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INFORM Magazin für die hessische Landesverwaltung 4/18 Dez. 2018 45. Jahrgang Hessische Zentrale für Datenverarbeitung Digitalisierung // Weg frei für die Verwaltung 4.0 ab Seite 12 Gemeinsame IT der Steuer // Thüringen und Hessen kooperieren ab Seite 26 Verwaltungsvorschrift Netz- administration // Handlungssicher- heit und Transparenz ab Seite 35

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INFORM Magazin für die hessische Landesverwaltung

4/18 Dez. 201845. Jahrgang

Hessische Zentrale für Datenverarbeitung

Digitalisierung // Weg frei für die Verwaltung 4.0ab Seite 12

Gemeinsame IT der Steuer // Thüringen und Hessen kooperieren ab Seite 26

Verwaltungsvorschrift Netz- administration // Handlungs sicher- heit und Transparenz ab Seite 35

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2 INFORM 4/18 // IMPRESSUM

INFORM erscheint viermal jährlich (45. Jahrgang)

HerausgeberHessische Zentrale für Datenverarbeitung Mainzer Straße 29, 65185 Wiesbaden Telefon: 0611 340- 0 [email protected], www.hzd.hessen.de

ChefredaktionManuel Milani

RedaktionBirgit Lehr, Hans-Peter Müller, Sarah Nikolaus

BeiratMarkus Brückner, Hans-Otto Ermuth, Hans-Georg Ehrhardt-Gerst, Dr. Alberto Kohl, Susanne Mehl, Dietmar Mittwich, Dr. Bernhard Fussel, Manfred Pospich, Eckart Ruß

Grafisches KonzeptAgentur 42 oHG | Konzept & Design, www.agentur42.de

DruckAC medienhaus GmbH, www.acmedienhaus.de

Fotos © patramansky/AdobeStock: Titel; © Alexander Limbach /AdobeStock: S. 4; © sheikoevgeniya/AdobeStock: S. 4, S.37; © Onur/AdobeStock: S. 5, S. 26; © clem-onojeghuo: S. 6–7; © Tierney/AdobeStock, kran77/AdobeStock: S. 12–13, 16, 22, 25; © HMdF: S.15; © HMdIS: S.17; © HMdF: S.21; © Delf Zeh: S.27; © borisb17/AdobeStock, Ruckszio/AdobeStock: S. 29; © IT-Stelle der hessischen Justiz: S. 36; © Alison Bowden/AdobeStock: S. 38; © ra2 studio/AdobeStock: S.45; © markus-spiske: Rück-seite; Alle anderen © HZD

Grafiken © Agentur 42 oHG: S. 12–20, S. 31, S. 33, S. 42–43

Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, auch auszugs weise, nur mit schriftlicher Genehmigung der HZD.

Wenn Sie die INFORM regelmäßig erhalten möchten, schreiben Sie uns: [email protected] oder rufen Sie uns an: Telefon 0611 340-1484

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3EDITORIAL // INFORM 4/18

die digitale Transformation der Verwaltung, die sich aus dem Onlinezugangsgesetz und dem Hessi-schen E-Government-Gesetz ergebenden Anforde-rungen sowie der bereits vor drei Jahren ver fasste Masterplan zur „Digitalen Verwaltung Hessen 2020“ bestimmen täglich unsere Arbeit in der HZD. Mit dem selbstbewussten Ziel, die auf drei Säulen fußende Strategie des Landes – E-Services: Dienste für Bürger und Wirtschaft, E-Administration: Innere Optimierung der Verwaltung und Open Govern-ment: Öffnung der Verwaltung nach außen – als Full-Service-Provider bestmöglich und effizient mitzugestalten.

Wir wollen als kompetenter, zuverlässiger Partner und Berater der Ressorts im Rahmen der Lan-desstrategie zu einem Motor der Digitalisierung der Landesverwaltung werden und dabei auch innovative IT-Lösungen entwickeln, die über Lan-desgrenzen hinaus Anwendung finden. In dieser Ausgabe der INFORM haben wir daher auch die politischen Entscheidungsträger an einen Inter-viewtisch gebeten, um die wichtigsten Basisfakten zu sammeln, den Status quo der Digitalisierung in Hessen zu beleuchten sowie einen ersten umfas-senden Überblick zu den bisherigen Ergebnissen, Zielsetzungen der laufenden Projekte/Vorprojekte aus unterschiedlichen Perspektiven zu geben.

Stichwort „Länderübergreifende Kooperation und fit machen für die Zukunft“: Nach einer gut 18-mona tigen Evaluierungs- und Vorbereitungs-

phase ist nun mit den Unterschriften von Thürin-gens Finanzministerin Heike Taubert und Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer der offizielle Startschuss für die Zusammenarbeit beider Länder beim Betrieb der steuerlichen IT-Verfahren gefal-len. INFORM schaut auf die Hintergründe dieser beispielhaften Kooperation.

Ein spannendes Jahr liegt hinter uns, wir blicken zuversichtlich in das kommende. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr.

Ihr

Joachim Kaiser

Direktor der HZD

Liebe Leserin, lieber Leser,

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4 INFORM 4/18 // INHALT

Schwerpunkt: Digitalisierung der VerwaltungMit dem im vergangenen Jahr verabschiedeten Onlinezugangsgesetz (OZG) des Bundes bekommt die Digitalisierung in Deutschland zusätzlichen Schwung. So gut wie alle Leistungen der Verwaltung – egal ob für Bürger oder Wirtschaft – sollen bis Ende 2022 online verfügbar sein. Damit wird der digitale Behördengang Realität. INFORM wirft einen Blick auf Hessen.

Weg frei für die Verwaltung 4.0 . . . . . . . . . . . . . . 12

Scrum oder „Auf ins Rugby-Gedränge“

Was das fröhliche „Gedränge“ beim Kampf um das lederne Rugby-Spielgerät mit effizientem Projekt-management in der HZD tun hat? Und warum die reine Lehre eines Agilen Manifests auch nicht immer die Lösung ist? INFORM hat sich Ideen und Grund-sätze von Prozess-Methoden des agilen Projektma-nagements wie „Scrum“ angeschaut – und die spezi-fizierte, durchstrukturierte Praxis zu diesen Theorien in HZD-Projekten wie OASIS, MIS oder DigitAH.

Agiles Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

notizen

8 Kurznachrichten aus Deutschland, Hessen und der HZD

kolumne

11 HZD Web-Lounge

Null-Option und das Risiko des Nicht-Handelns

12 weg frei für die verwaltung 4.0

14 „Alles. Zuerst. Einmalig.“

Finanzminister und CIO Dr. Thomas Schäfer

17 „ Unsere Verwaltung wird leistungsfähiger“

Innenminister Peter Beuth

19 Digitale Modellbehörde

Blaupause der Landes verwaltung

20 „Lasst uns voneinander lernen,

lasst uns einander helfen“

Co-CIO Roland Jabkowski

23 Hessen und das OZG

Vom Vorprojekt in die Umsetzungsphase

24 E-Akte und DMS

Der digitale Verwaltungsarbeitsplatz

// Inhalt

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5INHALT // INFORM 4/18

hzd-magazin

26 Gemeinsame IT der Steuer

Thüringen und Hessen kooperieren beim Betrieb der

Steuerverfahren

30 Aktuell, verlässlich, umfassend

Automatisierte Bestandserfassung von Servern und Software

32 HessenDrive

Sicherer geht’s nicht

35 Justiz: Verwaltungsvorschrift Netzadministration

Handlungssicherheit und Transparenz

37 Agiles Projektmanagement

Scrum oder „Auf ins Rugby-Gedränge“

hessens co-cio

39 Nachgefragt

Hessens Co-CIO zum IT-Nachwuchs für die Verwaltung

it-forschung in hessen

40 LOEWE-Projekt NICER

Vernetzte infrastrukturlose Kommunikation im Katastrophenfall

it-sicherheit

45 Awareness

.. und den Trojaner gibt’s kostenlos obendrauf

service

46 Tipps und Tricks

Gibt’s noch, geht noch – Word Reloaded

IT-Forschung in HessenWenn bei Naturgewalten, plötzlichen Störfällen oder Terrorangriffen akute Krisensituationen ausge-löst werden, stehen Menschenleben auf dem Spiel. Bricht die Stromversorgung samt Funkmasten zu-sammen, geht gar nichts mehr: kein Internet, kein Handyempfang, kein Festnetz, keine Notrufe. An der TU Darmstadt und den Partner-Universitäten in Kassel und Marburg arbeiten Forscher an innovati-ven Kommunikationswegen für eben diese Szenari-en. Die Lösung soll intelligenter und schöner sein als bisherige Ansätze: „smarter“ und „NICER“.

Vernetzte infrastrukturlose Kommunikation im Katastrophenfall . . . . . . . . . 40

Thüringen und Hessen kooperieren beim Betrieb der Steuerverfahren

Höhere Wirtschaftlichkeit und Betriebsstabilität, Qualitätssteigerungen, aber auch zunehmende Komplexität und mangelnde Fachkräfte – viele Ar-gumente sprechen dafür, dass die Bundesländer beim Betrieb der Steuerverfahren eng zusammen-arbeiten. Thüringen und Hessen gehen nun eine Kooperation ein, um sich gemeinsam fit für die Zukunft zu machen.

Gemeinsame IT der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

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6 INFORM 4/18

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7INFORM 4/18

„Digitalisierung ändert das Spiel“, titelte Professor Hermann Hill (Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaften, Speyer) in seiner Keynote zur HZD-Hausmesse 2017. Und in der Tat verändert die digitale Transformation alles – nicht zuletzt die Verwaltung, deren Aufgabenheft u.a. durch die im Onlinezugangsgesetz fest geschriebenen Anforderungen prall gefüllt ist. Wie sieht es nun aus mit strate gischen Maßnahmen, Zielen und ersten Umsetzungsplänen in Hessen? Wie mit der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen? INFORM hat dazu die politischen Entscheidungsträger befragt und gibt einem Überblick zum Status quo der Aktivitäten der digitalen Verwaltung in Hessen. // ab Seite 12

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8 INFORM 4/18 // NOTIZEN

Hessen und die Hochschule RheinMain bilden ab sofort zusammen IT-Nachwuchs für das Land aus. Im dualen Stu-diengang mit dem Schwerpunkt „Verwaltungsinformatik“ werden die Studierenden speziell auf eine Tätigkeit in der Landesverwaltung vorbereitet. Gemeinsam mit dem auch für die Koordination der Digitalisierung zuständigen Kanz-leramtsminister Professor Dr. Helge Braun und Hochschul-präsident Professor Dr. Detlev Reymann begrüßte Hessens Finanz minister Dr. Thomas Schäfer den ersten Studieren-denjahrgang in der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Im März dieses Jahres hatte Hessens Co-CIO Roland Jab-kowski den Kooperationsvertrag für das neue verwaltungs-spezifische Studienangebot mit der Hochschule RheinMain sowie der HZD unterzeichnet. Siehe auch Seite 39 //

Duales Studium // Kooperation von Land und Hochschule Rhein-Main gestartet

Für kommende Absolventen der Verwaltungsfachhochschule Roten-burg an der Fulda bietet die HZD als IT-Dienstleister und Full-Service-Provider des Landes Hessen die Zusatzqualifikation zum FABI (Fach-angestellte und Beamte Informa-tionstechnik) an. Nach fünf Monaten Theorieausbildung, sieben Monaten praktischer Einarbeitung und erfolg-reichem Abschluss werden die Ab-solventen die HZD als Anwendungs-entwickler IT-Fachanwendungen für die Steuerverwaltung unterstützen.

Die HZD hat das FABI-Programm – unterstützt durch die FABIs des Abschlussjahrganges 2018 – an zwei Infotagen in Wiesbaden vorgestellt, um die Diplomfinanzwirte des Ab-schlussjahrgangs 2019 schon jetzt für eine Weiterqualifikation zu begeis-tern. //

Infotage für zukünf-tige FABIs // IT für die Steuerverwaltung

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9 NOTIZEN // INFORM 4/18

HZD IN ZAHLEN

In den Farben Blau und Weiß strahlte der diesjährige Messestand des e²-Verbunds den Besuchern des EDV-Gerichtstags in Saarbrücken vom 19. bis 21. September 2018 entgegen.

An zwei Arbeitsstationen mit je zwei Bildschirmen konnten sich Interessierte über die aktuellen Entwicklungs- und Integrationsstufen des e²-Produkts informieren. Zudem wurde das elektro - nische Saalmanagement über eine Informationsstelle mit Touch-Funktion für die Besucher, im wahrsten Sinne des Wortes, begreifbar.

Das e²-Produkt ist ein Softwarepro-dukt, das aus mehreren Komponenten besteht, und eine vorwiegend papier-lose Kommunikation der Gerichte im

Rahmen des elektronischen Rechtsver-kehrs (ERV) sowie die elektronische Verfahrensaktenführung (eAkte) mög - lich macht. An der Entwicklung des e²-Produkts sind sowohl IT-Experten, darunter die HZD, als auch Justizprakti-ker beteiligt. Auf diese Weise entsteht ein Produkt, das einen elektronischen Workflow an den Gerichten ermög-licht, gleichzeitig aber auch die speziel-len Abläufe der Gerichte oder deren einzelner Bereiche miteinbezieht.

Es leistet damit in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zur digitalen Justiz in den e²-Verbundländern Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt. //

EDV-Gerichtstag 2018 // e2-Verbund präsentiert e2-Produkt

350km liegen zwischen den

thüringischen Finanzäm-

tern und den HZD-

Servern und -Mainframes.

Seit Oktober sind die

beiden Bundesländer

technisch „verbunden“

und nur 2 bis 6 ms bei

den Rechenläufen von-

einander entfernt. Mehr

zur Kooperation beim

Betrieb der Steuerverfah-

ren zwischen dem Land

und dem Freistaat lesen

Sie ab Seite 26 //v.l.: Roland Theis, Justizstaatssekretär des Saarlandes, Dieter Kesper, Oberstaatsanwalt a.D. und Prof. Dr. Stephan Ory, Vorstandsvorsitzender des Deutschen EDV-Gerichtstages, informieren sich bei Melanie Schmidt, Mitarbeiterin der Hessischen Informationstechnik-Stelle der Justiz, über das e²-Produkt.

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10 INFORM 4/18 // NOTIZEN

Digitalisierung // Hessen gründet einen Rat für DigitalethikDie Hessische Landesregierung hat in Wiesbaden im Sep-tember einen „Rat für Digitalethik“ unter Vorsitz des Hessi- schen Ministerpräsidenten Volker Bouffier ins Leben ge-rufen. Dem Rat gehören hochrangige Vertreter aus Gesell-schaft, Wirtschaft und Wissenschaft an. Er unterstützt die Landesregierung bei der Bewertung ethischer Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Die Gründung ist Ausdruck der Digitalstrategie des Landes Hessen und zielt auf einen zukunftsgewandten, konstruktiven Diskurs, der innovative Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung fördert. Die Landesregierung erhofft sich so Anregungen und Vorschläge zu einer ganzheitlichen Digi-talisierungspolitik, die den Menschen und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt sieht. //

HEGovG // Moder-nes Digitalisierungs-gesetz für HessenAm 11. September 2018 hat der Hessische Landtag das Hessische E-Government-Gesetz verabschiedet. Damit wurde das rechtliche Funda-ment geschaffen, um die Verwaltungs-modernisierung voranzutreiben. Das Hessische Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (Hessisches E-Government-Gesetz – HEGovG) orientiert sich an dem vom Bund beschlossenen Gesetz zur För-derung der elektronischen Verwal-tung (EGovG).

