesentlicher Änderungen der Öffentlichkeitwährend eines angemessenen Zeitraums zugänglich gemacht wer-den, damit sie dazu Stellung nehmen kann, bevor die zuständigeBehörde ihre Entscheidung trifft. Eine unmittelbare Anwendungdieser Richtlinienbestimmung nach Ablauf der Umsetzungsfristam 30. Oktober 1999 (Art. 21 Abs. 1, Art. 22 IVU-RL) kam im vor-liegenden Änderungsgenehmigungsverfahren schon deshalbnicht in Betracht, weil der durch das Gesetz zur Beschleunigungund Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungs-verfahren vom 9. Oktober 1996 (BGBl I, 5. 1498) neu gefasste § 16Abs. 2 BImSchG jedenfalls bei europarechtskonformer Auslegungden Vorgaben der IVU-RL entspricht (vgl. Jarass, a.a.O., RdNr. 38azu § 16; Czajka, a.a.O., RdNrn. 78 und 80 zu § 16, Sellner, a.a.O.,RdNr. 133 zu § 16 BImSchG). Als »wesentlich« werden nämlichnach Art. 2 Nr. 10 b IVU-RL nur solche Änderungen eines Betriebsangesehen, die nach Auffassung der zuständigen Behörde erhebli-che nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelthaben können. Schon der eindeutige Wortlaut dieser Legaldefini-tion und die damit bezweckte Qualifizierung gegenüber »einfa-chen« Änderungen im Sinne des Art. 2 Nr. 10 a IVU-RL steht dervon der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 13. Mai2005 vertretenen erweiternden Auslegung zwingend entgegen, sodass für die hierzu beantragte Vorlage an den EuropäischenGerichtshof kein Anlass besteht. Aufgrund der speziellen Regelungin Art. 2 Nr. 10 b IVU-RL deckt sich der europa-rechtliche Termi-nus der »wesentlichen Änderung« seinem Inhalt nach nicht mitdem gleich lautenden, jedoch weiter zu verstehenden Begriff des §16 Abs. 1 BImSchG, sondern mit dem oben bereits näher bestimm-

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 544

VGH Kasse l , Verwal tungskosten be i Prüfung von pr ivaten A l t las tengutachten. | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 11/2005 | 545

ten Tatbestandsmerkmal des § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG. Da des-sen Voraussetzungen im vorliegenden Fall aus den schon genann-ten Gründen nicht vorlagen, bedurfte es auch aus Sicht der IVU-RLim Änderungsgenehmigungsverfahren keiner erneuten Öffent-lichkeitsbeteiligung.

3.1.5. Aus ähnlichen Gründen musste der Erteilung der Ände-rungsgenehmigung auch keine nochmalige Umweltverträglich-keitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorangehen. Nach § 3Abs. 1 UVPG 1990 i.V.m. Nr. 1 der Anlage zu § 3 UVPG 1990 warein solches Verfahren bei wesentlichen Änderungen einer dort imAnhang aufgeführten Anlage nur durchzuführen, wenn die zuerteilende Genehmigung eines Verfahrens unter Einbeziehung derÖffentlichkeit nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bedurfte. Letztereswar hier aber, wie oben gezeigt, nicht der Fall. Insoweit kann sichdie Klägerin auch nicht ergänzend auf die Richtlinie 97/11/EG desRates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie über dieUmweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen undprivaten Projekten (ABI. EG Nr. L 073 vom 14.3.1997 5. 5; UVP-ÄndRL 1997) berufen. (…) Die genaue Einordnung der Thermosel-ect-Anlage in die europarechtlichen Kategorien kann jedoch offenbleiben, da das zum Genehmigungsbescheid vom 21. Mai 2001führende Verfahren aus den oben dargelegten Gründen keineNeuerrichtung, sondern nur Modifizierungen einer bereitsbehördlich zugelassenen Anlage zum Gegenstand hatte, für dieauch schon ein vollständiges UVP-Verfahren durchgeführt wor-den war. Für Änderungen eines solchen bereits genehmigten Pro-jekts des Anhangs 1 oder 2 der UVP-RL 1985 in der Fassung derUVP-ÄndRL 1997 kommt aber nach Ziffer 13 des dortigenAnhangs II eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung vonvornherein nur in Betracht, wenn diese Änderungen erheblichenachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Dass eshieran im vorliegenden Fall fehlte, wurde bereits ausführlich dar-gelegt (3.1.3). (…)

Verwaltungskosten bei Prüfung von privatenAltlastengutachten

VGH Kassel, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 ZU 3645/04

Leitsatz:Für die als »Maßnahme« der zuständigen Behörde in einembodenschutzrechtlichen Verfahren nach § 9 Abs. 1 des Bundes-bodenschutzgesetzes (BBodSchG) in Erscheinung tretendePrüfung eines vorgelegten Gutachtens können auf Grund derbundesrechtlichen Kostentragungsregelung in § 24 Abs. 1BBodSchG Verwaltungskosten nach dem Verwaltungskosten-gesetz des Landes nicht erhoben werden.Vorinstanz: VG Darmstadt – 3 E 2221/02 (4)

Aus den Gründen:(…) Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die Heranziehungzu Verwaltungskosten in Höhe von 220,– € für die Prüfung desdem Regierungspräsidium Darmstadt von der Klägerin vorgeleg-ten Berichts zur orientierenden Untersuchung des DB-StandortsDarmstadt-Eberstadt mit der Begründung stattgegeben, dass dieseHeranziehung im Hessischen Verwaltungskostengesetz (HVw-KostG) in der Fassung vom 3. Januar 1995, GVBl. I S. 2, und in derVerwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministe-riums für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten in Verbindung mitNr. 16518 des dazu ergangenen Verwaltungskostenverzeichnisseskeine Rechtsgrundlage finde, da das Regierungspräsidium auf-grund seiner Zuständigkeit aus § 9 Abs. 1 des Bundesbodenschutz-gesetzes (BBodSchG) vom 17. März 1998, BGBl. I S. 502, gehandelthabe und die aus § 24 Abs. 1 BBodSchG für solches Handeln abzu-

leitende Kostenfreiheit des betroffenen Grundstückseigentümersder Erhebung von Kosten für eine kostenauslösende Amtshand-lung nach Maßgabe des Landesrechts entgegenstehe. Mit seinenAusführungen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel wen-det sich das beklagte Land sowohl gegen die Annahme behördli-chen Handelns nach § 9 Abs. 1 BBodSchG als auch gegen die dar-aus gezogene Folgerung der Kostenfreiheit für die Klägerin. In bei-den Punkten ergeben sich indessen für den Senat keineernstlichen Zweifel, die eine Zulassung der Berufung gegen daserstinstanzliche Urteil rechtfertigen können.

Nicht zu folgen vermag der Senat zunächst der in der Antragsbe-gründung zum Ausdruck gebrachten Auffassung, bei der Stellun-gnahme des Regierungspräsidiums zu dem ihm vorgelegten Gut-achten handele es sich um eine Amtshandlung a u ß e r h a l b desVerfahrens nach § 9 Abs. 1 BBodSchG. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BBod-SchG soll die zuständige Behörde bei Vorliegen von Anhaltspunk-ten für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast »zurErmittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen ergrei-fen«. Der Beklagte meint, dass von einer behördlichen Tätigkeit indiesem Sinne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ausgegan-gen werden könne, weil das Gutachten von der Klägerin selbst imRahmen ihres Projekts »ökologische Altlasten« erarbeitet und vor-gelegt worden sei. Ihr Interesse hierbei habe nicht dem an derGefahrenabwehr orientierten Vollzug des Bundesbodenschutzge-setzes, sondern der Bewertung ihrer möglicherweise belastetenGrundstücke für die Erstellung der Bilanz der Deutschen Bahn AGgegolten. Das Regierungspräsidium Darmstadt habe daher seiner-seits mit der Prüfung des erstellten und vorgelegten Gutachtenslediglich eine Dienstleistung im Interesse der Klägerin erbracht.Dieser Argumentation ist in Übereinstimmung mit den Aus-führungen des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Urteilentgegenzuhalten, dass das von den Beteiligten praktizierte Ver-fahren dem vom Hessischen Umweltministerium im Einverneh-men mit der Klägerin entwickelten bodenschutzrechtlichen Ver-waltungsverfahren zur optimierten Bearbeitung von Altlastenfäl-len entspricht. Die Tätigkeit der Behörden soll sich danach auf dieBewertung und Überprüfung von Gutachten konzentrieren, diedie Grundstückseigentümer bzw. die Sanierungswilligen auf derGrundlage von in eigener Sachkenntnis und Verantwortung aus-geführten Vorarbeiten und Untersuchungen erstellen lassen undvorlegen. Der in § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG verwendete Begriff derMaßnahmen der zuständigen Behörde zur Ermittlung des Sachver-halts schließt ein derartiges Vorgehen nicht aus. Das Gesetz stelltauf »geeignete« Maßnahmen ab und lässt damit auch eine alsMitwirkungs- oder Vorbereitungshandlung sich äußernde »Ein-bindung« des betroffenen Grundstückseigentümers in die behörd-liche Aufgabenerfüllung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung(»Verfahrensoptimierung«) zu. Die Bewertung der vom Regie-rungspräsidium Darmstadt bei der Überprüfung des vorgelegtenGutachtens entfalteten Tätigkeit als Aufgabenerfüllung nach § 9Abs. 1 BBodSchG scheitert nicht etwa, wie der Beklagte meint, dar-an, dass der Behörde bei diesem Vorgehen keine »Anhaltspunkte«für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorgelegenhätten. Die erforderlichen Anhaltspunkte ergaben sich bereits dar-aus, dass nach den im Gutachten dargestellten historischenErkundungen der Klägerin auf den betroffenen Flächen kritischeumweltrelevante Nutzungen stattgefunden hatten, die wiederumeinen Untersuchungsbedarf auf der Stufe des § 9 Abs. 1 BBodSchG– Prüfung des Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für den hinrei-chenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Alt-last im Sinne des § 9 Abs. 2 BBodSchG – auslösten. Dass die Prü-fung vorgelegter Gutachten durch die staatlichen Umweltämtereinen »Altlastenanfangsverdacht«, damit »Anhaltspunkte« imSinne des § 9 Abs. 1 BBodSchG erfordert, wird in dem den staatli-

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 545

R E C H T S P R E C H U N G | VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M.

546 | ZUR 11/2005

chen Umweltämtern zugeleiteten Hinweisblatt für die optimierteBearbeitung von Altlastenfällen erkennbar vorausgesetzt. Darinheißt es nämlich, dass Flächen, die nach der vorgenannten Bewer-tung keinen Altlastenanfangsverdacht ergeben, den staatlichenUmweltämtern gar nicht erst zur Prüfung vorgelegt werden sollen.Nur dann, wenn ein Altlastenanfangsverdacht zu bejahen ist, sindden staatlichen Umweltämtern die Ergebnisse der erprobungslo-sen Erkundung, das dazugehörige Gutachten und die Bewertungder Verunreinigungen zusammen mit dem Gutachten der orien-tierenden Untersuchung zu übergeben (Ziff. 4 des Ablaufs der ver-fahrensoptimierten Altlastenbearbeitung im Hinweisblatt). Damitist gewährleistet, dass die Prüfung der Gutachten durch die staatli-chen Umweltämter auch tatsächlich als »Maßnahme« im Vollzugdes § 9 Abs. 1 BBodSchG erfolgt. Das gleichzeitig bestehende Eige-ninteresse der Klägerin an der Überprüfung des von ihr vorgeleg-ten Gutachtens, wie es sich allein darin ausdrückt, dass sie bereitwar, das Gutachten auf eigene Kosten erstellen zu lassen, ist unterdiesen Umständen der Annahme einer nach § 9 Abs. 1 BBodSchGentfalteten behördlichen Tätigkeit nicht hinderlich. Das Verwal-tungsgericht führt insoweit zutreffend aus, dass sich die Behördein nicht zu beanstandender Weise »im Interesse eines vorbeugen-den Wasser- und Bodenschutzes die grundsätzliche Bereitschaftder Klägerin, unbeschadet konkret bestehender Rechtspflichten inden konkreten Einzelfällen das Gefahrenpotential präventiv abzu-klären, z u N u t z e g e m a c h t hat.

Davon ausgehend, dass sich die Überprüfung des vorgelegtenGutachtens durch das Regierungspräsidium Darmstadt als behörd-liche Tätigkeit im Rahmen des § 9 Abs. 1 BBodSchG darstellt, stößtauch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, bei bundes-rechtskonformer Auslegung des § 24 BBodSchG verbiete sich hier-für die Erhebung von Kosten nach dem Hessischen Verwaltungs-kostengesetz, auf keine durchgreifenden Bedenken. Nach § 24Abs. 1 Satz 1 BBodSchG sind die Kosten u.a. der nach § 9 Abs. 2BBodSchG angeordneten Maßnahmen von den »zur Durch-führung Verpflichteten zu tragen«. Bei den angeordneten Maß-nahmen handelt es sich »um die notwendigen Untersuchungenzur Gefährdungsabschätzung«, die von den in § 4 Abs. 3, 5 und 6BBodSchG genannten Personen durchzuführen sind, wenn sichaufgrund der an einen Anfangsverdacht anknüpfenden behördli-chen Ermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG »aufgrund konkreterAnhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichenBodenveränderung oder einer Altlast« ergeben hat. Bestätigen indiesem Fall die angeordneten Untersuchungen den Verdachtnicht oder liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 vor, sind denzur Untersuchungen Herangezogenen die Kosten zu erstatten,wenn sie die den Verdacht begründende Umstände nicht zu ver-treten haben (§ 24 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG). Aus der in § 24 Abs. 1Satz 1 BBodSchG geregelten Kostentragungspflicht für nach § 9Abs. 2 BBodSchG angeordnete Maßnahmen folgt im Umkehrs-chluss, dass die Kosten für ergriffene Maßnahmen im Stadium des§ 9 Abs. 1 BBodSchG nicht auf den betroffenen Grundstücksei-gentümer abgewälzt werden können, somit von der Allgemeinheitaufzubringen sind. In diesem Punkt sind sich die Beteiligten auchgrundsätzlich einig. Der Beklagte meint freilich, dass von derKostenfreiheit der nach § 9 Abs. 1 BBodSchG ergriffenen Maßnah-men die Verwaltungskosten unberührt blieben, die aus Anlasseiner von der Behörde im Rahmen ihrer Tätigkeit nach § 9 Abs. 1BBodSchG getroffenen Amtshandlung anfielen und nach Maßga-be des Verwaltungskostengesetzes des Landes zu erheben seien.Das Verwaltungsgericht verkenne, soweit es aus § 24 Abs. 1 BBod-SchG eine »Sperrwirkung« für die Erhebung von Kosten nach Lan-desrecht im Bereich des § 9 Abs. 1 BBodSchG ableite, den Unter-schied zwischen den in § 24 Abs. 1 geregelten Kosten für dieDurchführung von Maßnahmen (»Maßnahmedurchführungsko-

sten«) und den Verwaltungskosten aus Anlass der Vornahmebehördlicher Amtshandlungen. Es handele sich insoweit umunterschiedliche Gegenstände, so dass die Kostenfreiheit für Maß-nahmen nach § 9 Abs. 1 BBodSchG nichts über die Kostentragungbei nach Landesrecht kostenpflichtigen Amtshandlungen aussage.Diese Argumentation des Beklagten trägt der Koinzidenz vonMaßnahme- und Verwaltungskosten nicht Rechnung, zu der es imvorliegenden Fall aufgrund des hier praktizierten »optimierten«bodenschutzrechtlichen Verfahrens eben dadurch kommt, dassdie »Maßnahme« im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 9 Abs.1 BBodSchG in der Überprüfung und Bewertung eines von der Klä-gerin vorgelegten Gutachtens, damit der äußeren Form nach ineiner »Amtshandlung« im Sinne des Hessischen Verwaltungsko-stengesetzes besteht. Aufgrund dieses Zusammenfallens sind diefür die Prüfung des Gutachtens anzusetzenden Kosten nichtsanderes als – zugleich – Kosten der in diesem Fall ergriffenenbehördlichen Maßnahme. Die auf die ergriffenen Maßnahmenbezogene bundesrechtliche Kostenfreiheit im Stadium der behörd-lichen Ermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG lässt damit die Mög-lichkeit der Erhebung von Verwaltungskosten nach Landesrechtentfallen. Die bodenschutzrechtliche Gesetzgebungszuständigkeitdes Bundesgesetzgebers für die Kostentragung erweist sich imBereich der genannten Überschneidung mit dem Landesrecht alsvorrangig, so dass in der Tat, wie die Klägerin in ihrer Antragserwi-derung zu Recht geltend macht, § 24 Abs. 1 BBodSchG im vorlie-genden Fall eine Kostenerhebung nach Landesrecht »sperrt«. (…)

A-380-Wartungshalle Flughafen Frankfurt/M.

VGH Kassel, Urteil vom 28. Juni 2005 – 12 A 8/05

Leitsätze:1. Für Gebiete, die von den nationalen Stellen an die Kommission

gemeldet, die aber noch nicht in die Liste der Gebiete vongemeinschaftlicher Bedeutung nach der FFH-Richtlinie aufge-nommen worden sind, gilt auch nach dem Urteil des EuGHvom 13.01.2005 (C-117/03 – Timavo-Mündung bei Mon-falcone –) kein striktes Verschlechterungsverbot in dem Sinne,dass Projekte, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung derErhaltungsziele führen können, generell unzulässig sind undauch nicht im Wege einer Ausnahmeentscheidung nach Art. 6Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie zugelassen werden können. DasSchutzregime, das nach dem oben zitierten Urteil für gemel-dete FFH-Gebiete gilt, ist jedenfalls dann gewahrt, wenn dieVoraussetzungen für eine Ausnahmeentscheidung nach Art. 6Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie (§ 20d HENatG) vorliegen.

2. (...)

Aus dem Tatbestand:Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverein, begehrt mit seinerKlage die Aufhebung des Beschlusses des Hessischen Ministeriumsfür Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. Novem-ber 2004, durch den im Wesentlichen die Errichtung einer War-tungshalle für das Großraumflugzeug Airbus A 380 am Verkehrs-flughafen Frankfurt/Main planfestgestellt worden ist. Dem liegtder Antrag der Beigeladenen, der Betreiberin des Flughafens Frank-furt/Main, vom 29. Januar 2003 in der Fassung vom 14. Juli 2004zugrunde. Nach der Planung soll unter Erweiterung des Flughafen-geländes nach Süden in einem Bereich zwischen dem bisherigenTor 31 und der Startbahn 18 West westlich der CargoCity Süd eineReihe von baulichen Maßnahmen durchgeführt werden. Nebendem Neubau einer Flugzeugwartungshalle mit einer Länge von350 m, einer Breite von 140 m und einer Höhe von 45 m ist derNeubau eines Lagergebäudes, die Errichtung eines Regenrückhal-

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 546

VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M. | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 11/2005 | 547

tebeckens, die Herstellung einer Vorfeldfläche und eines Zuroll-wegs sowie die Verlegung der »Okrifteler Straße« und des beste-henden Tores 31 von der Maßnahme umfasst.

