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HESSISCHES JAHRBUCH .. FUR LANDESGESCHICHTE Sonderdruck aus: Band 61 · 2011 Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik im 18. Jahrhundert1 Von Gerald L. Soliday In memoriam Rudolph Binion 1. Einfiihrung Unter den deutschen Stii.dten war Marburg vielleicht die erste, von der gesagt wurde, dass sie nicht nur eine Universitii.t habe, sondern eine sei. Schon 1786 kl agte der Pii.dagoge Joachim Heinrich Campe in einer Reisebeschreibung, dass Marburg eine Universitii.t sei, wo das schlechte Benehmen der Studenten gleich ins Augen falle und nur toleriert werde, weil die Universitat eine tiberlegene Position in der Stadt habez. Im Jahre 1834 verglich der promovierte Marburger Jurist Ernst Koch seine beiden Studienorte folgendermaJ3en: ,,Gottingen hat eine Universitii.t, Marburg ist eine, indem hier alles, vom Prorektor bis zum Stiefel- wichser zur Univernitii.t gehort"3. Diese Bezeichnung, heute auch unter anderen, mit Hochschulen eng verbundenen kleinen und mittelgroJ3en Stadten verbrei- tet4, stammte im Fall Marburgs von Augenzeugen aus der Bildungsschicht. Fur den Sozialhistoriker stellt sich nun die Frage, ab welchem Zeitpunkt auch die breitere stii.dtische Bevolkerung ein so enges Verhii.ltnis zwischen ihrer Stadt und der Universitat erkannte und offen betonte. Nattirlich war die Universitii.t seit ihrer Grtindung im Jahre 1527 for die Geschichte der Stadt auJ3erordentlich wichtig. Zu Marburgs herausragender Stellung als zweite Residenz der Landgra- fen gesellte sich sogleich eine neue Rolle als Bildungszentrum for hessische Pfar- rer und Staatsbedienstete. Trotz Schwankungen in den Studentenzahlen oder der wissenschaftlichen Rangstellung behielt die Universitat ihre Bedeutung for die Stadt, der sie einen tiberregionalen Namen verschaffte und deren Wirtschaft sie belebte. Zu Gunsten der Eliten, denen eine hohere Bildung immer wichtiger erschien, schloss sich die Universitii.t den ansii.ssigen Gerichts- und Verwaltungs- 1 Finanzielle Unterstutzung der Archivforschungen for den vorliegenden Beitrag ge- wiihrten die Alexander van Humboldt -Stiftung und the National Endowment for the Humanities. Fur groBzugige Hilfe bei der Ubersetzung danke ich Frau Dr. Andrea Puhrin- ger, Grunberg, Frau Kerstin Hellwege , Dallas, Texas und besonders Frau Dr. Elke M. Soli- day, Richa rdson , Texas . 2 Zit. nach H. BACH, Marburg im Urteil der Vergangenheit (1785-1837), in: Hessenland 39 (1927), S. 165-170, hier S. 165 f. 3 Ernst KocH [Eduard HELMER], Prinz Rosa-Stramin, hrsg. van Wilhelm A. ECKHARDT (VHKH 46/9), Marburg 2008, S. 85. 4 Vgl. Karl BRAUN, Claus-Marco DIETRICH, Die Kleinstadte und das Geistesleben. Zur ethnografischen Erkundung der Universitats-Stadt, in : Jb. for Universitatsgeschichte 11 (2008), S. 243-250, zur heutigen Folklorisierung und Romantisierung des Ausspruchs .

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HESSISCHES JAHRBUCH ..

FUR LANDESGESCHICHTE

Sonderdruck aus:

Band 61 · 2011

Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik im 18. Jahrhundert1

Von Gerald L. Soliday

In memoriam Rudolph Binion

1. Einfiihrung

Unter den deutschen Stii.dten war Marburg vielleicht die erste, von der gesagt wurde, dass sie nicht nur eine Universitii.t habe, sondern eine sei. Schon 1786 klagte der Pii.dagoge Joachim Heinrich Campe in einer Reisebeschreibung, dass Marburg eine Universitii.t sei, wo das schlechte Benehmen der Studenten gleich ins Augen falle und nur toleriert werde, weil die Universitat eine tiberlegene Position in der Stadt habez. Im Jahre 1834 verglich der promovierte Marburger Jurist Ernst Koch seine beiden Studienorte folgendermaJ3en: ,,Gottingen hat eine Universitii.t, Marburg ist eine, indem hier alles, vom Prorektor bis zum Stiefel­wichser zur Univernitii.t gehort"3. Diese Bezeichnung, heute auch unter anderen, mit Hochschulen eng verbundenen kleinen und mittelgroJ3en Stadten verbrei­tet4, stammte im Fall Marburgs von Augenzeugen aus der Bildungsschicht. Fur den Sozialhistoriker stellt sich nun die Frage, ab welchem Zeitpunkt auch die breitere stii.dtische Bevolkerung ein so enges Verhii.ltnis zwischen ihrer Stadt und der Universitat erkannte und offen betonte. Nattirlich war die Universitii.t seit ihrer Grtindung im Jahre 1527 for die Geschichte der Stadt auJ3erordentlich wichtig. Zu Marburgs herausragender Stellung als zweite Residenz der Landgra­fen gesellte sich sogleich eine neue Rolle als Bildungszentrum for hessische Pfar­rer und Staatsbedienstete. Trotz Schwankungen in den Studentenzahlen oder der wissenschaftlichen Rangstellung behielt die Universitat ihre Bedeutung for die Stadt, der sie einen tiberregionalen Namen verschaffte und deren Wirtschaft sie belebte. Zu Gunsten der Eliten, denen eine hohere Bildung immer wichtiger erschien, schloss sich die Universitii.t den ansii.ssigen Gerichts- und Verwaltungs-

1 Finanzielle Unterstutzung der Archivforschungen for den vorliegenden Beitrag ge­wiihrten die Alexander van Humboldt-Stiftung und the National Endowment for the Humanities. Fur groBzugige Hilfe bei der Ubersetzung danke ich Frau Dr. Andrea Puhrin­ger, Grunberg, Frau Kerstin Hellwege, Dallas, Texas und besonders Frau Dr. Elke M. Soli­day, Richardson, Texas.

2 Zit. nach H. BACH, Marburg im Urteil der Vergangenheit (1785-1837), in: Hessenland 39 (1927), S. 165-170, hier S. 165 f .

3 Ernst KocH [Eduard HELMER], Prinz Rosa-Stramin, hrsg. van Wilhelm A. ECKHARDT (VHKH 46/9), Marburg 2008, S. 85.

4 Vgl. Karl BRAUN, Claus-Marco DIETRICH, Die Kleinstadte und das Geistesleben. Zur ethnografischen Erkundung der Universitats-Stadt, in: Jb. for Universitatsgeschichte 11 (2008), S. 243-250, zur heutigen Folklorisierung und Romantisierung des Ausspruchs.

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behi:irden an, um Marburg zum Zentrum des politischen, kulturellen und reli­gii:isen Lebens in Oberhessen zu machen, sogar nachdem die Stadt nicht mehr landgrafliche Residenz war.

Der GroJ3teil der Einwohner jedoch beurteilte die Wichtigkeit der Universitat anders. Bei der Griindung hatte die Biirgerschaft anscheinend nur eine unklare Vorstellung ihres Wirtschaftspotentials, auJ3erte sich aber missgiinstig iiber die Befreiung der Professoren von ,,biirgerlichen Lasten, Diensten, Kriegsziigen (d. h . Kriegsdiensten und Einquartierung), Schatzungen (d. h. Landes- und Reichssteuern), Gulden-Weinzoll und dgl."5. Laut Wilhelm Wolff war die Univer­sitat ein ,,wirtschaftliche[r ] Ersatz, welchen die Stadt for den Verlust der bis­herigen Pilgerziige durch den Aufenthalt der Studenten dauernd erhalten sollte. Erst in spaterer Zeit haben die Einwohner diese Fiirsorge des Landgrafen ver­stehen lernen, damals aber waren sie noch miJ3gestimmt"6. Nach dem Nieder­gang von Marburgs Wollindustrie im spaten 16. Jahrhundert waren die Gewerbe meist nur noch darauf ausgerichtet, i:irtliche statt auswartige Bediirfnisse zu be­friedigen. Marburgs wirtschaftliche Misere Mitte des 17. und erneut Mitte des 18. Jahrhunderts machten die Stadt zunehmend von der Garnison, den Landes­beamten und besonders den Professoren und Studenten abhangig7. Unmittelbar nach dem DreiJ3igjahrigen Krieg, als es schien, dass die Stadt ohne Hochschule auskommen miisse, wurde diese Abhangigkeit zum ersten Mal offentlich ange­sprochen. 1649 erwahnten Biirgermeister und Rat, die einen mi:iglichen Einkom­mensverlust forchteten, eine verarmte Bevi:ilkerung, deren Nahrung einzig und allein van der Universitiit herruhrt. Ein Jahr spater war ihre Beschreibung nicht ganz so iibertrieben, aber immer noch zutreffend: wie ein unvermogender armer Orth die Statt Marpurgk in Ermangelung einer Universitiit ist und bleibtB. Mit der Restauration im Jahre 1653 war Marburg wiederum Standort der hessen­kasselischen Landesuniversitat und die Spannungen wegen der Steuerbegiinsti­gungen der Professoren scheinen nachgelassen zu haben, besonders als im 18. J ahrhundert die Biirgerschaft den Landesherrn ganz offen darum ersuchte, die Universitat attraktiver for auswartige Studenten zu gestalten. In einer Bitt­schrift gegen Zoll- und Akzisenerhi:ihungen von 1741 klagten Unterbiirgermeis-

5 Wilhelm WOLFF, Die Sakularisierung und Verwendung der Stifts- und Klostergiiter in Hessen-Kassel unter Philipp dem GroBmutigen und Wilhelm IV. Ein Beitrag zur deut­schen Reformationsgeschichte, Gotha 1913, S. 135.

6 Ebd., S. 136. 7 Vgl. Gerald SOLIDAY, Die Schulbildung der Marburger Handwerker in der fruhen

Neuzeit, in: Hess.Jb.LG 43 (1993), S. 107. B Zur Frage des Standorts und zur Erneuerung der Universitat siehe Gerhard MENK,

Johann Heinrich Dauber. Der Erneuerer der Marburger Universitat nach dem DreiBig­jahrigen Krieg, in: Jorg Jochen BERNS (Hrsg.), Marburg-Bilder 1 (Marburger Stadt­schriften zur Geschichte und Kultur 52), Marburg 1995, S. 241- 264, Zitat S. 244, 246; vgl. Heinrich HERMELINK, Siegfried A. KAEHLER, Die Philipps-Universitat zu Marburg 1527-1927 (im Folgenden zit. als KAEHLER, da er fUr die Zeitspanne 1653-1866 verantwortlich war), 1927, ND Marburg 1977, S. 234- 252; Eckart EHLERS, Jurgen LEIB, Marburg- Stadt und Universitat, in: Hundert Jahre Geographie in Marburg, hrsg. vom Geographischen Institut Marburg (Marburger geographische Schriften 71), Marburg 1977, S. 7-32, hier S. lOf.

