Hermann-Neuberger-Preis für soziales Engagement und ... · stand gewählt. Seit gut einem Jahr...

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I n Gonnesweiler, einem beschaulichen Ortsteil der Gemeinde Nohfelden, leben keine 1.000 Einwohner. Dass der FV Blau- Weiß Gonnesweiler 1921 e.V. immerhin 445 Mitglieder umfasst, ist da schon beeindruckend. Mit dem SC Bosen, der 260 Mitglieder hat, bildet der FVG seit zehn Jahren die Spiel- gemeinschaft Bostalsee. Die beiden Herren-Mannschaften spielen in der Landesliga Nord und der Kreisliga A Schaumberg, die Damen sind in der Verbandsliga beheimatet. Die SG stellt zudem ein Mäd- chenteam. Seit dem Jahr 2000 arbeitet Gonnesweiler in der Jugend mit zahlreichen anderen Vereinen zusammen. Stefan Kunz, Vorsit- zender des FVG: „Wir sind sehr zufrieden mit der Saison und wollen vielleicht noch einen Platz nach oben gutmachen.“ Neben dem Fuß- ball werden beim FVG noch andere Sportarten bedient: Tanzen und Turnen sind ebenfalls wichtige Sparten. 20 Syrer finden sich unter den Vereinsmitgliedern, hinzu kommen um die 50, die regelmäßig am Hartplatz in Gonnesweiler zu Gast sind. Etwa 200 Syrer sind insgesamt in Nohfelden untergebracht. Für Kunz, der in Düsseldorf Wirtschaftswissenschaften und Sozial- pädagogik studiert hat, war die Flüchtlingsarbeit nichts Neues. Im Rahmen eines VHS-Programms hatte er damals in dem Projekt „Bil- dung für Flüchtlinge“ gearbeitet. Für ihn war es selbstverständlich, mit dem Verein Hilfe anzubieten, als Anfang 2015 die ersten Flücht- linge in die Gemeinde kamen. „Wir haben im Verein schnell Leute gefunden, die geholfen haben“, so Kunz. Integration ist in Gonnes- weiler nicht erst seit dem Syrienkrieg ein Thema, bekam aber durch die aktuellen Ereignisse noch mehr Auftrieb. „Wir haben eine Ver- einsphilosophie“, erklärt der Vorsitzende. „Uns sind eine große Gemeinschaft und soziale Teilhabe unheimlich wichtig.“ So sollen die Flüchtlinge nicht nur als Sportler, sondern auch als Ehrenamtler integriert werden. Aufnahme ins DOSB-Förderprogramm „Willkommen im Sport“ Um Unterstützung zu erhal- ten, wandte sich Kunz an den Saarländischen Fußballver- band und forderte eine Stellungnahme zum Thema Fußball und Integrationsarbeit. Er stellte die Vereinsar- beit vor und schon bald darauf wurde der FVG von der Egidius- Braun-Stiftung des DFB 2 | 2016 HERMANN-NEUBERGER-PREIS 2015 | INTEGRATION DURCH SPORT 10 Der FV Gonnesweiler wurde mit dem Hermann-Neuberger-Preis für soziales Engagement und Integration bedacht. Zahlreiche ehrenamtliche Helfer im Verein unterstützen die Flüchtlingsarbeit in der Gemeinde Nohfelden. Mit seinen Projekten leistet der FVG einen wichtigen Beitrag zur Integration. Text: Tina Klinkner Hermann-Neuberger-Preis für soziales Engagement und Integration für den FV Gonnesweiler Weit mehr als nur Fußball Stefan Kunz, Vorsitzender des FV Blau-Weiß Gonnesweiler, mit einigen syrischen Flüchtlingen, die eine sportliche Heimat beim FVG gefunden haben. Fotos: Bonenberger Stefan Kunz

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In Gonnesweiler, einem beschaulichen Ortsteil der GemeindeNohfelden, leben keine 1.000 Einwohner. Dass der FV Blau-Weiß Gonnesweiler 1921 e.V. immerhin 445 Mitgliederumfasst, ist da schon beeindruckend. Mit dem SC Bosen, der260 Mitglieder hat, bildet der FVG seit zehn Jahren die Spiel-

gemeinschaft Bostalsee. Die beiden Herren-Mannschaften spielenin der Landesliga Nord und der Kreisliga A Schaumberg, die Damensind in der Verbandsliga beheimatet. Die SG stellt zudem ein Mäd-chenteam. Seit dem Jahr 2000 arbeitet Gonnesweiler in der Jugendmit zahlreichen anderen Vereinen zusammen. Stefan Kunz, Vorsit-zender des FVG: „Wir sind sehr zufrieden mit der Saison und wollenvielleicht noch einen Platz nach oben gutmachen.“ Neben dem Fuß-ball werden beim FVG noch andere Sportarten bedient: Tanzen undTurnen sind ebenfalls wichtige Sparten.20 Syrer finden sich unter den Vereinsmitgliedern, hinzu kommen