Die durch das Vorhaben in Anspruch genommene Fläche vonetwa 23 ha ist Teil eines Waldgebietes, das nach nationalem Rechtteilweise als Bannwald (StAnz. 1986, S. 2592; 1988, S. 1760) undals Landschaftsschutzgebiet (»Grüngürtel und Grünzüge in derStadt Frankfurt/Main«, StAnz. 1998, 3158) geschützt ist. Die Vor-habensfläche ist darüber hinaus Teil eines Gebietes, das vom LandHessen nach der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildle-benden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – FFH-RL –) als Gebiet 5917-304 »Mark- und Gundwald zwischen Rüs-selsheim und Walldorf« an die EU-Kommission gemeldet ist. ImSüden grenzt die Vorhabensfläche außerdem an das derzeit nachder Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über dieErhaltung der wildlebenden Vogelarten (VS-RL) als Landschafts-schutzgebiet ausgewiesene (StAnz. 2004, S. 2853) Vogelschutzge-biet »Mark- und Gundwald zwischen Rüsselsheim und Walldorf«.

(...)

Aus den Gründen:(...)

Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 4Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979,zuletzt geändert durch Richtlinie 97/49/EWG vom 29. Juli 1997,über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Vogelschutz-richtlinie (VS-RL). Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VS-RL treffen die Mit-gliedstaaten in den Schutzgebieten geeignete Maßnahmen, umdie Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowiedie Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungendieses Artikels (insbesondere nach Abs. 1 Unterabs. 3) erheblichauswirken, zu vermeiden. Diese Bestimmung setzt auch der luft-verkehrsrechtlichen Fachplanung strikte rechtliche Schranken,die im Wege der fachplanerischen Abwägung nicht überwundenwerden können (vgl. zur straßenrechtlichen Fachplanung: BVer-wG, Urteil v. 01.04.2004 – 4 C 2.03 –, ZUR 2004, 289, 291).

Das an das Vorhaben angrenzende Vogelschutzgebiet ist durchdie Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt über dasLandschaftsschutzgebiet »Mark- und Gundwald zwischen Rüssels-heim und Walldorf« vom 18. August 2004 (StAnz. S. 2853) entge-gen der Auffassung des Klägers wirksam ausgewiesen. Diese Verord-nung erfüllt die formellen und materiellen Voraussetzungen füreine Erklärung zu einem besonderen Schutzgebiet im Sinne vonArt. 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992,zuletzt geändert durch Richtlinie 97/62/EG vom 27. Oktober 1997,zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildleben-den Tiere und Pflanzen – Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) –und stellt eine endgültige rechtsverbindliche Entscheidung mitAußenwirkung dar mit der weiteren Folge, dass das Schutzregimedes Art. 4 Abs. 4 VS-RL durch das nach Art. 6 FFH-RL abgelöst wird(vgl. EuGH, Urteil v. 06.03.2003 – C-240/00; Urteil v. 07.12.2000 –C-374/98; BVerwG, Urteil v. 01.04.2004 – a.a.O., S. 291). [ wird aus-geführt, auf den Abdruck wird verzichtet; die SchrLtg.]

Der Planfeststellungsbeschluss verstößt auch nicht dadurchgegen Europäisches Vogelschutzrecht, dass der Bereich zwischendem Flughafen und der Nordgrenze des Landschaftsschutzgebiets,in dem das Vorhaben verwirklicht werden soll, als sogenanntes»faktisches« Vogelschutzgebiet einzustufen und das Vorhabenschon deshalb unzulässig ist; die Gebietsabgrenzung ist vielmehraus ornithologisch-fachlicher Sicht vertretbar: [wird ausgeführt;auf den Abdruck wird verzichtet; die SchrLtg]

Das Vorhaben ist – gemessen an den Anforderungen nach Art. 6Abs. 2, 3 und 4 FFH-RL, § 20d HENatG, § 34 BNatSchG, die gemäß

Art. 7 FFH-RL für ausgewiesene Vogelschutzgebiete an die Stelleder Pflichten aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VS-RL treten – mit den Schutz-zielen für das Vogelschutzgebiet verträglich, da es mit keinenerheblichen Beeinträchtigungen der in § 2 der Verordnung überdas Landschaftsschutzgebiet vom 18. August 2004 genanntenErhaltungsziele verbunden ist.

Schutzzweck des Gebietes ist nach § 2 Abs. 1 der Verordnungvom 18. August 2004 vor allem die Erhaltung und Wiederherstel-lung von Lebensräumen der Vogelarten Schwarzspecht, Mittel-specht, Grauspecht, Neuntöter und Heidelerche. Als Erhaltungszielbestimmt § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 18. August 2004 dieErhaltung der Habitate der in Abs. 1 aufgeführten Arten, insbeson-dere der bodensauren Eichenwälder auf Sandebenen, der Mischbe-stände aus Kiefer, Buche und Eiche, sowie von strukturreichenWaldrandflächen mit jeweils ausreichendem Altholzanteil. Unmit-telbare Auswirkungen hierauf hat das Vorhaben nicht. Der Ein-griffsbereich liegt außerhalb des Gebiets, so dass eine Flächeninan-spruchnahme nicht erfolgt. Das Vorhaben rückt allerdings unmit-telbar an die Grenze des Europäischen Vogelschutzgebiets heran.Die sich daraus ergebenden mittelbaren Einwirkungen von außenauf das Vogelschutzgebiet durch Lärm-, Licht- und Schadstoffim-missionen und optische Störwirkungen sind von der Planfeststel-lungsbehörde zutreffend als unerheblich bewertet worden. Nachden oben zitierten naturschutzfachlichen Erhebungen haben einebeträchtliche Zahl von Paaren des Mittel- und Schwarzspechtssowie der anderen wertgebenden Vogelarten ihre Brutreviere in derNähe des Flughafengeländes und insbesondere in der Nähe derStartbahn 18 bezogen. Das bestätigt die von der Planfeststellungs-behörde angenommene sehr geringe Lärmempfindlichkeit der imUmfeld des Flughafens lebenden Vogel-Individuen. In Relation zuder tatsächlichen Lärmvorbelastung kommt es durch das Vorhabennur zu einer geringfügigen Änderung der Lärmsituation.

Für die Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebietes durch denLichteinfall und durch Schadstoffimmissionen infolge des Werft-betriebes gilt im Ergebnis nichts anderes. Eine relevante Ver-schlechterung der Habitatqualität ist mit dem Vorhaben nicht ver-bunden. Der Erhaltungszustand der geschützten Arten wird nichtin erheblicher Weise beeinträchtigt. Die Bewertung der vorhabens-bedingten Umweltbeeinträchtigungen auf das Vogelschutzgebietals nur unerheblich gilt auch im Hinblick auf zu berücksichtigendeSummationseffekte. Dabei hat die Planfeststellungsbehörde zuRecht die im Bau befindliche CCT-Werft im Wege einer summati-ven Betrachtung berücksichtigt. Infolge der Geringfügigkeit derBeeinträchtigungen durch die CCT-Werft – insbesondere durchLärm und Licht – führt auch die kumulative Betrachtung im Rah-men der Prüfung der A 380-Werft nicht zu einer insgesamt erhebli-chen Einwirkung auf das Vogelschutzgebiet. Schließlich ist es nichtzu beanstanden, dass die Planfeststellungsbehörde den Gesamtaus-bau hier nicht in die Prüfung einbezogen hat. Darauf ist im Zusam-menhang mit der FFH-Verträglichkeit näher einzugehen.

Der Planfeststellungsbeschluss ist auch rechtmäßig, soweit erdas Vorhaben für vereinbar mit den Anforderungen erklärt, diesich aus dem FFH-Recht ergeben.

Die Vorhabensfläche gehört zum Gebiet »Mark- und Gundwaldzwischen Rüsselsheim und Walldorf«, das im August 2004 vomLand Hessen auf Grund seiner Ausstattung mit nichtprioritärenLebensräumen und Tierarten von gemeinschaftlichem Interessenach Anhang I und II der FFH-RL der EU-Kommission gemeldetwurde. Solange eine Aufnahme des Gebietes in die Kommissionsli-ste noch nicht erfolgt ist (in einer ersten Liste von Gebieten vongemeinschaftlicher Bedeutung der kontinentalen biogeografi-schen Region, die von der Kommission bekannt gegeben wordenist – Abl. EG 2004 L 382, S. 1 –, ist das Gebiet DE 5917-304 »Mark-und Gundwald zwischen Rüsselsheim und Walldorf« noch nicht

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 547

R E C H T S P R E C H U N G | VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M.

548 | ZUR 11/2005

enthalten), handelt es sich um ein sog. potenzielles FFH-Gebiet.Die Gesamtfläche dieses Gebietes umfasst etwa 796 ha. Das Vorha-ben reicht an der nördlichen Grenze mit einem Umfang von ca. 23ha in dieses Gebiet hinein.

Das FFH-Regime lässt seinen Schutz grundsätzlich nicht mit derMeldung, sondern erst mit der Aufnahme eines Gebietes in dieGemeinschaftsliste beginnen (Art. 4 Abs. 5 FFH-RL, § 34 Abs. 1i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG). Es handelt sich mithin bei demGebiet »Mark- und Gundwald zwischen Rüsselsheim und Wall-dorf« noch nicht um ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeu-tung, so dass Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL und § 20d Abs. 2 HENatGkeine unmittelbare Anwendung findet. Für solche potenziellenFFH-Gebiete besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts grundsätzlich lediglich eine aus Art. 10 EGV herge-leitete Verpflichtung zur Stillhaltung, die verlangt, dass Gebiete,deren Schutzwürdigkeit nach der FFH-RL auf der Hand liegt, nichtzerstört oder so nachhaltig beeinträchtigt werden, dass sie für eineMeldung nicht mehr in Betracht kommen. Bei dieser »Stillhalte-verpflichtung« als materiellem Schutzstatus auf der Grundlage desGemeinschaftsrechts ist maßgeblich, ob das Gebiet nach Durch-führung des Eingriffs bzw. Vorhabens noch FFH-würdig ist (BVer-wG, Urteil v. 27.10.2000 – 4 A 18.99 –, BVerwGE 112, 140, 157).Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-richts sollte das Schutzniveau eines potenziellen FFH-Gebiets dar-über hinaus von der Wahrscheinlichkeit der Aufnahme desGebiets in die Kommissionsliste abhängen (vgl. BVerwG, Urteil v.17.05.2002 – 4 A 28.01 –, BVerwGE 116, 254, 257). Wenn sich dieAufnahme eines potenziellen FFH-Gebietes in die Kommissionsli-ste aufdränge – so das Bundesverwaltungsgericht –, sollte dieZulässigkeit eines dieses Gebiet berührenden Vorhabens an denAnforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen sein.Wenn die Aufnahme in die Kommissionsliste nicht hinreichendsicher prognostiziert werden könne, verbleibe es bei dem Verbot,das Gebiet so nachhaltig zu beeinträchtigen, dass es für eine Auf-nahme in die Kommissionsliste nicht mehr in Betracht kommt.Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Frage, ob sich eine Auf-nahme in die Kommissionsliste aufdrängt, in seiner Rechtspre-chung danach unterschieden, ob Gebiete mit prioritären natürli-chen Lebensräumen bzw. Arten oder solche mit nichtprioritärenLebensräumen oder Arten betroffen sind.

In seinem Urteil vom 13. Januar 2005 (C-117/03) hat derEuropäische Gerichtshof klargestellt, dass die in Art. 6 Abs. 2 bis 4der FFH-RL vorgesehenen Schutzmaßnahmen – wie sich dies auchaus dem Wortlaut (»sobald«) des Art. 4 Abs. 5 FFH-RL ergibt –, nurfür Gebiete getroffen werden müssen, die von der Kommission derEuropäischen Gemeinschaften in die nach dem Verfahren des Art.21 der FFH-RL festgelegte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicherBedeutung aufgenommen worden sind. In Bezug auf die gemelde-ten, aber noch nicht aufgenommenen Gebiete verpflichtet derEuGH die Mitgliedstaaten lediglich »Schutzmaßnahmen zu ergrei-fen, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Erhal-tungsziel geeignet sind, die erhebliche ökologische Bedeutung, diediesen Gebieten auf nationaler Ebene zukommt, zu wahren«.

Diesem Schutzregime für gemeldete FFH-Gebiete wird der Plan-feststellungsbeschluss vom 26. November 2004 gerecht, ohne dasses darauf ankommt, welche Maßnahmen im Einzelnen als geeig-net im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen sind. Die Planfest-stellungsbehörde hat hier, um auf der sicheren Seite zu stehen, denPlan für die Errichtung der A 380-Werft an dem Schutzstandarddes Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL (bzw. an § 20d Abs. 1 bis 3 HENatG)gemessen. Damit hat sie einen strengeren Maßstab angelegt alsnach der Rechtsprechung des EuGH geboten ist.

Deshalb ist das Verfahren auch nicht auf Antrag des Klägers inentsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen. Das

vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Ent-scheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Januar 2005eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV(Bay. VGH, Beschluss v. 19.04.2005 – 8 A 02.40040 u.a.) ist für dieEntscheidung im vorliegenden Verfahren nicht vorgreiflich. DerVerwaltungsgerichtshof fragt in diesem Verfahren den EuGH, wel-ches Schutzregime für potenzielle und gemeldete, aber noch nichtin die Gemeinschaftsliste aufgenommene Gebiete, insbesonderesolche mit prioritären Lebensräumen und Arten gilt und ob einnationales Schutzregime entsprechend Art. 48 Abs. 2 des Bayeri-schen Naturschutzgesetzes (Sicherstellungsverordnung fürSchutzgebiete) den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben genügt.Der EuGH hat vielmehr in seinem Urteil vom 13. Januar 2005 –wenn auch unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe –bereits entschieden, welches Schutzregime in diesen Fällen gilt.

Die Auffassung des Klägers, zu der er sich auf das zu den Gericht-sakten gereichte Skript eines Aufsatzes von Gellermann stützt,eine Ausnahmezulassung sei bei gemeldeten FFH-Gebieten gene-rell nicht möglich und es gelte ein absolutes Verschlechterungs-verbot oder eine Art Veränderungssperre, findet in der Entschei-dung des Europäischen Gerichtshofs keine Stütze. Der EuGH hatden Schutzstatus, der für in die Kommissionsliste eingetrageneGebiete gilt, für gemeldete Gebiete ausdrücklich verneint unddemgegenüber lediglich einen »angemessenen Schutz« verlangt,der im Vergleich zum eventuellen späteren Schutz nach Art. 6 Abs.2 bis 4 FFH-RL keinen strengeren Maßstab, sondern ein »weniger«darstellt (vgl. Schütz, UPR 2005, 137, 140).

Der Kläger ist der Auffassung, der EuGH habe dadurch, dass ersich der von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vertre-tenen Auffassung nicht angeschlossen habe, zu erkennen gege-ben, dass er einen strengeren Maßstab anlege und die Rechtspre-chung zu den faktischen Vogelschutzgebieten anwende. Dem ver-mag sich der Senat nicht anzuschließen. Sowohl der Grundtenorder Entscheidung als auch die Wortwahl des Gerichts bei der For-mulierung des einzuhaltenden Schutzstandards sprechen für eingegenüber Art. 6 FFH-RL herabgesetztes Schutzregime. Die Festle-gung eines Schutzstatus vergleichbar mit dem Verschlechterungs-verbot nach Art. 4 Abs. 4 VS-RL liegt auch deshalb fern, weil dasstrikte Verbot von Veränderungen bei den sogenannten faktischenVogelschutzgebieten als eine Art Sanktion für ein mitgliedstaatli-ches Fehlverhalten, nämlich die langjährige Nichtausweisungeines Vogelschutzgebietes, dienen sollte. Eine solche Sanktions-wirkung ist aber bei FFH-Gebieten in der Phase der Meldung nichtsachgerecht, da die Verfahrensgestaltung und auch die Dauer desEntscheidungsprozesses in diesem Fall bei der Kommission liegtund der jeweilige Mitgliedstaat jedenfalls zu diesem Zeitpunkt dasfür die Ausweisung seinerseits Erforderliche getan hat.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen bloß gemeldeten FFH-und faktischen Vogelschutzgebieten liegt auch darin, dass Gebiete,die tatsächlich zu den »geeignetsten« im Sinne des Art. 4 Abs. 1Unterabs. 3 VS-RL gehören, unmittelbar, das heißt, ohne einenErmessensspielraum und ohne eine behördliche Entscheidung,den Status eines Vogelschutzgebietes erlangen und solange demstrengen Regime des Art. 4 Abs. 4 VS-RL unterworfen sind, bis sieinfolge einer förmlichen Ausweisung über Art. 7 FFH-RL den milde-ren Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL unterfallen.Demgegenüber erlangen Gebiete, die die tatsächliche Eignungdafür aufweisen, ihren Rechtsstatus als FFH-Gebiet nicht zwangläu-fig, sondern erst im Wege einer Ermessensentscheidung. Trotz dertatsächlichen Eignung kann die Kommission – z. B. aus wirtschaft-lichen Gründen – von der Ausweisung absehen. Eine - gleichsamvorwirkende – Anwendung des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL auf ledig-lich gemeldete Gebiete (wie sie das Bundesverwaltungsgericht fürprioritäre Arten oder Lebensräume und die Generalanwältin in

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 548

VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M. | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 11/2005 | 549

ihren Schlussanträgen in der Rechtssache C-117/03 für alle gemel-deten Gebiete fordern) hat der EuGH in seinem Urteil vom 13.Januar 2005 in der Sache abgelehnt, indem er auf die Verpflichtungder Mitgliedstaaten zur Anwendung eines geeigneten, die ökologi-sche Bedeutung des Gebiets wahrenden Schutzkonzeptes hinge-wiesen hat. Die Anforderungen an ein angemessenes Schutzregimeim Einzelnen ergeben sich nach Maßgabe des nationalen Rechtsaus den Umständen des Einzelfalles. Diesen Anforderungen wirdder Planfeststellungsbeschluss vom 26. November 2004 gerecht.

Bei der Prüfung der Verträglichkeit des Vorhabens mit den fürdas FFH-Gebiet festgelegten Erhaltungszielen hat die Planfeststel-lungsbehörde dem Zusammenwirken der A 380-Werft mit ande-ren Projekten zutreffend Rechnung getragen. Sie geht im Planfest-stellungsbeschluss grundsätzlich davon aus, dass die von dem Vor-haben ausgehenden Beeinträchtigungen zusammen mit den vondem Werftbereich der Condor Cargo Technik GmbH (CCT-Werft)verursachten Umwelteinwirkungen, aber ohne Berücksichtigungdes geplanten Gesamtausbaus des Flughafens Frankfurt/Main zuberücksichtigen sind (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 196 bis198). Diese Einschätzung ist rechtlich nicht zu beanstanden:

Das Projekt A 380-Werft steht in einem planerischen Zusammen-hang sowohl mit der Anlage der CCT-Werft als auch mit demGesamtausbau des Flughafens. Mit der Errichtung der A 380-Werftund der bereits im Bau befindlichen CCT-Werft soll der zusammen-gehörige »Wartungsbereich Süd« für insbesondere die im interkon-tinentalen Flugverkehr eingesetzten Flugzeugmuster (Long RangeFlotte) realisiert werden. Die CCT-Werft ist – ohne spezielleUmweltverträglichkeitsprüfung – durch Plangenehmigung desHessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesent-wicklung vom 14. November 2003 zugelassen worden; die gegendie Plangenehmigung erhobene Anfechtungsklage des Klägers desvorliegenden Verfahrens ist in der Revisionsinstanz anhängig.