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ter, Vierer, Ziinfte und Gemeinde nicht wie sonst iiber die Steuerfreiheit der Pro­fessoren, sondern erkannten sogar die Berufung renommierter Professoren und die daraus erfolgende hi:ihere Studentenfrequenz - zusammen mit der Stationie­rung einer Garnison - als notwendige Bestandteile ihrer wirtschaftlichen Sicher­heit9. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts betonten Kaufleute, Kramer und Hand­werker zunehmend ihre Abhangigkeit von der Universitat und betrachteten Marburg, wie die fohrenden Schichten es langst taten, in erster Linie als Univer-

sitatsstadt10. Im Folgenden mi:ichte ich einige Ergebnisse meiner Forschungen zusammen-

fassen, die eine eingehende Untersuchung des Verhaltnisses von Universitat und Stadt in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts anstreben, in einer Zeit also, in der die Biirgerschaft am haufigsten und klarsten ausdriickte, was sie sich von der Universitat erhoffte. In einer Reihe von Bittschriften an die Landesregierung in Kassel aus den Jahren 1741, 1752, 1774, 1782, 1786 und 1803 schlugen meh­rere Einwohner MaJ3nahmen zur Verbesserung von Marburgs stagnierender Wirtschaftslage vor. Ein immer wiederkehrendes Thema war die Notwendigkeit, die Studentenzahl zu vergri:iJ3ern und besonders auch Studenten auBerhalb Hes­sen-Kassels anzuziehen, welche, so hoffte man, mehr Geld in die hiesige Wirt­schaft bringen wiirden als die einheimischen. Wenn auch eine erhi:ihte Studen­tenfrequenz nicht das einzige Ziel der Bittsteller war, so ist sie doch wichtig genug, um als Ausgangspunkt for eine breitere Untersuchung des Verhaltnisses von Stadt und Universitat zu dienen. Wie viele und welche Studenten zog die Universitat an? Welche MaJ3nahmen betrachteten Marburgs Einwohner als angemessen und erforderlich, um ,,Kunden" zu gewinnen, und wie reagierte die Professorenschaft auf die pragmatischen Ansichten, die Nicht-Akademiker von den Verpflichtungen der Universitatslehrer hatten? Mit ihren Bemiihungen, das zukiinftige Wohlergehen ihrer lutherischen Stadt eng mit dem Wachstum der reformierten Universitat zu verkniipfen, r iihrte die Biirgerschaft jedoch an Be­denken, die die hessischen Landgrafen mit vielen deutschen Regierungen dieser Zeit teilten: namlich die Sorge vor einem Akademikeriiberschuss, also vor einer Uberproduktion von gebildeten Mannern, die nicht im Staatsdienst unterkom­men konnten. Somit war das Anwerben von Studenten eine umstrittene Frage, die nicht nur die unterschiedlichen Interessen von Stadtbevi:ilkerung, Univer­sitat und Staat, sondern auch die Ambivalenz der Bildungspolitik am Ende des

hessischen Al ten Regimes aufzeigt.

2. Die Bittschriften der Biirgerschaft

Schon vor der Jahrhundertmitte, in der Teuerungskrise 1739-41, wurden Bedenken wegen geringer Immatrikulationen laut. Wie schon erwahnt, erbaten Unterbiirgermeister, Vierer, Ziinfte und Gemeinde im August 1741 um Erlass

9 Vgl. StAM, Best. 40a, Rubr. 2, Nr. 2.017, Bittschrift wegenAbgang der Nahirung und Erhohung des Zolls und Licents, 31.8.1741; vgl. Stephan SCHWENKE, Die gezahmte Bel­lona? Burger und Soldaten in den hessischen Festungs- und Garnisonsstadten Marburg und Ziegenhain im 17. und 18. J ahrhundert, Marburg 2004, S. 224 f.

10 Vgl. SOLIDAY (wie Anm. 7), S. 107; Helmut SEIER, Zurn Verhaltnis von Universitat und Stadt in Marburg 1785- 1945, in: Hess.Jb .LG 38 (1988), S. 171-201, hier S. 171 f.

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der Zoll- und Akzisenerhohung von 1735; unter den dringendsten wirtschaft­lichen Problemen waren nicht nur Inflation und zunehmende Armut, sondern auch ein Ruckgang der Studentenzahlen und der mogliche Verlust der Garnison:

[. .. ] anjitzo der abgang verschiedener beriihmter Professoren gro/Jen schaden bringet, weilen hierdurch die ausldndliche Studiosi sich meist wegbegeben haben, wodurch die Frequentz hiesiger Universitaet Marburg sehr gering warden ist, einfolglich die Nahrung so schlecht, da/J die Biirgerschafft mehr um einen erlafJ allerunterthdnigst zu bitten gro/Je ursach hat, da gewi/J zu befiirchten wann die Militz au/Jer Landes gehen und wir nicht bald wieder mit einigen Professoribus Juris alhier versehen werden dorfften die biirgerliche nahrung alhier noch schlechter werden mochtell.

Breite Schichten der Burgerschaft verbanden ihr Wohlergehen mit der Anzahl und dem Renommee der Professoren, wobei sie sich hauptsachlich auf den wohl beruhmtesten Marburger Professor des 18. Jahrhunderts, Christian Wolff, bezo­gen, der nur neun Monate zuvor seine siebzehnjahrige Lehrtatigkeit beendet hatte, um nach Halle zuruckzukehren. Aber die Burger waren auch wegen der unterbesetzten Jura-Fakultat besorgt, die nicht genug auswartige Studenten an­zog, um eine starke Frequenz zu garantieren. Offensichtlich hatte die Burger­schaft begonnen, Studentenanwerbung, aber auch mogliche Truppenabzuge genauer zu verfolgen. In einer abermaligen Bittschrift von 1752 wurden noch­mals die mangelhaften Studentenzahlen als Zeichen der wirtschaftlichen Not­lage angeflihrt, die eine Steuerbeglinstigung notig mache12.

Eine noch deutlichere Dokumentation von Marburgs wirtschaftlichen Sorgen, besonders denen um die Universitat, folgte ein Vierteljahrhundert spater, nach­dem die Stadt von zwei schweren Schlagen getroffen worden war. Zurn einen war dies der Siebenjahrige Krieg, in dessen Verlauf die Stadt an die fonfzehnmal in die Hande verschiedener feindlicher Besatzer gefallen war und die Immatri­kulationen den Tiefstand in ihrer langen Geschichte erreicht hatten: 1761nur31 neue Einschreibungen. Noch in der wirtschaftlichen Nachkriegsmisere befan­gen, litt die Stadt zum anderen unter der Hungersnot von 1770- 72, eine der schlimmsten in der Geschichte des vorindustriellen Europas. Ab Fruhjahr 1774 schickten Marburger Kaufleute dringende Bitten um Hilfe aufgrund ihrer wirt­schaftlichen Notlage an den Landgrafen. AuJ3er der schwachen hessischen Wah­rung fohrte die Stadt noch zwei weitere grundlegende Ursachen for Marburgs verzweifelte Situation an:

Eben so sind die merckliche Abnahme Un/Jer sonst so beriihmten Universitcet und die gegenwdrtige Garnisons im Oberfiirstenthum alls die Urquellen un/Jeres Verfalls zu betrachten. Es fehlet an beriihmten Professoren, die wir sonst hatten und da mann in ehemaligen Zeiten 6 bi/] 800 Studenten hat zahlen konnen, so haben wir deren gegenwdrtig kaum 150. und unter dies/Jen nicht einmahl den JOten theil fremde; Was die/Je zu ihren Bediirfni/Jen brauchen, das bringen Sie van Hau/] mit, mithin leidet un/Jre Handlung allein bey dieser Aussicht gantz entsetzlich, und mit der Besatzung hat es eine gleiche traurige BewandnifJ. Var Zeiten hatten Wir hier in

11 StAM, Best. 40a, Ruhr. 2, Nr. 2.017, Bittschrift wegen Abgang der Nahrung und

Erhohung des Zolls und Licents, 31.8.1741; vgl. SCHWENKE (wie Anm. 9), S. 224 f. 12

Wilhelm DERSCH, Beitrage zur Geschichte der Universitat Marburg im Zeitalter der Aufklarung, in: ZHG 54 (1924), S. 161-203, hier S. 167.

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Marburg und im Oberfiirstenthum drey complette Regimenter, die Garnison war zahlreich, und den Kaufieuthen wurden die Regiments Lieferungen gegonnet, jetzt aber fdllt alles dieses weg, ein Battaillon, das grostentheils beurlaubet ist, enthdlt un/Jere gantzen Garnison, die Lieferungen kommen van Cassell oder sonsten, und dieser sonst so betrdchtliche Nahrungs Zweig, will fast gar nicht mehr bedeutenl3.

Nach seiner Meinung gefragt, stimmte Franz Kunckel, der Advocatus Fisci in Marburg und Syndikus der Universitat, mit der generellen Einschatzung der Wirtschaftslage von Seiten der Kaufleute uberein. Er teilte ihre Ansicht, dass die Stadt dringendst Zuschusse von auJ3erhalb benotige und vor allem profitieren wurde, wenn die Landesregierung die Situation der Universitat verbessere. Ratte Marburg, wie er gehort habe, fr-Uher ungefahr 400 Studenten, so sei die Studentenzahl nun aufwenig mehr als 200 zuruckgegangenl4. Im darauffolgen­den November schickten Unterburgermeister und Vierer eine weitere dringliche Bitte um Unterstutzung an den Landesherrn. Sie betonten den beangstigenden Zuwachs an Armen in Marburg und verdeutlichten, dass die Handwerker sich genau so abhangig von der Universitat fohlten wie die Kaufleute.