Der neu geschaffene rechtliche Rahmen ermöglicht es, die Poten-ziale der Digitalisierung besser zu nutzen und elektronische Verwal-tungsdienste für Bürger, Wirtschaft und Behörden weiter auszubauen. Verwaltungen werden verpflichtet, onlinebasierten Zugang zu Antrags-systemen anzubieten. Das Gesetz schafft Rechtssicherheit für eine Optimierung der E-Government-Prozesse durch einheitliche, transpa-rente Regelungen für die Ausführung von Digitalisierungsvorhaben. Dies umfasst auch Vorgaben, wie IT-Sys-teme weiter vernetzt, standardisiert und sicherer gemacht werden.

Ziel ist es, den Kontakt mit den Behör-den für den Bürger und die Wirtschaft durch elektronische Verwaltungspro-zesse zu vereinfachen, Prozesse zu beschleunigen sowie Hindernisse und Zugangshürden abzubauen. Durch den Bürokratieabbau sollen auch die Kosten und Bearbeitungszeiten in der Verwaltung gesenkt werden. Siehe auch Seite 24 //

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11 KOLUMNE // INFORM 4/18

Wenn wir Projekte machen oder unsere regelmäßigen Aufgaben erledigen, haben wir in der Regel mehrere Mög lichkeiten, wie wir dies tun. In IT-Projekten können sich diese auf Grund unterschiedlicher Techniken erge-ben. Der umzusetzende fachliche Umfang kann variieren – von Mindestanforderungen bis zur „Goldrand“-Lösung. Oder es gibt Alternativen für die organisatorische Um-setzung. Die Möglichkeiten wollen gegeneinander abge-wogen werden, um den besten Weg zu finden. Auch die Kriterien, anhand derer wir dies tun, können verschieden sein: Dauer, Kosten und Aufwand spielen dabei oft eine Rolle. Und schließlich betrachten wir auch die jeweiligen Risi ken, die uns davon abhalten können, unser Ziel zu erreichen.

Bei der Überlegung, welche Optionen wir haben, wird eine häufig übersehen: die Option, nichts zu tun, – die Null-Option. Bei manchen Themen läuft dies auf ein

„Weiter so!“ hinaus. Bei anderen Themen mag sie von vorneherein ausscheiden, weil wir so unser neues Ziel nicht erreichen können. In beiden Fällen sollten wir aber auch prüfen, welche Risiken mit der Null-Option verbun-den sind. Wozu? Wenn wir bisher auf dem richtigen Weg zu unseren Zielen sind und nicht vom Weg abweichen, riskieren wir auch nicht, unser Ziel zu verfehlen. Stimmt das? Zumindest dann, wenn das System, das wir betrach-ten, relativ stabil ist und sich die Rahmenbedingungen nicht zu sehr ändern. Oft ändern sie sich aber so, dass wir ohne Kurskorrektur vom Weg abkommen.

Was hier bildlich gemeint ist, passt im Wortsinn sehr gut: Wenn wir nicht dem Straßenverlauf entsprechend lenken, landen wir mit Auto oder Fahrrad im Graben. Wenn wir beim Segeln nicht die veränderte Strömung berücksich-tigen, erreichen wir den Hafen nicht.

In der IT ändern sich die Rahmenbedingungen perma-nent: Sei es durch die Maßnahmen der Digitalisierung in verschiedenen Lebensbereichen oder durch andere,

„äußere“ Einflüsse - etwa Änderungen in den verfügbaren Produkten für bestehende Lösungen oder die Erwartun-gen junger Menschen an einen zeitgemäßen IT-Arbeits-platz im Hinblick auf Alterspyramide und die Verfügbar-keit von Fachkräften. In der Folge sind auch hier ständige Anpassungen und Veränderungen notwendig – allerdings ohne „hektische Lenkbewegungen“.

An diesem Punkt spielen Standards eine wesentliche Rolle. Die darf man allerdings nicht als die in Regelungen, Soft- und Hardware einzementierten Gegebenheiten verste-hen, die auf alle Zeit festgeschrieben sind. Standards müs-sen vielmehr das Fundament der weiteren Entwicklung sein. Wenn Standards flexibel genutzt werden können, um mit Varianten darauf aufzubauen, sind die notwen-digen Anpassungen und innovative Lösungen möglich – bis hin zu neuen Standards. Somit spielen Standards und Innovation bei der Digitalisierung eine besondere Rolle. In diesem Sinne müssen wir unsere Handlungs-optionen immer wieder auf den Prüfstand stellen – ein schließlich der Null-Option.

Web-Lounge // Null-Option und das Risiko des Nicht-Handelns

dr. markus beckmann Architektur, Produkte und Standards Verfasser des Trendberichts der HZD [email protected]

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12 INFORM 4/18 // DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG

Digitalisierung // Weg frei für dieVerwaltung 4.0

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13DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG // INFORM 4/18

Mit dem im vergangenen Jahr verabschie-deten Onlinezugangsgesetz (OZG) des Bundes bekommt die Digitalisierung in Deutschland zusätzlichen Schwung. So gut wie alle Leistungen der Verwaltung – egal ob für Bürger oder Wirtschaft – sollen bis Ende 2022 online verfügbar sein. Damit wird der digitale Behördengang Realität.

INFORM wirft einen Blick nach Hessen, wo auf Landesebene Finanzminister Dr. Thomas Schäfer als Chief Information Officer (CIO) federführend für die digitale Transformation der Verwaltung zuständig ist. Maßgebliche Unterstützung erhält er dabei von Innenminister Peter Beuth und Hessens Co-CIO Roland Jabkowski. Mit INFORM sprachen sie darüber, wie sie die Digitalisierung der hessischen Verwal-tung strategisch vorantreiben und deren Umsetzung durchführen.

Die Projektleiter der drei großen Vorpro-jekte des Digitalisierungsvorhabens im Land – OZG, Digitale Modellbehörde und E-Akte/Dokumentenmanagementsystem – „übersetzen“ die Strategie in die Praxis. Sie geben erste Einblicke.

Und Bürger und Wirtschaft? Ein Grundsatz der Digitalisierung ist die Nutzerorientie-rung. Das digitale Verwaltungsangebot soll so konzipiert werden, dass es für die unterschiedlichen Nutzertypen jederzeit zugänglich, einfach bedienbar und flexi-bel nutzbar ist sowie eine größtmögliche Transparenz des Verwaltungsprozesses bietet. Um den Paradigmenwechsel vom regelkonformen Verwaltungshandeln zu einem an den Bedürfnissen der Bürger orientierten digitalen Angebot der Verwal-tungsleistungen umzusetzen, müssen auch neue technische und methodische Stan-dards entwickelt und eingeführt werden. INFORM erklärt kurz und knapp, was sich hinter Once-Only-Prinzip, XÖV-Standards, FIM & Co verbirgt.

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14 INFORM 4/18 // DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG

INFORM: Herr Minister Dr. Schäfer, das Thema Digitalisierung ist derzeit in aller Munde, nicht zu­letzt bei Politik und Verwaltung. Durch das Online­zugangsgesetz (OZG) ist neuer Handlungsdruck entstanden. Hessen wird in Sachen Digitalisierung stets als eines der wegweisenden Bundesländer benannt – worauf führen Sie, der verantwortliche CIO des Landes, diese Vorreiterrolle zurück?

Dr. Thomas Schäfer: Das hat ganz vielfältige Gründe. Für uns in Hessen steht das Thema nicht erst seit heute auf der Agenda. Wir hatten auf Landesebene schon recht früh den Mut, die große Herausforde-rung der Verwaltungsmodernisierung anzupacken. Mit der Schaffung einer CIO-Funktion auf Ebene der Landesregierung hat Hessen im Jahr 2003 eine Pionierentscheidung in Deutschland getroffen. Im gleichen Jahr haben wir unsere erste große E-Government-Strategie auf den Weg gebracht, die wir bis heute kontinuierlich fortschreiben. Seit dem Januar 2017 haben wir die Funktion eines Co-CIO eingerichtet, um in den ressortübergreifenden, all-täglichen Fragestellungen noch besser voranzukom-men. Hierfür konnten wir mit Roland Jabkowski aus dem E-Government-Musterland Österreich einen ausgewiesenen Fachmann gewinnen. Wie wichtig eine gute personelle und strategische Ausrichtung ist, sehen wir augenblicklich bei der Umsetzung des OZG – auch deshalb fühlen wir uns in unserer Arbeit und auf unserem Weg bestätigt. Außerdem haben wir mit der HZD seit fast 50 Jahren einen Full-Ser-vice-Provider an unserer Seite, dessen Produkte und Verfahren bundesweit hohes Ansehen genießen.

Und ein Geheimnis unserer Arbeit ist zweifelsohne, dass wir uns auf Erreichtem nicht ausruhen. Deshalb bauen wir beispielsweise auch konsequent Aus-bildungs- und Studienprogramme zur Gewinnung neuer IT-Fachkräfte auf. Zu nennen sind hier etwa die neuen Kooperationen zwischen der Hessischen Finanzverwaltung und der Hochschule RheinMain sowie der Technischen Hochschule Mittelhessen (s. auch S. 39). Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir sind für die großen Herausforderungen der digitalen Transformation ordentlich aufgestellt und dort, wo wir nachjustieren müssen, etwa bei der Gewinnung

von IT-Spezialisten für die kommenden Jahre und Jahrzehnte, stellen wir entschlossen und umsichtig die richtigen Weichen.

INFORM: Wie sieht denn die Verwaltung im digita­len Hessen aus?

Dr. Thomas Schäfer: Die digitale Verwaltung ist vor allem eines: kein Selbstzweck. Sie soll den Bürgerin-nen und Bürgern, den Unternehmen und natürlich auch den Menschen, die in der Verwaltung arbeiten, dienen. Die Verwaltung selbst profitiert also auch von neuen Informations- und Kommunikationstech-nologien, denn diese sparen Geld und Zeit, und dank ihnen kann man beispielsweise in gewissen Bereichen Personal für andere Aufgaben einsetzen. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein wichtiger Aspekt und ein Mehrwert, den die digitale Verwaltungsmoderni-sierung mit sich bringt.

Bei unserer Arbeit leitet uns vor allen Dingen eine Vision: Alles. Zuerst. Einmalig. So sehen wir das digitale Hessen. Alles, denn unser Ziel ist es, alle Angebote des Landes auch digital anzubieten. Zu-erst, da es unser Ziel ist, neue Angebote des Landes zuerst digital anzubieten – nach wie vor aber auch analog. Und einmalig, da wir erreichen möchten, dass Bürger und Wirtschaft ihre Angaben bei der Verwaltung nur einmal machen müssen. Die Verwal-tung soll dann auf die einmal gemachten Angaben immer wieder zurückgreifen können. Deshalb: Alles. Zuerst. Einmalig. Das ist das digitale Hessen der Zukunft.

INFORM: Denkt man an Digitalisierung und Ver­waltung, so liest und hört man häufig die Kritik, jede Verwaltungsebene, jedes Bundesland gehe zu häufig eigene Wege. Wie stehen Sie dazu?

Dr. Thomas Schäfer: Diese Kritik ist absolut be-rechtigt. Deshalb haben wir das Motto ausgerufen: Gemeinsam statt einsam! In dieser Legislaturperi-ode wurde dank unseres Einsatzes die KOPIT eG gegründet. Diese Gesellschaft fördert die Zusam-menarbeit auf dem Gebiet der Informationstech-nologie zwischen dem Land Hessen, den hessi-schen Kommunalverwaltungen, den Universitäten

2003 Hessen veröffentlicht seine erste E-Govern-ment-Strategie und schreibt sie 2015 mit der „Digitalen Verwaltung Hessen 2020“ fort.

„ Alles. Zuerst. Einmalig.“ Hessischer Minister der Finanzen und Chief Information Officer (CIO) Dr. Thomas Schäfer

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15DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG // INFORM 4/18

TECHNISCHE STANDARDS

Design Thinking Systematische Herangehens-

weise an komplexe Problemstellun-gen unterschiedlichster Lebensbereiche.

Der Ansatz geht weit über die klassischen Designdisziplinen wie Formgebung und Gestal-tung hinaus – hier stehen Nutzerwünsche/-be-dürfnisse sowie nutzerorientiertes Erfinden im

Fokus. Im Kontext der Umsetzung des OZG kommen diese oder ähnliche Methoden

u. a. im Rahmen der Digitalisie-rungslabore zum Einsatz.

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16 INFORM 4/18 // DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG

TECHNISCHE STANDARDS

sowie weiteren öffentlich-rechtlichen Institu tionen. Ziel ist eine gemeinsame Beschaffung von Hard- und Software sowie IT-Dienstleistungen aller Art. Solch eine Herangehensweise wünschen wir uns zukünftig verstärkt auch bei der Zusammenar-beit von Bund und Ländern. Dafür setzen wir uns aktiv im IT-Planungsrat ein. Wir gehen beim Aufbau der Föderale IT-Kooperation – kurz FITKO – voran, die in den Räumlichkeiten der Oberfinanzdirektion in Frankfurt am Main ihren Sitz hat. Und auch das ist mir wichtig: Bei der nun anstehenden Umsetzung des OZG hat sich Hessen bereiterklärt, für viele Leistungsbereiche die konzeptionellen Vorarbeiten für Bund und Länder zu übernehmen und damit zur Umsetzung des Gesetzes einen aktiven Beitrag zu leisten, von dem auch die anderen Länder und der Bund profitieren werden.

INFORM: Apropos über die Grenzen hinaus: Im Juli waren Sie zusammen mit Co­CIO Roland Jabkowski und einer kleinen Delegation im Silicon Valley auf Inforeise. Was haben Sie für Hessen mitgenommen?

Dr. Thomas Schäfer: In jedem Fall einen wertvollen Blick in die Zukunft: Ein Aufenthalt im Silicon Valley ist eine Reise mit der Zeitmaschine. Dort zeigt sich für viele Bereiche, wie die Digitalisierung unser Leben weiter verändern wird beziehungsweise kann. Es wird vor Ort sehr anschaulich sichtbar, welchen Herausforderungen und Veränderungen sich Firmen, aber auch die Verwaltung, stellen müssen,

um den digitalen Wandel erfolgreich

gestalten zu kön-nen. Heute spielen

Onlineinhalte und mo-bile Geräte in unserem

Leben eine ganz wesent-liche Rolle. Die Verwaltung

muss damit Schritt halten, möchte sie weiterhin ein erfolgreicher Dienstleister für Bürger und Wirtschaft sein. Die Digitalisierung und wie wir ihr begegnen, ist längst eine Standortfrage. Wir müssen uns also gründlich auf die anstehenden Veränderungen vorbereiten und die neuen Möglichkeiten als eine Chance begreifen, den Standort Hessen weiter nach vorne zu bringen. Dies gilt für die Wirtschaft, für junge Start-up-Unternehmen, aber auch für die Ver-waltung. Letztere steht in einer täglichen Interaktion mit Unternehmen und Bürgern, deren Organisation des täglichen Lebens immer stärker digital ist.