Die A 380-Werft war – allerdings in leicht veränderter Lage – alsTeil der Gesamtausbauplanung Gegenstand des Raumordnungs-verfahrens, das mit der »Landesplanerischen Beurteilung« vom10. Juni 2002 abgeschlossen worden ist. Der Plan für den Gesamt-ausbau sieht neben der Herstellung einer weiteren Landebahnnordwestlich des Flughafens die Errichtung eines dritten Termi-nals im Süden des Flughafens auf dem Gelände vor, das derzeitvon den amerikanischen Streitkräften genutzt wird (Air Base). DieBeigeladene hat die A 380-Werft mit der Begründung aus demGesamtausbauplan ausgeklammert und vorgezogen, dass bereitsim Jahr 2007 Flugzeuge des Typs A 380 am Flughafen Frankfurt/Main stationiert sein würden und deshalb eine Wartungseinrich-tung für diese Flugzeugmuster dringend benötigt werde.

Es unterliegt keinen grundsätzlichen Bedenken, eine angestrebteGesamtkonzeption in einzelnen Schritten, Stufen oder Abschnittenplanerisch umzusetzen. Die Aufteilung einer Gesamtkonzeption ineinzelne Planungsabschnitte muss aber ihrerseits den Erfordernis-sen des Abwägungsgebots und – erst recht – strikten Rechtsbindun-gen gerecht werden. Schon aus diesem Aspekt ergibt sich, dass beider Ermittlung und Bewertung der von der A 380-Werft ausgehen-den Beeinträchtigungen auch diejenigen Umwelteinwirkungenkumulativ einzubeziehen sind, die durch die CCT-Werft verursachtwerden, zumal dieses Projekt ohne spezielle Umweltverträglichkeit-sprüfung im Wege der Plangenehmigung zugelassen worden ist.Infolge der abschnittsweisen Zulassung darf nicht ausgeblendetwerden, dass von beiden Projekten jeweils für sich betrachtet mögli-cherweise keine erheblichen Beeinträchtigungen für das FFH-Gebietzu erwarten sind, während aber die Erheblichkeitsschwelle durchein Zusammenwirken der Vorhaben überschritten werden kann.Dieser Gedanke liegt auch der Regelung über das Zusammenwirkenvon Projekten und Plänen in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL zugrunde (vgl. Zif-

fer 4.4.3 der von der Europäischen Kommission herausgegebenenLeitlinie »Natura 2000 – Gebietsmanagement«).

Dementsprechend werden auch bei der Entscheidung über dieZulassung des Gesamtausbauplans die unmittelbar durch diesesVorhaben ausgelösten Beeinträchtigungen im Zusammenwirkenmit der CCT-Werft und der A 380-Wartungshalle zu prüfen sein.Aus den Grundsätzen der Abschnittsbildung folgt entgegen derAuffassung des Klägers jedoch nicht die Notwendigkeit, eine der-art kumulierende Betrachtung schon jetzt anzustellen, d. h., beider Feststellung des Plans für die A 380-Halle die möglichen Aus-wirkungen des Gesamtausbaus einzubeziehen. Die Planfeststel-lungsbehörde hat zwar auch andere Planungen, soweit sie hinrei-chend konkretisiert sind, in die gestalterische Abwägung einzube-ziehen. Die negativen Umweltauswirkungen weiterer Planungenmüssen nach den Grundsätzen der Abschnittsbildung jedoch erstim Zusammenhang mit der Zulassungsentscheidung für das weite-re Projekt berücksichtigt werden. Das gilt hier umso mehr, als fürden Gesamtausbau eine eigenständige Umwelt- und FFH-Verträg-lichkeitsprüfung vorgenommen wird. Auch § 9 Abs. 2 LuftVG und§ 6a HENatG sehen die Anordnung von Schutzauflagen und Aus-gleichsmaßnahmen für die zugelassenen, aber nicht für solcheEingriffe vor, die möglicherweise später aufgrund einer noch zutreffenden weiteren Zulassungsentscheidung hinzu treten (vgl.BVerwG, Beschluss v. 24.02.2004 – 4 B 101.03 –, juris, S. 2 f.; sowie– zum Eingriffsbegriff in Bezug auf künftige Entwicklungen: BVer-wG, Urteil v. 16.12.2004, – 4 A 11.04 –, UPR 2005, 196, 197).

Damit trägt der Vorhabensträger bei einer abgestuften Planungdas Risiko, dass er auf einer Stufe das ihm eröffnete Eingriffspoten-zial verbraucht mit der Folge, dass weitere, aus seiner Sicht unterUmständen sogar vorrangige Projekte nicht mehr zugelassen wer-den können.

Unter diesem Aspekt ergeben sich aus Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, abge-sehen davon, dass diese Vorschrift hier ohnehin nicht strikt anzu-wenden ist, keine anderen rechtlichen Vorgaben. Eine weiterge-hende Berücksichtigung der Auswirkungen künftiger Planungenwürde bei Berührung eines FFH-Gebietes eine abgestufte Planung(z.B. auch bei der Ausweisung von Baugebieten) vollständig verei-teln (vgl. BVerwG, Beschluss v. 24.02.2004, a.a.O. S. 3); das aberwäre mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhält-nismäßigkeit nicht zu vereinbaren (vgl. dazu BVerwG, Urteilv. 27.01.2000, – 4 C 2.99 –, BVerwGE 110, 302, 310 m.w.N. aus derRechtsprechung des EuGH).

Das gilt im vorliegenden Verfahren umso mehr, als das A 380-Projekt zwar ursprünglich Gegenstand der Planung des Gesamt-ausbaus gewesen ist, aber letztlich eine eigenständige, von demGesamtausbau unabhängige flughafenbetriebliche Funktionerfüllt und Gegenstand eines selbständigen Planfeststellungsver-fahrens sein kann. Der Bedarf für eine Wartungseinrichtung fürFlugzeuge des Typs A 380 besteht, worauf später zurückzukommenist, unabhängig von der Realisierung des Gesamtausbaus. Auchwenn es nicht zu einer kapazitiven Erweiterung des Flughafenskommt oder der Gesamtausbau sich über einen längeren, nichtmehr überschaubaren Zeitraum erstrecken sollte, würde die A 380-Halle ihre Funktion als Wartungseinrichtung für den Airbus A 380und andere Flugzeugtypen der in Frankfurt stationierten LongRange Flotte der Deutschen Lufthansa AG erfüllen. Durch die iso-lierte Planung der A 380-Werft werden keine Zwangspunkte in derWeise gesetzt, dass das Planvorhaben seine Sinnhaftigkeit erstdurch den Gesamtausbau erlangt. Die Selbstständigkeit des A 380-Projekts, bzw. seine Unabhängigkeit von dem Gesamtausbauplan,reicht so weit, dass dem Vorhaben selbst dann keine rechtlichenPlanungshindernisse entgegenstehen würden, wenn der Gesamt-ausbau scheitern müsste.

(...)

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 549

R E C H T S P R E C H U N G | VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M.

550 | ZUR 11/2005

Insgesamt ist somit die Planfeststellungsbehörde zu Rechtdavon ausgegangen, dass bei der Prüfung der FFH-Verträglichkeitdes Projekts diejenigen Beeinträchtigungen außer Betracht zu blei-ben haben, die erst durch den geplanten Gesamtausbau verursachtwerden.

(...) Nach § 20 d Abs. 2 HENatG ist ein Projekt unzulässig, wenn die

Prüfung der Verträglichkeit ergibt, dass es zu erheblichen Beein-trächtigungen eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutungin seinen für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck maßgebli-chen Bestandteilen führen kann. Dabei ist die Feststellung bzw.Ermittlung der erheblichen Beeinträchtigung eine Prognoseent-scheidung, die auf der Grundlage aller verfügbaren Daten unterAnwendung geeigneter fachspezifischer Methoden der Ermittlungder erheblichen Sachverhaltsumstände zu erfolgen hat. Die Erheb-lichkeit von Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines Schutz-gebiets ist dabei stets gebiets- und damit einzelfallbezogen zu beur-teilen.

Für die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle sind die Erhal-tungsziele, die Schutzwürdigkeit, die Gefährdung und die Bedeu-tung des Gebietes für das Netz Natura 2000 maßgeblich. Ein Vor-haben beeinträchtigt ein FFH-Gebiet dann erheblich, wenn esdroht, die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu gefähr-den. Die Beurteilung dieser Gefahr ist namentlich im Licht derbesonderen Merkmale und Umweltbedingungen des von diesemVorhaben betroffenen Gebiets vorzunehmen (vgl. EuGH, Urteilvom 07.09.2004 – C-127/02 –, NuR 2004, 788). Dabei ist davonauszugehen, dass Vorhaben, die zu einer dauerhaften Flächenin-anspruchnahme von FFH-relevanten Lebensraumtypen unddamit zu einer Gebietsverkleinerung führen, in der Regel eineerhebliche Beeinträchtigung darstellen werden. Auch die Ver-schlechterung des Erhaltungszustandes bzw. die Gefährdung oderVerhinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungs-zustandes kann erheblich sein, wobei die Erheblichkeitsschwelleumso niedriger liegt, je ungünstiger der Erhaltungszustand derbetroffenen Lebensraumtypen und/oder Arten ist.

Als Schutzgegenstände des gemeldeten FFH-Gebiets wurden aufder Grundlage von fachwissenschaftlichen Untersuchungen undBestandserfassungen (…) die Lebensraumtypen 3150, 3132 und9190 nach Anhang I und die Anhang II-Arten Kammmolch, Held-bock, Hirschkäfer, Große Moosjungfer und die Bechsteinfleder-maus ermittelt. Daneben hat das Gebiet Bedeutung für denLebensraumtyp (– LRT –) 9110 und die Anhang II-Art Großes Mau-sohr. Nach Art. 1lit.e FFH-RL ist für die Beurteilung des Erhaltungs-zustandes eines Lebensraumtyps oder einer Art auf die Beständig-keit der maßgeblichen Flächen, den langfristigen Fortbestand undeine positive Populationsdynamik abzustellen.

Auch wenn der Beklagte auf der Grundlage der durchgeführtenfachgutachterlichen Untersuchungen in Bezug auf die einzelnenSchutzgüter eine Reihe von Gesichtspunkten dargestellt hat, diegegen eine erhebliche Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungs-ziele des FFH-Gebiets durch das Werftvorhaben sprechen, so ist er beiEinbeziehung der Ergebnisse der Grunddatenerhebung (Hilgendorf2004) und des Vorbringens des Klägers und unter Heranziehung derEntscheidung des EuGH zur mechanischen Herzmuschelfischereivom 7. September 2004 (C-127/02, a.a.O.) insgesamt zu dem Ergeb-nis gekommen, dass von einer erheblichen Beeinträchtigung desgemeldeten FFH-Gebiets durch das Vorhaben auszugehen ist. Dabeihat er berücksichtigt, dass die von Lambrecht et. al. (2004) als Orien-tierungswerte vorgeschlagenen Bagatellgrenzen zur Bestimmung derErheblichkeitsschwelle in Bezug auf den Lebensraum des Hirschkä-fers sowie ein Jagdhabitat der Bechsteinfledermaus und für die Inan-spruchnahme des LRT »Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebe-

nen mit Quercus robur« berschritten sind. [wird ausgefhrt, auf denAbdruck wurde verzichtet; die SchrLtg.].

Es ist gerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Planfeststel-lungsbehörde das Projekt A 380-Werft trotz der zuvor festgestelltenerheblichen Beeintärchtigung des gemeldeten FFH-Gebiets – imWege einer Ausnahmeentscheidung – zugelassen hat. Der Planfest-stellungsbeschluss vom 26. November 2004 ist unter Berücksichti-gung der bereits erörterten Auflagen sowie der Kohärenz- und son-stigen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen geeignet,die ökologische Bedeutung des Gebiets auf nationaler Ebene (imSinne des Urteils des EuGH vom 13.01.2005, a.a.O., juris Rz. 30) zuwahren. Das folgt schon daraus, dass der Planfeststellungsbeschlussden Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL unddes § 20d Abs. 3 HENatG gerecht wird und deshalb erst recht demSchutzregime genügt, das für nur gemeldete FFH-Gebiete gilt.

Nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, § 20d Abs. 3 HENatG darf ein Projekt,das zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebietsführt, nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es auszwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses,einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art notwendigist und zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgtenZweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchti-gungen zu erreichen, nicht gegeben sind. Diese Voraussetzungenliegen hier vor:

Der Bau der A 380-Wartungshalle liegt in mehrfacher Hinsichtim öffentlichen Interesse. In erster Linie sind hier die luftverkehrs-rechtlichen Belange zu nennen. Das Luftverkehrsgesetz verlaut-bart seine Ziele nicht in einer gesonderten Vorschrift. Die mit ihmverfolgten Zielsetzungen sind aber der Bestimmung der öffentli-chen Aufgabe zu entnehmen, die z. B. in der Enteignungsregelungdes § 28 Abs. 1 LuftVG Ausdruck gefunden hat (BVerwG, Urteilvom 11.07.2001, – 11 C 14.00 –, BVerwGE 114, 364, S.375).Danach sind Enteignungen insbesondere für »Zwecke der Zivil-luftfahrt« zulässig. Hiervon ausgehend ist in der Rechtsprechunganerkannt, dass der bedarfsgerechte Bau und Ausbau von Ver-kehrsflughäfen im öffentlichen Interesse liegt, weil diese demBedarf des allgemeinen Verkehrs i. S. d. § 6 Abs. 3 LuftVG und des§ 38 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZO dienen (BVerwG, Urteil vom 20.04.2005– 4 C 18/03 –, juris Rz. 26; Urteil vom 11.07.2001, a.a.O., S. 375;Urteil vom 07.07.1978 – 4 C 79.76 –, BVerwGE 56, 110, 119 f.).

Dieses öffentliche Interesse besteht unabhängig davon, ob derFlughafen von staatlicher Seite oder einer Gesellschaft des Pri-vatrechts betrieben wird. Wenn der Betreiber eine private Gesell-schaft ist, so kann sich das öffentliche Interesse an dem Bau oderder Erweiterung weitgehend mit den unternehmerischen Belan-gen des Betreibers decken (BVerwG, Urteil vom 20.04.2005, a.a.O.,Rz. 27). Denn innerhalb des luftverkehrsrechtlichen Systems, dasdie Erfüllung einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden Auf-gabe und Funktion an im Wettbewerb stehende Privatrechtssub-jekte überantwortet, versteht es sich, dass den Betreibern die Mög-lichkeit eingeräumt werden muss, den Verkehrsbedarf nach unter-nehmerischen Gesichtspunkten und in Anpassung an dieBedingungen des jeweiligen Marktgeschehens zu decken (vgl.BVerwG, Urteil vom 20.04.2005 – 4 C 18.03 –, juris Rz. 27; OVGNordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2004 – 20 D 134/00 AK, S.60 des amtlichen Umdrucks).

Der von der Beigeladenen betriebene Flughafen Frankfurt/Mainist durch seine luftverkehrsrechtliche Genehmigung als Verkehrs-flughafen festgelegt und steht der Zivilluftfahrt zur Verfügung(BVerwG, Urteil vom 07.07.1978, a.a.O., S. 119). Zu dem wesentli-chen Bestand eines Verkehrsflughafens in der Größe des Flugha-fens Frankfurt/Main gehören Einrichtungen zur Wartung der an-und abfliegenden sowie der dort stationierten Flugzeuge. Auchdiese dienen dem öffentlichen Verkehrszweck des Flughafens (vgl.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 550

VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M. | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 11/2005 | 551

BVerwG, Beschluss vom 31.03.1992 – 4 B 120/91 – juris, S. 3).Dabei ist zu berücksichtigten, dass Wartung eine strikt einzuhal-tende gesetzliche Anforderung ist. (...)

Der bedarfsgerechte Ausbau von Wartungsanlagen liegt daherim öffentlichen Interesse. Entscheidend ist die vorgesehene Nut-zung der Halle. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Wartungs-halle selbst von einem privaten Betreiber wie hier von der Luft-hansa Technik AG errichtet werden soll und von wem die War-tungsarbeiten durchgeführt werden. (...) Da der Flugzeugtyp A380mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Frankfurt landen und star-ten wird und keine geeignete Wartungseinrichtung vorhanden ist,liegt die Errichtung der Werft schon allein deshalb im öffentlichenInteresse mit der Folge, dass die Beigeladene nicht darauf verwie-sen werden darf, dass Flugzeuge des Musters A 380 auch an einemanderen Flughafen, zum Beispiel in München, Wien oder auf Mal-ta gewartet werden könnten. Daneben dient die Errichtung der A380-Halle der Vermeidung eines sonst zu erwartenden Engpassesbei der Wartung von Langstreckenflugzeugen (sog. Long RangeFlotte). (…)

Weiterhin ergibt sich das öffentliche Interesse an der Realisierungdes planfestgestellten Werftbereichs am Flughafen Frankfurt/M. ausdessen Verkehrsbedeutung als internationales Drehkreuz und seinerBedeutung für die Stärkung und Weiterentwicklung der nationalenund europäischen Luftverkehrsstruktur. Der Flughafen Frankfurtgehört zu den zehn größten Flughäfen der Welt. Er ist auch für Euro-pa als Infrastruktureinrichtung damit von erheblicher Bedeutungund seine Verkehrsfunktion ist - wie der Planfeststellungsbeschlussrichtig feststellt – von großem europäischem Gewicht, da erDeutschland und Europa mit den Handelsmetropolen der Welt ver-bindet. Die Bedeutung für die Region kommt darin zum Ausdruck,dass der Regionalplan Südhessen 2000 unter Ziffer 7.4-1 (StAnz.2004 S. 2937) den Grundsatz aufstellt, dass der Flughafen Frank-furt/Main zur Sicherung der internationalen Anbindungsqualitätder Rhein-Main-Region in seiner Bedeutung als internationalerGroßflughafen zu erhalten und zu stärken ist. Dass es sich bei dieserAussage lediglich um einen Grundsatz und nicht um eine Zielfest-setzung der Raumordnung handelt, ist entgegen der Auffassung desKlägers unerheblich. Denn die große Bedeutung einer Verkehrsein-richtung für die Region lässt sich auch aus einem Grundsatz derRaumordnung herleiten.

(Wegen der Drehkreuzfunktion des Flughafens Frankfurt und desdamit verbundenen steigenden Transferaufkommens kommenimmer mehr und immer größer werdende Langstreckenflugzeugezum Einsatz. Um die Pünktlichkeit und Stabilität der internationa-len Flugbewegungen von und nach Frankfurt zu gewährleisten,bedarf es Wartungsanlagen für die schwerpunktmäßig in Frankfurteingesetzten Langstreckenflugzeuge. Für den Bereich dieser Flug-zeuge besteht – wie oben ausgeführt worden ist – ein Defizit anWartungsplätzen und eine Wartung des Großflugzeuges Airbus A380 und der wachsenden Flotte der A 330/A 340 wäre ohne das Vor-haben nicht möglich, obwohl diese Flugzeuge in Frankfurt schwer-punktmäßig eingesetzt und stationiert sein werden.