Besonders befindet sich gegenwdrtig die hiesige Universitdt gar nicht in der besten Vefa/Jung; sie ist so schwach, als sie wohl ja in ihrem Leben gewesen. Durchsiehet man das angeschlo/Jene Verzeichnis, so konnen wir kaum 150 Studenten zusammen zdhlen und unter diesen befinden nicht einmal das 4te Theil ausldnder, Alle iibrige sind Marburger StadtKinder oder gebohrne He/Je, die hierher mu/Jen oder das Ver­mogen nicht haben, auf eine andere Universitdt zu ziehen. Dann wer das hat, gehet allemahl Zieber auf Gottingen oder sonsten wohin, und nach Marburg gehet man nur aus Noth auch wird diese gewis bei den meisten Unserer gegenwdrtigen Auslander eintreffen. Daher geschiehet es dann auch, dafJ alle die bediirfni/Je, welche unsere izzigen Universitdt braucht wenig oder fast gar nichts bedeutet. Was sie an Klei­dungsstuck Caffee Zucker oder sonsten nutz hat, bringen sie van Haus mit oder be­kommen es van ihren Eltern und Angehorigen, wodurch dann der Licent Cassa, weilen sie van Abgiften befreit sind, auserordentlich geschadet wird und ein gleicher Nachtheil haben auch alle und jede Handwercker und Professionisten, .dann der Nutzen, der sie van der gegenwartigen Universitat haben, bedeutet ganz und gar nichts, und wer nichts zuzusetzen hat, mu/J elendichlich darben und der armen Cassa zur Last fallenl5.

In diesen ersten Dokumenten machten Kunckel, die Kaufleute und die Vierer noch keine konkreten Vorschlage for ein Eingreifen der Landesregierung. Sie stellten nur allgemeine Forderungen, in denen andeutet wurde, dass mehr Trup­pen und vor allem mehr Studenten die Situation verbessern wurden. Ihre Er­wahnung der Universitat bezog sichjedoch auf einige MaJ3nahmen, die sie in den kommenden Jahrzehnten deutlicher ansprechen sollten. Wahrend sie dazu neig­ten, die fruheren Studentenzahlen zu ubertreiben, versuchten sie 1774 mit Hilfe einer Liste von nur 150 Studenten zu beweisen, wie gering die derzeitige Nach­frage war, besonders weil ihren Schatzungen nach nur ein Zehntel oder hochs­tens ein Viertel der Studierenden Nicht-Hessen waren. Trotz ihrer oft unge­nauen Angaben wurde diese allgemeine Beurteilung der wirtschaftlichen

13 StAM, Best. 40d, Nr. 1.050, 6.4.1774. 14 Ebd., 4.5.1774. 15 Ebd., Best. 330, Marburg B 462, 20.11.177 4.

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Bedeutung der Universitat for die Stadt auch von dem Geheimen Regierungsrat, Vizekanzler und Professor Juris Aemilius Ludwig Homburg zu Vach geteilt. Im Jahre 1775 schloss er eine Denkschrift gegen eine Verlegung der Universitat nach Kassel mit dieser Bewertung: Endlich wurden der Stadt Marburg jiihrlich 40 bis 50 / m. r. durch den Abgang der Universitiit entzogen werden. Wie dieser Verlust zu ersetzen sey, dazu wei/3 ich kein hinliingliches Mittel vorzuschlagen16.

Im folgenden Jahrzehnt wurden die Andeutungen in den biirgerlichen Bitt­schriften zunehmend offener und direkter. Die hessische Teilnahme am briti­schen Krieg mit den nordamerikanischen Kolonien (1776- 1783) bedeutete, dass immer weniger Truppen in der hiesigen Garnison stationier t waren, weshalb die Universitat zunehmend als die Losung der wir tschaftlichen Probleme ins Licht riickte. In einem Bericht von 1782 konnte Kunckel jedoch der im Allgemeinen triiben Analyse eine positiver e Bemerkung anschlieBen. Die Stadt ware in einer noch schlechteren Lage, hiitte die Landesregierung nicht kiirzlich einen bekann­ten Professor for Theologie berufen, der Studenten aus Nassau, der Pfalz und Bremen anzog. Welch ein Unterschied, behauptete er, zu der stark reduzierten Anzahl der Jura-Studenten, gar nicht zu reden davon, dass es fast keine Medi­zinstudenten mehr gebe11.

Im Namen aller Ziinfte und der Gemeinen folgten Unterbiirgermeister und Vierer Kunckels Beispiel und verfassten eine Bittschrift voll des Lobes und der Dankbarkeit for die bemerkenswerte viiterliche Gnade, die der LandgrafUniver­sitiit und Stadt erwiesen hatte, indem er Inspektor und Konsistorialrat Samuel Endemann aus Hanau als Professor Primarius der Theologie nach Marburg be­rief. Der Zuwachs an Theologie-Studenten war schon zuvor aufgefallen, und wie die friihere Berufung des beliebten und angesehenen Zweiten Professors Johann Jacob Pfeiffer bewies dieser Schritt, dass Professoren solchen Formats der wich­tigste Faktor for die Wiederbelebung der Universitiit waren. So driingten die Bittsteller auf iihnliche MaBnahmen zur Aufwertung der Jura- und Medizin­Fakultiiten. Fiir beide sollte die Landesregierung ein oder zwei ebenso gelehrte und rege Manner finden, die auch auBerhalb von Marburg beriihmt waren. Auf diese Vorschliige kam von dem Geheimen Rat in Kassel eine kurze kiihle Ant­wort: Der Magistrat ist zu bedeuten, da/3 Sermus das beste der Universitaet van selbst zu behertzigen wi/Jen werden1s.

Ob von der Meinung der hiesigen Untertanen beeinflusst oder nicht, die hes­sische Bildungspolitik iinderte sich nach dem Tod des Landgrafen Friedrich II. im Jahre 1785 zu Gunsten der Universitiit. Im Gegensatz zu diesem aufge­kliirten Fiirsten, der seine Aufmerksamkeit und finanzielle GroBziigigkeit einer groBartigen Hofhaltung und Kunst- und Wissenschaftsfdrderung der Residenz­stadt Kassel zugutekommen lieB19, stellte sich sein Nachfolger Wilhelm IX. als

l6 Ebd., Best. 5, Nr. 7.851, 28r f. ; vgl. DERSCH (wie Anm. 12), S. 168 ff. 17 StAM, Best. 5, Nr. 7.831, Kunckels Bericht an Staatsminister von Burgel, 11.5.1782. 18 Ebd., Best. 330, Marburg B 907, 3. bzw. 7.6.1782. l 9 V gl. Otto BERGE, Beitrage zur Geschichte des Bildungswesens und der Akademien

unter Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (1760-1785), in: Hess.Jb.LG 4 (1954), S. 229- 261; Wolf VON BOTH, Hans VOGEL, Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (VHKH 27/1), Munchen 1973; Charles W. INGRAO, The Hessian Mercenary State. Ideas, institutions, and reform under Frederick II. 1760-1785, Cambridge 1987, S. 164-187.

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echter Wohltater des weniger glanzvollen Marburgs heraus. Wahrend Fr iedrichs Regierungszeit hatten Berater - so J ohann Christoph Gottsched 1761 und Gene­ral Martin Ernst von Schlieffen 1775 - den Landgrafen mindestens zweimal ge­driingt, die alte Universitat aus Marburg zu verlegen und sie mit Kassels Colle­gium Carolinum zu vereinigen, das unter Friedrich als ein Mittelpunkt der schonen Kiinste und der naturwissenschaftlichen Forschung galt. Der Landgraf war zwar geneigt, eine Volluniversitiit in seiner Hauptstadt zu halten, nicht aber willens, sich iiber die Opposition Marburgs selbst und seines Geheimen Rats hin­wegzusetzen. So wurde aus diesem Vorschlag nichts und beide Anstalten litten unter groBen finanziellen Mangeln20. 1786 iinderte Wilhelm IX. jedoch seinen Kurs. Wahrscheinlich aus finanziellen Grunden schloss er das Collegium in Kas­sel und versetzte die Halfte der Lehrkrafte nach Marburg. So erfuhr die Univer­sitiit in den ersten Jahren seiner Regierungszeit einen gewaltigen Aufschwung. Zusiitzliche Berufungen, besonders in Medizin, den Naturwissenschaften und der Kameralistik, erhohten die Gesamtzahl der Professoren von 17 auf 25, die alle erhebliche Gehaltsaufbesserungen erhielten. Neue Einrichtungen waren eine Anatomie (1788), ein Entbindungshaus (1791) und ein Chemielabor (1792), die ihrerseits zu hoheren Immatrikulationszahlen fohrten21.

Schon Anfang 1786 war in einer Bittschrift der gesamten ,,Biirgerschaft Mar­burgs" ein optimistischerer Ton spiirbar. Dies ist ein interessantes Dokument, das moglicherweise ein Aufbrechen der geschlossenen Front zeigt, die bisherige Bittschriften dieser Art gekennzeichnet hatte. Jetzt, wo sie ein Aufbliihen der Stadt als gegeben betrachteten, erwiihnten die Bittsteller noch ein weiteres

Problem: Schon seit vielen Jahren ist der Burgerschaft alhier ein haupt Nahrungszweig ent­rissen warden, da sehr viele Honoratiores nicht nur die bey ihnen logirende Studen­ten an ihren Tisch genommen, sondern auch ein wurkliches Handwerk aus dem Tischhalten gemacht haben. Var diesem hatte der Burgerstand das Tischhalten, und es wurden auch die Contribution und andre Herrschaftliche Abgaben darauf gelegt, welches noch immer bis jezt in dem Contributionsquanto begriffen ist: allein, da nunmehro so viele Honoratioren, die in Besoldung oder sonst guter Auskunft stehen, sich diesen fur die Burger gehbrenden Erwerb angemaset haben; leiden nicht nur diese viel, sondern es wird auch gnadigster Herrschaft dadurch entzogen, da darun­ter sich solche befinden, welche in ihrem Namen Wein kommen lassen, die fur ihren Stand darauf haftende geringe Abgaben zwar entrichten, den grosten Theil davon aber ihren Tischherrn bey dem Essen uberla/3en. Sie sind also nicht nur Traiteurs, sondern auch Weinwirthe; und dazu komt noch da/3 auch dem Handelmann vieles

entzogen wird. [ ... ] Wir haben hier keinen Ackerbau, sondern leben blos vom Militair, Universitiit, Handlung und Gewerben: und da wir nun durch Aufnahme der Universitat, zu uns­rer unterthdnigsten Danksagung, wieder aufleben werden: so hoffen auch in diesem Stuck eine gnddigste Unterstiltzung, und bitten Eure Hochfurstliche Durchlaucht unterthanigst, denen Honoratioren das bisherige Tischhalten und sonstiges in bur-

20 KAEHLER (wie Anm. 8), s. 416-419; INGRAO (wie Anm. 19), 180 ff.; DERSCH (wie Anm.

12), s. 168 ff. 21 DERSCH (wie Anm. 12), S. 174-182; KAEHLER (wie Anm. 8), S. 445-455.

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gerliche Nahrung einschlagendes Verkehr mit den studierenden gnadigst nach­drucklichst entsagen zu lassen22.