Meine größte Erkenntnis der Inforeise ist sicherlich: Silicon Valley, das ist nicht nur ein Ort, an dem inno-vativ gedacht wird, sondern auch eine Geisteshal-tung. Eine, die wir uns in Hessen und Deutschland zumindest in Teilen aneignen sollten, und – wenn wir die Entwicklung der Welt weiter mitgestalten möch-ten – sogar müssen. Die eigenen Stärken und die eigenen Produkte selbstbewusst verkaufen, Mitar-beiter noch stärker mitnehmen: All das geht nicht nur an der San Francisco Bay, sondern auch an Rhein, Main, Fulda und Lahn.

An der Umsetzung der Digitalisierung sind das bundesweit wirkende Steuerungsgre-mium IT-Planungsrat, die Koordinationsstelle Föderale IT-Kooperation (FITKO) und die Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) maßgeblich beteiligt.

Länderübergreifende IT-Organisationen

www.it-planungsrat.de

www.fitko.de

www.xoev.de

Once-Only-Prinzip

Ziel: Bürger und Unternehmen müssen Standardinformatio nen den

Behörden und Verwaltungen nur noch einmal mitteilen. Unter Einbeziehung von

Datenschutzbestimmungen und nach Zustim-mung der Nutzer sind Datenwiederverwen-dung und -austausch unter den beteiligten

öffentlichen Stellen erlaubt. Das Once-Only-Prinzip ist Teil der EU- Strategie zur

Weiterentwicklung des digita-len Binnenmarktes.

2013 Der Bund verabschiedet das E-Government-Ge-setz des Bundes, um die elektronische Kommu-nikation mit der Verwal-tung zu erleichtern.

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17DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG // INFORM 4/18

INFORM: Herr Minister Beuth, drei hessische Regie­rungspräsidien sollen zu digitalen Modellbehörden werden. Wie muss man sich das praktisch vorstellen?

Peter Beuth: Unsere drei hessischen Regierungsprä-sidien sind besonders gut geeignet, um die Weiter-entwicklung zu einem attraktiven digitalen Service-dienstleister für Bürger, Unternehmen, Kommunen und andere Verwaltungen modellhaft zu vollziehen. Ihr Leistungsspektrum deckt weite Bereiche der Ver-waltung ab. Nach Umsetzung des Onlinezugangs-gesetzes werden wir 2019 und 2020 die schrittweise Digitalisierung ausgewählter Prozesse und Verwal-tungsleistungen in den drei hessischen Regierungs-

präsidien vornehmen. Die Ergebnisse aus den „Di-gitalen Modellbehörden“ sollen ab dem Jahr 2021 dann der gesamten Landesverwaltung dienen.

Das heißt: Das, was wir jetzt in den Regierungs-präsidien machen, dient später als Vorlage für alle anderen Behörden des Landes. Sie werden von den gemachten Erfahrungen profitieren. Wir werden ihnen erprobte Verfahrensweisen und IT-Bausteine an die Hand geben können, um ihre Verwaltungs-prozesse eigenständig zu digitalisieren.

INFORM: Kurz zusammengefasst – wie lautet das Ziel der Digitalen Modellbehörde?

„ Unsere Verwaltung wird leistungsfähiger“ Hessischer Minister des Innern und für Sport Peter Beuth

2015 Das Gesetz über die Verbindung der informa-tionstechnischen Netze des Bundes und der Länder (IT-NetzG) tritt in Kraft. In ihm wird fest-gelegt, welche informa-tionstechnischen Netze für die Verwaltungs-ebenen-übergreifende Kommunikation im Rahmen von IT-Verfahren zu nutzen sind.

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18 INFORM 4/18 // DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG

TECHNISCHE STANDARDS

Peter Beuth: Unser Ziel ist ein medienbruchfrei-es Angebot von Verwal-tungsleistungen nach außen und die Sicherstel-lung einer schnelleren und effizienteren Bearbeitung nach innen, selbstverständlich unter Berücksichtigung von Sicher-heit und Datenschutz. In einem Regie-rungspräsidium etwa haben wir bereits die ersten Modellverfahren digitalisiert. Künftig sollen beispielsweise Anträge zur Anerkennungsprämie für Feuerwehr und Katastrophenschutz, zur Sportförde-rung oder Jugendhilfe sowie die Zusammenarbeit der Ausländerbehörden auf digitalem Weg erfolgen. Bei einzelnen Verfahren hat sich der große Nutzen der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen bereits gezeigt.

INFORM: Warum ist das Thema Digitalisierung heute wichtiger denn je?

Peter Beuth: Unsere Gesellschaft wird immer digita-ler. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass sie, ähnlich wie beim Onlinebanking, ihre Vorgänge auf digitalem Weg einreichen können. Diese Prozesse sind nicht nur serviceorientiert, sondern auch unheimlich effizient. Schließlich wird unsere Verwaltung damit leistungsfähiger. Sie führen innerhalb der Verwaltung natürlich auch dazu, dass Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst attraktiv und modern bleiben. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels spielt dieser Punkt für uns eine Rolle. Im Vordergrund steht aber der Bürger, dem wir mit zahlreichen digitalisierten Angeboten Zeit und Nerven sparen möchten.

INFORM: Zum Dauerthema Sicherheit – ein Aspekt, der Bürger und Unternehmen schon mal skeptisch auf die Digitalisierung blicken lässt. Wie steht es da in Hessen?

Peter Beuth: Ein ganz zentraler Punkt.

Denn Sicherheit und Datenschutz

gehen mit der Di-gitalisierung Hand in

Hand – darauf müssen Bürgerinnen und Bürger,

Wirtschaft und Unternehmen vertrauen können. Wir haben früh-

zeitig mit zahlreichen Initiativen reagiert. Mit der Agenda Cybersicherheit@Hessen haben wir be-reits seit 2014 für eine breite Informationssicherheit in der Landesverwaltung gesorgt. Derzeit bauen wir zusätzlich ein Cybercrime Competence Center, kurz: Hessen3C, auf. Damit werden wir unsere Sicherheits-behörden im Kampf gegen Cyberkriminalität und -spionage besser vernetzen und stärken. Für die hes-sischen Unternehmen steht mit dem Hessen3C ein fachlich kompetenter zentraler Ansprechpartner bei Cybercrimevorfällen zur Verfügung. Die Experten beraten bei IT-Sicherheitsvorfällen zum konkreten Vorgehen in der Krise. Das Hessen3C soll unsere Unternehmen und Verwaltungen aber nicht nur in der Krise beraten, sondern sie auch bei grundsätzli-chen Fragen unterstützen. Im Laufe des kommenden Jahres werden die Kapazitäten für die technische Analyse, also die IT-Forensik, ausgebaut und die Voraussetzungen für ein Mobile Incident Response Team, kurz MIRT, geschaffen, das bei Cyberangriffen Unternehmen und Verwaltungen hessenweit auch vor Ort unterstützt.

XÖV-Standards

Spezifikationen von Formaten zum Datenaustausch innerhalb der öffentlichen Ver-

waltung oder der Verwaltung mit ihren Kunden (z.B. Bürgern oder Unternehmen). Ziel: durchgängige, elektro-

nisch unterstützte und medienbruchfreie Verwaltungsprozesse über alle föderalen Ebenen. Im Mittelpunkt dabei: Dienstleistun-

gen mit vielen Schnittstellen zwischen Behörden, die harmonisiert werden. Im Kontext des Onlinezugangsgesetzes (OZG) u.a.:

XZUFI für den Austausch von Daten zu Verwaltungsleistungen und zustän-

digen Stellen im öffentlichen Bereich

XFall für den elektronischen Datenaustausch zwischen

Antragsverfahren und den zuständigen Stellen in der öffentlichen Verwaltung 2017

Das Onlinezugangsge-setz (OZG) tritt in Kraft. Im Rahmen seiner Umsetzung müssen die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen ihre Verwaltungsleis-tungen bis Ende 2022 auch online anbieten.

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19DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG // INFORM 4/18

Mai 2018 Die Datenschutz-Grund- verordnung (DSGVO) der Europäischen Union vereinheitlicht Regeln zur Verarbeitung per-sonenbezogener Daten durch Unternehmen und öffentliche Stellen EU-weit.

Digitale Modellbehörde // Blaupause der Landes verwaltung Vorprojekt Digitale Modellbehörde, Projektleiter Andreas Schlicher und Beatrix Karch-Ott (Hessisches Ministerium des Innern und für Sport)

Anfang des Jahres fiel der Startschuss für das Vor-projekt Digitale Modellbehörde. „Musterbehörden“ der Landesverwaltung sind die drei hessischen Re-gierungspräsidien in Gießen, Kassel und Darmstadt, die als Bündelungsbehörden der Landesverwaltung ausgewählt worden sind, um die Wandlung zu einem attraktiven digitalen Servicedienstleister für Bürger, Unternehmen, Kommunen und verwaltungsinterne Kunden modellhaft zu vollziehen. Die Regierungs-präsidien sind als Blaupause besonders geeignet, da ihr umfangreiches internes und externes Leistungs-spektrum sehr viele Bereiche der Landesverwaltung abdeckt.

Zwischen der Digitalen Modellbehörde und den Aktivitäten aufgrund der Umsetzung des OZG gibt es viele Schnittmengen, aber auch Unterschiede in der Zielrichtung. Die Aktivitäten finden nicht zufällig zeitgleich statt. Das OZG ist für die Verwaltungen des Bundes und der Länder ein gewichtiger Treiber, bestimmte Verwaltungsleistungen, die für Bürger und Unternehmen von Bedeutung sind (z.B. Eltern- geld, Meldewesen), künftig auch als digitale Verwal-tungsleistung anzubieten. Die Digitale Modellbe-hörde geht darüber hinaus, indem für Verwaltungs-leistungen nicht nur ein digitaler Zugang angeboten wird, sondern auch die internen Bearbeitungsabläu-fe – soweit möglich und sinnvoll – komplett digita-lisiert werden. Während das OZG an der Pforte der Behörde endet, beschäftigt sich die Digitale Modell-behörde auch mit den internen Geschäftsprozessen.

Die vorhandenen Geschäftsprozesse der Regie-rungspräsidien werden erhoben, im Hinblick auf das Erfordernis der Digitalisierung hinterfragt, typisiert, standardisiert, priorisiert und wo immer möglich optimiert. Am Beispiel der Anerkennungsprämie wird die Arbeit des Projekts deutlich. Mitglieder der Einsatzabteilungen der freiwilligen Feuerwehren und der Einheiten der Katastrophenschutzdiens-te erhalten auf Antrag gestaffelt – je nach aktiver Dienstzeit – eine Anerkennungsprämie, die bei den Regierungspräsidien zu beantragen ist. Derzeit

erfolgt die Bearbeitung der Anträge rein papier-basiert. Datenabgleiche der Regierungspräsidien unterein ander oder Datenauswertungen für Presse- oder Parlamentsanfragen sind derzeit nicht möglich bzw. mit hohem Aufwand verbunden. Das neue Verfahren sieht vor, dass bereits bei elektronischer Antragstellung durch die Städte und Gemeinden sowie durch die Katastrophenschutzeinheiten und -einrichtungen alle relevanten Daten digital erfasst und gespeichert werden, sodass hier eine erneute, händische Erfassung durch die Regierungspräsidien entfällt. Auch soll bereits mit der Antragstellung die Prüfung der Daten erfolgen, sodass unvollständige Anträge nicht versendet werden können. Lediglich bei Anhängen, die als Nachweis für die erbrachte Dienstzeit anzufügen sind, ist eine Prüfung durch das System nicht möglich und muss weiterhin durch die Sachbearbeiter bei den Regierungspräsidien erfol-gen. Derzeit läuft die Anwendung im Testbetrieb. Die Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien ist sehr kooperativ. Mit ihren Fachkompetenzen leisten sie wertvolle Beiträge in der Zusammenarbeit und in der Entwicklung.

Bis Ende März 2019 sollen das Vorprojekt Digitale Modellbehörde beendet und die Voraussetzungen für die Digitalisierung der Regierungspräsidien geschaffen sein. Der nächste Schritt, das Hauptpro-jekt, setzt dann die Transformation der Regierungs-präsidien zu tatsächlichen Digitalen Modellbehör-den um. Und wir gehen noch einen Schritt weiter: die Digitale Behörde. Die geschaffenen Blaupausen aus den Regierungspräsidien geben wir anderen Behörden im Land an die Hand, die diese dann für ihre digitale Transformation nutzen können. An die-sem Punkt möchten wir Ende 2024 stehen.

Prozessbeteiligte der Digitalen Modellbehörde unter der Federführung von Co-CIO Roland Jabkowski sind das Innenministerium, die Regierungspräsidien, die HZD und die ekom21.

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20 INFORM 4/18 // DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG

INFORM: Herr Jabkowski, nach der 2015 vorge­stellten Landesagenda „Digitale Verwaltung Hessen 2020“ hat das im vergangenen Jahr in Kraft getre­tene OZG für zusätzliche Dynamik auf allen Ebenen gesorgt. Wie kompatibel sind denn die neuen Anfor­derungen des OZG mit den bisherigen Strategien?

Roland Jabkowski: Hessen treibt die Verwaltungs-modernisierung mit seiner 2003 begonnenen E-Government-Strategie und mit der landesweiten Digitalstrategie schon seit vielen Jahren kontinuier-lich voran. Wir schreiben unsere Strategien ständig fort und passen sie so an die neuen Herausforderun-gen der Zeit an. Das haben wir in der Vergangenheit stets so gehandhabt und tun dies auch heute so. Nicht umsonst sind wir in Hessen bundesweit vorne dabei, wenn es um die digitale Verwaltungsmoder-nisierung geht. Auch, weil wir erkannt haben, dass neben stetiger Verbesserung der IT-Strukturen eine Kräftebündelung und Standardisierung unserer IT-Landschaft vonnöten ist. Meine wichtigste Aufgabe, auch und gerade wenn es um die Umsetzung des OZG geht, sehe ich darin, Brücken zu bauen und Entscheider aus Wirtschaft und Verwaltung an einen Tisch zu bringen.

Auch wenn in Hessen alle an einem Strang ziehen: Die Umsetzung des OZG bis 2022 bleibt eine Her-kulesaufgabe – für alle Beteiligten in Bund, Ländern und Kommunen. Das neue Serviceportal www.service.hessen.de stellt Informationen und Dienst-leistungen aus der hessischen Verwaltung bereit und bietet einen direkten Onlinezugang. Im Rahmen der OZG-Umsetzung wird es zu dem Portal ausgebaut werden, über das alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen sich mit dem Servicekonto Hessen authentifizieren und alle relevanten elektronischen Verwaltungsleistungen finden und nutzen können.

Wir arbeiten ferner daran, das zukünftige Bürgerpor-tal des Bundes mit diesem hessischen Serviceportal zu verknüpfen, sodass auch dort die Informationen aus Hessen im Verbundportal des Bundes, der Länder und der Kommunen zur Verfügung stehen. Hessen hat hier den Trend schon früh erkannt und beim Aufbau des Verwaltungsportals bereits be-rücksichtigt. Das zeigt sehr eindrücklich, wie wir das bisher Vorhandene und Entwickelte erfolgreich an die Vorgaben des OZG anpassen.

INFORM: Wie sehen die Erkenntnisse des OZG­ Vorprojekts aus, wie die nächsten Etappenziele?