Nicht zuletzt streiten auch erhebliche wirtschaftliche Gründe fürdie Errichtung der A 380-Werft. Die Planfeststellungsbehörde weistzu Recht darauf hin, dass mit der Inbetriebnahme der Wartungshal-le bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue hochqualifizierteArbeitsplätze geschaffen werden. Das Wartungsunternehmen Luft-hansa-Technik beschäftigt am Flughafen Frankfurt/Main ca. 1100Mitarbeiter, deren Zahl sich vorhabensbedingt um ca. 250 erhöhenwird. Auch wenn diese Zahl nicht vollständig erreicht werden soll-te und sich die langfristigen sowie mittelbaren Auswirkungen aufden Arbeitsmarkt nicht hinreichend sicher abschätzen lassen, hatdie Planfeststellungsbehörde diesen wirtschaftlichen Aspekt zu

Recht als einen für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belangberücksichtigt (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 120 f. und 244).

Dem öffentlichen Interesse an der Errichtung der A 380-Werftkann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, Flugzeuge desMusters A 380 dürften auf dem Flughafen Frankfurt/Main wederlanden noch starten, so dass auch kein Bedarf für die Vorhaltungeiner Wartungshalle für diesen Flugzeugtyp bestehe. Es ist zwarrichtig, dass die Rechtfertigung für die Planung – und entspre-chendes gilt für das öffentliche Interesse – entfällt, wenn das zuge-lassene Vorhaben nicht realisiert werden kann (BVerwG, Urteil v.24.11.1989 – 4 C 41.88 –, BVerwGE 84, 123, 128; Urteil v.20.05.1999 – 4 A 12.98 –, NVwZ 2000, 555, 558; VGH Baden-Würt-temberg, Urteil v. 02.11.2004, UPR 2005, 118). Das öffentlicheInteresse dürfte auch dann wegfallen, wenn das geplante Vorha-ben nicht für den vorgesehenen Verwendungszweck genutzt wer-den kann (vgl. BVerwG, Beschluss v. 12.08.1993 – 7 B 123.93 –).

Eine Planung ist wegen fehlender Realisierbarkeit oder Ausnutz-barkeit aber nur dann fehlerhaft, wenn ausgeschlossen ist, dass dasVorhaben verwirklicht oder für den vorgesehenen Zweck verwen-det wird (BVerwG, Urteil v. 24.11.1989, a.a.O., S. 128; BVerwG,Urteil v. 20.05.1999, a.a.O., S. 558; VGH Baden-Württemberg,Urteil v. 02.11.2004, a.a.O., S. 118), oder wenn dem Vorhaben mitanderen Worten ein unüberwindbares und dauerhaftes Hindernisentgegensteht. Das ist hier aus mehreren Gründen nicht der Fall:[wird ausgeführt, auf den Abdruck wurde verzichtet; die SchrLtg.]

Unter dem Aspekt der technischen Anforderungen an Start- undLandebahnen für Flugzeuge des Typs A 380 verstößt der Planfest-stellungsbeschluss vom 26. November 2004 auch nicht gegen denaus dem Abwägungsgebot abgeleiteten Grundsatz der Problembe-wältigung. Denn falls Probleme bezüglich der Start- und Landebe-dingungen des Flugzeugmusters A 380 bestehen sollten, hättendiese ihre Ursache nicht in der Errichtung der Wartungshalle undmüssten dementsprechend auch nicht in dem hier streitigen Plan-feststellungsverfahren bewältigt werden.

Das planfestgestellte Vorhaben ist auch in seiner Dimensionie-rung aufgrund des prognostizierten Bedarfs durch das öffentlicheInteresse gerechtfertigt.

Die Grundlage bildet dabei der vorherberechnete Wartungsbe-darf im Jahr 2015, wobei die angewandte Methode zur Bedarfser-mittlung, die letztlich auf Erfahrungswerten des Wartungsunter-nehmens der Deutschen Lufthansa AG beruht, nicht zu beanstan-den ist. Dabei nimmt der Senat Bedacht darauf, dass es die Aufgabeder Planfeststellungsbehörde ist, den erforderlichen Bedarf progno-stisch zu bestimmen und das Gericht nur zu prüfen hat, ob die Pro-gnose mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unterBeachtung der für sie erheblichen Umständen sachgerecht erarbei-tet worden ist (BVerwG, Urteile vom 20.04.2005 – 4 C 18/03 –, jurisRz. 33; und vom 05.12.1986 – 4 C 13.85 –, BVerwGE 75, 214).

Den künftigen Wartungsbedarf hat die Planfeststellungsbehör-de aus der Entwicklung des weltweiten Passagieraufkommensabgeleitet. Nach den Prognose des Internationalen Luftfahrtver-bandes IATA (vgl. Behördenakten, Ordner 62, Bl. 95 ff.) sowie derFlugzeughersteller Boeing (Ordner 75, Bl. 427 ff.) und Airbus (Ord-ner 75, Bl. 464 ff.) ist mit einem weltweiten jährlichen Wachstumvon 4 bis 5 % bis zum Jahr 2020 zu rechnen. Diese Zuwachsrateerscheint angesichts der bisherigen Entwicklung des Luftverkehrsnicht als unrealistisch.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich die Planfeststel-lungsbehörde nicht nur auf diese eher allgemeinen Entwick-lungstendenzen gestützt. (wird ausgeführt; die SchrLtg.)

Der Senat verkennt nicht, dass die Ableitung der erforderlichenWartungskapazitäten für die Langstreckenflugzeuge zum Progno-sehorizont 2015 hinsichtlich einiger Einzelheiten mit Unsicher-heitsfaktoren belastet ist. Diese Ungewissheiten liegen in der

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 551

Natur einer Prognoseentscheidung begründet; sie müssen undkönnen in Kauf genommen werden. Denn bei der Entscheidungüber die Dimensionierung der Halle steht dem Planungsträger einGestaltungsspielraum offen. Wenn der Betreiber eines Verkehrs-flughafens gehalten ist, die Wartungskapazitäten für bestimmteFlugzeugmuster zu erweitern, ist er nicht darauf beschränkt, nurden absolut sicher zu erwartenden Bedarf abzudecken. Die planeri-sche Entscheidung ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn dieerforderliche Kapazitätserweiterung nach Art und Umfangzukunftsorientiert geplant und vollzogen wird. Solange weder aufeuropäischer noch auf nationaler Ebene eine verbindliche ver-kehrspolitische Gesamtkonzeption für den Ausbau von Flughäfeneinschließlich der Wartungseinrichtungen existiert und deshalbdie Anbieter von Flughafenleistungen in einem globalen Wettbe-werb stehen, kann es ihnen nicht verwehrt werden, sich für einenprognostizierten allgemeinen Anstieg der Nachfrage zu rüsten(BVerwG, Urteil v. 20.04.2005 – 4 C 18.03 –, juris Rz. 27). (…)

Die Planfeststellung der Wartungshalle mit vier Stellplätzen fürFlugzeuge des Typs A 380 genügt damit nicht nur dem Abwä-gungsgebot des nationalen Fachplanungsrechts, sondern auchden Anforderungen, die sich aus dem Europäischen Naturschutz-recht ergeben. Die für die Errichtung der A 380-Werft streitendenöffentlichen Interessen sind zwingend im Sinne des Art. 6 Abs. 4Unterabs. 1 FFH-RL. Die Schaffung einer noch nicht vorhandenen,aber notwendigen Wartungseinrichtung für Flugzeuge desMusters A 380, die Vermeidung eines Kapazitätsengpasses bei derWartung der Langstreckenflugzeuge, die Erhaltung und Stärkungder Luftverkehrsstruktur durch die Funktion des Flughafens Frank-furt/Main als Drehkreuz und als Heimatflughafen der DeutschenLufthansa AG sowie die Sicherung bestehender und Schaffungneuer hochqualifizierter Arbeitsplätze sind insgesamt als so triftigund gewichtig einzuschätzen, dass bei einer von Vernunft undVerantwortungsbewusstsein geprägten Betrachtung kein Weg ander Errichtung einer neuen Werft vorbeiführt. Eine unausweichli-che Notwendigkeit setzt auch der Begriff des zwingenden Grundesnicht voraus (vgl. BVerwG, Urteil v. 27.01.2000 - 4 C 2.99 -, BVerw-GE 110, 302, 314 f.).

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Planfeststellungs-behörde den genannten öffentlichen Belangen den Vorrang vordem Interesse an der Integrität des gemeldeten FFH-Gebiets einge-räumt hat. Es wurde oben dargelegt, dass das gemeldete FFH-Gebiet durch die Errichtung der A 380-Werft in dem ebenfalls imEinzelnen beschriebenen Umfang hinsichtlich des LRT 9190, desHirschkäfers und der Bechsteinfledermaus erheblich beeinträch-tigt wird; allerdings wird die Erheblichkeitsschwelle nur geringfü-gig überschritten. Prioritäre Arten oder Lebensräume werden nichtbetroffen. Das Vorhaben beansprucht einen relativ geringen Teildes Gebiets und wirkt sich nur in einem Bereich aus, der für dieVernetzungsfunktion von untergeordneter Bedeutung ist. DasGebiet weist insgesamt mit den benachbarten Bereichen, die ähn-lichen Erhaltungszielen dienen und für eine Ausweisung als FFH-Gebiet vorgesehen sind, einen guten Erhaltungszustand auf.Berücksichtigt man schließlich, dass die Eingriffe in einer nichtweiten Entfernung von dem Vorhabensbereich ausgeglichen wer-den können, musste es sich der Planfeststellungsbehörde aufdrän-gen, die Beeinträchtigungen des gemeldeten FFH-Gebiets zu Gun-sten der für das Vorhaben streitenden – zwingenden – öffentlichenBelange hin zu nehmen. Jedenfalls gewährleistet der Planfeststel-lungsbeschluss unter Berücksichtigung der Regelung des Kohären-zausgleichs einen »angemessenen Schutz« des gemeldeten FFH-Gebiets (im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, Urteil v.13.01.2005 – C-117/03 – juris Rz. 27), indem er das Projekt nur ausden genannten gewichtigen Gründen und nur mit den beschrie-benen Auflagen zugelassen hat.

Der Planfeststellungsbeschluss hat zutreffend eine die Ausnah-mezulassung ausschließende Alternative zu dem Vorhaben ver-neint; er genügt auch unter diesem Aspekt den Anforderungen, diefür ausgewiesene FFH-Gebiete gelten und erst recht dem Schutzre-gime, das nach dem bereits mehrfach zitierten Urteil des EuGHvom 13. Januar 2005 für bloß gemeldete Gebiete zu beachten ist.

Der Begriff der Alternative im Sinne von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL bzw.§ 20d Abs. 3 Nr. 2 HENatG ist von dem Begriff der fachplanerischenAlternative zu unterscheiden. Aus § 20d Abs. 3 Nr. 2 HENatG folgtein strikt beachtliches Vermeidungsgebot: Lässt sich ein Planungs-ziel an einem nach dem Schutzkonzept der FFH-Richtlinie günsti-geren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirkli-chen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauchmachen. Dabei hat zu gelten, das gewisse Abstriche am Grad derZielvollkommenheit als typische Folge des Gebots, Alternativen zunutzen, hinzunehmen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.05.2002 –4 A 28.01 –, BVerwGE 116, 254, 262). Allerdings sind theoretischdenkbare Alternativen für den Vorhabenträger dann nicht zumut-bar, wenn ihm dies unverhältnismäßige Opfer abverlangt oderandere Gemeinwohlbelange erheblich beeinträchtigt werden.Maßstab ist dabei letztlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,wobei sich die Unverhältnismäßigkeit einer Variante auch auseiner wirtschaftlichen Belastung ergeben kann (vgl. BVerwG, Urteilvom 27.01.2000 – 4 C 2.99 –, BVerwGE 110, 302, 309 f.).

Eine Maßnahme ist mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grund-satz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, wenn sie die Gren-zen dessen überschreitet, was zur Erfüllung der mit der gemein-schaftlichen Regelung verfolgten Ziele angemessen und erforder-lich ist, denn nach Art. 5 Abs. 3 EGV gehen »die Maßnahmen derGemeinschaften nicht über das für die Erreichung der Ziele diesesVertrages erforderliche Maß hinaus«.

Der Planfeststellungsbeschluss kommt nach Prüfung von 11Varianten (I bis XI), davon 6 auf und 5 außerhalb des Flughafen-geländes, in nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss, dasszum planfestgestellten Vorhaben (Variante VIII) keine Alternati-vlösung (im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL bzw. keine»zumutbare Alternative« im Sinne der §§ 20d Abs. 3 Nr. 2 HENatG,34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG) besteht, da sämtliche geprüften anderenVarianten im Norden oder Süden des Flughafengeländes oderaußerhalb entweder ungeeignet sind, den gerechtfertigten Bedarfzu erfüllen, oder aber unverhältnismäßig i. S. v. Art. 5 Abs. 3 EGVund deshalb der Beigeladenen nicht zuzumuten sind, weil derenNachteile außer Verhältnis zum Vorteil für das gemeldete FFH-Gebiet stehen. [wird ausgeführt; die SchrLtg.]

Insgesamt hat der Kläger keinen alternativen Standort aufge-zeigt, der für die Errichtung der erforderlichen Werftanlage geeig-net und für die Beigeladene zumutbar ist. Die mit den vorgeschla-genen Alternativen verbundenen planerischen, betrieblichen undwirtschaftlichen Nachteile wiegen so schwer, dass sie außer Ver-hältnis zu dem Nutzen stehen, den das gemeldete FFH-Gebiet beieinem Verzicht auf das Planfeststellungsprojekt erfahren würde.Deshalb hat die Planfeststellungsbehörde mit der Verwerfung derAlternativlösungen weder gegen das Gebot eines »angemessenenSchutzes« des gemeldeten FFH-Gebiets noch gegen das fachplane-rische Abwägungsgebot verstoßen.

Die im Planfeststellungsbeschluss getroffene Entscheidung überAusgleichsmaßnahmen zur Sicherung der Kohärenz von Natura2000 ist ebenfalls rechtmäßig.

Nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL und §§ 20d Abs. 5 Satz 1HENatG, 34 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG sind die zur Sicherung desZusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes Natura2000 notwendigen Maßnahmen vorzusehen, wenn ein Projekt nach§ 20d Abs. 3 HENatG zugelassen oder durchgeführt werden soll. Eskann hier dahingestellt bleiben, ob der notwendige Ausgleich als

552 | ZUR 11/2005

R E C H T S P R E C H U N G | VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 552

Rechtsfolge oder als Ausnahmevoraussetzung zu qualifizieren ist.Dafür, dass die Ausgleichbarkeit zu den Ausnahmevoraussetzungenzu zählen ist, sprechen der innere Zusammenhang der Rechtsfol-geanordnung nach Abs. 5 Satz 1 mit der Zielsetzung des Schutzregi-mes in toto sowie die Verfahrensregel des Abs. 5 Satz 2 (vgl. Gassnerin: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG § 34 Nr.41). Wenn Sicherungsmaßnahmen demnach nicht durchführbarsind, ist das Projekt bzw. der Plan unzulässig (vgl. Halama, NVwZ2001, 510, 512; Louis/Engelke, BNatSchG, § 17c, Rdnr. 33).

Der Beklagte hat die Beigeladene mit der Auflage A VIII 4 imPlanfeststellungsbeschluss zu Maßnahmen zum Kohärenzaus-gleich verpflichtet. Er hat ihr aufgegeben, Kohärenzausgleichs-maßnahmen für den Eingriff in ca. 12 ha Lebensraum des Hirsch-käfers und in 1,4 ha des LRT 9190 »Alte bodensaure Eichenwäldermit Quercus robur auf Sandebenen« im »Schwanheimer Wald«und/oder »Rüsselsheimer Stadtwald« durchzuführen und dieseKohärenzausgleichsmaßnahmen so zu planen und zu realisieren,dass sie zugleich der Entwicklung des Lebensraums der Bechsteinf-ledermaus dienen. Die Beigeladene hat nach dieser Auflage dafürMaßnahmen parzellenscharf planlich auszuweisen und mit einerErläuterung des Konzeptes der Kohärenzausgleichsmaßnahmenbis spätestens drei Monate nach Zustellung des Planfeststellungs-beschlusses dem Beklagten vorzulegen. Mit dieser Festsetzung istentgegen der Auffassung des Klägers die nach dem Gesetz vorge-schriebene Kompensation gewährleistet und nur die Genehmi-gung ihrer konkreten Durchführung vorbehalten.

Dabei legt das Gericht zugrunde, dass allein maßgeblich ist, dieKohärenz des europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000 zurlangfristigen Sicherung der natürlichen Lebensräume und der bio-logischen Vielfalt zu wahren. Deshalb ist der Ausgleich funktionalam ökologischen Vernetzungsbedarf auszurichten (vgl. Halama,a.a.O., S. 512). Die Ausgleichsmaßnahmen müssen demnachgewährleisten, dass der Beitrag eines Gebiets zur Erhaltung einesgünstigen Zustandes eines oder mehrerer natürlicher Lebensräu-me (oder einer Art) innerhalb der betroffenen biogeographischenRegion gewahrt bleibt. Defizite im Bereich des Ausgleichs würdenschleichend zu einer Minderung der Funktionsfähigkeit von Natu-ra 2000 führen, weshalb (im Interesse der Bewahrung des europäi-schen Naturerbes) ein Vollausgleich zu verlangen sein dürfte (vgl.Gellermann, Natura 2000, Europäisches Habitatschutzrecht undseine Durchführung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 94).

Der Beklagte hat im Planfeststellungsbeschluss den Gegenstanddes Kohärenzausgleichs ausführlich dargelegt und damit nebendem Umfang der auszugleichenden Beeinträchtigung auch dennotwendigen Umfang des Kohärenzausgleichs hinreichendbestimmt. Er führt aus, dass sich zwei genau bezeichnete Land-schaftsflächen für die Kohärenzmaßnahmen eignen. Diese imräumlichen Umfeld des Flughafens vorhandenen Flächen weisenentsprechendes Aufwertungspotential auf. Die durchzuführendeMaßnahmen sind damit in der gleichen biogeographischen Regi-on angesiedelt, so dass die vorhabensbedingten Beeinträchtigun-gen der Arten und Lebensraumtypen ausgeglichen werden kön-nen und die für den Ausgleich vorgesehenen Flächen Funktionenerfüllen können, die mit denen vergleichbar sind, die die durchden Eingriff betroffenen Flächen erfüllen. Der Kläger legt keineGründe dar, die die Eignung dieser Flächen gänzlich ausschließen;den Bedenken kann in dem erforderlichen Ergänzungsverfahrennachgegangen werden.

Der Beklagte durfte die Kohärenzausgleichsmaßnahmen imWege eines Entscheidungsvorbehalts gemäß § 74 Abs. 3 HVwVfGfestsetzen.