Im Gegensatz zu fruheren Bitten von Unterburgermeister und Vierern, von reichen Handelsmannern und sogar von Beamten wie Kunckel betonte dieses unterschriftslose Dokument den entscheidenden Unterschied zwischen Burgern und Nichtburgern. Letztere schlossen for gewohnlich Regierungs- und Universi­tatsangehorige ein - Leute, die in der Stadt ansassig waren, aber nicht Burger werden mussten. Wahrend die meisten Hessen sowohl nach ihrem Einkommen als auch nach ihrem Besitz eingestuft wurden, entrichteten Landesbeamte und Professoren keine Einkommenssteuer und viele auch keine Grund- oder Haus­steuern. Dasie auch keine Verbrauchssteuern aufWein und Bier zahlten, konn­ten sie Studenten billiger verkostigen als die Nichtprivilegierten und sich dadurch zusatzliche Einkunfte verschaffen, die aber nach Meinung der kontribu­tionszahlenden Burger ausschlieBlich diesen zustanden2a. Unterschiedliche Gruppen teilten zweifellos die Ansicht, dass Marburgs Wirtschaft in hohem Grad von der Universitat abhing; aber diese Bittschrift zeigt auch, dass die Einwohner verschiedene Interessen hatten, und wirft die Frage auf, wie sich der wirt­schaftliche Gewinn, den die Studenten als Verbraucher mit sich brachten, auf die Stadtburger und die nichtburgerlichen Eliten verteilte.

Die ersten Regierungsjahre Wilhelms IX. stellten einen Hohepunkt in der Institutions- und Immatrikulationsgeschichte der Universitat selbst dar. Danach verursachten die Franzosische Revolution und die Napoleonischen Kriege erneut finanzielle Note und rucklaufige Immatrikulationszahlen. Im Marz 1803 war die Burgerschaft wiederum so besorgt um Marburgs wirtschaft­lichen Niedergang, dass Unterburgermeister und Vierer eine erneute Eingabe nach Kassel sandten. Sie verstunden, dass Missernten und Krieg zusammen eine Teuerungskrise ausgelOst hatten, aber die Abhangigkeit der Stadt von ihrer Universitat veranlasse die Sprecher, um MaBnahmen zu bitten, die den Schwund der Studenten aufhielten. Keine fruhere Eingabe zeigte sich so genau uber die internen Angelegenheiten der Universitat informiert und war so klug und detailliert in ihren Verbesserungsvorschlagen. Die Professoren betrachteten diese Bittschrift als eine Reihe von unverschamten Zurechtweisungen, aber sie diente spateren Forschern wie Wilhelm Dersch, Rudolf Brieger und Siegfried Kaehler als Ausgangspunkt for die Beurteilung des Allgemeinzustandes der Universitat, besonders der Lehrkrafte und ihres akademischen Ranges. Hier interessieren nun jene Streitpunkte, die Auskunft zu Anzahl und Zusammen­setzung der Studentenschaft geben.

Mehrere Schritte schienen den Bittstellern geeignet, der Universitat groBere Anziehungskraft zu verleihen: Sogar wenn Marburg niemals Erfolge wie die von Gottingen, J ena, Leipzig oder Halle erhoffen konne, so konne es doch die Haupt­aufgabe aller Universitaten erfollen - so viel Geld wie moglich in das Land zu bringen und dort zu behalten. Aber die akademischen Regeln und ihre Durchset­zung seien so streng, dass nicht-hessische Eltern zogerten, ihre Sohne nach Mar-

22 StAM, Best. 330, Marburg B 907, 31.3.1786. 23 Das Thema Steuerprivilegien und die daraus entstehenden wirtschaftlichen Vorteile

der Honoratioren wurden von Kaehler nicht angesprochen.

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burg zu schicken, und oft geneigt seien, Gottingen vorzuziehen. Jeder Fehltritt wurde bestraft, als ob die jungen Leute Erwachsene seien. Die Professoren ubten ihre Rolle in loco parentis nicht aus und die Studenten, sich selbst und Gleich­altrigen uberlassen, wurden ungebardig. Statt in das Familienleben und die kul­tivierten Kreise der Professoren aufgenommen zu werden, seien die meisten auf Freunde und ihre eigenen Gesellschaften, Kranzchen und Orden angewiesen. In den Augen der Burger sollten die Verbindungen nicht verboten und ihre Mit­glieder nicht bestraft werden, solange sie gutes Betragen, ernstes Studium und Kameradschaft forderten. Zurn Beispiel erschien ihnen die vorubergehende Sus­pendierung eines Duellanten angemessener als der Verweis von der Universitat, wie es die Regeln vorschrieben. Jungen Mannern wurde damit eine Lektion erteilt und Marburg wurde keine Abnehmer verlieren, vor allem nicht die ver­schuldeten Studenten, die ihre Glaubiger im Stich lassen konnten. Auch die Ver­ordnung, den Studierenden nicht langer als drei Monate Kredit zu gewahrten, sei ein Nachteil - sowohl for die Studenten, die gewohnlich ihre Geldmittel am Anfang oder Ende des Semesters erhielten, als auch for ihre Glaubiger, die oft ausstehende Betrage einziehen sollten, ehe sie den Schuldnern zur Verfogung standen. Wenn die Glaubiger das Geld hingegen zu spat einzogen, konnten die Studenten die Zahlung verweigern. So konnten solche Regeln das Verhaltnis von Studenten und Burgern empfindlich storen. Aber wahrend sie um Anderungen im Kreditwesen und um gemilderte StrafmaBnahmen for die Studenten ersuch­ten, kamen die Bittsteller zuletzt wieder zu einem Punkt aus fruheren Burger­Eingaben zuruck, namlich dass die Fahigkeit der Universitat, nicht-hessische Studenten anzuziehen, letztlich vom Ruf der Professoren abhange. Deren Ruhm auBerhalb Hessens basiere auf ihren Veroffentlichungen und die Vertreter der Burger verglichen die aktiven Gottinger Professoren mit der weniger regen Gruppe in Marburg. Ohne Namen zu nennen, druckten die Bittsteller ihre An­sicht aus, dass manche Professoren ihren Verpflichtungen nicht nachkamen24.

Die Beherztheit der Burgerschaft, sich in interne Universitatsangelegenhei­ten einzumischen, weckte naturlich Entrustung unter den Professoren. Sie ver­teidigten die strenge Disziplin mit der Behauptung, dass ein milderes System ein nur noch schlechteres Betragen der Studenten zur Folge habe. Sie mokierten sich uber die Ansicht, dass Studentenverbindungen einzig harmlose gesellschaft­liche Organisationen seien - waren sie nur Kindereien, hatte das Reich sie 1794 nicht verboten. Im Ubrigen wurden Verlangerungen von Kreditterminen die Eltern der Studierenden in noch hohere Schulden sttirzen und den Glaubigern die Eintreibung erschweren. Diese Beschwerden bezogen sich auf die gesetz­lichen Regeln und weniger auf die Professoren, die for deren Durchsetzung ver­antwortlich waren. Aber in anderen Beschwerdeschriften ftihlten sich die Profes­soren zu Unrecht personlich angegriffen. Sie bestritten aufs Heftigste jegliche Vernachlassigung ihrer Studenten: Einer der wirklichen Vorteile des Studiums in Marburg sei, dass die Universitat Studenten von guter Fuhrung die Gelegen-

24 Vgl. Rudolf BRIEGER, Eine Klage der Marburger Burgerschaft uber den Verfall der Universitat im Jahre 1803 und die Ursachen des Ruckgangs, in: ZHG 56 (1927), S. 280-346, hier S. 281- 286; StAM, Best. 5, Nr. 7.837, Zusammenfassung der Bittschrift, 28.3. 1803.

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heit gebe, mit den Professoren und anderen ,,Honoratioren" zu verkehren. Viel­leicht sei das Gewicht, das die Burger auf Ruf und Veroffentlichungen der Lehr­krafte legten, verstandlich for die Einwohner, die die Universitat nur von ihrem eigenen wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachteten. Doch die Marburger Pro­fessoren hat ten genug veroffentlicht, ohne dabei ihre wichtigsten, namlich ihre Lehrerpflichten, zu vernachlassigen.

Dieser offiziellen Antwort zufolge lag die Erklarung for den Ruckgang an Immatrikulationen weder an den hessischen Disziplinarverordnungen noch an der Marburger Professorenschaft. Auch andere Universitaten hatten ahnliche Probleme und die Grunde dafor seien meist allgemeiner Art: die um sich grei­fende Inflation, beschrankte Zulassungsvorschriften und die Moglichkeit for immer mehr junge Manner, sich in Handel und Gewerbe zu betatigen. Die durch den Krieg verursachten Veranderungen von Sakularisierung, Mediatisierung und der franzosischen Annexion linksrheinischer Gebiete bedeuteten for Mar­burg groBere Studentenverluste als for andere Universitaten. Zuletzt, in einer Art Gegenangriff, beschuldigten die Professoren die Marburger des Versuchs, sich zu bereichern, indem sie hohere Preise als im nahen GieBen verlangten. Ab­schlieBend druckten die Professoren ihr Vertrauen aus, dass die landgrafliche Untersuchung der Gesamtsituation ihre eigene Analyse rechtfertigen und die beleidigende Anschuldigung, die Marburger Professoren seien verantwortungs­los, widerlegen werde2s.

Leider scheint keine Untersuchung erfolgt zu sein, vermutlich, weil die zuneh­mend konservative Landesregierung mit der Meinung der Professoren uberein­stimmte. Brieger und Dersch benutztenjedoch die Burger-Bittschriften als Basis for eine sorgfaltige Studie uber die 27 Professoren und vier Dozenten, ihre Quali­fikationen, ihre Veroffentlichungen sowie die ihnen zur Verfogung stehende Infrastruktur. Obwohl sie zugeben mussten, <lass vermehrte Veroffentlichungen vielleicht mehr Studenten angezogen hatten, so hielten sie doch die Professoren for besser als nur ausreichend qualifiziert for eine so kleine Universitat. Sie argumentierten, dass bei der so hoch qualifizierten Professorenschaft die Probleme Marburgs tatsachlich woanders lagen - bei kriegsbedingter Inflation, verstarktem Abgang der jungen Manner zu nichtakademischen Beschaftigun­gen, rechtlichen Zulassungsbeschrankungen zum Studium, der Tendenz des nahen Gottingen, die meisten alteren Universitaten in den Schatten zu stellen und endlich bei einem unzulanglichen und unberechenbaren Universitats­Etat26. Briegers Analyse ist im GroBen und Ganzen annehmbar, doch sollen hier nicht die wissenschaftlichen und institutionellen Qualitaten der Universitat, sondern die Beforchtungen der Burger wegen Studentenanwerbung und Imma­trikulationszahlen untersucht werden.