Roland Jabkowski: In den drei hessischen Regie-rungspräsidien in Darmstadt, Kassel und Gießen werden derzeit alle Verwaltungsleistungen erfasst und analysiert. Das gesamte Jahr 2018 stand und steht im Zeichen des Vorprojektes zur Digitalen Modellbehörde. Hier werden die entscheidenden Grundlagen gelegt und wir kommen auf diesem Weg Stück für Stück erfolgreich voran. Bei unseren bisherigen Arbeiten hat sich sehr deutlich gezeigt, dass bei der Umsetzung des OZG eine länder- und ebenenübergreifende Zusammenarbeit fundamen-tal ist. Folgerichtig hat sich der IT-Planungsrat, das föderale Gremium von Bund und Ländern auf dem Gebiet der IT, für ein bundesweit arbeitsteiliges Vorgehen entschieden. Auch und gerade die enge Zusammenarbeit mit den Kommunen ist essentiell, damit diese am Ende erfolgreich ihren Beitrag zur Umsetzung leisten können. Dazu gehört eben-so, dass Länder und Kommunen auf gemeinsam entwickelte Standards zurückgreifen. Wenn wir für ein Antragsverfahren 15 verschiedene Lösungen ent-wickeln, kann dies nicht im Sinne des Erfinders sein. Gemeinsame Standards, auf die alle zurückgreifen, sind wesentlich sinnvoller. Wichtig ist auch, dass die

„ Lasst uns voneinander lernen, lasst uns einander helfen“

Co-Chief Information Officer (Co-CIO) Roland Jabkowski

September 2018 Das Hessische E-Govern-ment-Gesetz zur Förde-rung der elektronischen Verwaltung und zur Änderung verwaltungs-verfahrens- und verwal-tungsvollstreckungs-rechtlicher Vorschriften und glücksspielrecht-licher Zuständigkeiten, kurz HEGovG, wird ver-abschiedet. Es beinhaltet auch wesentliche Inhalte zur OZG-Umsetzung, u.a. eine Verpflichtung für Behörden, ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über ein Verwaltungsportal nach Maßgabe des OZG anzubieten und hierfür im Verwaltungsportal Nutzerkonten bereitzu-stellen.

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21DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG // INFORM 4/18

Digitalisierungs-

labore Instrument für eine nutzerorientierte

Herangehensweise bei der Verwaltungs-digitalisierung. Mit agilen Methoden wie Design Thinking werden hier Prototypen für nutzerorien-

tierte Zielprozesse entwickelt. Dabei gilt: in intensi-ver Zusammenarbeit mit Designexperten die beste Lösung für die Nutzer unter den gegebenen tech-

nischen, organisatorischen und recht lichen Rahmenbedingungen zu entwickeln.

Ergebnis: ein Prototyp für einen idealtypischen Prozess.

Umsetzung des OZG nicht isoliert betrachtet werden darf. In Hessen stellen wir die Umsetzung deshalb in den Kontext unserer Gesamtstrategie. Nur so macht es Sinn.

Wir möchten bis zum Start der nächsten Legislatur-periode weiter an unseren programmatischen Inhal-ten feilen. Was uns hilft, ist die Tatsache, dass man in Hessen schon sehr früh einen besonderen Fokus auf

eine professionelle IT-Organisation und die Standar-disierung von sogenannten Querschnittsverfahren gelegt hat. Wir konnten so nicht nur unsere IT-Kosten senken, sondern auch neue IT-Innovationen auf-bauen. Beispielhaft ist hier der HessenPC, der rund 60.000 Arbeitsplätzen in der Landesverwaltung zur Verfügung steht und in der neuen Variante zudem modernste Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten und zur Telearbeit bietet. Wir in Hessen haben eine

TECHNISCHE STANDARDS

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22 INFORM 4/18 // DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG

Im OZG-Umsetzungskatalog des Bundes, der als Grundlage der weiteren Umsetzung in Bund, Ländern und Kommunen dienen soll, sind alle betreffenden Verwaltungsleistungen erfasst. Die etwa 575 umzusetzenden OZG-Leistungen für Bürger sowie für Unternehmen sind anhand von Leistungsbündeln für Lebens- und Geschäftsla-gen systematisiert (z.B. Themenbereich Familie und Kind) und priorisiert. Diese stellen eine Bün-delung von insgesamt rund 1.900 OZG-relevan-ten LeiKa-Leistungen dar, die sich im „Hessischen OZG-Umsetzungskatalog“ widerspiegeln und um ca. 100 Leistungen erweitert wurden.

Was sind überhaupt Verwaltungsleistungen?

� Verwaltungsleistungen sind im OZG definiert als „elektronische Abwicklung von Verwal-tungsverfahren“

� Verwaltungsverfahren sind nach § 9 Verwal-tungsverfahrensgesetz (VwVfG) wiederum als „nach außen wirkend“ definiert

� Nicht OZG-relevant sind verwaltungsinterne Leistungen, da sie keine Außenwirkung ent-falten

Digitalisierung von Verwaltungs-leistungen // OZG-Umsetzungs-katalog

sehr solide Basis, um die digitale Transformation erfolgreich weiter zu gestalten. Auch im IT-Föderalismus in Deutschland steckt nach meiner Einschätzung großes Potenzial für die konse-quente Weiterentwicklung der digitalen Verwaltung. Grundvoraussetzung dafür ist aber zweifellos die verstärkte Zusammenarbeit. Lasst uns voneinander lernen, lasst uns einander helfen. Nur so geht es. Das muss in unser aller Köpfe rein.

INFORM: Zum Schluss bitte noch ein kurzes State­ment zum neuen, für 2019 avisierten Dokumenten­managementsystem in der hessischen Verwaltung?

Roland Jabkowski: Ein weiteres Teilstück auf dem anspruchsvollen Weg zur digitalen Verwaltung ist unser neues hochmodernes Dokumentenmanage-mentsystem, das den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern unserer Verwaltung schon bald zur Verfügung steht. Ab dem Jahr 2019 werden die ersten Dienst-stellen des Landes darauf zurückgreifen können. Das Projekt DMS-Modernisierung, das bereits 2017 begonnen hat, erarbeitet zurzeit die Voraussetzun-gen für die landesweite Einführung. Die Implemen-tierung der neuen Lösung wird in einer Pilotphase in der HZD und der hessischen Oberfinanzdirektion im nächsten Jahr erfolgen.

Die HZD wird übrigens den künftigen Betrieb der Lösung sicherstellen und auch als Teil der Gesamt-projektleitung fungieren.

TECHNISCHE STANDARDS

Föderales Informa-tionsmanagement (FIM)

ein Steuerungsprojekt des IT-Planungs-rats. Ziel: Die Darstellung von Informationen zu Verwaltungsvorgängen und den Ablauf

der selben zwischen Bund, Ländern und Kommu-nen harmonisieren. Aktuell werden für die gleiche

Verwaltungsleistung noch unterschiedliche Prozesse genutzt, im Ergebnis ein aufwändigerer Prozess. FIM

dagegen sorgt dafür, dass Verwaltungseinheiten ihre Prozesse, Formulare und Leistungs-beschreibungen standardisieren – eine

wichtige Basis der digitalen Verwaltung.

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23DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG // INFORM 4/18

Die Umsetzung des OZG in Hessen ist deutlich komplexer als ein „klassisches“ Verwaltungspro-jekt. Deshalb haben wir ein zweistufiges Programm aufgesetzt, das sich in Grundlagen-, Rollout- und Umsetzungsprojekte untergliedert. Im April startete das Vorprojekt OZG Hessen, das die wesentlichen Pflichten und Chancen für die Landes- und Kommu-nalverwaltung beleuchtet und die dann folgende Umsetzung ideal vorbereitet. Der Projektstab wurde in der Abteilung VII im Innenministerium gebildet und referatsübergreifend besetzt, das Team wird von der HZD und der ekom21 verstärkt. Den Lenkungs-ausschuss des Steuerungsgremiums leitet Co-CIO Roland Jabkowski.

Im Vorprojekt haben wir rechtliche Fragen geklärt, OZG-relevante Verwaltungsleistungen katalogisiert und priorisiert, ein Architektur-Zielbild entwickelt, FIM-Know-how aufgebaut, personelle und finanzielle Ressourcen geschätzt. Aber auch ein ressort- und ebenenübergreifendes Akzeptanzmanagement eta-bliert, das gerade bei dem hohen Handlungsdruck von zentraler Bedeutung ist.

Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene laufen natürlich schon zahlreiche Aktivitäten im OZG-Kon-text. Deren Synchronisation ist eine wichtige Grund-lage, wenn wir das OZG in Hessen effizient umsetzen wollen – und das nicht nur heute, sondern auch zu-künftig als Daueraufgabe. Auch landesintern haben wir Synergien mit bereits laufenden Projekten für die jetzt beginnende Umsetzung des OZG überprüft, in erster Linie mit dem Vorprojekt „Digitale Modellbe-hörde“. Das Ziel: pilothafte Vorhaben zu synchroni-

Hessen und das OZG // Vom Vorprojekt in die Umsetzungsphase OZG Vorprojekt, Projektleiterin Dr. Anja Syring (Hessisches Ministerium des Innern und für Sport)

sieren und die Regierungspräsidien optimal einzu-binden. Auch werden bestehende Lösungsbausteine wie das Servicekonto Hessen https://mein-service.hessen.de oder das Verwaltungsportal www.service.hessen.de genutzt.

Neben der Synchronisation war allen Beteiligten schnell klar, dass es nur ein Erfolgsrezept geben kann: Die Herausforderung OZG kann die deutsche Verwaltung nur gemeinsam, also bund-, länder- und kommunenübergreifend erfolgreich meistern. Der IT-Planungsrat hat deshalb das sogenannte verteilte Vorgehen festgelegt, d.h. eine Arbeitsteilung bei der Schaffung von Onlinezugängen zu den Verwaltungs-leistungen von Bund und Ländern. Hessen ist hier übrigens federführend aktiv und beteiligt sich an der Pilotierung des Portalverbunds, also der Verknüp-fung aller Verwaltungsportale des Bundes und der Länder. Bürger und Unternehmen werden sich über interoperable Nutzerkonten (Servicekonto Hessen) bundesweit einheitlich identifizieren können. Dafür binden wir unser Verwaltungsportal als eines der ers-ten an das Online-Gateway des Bundes an.

Wir haben das Vorprojekt OZG Hessen erfolgreich abgeschlossen. Heute sind wir an dem Punkt, dass die geforderten Ergebnisse und damit die OZG-Readiness stehen. Ab 2019 können wir in die Um setzung starten. Auch wenn das OZG nur das „Frontend“ regelt, also die Verwaltungsleistungen nach außen, so ist es für uns auch der Anstoß, die Verwaltung nach innen umfassend zu digitalisieren. Spannende Zeiten warten auf uns.

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24 INFORM 4/18 // DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG

Von der Entstehung über die Aufbewahrung bis zur Aussonderung – nachvollziehbares Verwaltungs-handeln mittels Aktenführung zur vollständigen Dokumentation eines Sachverhalts ist seit langem ein Grundpfeiler der Verwaltung. Hessen hat mit HeDok schon seit 2005 die Einführung der E-Akte unterstützt und erfolgreich in Teilen der Verwaltung eingeführt.

Das vom Bund beschlossene Gesetz zur Förde-rung der elektronischen Verwaltung (EGovG), das Hessische E-Government-Gesetz (HEGovG) und die Vorhaben zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung wie z.B. im OZG festgeschrieben, bedingen nun ein neues Anforderungsniveau. Die E-Government-Gesetze schreiben die elektronische Aktenführung und Vorgangsbearbeitung vor. Mit der zunehmenden Digitalisierung der Landesverwaltung nach innen wird zudem die mögliche Vernetzung von Prozessen zwischen Dienststellen unumgänglich.

Eine E-Akte fasst in digitalisierter Form alle Unter-lagen zusammen, die die vollständige Information über einen Sachverhalt ermöglichen. Ziel ist es, einen Vorgang von der Entstehung bis zur Archi-vierung elektronisch möglichst medienbruchfrei zu dokumentieren. Ein zeitlicher Rahmen ist bereits gesetzt: Zum 1. Januar 2020 muss die E-Akte in allen Behörden eingeführt sein. Die E-Akte ist u.a. ein wichtiger Basisbaustein, um die im OZG geforderte effizientere elektronische Verwaltung umzusetzen.

Um den neuen Herausforderungen, die mit der Digi-talisierung in der Verwaltung einhergehen, gerecht werden zu können, haben Beteiligte aus dem Innen- und Finanzministerium und die HZD in Zusammen-arbeit mit weiteren Ministerien und Dienststellen im Land ein gemeinsames Projekt zur Modernisierung

E-Akte und DMS // Der digitale Verwaltungs arbeitsplatz DMS Modernisierung, Projektleiter Andreas Teichert (HZD)

des Dokumentenmanagementsystems (DMS) auf-gesetzt. Ziel: die flächendeckende Standardisierung der Verwaltungsprozesse mittels digitaler Angebote und die Optimierung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit in der hessischen Landesverwal-tung.

Dabei gilt es nicht nur, die Grundsätze ordnungs-gemäßer Aktenführung zu berücksichtigen und die Papier- und E-Aktennutzer während der Migration abzuholen, sondern auch die Grundlagen für heute unbekannte Anforderungen der Verwaltung in fünf bis zehn Jahren zu unterstützen. Das Projekt muss also einerseits die Verwaltung im Hier und Jetzt abholen, andererseits in der Anwendungsarchitektur mögliche Erweiterungen langfristig unterstützen. Dabei ist auch die negative demografische Entwick-lung mit Problemen bei der Personalentwicklung bzw. dem -recruiting zu berücksichtigen. Arbeitser-leichterung für die Anwender, Unterstützung durch Knowledge Management, zukünftige Erweiterungen zu (halb-) automatischen Verfahren als auch moder-ne Anwendungsarchitekturen zur Unterstützung von Betrieb und Support sind daher unumgänglich.

Nach der Erhebung der Anforderungen brachte die HZD ein europaweites Vergabeverfahren auf den Weg, um die bestmögliche Lösung für den Aufbau eines neuen Systems zur elektronischen Akten-führung und Vorgangsbearbeitung zu finden. Der Zuschlag ist erteilt. Das Gesamtprojekt zur Gestal-tung und zum Ausbau des digitalen Verwaltungsar-beitsplatzes und zur Digitalisierung der Verwaltungs-prozesse ist auf sieben Jahre angesetzt. Es obliegt federführend dem Innenministerium in gemeinsa-mer Verantwortung mit dem Finanzministerium und der HZD.

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25DIGITALISIERUNG DER VERWALTUNG // INFORM 4/18

Entstehung

� Das OZG tritt am 18.08.2017 im Zuge der Neu-ordnung des Länderfinanzausgleichs in Kraft.

� Es ist eine Folge der Änderung des Grundgeset-zes Art. 91c Abs. 5: „Der übergreifende informations-technische Zugang zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern wird durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrats geregelt.“

Zweck

� Das OZG stellt eine Rahmengesetzgebung zur Digitalisierung von Verwaltungsleistungen dar.

� Verwaltungsleistungen müssen bis Ende des Jahres 2022 digital nutzbar sein (Onlinezu-gang) – Bund, Länder und Kommunen sind gefordert.

Mehrwert Für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen

� Durch einfache, schnelle und unbürokratische Leistungserbringung der Verwaltung in digi-taler Form wird eine Kosten- und Zeitersparnis erzielt.

� Bürger erhalten nutzerfreundliche digitale Lösungen, die auf die jeweiligen Lebenslagen zugeschnitten sind.

� Die Wirtschaft kann auf Verwaltungsleistungen zurückgreifen, die weitestgehend über digitale Schnittstellen aus der Unternehmens-IT heraus abrufbar sind.

Für die Verwaltung

� Durch Automatisierung repetitiver Aufgaben werden Zeit und Kosten eingespart.