Ein Vorbehalt nach § 74 Abs. 3 HVwVfG ist europarechtlichnicht durch das FFH-Recht, an das angelehnt hier eine Vorhabens-bewertung unternommen wird, ausgeschlossen; ein generelles Ver-

bot eines Vorbehalts ist Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nicht zu entnehmen.Die Richtlinie äußert sich nicht dazu, ob in einem Planfeststel-lungsverfahren die Sachentscheidung über Teilfragen offen gelas-sen und einem Ergänzungsbeschluss vorbehalten werden darf.Unter welchen Voraussetzungen es die Planfeststellungsbehördemit einer Teilentscheidung bewenden lassen kann, beurteilt sichvielmehr nach dem einschlägigen Planungsrecht (vgl. Niedersäch-sisches OVG, Beschluss v. 01.06.2001 – 7 MB 1546/1 B 196/01 –,NuR 2002, 369, 370; BVerwG, Beschluss v. 22.05.1995 – 4 B 30.95 –zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung). Die zwingendeAbhängigkeit einer Ausnahmezulassung vom Ausgleich des Ein-griffs hat nicht zur Folge, dass ein Vorbehalt nicht möglich ist, son-dern erfordert es, dass die Vorschrift des § 74 Abs. 3 HVwVfGgemeinschaftsrechtskonform angewandt wird. Nach § 74 Abs. 3HVwVfG ist Voraussetzung, dass eine abschließende Entscheidungnoch nicht möglich ist. Wegen der aufgrund des Zwischenberichtszur Grunddatenerhebung sich ergebenden Änderungen war es derBeigeladenen nicht möglich, ihr Konzept für Kohärenzausgleichs-maßnahmen diesen geänderten Daten anzupassen. Der Planfest-stellungsbehörde geht es darum, dass die Vorhabensträgerin weite-re Informationen über die in Betracht kommenden Kompensati-onsflächen liefert, zum einen über die dort bestehende Vegetationund zum anderen über die standörtlichen Voraussetzungen unddas Entwicklungspotential der Flächen.

Im Planfeststellungsbeschluss wird nachvollziehbar dargestellt,dass eine abschließende Beurteilung über den Kohärenzausgleichnoch nicht möglich war und die als regelungsbedürftig erkannteFestsetzung zum Kohärenzausgleich wird bei eindeutigem Rege-lungswillen ausdrücklich vorbehalten. Es liegen die im Planfeststel-lungsbeschluss dargestellten Gründe vor, die Planungsentschei-dung unter Ausschluss des vorbehaltenen Teils zum Zeitpunkt desErlasses des Planfeststellungsbeschlusses zu treffen. Die angestrebteLösung duldete vernünftigerweise keinen Aufschub (vgl. Stel-kens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rdnr. 113). Eine besondere Dring-lichkeit der Planfeststellung ist gegeben, da – wie oben bereits aus-geführt - die ersten Flugzeuge des Typs A 380 im Jahr 2006 auf demFlughafen Frankfurt/Main landen und starten sollen.

Dass noch Einzelheiten des Kohärenzausgleichs im Ergänzungs-verfahren zu regeln sind, macht den Planfeststellungsbeschlussnicht rechtswidrig; das liegt im Wesen einer Vorbehaltsentschei-dung.

Die Regelung des Kohärenzausgleichs in dem Planfeststellungs-beschluss vom 26. November 2004 wird den Anforderungen desEuropäischen Naturschutzrechts auch unter dem Aspekt des zeitli-chen Abstandes zwischen Eingriff und Ausgleich gerecht.Grundsätzlich soll die Kohärenzsicherung so durchgeführt wer-den, dass mit dem Eingriff auch die Ausgleichsmaßnahmen ergrif-fen werden. Hier hat die Planfeststellungsbehörde der Beigela-denen für die Anpassung ihrer Kohärenzausgleichsmaßnahmeneine so kurze Frist eingeräumt, dass dieser zeitliche Zusammen-hang gewahrt werden kann. Selbst wenn es zu einer kurzen Verzö-gerung kommen sollte, könnte das im Hinblick auf die nur gering-fügige Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle in Kauf genom-men werden, zumal es hier um den Schutz eines nur gemeldeten,aber noch nicht ausgewiesenen FFH-Gebiets geht.

(...)

Anmerkung der Redaktion:Die Revision gegen die vorstehend abgedruckte Entscheidung hatder VGH Kassel nicht zugelassen. Dagegen hat der KlägerBeschwerde eingelegt und angeregt, das Bundesverwaltungsge-richt möge durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung derKlage von Amts wegen einen vorläufigen Baustopp verfügen. MitBeschluss vom 8.9.05 – 4 B 49.05 hat das Bundesverwaltungsge-

ZUR 11/2005 | 553

VGH Kasse l , A-380-Wartungsha l le F lughafen Frankfur t/M. | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 553

richt demgegenüber entschieden, dass kein Anlass bestehe, dieaufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Das klagabweisen-de Urteil des Verwaltungsgerichtshofs werde voraussichtlichBestand haben. Der Planfeststellungsbeschluss und das ihnbestätigende Urteil des Verwaltungsgerichtshofs hätten dem Mel-degebiet – wie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-hofs gefordert – einen »angemessenen Schutz« gewährt. Dies seieindeutig und bedürfe nicht der Klärung durch den Europäischen

Gerichtshof. Auch nach Aufnahme eines Gebietes in die Gemein-schaftsliste werde das allgemeine Verschlechterungsverbot für Plä-ne und Projekte durch einen Ausnahmevorbehalt durchbrochen.Ein Grund, ein gemeldetes FFH-Gebiet vor der Aufnahme in dieGemeinschaftsliste stärker als danach zu schützen, sei nichtersichtlich. Auch das bisherige weitere Vorbringen des Klägers wer-de voraussichtlich nicht zur Zulassung der Revision führen.

554 | ZUR 11/2005

R E C H T S P R E C H U N G IN LE ITSÄTZEN

Zum abschließenden Charakter derBeschränkungsrichtlinie

EuGH, Urteil vom 15. September 2005, verb. Rs. C-281/03 undC-282/03 – Cindu Chemicals u.a.

Leitsatz:

Die Richtlinie 76/769/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur An-gleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitglied-staaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Ver-wendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen in derdurch die Richtlinie 94/60/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates vom 20. Dezember 1994 geänderten Fassung ist dahinauszulegen, dass sie es, vorbehaltlich der Anwendung anderereinschlägiger Gemeinschaftsbestimmungen, die für das betreffen-de Produkt besondere Voraussetzungen aufstellen, nicht zulässt,dass ein Mitgliedstaat für das Inverkehrbringen und die Verwen-dung eines Biozid-Produktes, dessen Wirkstoff in ihren Anhang Iaufgenommen worden ist, andere als die in ihr vorgesehenenVoraussetzungen aufstellt.

Kein absolutes Verschlechterungsverbot für FFH-Gebietebis zur Aufnahme in die Gemeinschaftsliste

BVerwG, Beschluss vom 8. September 2005 – 4 B 49.05

Leitsatz der Redaktion:Ein gemeldetes FFH-Gebiet ist vor der Aufnahme in die Gemein-schaftsliste nicht stärker zu schützen als nach seiner Aufnahmegemäß Artikel 6 Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie.

Planfeststellung einer Straßenbahn-Trassenverlegung

BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 – 9 A 56.04

Leitsatz der Redaktion:Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenenAuffassung kann § 28 Abs. 4 PBefG nicht entnommen werden,dass die Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PBefG Rechtmäßig-keitsvoraussetzung für die Planfeststellung ist und deshalb voroder gleichzeitig mit dem Planfeststellungsbeschluss gemäß § 28Abs. 1 PBefG erteilt werden muss.

Konfliktbewältigung im Baugenehmigungsverfahren

VGH Kassel, Beschluss vom 29. Juli 2005 – 3 ZU 239/05

Leitsatz der Redaktion:Aussageungenauigkeiten prognostischer Bewertungen von zuerwartenden Geräuschimmissionen kann auf der Baugenehmi-gungsebene dadurch zulässigerweise begegnet werden, dassdurch Auflagenvorbehalte und die Durchführung nachträglicherMessungen die Genauigkeit der Prognose verifiziert wird und imFalle der Überschreitung von Richtwerten der TA Lärm entspre-chende Nachrüstungen angeordnet werden.

Kein Anspruch auf verkehrsbeschränkendeMaßnahmen zum Schutz vorFeinstaubkonzentrationen

VG München, Urteil vom 26. Juli 2005 – M1 K 05.1110

Leitsätze:1. Ein von Feinstaubbelastungen betroffener Dritter kann aus

dem Bundesimmissionsschutzgesetz keinen Anspruch auf ver-kehrsrechtliche Maßnahmen ableiten. Diese bedürfen einerRegelung in einem Aktions- oder Luftreinhalteplan.

2. Straßenverkehrsrechtliche Regelungen ermächtigen nur zuBeschränkungen hinsichtlich begrenzter, konkreter örtlicherVerkehrssituationen. Verkehrsbehördliche Maßnahmen ausallgemeinen, abstrakten Erwägungen des Umweltschutzeskönnen nicht angeordnet werden.

Anm. d. Red.: Diese Hauptsacheentscheidung bestätigt den im Eilver-fahren ergangenen Beschluss, der mit Gründen und Anmerkung vonSusan Krohn in ZUR, Heft 7/8, S. 367 ff. abgedruckt ist.

Kein Anspruch feinstaubbelasteter Dritter aufAufstellung eines Aktionsplans

VG München, Urteil vom 26. Juli 2005 – M1 K 05.1114

Leitsatz:Ein von Feinstaubbelastung betroffener Dritter hat keinenAnspruch auf Aufstellung eines Aktionsplans. Ein solcherAnspruch ergibt sich weder aus dem Bundesimmissionsschutz-gesetz noch aus den einschlägigen europäischen Richtlinien. Anm. d. Red.: Diese Hauptsacheentscheidung bestätigt den im Eilver-fahren ergangenen Beschluss, der mit Gründen und Anmerkung vonSusan Krohn in ZUR, Heft 7/8, S. 369 ff. abgedruckt ist.

R E C H T S P R E C H U N G I N L E I T S Ä T Z E N

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 554

ZUR 11/2005 | 555

Malte Kohls/Moritz Reese/Peter Schütte

Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht

G E S E T Z G E B U N G

Da es sich um Gebiete in der AWZ handelt,sind für die Ausweisung nicht die Länderzuständig, sondern der Bund. Die Auswei-sung war politisch nicht unumstritten,denn damit wird vor allem die Errichtungvon Offshore-Windenergieanlagen in die-sen Gebieten praktisch ausgeschlossen:Zum einen bedürfte es einer FFH-Verträg-lichkeitsprüfung, zum anderen schließt§ 10 Abs. 7 EEG Offshore-Anlagen, derenErrichtung nach dem 1. Januar 2005genehmigt worden ist, in solchen Gebietenvon der Einspeise- und Vergütungspflichtaus. Vor allem die Landesregierung Schles-wig-Holstein hatte sich aus diesem Grundgegen die Ausweisung der Östlichen Deut-schen Bucht gewandt.3

B. Umweltstatistikgesetz

Am 8. Juli 2005 hat der Bundesrat dem vomDeutschen Bundestag am 30. Juni 2005verabschiedeten Gesetz zur Straffung derUmweltstatistik zugestimmt.4 Die Bundes-regierung betrachtet die Neufassung desUmweltstatistikgesetzes (UStatG) als Teil

ihrer »Initiative Bürokratieabbau«. WeitereAnstöße zur Reduzierung der gesetzlichgeforderten Umweltstatistik gingen vomStatistischen Beirat5 sowie von einer Bun-desratsinitiative6 aus.

Zur »Verschlankung« werden verschiede-ne Datensammlungen im Rahmen von

nationalen, europäischen und internationa-len Berichtspflichten sowie die Ermittlungvon Beschäftigtenzahlen im Bereich dererneuerbaren Energien miteinander harmo-nisiert. Darüber hinaus werden einige Daten-erfassungen ersatzlos gestrichen, so zum Bei-spiel die Erhebung von ozonschädigendenStoffen (§ 11Abs. 1 UStatG a. F.), weil diesedurch das Auslaufen der Produktion undVerwendung solcher Stoffe zunehmend anBedeutung verliere, oder auch die Erhe-bung der Luftverunreinigungen durchBImSchG-Anlagen (§ 10 UStatG a. F.), diejetzt abschließend durch die Emissionser-klärungen nach der 11. BImSchV erfolgt.Geändert wurden vor allem die Erhebungvon Daten über die Wasserversorgung undAbwasserbeseitigung (früher §§ 6 bis 9,jetzt §§ 7, 8 UStatG) sowie die abfallstatisti-schen Erhebungen (früher §§ 3 bis 5, jetzt§§ 3 bis 6 UStatG).

§ 6 UStatG regelt, dass künftig das Stati-stische Bundesamt aus den bei den Unter-nehmen erhobenen Daten Abfallbilanzenerstellt. Auf diese Weise wird der Wegfallder Pflicht zur Erstellung betrieblicherBilanzen durch das Gesetz zur Vereinfa-chung der abfallrechtlichen Überwachung7

ausgeglichen. Neu eingeführt wurde unteranderem, dass Art, Menge und Verbleib dernach dem ElektroG anfallenden Altgeräte(§ 5 Abs. 3 UStatG n. F.) zu erheben sind.Um verlässlichere Daten über die Anzahlder im Umweltschutz Beschäftigten zuerlangen, wird schließlich bei einem größe-ren Kreis von Unternehmen die Zahl derBeschäftigten erfasst (§ 12 UStatG n. F.).

1 Hierzu Bausch/Rufin, Ein neues Energierecht, ZUR2005, 471 ff.

2 www.bmu.de/naturschutz_biologische_viel-falt/natura_2000/doc/4919.php; zum natur-schutzfachlichen Hintergrund siehe www.habi-tatmarenatura2000.de/

3 Siehe die tageszeitung (nord) vom 17. Septem-ber 2005, S. 32.

4 Gesetz zur Straffung der Umweltstatistik vom 18.August 2005, BGBl. I S. 2446.

5 Empfehlungen zur Weiterentwicklung der amt-lichen Statistik Bericht des Statistischen Beiratsan die Bundesregierung zur 14. und 15. Legisla-turperiode, Juni 2002, www.destatis.de/downlo-ad/d/stat_beirat/emp_6-02.pdf

6 Vorschlag eines Gesetzes zum Abbau von Stati-stiken, BR-Ds. 761/03.

7 S. die Übersicht in ZUR 2005, S. 331, 332.

Berichtsperiode 1. Juli bis 21. September 2005

In den letzten Monaten vor der vorgezogenenBundestagswahl am 18. September 2005 wur-den noch einige wichtige umweltrechtliche oderzumindest umweltrelevante Gesetzgebungs-vorhaben abgeschlossen. Die bedeutendstenÄnderungen gab es im Bereich des Energiewirt-schafts- und Klimaschutzrechts durch das»Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energie-wirtschaftsrechts«.1 Naturschutzrechtlichbedeutsam war zudem die Ausweisung vonzwei Seegebieten in Nord- und Ostsee zu Vogel-schutzgebieten (A.). Des Weiteren ist auf dasGesetz zur Straffung der Umweltstatistik hin-zuweisen (B.). Die Reform des Abfallrechtswurde zudem durch den Erlass der Deponiever-wertungsverordnung fortgesetzt (C.).

A. Neue Vogelschutzgebiete in Nord-und Ostsee

Am 15. September 2005 hat das BMU,gestützt auf § 38 Abs. 3 BNatSchG, zweineue Vogelschutzgebiete in Nord- und Ost-see unter Schutz gestellt (vgl. Tabelle 1).2

Die Unterschutzstellung steht im Zusam-menhang mit der bereits erfolgten Mel-dung weiterer acht Gebiete in der Aus-schließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vonNord- und Ostsee als FFH-Schutzgebiete(vgl. Tabelle 2).

Gebietscode Gebietsbezeichnung Fläche in ha

DE 1011-401 Östliche Deutsche Bucht 313.513

DE 1552-401 Pommersche Bucht 200.986(Quelle: BMU)

Gebietscode Gebietsbezeichnung Fläche in ha

DE 1003-301 Doggerbank 169.895

DE 1209-301 Sylter Außenriff 531.428

DE 2104-301 Borkum-Riffgrund 62.548

DE 1332-301 Fehmarnbelt 27.992

DE 1339-301 Kadetrinne 10.007

DE 1249-301 Westliche Rönnebank 9.854

DE 1251-301 Adlergrund 23.399

DE 1652-301 Pommersche Bucht mit Oderbank 110.173

(Quelle: BMU)

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 555

G E S E T Z G E B U N G | Neueste Entwick lungen im Bundesumwelt recht

556 | ZUR 11/2005

II, soweit sie den Anforderungen der Dep-VerwV entgegen stehen, mit dem Inkraft-treten der DepVerwV ihre Gültigkeit (§ 8).

D. Sonstige Änderungen

Die Biomasseverordnung (BiomasseV)10

musste geändert werden, weil in § 3 Nr. 9BiomasseV auf das zwischenzeitlich außerKraft getretene Tierkörperbeseitigungsge-setz11 verwiesen wurde. Um Rechtssicher-heit zu schaffen, wird der in § 3 Nr. 9 Bio-masseV enthaltene Ausschluss tierischerNebenprodukte aus em Biomassebegriffder BiomasseV nunmehr unter Verweis aufeuroparechtliche Vorgaben12 vorgenom-men. Die Änderung betrifft nur die Verwei-sung als solche; die nicht unumstritteneFrage, welche tierischen Nebenprodukteals Biomasse anerkannt werden und wel-che nicht, bleibt davon unberührt.

Gemeinschaftsrechtlich13 bedingte Ände-rungen durch das Gesetz zur Kontrolle

8 BGBl I S. 2252.9 Rs. C-307-311/00, Beschl. v. 27. Februar 2003, Slg. 2003, I-1821; Rs. C-458/00, Urt. v. 13. Februar 2003,

Slg. 2003, I-1553; Rs. C-6/00, Urt. v. 27. Februar 2002 – »ASA«, Slg. 2002, I-1961.10 1. Verordnung zur Änderung der Biomasseverordnung vom 9. August 2005, BGBl. I S. 2419, in Kraft

getreten am 18. August 2005.11 Aufgehoben durch Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vor-

schriften über die Verarbeitung und Beseitigung von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmtentierischen Nebenprodukten vom 25. Januar 2004, BGBl. I S. 82.

12 Verordnung (EG) Nr. 1774/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mitHygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte, ABl.Nr. L 273, S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 93/2005 der Kommission vom 19. Januar2005, ABl. Nr. L 19, S. 34.

13 Richtlinie 2003/122/Euratom des Rates vom 22. Dezember 2003 zur Kontrolle hoch radioaktiverumschlossener Strahlenquellen und herrenloser Strahlenquellen, ABl. Nr. L 346 vom 31. Dezember2003, S. 57

14 Vom 12. August 2005, BGBl. I S. 2365.15 BR-Ds. 629/05.16 Zum einen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2037/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

29. Juni 2000 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, Abl. Nr. L 244 vom 29. September2000, S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 2077/2004 der Kommission vom 3. Dezember2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2037/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezugauf die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen, ABl. Nr. L 359 vom 4. Dezember 2004, S. 28; zum anderengegen die Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 überpersistente organische Schadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG, Abl. Nr. L 158 vom 30. April2004, S. 7, berichtigt ABl. Nr. L 229 vom 29. Juni 2004, S. 5.