um die 50, die regelmäßig am Hartplatz in Gonnesweiler zu Gastsind. Etwa 200 Syrer sind insgesamt in Nohfelden untergebracht.Für Kunz, der in Düsseldorf Wirtschaftswissenschaften und Sozial-pädagogik studiert hat, war die Flüchtlingsarbeit nichts Neues. ImRahmen eines VHS-Programms hatte er damals in dem Projekt „Bil-dung für Flüchtlinge“ gearbeitet. Für ihn war es selbstverständlich,mit dem Verein Hilfe anzubieten, als Anfang 2015 die ersten Flücht-linge in die Gemeinde kamen. „Wir haben im Verein schnell Leutegefunden, die geholfen haben“, so Kunz. Integration ist in Gonnes-

weiler nicht erst seit dem Syrienkrieg ein Thema, bekam aber durchdie aktuellen Ereignisse noch mehr Auftrieb. „Wir haben eine Ver-einsphilosophie“, erklärt der Vorsitzende. „Uns sind eine großeGemeinschaft und soziale Teilhabe unheimlich wichtig.“ So sollendie Flüchtlinge nicht nur als Sportler, sondern auch als Ehrenamtlerintegriert werden.

Aufnahme ins DOSB-Förderprogramm„Willkommen im Sport“

Um Unterstützung zu erhal-ten, wandte sich Kunz an denSaarländischen Fußballver-band und forderte eineStellungnahme zumThema Fußball undIntegrationsarbeit. Erstellte die Vereinsar-beit vor und schonbald darauf wurde derFVG von der Egidius-Braun-Stiftung des DFB

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HERMANN-NEUBERGER-PREIS 2015 | INTEGRATION DURCH SPORT10

Der FV Gonnesweiler wurde mit dem Hermann-Neuberger-Preis für soziales Engagement und Integration

bedacht. Zahlreiche ehrenamtliche Helfer im Verein unterstützen die Flüchtlingsarbeit in der Gemeinde

Nohfelden. Mit seinen Projekten leistet der FVG einen wichtigen Beitrag zur Integration. Text: Tina Klinkner

Hermann-Neuberger-Preis für soziales Engagement und Integration für den FV Gonnesweiler

Weit mehr als nur Fußball

Stefan Kunz, Vorsitzender des FV Blau-Weiß Gonnesweiler, mit einigen syrischen Flüchtlingen, die eine sportliche Heimatbeim FVG gefunden haben.

Fotos: Bonenberger

Stefan Kunz

Ein Platz in der neuen Heimat

Die Syrer Bakri Sari und Shafeek Abdulkarim leben seitihrer Ankunft in Deutschland in der Gemeinde Nohfel-den. Beim FV Gonnesweiler wurden sie nun in den Vor-

stand gewählt.

Seit gut einem Jahr leben Shafeek, der 26 Jahre altist, und Bakri, der bald 28 wird, in der Gemein-de Nohfelden. Beide flohen vor dem Krieg inSyrien, beide fanden eine vorläufige neueHeimat im Saarland. Mittlerweile haben siesich gut eingelebt, was auch ihrem Enga-gement beim FV Gonnesweiler zu verdan-ken ist. Shafeek und Bakri wurden bei derJahreshauptversammlung Anfang März die-ses Jahres nicht nur zu Integrationsbeauf-tragten ernannt, sondern auch in den Ver-einsvorstand gewählt. Shafeek, der in seinerHeimat klassischer Straßenfußballer war, hilftim Spielbetrieb mit, der studierte Betriebs-wirt und Banker Bakri, der in Syrien seinenBachelor machte, ist zweiter Kassierer.„Am Anfang war es schwer, vor allem

mit der Sprache. Saarländisch verstehenwir immer noch nicht so gut“, berichtetBakri in flüssigem Deutsch. Ausdrückewie „ei jo“ oder „ich han“ benutzen aberbeide selbst gern. Negative Erfahrungenhaben sie in Deutschland noch nichtgemacht. Bakri: „Wir haben viele nette Leutekennengelernt. Auch beim Verein herrscht einegute Stimmung, es macht viel Spaß.“Die beiden Fans des FC Bayern München vermissen das syrische