� Prozesse und gesetzliche Vorgaben werden optimiert.

� Personalressourcen werden vor dem Hinter-grund demografischer Herausforderungen effektiver eingesetzt.

� Das Image der Verwaltung wird verbessert (Innovation, Serviceorientierung, digitale Behördengänge ohne Warteschlangen u.a.).

OZG // Entscheidender Impulsgeber für die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen

Interoperabilität

Fähigkeit unabhängiger, hetero-gener Systeme, zusammenzuarbeiten,

um ohne gesonderte Absprachen Informa-tionen auszutauschen bzw. dem Benutzer zur Verfügung zu stellen. Dazu ist die Einhaltung

gemeinsamer Standards notwendig. Da im Kontext der Digitalisierung der Verwaltung gerade Behör-den – und die genutzte Informationstechnologie

– solche unabhängigen heterogenen Systeme sein können, ist Interoperabilität ein wesentliches Architekturprinzip zur

Umsetzung der Digitalisie-rung.

TECHNISCHE STANDARDS

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26 INFORM 4/18 // HZD-MAGAZIN

Gemeinsame IT der Steuer // Thüringen und Hessen koope-rieren beim Betrieb der Steuerverfahren

Höhere Wirtschaftlichkeit und Betriebsstabilität, Qualitätssteigerun-gen, aber auch zunehmende Komplexität und mangelnde Fachkräfte – viele Argumente sprechen dafür, dass die Bundesländer beim Betrieb der Steuerverfahren eng zusammenarbeiten. Thüringen und Hessen gehen nun eine Kooperation ein, um sich gemeinsam fit für die Zu-kunft zu machen.

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27 HZD-MAGAZIN // INFORM 4/18

Nach einer gut eineinhalbjährigen Evaluierungs- und Vorberei-tungsphase ging es in diesem Jahr los: Mit den Unterschriften von Finanzministerin Heike Taubert (Freistaat Thüringen) und Finanzminister Dr. Thomas Schäfer (Land Hessen) unter eine Ver-waltungsvereinbarung begann die Kooperation beim Betrieb der steuerlichen IT-Verfahren der Bundesländer Thüringen und Hessen. Dies war der Startschuss für ein Umsetzungsprojekt, welches die Etablierung eines Zwei-Länder-Betriebes für die Steuerverfahren zum Ziel hat. Bis April 2019 soll an den HZD-Standorten Mainz und Wiesbaden eine gemeinsame Infrastruk-tur (Mainframes, KONSENS1-Server und korrespondierende Backend-Systeme) aufgebaut und im Einsatz sein. Im Mittel-punkt steht also in dieser Phase die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur.

Die Kooperation des Freistaates Thüringen und des Landes Hessen bei der IT der Steuer ist auf Weiterentwicklung ausge-richtet. Perspektivisch wird eine Ausdehnung der Kooperation um weitere Themengebiete und eine Vertiefung innerhalb der Kooperationsfelder angestrebt. Die Produktionsverlagerung ist ein erster technisch ausgerichteter Schritt, der Eingangsvoraus-setzungen für Folgeoptionen schafft.

Die Kooperation ist eine konsequente Antwort auf die Heraus-forderungen, die sich beim IT-Betrieb der Steuerfachverfahren stellen. Die deutschen Bundesländer arbeiten auf diesem Ge-

biet bereits eng zusammen, entwickeln z.B. gemeinsame Soft-ware und sind teilweise auch Kooperationen eingegangen. Für den Freistaat Thüringen und das Land Hessen stellt sich deshalb die Frage, wie sie sich künftig in diesem Umfeld positionieren.

Von Dezember 2016 bis April 2018 haben Mitarbeiter des Thüringer Finanzministeriums, der Thüringer Landesfinanz-direktion des Thüringer Landesrechenzentrums (TLRZ), des Hessischen Ministeriums der Finanzen, der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main und der HZD eine Erhebung und Auswertung von Daten vorgenommen, um im Hinblick auf die Ziele der Zu-sammenarbeit – Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, der Betriebs-stabilität und -Qualität – die geeignete Kooperationsausprägung zu erarbeiten.

Es wurden die Potenziale und Risiken für eine gemeinsame Zusammenarbeit evaluiert. Die günstigen wie ungünstigen Rah-menbedingungen wurden identifiziert und bewertet.

Aus wirtschaftlicher Sicht sind durch die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen (Mainframes, Backendsysteme und Virtua-lisierungsumgebungen für die KONSENS-Server) z.T. erhebliche Einsparungspotenziale realisierbar. Eine bessere Auslastung der Systeme und die Reduzierung des notwendigen Overheads für den Ausgleich von Lastspitzen werden möglich. Dies ist umso wichtiger, als im Umfeld der Steuerverfahren bei den bereit zustellenden Ressourcen mit jährlichen Wachstumsraten von zehn bis 15 Prozent zu rechnen ist.

Ich freue mich auf die Zusammen-arbeit mit unserem Nachbarn Hessen als kompetentem und leistungs-starkem Partner. Wo der Karto graf

noch eine gemeinsame Grenze zieht, verblasst für den IT-Experten diese Linie mehr und mehr. Insofern ist es sinnvoll, durch Speziali-sierung und Bündelung von Aufgaben arbeitsteilig vorzugehen, um die wachsenden quantita tiven wie qualitativen Anforderungen an den steuerlichen IT-Betrieb mit über-schaubarem Ressourcenaufwand bewältigen zu können.”

H E I K E TA U B E R T  | Thüringer Finanzministerin

1 Koordinierte neue Software-Entwicklung für die Steuerverwaltung

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28 INFORM 4/18 // HZD-MAGAZIN

Gleichzeitig nimmt die Komplexität zu. Die zunehmende Anzahl und Änderungsdynamik der KONSENS-Verfahren führt zu immer mehr Schnittstellen und zu immer enger werdenden Zeitfenstern für die Betriebsabläufe. Dies erfordert höhere Aufwände für den Betrieb, und die Überwachung sowie hierfür qualifiziertes Per sonal, welches insbesondere im Mainframeumfeld zuneh-mend schwerer zu finden ist. Eine entsprechende Ausrichtung der Bediensteten ist im Rahmen einer Kooperation einfacher zu leisten.

Aus der Zusammenarbeit ergeben sich zudem Vorteile für die Qualität und die Betriebssicherheit der Verfahren. Das Zwei-Standorte-Prinzip (Mainz, Wiesbaden) und die damit verbunde-ne deutlich höhere Kontinuitätsabsicherung in Notfallsituationen wird auch für die thüringischen Steuerverfahren verfügbar, welche insbesondere Mainframe-seitig bislang allein im Rechen-zentrum in Erfurt betrieben wurden. Risikomanagement und Notfallabsicherung können über beide Länder ausgedehnt ver-einheitlicht werden. Letztendlich ist zu erwarten, dass durch eine Bündelung von Personalressourcen wieder ein proaktiveres und nachhaltigeres konzeptionelles Arbeiten ermöglicht werden wird. Eine weitere Chance, Aufwände zu mindern und die Quali-

tät zu erhöhen, wird in der Option gemeinsamer, abgestimmter Verfahrenseinführungen gesehen.

Auf den abgestimmten Erkenntnissen aufbauend erfolgte die Definition des Leistungsschnitts im zukünftigen Miteinander. Der Entscheidungsvorlage zur Ausprägung der Kooperation war eine Umsetzungsplanung zur Zielerreichung beigefügt.

Aufbau der gemeinsamen Infrastrukturen

Im Auftrag der beiden Finanzministerien und in enger Zusam-menarbeit mit der Thüringer Landesfinanzdirektion und der hessischen Oberfinanzdirektion planen und entwickeln das TLRZ und die HZD die gemeinsamen Infrastrukturen. In den beiden Ländern wurden Teilprojekte aufgesetzt, um die technische Unterstützung an den jeweiligen Standorten und im Zusammen-spiel zu koordinieren.

Zunächst wurde ein Rahmenterminplan erstellt, der die einzel-nen Teilprojekte und Aktivitäten steuert. Derzeit werden die Teilkonzepte für Aufbau und Betrieb der nötigen Infrastrukturen (z.B. für Netze, Virtualisierungs-Umgebungen usw.) entwickelt respektive finalisiert sowie ein Drehbuch für die Verfahrensver-

Die Kooperation zwischen Hessen und Thüringen beim Betrieb der Steuerverfahren ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Gewinn für

beide Länder: verbesserte Wirtschaftlichkeit, erhöhte Betriebsstabilität und -qualität sowie eine Minimierung von Risiken – und das alles bei einer Zusammenarbeit auf Augen höhe! Wir sind sehr guter Hoffnung, dass dieses Bei-spiel Schule macht und weitere Kooperatio-nen auch über Ländergrenzen hinweg folgen werden.”

D R . T H O M A S S C H Ä F E R  | Hessischer Minister der Finanzen

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29 HZD-MAGAZIN // INFORM 4/18

peter lacherBereichsleitung Kooperationen, Großrechner, Storage & Datensicherung [email protected]

lagerung geschrieben. Seit Oktober besteht eine Verbindung zwischen den Großrechnern der Länder. Trotz der Entfernung von mehr als 350 km zwischen den thüringischen Finanzämtern und den Servern und Großrechnern an den hessischen Stand-orten sind im Dialog nur geringe Laufzeitverlängerungen für die Rechenläufe der thüringischen Finanzbehörden zu erwarten (2 bis 6 ms/Transaktion). Neben der Erweiterung der hessischen Mainframes erfordert insbesondere die Bereitstellung und Nutzung einer eigenen Virtualisierungsumgebung für Thüringen mit den notwendigen Backendsystemen einen hohen Planungs-aufwand.

Die HZD wird künftig nicht nur die Betriebsinfrastruktur für die thüringischen Steuerverfahren beherbergen, sondern auch die Rechenleistung für das thüringische Bezügeverfahren DAISY bereitstellen. Dieses wird von den Standorten Erfurt und Suhl aus betrieben.

Von entscheidender Bedeutung für den Projekterfolg und eine dauerhaft gute Zusammenarbeit der beiden Bundesländer wird es sein, gemeinsame Betriebsabläufe zu etablieren und die beteiligten Mitarbeiter in den Rechenzentren sowie Finanzdirek-tionen bei der täglichen Arbeit gut zu vernetzen.

Ziel 2019: Erfolgreiche Umsetzung

Im März 2019 soll es dann soweit sein: Die gemeinsame Infra-struktur soll nach ausgiebigen Tests in Betrieb genommen werden. Zunächst soll das Bezügeverfahren DAISY umziehen, im Anschluss ist die Verlagerung der Steuerverfahren geplant.

Der Einsatz aller Beteiligten, die das Kooperationsprojekt neben ihren routinemäßigen Betriebsaufgaben stemmen müssen, soll sich dann auszahlen. Die Erwartungen an den künftigen gemein-samen Betrieb sind auf beiden Seiten hoch. Neben den bereits genannten Potenzialen der Zusammenarbeit wie Skaleneffekten sowie Qualitäts- und Stabilitätsgewinnen wird der Einfluss Thü-ringens und Hessens durch diese Kooperation im KONSENS-Verbund auf Bundesebene zunehmen.

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30 INFORM 4/18 // HZD-MAGAZIN

Aktuelle Informationen über den Bestand an Hard- und Software eines Unternehmens jederzeit in Gesamtsichten (Dashboards) oder auf Systemebene abrufen zu können, ist in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. Ein verlässlicher Überblick über die eingesetzte Hard- und Software bedeutet Rechtssicherheit und schützt vor vermeidbaren Kosten, z.B. durch Überlizenzierung oder durch Strafzahlungen wegen Unterlizenzierung. Bei Sicherheitslücken ist die schnelle Verfügbarkeit von Informationen, wo und in wel-cher Version die Software eingesetzt wird, für die Eindämmung von Sicherheitsrisiken wichtig. Von der Zusammenführung von aktuellen Bestandsinformationen in einer laufend aktualisierten Configuration-Management-Datenbank (CMDB) profitieren nicht nur ein Zentrales Konfigurationsmanagement, sondern z.B. auch die für den Betrieb eines Verfahrens Verantwortlichen, die so einen schnellen Überblick über ihre Systeme und ihren System-verbund erlangen können.

Die Datenbasis für die Beantwortung dieser und anderer Fragen liefert die Inventarisierungssoftware Discovery der Firma BMC. Bereits seit längerem waren in unterschiedlichen Bereichen der HZD Überlegungen im Gange, jeweils eigene Software zu beschaffen, um fachspezifischen Aufgaben nachkommen zu

Aktuell, verlässlich, umfassend // Auto-matische Bestands-erfassung von Servern und deren Software

Sind ausreichend Lizenzen vorhanden? Welche Kunden und Unternehmenseinheiten sind von Konfigurations-änderungen betroffen? Ist die eingesetzte Software sicher? Die Grundlage zur Beantwortung dieser Fragen liefert die Software „Discovery“, die derzeit in der HZD ausgerollt wird.

DISCOVERY FUNK TIONSWEISE

Die Inventarisierungssoftware Discovery basiert auf einer sogenannten zentralen Consolidation Appliance, d.h. einer aus Hardware und Software bestehenden integrierten Systemkomponente, welche mit ihrer Datenbank als zentraler Sammelpunkt der erhobenen Inventardaten dient. Befüllt wird diese Datenbank durch Scanner-Appliances, welche in unterschiedlichen Netzzonen oder -bereichen von den dort befindlichen Serversystemen Informationen abfragen. Inventarisiert wird ein standardisierter Datensatz; personenbezogene Daten werden nicht erfasst.

Es werden nur Serversysteme katalogisiert, nicht Arbeitsplatzsysteme. Damit alle, die ein berechtigtes Interesse haben, die Daten nutzen können, ist eine Verknüpfung von Discovery mit einer Configuration-Management-Datenbank (CMDB) erforderlich.

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guido zemanek Kooperationen, Großrechner, Storage & Datensicherung

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können. Nun bot sich die Möglichkeit, den so unterschiedlichen Anforderungen an ein Lizenz-, Schwachstellen- und Konfigura-tionsmanagement mittels eines einzigen Produkts nachzukom-men. In einer Teststellung im Jahr 2017 prüften deshalb Ver-treter der entsprechenden Fachbereiche der HZD die Eignung der Anwendung und kamen allesamt zu einem positiven Ergeb-nis. Daraufhin wurde durch das Direktorium die Einführung des Tools beschlossen. Gleichzeitig konnten so die Kosten für die Anschaffung und den Betrieb dreier individueller Produkte erheblich rediziert werden.

Zentrale Lizenzstelle als erster Nutzer

Kürzlich hat die HZD als erstes Projektziel die Inventarisierung eines Großteils der von der HZD betriebenen Windows-Systeme abgeschlossen. Über eine Schnittstelle zum Software-Asset-Management-Tool Snow License Manager werden Daten für die Auswertung durch die Zentrale Lizenzstelle bereitgestellt. Bislang wurden diese Informationen durch regelmäßige, nicht automatisierte Meldungen aus den Betriebseinheiten erhoben.