17 Vom 1. September 2005, BGBl. I S. 2618.

C. Deponieverwertungsverordnung(DepVerwV)

Die am 1. September 2005 in Kraft getrete-ne »Verordnung über die Verwertung vonAbfällen auf Deponien über Tage«8 setzt diemit der Abfallablagerungsverordnung(AbfAbV) und der Deponieverordnung(DepV) eingeleitete Beendigung der her-kömmlichen Deponierung von Abfällenfort.

Obwohl seit dem 1. Juni 2005 nur nochvorbehandelte Abfälle auf Deponien abge-lagert, das heißt beseitigt werden dürfen,kam es vielfach zu einer Umgehung, indemder Einsatz unbehandelter Abfälle als»Deponieersatzbaustoff« als Verwertungdeklariert wurde. Ermöglicht wurde diese»Scheinverwertung«, weil bislang keinegesetzlichen Kriterien existierten, wannder Einsatz von Abfall zum Beispiel bei derOberflächengestaltung (»Profilierung«)oder der Abdichtung als Verwertung zubetrachten ist.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund derzur Abgrenzung von Verwertung undBeseitigung ergangenen Rechtsprechungdes EuGH9 hat sich die Bundesregierungentschlossen, diese Regelungslücke mit derDepVerwV zu schließen. Hierzu legt § 3DepVerwV in Verbindung mit derenAnhang 2 allgemeine Grundsätze für denEinsatz von Abfall als Deponierersatzbau-stoffen fest. Danach dürfen zum Beispieldie in § 7 DepV von der Ablagerung ausge-schlossenen Abfälle (unter anderem Altrei-fen) nicht als Deponierersatzbaustoff ver-wendet werden. Nach § 4 DepVerwV inVerbindung mit deren Anhang 1 müssenAbfälle, um für jeweils im Einzelnen defi-nierte Baumaßnahmen verwertet zu wer-den, bestimmte physikalische Eigenschaf-ten und Grenzwerte einhalten. Die Profilie-rung mit Abfällen ist nur noch zulässig,wenn es sich um stillgelegte Deponienhandelt und wenn keine deponieeigenenStoffe zur Verfügung stehen (§ 4 Abs. 2).

Ergänzt werden die Anforderungendurch umfangreiche Kontroll- und Doku-mentationspflichten (§ 6). Deponiebetrei-ber und die Betreiber von Anlagen zur Her-stellung von Deponieersatzbaustoffenmüssen Herkunft, Art, Menge, Beschaffen-heit, Annahme und Einsatz von Deponie-ersatzbaustoffen sowie die Abgabe vonerzeugten Deponieersatzbaustoffen doku-mentieren. Darüber hinaus verweist § 6 aufVorschriften der DepV und der AbfAblV, sodass unter anderem die Pflicht zur Annah-mekontrolle nach § 8 DepV bzw. 5 AbfAblVentsprechend gilt.

Schließlich verlieren Planfeststellungsbe-schlüsse, Plangenehmigungen und sonstigeBescheide für Deponien der Klassen I und

GewAbfV – Gewerbeabfallverordnung, vom 19. Juni 2002, BGBl. I S. 1938, geändertdurch Art. 2 der Verordnung über die Verwertung von Abfällen auf Deponien überTage vom 25. Juli 2005, BGBl. I S. 2252

Hinweise zur Anwendung der Abfallverzeichnis-Verordnung, veröffentlicht am9. August 2005, BAnz. Nr. 148a (Beilage) S. 1

Entwurf eines Gesetzes zu der Zweiten Änderung des Übereinkommens vom 25.Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitendenRahmen (Zweites Espoo-Vertragsgesetz), BR-Ds. 626/05

hochradioaktiver Strahlenquellen14 betref-fen das Atomgesetz, die atomrechtlicheAbfallverbringungsverordnung, die Strah-lenschutzverordnung und die atomrechtli-che Deckungsvorsorge-Verordnung. Unteranderem wird durch die Neuregelung beimBundesamt für Strahlenschutz ein zentra-les Register für hochradioaktive Strahlen-quellen eingerichtet.

Die Chemikalien Straf- und Bußgeld-verordnung (ChemStrOWiV) soll des weite-ren nach dem Willen der Bundesregierungdurch eine Zweite Änderungsverordnunggeändert werden,15 um Verstöße gegenGemeinschaftsrecht16 ahnden zu können.

Durch das Gesetz zur Neuordnung desLebensmittel- und Futtermittelrechts,17

durch welches das Lebensmittel- und Fut-termittelgesetzbuch eingeführt wurde,kam es zu Folgeänderungen in einer Reiheumweltrechtlicher Gesetze, unter anderemim KrW-/AbfG, ChemG und PflSchG.

SONSTIGE RECHTSAKTE, PROGRAMMATISCHE PAPIERE UND MITTEILUNGEN

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 556

ZUR 11/2005 | 557

Der 10. Rostocker Umweltrechtstag widmete sich am 29. April2005 einem derzeit hochaktuellen Thema: dem strategischenUmweltschutz. Über 100 Interessierte aus Wissenschaft, Verwal-tung, Justiz und Wirtschaft waren zu der vom Ostseeinstitut fürSeerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht (OSU) der Univer-sität Rostock und dessen Förderverein vorbereiteten Tagungerschienen.

Nach der Begrüßung durch den Geschäftsführenden Direktordes OSU, Prof. Dr. Wilfried Erbguth, wies der Schirmherr derTagung, der Umweltminister von Mecklenburg-VorpommernProf. Dr. Wolfgang Methling, darauf hin, dass es in Zeiten vonMassenarbeitslosigkeit immer schwerer werde, Umweltschutzdurchzusetzen. Mecklenburg-Vorpommern versuche, bei derGesetzgebung und in der Verwaltungspraxis die Balance zwischeneiner Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und einem nachhalti-gen Umweltschutz zu finden.

Das in die Thematik einführende Fachreferat von Prof. Dr. Chri-stian Calliess, Universität Göttingen, befasste sich mit dem euro-parechtlichen Hintergrund der Strategischen Umweltprüfung(SUP). Als Ausprägung des vorsorgeorientierten und integriertenUmweltschutzes trage die SUP einer nachhaltigen EntwicklungRechnung (Art. 1 SUP-RL). Der Anwendungsbereich umfasse nachArt. 2 SUP-RL lediglich Pläne und Programme einer Behörde, ohneBerücksichtigung der Trägerschaft in der Vorbereitungsphase.Materielle Ziele könnten lediglich durch das (Träger-)Verfahrenverwirklicht werden; die SUP selbst sei – wie die UVP – als reineVerfahrensregelung ausgestaltet. Diese Prozeduralisierung desUmweltschutzes entspräche einem seit der UVP-RL zu beobach-tenden Trend der EG-Rechtsetzung. Im Anschluss ging der Refe-rent die sechs Verfahrensschritte der SUP durch. Er wies daraufhin, dass insbesondere die Konkretisierungsphase nicht unproble-matisch sei, da bei ihr auf das Ergebnis der Vorprüfung (Scree-ning), wo die Anwendbarkeit der SUP auf den zu prüfenden Planbzw. Programm festgestellt werde, zurückgegriffen werde. Der Auf-wand im Rahmen des dann folgenden Scopings sei innerhalb derSUP zu begrenzen. Zentraler Teil der SUP-RL sei jedoch derUmweltbericht aus der Informationsphase. Dieser biete eineGrundlage für das weitere Verfahren und beinhalte das Prüfungs-ergebnis der Behörde in zusammengefasster Form. Die Anforde-rungen seien im Anhang I SUP-RL konkret festgehalten. Zu ermit-teln sind danach vernünftige Alternativen. Abweichende Planzieleund außerhalb jeder Realisierungsmöglichkeit liegende Alternati-ven wären jedoch ausgeschlossen. In der anschließenden Kommu-nikationsphase solle man insbesondere in komplexeren, grenz-überschreitenden Fällen wegen der möglichen Vielfalt der betrof-fenen Behörden sowie aufgrund des europarechtlich weitauszulegenden Begriffes der Öffentlichkeit die Möglichkeiten des»E-Government« nutzen. In der Entscheidungsphase seien Um-weltbericht, abgegebene Stellungnahmen nach der Kommuni-kationsphase und Ergebnisse aus grenzüberschreitenden Konsul-tationen zu berücksichtigen. Anschließend erfolge die Veröffent-lichung des angenommenen Plans oder Programms, derzusammenfassenden Erklärung und der festgelegten Überwa-chungsmaßnahmen. Das Verfahren werde mit dem Monitoringals Vollzugskontrolle beendet. Abschließend konstatierte Calliess,dass insbesondere der verfahrensrechtliche Charakter der SUP-RL

wegen des überwiegend materiellen Charakters deutschenUmweltrechts bei der Umsetzung Probleme bereite.

Dr. Wolfgang Schrödter vom Niedersächsischen Städtetag, Han-nover, widmete sich als zweiter Redner dem »EAG-Bau – Die SUPin der Bauleitplanung«. Der Bundesgesetzgeber habe die SUP-RLmit dem EAG-Bau zumindest baurechtlich fristgerecht umgesetzt.Laut Schrödter komme den Gemeinden damit die neue Aufgabezu, die SUP als Regelverfahren zur Erreichung eines hohenUmweltschutzniveaus und mittels Einbindung von Behörden undÖffentlichkeit sowie durch Umweltüberwachung in der Bauleit-planung durchzuführen. Hierbei sei zu beachten, dass in § 1 Abs. 6Nr. 7 und § 1a EAG Bau nicht sämtliche Umweltbelange ab-schließend aufgezählt seien. Zur Fehlervermeidung, empfahlSchrödter den Gemeinden, für die Darstellung erheblicher Auswir-kungen auf die Umwelt möglichst alle Aspekte anzusprechen undabzuhandeln. Nicht in jedem Fall sei es notwendig, dafür einenUmweltgutachter einzuschalten. Die Analyse könne sich auf dengegenwärtigen Wissensstand beschränken. Wünschenswert seiindessen eine Benennung von Fundstellen und Fachgesetzensowie Verordnungen. Aktuell umstritten sei die Bedeutung derUmweltbelange in der Abwägung. Gegenstand von Planungs-leitsätzen stellen diese Belange nur in den durch Gesetze bzw. Ver-ordnungen geregelten Fällen dar; es bestehe im Hinblick auf dieUmweltbelange im geltenden Recht auch kein generelles Optimie-rungsgebot. Uneinigkeit stellte Schrödter in der Frage, ob nacheiner Änderung im Verfahren ein Umweltbericht und erneute Aus-legung notwendig seien, wenn kein Belang erheblich betroffen ist,fest. Er resümierte, dass die Umweltprüfung und der Umweltbe-richt sowie das Umweltmonitoring hohe Anforderungen an dieGemeinden stellen und zusätzliche Kosten verursachen würden.Zudem wies er auf die Fehleranfälligkeit nach § 214 Abs. 1 Nr. 3BauGB a. F. hin und mutmaßte, dass nunmehr verstärkt rechtlicheBeratung bei vielen Bauleitplänen erforderlich sei.

Im Anschluss stellte Dr. Peter Runkel, Bundesministerium fürVerkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin, die Umsetzung derSUP-RL im Raumordnungsrecht vor. Den Ländern werde bis zum5. Oktober 2006 Zeit gegeben, die rahmenrechtlichen Vorschriftendes ROG umzusetzen. Durch die bis zu diesem Zeitpunkt statuierteDirektwirkung der RL werde der Umsetzungsverpflichtung frist-gemäß Rechnung getragen. Die SUP-RL sei durch das ROG nochnicht umfassend umgesetzt, was jedoch an der verfassungsrechtli-chen Erforderlichkeitshürde nach Art. 75 S. 1 i. V. m. Art. 72 Abs. 2GG liege. Runkel hob hervor, dass die SUP-bezogenen Regelungendes ROG im Vergleich zu denen des BauGB vielfältige Unterschie-de aufwiesen. So wäre eine Vorprüfung im Einzelfall nach § 7 Abs.5 S. 5 bis 7 ROG nur bei geringen Änderungen von Raumord-nungsplänen erforderlich. Während in § 7 Abs. 5 S. 3 ROG einefakultative Verortung des Umweltberichts als Teil der Begründungenthalten sei, wäre in § 2a S. 2 Nr. 2 und S. 3 BauGB eine obligato-rische vorgesehen. Die nach der SUP-RL eingeführte Öffentlich-keitsbeteiligung stelle weitgehend Neuland dar. Dies gelte vorallem für die Ausgestaltung als Jedermann-Recht, wodurch bereitsdie UI-RL umgesetzt werden solle. Hinsichtlich etwaiger Form-und Fristvorschriften ist ein Rückgriff auf entsprechende Regelun-gen des BauGB und des VwVfG vorgesehen. Ungeklärt sei in Anbe-tracht fehlender Präklusionsvorschriften nach wie vor, mit wel-chen Konsequenzen Fristversäumnisse für die Abgabe von Stellun-

TA G U N G S B E R I C H TRostocker Umweltrechtstag 2005Strategischer Umweltschutz (SUP)

– Stand, Rechtsfragen, Perspektiven –

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 557

TA G U N G S B E R I C H T

558 | ZUR 11/2005

gnahmen zu verbinden seien sowie ob und inwieweit eine erneuteBeteiligung nach Änderung des Planentwurfs erforderlich wäre.Zuletzt wies Runkel darauf hin, dass die unmittelbar anzuwenden-de Planerhaltungsvorschrift des § 10 Abs. 2 S. 1 ROG nur in denBundesländern gelte, welche von der Heilungsvorschrift gem. § 10Abs. 2 S. 1 ROG a.F. Gebrauch gemacht hätten.

In der ersten von Prof. Erbguth geleiteten Diskussionsrundewurde die gesetzlich statuierte Einbindung von Umweltverbändenim Scoping-Verfahren erörtert. Nach Auffassung von Calliess han-dele es sich dabei um eine Kann-Vorschrift, welche die Beteiligungin das Ermessen der Mitgliedstaaten stelle. Nach Schrödter würdenfür eine Mitwirkung von Verbänden Regelungen des Espoo-Übe-reinkommens und der Aarhus-Konvention sprechen. Vertretervon Behörden befürchteten, dass die beim Screening/Scopingerforderlichen zusätzlichen Beteiligungsrunden unnötige Zeit undKräfte bänden. Die Vortragenden entgegneten jedoch, dass es sichnur um einen geringfügigen Mehraufwand handele. Runkelerklärte, dass ein kurzer Umweltbericht genüge, sofern keineerheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten seien. Nach Cal-liess sei der SUP-Richtlinientext diesbezüglich sehr allgemeingefasst, jedoch sei zu beachten, dass die Bundesrepublik Deutsch-land nach Art. 10 EGV stets zu einer effektiven Umsetzung ver-pflichtet sei.

Der zweite Teil begann mit einem Referat zur »Umsetzung derSUP-RL durch das SUP-Gesetz« von Ministerialrat Dr. Christof San-genstedt, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak-torsicherheit. Nach Annahme durch den Bundestag befinde sichdas Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung imVermittlungsausschuss.1 Er hob hervor, dass das Fehlen einer über-greifenden Bundeskompetenz für den Umweltschutz einmal mehreine einheitliche Umsetzung medienübergreifender europarecht-licher Vorgaben in Bundesrecht verhindere. Da die StrategischeUmweltprüfung jedoch auf der Plan- und Programmebene einesinnvolle und folgerichtige Ergänzung der UVP darstelle und bei-de strukturell Parallelen aufwiesen, habe sich als Regelungsstan-dort der SUP das UVP-Gesetz angeboten. Die SUP solle nach demEntwurf für sechzehn Planungstypen gelten, wohingegen derBundesrat lediglich vier Planungstypen für die Anwendung derSUP favorisiere. Weiterhin erläuterte Sangenstedt das Subsi-diaritätsverhältnis der Vorschriften des SUP-Stammgesetzes, desSUPG (n. F.), zu den Fachgesetzen. Während das neugefasste SUPGdie Regelungsmaßstäbe und das Anforderungsprofil enthalte, sei-en die konkreten und spezielleren SUP-Vorschriften im Fachrechtzu finden. Letztere seien aber nur dann vorrangig anzuwenden,wenn sie nicht hinter den Vorgaben des SUPG zurückblieben. Alsbesonderes Beispiel hob Sangenstedt den Bundesverkehrswege-plan hervor und betonte, dass sich nach dem Grundsatz des »effetutile« hier eine SUP-Pflicht aufdränge.

Anschließend behandelte Prof. Dr. Wilfried Erbguth, UniversitätRostock, die strategische Umweltprüfung im Abfallrecht. FürAbfallwirtschaftspläne sei zukünftig nach §§ 14b Abs.1, 14c SUPG-Entwurf eine obligatorische SUP durchzuführen. Sprengstoff ver-berge sich in § 14b SUPG-Entwurf, da nach der Richtlinie bei SUP-pflichtigen Programmen eine bindende Rahmensetzung erforder-lich sei. Dies sei jedoch gerade bei Plänen nach § 29 KrW-/AbfG niebzw. allenfalls dann der Fall, wenn diese z. B. nach § 29 Abs. 4KrW-/AbfG im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Geneh-migungsverfahren für verbindlich erklärt worden seien. In abfall-rechtlichen Planfeststellungsverfahren betreffend Deponien nach§ 32 Abs. 2 KrW-/AbfG komme den Planinhalten zwar auch beifehlender Verbindlichkeit Abwägungsrelevanz zu, jedoch mangelees regelmäßig an planerischen Vorgaben wie Prognoseerläuterun-gen zu vorhandenen Kapazitäten. Erbguth stellte abschließendfest, dass die gewählte Umsetzung im Wege der generellen SUP-Pflicht über das von der SUP-RL Gebotene hinausgehe und nichtder Systematik des § 14b SUPG-Entwurf entspräche. Bezüglich

behördlicher Abfallwirtschaftskonzepte konstatierte Erbguth, dass§ 19 Abs. 5 KrW-/AbfG den Ländern eine große Gestaltungsfreiheiteröffne und sich deshalb eine detaillierte bundesrechtliche Rege-lung der SUP in der vorgesehenen Art verbiete. Vielmehr müsse esden Ländern überlassen werden, die Durchführung der SUP imRahmen von Abfallwirtschaftskonzepten zu regeln. Entsprechen-des gelte für die Fortschreibung von Konzepten durch Dritte, dielediglich intern wirkten und damit nicht dem Anwendungsbe-reich der SUP-RL unterfielen.