Essen, haben in Deutschland aber auch ihre Liebe zu Kartoffelnentdeckt. „Vor allem Kartoffelsuppe mit Waffeln“, erzählt Shafeekbegeistert. Sowohl Shafeek als auch Bakri wollen irgendwanneinen ordentlichen Beruf und eine Familie. Sie können sich durch-aus eine Zukunft im Saarland vorstellen. „Sobald ich Arbeit gefun-den habe, will ich hier bleiben“, erklärt Bakri. Auch ein Studiumim Saarland wäre denkbar, wenn es sich finanzieren lässt. Erst ein-mal steht für ihn aber ein Bank-Praktikum in St. Wendel an. Sha-feek will ebenfalls über Praktika den richtigen Beruf für sich fin-den. Tina Klinkner

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InfosDas Programm „Integration durchSport“ widmet sich der Aufgabe,Menschen mit Migrationshintergrundsowie sozial Benachteiligte mittelsgemeinsamer sportlicher Aktivitätenmehr in die Gesellschaft einzubinden.Durch den gemeinsam betriebenen Sport können sprachliche und kultu-relle Barrieren auf spielerische Weise abgebaut werden.„Integration durch Sport“ wird bundesweit als Programm vom Deut-schen Olympischen Sportbund (DOSB) koordiniert und auf Landesebenevom Landessportverband für das Saarland (LSVS) eigenverantwortlichdurchgeführt. Programmleiter und Ansprechpartner ist Simon Kirch.Anfragen können über Telefon 0681 3879 153 oder per Mail [email protected] gestellt werden. Weitere Infos gibt es unter www.lsvs.deunter der Rubrik Sportwelten sowie unter www.integration-durch-sport.de.

geehrt. Dadurch kam auch der Kontakt zum Leiter des rogramms„Integration durch Sport“, Simon Kirch, zustande, bei dem dieSpielgemeinschaft mittlerweile Stützpunktverein ist. Man wurdesogar in das Förderprogramm „Willkommen im Sport“ des DOSB auf-genommen.In diesem Jahr geht der Verein weitere Projekte an. Unter ande-

rem soll es einen deutsch-arabischen Kulturverein geben. „Arabi-sche Mitmenschen haben keine Stimme, können nicht wählen“,erklärt Kunz. „Die Frage ist also: Wie können sie ihre Interessendurchsetzen?“ Ein deutsch-arabisch gemischter Vorstand soll dieInteressen der Flüchtlinge vertreten, so dass sie beispielsweise beiVeranstaltungen nicht nur mithelfen, sondern auch mitentscheidenkönnen. Ein weiteres Projekt: „Sprache und Sport“. Hierbei will derVerein Sprachbildung und -förderung anbieten. Kooperationspart-ner sind der Bildungsträger WIAF gGmbH und der Landessportver-band für das Saarland (LSVS). Viermal wöchentlich werden Sprach-kurse im Clubheim Gonnesweiler angeboten, zweimal wöchentlichsoll das LSVS-Sportmobil vor Ort sein. Logistische Probleme sollenmit Sponsoren aufgefangen werden, um die Syrer, die nicht aus dernäheren Umgebung kommen, nach Gonnesweiler zu bringen. Auchauf die Unterstützung des Landkreises St. Wendel ist der Vereinangewiesen. Kunz: „Integrationsarbeit geht nur, wenn sowohl dieVerwaltungen als auch die Vereine das Thema Migration alsZukunftschance sehen.“Ein Kochkurs für deutsch-arabische Frauen, der in Kooperation

mit den Landfrauen Sötern entstand, existiert bereits. Zusammenmit einer Dolmetscherin gehen die Frauen einkaufen, lernen regio-nale Lebensmittel und die dazugehörigen Vokabeln kennen. Derkulturelle Austausch, Ernährungslehre und Sprachförderung ste-hen im Mittelpunkt.Veranstaltungen wie Karnevalssitzungen, das Seefest im Som-

mer oder das Oktoberfest bringen dem Verein die nötigen finan-ziellen Mittel für seine ehrenamtliche Arbeit. Jüngst wurde derVerein mit dem Hermann-Neuberger-Preis für soziales Engage-ment und Integration bedacht. 3.000 Euro sollen die Arbeitunterstützen. Die Preisverleihung findet am 22. April um 17 Uhran der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken statt.„Wir sind superglücklich und freuen uns total darauf“, so Kunz.„Wir werden mit 20 Mann hinfahren und den Abend genießen.“ l

Mit viel Eifer und Spaß sind die syrischen Flüchtlinge beim Fußball-spiel am Werk.