Als nächste Aufgaben stehen der Rollout von Discovery für spezielle Fachverfahren sowie in den Unix- und Linux-Umgebun-gen der HZD an. Außerdem ist perspektivisch die Anbindung und Bereitstellung der Bestandsdaten über eine CMDB vorge-sehen, die Nutzern mit berechtigtem Interesse zur Verfügung stehen wird. Als zentrale Instanz der Bestandserfassung kann die

Anwendung die Bestandsdatenhaltung auf Verfahrensebene deutlich vereinfachen. Eine interessante Funktion von Discovery ist hierbei die Topologievisualisierung: Diese Darstellung von Architekturausschnitten mittels Servicebäumen unterstützt z.B. bei der Erstellung von Impact-Analysen im Rahmen der Planung von Änderungen der Infrastruktur.

Mit seinem Potenzial ist das Discovery-Tool nicht nur eine wert-volle Unterstützung für HZD-interne Prozesse und Aufgaben. Eine Option ist zudem, die Bestandserfassung als Kundenser-vice anzubieten. Deshalb wird auch eine Marktanalyse zu den weiteren Aufgaben gehören.

Die Inventarisierungssoftware Discovery ermöglicht die aktuel-le, verlässliche und umfassende sowie vor allem automatische Bereitstellung von Serverdaten und der zugehörigen Software. Damit wird eine Weiterentwicklung von einer stichtagsbezoge-nen zu einer kontinuierlichen Inventursicht erreicht, aus der sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten ergeben. Nun geht es darum, diesen Datenschatz zu heben.

Windows-Proxy Windows-Proxy

Linux-Server Linux-ServerWindows-Server Windows-Server

Windows-Server Windows-Server

Windows-Server Windows-Server

Linux-Server Linux-Server

Linux-Server Linux-Server

Scanner-Appliance Scanner-ApplianceConsolidation- Appliance

HZD-MAGAZIN // INFORM 4/18

ZONE 1 ZONE 0 ZONE 2

Vereinfachte Darstellung der Discovery- Architektur

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32 INFORM 4/18 // HZD-MAGAZIN

Nicht erst seit der zunehmenden, kundenübergreifenden Kom - mu nikation innerhalb und aus der Landesverwaltung heraus mit externen Partnern und dem steigenden Trend zur mobilen Arbeitsweise ist der Bedarf nach einer angemessenen techni-schen und organisatorischen Unterstützung zum Daten austausch entstanden. Die heute bereitstehenden Mittel unterliegen technischen Beschränkungen: bei der Dateigröße (z.B. E-Mail, SharePoint), der Datenabfluss ist unkontrolliert (USB und DVD) oder sie sind vorbereitungsintensiv (FTP-Server). Normale Dateiablagen sind nicht aus dem Internet erreichbar, mithin bieten sie keinen Transportweg zu externen Nutzern an.HessenDrive bietet in seiner Kernfunktionalität eine echte Ergänzung zur bestehenden Produktpalette des Landes Hessen.

Funktionalität und Variabilität

HessenDrive stellt für jeden Kunden (in der Regel eine Dienst-stelle oder eine Gruppe von solchen) einen eigenen, in sich abgeschlossenen Mandanten (DataSpace) mit der gewünschten Quota von Nutzerlizenzen und Speicherplatz zur Verfügung. So kann jeder Kunde einen skalierbaren Dienst mieten und flexibel an seine Anforderungen anpassen. Die HZD als Provider hat keine Möglichkeit, auf die Daten der jeweiligen DataSpaces zuzugreifen respektive in deren Benutzerverwaltung einzugrei-fen. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass das System von den Kunden selbst administriert und verwaltet wird, d.h. Aufbau wie Pflege von Benutzerstrukturen, Berechtigungsvergabe sowie Ablagestrukturen (Data Rooms, Sub Data Rooms, Ordner) finden ausschließlich dezentral beim Kunden statt. Jeder Nutzer

HessenDrive // Sicherer geht’s nichtHessenDrive bietet die Funktionalität einer „Enterprise Austauschplattform“. Doch im Unterschied zu den Lö-sungen in der Public-Cloud werden alle Systeme im Rechenzentrum des Landes betrieben. Da die Übertra-gungswege (mittels SSL-/TLS-Datenverbindungen) verschlüsselt sind, ist beim Arbeiten mit verschlüsselten Datarooms de facto eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gegeben. So werden die Daten lokal auf den End-geräten ver- bzw. entschlüsselt. Niemand außer den von den Kunden autorisierten Nutzern hat Zugriff auf die Daten – auch nicht die HZD.

hat darüber hinaus Self-Service-Funktionalitäten, mit denen er z.B. die Übermittlung von Initialkennwörtern oder das Rückset-zen von vergessenen Kennwörtern anfordert.

HessenDrive ist sowohl aus den Landesnetzen als auch aus dem Internet erreichbar, es wird lediglich ein gängiger Internet Brow-

VERSCHLÜSSELUNG IST DIE HALBE MIETE

In HessenDrive kommen verschiedene Verschlüsse-lungstechnologien zum Einsatz, deren Kombination als Triple-Crypt® Technology bezeichnet wird.

Die Server Side Encryption bezeichnet die Ablage sämtlicher Informationen in verschlüsselten Dateisys-temen und stellt sicher, dass im extrem unwahrschein-lichen Fall eines Einbruchs in ein Rechenzentrum keine nützlichen Daten erbeutet werden können.

Als Channel Encryption wird die Verschlüsselung des Übertragungswegs (Transportverschlüsselung mittels SSL/TLS) bezeichnet.

Ohne eine clientseitige Verschlüsselung wäre dies alles jedoch ein Muster ohne Wert. Der nach dem Prinzip „Zero-Knowledge“ realisierte Ansatz verhindert, dass auch den Mitarbeitern des Rechenzentrums, Administratoren oder einem nicht explizit Berechtigten jeglicher Zugriff auf die Daten und Informationen effektiv verweigert wird.

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33 HZD-MAGAZIN // INFORM 4/18

öffentlicher Schlüssel

Passwort

privater Schlüssel

asymmetrisches Schlüsselpaar

V

Schlüsselverwaltung bei aktivierter Triple-Crypt® Technology: Nach dem ersten Login wird für jeden HessenDrive-Nutzer ein asymmetrisches Schlüsselpaar erzeugt. Während der Nutzer dazu aufgefordert wird ein Verschlüsselungskennwort zu wählen, erzeugt das System im Hintergrund ein RSA-2048-Bit-Schlüsselpaar. Der so erzeugte private Schlüssel wird mithilfe von PBKDF2 (Password-Based Key Derivation Function 2) und AES-256 sehr stark verschlüsselt. Anschließend wird der verschlüsselte private Schlüssel zusammen mit dem öffentlichen Schlüssel im System abgelegt.

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34 INFORM 4/18 // HZD-MAGAZIN

ser benötigt. Künftig stellt die HZD über den HessenPC auch ein Explorer- und Outlook-Add-in bereit und bietet die Möglichkeit, sich auf Smartphones eine entsprechende App zu installieren.

Ein Datenaustausch zwischen lizenzierten und nicht-lizenzierten Nutzern findet via Up- und Download-Links statt, die entsprechend parametrisiert und kennwortgeschützt werden können.

Datensicherheit

Teilweise wurden und werden für den Datenaustausch ähnliche, jedoch kommerzielle Lösungen (Dropbox, Google Drive etc.) genutzt. Dort liegen die Daten aber auf Cloudspeichern unbe-kannter Lokation und Sicherheit. Die damit einhergehenden Gefahren sind hinlänglich bekannt, an dieser Stelle sei lediglich der Hinweis auf den „Patriot Act“ erlaubt. Im Gegensatz hierzu wird HessenDrive in seiner Gänze auf einer landeseigenen Infra-struktur betrieben.

Mit dem Abschluss des Sicherheitskonzepts kann die HZD jetzt konkreter Stellung beziehen, was den Umgang mit sensiblen Daten betrifft, die dem Schutzbedarf „Hoch“ unterliegen. Wei-terhin ist es so, dass Aussagen zu diesem Schutzbedarf teilweise auf dem Sicherheitskonzept und den darin vorgesehenen Maß-nahmen beruhen. Als Gegenstück hierzu fungieren die von den Dienststellen zu erarbeitenden Vorab-Kontrollen, die den spezi-fischen Umgang mit Technik und Daten regeln. Die Ergebnisse der Penetrationstests untermauern, dass die Anwendung in der Praxis den für sensible Daten notwendigen Sicherheitsstandard bietet. Weder konnte von außen auf die Systeme zugegriffen werden, noch ist es gelungen via Administrationskonten oder Ähnlichem unbefugt Datenzugriffe zu erlangen.

HessenDrive kann nun auch für die verschlüsselte Übermittlung von sensiblen Daten mit hohem Schutzbedarf über die Themen-portale der hessischen Landesverwaltung verwendet werden. Für den sicheren Dokumentenaustausch binden Dienststellen des Landes Hessen ein Formular in ihren Internetauftritt ein; Nutzer erhalten einen in der HessenDrive-Umgebung generier-ten Upload-Link an eine angegebene E-Mail. Der Nutzer öffnet über den Link eine Upload-Oberfläche und überträgt sein Dokument verschlüsselt an die HessenDrive-Plattform. Der Emp-fänger ruft das Dokument anschließend aus seinem geschützten „Data Space“ in der gesicherten Umgebung ab.

Einer der ersten Kunden dieser Lösung ist der Hessische Beauf-tragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Der Internet-auftritt (https://datenschutz.hessen.de) des Hessischen Daten-schutzbeauftragten ermöglicht eine „Meldung von Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten“ gemäß Art. 33 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auf Basis der oben geschilderten HessenDrive-Funktionalität und gestattet Unter-nehmen so eine sichere Übergabe ihres Meldeformulars an den Datenschutzbeauftragten als Aufsichtsbehörde, bei der Vertraulichkeit und Integrität der Daten gewährleistet sind (https://datenschutz.hessen.de/service/meldungen-von-verlet-zungen-des-schutzes-personenbezogener-daten ).

michael josef stark Produkt- und Verfahrensleitung HessenDrive

[email protected]

HessenDrive // Portalanbindung

MEHR ERFAHREN

Nähere Informationen zu HessenDrive finden Sie unter der – im Land Hessen – allgemein zugänglichen Seite:

https://moss.intern.hessen.de/its/Produktinformationen-HessenDrive/SitePages/HessenHome.aspx

Bei Interesse kontaktieren Sie bitte das HZD-Kundenma-nagement oder schreiben an:

[email protected]

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35 HZD-MAGAZIN // INFORM 4/18

Justiz: Verwaltungsvorschrift Netzadministration // Hand-lungssicherheit und Transparenz

Am 1. Juli 2018 wurde die Verwaltungsvorschrift Netz-administration (VwV) im Justizministerialblatt veröf-fentlicht und mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt. Für die IT-Dienstleister der hessischen Justiz hat das umfassende Auswirkungen im Umgang mit Daten der hessischen Justiz. Die VwV haben Vertreter des Hessi-schen Ministeriums der Justiz, der IT-Stelle der hessi-schen Justiz und der HZD erarbeitet.

Die VwV bildet die verbindliche Grundlage zum Betrieb der IT-Infrastrukturen durch die IT-Dienstleister der hessischen Justiz. Sie definiert Vorschriften zum sicheren Umgang mit Daten der Justiz, bezogen u.a. auf elektronische Dokumente, Dateien, Dateiablagen und E-Mail-Postfächer. Sie enthält Regeln zur Vergabe von Berechtigungen für Administratoren und auf Betriebssystemebene sowie Vorschriften über Aufsicht und Kontrolle. Kurz: Die VwV regelt vor allem den Umgang mit Justizdaten bei administrativen Tätigkeiten der IT-Dienstleister der hessischen Justiz. Das betrifft die HZD, die IT-Stelle der hessischen Justiz und die Dienststellen der Justiz gleichermaßen.

Im Rahmen einer Workshop-Reihe mit den in der HZD betroffe-nen Bereichen wurden 38 von der VwV betroffene Services im Regelbetrieb identifiziert. Das heißt, dass IT-Administratoren bei allen Aktivitäten ihrer täglichen Arbeit, die im Zusammen-hang mit Daten der Justiz stehen, immer aufmerksam sein und die Regelungen der VwV beachten müssen. Doch die Tragwei-te der VwV ist viel weitreichender: Sie betrifft sowohl organisa-torische als auch inhaltliche Prozesse und hat damit Auswirkun-gen auf viele Abteilungen der HZD. Und: Die VwV ist seit dem Tag ihrer Veröffentlichung rechtlich bindend. Die HZD initiierte deshalb im Mai 2018 in enger und intensiver Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsbeauftragten der Justiz das Projekt zur Um - setzung der VwV. Damit schafft die HZD die Grundlagen für die revisionssichere Umsetzung der VwV und stellt so Handlungs-sicherheit für die IT-Administratoren im Umgang mit Daten der hessischen Justiz her. Gleichzeitig wird der Umgang mit den

VORGESCHICHTE

Die sogenannte „Netzklage“ war der Auslöser für die Verwaltungsvorschrift Netzadministration (VwV). Was war passiert? Hessische Richter sahen sich durch den externen Betrieb und die Administration des EDV-Net-zes außerhalb der Gerichte selbst in ihrer richterlichen Unabhängigkeit verletzt. Die Klage wurde höchstrich-terlich am Hessischen Dienstgerichtshof für Richter entschieden. In diesem Urteil wurde festgestellt, dass die Verwaltung des Justiznetzes durch die HZD nur rechtmäßig ist, wenn das Justizministerium in einer Verwaltungsvorschrift die Tätigkeit der Administratoren regelt und deren Umsetzung fachaufsichtlich durch die hessische Justiz unter gleichberechtigter Mitwirkung von gewählten Vertretern der Richterschaft zu über-wachen ist. Dies war die gedankliche „Geburtsstunde“ der IT-Kontrollkommission der hessischen Justiz.

Das „Gesetz zur Errichtung der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz (IT-Stelle) und zur Regelung justizorganisatorischer Angelegenheiten sowie zur Änderung von Rechtsvorschriften vom 16.12.2011“ regelt folglich u.a. die Fachaufsicht über die HZD, soweit diese „… Aufgaben für den Geschäftsbereich des für Justiz zuständigen Ministeriums wahrnimmt“. In diesem Fall untersteht sie dessen Fachaufsicht. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht im Rahmen der Fachauf-sicht wurde auf die IT-Stelle delegiert, wo sie von der Stabsstelle IT-Sicherheit wahrgenommen wird. Gleich-zeitig legt § 3 die Mitwirkung der IT-Kontrollkommission bei Überprüfungen zum Schutz vor unbefugten Zugrif-fen auf Daten der Justiz durch Mitarbeiter der HZD und – über die Verpflichtung im Netzklageurteil hinaus – der Justiz fest. Diese Vorgaben wurden nun mit der VwV und deren Umsetzung in den Regelbetrieb überführt.

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36 INFORM 4/18 // HZD-MAGAZIN

Daten der Justiz transparenter, weil er vollständig und revisions-sicher dokumentiert wird und erhöhte Sicherheitsanforderun- gen bezüglich dieser sensiblen Daten erfüllt. Die HZD ist nun- mehr „betriebsbereit“, das heißt, sie erfüllt als Organisation prozessual die Anforderungen der VwV.

Ergebnisse

Die HZD war in vielen organisatorischen Prozessen schon VwV-konform aufgestellt. Ergänzend wurden nun Anpassun-gen in den folgenden Bereichen vorgenommen:

� Prozesslandkarte: Soll-Prozesse und entsprechende Prozessbeschreibungen, welche die Inhalte der VwV abbil-den.