»Die SUP im Straßenrecht« war Thema des Referats von MichaelSauthoff, Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Greifswald.Nach einem kurzen Überblick über die Bundesfernstraßenplanungstellte er fest, dass eine 1:1 Umsetzung der SUP-RL durch den Bundwegen der Verteilung der einzelnen Kompetenzen im Umweltbe-reich unmöglich sei. Der Bundesverkehrswegeplan sei SUP-pflich-tig, weil er von einer Behörde ausgearbeitet und aufgrund vonRechts- und Verwaltungsvorschriften erstellt werde. Auch dieBedarfspläne seien SUP-pflichtig. Raumordnungsverfahren unter-fielen der SUP-Pflicht, wenn ein Raumordnungsplan bereits ver-bindliche Ziele statuiere. Linienbestimmungen seien als vorgela-gerte Rahmensetzungs- bzw. Planungsebene Gegenstand einerSUP. Sauthoff betonte, dass in der Alternativenprüfung bei größe-ren Fernstraßenprojekten auch der Ausbau von Schienenverbin-dungen bzw. bei Straßenprojekten in Ballungsräumen jener desÖPNV zu erwägen sei. Bei Neubauprojekten wären regelmäßigeine geringere Dimensionierung der Projekte (Entwurfsgeschwin-digkeit, Anzahl der Fahrstreifen), Ausbau der bestehenden Ver-kehrsinfrastruktur und der untergeordneten Netze (Landes- undkommunale Straßen) sowie Maßnahmen der Verkehrsberuhigungund Lärmsanierung zu berücksichtigen. Auch die Null-Variantedürfe nicht vergessen werden. Zur Vermeidung von Doppelprü-fungen seien die verschiedenen Planungs- und damit SUP-Ebenen,aber auch die entsprechenden Zulassungsverfahren effizient mit-einander zu verzahnen. Werde der Bundesverkehrswegeplanbereits einer Umweltprüfung unterzogen, müssten sich weitereUmweltprüfungen auf unteren Ebenen auf dort in das Blickfeldtretende, weitere umweltbezogene Entscheidungserfordernissebeschränken.

In der anschließenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen,ob globale Umweltauswirkungen im Umweltbericht eine Rollespielen sollten. Sangenstedt antwortete, dass dies von Art und Ebe-ne des Plans abhänge. Beispielsweise seien Klimafragen bei Bau-leitplänen nicht zwingend zu berücksichtigen, während sie beimBundesverkehrswegeplan durchaus eine Rolle spielen würden.Insoweit spreche auch der medienübergreifende Ansatz der SUP-RL für eine globale Ausrichtung. Nach Ansicht von Sangenstedtwären kommunale Verkehrswegepläne wohl nicht SUP-pflichtig,da die Richtlinie politische Pläne nicht erfassen wolle.

Prof. Dr. Michael Reinhardt, Universität Trier, erläuterte »diestrategische Umweltprüfung im Wasserrecht«. Einleitend betonteer, dass nach der Umsetzung der WRRL in das Wasserhaushaltsge-setz auch bezüglich der SUP alles geklärt sei. Die SUP-Pflicht imWasserrecht könne nach Sinn und Zweck der Art. 3 Abs. 2a) undArt. 2a) SUP-RL nur einen engen Anwendungsbereich finden. AlsSUP-pflichtige wasserhaushaltsrechtliche Instrumente kämengrundsätzlich Wasserschutzgebiete (§ 19 WHG), Überschwem-mungsgebiete (§ 31b WHG), Maßnahmenprogramme (§ 36 WHG)und Bewirtschaftungspläne (§ 36b WHG) in Betracht. Wasser-schutzgebiete seien jedoch ausdrücklich nach dem Gesetzeswort-laut in behördliches Ermessen gestellt und Überschwemmungsge-bieten fehle die planerische Zielsetzung, ihnen komme lediglichein sichernder Charakter zu. Hochwasserschutzpläne und Maß-

1 Anm. d. Red.: Das Gesetz ist inzwischen verabschiedet worden und in Kraft ge-treten als »Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zurUmsetzung der Richtlinie 2001/42/EG« (SUPG) vom 25.6.2005, BGBl. I, S. 1746:Näheres dazu in der Rubrik Bundesumweltrecht aktuell in diesem Heft.

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 558

ZUR 11/2005 | 559

B U C H R E Z E N S I O N E N

nahmenprogramme als originär planerische Instrumente stelltendaher einzig und allein stets SUP-pflichtige Pläne und Programmeim Wasserrecht dar. Bei den nach der WRRL eingeführten Bewirt-schaftungsplänen hingegen sei für eine SUP-Pflicht von entschei-dender Bedeutung, ob konkrete Maßnahmen enthalten seien.Fehlten diese, läge mangels Steuerung behördlichen Handelns kei-ne SUP-Pflicht vor.

Der letzte von Dr. Olaf Reidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt fürVerwaltungsrecht, Berlin, übernommene Vortrag war den imZusammenhang mit der SUP stehenden Rechtsschutzfragengewidmet. Reidt plädierte für einen Rechtsschutz mit Augenmaß.Er stellte fest, dass die durch die Umsetzung erforderlichen neuenbzw. geänderten Vorschriften des EAG-Bau und SUPG keine spezi-ellen Rechtsschutzmöglichkeiten normierten. Ob und inwieweitdiese bestünden, richte sich allein nach den maßgeblichenbekannten verwaltungsverfahrens- und verwaltungsprozessrecht-lichen Normen. Für die abstrakte Normenkontrolle eines SUP-pflichtigen Plans oder Programms sei – unabhängig von derRechtsform – entscheidend, ob es sich um abstrakt generelle Rege-lungen mit Außenwirksamkeit handele. Der verfahrensrechtlicheCharakter der SUP-RL schließe nach Reidt Vorschriften zurBestandssicherung und Erhaltung von Plänen wie etwa Normen

zur Planerhaltung wie §§ 214 ff. BauGB nicht aus. Die Normierungeiner widerlegbaren Vermutung der Rechtmäßigkeit bei ordnungs-gemäß durchgeführtem Verfahren obliege im deutschen Rechtnatürlich nicht dem Ermessen des Plangebers, sondern allein demGesetzgeber. Im EAG-Bau konnte sich jedoch eine entsprechendgefasste Regelung nicht durchsetzen. Reidt hob hervor, dass dienotwendige Überwachung der Umweltauswirkungen im Planvoll-zug, das sog. Monitoring, als Bestandteil des Plans oder Pro-gramms eine neue Rechtmäßigkeitsanforderung darstelle. Ob undwelche Konsequenzen aus der Nichtdurchführung dieser Maß-nahmen entstünden, liege wiederum im Gestaltungsermessen desGesetzgebers, da die Richtlinie hier keine Bestimmungen vorgebe.Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers seien beschränkt. EinAnspruch auf Information wegen der tatsächlichen Durchführungwürde sich jedoch aus dem UIG ergeben.

Die Referate werden – wie üblich –in der Rostocker Schriftenreihezum See- und Umweltrecht (Nomos-Verlagsgesellschaft) publiziert.

Jeannette Edler, LL.M., Rechtsanwältin und wiss. Mitarbeiterin am Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und

Infrastrukturrecht (OSU), Universität Rostock

Ludger-Anselm Versteyl/Wolf Dieter Sonder-mannBundes-BodenschutzgesetzKommentarBeck-Verlag, 2. Auflage 2005, 485 Seiten, 88,– Euro

Versteyl/Sondermann haben die zweiteAuflage ihrer Kommentierung des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) vorge-legt. Wer das Werk »begreift«, könnte den-ken, dass Teile des Inhalts entfallen wären:Denn es liegt der seltene Fall vor, dass eineNeuauflage etwas schmaler als die Erstauf-lage ist. Tatsächlich verfügt die Zweitaufla-ge über weniger Seiten, doch zeigt sich beiBenutzung des Werkes, dass dies allein aufdrucktechnischen Gründen beruht und derInhalt ganz im Gegenteil Weiterungen undfreilich Ergänzungen um Rechtsprechungund Schrifttum aus den letzten Jahrenerfahren hat. Inhaltlich bleibt demnachauch die zweite Auflage des Kommentarsschwergewichtig. Die Autoren und das vonIhnen geführte Team, das im wesentlichenaus Rechtsanwälten der jeweiligen Kanzlei-en der Autoren besteht, hatten bereits mitder ersten Auflage eine Kommentierungdes damals gerade in Kraft getretenenBBodSchG vorgelegt, die die neuen Rechts-vorschriften gründlich beleuchtete. DenAutoren gelang die – bei Erstkommentie-rungen leider nicht immer anzutreffende –Mischung aus Wiedergabe des gesetzgebe-rischen Anliegens mitsamt seiner histori-schen Entwicklung einerseits und darüberhinausführender Interpretation desRechtstextes im Kontext mit Rechtspre-

chung, Vollzug und systematischer Zuord-nung andererseits; dies alles verbundenmit zahlreichen praktischen Hinweisen.Beispielhaft sei hier die Kommentierungder Instrumente des BBodSchG zur Erfas-sung, Untersuchung und Sanierung vonAltlasten genannt. Auf diesem Feld sindviele Punkte umstritten. Der Vollzug diver-giert zwischen den Bundesländern. DieAutoren gehen hier den einzelnen Struktu-ren in den jeweiligen Bundesländern dezi-diert nach, geben die dazugehörige Recht-sprechung wieder und verlieren in diesenDetails in keiner Weise den Blick für dasGesamtgefüge, hier vor allem die umwelt-politischen Zielsetzungen des Boden-schutzrechts. Nicht anders verhält es sichim Hinblick auf so komplexe Fragen wiedie Auswahl des »richtigen« Sanierungsver-antwortlichen oder die Aufteilung vonSanierungslasten unter die potentiellenVerantwortlichen.

Die zweite Auflage ist nun um wichtigeAspekte angereichert und ergänzt worden:Hier ist zuerst freilich die jüngere Recht-sprechung zu nennen, die eingearbeitetwurde. Dazu gehören auch so wichtige Ent-scheidungen wie die des EuGH in der Sachevan de Walle/Texaco (Rs. C-1/03, Urt. v.7.9.2004). Der EuGH hatte entschieden,dass kontaminiertes Erdreich, auch wennes noch nicht ausgehoben, also noch unbe-weglich ist, Abfall sein kann. Brüche desnationalen Abfall- und Bodenschutzrechtsmit dem europäischen Umweltrecht sinddamit sichtbar geworden. Die Autorenbegründen dies mit dem Fehlen eines

europäischen Bodenschutzrechts. Sieschlagen vor, dass entweder auf europäi-scher Ebene ein Bodenrechtsregime einge-richtet oder die Abfallrahmen-Richtliniesoweit novelliert werden soll, dass auch imGemeinschaftsrecht nur beweglicheSachen zu Abfall werden können.

Eine weitere wichtige Ergänzung in derZweitauflage betrifft die Frage der Ver-jährung von Ausgleichsansprüchen. Bislangwar umstritten, ob die miet- bzw. pacht-rechtliche kurze Verjährung (6 Monate) alsspeziellere Vorschrift der in § 24 Abs. 2BBodSchG auf drei Jahre festgelegten Ver-jährung vorgeht, wenn zwischen den Aus-gleichspflichtigen ein entsprechendesRechtsverhältnis bestanden hat. Die Zivilge-richte hatten mehrheitlich der kurzen Ver-jährung den Vorzug gegeben. Versteyl/Son-dermann hatten schon in der Erstauflagedagegen argumentiert. Der Gesetzgeber istnunmehr mit Änderungsgesetz vom9.12.2004 (BGBl. I S. 3214) ihrer Auffassunggefolgt: § 24 Abs. 2 BBodSchG ist dahinge-hend ergänzt worden, dass §§ 438, 548 und606 BGB nicht anzuwenden sind. Es magZufall sein, dass der Gesetzgeber nun auf dieLinie der Autoren »eingeschwenkt« ist; dieAutoren dürfen sich in ihrer Auslegung desBBodSchG bestätigt sehen. Kurzum: Wer sich mit dem Bodenschutz-recht befasst, kommt an der Kommentie-rung von Versteyl/Sondermann nicht vor-bei. Es ist heute schon ein Standardwerk.

Rechtsanwalt Stefan Kopp-Assenmacher, Berlin

B U C H R E Z E N S I O N E N

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:41 Uhr Seite 559

560 | ZUR 11/2005

Die nachfolgende Übersicht erfasst, soweit verfüg-bar, die umweltrechtliche Literatur des Erschei-nungszeitraums vom 16.04.2005 bis zum15.06.2005.

EG- und Internationales Umweltrecht

Bohne, Eberhard (Hrsg.):Ansätze zur Kodifikation des Umweltrechtsin der Europäischen Union:Die Wasserrahmenrichtlinie und ihre Umset-zung in nationales RechtBeiträge zum 3. Speyerer UGB-Forum vom 15.bis 16. September 2003 an der DeutschenHochschule für VerwaltungswissenschaftenSpeyer2005, 275 S., 82,– €, Duncker & Humblot,ISBN 3-428-11684-4

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie vom23.10.2000 hat zu einem neuen umfassen-den Ordnungsrahmen für die Bewirtschaf-tung der Gewässer in Europa geführt. Die-ser war bis zum 22.12.2003 in nationalesRecht umzusetzen. In verschiedenen EU-Mitgliedstaaten sind Bemühungen imGange, das weit verzweigte nationale Um-weltrecht in einem oder wenigen Gesetzenzu vereinheitlichen und zu vereinfachen.Schließlich hat die Europäische Kommissi-on eine Reform der gemeinschaftlichenRechtsetzung unter der Bezeichnung »Eu-ropäisches Regieren/Bessere Rechtsetzung«eingeleitet, die in einem Weißbuch von2001 und in mehreren Mitteilungen derKommission ihren Niederschlag gefundenhat. Das 3. Speyerer Forum zum Umweltgesetz-buch machte es sich zur Aufgabe, die auf-gezeigten Entwicklungstendenzen in Bezie-hung zu setzen und zu untersuchen, welcheUmsetzungsprobleme die Wasserrahmen-richtlinie aufwirft, inwieweit die Wasser-rahmenrichtlinie die Kommissionsanforde-rungen an eine bessere Rechtsetzungerfüllt, ob sie ein Vorbild für künftige Kodi-fikationen des Umweltrechts auf gemein-schaftlicher oder nationaler Ebene seinkann, und wenn nicht, welche Lehren ausder Wasserrahmenrichtlinie für die Fort-entwicklung des Umweltrechts zu ziehensind. Die Vorträge zu diesen Themen sindin aktualisierter Form in diesem Tagungs-band zusammengefasst.

Kreuter-Kirchhof, Charlotte:Neue Kooperationsformen im Umweltvöl-kerrechtDie Kyoto Mechanismen2005, 623 S., 114,– €, Duncker & Humblot, ISBN 3-428-11492-2

Mit dem Inkrafttreten des Kyoto Protokollsam 16.2.2005 sind zum ersten Mal Indu-striestaaten rechtsverbindlich dazu ver-pflichtet, die Emissionen von Treibhausga-sen zum Schutz des Klimasystems zu redu-

zieren. Gleichzeitig erlauben die Kyoto-Me-chanismen den Vertragsparteien, in neuar-tigen Rechtsstrukturen international zumSchutz der Erdatmosphäre zusammenzuar-beiten und so die Reduktionsverpflichtun-gen möglichst kostengünstig zu erfüllen.Die private Wirtschaft wird eingebunden,um auch privates Kapital und industrielleErfahrung für den Klimaschutz zu nutzen.Die Industriestaaten können mit Emissi-onsreduktionen handeln, untereinanderoder mit Entwicklungsländern Klima-schutzprojekte durchführen und die Emissi-onsreduktionen aus diesen Projekten auf Ih-re Reduktionsverpflichtungen anrechnen.Die Verfasserin analysiert und systemati-siert die staatenübergreifende Aufgabe, diemodernen Handlungsformen sowie denEntwicklungsauftrag des Kyoto Protokollsund macht die darin angelegten neuartigenStrukturen eines Völkerrechts der Zukunftsichtbar.

Allgemeines Umweltrecht

Gassner, Erich/ Winkelbrandt, Arnd/ Bernotat, Dirk:UVP – Rechtliche und fachliche Anleitungfür die Umweltverträglichkeitsprüfung2005, 476 S., 58,– €, Verlagsgruppe Hüthig JehleRehm, ISBN 3-8114-3072-6

Der in der Praxis eingeführte und bewährteLeitfaden wurde für die 4. Auflage komplettüberarbeitet. Die Umsetzung der UVP-Än-derungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie undweiterer Umweltschutzrichtlinien wurdeberücksichtigt und die enthaltenen Tabel-len, Übersichten und Abbildungen verset-zen den Benutzer in die Lage, eine Um-weltverträglichkeitsprüfung sicher, syste-matisch und vollständig durchzuführen. Der Leitfaden wendet sich an Umwelt-behörden, Ingenieur- und Architekturbürossowie Rechtsabteilungen von Industrieun-ternehmen. Die praxisnahe Kombinationder rechtlichen und fachlichen Aspektemacht das Werk zu einem hilfreichen Be-gleiter für alle, die direkt oder indirekt vonden Regelungen der UVP betroffen sind.

Immissionsschutzrecht

Feldhaus, Gerhard:BundesimmissionsschutzrechtKommentarLoseblattwerk in 9 Ordnern, Stand: Juni 2005,124. und 125. Ergänzungslieferung, 8.412 S.,218,– €, Verlagsgruppe Jehle Rehm,ISBN 3-8114-4270-8

Die 124. Aktualisierung enthält die Neu-kommentierung des § 18 BImSchG, dieNeufassung der EG-FCKW-Verordnung, dieAufnahme der EG-Richtlinie Arsen, Kadmi-

um und eine Aktualisierung zahlreicherVorschriften.Die 125. Aktualisierung enthält die Kom-mentierung der neuen Vorschriften überEmissionszertifikate, eine umfangreicheVorbemerkung zum Emissionshandels-recht, die Kommentierung der Verordnungüber genehmigungsbedürftige Anlagen undüber das Genehmigungsverfahren.

Atom- und Energierecht

Reshöft, Jan/ Steiner, Sascha/ Dreher, Jörg:Erneuerbare-Energien-GesetzHandkommentar2005, 418 S., 78,– €, Nomos Verlagsgesellschaft,ISBN 3-8329-0986-9

Das reformierte Erneuerbare-Energien-Ge-setz (EEG) verbessert die Förderung derStromerzeugung aus erneuerbaren Energienerheblich. Die Regelungen müssen jetzt indie Praxis umgesetzt werden. Das Werkberücksichtigt sämtliche Gesetzesänderun-gen: So wurden die Vergütungsregelungenfür die einzelnen Energieträger stärker diffe-renziert. Die Abnahmepflicht für Strom auserneuerbaren Energien wurde ausgedehnt(z. B. Strom aus Biomasseanlagen). Die Aus-gleichsregelungen zwischen den Netzbetrei-bern, den Elektrizitätsversorgungsunter-nehmen und den Verbrauchern (insbeson-dere Großverbraucher) wurden verfeinert.Der Verbraucherschutz wurde erheblich ver-bessert. Die zeitlich befristete Härtefallrege-lung für stromintensive Betriebe wurde aus-gedehnt und die Befristung aufgehoben.Umfangreiche Erläuterungen der Begriffefördern das Verständnis und zahlreiche Pra-xistipps erleichtern die Umsetzung der Neu-regelungen.