Shafeek Ab

dulkarim

Bakri Sari

Fotos: Bohnenberger

gemeinsam einen Shuttle-Service mit Privat-PKW, der die Flüchtlin-ge und Asylbewerber zur alten Schule nach Felsberg brachte, wo derTag der Begegnung stattfand.„Nach einer kleinen Ansprache unserer Vorsitzenden Christian Lei-nenbach gab es für die Besucher Kaffee und Kuchen in der Aula.Anschließend wurde in der angrenzenden Sporthalle eine kleineMitmach-Runde angeboten, um den Besuchern den Karatesportnäherzubringen. Vor allem Kinder nahmen begeistert daran teil, dieErwachsenen mussten noch ein wenig animiert werden. „Wir woll-ten den Tag der Begegnung einfach halten und unseren Sport zei-gen“, erklärte Max. „Wir hatten insgesamt 70 Besucher, darunternicht nur Asylbewerber, sondern auch viele Neugierige aus derGemeinde. Für die Flüchtlinge sind diese Zusammenkünfte beson-ders interessant, weil sie Landsleute kennenlernen.“Bereits der erste Tag der Begegnung im Herbst letzten Jahres ver-lief recht erfolgreich. Es gab sogar eine Handvoll Interessierte, dieregelmäßig im Training erschienen oder mit denen soziale Kontak-te geknüpft wurden. In Zukunft will das Kempo-Kai ähnliche Veran-staltungen halbjährlich veranstalten. „Wir haben gute Erfahrungengemacht und wollen das Ganze regelmäßig fortsetzen“, so Max.Über weitere aktive Mitglieder und helfende Hände würde sich derVerein, der seit über zwölf Jahren existiert und in dem bereits zahl-reiche Karate-Begeisterte mit Migrationshintergrund Mitglied sind,sehr freuen. l

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Um die Flüchtlinge dazu zu bewegen, am Tag der Begeg-nung im Februar diesen Jahres vorbeizuschauen, hattensich die Mitglieder des Kempo-Kai einen besonders cleve-ren Schritt einfallen lassen: Sie nahmen an einem Gemein-

detreffen von Ehrenamtlern teil und baten diese um Mithilfe. „Esbraucht Leute, die die Flüchtlinge an die Hand nehmen“, so MariusMax, Vorstandsmitglied, Kassenwart und Trainer im Verein. DerKarateverein und die freiwillig Engagierten der Gemeinde arbeite-ten sehr erfolgreich zusammen. Beispielsweise organisierten sie

Verein zur Förderung und Integration von Jugendlichenmit Migrationshintergrund und ihren Familien e.V. –ein langer Name für einen Verein. Die AbkürzungDAJC, die für „Deutsch-Ausländischer Jugend-Club“

steht, wurde in erster Linie für den Wiedererkennungswertbeibehalten, trägt aber zugleich den Grundgedanken in sich:Integration und friedliches Miteinander.

Irene Krohn ist seit elf Jahren beim DAJC, dessen Mitarbeiter sichaus vier Festangestellten, Honorarkräften und vor allem Ehrenamt-lern zusammensetzen. „Wir sind als Deutschkursträger zertifiziertund bieten Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene sowie zurAlphabetisierung an“, berichtet sie. In dem Haus, in dem der DAJCzwei Etagen belegt, finden jedoch nicht nur Deutschkurse statt. Esgibt eine Schülerhilfe, die täglich von 14 bis 17.30 Uhr unterrichtet,Frauengesprächskreise, Kurse speziell für Frauen, die bereits Inte-grationskurse belegt haben, Aktionen wie Plätzchenbacken mitFlüchtlingen und vieles mehr. Für viele Jugendliche dienen dieRäumlichkeiten, zu denen ein Hinterhof samt Gärtchen gehört, aucheinfach als Treffpunkt, um zusammen Musik zu machen, zu lernenoder sich die Zeit gemeinsam zu vertreiben. Rund hundert Jugend-liche gehen täglich ein und aus.

Per Shuttle-Service zum KarateDer Tag der Begegnung des Kempo-Kai Überherrn war ein voller Erfolg: Über 70 Interessierte kamen nach

Felsberg, um den Karatesport kennenzulernen. Text: Tina Klinkner

DAJC – „Der andere Jugend-Club“„Das saarländische Modell ‚ich kenne jemanden, der jemanden

kennt‘ funktioniert für uns prima. Auf diese Weise haben wir schonviele hilfreiche Kontakte geknüpft“, berichtet Krohn. So auch zudem saarländischen Kickboxsportverband, über den der DAJC mitIntegration durch Sport in Verbindung kam. Denn auch mit demSport ist der DAJC sehr verbunden. Es gibt Schwimmkurse speziellfür Frauen, Mädchen und Frauen werden zu Schwimmtrainern aus-gebildet, Tanzkurse finden in den Räumlichkeiten statt und mitdem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) bot man eingemeinsames Fahrradprojekt an. Und Sport soll auch weiterhinein Element sein, das der DAJC anbietet. l Tina Klinkner

Foto: V

erein

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