� Fachgebiet VwV mit SPoC (Single Point of Contact): Mit dem Fachgebiet VwV wurde eine zentrale Anlaufstelle sowohl in der HZD als auch in der Justiz zu allen Fragen, Auf-gaben und Aktivitäten rund um die VwV eingerichtet. Das Fachgebiet VwV steht allen Betroffenen beratend und unter-stützend bei der Einhaltung der Anforderungen der VwV zur Seite. Ein gemeinsamer Teamraum von HZD und Justiz bil-det die Arbeitsgrundlage für das Fachgebiet und steht allen Betroffenen als Informationsplattform rund um das Thema VwV über das Mitarbeiterportal (MAP) zur Verfügung.

ralf gadermann IT-Sicherheitsfragen in Justiz-Verfahren

[email protected]

� Arbeitsanweisungen, Formulare, Anwendungsfälle: Diese wurden als Arbeitsgrundlage zur Umsetzung und Einhaltung der Regelungen der VwV erstellt.

� Servicekatalog: Zur Kategorisierung und Bewertung der Services hinsichtlich VwV-Relevanz im Regelbetrieb erfolgte eine Erweiterung des Servicekataloges.

� IT-Service-Management: Administrative Tätigkeiten mit VwV-Relevanz sind entsprechend gekennzeichnet und werden revisionssicher und damit nachvollziehbar doku-mentiert. Perspektivisch werden die Prozesse und Anforde-rungen der VwV medienbruchfrei im neuen ITSM-Tool des Landes Hessen abgebildet.

Die hessische Justiz prüft im Rahmen ihrer Fachaufsicht unter Mitwirkung der IT-Kontrollkommission, ob die Vorgaben der VwV in der HZD und der IT-Stelle der hessischen Justiz einge-halten werden.

„Der Verwaltungsvorschrift Netzadministra­tion kommt zentrale Bedeutung zu. Die in der Vorschrift niederlegten Regelungen füllen die Vorgaben des Netzklageurteils aus und geben den Administratoren der

HZD und anderen Funktionsträgern einen verlässlichen Rahmen für ihre Tätigkeit im Umgang mit Justizdaten. Das Engagement der HZD bei der Modellierung und Einrichtung von Prozeduren zu ihrer Umsetzung im Zusammenwirken mit der Justiz verdient besondere Anerkennung.”

D R . W O L F G A N G L O R E N Z  | Leiter der Stabsstelle IT-Sicherheit und IT-Sicherheitsbeauftragter der Justiz

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37 HZD-MAGAZIN // INFORM 4/18

Nein, es geht nicht nur um Softwareentwicklungsprojekte. Aber vorwiegend. Und in der Softwarebranche wurden Scrum und andere Prozessmethoden des agilen Projektmanagements geboren. Bereits in den 1990er-Jahren. Dort war man notorisch unzufrieden im Korsett aus starren, unvariablen Vorgehensweisen und Prozessen – leichtgewichtiger, wendiger, flexibler sollte es werden. Also setzten sich ein paar kluge Köpfe wie der US-Ame-rikaner Jeff Sutherland in einem Entwicklungsteam zusammen und knobelten das Projektmanagement-Framework Scrum aus – das wiederum Sutherlands Kollege Ken Schwaber anno 1995 auf einer Wissenschaftskonferenz namens „OOPSLA“ erstmals präsentierte.

… dann lasst es doch einfach!

Der Begriff Scrum (übersetzt: „Gedränge“) allerdings stammt vom japanischen Ökonom und Organisationstheoretiker Ikujirō

Nonaka, der gemeinsam mit einem Herrn Takeuchi das fröh-liche Gemenge/Gedränge rund ums Spielgerät beim Rugby als Analogie für außergewöhnlich erfolgreiche Produktionsentwick-lungsteams ausgemacht hatte. Womit wir beim Kerngedanken des agilen Projektmanagements wären, der – salopp gesagt – wie folgt lautet: Wenn alle ausgefeilten Methoden, Schemata, Werkzeuge und Planverfahren in der klassischen Vorgehens-weise nicht zum anvisierten Erfolg führen, dann lasst es doch einfach sein! Und vertraut darauf, dass ein erfahrenes Projekt-team es schon schaukeln wird – wenn es die Freiheiten und die Dynamik dazu hat, wenn die Mitarbeiter sich täglich abstimmen und der Projektfortschritt für alle stets transparent ist.

Agiles Manifest

Anders formuliert: Agiles Projektmanagement hinterfragt tradierte Rollen, Prozesse und Projektpläne aus der klassischen

Agiles Projektmanagement // Flexibilität statt starre Regeln: Scrum oder „Auf ins Rugby- Gedränge“ Man nehme: ein Projekt – auf bewährt klassische Art gemanagt, zuvor umfangreich geplant, detailliert, spezifiziert. Und scheitere. Weil die vor dem Start gefassten Ziele oder Meilensteine unerreichbar sind, weil sich Rahmenbedingungen abrupt ändern, unvorhersehbare Entwicklungen eintreten, Stakeholder plötzlich eingreifen, Anforderungen sich elementar verändern … Fakt scheint: Rein konservatives oder schablonenhaftes Projektmanagement passt nicht mehr grundsätzlich und immer zu den Erfordernissen eines hochdynamischen, stark vernetzten Arbeitens im digitalen Heute. Agiles Projektmanagement mit Methoden wie Scrum oder Kanban gibt Antworten auf diese Herausforderung. In spezifizierter Form auch in der HZD.

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38 INFORM 4/18 // HZD-MAGAZIN

Heran- und Vorgehensweise. Stattdessen legt es Wert darauf, Stakeholder während des gesamten Projekts intensiv einzube-ziehen und ihnen regelmäßig Ergebnisse zu liefern. Es heißt Änderungen, Updates und Flexibilität willkommen, weil sich nur so die besten Resultate liefern lassen. Vor allem Anforderungen, die diese ständige Entwicklung, Anpassung und Veränderung abbilden, spielen hier eine wesentliche Rolle. 

Weil das nun alles ziemlich logisch klingt, wurde 2001 sogar ein „Agiles Manifest“ niedergeschrieben, das die wichtigsten Grundsätze wie folgt umreißt:

� Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.

� Funktionierende Software ist wichtiger als ausführliche Doku-mentation.

� Kommunikation mit dem Kunden ist wichtiger als die Erfül-lung von Verträgen.

� Offenheit für Veränderungen ist wichtiger als die Erfüllung eines Plans.

Von der Theorie zur Praxis – in die HZD, wo in der Softwareent-wicklung schon seit längerem agil gearbeitet wird und seit 2017 im Auftrag des Führungsstabes eine detaillierte Analyse läuft, welche Rahmenbedingungen den Einsatz von agilen Methoden auch in der weiteren Projektabwicklung und -durchführung sinnvoll, zielführend und realistisch machen. Zudem mit Blick auf eine agile Betriebseinführung, die wiederum eine schnellere Inbetriebnahme und Produktivsetzung von Releases in der IT-Infrastruktur ermöglichen kann.

Agiles Vorgehen in diversen HZD-Projekten

Da in der HZD Scrum-Methodik bereits in diversen Softwareent-wicklungsprojekten (z.B. OASIS, MIS, DigitAH oder Informations-portal) genutzt wurde bzw. wird, gibt es klare Erfahrungswerte,

hans-peter müller Kommunikation, Information

[email protected]

die ein Vorgehen nach der reinen Scrum-Lehre als nicht geeig-net identifizieren. Zumal Verständnis und Interpretationen von Scrum sehr weit auseinanderdriften – von vollständig unge-plantem, ungesteuertem Agieren bis hin zu einer konsequent prozessorientierten, täglich überwachten Vorgehensweise, die in eine eng definierte Organisation und Leistungserstellung eingebunden ist.

In der HZD starten agile Projekte in enger Abstimmung mit den jeweiligen Kunden auch schon mal spontan – entwickeln sich aber im weiteren Verlauf hin zu einer konsequent und klar struk-turierten Vorgehensweise.

Fester Handlungsrahmen

Denn: Agil geführte IT-Projekte in der Verwaltung brauchen in der Regel einen festen Handlungsrahmen, nicht nur aufgrund der Dokumentationspflichten des Landes Hessen oder der Mindestanforderungen von Seiten der Rechnungshöfe. Hier bietet sich ein hybrides Projektmanagement an, in dem ein traditionelles Vorgehen den organisatorischen Rahmen gibt, in dem die Anwendungssystem- bzw. Produktentwicklung nach agilen Prinzipien erfolgt. In der HZD wurde dazu ein detaillierter Kriterienkatalog erarbeitet, der den jeweiligen Projektleitungen und Auftraggebern – sprich: Kunden – Hilfestellung bei der Ent-scheidung für oder gegen agiles Projektmanagement bzw. agile Methoden gibt.

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39NACHGEFRAGT // INFORM 4/18

Nachgefragt // Hessens Co-CIO zum IT-Nachwuchs für die Verwaltung

INFORM: Der für die Koordination der Digitalisierung zustän-dige Kanzleramtsminister Professor Dr. Helge Braun, Hessens Finanzminister und CIO Dr. Thomas Schäfer und Sie begrüß-ten kürzlich die Erstsemester des neuen dualen Studiengangs Verwaltungsinformatik an der Hochschule RheinMain. Für die Studierenden war das ein großer Tag. Welchen Stellenwert haben die Studierenden fürs Land?

Roland Jabkowski: Wir freuen uns über jeden jungen Men-schen, der seine Leidenschaft für IT mit uns teilen möchte und Teil der Landesverwaltung werden mag. In vielen Berei-chen belegt Hessen bei der IT im bundesweiten Vergleich Spitzenplätze. Damit das so bleibt, brauchen wir auch in Zukunft junge, kluge Köpfe, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit ihrem Know-how und ihren Ideen das digitale Hessen weiterentwickeln. Mit der fundierten Aus-bildung junger Leute wirkt das Land auch auf diesem Ge-biet zugleich dem demografischen Wandel entgegen. Die Zukunft beginnt für uns schon heute.

INFORM: Wie machen Sie die Studierenden fit, speziell für die Karriere in der hessischen Landesverwaltung?

Roland Jabkowski: Durch eine enge Verzahnung von Praxis und Theorie. Die Studierenden sind vier Tage pro Woche an der Hochschule, einen Praxistag in der HZD und dazu kommt die ausschließlich praktische Arbeit während der Semesterferien. In den Praxisphasen knüpfen die Studie-renden wichtige Kontakte mit dem IT-Umfeld des Landes Hessen, natürlich auch mit Blick auf eine mögliche zukünftige Übernahme.

INFORM: Erfolgsmodell Kooperation mit Hochschulen – fol-gen weitere Studienangebote im Bereich IT?

Roland Jabkowski: Wir führen schon seit einiger Zeit vie-le Gespräche mit Hochschulen, bemühen uns intensiv um neue wegweisende Kooperationen. Ganz aktuell gibt es Neues zu berichten: Wir haben für den Bereich IT einen wei-teren Kooperationsvertrag mit der Technischen Hochschule Mittelhessen im Studiengang Softwaretechnologie abge-schlossen. Die wichtige verwaltungsbezogene Praxiserfah-rung erhalten die Studierenden bei der HZD und anderen Dienststellen des Landes. Und eines kann ich schon verra-ten: Weitere Kooperationen werden hinzukommen.

Mit dem Förderprogramm „proDUAL“ unterstützt die Lan-desregierung im Übrigen den Auf- und Ausbau dualer Stu-diengänge in Hessen in diesem und dem kommenden Jahr mit einem Volumen von insgesamt 1,3 Millionen Euro. Da-von profitiert auch der Studiengang Verwaltungsinformatik, der ab dem kommenden Jahr zusätzlich ausbildungsinte-griert angeboten werden soll, das heißt: mit der Möglich-keit, ergänzend die IHK-Prüfung zum Fachinformatiker An-wendungsentwicklung abzulegen. Perspektivisch ist auch ein Masterstudiengang im Gespräch. Sie sehen, wir bieten attraktive Angebote, um dem IT-Nachwuchs die Verwaltung schmackhaft zu machen. Und der Appetit darauf wird mit weiteren Ausbildungsangeboten sicherlich nicht geringer.

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40 INFORM 4/18 // IT-FORSCHUNG IN HESSEN

LOEWE1

-Projekt NICER // Vernetzte

infrastrukturlose Kommunikation im

Katastrophenfall Reaktorkatastrophen, Cyberangriffe, Tsunamis – wenn bei

Naturgewalten, plötzlichen Störfällen oder Terrorangriffen akute Krisensituationen ausgelöst werden, stehen Menschenleben auf

dem Spiel. Bricht die Stromversorgung samt Funkmasten zu-sammen, geht gar nichts mehr: kein Internet, kein Handyemp-

fang, kein Festnetz, keine Notrufe. Die Bevölkerung aber will bei der Bewältigung einer solchen Katastrophe helfen oder nach Angehörigen suchen und benötigt Informationen. An der TU

Darmstadt und den Partner-Universitäten in Kassel und Marburg arbeiten Forscher an innovativen Kommunikationswegen für

eben diese Szenarien. Die Lösung soll intelligenter und schöner sein als bisherige Ansätze: „smarter“ und „NICER“ heißen dann

auch zwei sich ergänzende Projekte, die für infrastrukturlose Geräte-zu-Geräte-Kommunikation stehen.

„Wenn man so will, war „smarter“ noch der Prototyp, eine Art erste Machbarkeits-studie, in der wir eine Notfall-App gebaut und ein Kommunikationssystem entwickelt haben, das die Geräte-zu-Geräte-Kommu-nikation auch in der Praxis unterstützt. Die Grundidee: Mein Handy schickt Daten per WLAN-Chip an Ihr Handy, das wiede-rum die Daten weiterleitet. In einem großen Feldtest mit über 120 Probanden haben wir dann auf einem Truppenübungs-platz in Paderborn eine kleine Katastro-phe nachgespielt – und bewiesen, dass so etwas tatsächlich geht, und sich ein Netzwerk organisieren lässt, das Notfall-dienste ermöglicht“, so Professor Dr.

1 LOEWE: Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz

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41 IT-FORSCHUNG IN HESSEN // INFORM 4/18

Matthias Hollick von der TU Darmstadt, dessen Team mit Android-Smartphones gestartet war und inzwischen auch gute Fortschritte mit einer plattformübergrei-fenden Version vorweisen kann, die zusätzlich iOS unterstützen soll.

Feldversuch trifft Grundlagen-forschung

Unterstützt wurde das „sehr angewandte Projekt“ „smarter“ übrigens von Beginn an vom Bundesamt für Bevölkerungs-schutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie von Industriepartnern, die als Koopera-tionspartner die App-Entwicklung mit größtem Interesse begleitet haben.

Demgegenüber: „NICER“, das, so Hollick weiter, „eher als Grundlagenforschung zu betrachten ist: Wo sind die Grenzen von infrastrukturloser Kommunikation? Wie können wir die im Projekt beteiligten Rettungsroboter2 noch einmal deutlich leistungsfähiger bekommen, indem sie kommunizieren? Wie kann eine Sensorsig-nalverarbeitung völlig dezentral funktio-nieren? Kurz: „NICER“ hat versucht, das gesamte Forschungsfeld der infrastruk-turlosen Kommunikation und Kooperati-on aus verschiedensten Perspektiven zu beleuchten.“

Dezentrales autonomes Ad-hoc-Netzwerk

Noch einmal zurück zum Prinzip und zur Netzwerk-Architektur, die sich der aktu-ellen Bluetooth- bzw. WLAN-Technologie mit ihren vom Standort abhängigen Reichweiten von bis zu ca.150 Metern bedient – ohne dass die Geräte (in denen das satellitengestützte GPS und Apps weiter funktionstüchtig sind) direkt verbunden sein müssen. Dazu nutzt die App also das WLAN-Modul des Absender-telefons, um mit anderen Geräten – auch außerhalb der direkten Funkreichweite – zum Beispiel per Textnachricht zu kom-munizieren. Jedes Smartphone, das in

Staubsauger-Roboter, per USB-Stick mit modifiziertem Betriebssystem ausgerüstet: In Krisensituationen können diese mit Laserscanner oder Kamera ausgerüsteten Geräte als Relay-Station in der Funk-Kommunikation dienen.