Abfallrecht

Fluck, Jürgen:Kreislaufwirtschafts-, Abfall- undBodenschutzrechtKrW-/AbfG, AbfVerbrG, EG-AbfVerbrVO, BBodSchG, KommentarLoseblattwerk in 9 Ordnern, Stand: Juni 2005, 56.,57. und 58. Ergänzungslieferung, 10.134 S.,218,– €, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm,ISBN 3-8114-7900-8

Die 56. Ergänzungslieferung enthält dieneue Kommentierung von § 54 KrW-/AbfG,das ElektroG sowie Änderungen landes-rechtlicher Vorschriften, diverse Neuauf-nahmen und Aktualisierungen.Die 57. Ergänzungslieferung beinhaltet dieNeukommentierung von §§ 30, 33 KrW-/AbfG, die EG-Umwelthaftungsrichtlinie so-wie Neuaufnahmen und Aktualisierungenvon Vorschriften (Bundes- und Landes-recht).

B U C H N E U E R S C H E I N U N G E N

ZUR_11_05_Innenteil 20.10.2005 8:32 Uhr Seite 560

ZUR 11/2005 | I I I

Die 58. Aktualisierung enthält die Neukom-mentierung von § 4 BBodSchG.

Bodenschutz- und Altlastenrecht

Scherrer, Karin:Handlungs- und Kostentragungspflichtenbei der AltlastensanierungStörer- versus Verursacherprinzip2005, 384 S.,54,20 €, Stämpfli Verlag AG,ISBN 3-7272-0439-7

Durch Abfälle belastete, sanierungsbedürfti-ge Böden – kurz Altlasten – stellen ein Pro-blem dar, dessen man sich lange Zeit be-wusst war. Siedlungsabfälle etwa wurdenüber Jahrzehnte hinweg auf offenen Depo-nien entsorgt, ohne dass Maßnahmen ge-gen das Versickern giftiger Chemikalien er-griffen worden wären. Dabei handelte essich nicht einmal zwingend um Verstößegegen die Umweltgesetzgebung. Auf vielenheute belasteten Standorten wurden nachdem damaligen Stand der Technik oder garmit Zustimmung (oder zumindest Duldung)der Behörden Abfälle abgelagert. Die Sanie-rung eines solchen Standortes wirft die ver-schiedensten rechtlichen Fragen auf. Vorabgilt es jeweils zu unterscheiden, wer über-haupt sanieren muss und wer letztendlichdie Kosten dafür zu tragen hat. Zur Bestim-mung des Handlungspflichtigen wird dasStörerprinzip herangezogen; maßgeblichfür die Zahlungspflicht ist das Verursacher-prinzip. Wie verhält es sich jedoch, wenndie Parteien eines privatrechtlichen Kauf-vertrags eine andere Kostenverteilung ver-abredet haben? Welche Regelung hat Vor-rang? Das vorliegende Werk setzt sich an-hand von Praxisbeispielen vor allem mitHandlungs- und Kostentragungspflichten,der Berücksichtigung zivilrechtlicher Ver-hältnisse sowie Verfahrensfragen auseinan-der.

Wasserrecht

Haupt, Johann-Albrecht/ Reffken, Hermann/Rhode, Erich:Niedersächsisches Wassergesetz (NWG)Stand April 2005, 9. Ergänzungslieferung,1.102 S., 84,80 €, Kommunal- und Schul-VerlagGmbH & Co. KG, ISBN 3-88061-865-8

Im Mittelpunkt der Überarbeitung stehenerneut Rechtsänderungen, die aufgrund derEG-Wasserrahmenrichtlinie Eingang in dasNWG gefunden haben. Die Aktualisierungbefasst sich schwerpunktmäßig mit denAuswirkungen der Richtlinie auf das Bun-des- und Landesrecht.

Naturschutz- und Landschaftspflegerecht

Meßerschmidt, Klaus:Bundesnaturschutzrecht – Kommentar undEntscheidungenKommentar zum Bundesnaturschutzgesetz(BNatSchG), Vorschriften und EntscheidungenLoseblattwerk in 6 Ordnern, Stand: Juni 2005, 70.und 71. Ergänzungslieferung, 7.930 S., 168,– €,Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, ISBN 3-8114-3870-0

Die 70. Aktualisierung enthält die Kom-mentierung von § 29 BNatSchG. Sie prüftdie BArtSchV sowie Änderungen des Bay-NatSchG, des HENatG, des HFG, der NP-VOEifel und des LNatSchG Schl.-H.Im Mittelpunkt der 71. Aktualisierung stehtdie Kommentierung der §§ 30 und 31 BNatSchG.

Sonstiges

Ludwig, Grit:Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhabenzum Abbau von Bodenschätzen nach demBBergG2005, 141 S., 32,– €, Nomos Verlagsgesellschaft,ISBN3-8329-1337-8

Bergbau und Naturschutz beanspruchennicht selten dieselbe Fläche. Häufig sind da-von Bereiche betroffen, die zum Schutzge-bietssystem »Natura 2000« gehören. DessenErrichtung sieht die EG-Fauna-Flora-Habi-tat-Richtlinie vor.Das Zulassungsverfahren nach dem BBergGist in mehrere Stufen gegliedert. Die Unter-suchung zeigt, an welcher Stelle die FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.Sie beleuchtet weiter die grundrechtlichenAuswirkungen der Maßnahmen zur Errich-tung von »Natura 2000« auf erteilte Berg-bauberechtigungen bzw. bestehende Ab-baubetriebe.Maßstäbe bilden die Grundrechte des Ge-meinschaftsrechts, des Grundgesetzes sowieder EMRK, insbesondere das Eigentums-recht.

Von Locquenghien, Dirk/ Ostermann, Hans-J./Klindt, Thomas:BetriebssicherheitverordnungText – Einführung – Begründung2005, 176 S., 22,80 €, Bundesanzeiger Verlag,ISBN 3-89817-390-9

Die Neuauflage berücksichtigt die Änderun-gen, die mit dem Geräte- und Produktsi-cherheitsgesetz (GPSG) und der Novellie-rung der Gefahrstoffverordnung auch dieBetriebssicherheitsverordnung tangieren.

Wrede, Olaf:Das Europäische Futtermittelrecht unterdem Einfluss des Konzeptes der Lebensmit-telsicherheit2004, 232 S., 42,– €, Carl Heymanns Verlag,ISBN 3-452-25870-X

Die vorliegende Arbeit widmet sich der Fra-ge, wie sich die Politik unter dem Vorzeichender Lebensmittelsicherheit auf das Futtermit-telrecht auswirkt. Dabei war die Ausgangssi-tuation für die Herausbildung dauerhafterRechtsstrukturen schlecht, denn die psycho-logische Sensibilität macht das Thema anfäl-lig für eine Mediatisierung, und bereits dieAuseinandersetzungen unter Experten wirk-ten auf den Verbraucher verunsichernd.Nachdem seit den vollmundigen Ankündi-gungen der Verantwortlichen einige Jahrevergangen sind, wird das Bild eines neu ent-stehenden gemeinschaftlichen Futtermittel-rechts klarer. Dieses neue Futtermittelrechtmit einem neuen legislativen Rahmen, miteiner neuen Stellung im Rechtsgefüge, mitneuen Zwecken, mit neuen Institutionenund mit neuen Instrumenten ist Thema die-ser Arbeit. In der Analyse des Futtermittel-rechts und seiner Entwicklung findet auchdas Welthandelsrecht als Einflussgröße vonwachsenden Ausmaßen Berücksichtigung.

Winkler, Daniela:Das gemeindliche Einvernehmen in paralle-len GenehmigungsverfahrenEine Untersuchung zu § 36 Abs. 1 S. 2 1. HsBauGB am Beispiel des Atomrechts2005, 288 S., 72,– €, Duncker & Humblot,ISBN 3-428-11698-4

Die Bedeutung des § 36 Abs. 1 S. 2 1. Hs.BauGB wurde bislang entsprechend der ge-setzgeberischen Intention auf Fallgestaltun-gen der Konzentration beschränkt. DanielaWinkler untersucht die Erweiterung des An-wendungsbereiches auf sog. parallele Geneh-migungsverfahren. Durch eine detaillierteAuslegung des § 36 Abs. 1 S. 2 1. Hs BauGBkommt sie zu dem Ergebnis, dass diese Vor-schrift ein mehrfaches gemeindliches Ein-vernehmenserfordernis begründet, sofernder Inhalt der Parallelgenehmigung präjudi-zierend auf die Entscheidung der Gemeindeim Baugenehmigungsverfahren wirkt. Dietatsächliche Relevanz der Norm zeigt sich beider Übertragung des Ergebnisses auf das Re-ferenzgebiet des Atomrechts. Die Anwen-dung des § 36 Abs. 1 S. 2 1. Hs. BauGB illu-striert, dass ein mehrfaches gemeindlichesEinvernehmen in Ausnahmefällen erforder-lich ist – zu diesen zählt etwa die atomrecht-liche Errichtungsgenehmigung nach § 7 AtG.Das Genehmigungsverfahren nach § 6 AtG,welches auf Grund eines politischen Para-digmenwechsels in jüngerer Zeit verstärkteAktualität erfahren hat, stellt dagegen keinensolchen Ausnahmefall dar.

B U C H N E U E R S C H E I N U N G E N

ZUR_11_05_Mantel_NEU 20.10.2005 7:56 Uhr Seite III

Umweltrecht 139,– €, für Nichtmitglieder 198,– €. Studenten-Abo: Für Mit-glieder des Vereins für Umweltrecht 79,– €, für Nicht-Mitglieder 120,– €. (BitteStudienbescheinigung einsenden). Alle Preise verstehen sich incl. MwSt. zzgl.Versand. Preisänderungen bleiben vorbehalten. Bezahlung bitte nach Rech-nungserhalt. Bitte teilen Sie Adressänderungen mit, da die ZUR nicht von einempostalischen Nachsendeauftrag erfaßt wird. Bankverbindung: Sparkasse Baden-Baden, Konto.-Nr. 5002266, BLZ 66250030, Postbank, Konto.-Nr. 73636-751,BLZ 66010075, Volksbank Baden-Baden, Konto.-Nr. 107806, BLZ 66290000Manuskripte: Einsendungen für den Aufsatz- und Berichtsteil werden an die Schriftleitung (Prof. Dr. Wolfgang Köck, Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Permoserstr. 15, 04318 Leipzig, Tel.: 0341/235-3140, Email: [email protected]) oder an die angegebene Redaktionsadresse erbeten. Für Manuskripte, die unaufgefordert eingesandt werden, wird keine Haftung über-nommen. Die Annahme zur Veröffentlichung muß schriftlich erfolgen. Copy-right: Die ZUR und die darin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlichgeschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und Leit-sätze, soweit sie vom Einsender oder von der Redaktion erarbeitet oder redigiertworden sind. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzesist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung inelektronischen Systemen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Impressum

Schriftleitung: Prof. Dr. Wolfgang Köck (Verantwortlich im Sinne des Presserechts) cDr. Moritz Reese c Dr. Sabine Schlacke

Redaktionsadresse:Zeitschrift für Umweltrecht e.V. c Langenstr. 34 c 28195 Bremen cTelefon (0421) 5664744 c (0421) 5664745 c [email protected]

Verlag:Nomos-Verlagsgesellschaft c Waldseestr. 3-5 c 76520 Baden-Baden cTelefon (07221) 2104-0 c Fax: (07221) 2104-27 c [email protected]

Anzeigenverwaltung:sales friendly c Reichsstr. 45–47 c 53125 Bonn c [email protected]

Vertrieb und Aboverwaltung: Nomos Verlagsgesellschaft Abo-Service: Tel. 07221/2104-39 Fax: 07221/2104-43. Erscheinungsweise der ZUR: 11 Ausgaben pro Jahr.

Bestellungen und Bezugspreise: Bestellungen richten Sie bitte an die Nomos-Verlagsgesellschaft. Das Abo beginnt bei Bestellung. Das Abo kann bis zum 30. September eines Jahres gekündigt werden, ansonsten verlängert es sich umein Kalenderjahr. Ein ZUR-Jahresabonnement kostet für Mitglieder des Vereins für

Das gesamte Nomos Programm suchen finden bestellen unter www.nomos.de

Rechtsangleichung im Umweltbereich

Bitte bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder bei:Nomos Verlagsgesellschaft | 76520 Baden-BadenTel. 0 72 21/21 04-37 | Fax -43 | [email protected]

Nomos

Umweltstandards in Europanach der Osterweiterung

Karolin Hartmann

Schriften des Europa-Instituts derUniversität des Saarlandes – Rechtswissenschaft 60

Nomos

Umweltstandards in Europa nach der OsterweiterungVon Dr. Karolin Hartmann, LL.M. eur.2005, 254 S., brosch., 48,– €, ISBN 3-8329-1594-X(Schriften des Europa-Instituts der Universitätdes Saarlandes – Rechtswissenschaft, Bd. 60)Erscheint November 2005

Die Arbeit befasst sich mit dem weitreichendenThema des EG-Umweltrechts im Rahmen derOsterweiterung. Ihr Ziel ist die Aufarbeitung derkomplexen Beitrittsproblematik im Umweltbe-reich, die systematische Darstellung und Ana-lyse des Umweltrechts und der Umweltpolitik inden zehn mittel- und osteuropäischen Staatenam Beispiel der Tschechischen Republik. Es gehtauch um die Benennung von Defiziten imBereich der Rechtsangleichung im Umweltbe-reich.

Das Werk beinhaltet eine kurze systematischeZusammenfassung des europäischen Umwelt-rechts, das sich am Guide for Approximationder Europäischen Kommission orientiert. Diedarin enthaltenen Rechtsakte stellen den Kerndes europäischen Umweltrechts dar, das seitihrem Beitritt vom 1. Mai 2005 auch für dieneuen Länder gilt.

Schließlich erörtert die Verfasserin möglicheLösungsansätze und gibt einen umweltrecht-lichen Ausblick auf die Zeit nach dem Beitritt.

ZUR_11_05_Mantel_NEU 20.10.2005 7:56 Uhr Seite IV

Postfach 304240 10724 BerlinFax 030/25 00 85 -275

www.ESV.infoE-Mail: [email protected]

ESerich schmidt verlag

§§NEW PUBLICATION BY THE UMWELTBUNDESAMT

Environmental Liability in International Law– Towards A Coherent Conception –

By Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Wolfrum, Prof. Dr. Christine Langenfeld and Dr. Petra Minnerop, Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, HeidelbergEdited by Umweltbundesamt

2005, XXVIII, 586 pages, ¤ (D) 68,–/sfr. 114,–/GB-£ 49,–/US-$ 85,–. ISBN 3 503 09023 1

Berichte des Umweltbundesamtes, Band 2/05

Find out more: www.ESV.info/3 503 09023 1

Transboundary environ-mental damage is on the increase internationally. Sectoral environmental liability regulations exist for many areas, such as the protection of the ma-rine environment, water protection or oil spills. However, their conditions for liability often vary, which in some fi elds may lead to regulatory dispar-ities or regulatory gaps.

The authors have compiled and analysed a large part of existing international environmental liabil-ity regulations, which in the majority of cases are based on multi-lateral environmental conventions and jurisdiction. The study also compiles key com-ponents of existing international, European and na-tional liability systems and identifi es the main el-ements of consistent international environmental liability. According to the authors, the subsidiary and supplementary responsibility of states which is embodied in European law can be used to improve liability systems. This envisages a liability of states where they fail to transpose international environ-mental protection regulations into national law and do not reduce the risk of environmental damage. The principle that the polluter is liable for environ-mental damage he or she has caused would thus ap-ply not only to private persons, but also to the pub-lic sector and states.

Das gesamte Programm unter www.nomos.de

Das Standardwerk –jetzt wieder topaktuell

Nomos Verlagsgesellschaft76520 Baden-BadenTel. 0 72 21/21 04-37 ❘ Fax [email protected]

Nomos

Bundes-Immissions-schutzgesetzTextsammlung mit Ein-führung und ErläuterungenBImSchG | BImSch-Verord-nungen | EMASPrivilegV | TA Luft | TA Lärm | TEHG |ZuG 2007Von Prof. Dr. Klaus Hansmann, UniversitätDüsseldorf24. Auflage 2005,909 S., brosch., 26,– €,ISBN 3-8329-1534-6

Die 24. Auflage enthält alle einschlägigen Vorschriften zumBundesimmissionsschutzrecht und eine umfassende Ein-führung. Enthalten sind neben dem BImSchG selbst diewichtigsten Durchführungsverordnungen, die TA Luft undTA Lärm, das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz, dasZuteilungsgesetz 2007 und die Zuteilungsverordnung 2007.

Ein ausführliches Schlagwortverzeichnis hilft beim Auffin-den der einschlägigen Normen.

Der Autor war Vorsitzender des Länderausschusses für Immi-ssionsschutz. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Düssel-dorf und Mitglied des Arbeitskreises für Umweltrecht.

»Das sehr handliche Werk ist eine wertvolle Hilfe für die immissionsschutzrechtliche Praxis.«

Umweltbrief 4/03 zur Vorauflage

NomosGesetze

Bundes-Immissionsschutz-gesetzTextsammlung mit Einführung undErläuterungen BImSchG | BImSch-Verordnungen EMASPrivilegV | TA Luft | TA Lärm | TEHGZuG 2007

24. Auflage

Nomos

Hansmann

Das gesamte Nomos Programm suchen finden bestellen unter www.nomos.de

Bitte bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder bei:Nomos Verlagsgesellschaft | 76520 Baden-BadenTel. 0 72 21/21 04-37 | Fax -43 | [email protected]

Nomos

Gesamtkonzeptder Verkehrsumweltpolitik

Umwelt und StraßenverkehrHohe Mobilität – Umweltverträglicher VerkehrSondergutachten Juli 2005SRU – Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen2005, 347 S., brosch., 39,– €, ISBN 3-8329-1447-1

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen bietet in seinem Sondergutachten Straßen-verkehr und Umwelt eine umfassende Bestandsaufnahme der Umweltfolgen des Ver-kehrs. Er stellt fest, dass trotz dreier Jahrzehnte umweltorientierter Verkehrspolitik undvielfältiger Erfolge die verkehrsbedingten Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheitimmer noch vielfach unannehmbar hoch sind.

Das entscheidende Ziel einer dauerhaft-umweltgerechten Verkehrspolitik sieht der SRUin der Sicherung eines hohen Mobilitätsniveaus mit weniger und umweltverträgliche-rem (Kraftfahrzeug-)Verkehr. Der SRU entwickelt Vorschläge für ein System verkehrs-bezogener Umweltqualitätsziele, das für die Verkehrsumweltpolitik handlungsleitendwerden soll.

Das Sondergutachten umfasst Vorschläge für Maßnahmen

c an der Quelle für sauberere, leisere und effizientere Fahrzeuge,

c in der Planung für eine gesamthaftere Integration von umwelt- und verkehrs-politischen Zielen und ihre effektivere Umsetzung,

c bei der Lenkung des Verkehrs durch ökonomische und ordnungsrechtliche Instrumente,

c zur Korrektur verkehrserzeugender Anreize in anderen Politikbereichen.

Das vom SRU vorgeschlagene Gesamtkonzept einer Verkehrsumweltpolitik bietetChancen für Innovationen der deutschen Automobilindustrie und es nimmt den ver-fassungsrechtlich aufgegebenen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ernst.