25 BRIEGER (wie Anm. 24), 8 . 289-294; KAEHLER (wie Anm. 8), 8. 471-476, Anm. 13. 26 BRIEGER (wie Anm. 24), 8. 342-346.

Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik 69

3. Studentenschaft und Frequenz

Meine Forschungen uber die Immatr ikulationsfrequenz und die Marburger Studentenschaft beruhen auf zwei Quellenarten: den gedruckten Matrikel­buchern sowie einigen Verzeichnissen aller zu einem bestimmten Zeitpunkt anwesenden Universitatsbesucher. Die Matrikel sind chronologische Namenslis­ten, die der Rektor bzw. seit 1728 der Prorektor bei der Eintragung jedes neuen Studenten weiterfohrte. Derartige Register, von unterschiedlicher Qualitat und Zeitspanne, bestanden an den meisten deutschen Universitaten, und seit Franz Eulenburgs klassischer Monographie von 1904 sind sie die Grundlage for fast alle Untersuchungen von Frequenz, Einzugsbereich und sogar der relativen Rangstellung der Universitaten vom Mittelalter bis Ende des 19. Jahrhun­derts21. Die Marburger Matrikel registrierten Studenten nach Namen, Datum der Ersteinschreibung und Herkunftsort, obwohl die Prorektoren erst 1795 begannen, auch die Fakultatszugehorigkeit systematisch zu notieren. Leider wurde die soziale Herkunft nur in Ausnahmefallen, etwa bei Adeligen oder Pro­fessorensohnen, angegeben. Jedoch kann man anhand dieser Daten die Schwan­kungen der Immatrikulationen, den Anteil von Hessen zu Nicht-Hessen sowie den Einzugsbereich der Universitat im Lauf der Zeit verfolgen. Ein kurzer Uber­blick uber die Immatrikulationsfrequenz von der Wiedereroffnung der Univer­sitat nach dem DreiBigjahrigen Krieg bis zum Ende des alten Reiches soll hier als Ausgangspunkt for eine Diskussion der hessischen Bildungspolitik im 18. Jahrhundert dienen.

Der Vorteil der zweiten Quelle, also der Studentenverzeichnisse, ist, dass sie die GroBe der gesamten anwesenden Studentenschaft und damit eines haupt­sachlichen Konsumenten von Waren und Dienstleistungen der Stadt angibt. Es bestehen for das 18. Jahrhundert mehrere solcher Listen (Vgl. Tab. 2), sowohl vereinzelt als auch in einer Reihe von systematischen Verzeichnissen, die der Prorektor im Wintersemester 1786/87 begann. In diesen Verzeichnissen ist der Herkunftsort jedes Studenten um seine Fakultatszugehorigkeit, das Datum seiner Immatrikulation und sogar um sein Quartier in der Stadt erganzt. So erlauben einige Listen, zusatzlich zu Rekrutierungsraum und Studienfach, eine Berechnung der Aufenthaltsdauer und der seinerzeitigen Wohnverhaltnisse in Marburg. Dadurch !asst sich eine grundlichere Untersuchung der Marburger Studentenschaft durchfohren als zu jedem anderen Zeitpunkt in der fruhneu­zeitlichen Geschichte der Universitat. Dieser Beitrag benutzt Stichproben aus

27 Franz EULENBURG, Die Frequenz der deutschen Universitaten von ihrer Grundung bis zur Gegenwart, Leipzig 1904, ND Berlin 1994; vgl. die exemplarische Kritik und Ana­lyse von Rainer Christoph SCHWINGES, Immatrikulationsfrequenz und Einzugsbereich der Universitat GieBen 1650-1800, in: Peter MORAW, Volker PRESS (Hrsg.), Academia Gissen­sis. Beitrage zur alteren Universitatsgeschichte. Zurn 375jahrigen Jubilaum (VHKH 45), Marburg 1982, S. 24 7-295, hier S. 249, sowie die neuere und statistisch basierte Kritik in Uwe ALSCHNER, Universitatsbesuch in Helmstedt 1576-1810 (Beih. zum Braunschwei­gischen Jb. 15), Wolfenbuttel 1998, hier S. 25-45; die Zusammenfassung bei DERS., Die Universitat Helmstedt als Modell pragmatischer Matrikelforschung, in: Peter HERDE u. a. (Hrsg.), Universitat Wurzburg und Wissenschaft in der Neuzeit (Quellen und Forsch. zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Wurzburg 53), Wurzburg 1998, S. 109-130, hier s. 110-120.

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den Quellen, um die Zusammensetzung der Studentenschaft sowie einige Beden­ken der Burger anzusprechen.

Dafor sind zuerst zuverlassige Daten for die jahrlichen Einschreibungen zu uberpriifen, d. h. die drei fruheren Zahlungen zu vergleichen und in Einklang zu bringen (Tab. 1, Abb. 1)28. Abb. 129 betont die Kurve der dreijahrigen gleitenden Durchschnittswer te, die die starken Schwankungen der Jahre 1653 und 1727 etwas ausgleicht. Dies waren die Jahre, in denen die Wiedereroffnung der Uni­versitat nach dem DreiBigjahrigen Krieg bzw. ihr zweihundertjahriges Griin­dungsjubilaum gefeiert wurden, was zur Ehrenimmatrikulation von vielen teil­nehmenden Honoratioren fohrte, die jedoch nicht als Studierende blieben3o. Der gleitende Durchschnitt gleicht solche gro.Ben Unterschiede aus, hebt aber mar­kante Veranderungen hervor, ohne allzu viel zu glatten31. Dadurch wird die all­gemeine Tendenz der historischen Entwicklung deutlich. Uber die gesamte Zeit­spanne gab es im Durchschnitt 86,3 Einschreibungen pro Jahr, wonach die Philippina in die kleinen bis mittelgroBen deutschen Hochschulen eingestuft werden kann32. Obwohl die Marburger Immatrikulationsfrequenz iiber den gesamten Betrachtungszeitraum keinen extremen Schwankungen unterlag, kann man auch mittelfristige Pendelbewegungen erkennen - zuerst einen Ab­wartstrend von der Neueroffnung bis um 1688. Danach kam ein unregelma.Biger, aber erkennbarer Aufstieg bis Mitte der 1730er Jahre, der sich bereits in den 1720er Jahren zugespitzt hatte. Wie in Gie.Ben kam auch in Marburg nach 1736 eine Wende33 mit einer langen, teilweise sehr starken Frequenzabnahme, die bis

28 StAM, Best. 5, Nr. 7. 776, Best. 305a, Nr. 333, Auszug aus den Matricul Buchern der Universitaet Marburg, waraus zu ersehen, wie viele Studenten injedem Jahr van 1701 bis 1790 eingeschrieben warden , bearbeitet 1790 vom Prorektor Prof. Theol. et Alumnorum Ephore Dr. Joh. Franz Coing, EULENBURG (wie Anm. 27), S. 293-298; Theodor BIRT, Cata­logi studiosorum Marpurgensium 1653-1830, Marburg 1904-1914, ND Nendeln 1980. Die Daten in Tab. 1 korrigieren Diskrepanzen zwischen diesen Quellen, meist durch N achziih­lung der Eintriige in der gedruckten Matrikel, und ber ichtigen, wenn moglich, die zahlrei­chen Druck- oder Rechenfehler; dennoch sind Fehler in dieser Tabelle nicht auszu­schlieBen.

29 Fur die Gestaltung der Abbildung danke ich Herrn Dr. Martin Luers, Munchen. 30 Im Allgemeinen sind in der Marburger Matrikel selten Personen aufgelistet, die

nicht, wie Universitatsverwandte oder minderjiihrige Professorensohne, Studenten im eigentlichen Sinn sein konnten.

31 Vgl. SCHWINGES (wie Anm. 27), s. 258, Anm. 28. 32 Wenn man die gleitenden Mittelwerte benutzt, kommt der Durchschnitt auf 85,9

Einschreibungen pro Jahr. Auf Grund einer Bearbeitung der Daten von EuLENBURG (wie Anm. 27), S. 100 f., 162 f., vergleicht SCHWINGES (wieAnm. 27), S. 188, Tab. 1, die lmmatri­kulationen an deutschen Universitaten innerhalb des Zweiten Kaiserreiches 1871-1918: danach stieg Marburg von Platz 18 (1701- 1750) auf Platz 15 (1751-1800) unter den 31 Universitaten. Siehe auch Matthias AsCHE, Von der reichen hansischen Burgeruniversitat zur armen mecklenburgischen Landeshochschule. Das regionale und soziale Besucher­profil der Universitaten Rostock und Butzow in der Fruhen Neuzeit (1500-1800) (Contu­bernium 52), Stuttgart 2000, S. 171, um Marburg mit den lutherischen Universitaten in der Zeit von 1649 bis 1800 zu vergleichen.

33 Vgl. SCHWINGES (wie Anm. 27), S. 258 ff., 266 ff. , sowie seine gesamte Analyse der frequentiellen Pendelbewegungen und der Wirtschaftszyklen.

Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik 71

in die friihen 1780er Jahre anhielt und in der die biirgerlichen Bedenken zu­nahmen. Ein markanter Anstieg der Immatrikulationen nach 1782 fohrte zu der hochsten Frequenz in der Zeitspanne von 1653 bis 1815. Sogar in dem um 1795 beginnenden Abwartstrend lag das Inskriptionsniveau weit iiber dem Durch­schnitt.

Diese Immatrikulationsschwankungen sind ebenso auf au.Beruniversitare Ereignisse wie aufVeranderungen innerhalb der Universitat zuriickzufohren -hauptsachlich die schon erwahnten haufigen Kriege und der generelle Stand der deutschen Wirtschaft. Obwohl Studenten im Allgemeinen vom Wehrdienst befreit waren, ist anzunehmen, dass sie und ihre Familien dennoch von der politischen Zerriittung und der unsicheren Wirtschaftslage in Kriegszeiten be­troffen waren. Wahrscheinlich wurde ihre Wahl eines bestimmten Studienorts direkt oder indirekt von der jeweiligen Kriegssituation mit beeinflusst. Von allen Kriegen in der Zeitspanne 1653 bis 1815 traf der Siebenjahrige Krieg (1756-1763) die Universitat wegen der wiederholten Belagerungen und Besatzungen Marburgs besonders hart34. In diesen Krieg fiel auch der Tiefststand det Imma­trikulationen for die gesamte Geschichte der Universitat: 1760 gab es 35, 1761 sogar nur 31 neue Einschreibungen. Derart negative Auswirkungen hatten weder der Spanische (1701-1714) noch der bsterreichische Erbfolgekrieg (1740-1748) ebenso wenig der amerikanische Unabhangigkeitskrieg (1775-1783) , die allesamt ebenfalls Hungersnote und Teuerung mit sich brachten. Zwei Kriege des spaten 17. Jahrhunderts, der Franzosisch-Hollandische Krieg (1672-1679) und der Pfalzische Erbfolgekrieg (1688-1697), wirkten sich besonders nachteilig aufMarburgs Immatrikulationen aus, vermutlich weil die wichtigsten Kriegsschauplatze traditionelle Einzugsgebiete der reformierten Universitat waren35. Doch war, wie gesagt, der Abwartstrend im langen Zeitraum der Revo­lutions- und Koalitionskriege schon zu jener Zeit offensichtlich. Die Ursachen wurden intensiv diskutiert und die kriegsbedingten Erklarungen sowohl von den damaligen Marburger Professoren36 als auch von modernen Wissenschaftlern akzeptiert. Obgleich die Immatrikulationsfrequenz nicht so stark zuriickging wie in fruheren Kriegen, fiel ein Tiefstand in die unsichere Zeit nach der franzo­sischen Besatzung, als das neue Westphalische Regime sich noch nicht entschie­den hatte, ob die Universitat weiterhin Bestand haben solle37. Der Entschluss zur Weiterexistenz der Marburger Universitat und die gleichzeitige Schlie.Bung der Universitat Rinteln im Jahre 1809 brachten 1810 nur einen voriibergehen-

34 Walter KDRSCHNER, Geschichte der Stadt Marburg, Marburg 1934, S. 175-186; vgl. George Thomas Fox, Studies in the rural history of upper Hesse, 1650-1830, Diss. Nash­ville, Tenn. 1976, S. 187.