2 aus dem Fachbereich von Prof. von Stryk, s. INFORM 3/18

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42 INFORM 4/18 // IT-FORSCHUNG IN HESSEN

Das Forschungsprojekt „smarter“ ist ein Verbundprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das für drei Jahre (bis Februar 2018) mit rund 2,2 Millionen Euro gefördert wurde. Insgesamt waren rund 20 Mitarbeiter von den Unis Kassel und Darmstadt und dem BBK3 beteiligt. Assoziierte Partner sind zwei Mobilfunkanbieter, das Technische Hilfswerk sowie die Feuerweh-ren Darmstadt und Frankfurt. Internet: www.smarter-projekt.de

Der LOEWE-Schwerpunkt „NICER“ (von Englisch „Networked Infra structureless Cooperation for Emergency Response“) er-forscht, wie infrastrukturlose Informations- und Kommunikations-technologie im Krisenfall Menschen vernetzen und damit eine Kooperation zur Bewältigung der Krise ermöglichen kann. Internet: www.nicer.tu-darmstadt.de/

„NICER“ wird Ende 2018 abgeschlossen sein, aber die Forscher planen bereits ein Anschlussprojekt. „The Emergency Responsive Digital City – Die Resiliente Digitale Stadt“ soll es heißen. Dabei geht es ebenfalls um den Katastrophenfall und den Ausfall von IKT-Infrastruktur, diesmal allerdings steht die digitale Stadt im Mittelpunkt. „Durch Digitalisierung werden viele Infrastrukturen fragiler. Dies wollen wir umkehren und zeigen, dass Digitalisie-rung auch die Resilienz erhöhen kann“, heißt es bei der TU. Das Forscherteam hat sich für eine Förderung durch das LOEWE- Programm beworben und ist in der Endrunde.

„NICER“-Systemmodell mit Kommunikations-inseln für eine Kommunikation in der Bevölkerung (links), einer Kommunikation zwischen Operator und Rettungsrobotik (rechts) sowie Kommunikationsbrücken und Notfalldiensten (Mitte).

3 BBK - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

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43 IT-FORSCHUNG IN HESSEN // INFORM 4/18

direkter Reichweite ist, wird wiederum als Relaisstation verwendet, um die Nach-richt an weitere Smartphones in dessen Nachbarschaft zu senden. Damit baut sich sukzessive ein dezentrales und auto-nomes Ad-Hoc-Netzwerk auf. Vorausset-zung ist, dass erreichbare Geräte auch die App verwenden. Obendrein: Versen-dete Textnachrichten sind verschlüsselt und werden vom Nutzer „weitergetragen“ wenn dieser sich bewegt.

Und: Um das etablierte Notfallnetz nicht zu überlasten, werden sogenannte Kommunikationsinseln aufgebaut. Diese sind zwar lokal begrenzt, können jedoch aus bis zu mehreren hundert Geräten bestehen, die direkt miteinander vernetzt sind. Daten können aber auch unter den verschiedenen Inseln ausgetauscht werden. „Menschen werden mit ihren Smartphones quasi als Informationsboten oder Datenfähren benutzt“, erklärt Hollick. Geht jemand mit dem Handy in der Ta-sche von einer Insel zur nächsten, werden die Daten aus dem Handy automatisch in die neue Insel eingespeist – es wird eine Kommunikationsbrücke gebaut.

Auch zeitversetztes Senden/Empfangen

„Moderne Smartphones haben sehr viel Speicherplatz und können damit allesamt Prof. Dr.-Ing. Matthias Hollick

„Menschen werden mit ihren

Smartphones quasi als Informa-tionsboten oder

Datenfähren benutzt.“

Daten zwischenspeichern. Wir sind also nicht auf eine Ende-zu-Ende-Verbindung zwischen Sender und Empfänger ange-wiesen. Das heißt: Sie haben einen Hilfe-ruf abgesetzt und ins System geschickt, Ihre Nachbarn empfangen diesen – und speichern ihn, wenn aktuell kein weiterer Empfänger verfügbar sein sollte. Sobald durch Nutzermobilität weitere Geräte in Reichweite kommen, wird er erneut gefunkt – zeitversetzt“, so Hollick, der mit einem Team aus neun weiteren Professo-ren plus deren Mitarbeitern seit 2015 an den zum Schluss parallel laufenden For-schungsprojekten arbeitet. Fachbereichs-übergreifend. So war etwa ein Kollege aus Kassel involviert, der die „Verbindung zwischen Robotik und Informatik schlägt und ein Marburger Kollege, der ausge-wiesener Experte für verteilte Systeme ist – das hat sich prima ergänzt.“

Sehr viel unter der Motorhaube

In „NICER“ etwa ist das Forscher-Team zudem „– auch wenn dies keine perfekte Analogie ist – unter die Motorhaube gegangen“. „Wir haben tief ins System eingegriffen und Funktionen ermöglicht, die eigentlich gar nicht gehen“, verrät Hollick, den als Forscher auch weniger stört, dass seine Software-Spionagearbeit schon mal den einen oder anderen Her-

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44 INFORM 4/18 // IT-FORSCHUNG IN HESSEN

hans-peter müller Kommunikation, Information

[email protected]

steller verschreckt: „Normalerweise ist es den Herstellern am liebsten, man schreibt eine App und benutzt die vorgegebene Hardware/Software. Das hat für unsere Zwecke nicht ausgereicht. Wir mussten zum Beispiel auf Betriebssystemebene eingreifen und die Betriebssoftware des Funkmodems erweitern. Am Ende sind

wir so weit gekommen, dass wir handels-übliche Smartphones beliebige Signale auch außerhalb der Funkstandards schicken lassen konnten. Wir erreichen damit eine Programmierbarkeit bis in die untersten Systemebenen und durch unse-re Plattform sind eine Reihe interessanter Innovationen möglich, an die vorher niemand gedacht hat.“

All die schönen Apple-Dienste

In der eher heimlich gehaltenen Apple-Welt ist das noch einmal ganz anders: Hier hat man andererseits auch „richtig schicke Dienste, häufig nicht standard-konforme Gimmicks, die Apple quasi um Standards herumbaut. Was wir jetzt ge-rade in sehr langer Arbeit rausgefunden haben, ist, wie eines dieser komplexen, nirgends spezifizierten Protokolle, das Apple-Wireless-Direct-Link-Protokoll, in der iOS-Welt wirklich funktioniert. Es ist der Unterbau für einige Apple-Dienste, die iPhone-User so gerne nutzen wie AirPlay und AirDrop. Und wir haben es nachgebaut für Linux – in knapp einem Monat werden wir es auf einer Kon-ferenz präsentieren. Und dann weiter analysieren. Es könnte die Basis sein für ein plattformübergreifendes System zur Geräte-zu-Geräte-Kommunikation im Krisenfall“. Ob Steve Jobs sich über diese Entschlüsselung in der „Forschungsgrau-zone“ gefreut hätte? Immerhin ermöglicht sie Innovation und hilft vielleicht in der Zukunft, Menschenleben zu retten.

Prof. Hollick an der TETRA-Basisstation, die sich in einem EMV-Schirmzelt (Faraday-Zelt) „versteckt“. Das Zelt verhindert, dass externe Funksignale die Experimente beeinflussen. Gleichzeitig sind die öffentlichen Netze vor Störungen durch diese Experimente geschützt.

„Software Defined Radio (SDR)“ – die hohe Flexibilität von SDR-Plattformen (mit veränderter Software) prädestiniert sie für Forschungszwecke, bei denen neue Funktionalitäten außerhalb etablierter Standards entworfen werden.

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45 IT-SICHERHEIT // INFORM 4/18

Als ich neulich die E-Mail eines Bekannten öffnete, war darin Spam zu finden. Die Nachricht konnte nicht von ihm kommen, die E-Mail-Adresse stimmte jedoch. Ich bekam ähnliche E-Mails von gemeinsamen Bekannten, bei de-nen zumindest die Namens-Callouts stimmten, die E-Mail- Adressen waren jedoch andere. Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: Der Computer meines Bekannten war von Spammern übernommen worden und fledderte sein elektronisches Adressbuch! Jetzt war schnelles Handeln gefragt, denn möglicherweise nutzten die Spammer einen Wurm als Schadsoftware, der sich selbstständig weiterver-breitet. Ein Viren-Scan mit dem Live-System „Knoppicillin“ ergab, dass ich noch einmal mit dem Schrecken davonge-kommen war. Aber ich musste meinen Bekannten warnen, damit er etwas unternehmen konnte. Bei dem darauffol-genden Telefonat gab er sich sehr erstaunt, hatte er doch alles getan, was nötig ist, um seinen Computer zu schützen: Er nutzt eine Firewall; die Antiviren-Software ist auf dem aktuellen Stand; er öffnet keine E-Mails von unbekannten Adressen mit dubiosem Inhalt, nutzt keine fremden USB-Sticks. Woher sollte der Virus also kommen? Auf meine Nachfrage, ob er in letzter Zeit neue Software installiert hat, bestätigte er dies. Er hatte Freeware von einer der unzähli-gen Software-Downloadplattformen installiert. Eine kurze Internetrecherche entlarvte die Software als den Übeltäter.

Dieser Fall steht stellvertretend für Abermillionen ähnlicher Fälle. Aktuelle Statistiken weisen Softwaredownloads von freien Downloadplattformen sowie von Internet-tausch-börsen und Filesharingnetzwerken wie „BitTorrent“, „eMu-le“, uvm. noch vor E-Mails als größte Verbreitungsquelle von Schadsoftware aus.

Quelloffene Software (sog. Open Source) steht dabei be-sonders im Fadenkreuz, da Gefährder hier leichtes Spiel haben. Die Software steht, wie der Name schon sagt, als

Quellcode zur Verfügung. Von versierten Entwicklern kann hier Schadcode eingefügt werden, der von den Virenscan-nern als solcher nicht erkannt wird. Einmal installiert, öffnet die Software dann z.B. geschlossene Systemports, lädt die eigentliche Schadsoftware herunter und übernimmt den Computer.

Nicht-quelloffene Software schneidet hierbei etwas besser ab, da die Programme i.d.R. kompiliert vorliegen. Verlas-sen kann man sich jedoch nicht darauf, denn durch Re-Engineering oder Dekompilieren kann der Profi auch hier Schadcode einpflanzen.

Die Geräte des HessenPC sind in dieser Hinsicht geschützt, da der Installationsvorgang per Gruppenrichtlinie unter-bunden wird. Die Ausführung von Programmen, die nicht installiert werden müssen, kann jedoch genau denselben oben genannten Effekt haben.

Am besten bezieht man die Software nur aus verlässlichen Quellen. Dort zum Download angebotene Software ist vor-ab geprüft worden.

Noch sicherer ist die Prüfung der Downloads mit vom Her-steller bereitgestellten Hashes oder der Bezug von zertifi-zierter Software.

Mein Bekannter musste sein System neu aufsetzen. Aber es hätte ja auch schlimmer kommen können …

Awareness // ... und den Trojaner gibt’s kostenlos obendrauf

albrecht weiser SecurityTest ServiceTeletrust Information Security Profesional (TISP)[email protected]

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46 INFORM 4/18 // SERVICE

Tipps & Tricks // Gibt’s noch, geht noch – Word Reloaded Seit einiger Zeit läuft die Umstellung auf den HessenPC 3.0. Viele Dienststellen haben ihn schon, bei anderen steht der Rollout bevor. In diesem Zusammenhang bietet die HZD verschiedene Formen der Unterstützung an, darunter auch Informationsveranstaltungen (https://hzd.hessen.de/leistungen/it-fort-bildung/einfacher-umsteigen). Bei diesen Veranstaltungen wird immer mal wieder gefragt, ob bestimm-te Tipps und Tricks, Tastenkombinationen oder Ähnliches auch in der neuen Word-Version noch funktio-nieren. Und manchmal stellt sich heraus, dass ein Teil der Zuhörer diese Features noch gar nicht kannte und von ihnen sehr angetan ist. Wir haben uns daher gedacht, wir rufen in dieser Ausgabe einmal eine Reihe von hilfreichen Word-Features in Erinnerung.

Vor einiger Zeit wurde im zentralen Mitarbeiterportal daran erinnert, dass in Briefen und E-Mails die Schriftart „Arial 11“ verwendet werden soll. So einfach sorgen Sie dafür, dass in Word von Anfang an diese Schriftart eingestellt ist:

Rufen Sie in einem beliebigen Dokument das erweiterte Menü „Schriftart“ auf.

[1] Stellen Sie die Schriftart „Arial“ und [2] Größe „11“ ein. [3] Klicken Sie auf „Als Standard festlegen“, dann auf [4] „OK“.

Bestätigen Sie in der darauffolgenden Abfrage [5], dass diese Einstellungen ab jetzt für alle neuen Dokumente gelten sollen.

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STANDARDSCHRIFTART ÄNDERN

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47SERVICE // INFORM 4/18

Nun gehören Sie vielleicht zu den-jenigen, die die Schriftart „Avenir“ verwenden, eine lizenzpflichtige Schriftart, die nicht allen Landesmit-arbeitern zur Verfügung steht. Wenn Sie Dokumente in dieser Schriftart erstellen und dann an jemanden versenden, der diese Schriftart nicht hat, wird Avenir durch eine am Ziel-rechner installierte Schriftart ersetzt. Es sei denn, sie betten die Schriftart ein – und das geht so:

Zwei kleinere Problemstellungen möchten wir an dieser Stelle noch ansprechen, die einen schier zur Weißglut bringen können, wenn man die Lösung nicht kennt.

� Wenn Sie Wörter mit Bindestrichen schreiben, etwa „IT-Landschaft“, interpretiert Word diesen Binde-strich als Freibrief zur Trennung, sollte das Wort am Zeilenende stehen. Das sieht nicht schön aus und ist daher oft nicht gewollt. Verwenden Sie einfach mit <STRG + UMSCHALT + -> einen „geschützten

Rufen Sie die „Word-Optionen“ und dort den Bereich „Speichern“ [1] auf.

Setzen Sie im unteren Bereich die Häkchen wie abgebildet [2] und bestätigen Sie mit „OK“ [3].

1

2

3

SCHRIFTARTEN IN DER DATEI SPEICHERN

UNERWÜNSCHTE ZEILENUMBRÜCHE VERHINDERN

thomas neumann IT-Fortbildung

[email protected]

Bindestrich“, dann bleiben die Bestandteile in jedem Fall zusammen.

� Ebenso verhält es sich mit dem Leerzeichen. Auch hier trennt Word am Zeilenende. Das sieht zum Beispiel bei „100,– €“ nicht gut aus. Wenn Sie nun das €-Zeichen nicht direkt an den Gedankenstrich klemmen wollen, sorgen Sie mit <STRG + UMSCHALT + LEER> für ein geschütz-tes Leerzeichen.