35 Vgl. SCHWINGES (wieAnm. 27), S. 263 ff. 36 Vgl. auch die Bemerkungen uber den Zustand der Universitiit im Jahre 1806 von

dem 1805 promovierten Studenten Philipp Ferdinand Brebe bei BACH (wieAnm. 2), S. 167. 37 ,,Ein dreijahriges Hin und Her", laut SEIER (wie Anm. 10), S. 176; vgl. KAEHLER (wie

Anm. 8), S. 488 f. In dieser Zeit betonte die Burgerschaft nochmals ihre vollige wirtschaft­liche Abhiingigkeit von der Universitiit; vgl. Margret LEMBERG, Die Universitat Marburg im Konigreich Westphalen, in: Andreas HEDWIG u. a . (Hrsg.), Napoleon und das Konigreich Westphalen. Herrschaftssystem und Modellstaatspolitik (VHKH 69), Marburg 2008, S . 223-238, hier S. 225 f.

72 Gerald L. Solid ay

den Aufschwung. Eine ahnliche Besserung ist aus der zeitweiligen Zunahme von Einschreibungen nach anderen Kriegen ersichtlich, namlich in den Jahren 1680/81, 1764, 1783 sowie 1814.

Nicht nur die Kriege, sondern auch die generellen i:ikonomischen Bedingungen in Friedenzeiten miissen in Betracht gezogen werden, um die Entwicklung der Immatrikulationen zu verstehen. Heute versuchen Wirtschafts- und Sozial­historiker die allgemeine Wirtschaftslage in vormodernen Agrargesellschaften meist anhand von Getreidepreisschwankungen zu schatzen. In seiner bahnbre­chenden Untersuchung der Immatrikulationsfrequenz hat Christoph Schwinges die Einschreibungen in der GieBener Matrikel sorgfaltig mit Preiskurven im Raum Frankfurt-Wetterau verglichen3B. Auch in den Teuerungs- oder Hunger­krisen, die nur wenig mit Kriegen zu tun hatten, in den Jahren 1708-12, 1722-28, 1739-41 und 1770- 72 ist die Korrelation von extrem hohen Preisen und gleichzeitigen FrequenzeinbuBen deutlich erkennbar39. Da Marburg eben­falls in den Wirtschaftsraum Frankfurt eingebettet war und die groBen inter­territorialen Preisschwankungen dadurch miterlebte4o, ware zu erwarten, dass der Frequenzverlauf der beiden Universitaten Ahnlichkeiten aufweist. Tatsach­lich gab es in einigen dieser Krisenjahre Verluste, wie Schwinges sie for GieBen festgestellt hat, namlich in den spa.ten 1730er und den frii.hen 1770er Jahren, als Marburg starke EinbuBen zu verzeichnen hatte41. Andererseits litt GieBen in den Teuerungskrisen 1708-12 und 1722-28 noch starker, wahrend die Marburger Immatrikulationsfrequenz in beiden Fallen einen Aufwartstrend aufwies42. Mitte der 1730er Jahre begann for beide Universitaten eine Stagnations-, im Falle Marburgs eher eine Rii.ckgangsphase, eine ahnliche aber nicht parallel lau­fende negative Entwicklung, von der sich GieBen nie vi:illig und Marburg erst in den 1780er Jahren erholte43. In den zahlreichen Krisen wie auch ii.her das ganze Jahrhundert hinweg waren die Unterschiede in der Entwicklung der beiden Bil-

38 Das klassische Werk von Wilhelm ABEL, Massenarmut und Hungerkrisen im vor­industriellen Europa, Hamburg, Berlin 1974, dient als Interpretationsmuster und Infor­mationsquelle fiir die Analyse von Wirtschaftszyklen bei Fox und Schwinges sowie auch hier fiir einen Dberblick der moglichen Zusammenhange zwischen Frequenz und Preiszy­klen; SCHWINGES (wie Anm. 27), S. 263, betont, dass die lokale Preis- und Frequenzent­wicklung immer in groBraumigem Zusammenhang verstanden werden sollte, da es um den gesamten Einzugsbereich und nicht nur die einzelne Universitatsstadt gehe. Obgleich Fox (wie Anm. 34) das Thema Frequenz nicht anspricht, untersucht seine Dissertation die Marburger und oberhessischen Preis- und Wirtschaftszyklen im gesamteuropaischen Kon text.

39 SCHWINGES (wie Anm. 27), S. 262- 270. 40 Vgl. Fox (wie Anm. 34), S. 46 ff., iiber Marburgs lange wirtschaftliche Abhangigkeit

von Frankfurt, S. 126- 213, 176-207, iiber die hier erwahnten Marburger Preiskrisen. 41 23,1%von1739 bis 1741; 20,3 % von 1770 bis 1772. 42 Genauer: 37,5 % Abnahme der Einschreibungen in GieBen in den Jahren 1707-09

und eine unregelmaBige Zunahme von 15 % in der Marburger Preiskrise von 1709-14; ein Sturz von 50 % in GieBen 1724-28, gerade zu der Zeit, als Marburgs Aufwartstrend einen noch starkeren Anstieg verzeichnete, der bis Mitte der 1730er Jahre anhielt.

43 SCHWINGES (wie Anm. 27), S. 266, ,,In der Zeit von 1736 bis 1800 [ ... ] stagnierte der

Universitatsbesuch in GieBen ungeachtet der kriegs- und krisenbedingten Frequenzein­briiche auf dem bis dahin niedrigsten Niveau seiner Geschichte".

Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik 73

dungsanstalten groBer als die Ahnlichkeiten. Schon Schwinges beobachtete die Differenzen im Frequenzverlauf und fohrte sie auf politisch-administrative Faktoren zurii.ck, besonders auf die erfolgreichere hessen-kasselische Vorsorge­und Getreidehandelspolitik in den Teuerungskrisen44. Die Marburger Frequenz­aufschwii.nge der 1720er und 1780er Jahre zeigen auch, dass inneruniversitare Entwicklungen - wie die Berufung Christian Wolffs 1723, die Eingliederung des Carolinum 1786 und die institutionellen Investitionen danach - eine ebenso groBe Rolle spielen konnten wie wirtschaftliche Konjunkturzyklen.

Historiker, die sich mit der Universitat Marburg befassten, unterteilten ihre interne Entwicklung im 18. Jahrhundert meist in drei Zeitabschnitte: 1723 bis 1740 als Sieg der Aufklarung wahrend Wolffs Tatigkeit in Marburg, 1740 bis 1786 als eine Zeit der Stagnation und ein Tiefpunkt in der Geschichte der Uni­versitat und 1786 bis 1806 als Zeit der Wiederbelebung, in deres gerade genii.­gend Aufschwung gab,~ es Marburg ermi:iglichte, die SchlieBungen und Neu- ~(>z,.. organisation im Konigreich Westphalen zu ii.berstehen45. Abb. 1 reflektiert diese drei Phasen, aber es ist zu betonen, dass es keine eindeutige Wechselwirkung zwischen Immatrikulationszahlen und den wichtigsten inneruniversitaren Ent­wicklungen zu geben scheint. Der Rii.ckgang an Immatrikulationen begann z. B. schon vor Wolffs Abgang 17 40, und nach den groBen Problemen der 1760er und 70er Jahre kam ein neuer Aufschwung schon vor 1786, dem Jahr, in dem ein Strom an Hilfsmitteln aus Kassel eintraf.

Stark betont wurde in den bii.rgerlichen Bittschriften das Thema der externen Anwerbung bzw. der Anteil von Nicht-Hessen unter den Universitatsbesuchern, besonders im 18. Jahrhundert. Die Anziehungskraft der Bildungsanstalt auBer­halb Hessen-Kassels war ein besonders dringendes wirtschaftlichesAnliegen der Marburger Burger und Landesregierung und Professoren scheinen diesen gangigen merkantilistischen Standpunkt geteilt zu haben. Tab. 2 zeigt die Zahl der anwesenden Studierenden in den 41 aufgefundenen Namenslisten von 1749 bis 1815 und hebt auBerdem den Prozentsatz von ,,fremden" Studenten unter ihnen hervor46.

44 Ebd. , S. 271; ohne eine vergleichbare eingehende Analyse der Marburger Frequenz, die hier nicht unternommen werden kann, mussten sich Schwinges' Schlussfolgerungen iiber die Versorgungspolitik auf Peter HERTNER, Thomas Fox, Lebensmittelpreise in Mar­burg 1764-1830: Agrarkonjunktur und obrigkeit liche Versorgungspolitik in der vorin­dustriellen Gesellschaft, in: Arthur E. IMHOF (Hrsg.), Historische Demographie als Sozial­geschichte (QForschHessG 31), Darmstadt, Marburg 1975, S. 855-917, beziehen; eingehender als Schwinges, aber auch skeptischer in Bezug auf die kasselische Versor­gungspolitik ist Fox (wie Anm. 34), S. 214-253.

45 Vgl. KAEHLER (wie Anm. 8), S. 332-479; DERSCH (wie Anm. 12). 46 Die Verzeichnisse befinden sich im StAM, Best. 305a, Nr. 4.145, 1749; Duplikat in

Best. 5, Nr. 16.157; Best. 5, Nr. 8.250, 1768, WS 1779/80 bis WS 1795/96; Best. 330, Marburg B 462, 177 4; Best. 305n, Nr. 333, WS 1793/94, SS 1794, SS 1795 bis SS 1802, WS 1814/15; Best. 5, Nr. 7.784, SS 1806, WS 1806/07; Best. 330, Marburg B 2.929, SS 1813. Der Vergleichbarkeit halber basiert die Unterscheidung von Hessen und Nicht-Hessen im SS 1813 noch auf den Landesgrenzen der vormaligen Landgrafschaft und nicht auf denen des Konigreichs Westphalen. In problematischen Fallen wurden Ortsangaben in den Verzeichnissen mit den gedruckten Matrikeln bei BIRT (wie Anm. 28) verglichen. EuLEN-

74 Gerald L. Soliday

Um zumindest einen Eindruck vom Anteil der auswartigen Universitats­besucher for die Zeit vor 1749 zu vermitteln, miissen etwa gleichmaBig verteilte Stichproben aus den J ahren 1654, 1677, 1700, 1724 von Immatrikulierten genu­gen (Vgl. Tab. 3)47. Aber die ubliche Gegenuberstellung von Hessen und Nicht­Hessen erlaubt keinen hinreichenden Schluss auf Einzugsbereich und Zusam­mensetzung der Studentenschaft, denn Nicht-Hessen konnten aus der Nahe, wie aus dem nur 36 km entfernten Laasphe in Sayn-Wittgenstein kommen, wiihrend die meisten Studierenden, die aus dem kasselischen Niederhessen oder aus Hanau stammten, uber groBere Distanzen anreisen mussten. So bietet auch die Entfernung der Herkunftsor te von der Universitiit Marburg eine aufschluss­reiche Perspektive und die Stichproben in Tab. 4 geben einen Uberblick des Mar­burger Einzugsbereichs nach Distanz48.

Wie andere mittelgroBe und kleine Landesuniver sitiiten im 18. Jahrhundert bezog Marburg die meisten Studenten aus den beiden niichstgelegenen Zonen bis zu 50 bzw. 100 km. In der zweiten Jahrhunderthiilfte kamen aus diesen Zonen durchschnittlich 64,5 % der Marburger Studierenden, verglichen mit 71,6 % der GieBener. Besonders bemerkenswert ist, dass in all diesen Stichproben mehr Marburger Studenten aus Zone 2 als aus Zone 1 anreisten. Im Gegensatz zur GieBener Universitiit, deren Einzugsbereich sich hauptsachlich auf Zone 1 kon­zentrierte, war der Rekrutierungsraum der Marburger auf die Zonen 2 und 3 verteilt und damit ausgedehnter als der von GieBen49.

Nun stellt sich die Frage, ob Marburg im 18. Jahrhundert einen ahnlichen allmahlichen Ruckgang der auswiirtigen Studentenschaft zu verzeichnen hatte wie die kleineren Universitaten GieBen, Rostock oder Helmstedtso. In Tab. 2 und 3 zeichnen sich zwar einige wichtigen Schwankungen, aber kein stetiger Ruck­gang des Anteils an nicht-hessischen Universitiitsbesuchern ab. Der niedrigste Anteilsdurchschnitt von 27,7 % erschien in den Listen der Studierenden wah­rend des Frequenztiefs von der Mitte des Jahrhunderts bis 1783. In den vier fru­heren Stichproben lag der Anteil von Nicht-Hessen weit hi:iher, wobei ins Auge fallt , dass er in den 1780er Jahren wieder anstieg. Sogar wiihrend des nachfol­genden Frequenzverfalls war der Prozentsatz von auswartigen Studierenden

BURG (wieAnm. 27), S. 301, veri:iffentlichte Studentenzahlen fi.ir 16 Marburger Listen, aber seine Gesamtzahlen stimmen in nur vier Fallen mit Tab. 2 i.iberein.

47 Alle Daten au s den gedruckten Matrikeln bei BIRT (wie Anm. 28). 48

Nur vergleichbare Stichproben aus der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts, nicht die vollstandigen Studentenverzeichnisse, ermi:iglichen einen Uberblick im Rahmen dieser Studie.

49 Die Anziehungskraft und der Ruf einer Universitat werden haufig an der Anzahl der

von weither kommenden Studierenden gemessen. Aber in den Stichproben aus der zwei­ten Halfte des 18. Jahrhunderts kamen nur ungefahr 10 % der Marburger Studenten­schaft aus einer Entfernung von i.iber 200 km, geringfi.igig mehr als die 8,7 % in der GieBener Studentenschaft, jedoch weit weniger als die 17 % in Helmstedt.

50 Zu diesen Vergleichen vgl. SCHWINGES (wie Anm. 27), S. 272- 278; ASCHE (wie Anm.

32), S. 172-181, 358-364; ALSCHNER, Helmstedt (wie Anm. 27), S. 125-129; DERS, Univer­sitatsbesuch (wie Anm. 27), S . 118-121, 144 ff., 156 ff.

Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik 75

immer noch hi:iher als um die Mitte des Jahrhunderts, im Durchschnitt doppelt so hoch wie der von GieBen oder Rostock51.

Was mag Studenten, und besonders die Nicht-Hessen unter ihnen, nach Mar­burg gezogen haben? War die Berufung beruhmter Professoren so wichtig, wie die Burger betonten? Welche weiteren Faktoren spielten bei der Wahl des Stu­dienorts eine entscheidende Rolle52? Bildungshistoriker sind sich einig, dass die deutschen Studenten der Fruhneuzeit eine Universitiit hauptsachlich aufGrund ihrer Konfession wahlten53 . Nach dem DreiBigjiihrigen Krieg hing der Ruf der Philipps-Universitiit von ihrer Stellung als eine der bedeutenden kalvinistischen Bildungsanstalten des Reiches ab54. Tatsiichlich ist anzunehmen, dass Nicht­Hessen, die nach Marburg kamen, groBtenteils Kalvinisten aus Gebieten ohne eigene Universitiit waren55. Vielleicht kann ihre Anwesenheit den hohen Anteil von Auswiirtigen zu geburtigen Hessen in den Studentenverzeichnissen nach 1786 erkliiren (Tab. 2). Doch in den Bittschriften der pragmatischen lutherischen Burgerschaft wurde Religion als Entscheidungsfaktor nicht einmal erwiihnt und for junge Marburger Manner, die aus praktischen Grunden in ihrer Heimat studieren wollten, war die Konfessionszugehorigkeit kein Hinderungsgrund56. 1782 priesen Unterburgermeister und Vierer die beiden neuen Theologieprofes­soren Endemann und Pfeiffer, aber nicht etwa wegen ihrer kalvinistischen Lehre, sondern wegen der Anzahl von Theologie-Studenten, die sie nach Mar­burg zogen.

Dies fiihrt zu einem immer wieder auftauchenden Thema in den Burgerbitt­schriften zuruck: die Berufung von renommierten Professoren als wirksamste Strategie, nicht-hessische Studenten anzuziehen. Schon 1741 hatte die Burger­schaft den Weggang von beruhmten Professoren wie den des erwahnten

51 Dennoch neigten die bi.irgerlichen Bittsteller dazu, den Anteil von Nicht-Hessen zu unterschatzen. Zweifellos war dies eine Strategie, Kassels Zustimmung zu erlangen, aber in diesem Fall war die Tendenz der Landesregierung, mit der realistischeren Einschat­zung der Professoren i.ibereinzustimmen, gerechtfertigt.

52 ASCHE (wie Anm. 32), S. 185- 215, bietet eine ausgezeichnete Analyse der Kriterien fi.ir die Wahl eines Studienortes. Leider ki:innen hier nur einige der die Bi.irgerbittschriften direkt betreffenden Faktoren angesprochen werden.

53 Ebd., S. 185; vgl. SCHWINGES (wie Anm. 27), S. 262. 54 Gerhard MENK, Die kalvinistischen Hochschulen und ihre Stadte im konfessionellen

Zeitalter, in: Heinz DuCHHARDT (Hrsg.), Stadt und Universitat (Stadteforschung, Reihe A: Darstellungen 33), Ki:iln u. a. 1993, S. 83-106.

55 Obwohl die Herkunftsorte - wie kalvinistische oder katholische Lander - der Aus­wartigen feststellbar sind, ist ihre individuelle Konfession nicht mit Sicherheit zu bestim­men, da weder die Matrikel noch die Studentenverzeichnisse Auskunft i.iber religii:ise Zu­gehi:irigkeit geben.

56 Ein systematischer Hinweis auf die konfessionelle Zusammensetzung der Studen­tenschaft kommt leider nur von den 136 gebi.irtigen Marburgern in den Stichproben, deren Konfessionszugehi:irigkeit den Kirchenbi.ichern entnommen wurde. Fast 40 % waren lutherisch in einer offiziell kalvinistischen Hochschule. SEIER (wie Anm. 10), S. 177, Anm. 21, schreibt i.iber eine Entkonfessionalisierung der Universitat Marburg ,,schon aus­gangs des 18. Jahrhunderts"; vgl. KAEHLER (wie Anm. 8), S. 456 f.; es sollte jedoch betont werden, dass lutherische Marburger injeder Stichprobe von 1654 bis 1806/07 (auBer 1724) aufscheinen.

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Christian Wolff bedauert. Die Studenten scheinen den groJ3en Wissenschaftler in hochstem Grad respektiert zu haben57, woraus Kaehler schlieJ3t, dass Wolffs uberregionaler Ruf einen besonders hohen Anteil der auswartigen Immatriku­lanten erklartss. Die Stichprobe von 1724, dem zweiten Jahr von Wolffs Mar­burger Tatigkeit, bestatigt diesen Eindruck, denn der Anteil von Inskribenten aus Hessen-Kassel (meist aus den Entfernungszonen um 50 bzw. 100 km) war relativ niedrig, wahrend der Anteil mit einer Reisestrecke von etwa 200 km fast 16 % betrug, das hochste Niveau in den Stichproben aus dem 18. Jahrhundert (Vgl. Abb. 2)59. Doch die Bedingungen for eine dauerhafte Besserung waren aufgrund der mangelhaften Infrastruktur und der unbesetzten Lehrstellen ungunstig und es gelang dem Landgrafen auch nicht, einen weiteren ,,Star", namlich Johann Christoph Gottsched, als Nachfolger Wolffs zu gewinnen. Frei­lich konnten auch weniger beruhmte Professoren den Erwartungen der Burger gerecht werden, doch die Bittsteller waren mit der Anwesenheit eines indivi­duellen Prominenten allein nicht zufrieden. In den Jahren 1741und1782 hoben sie das Problem einer unterbesetzten Fakultat hervor. Wie schon erwahnt, war es bei der Wiederbelebung der Marburger Universitat nach 1786 eine Kombina­tion von zusatzlichen Berufungen, prominenten Wissenschaftlern und wichtigen institutionellen Investitionen, die den erfolgreichsten Frequenzanstieg des Jahr­hunderts bewirkte. Diese hohe Frequenz hielt aber nicht an und der anschlie­J3ende unregelmaJ3ige Ruckgang verunsicherte die Burger erneut: 1803 ging es nicht mehr um Anzahl oder Beruhmtheit der Professoren, sondern um Universi­tatsregeln, die die Anziehungskraft der Philippina beeintrachtigten. Den Bitt­stellern zufolge besaJ3 die Universitat zwar beruhmte Wissenschaftler, die aber mehr veroffentlichen und den Studierenden gegenuber weniger streng sein soll­ten, um Studenten von Gottingen nach Marburg zu ziehen. Diese Einmischung in inneruniversitare Angelegenheiten von Seiten der Burgerschaft verscharfte die Spannungen zwischen dieser und den Professoren, von deren Rufund Tatig­keit das wirtschaftliche Wohlergehen der Stadt mit abhangig war.

Zuletzt soll noch eine fruhere Beschwerde uber die Professoren und andere Honoratioren angesprochen werden - eine Beschwerde, die zu einer der interes­santesten Burgereingaben zuruckfohrt. Nur ein Jahr ehe der Prorektor begann, seine Semesterlisten zu verfassen, klagten die Burger uber Steuerprivilegien der Honoratioren, die das angestammte Recht der Burger, Studenten zu beherber-

57 Im Gegensatz zu seinem Vorganger Denis Papin, der vom Landgrafen und der internationalen wissenschaftlichen Welt respektiert wurde, jedoch in Marburg 1688 bis 1695 niedrige Horerzahlen und wenig finanzielle Unterstiitzung hatte und wohl kaum eine Rolle im Aufwartstrend der Immatrikulationen nach 1688 spielte; vgl. KAEHLER (wie Anm. 8), S. 308, Anm. 3; Eduard WINTZER, Denis Papin's Erlebnisse in Marburg 1688-1695, Marburg 1898.

58 KAEHLER (wie Anm. 8), S. 391, Anm. 31, hat errechnet, <lass der Anteil von Aus­wartigen, ,,deren Heimat nicht im eigentlichen Hessen und in seinen unmittelbaren Nach­barlandern wie Nassau, Westfalen und der Rhein- und Maingegend gelegen war", die sich zwischen 1724 und 1740 jahrlich einschrieben, im Durchschnitt bei 25,1 % lag.

59 Fast 10 % dieser Immatrikulanten reisten iiber mehr als 300 km an. Da jedoch die i?/A.. Herkunftsorte von fast 15 % der Inskribenten nicht zu bestimmen sind, ist annehmen, I\ <lass der Anteil derjenigen, die von iiber 200 km herkamen, sicherlich hoher als f6 % war.

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gen, untergruben. Viele Verzeichnisse identifizieren die Eigentumer bzw. Ver­mieter der Studentenwohnungen; daher ist es moglich, die wirtschaftliche Konkurrenz der nichtburgerlichen Elite zu schatzen. So wohnten im Winter­semester 1786/87 275 Studierende bei 124 Hausbesitzern, von denen 51 (41,l %) individuelle Steuerprivilegierte waren. Ein Drittel dieser Honoratioren hatte Verwandte (fast immer Sohne) bei sich, aber zumindest die ubrigen 34 waren Vermieter in direkter Konkurrenz zu steuerzahlenden Burgern. Von den sieben Vermietern, die mehr als fonf Studenten im Haus hatten, waren drei Steuer­privilegierte (der Oberforster, der Universitats-Konzertmeister und einAssessor beim Peinlichen Gericht) und vier Steuerzahler (ein Kaufmann und drei Gasthalter)60. Da 104 (37,8 %) der Studenten bei steuerprivilegierten Nichtbur­gern wohnten, hatten die Burger allen Grund, sich uber diese starke Konkurrenz zu beschweren. Im April 1786 fohrte diese Situation zu der schon erwahnten Bittschrift, die um ein Verbot der Studentenbekostigung seitens der ,,schrift­sassigen" Eliten ersuchte. Dem Suchen stehet nicht zu fugen war die knappe Antwort aus Kassel61, und vielleicht war es nur ein Zufall, dass in den folgenden Jahrzehnten der Anteil der Studierenden bei steuerprivilegierten Konkurrenten auf32,0 % (WS 1796/97) bzw. 20,8 % (1806/07) absank. Doch diese Erleichterung konnte wohl kaum die wirtschaftlichen Vorteile der Honoratioren ausgleichen.

4. Die hessische Bildungspolitik

Es ist nicht leicht, den Einfluss der Burgereingaben auf die hessische Bildungspolitik einzuschatzen, weil die Landesregierung den Anlass oder die Grunde for ihre Beschlusse nicht immer angab. Die Marburger Bittschriften, die um hohere Studentenzahlen ersuchten, scheinen keine unmittelbare Wirkung gehabt zu haben. Im Gegenteil waren die Reaktionen des Geheimen Rates eher negativ: Nicht nur wurde 1786 eine Anderung von burgerlichen und nichtburger­lichen Privilegien abgelehnt, sondern sch on vier J ahre zuvor bekamen Burger­meister und Rat den Bescheid, sich um die eigenen Angelegenheiten zu kum­mern und es dem Landgrafen zu uberlassen, Sorge for die Entwicklung der Universitat zu tragen. Auch die konkreten Vorschlage zu weniger strikten Diszi­plinarverfahren 1803 brachten keine direkte Abhilfe. Es ist anzunehmen, dass die hessische Regierung in diesem Fall weit wichtigere und dringendere Probleme hatte. Im Ubrigen aber scheint es klar, dass die kultur- und bildungs­politischen Interessen der Landgrafen sich im gesamten 18. Jahrhundert auf mehrere Institutionen, die Universitaten in Marburg und Rinteln, die Hanauer Akademie sowie das Collegium Carolinum, die kunst- und naturwissenschaft­lichen Akademien und das Fridericianum in Kassel, verteilten - von den beein­druckenden und sehr kostspieligen Bauprojekten ganz zu schweigen.

60 Die haufigsten biirgerlichen Berufe in der Stichprobe waren Gasthalter bzw. -geber, Wirt, Bierbrauer, Kaufmann, Becker und Metzger. Von den Professoren hatten 1786/87 zwei, Prof. jur. von Johann Heinrich Christian Selchow und Prof. theol. Johann Jacob Pfeiffer, je drei Studenten, die meisten Eigentiimer oder Vermieter jedoch nur einen oder zwei Studenten bei sich wohnen.

61 StAM, Best. 330, Marburg B 907, Resolution des Geheimen Rats in Kassel, 7.4.1786.

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Obwohl die Universitat nicht von hochster finanzieller oder kultureller Priori­tat for die Landgrafen war, teilte die Landesregierung die Sorgen der Marburger Einwohner um Immatrikulationszahlen und bemiihte sich, Abhilfe zu schaffen. 1749 nahm sie eine Untersuchung uber die Ursachen der Studentverluste vor62, versuchte ohne Erfolg, Christian Wolff <lurch Gottsched zu ersetzen, und schien so empfindlich wie die Marburger Professoren in Bezug auf die Konkurrenz des moderneren Emporkommlings in Gottingen. Obwohl sie nicht gewillt waren, viel Geld in teure Berufungen und die Infrastruktur zu investieren, widersetzten sich die Landgrafen jedoch dem Plan , die Universitat als Teil des Carolinums nach Kassel zu verlegen - ein Zeichen, dass die Marburger Universitat unter den Ratgebern der Fiirsten iiberzeugende Freunde hatte. Ubrigens bewies die Lan­desregierung ihrer ersten Universitat gegeniiber immer eine pragmatisch merkantilistische Einstellung, die die Marburger ganzlich akzeptierten und die selbst die Professoren in einem erheblichen Grad teilten. Es war die Haupt­aufgabe der Universitat, den zukunftigen Mitgliedern der hessischen Staats­kirche und Landesverwaltung eine gute Berufsausbildung zu bieten; wenn sie dariiber hinaus auch Nicht-Hessen und mit ihnen auswartige Gelder ins Land bringen konnte, war dies um so besser.

Wie viele andere deutsche Fiirsten im 18. Jahrhundert ergriffen auch die hes­sischen Landgrafen MaBnahmen, die Studentenzahlen ihrer Landesuniver­sitaten zu erhohen. Als erstes ordneten sie an, <lass einheimische Sohne, die eine Stellung im Staatsdienst anstrebten, mindestens zwei Jahre an den heimischen Landesuniversitaten absolvieren mnssten. Diese erste hessische Verordnung von 1723 wurde 1731 erneuert, dann 1771 und 1782 wiederholt, wobei der zuneh­mend scharfere Ton der Edikte zeigt, dass die fruheren erfolglos geblieben waren63. Bekanntlich waren solche Neuerungen keine Seltenheit in der friihneu­zeitlichen Staatenwelt. Eine ahnliche Diskrepanz zwi schen Vorsatz und Ausfoh­rung mag wohl auch andere MaJ3nahmen gekennzeichnet haben, die das Studium in Marburg attraktiver gestalten sollten. Gelegentlich setzte die Lan­desregierung das Curriculum und die Unterrichtspraxis fest, um das Studium geordneter oder planmassiger zu machen. 1766 entwarf der Landgraf einen kompletten Lehrplan for jede der ;1er Fakultaten, mit der ausdriicklichen Ab­sicht, es Studenten ohne Stipendiwn zu ermoglichen, ihr Studium in drei oder vier und denjenigen mit Stipendien in fonf Jahren zu absolvieren. Obgleich das Programm schon sehr anspruchsvo!] war, schrieb Kassel den Professoren vor, an vier Wochentagen Vorlesungen zu halten und Veranstaltungen, die sich zeitlich iiberschnitten , tunlichst zu vermeiden. Dariiber hinaus sollten sie ihre Kurse bis Semesterende abschlieBen oder ihr Honorar einbiiBen.64. 1782 wies der Landgraf die Professoren an, ihre Vorlesungen piinktlich zu beginnen, Abschweifungen zu vermeiden und die Gewohnheit aufzugeben, am Ende des Semesters Doppelvor­lesungen zu halten, um ihre Kurserechtzeitig zu bee nden65. AuBerdem zogerte

62 KAEHLER (wie Anm. 8), S. 391, A=. 31, S. 394, Anm. 3 2. 63 H LO 3: 920, ?.6. 1723 ; 4: 52 f., 12.61731; 6: 605 f., 12.3 .1771; 6: 1.066, 1.7.1782. 64 Ebd., 6: 306-311, 17. 1.1766; KAEHLER (wieAnm. 8), S . 415. 65 H LO 6: 1.063- 1.066, 21.6.1782; K4EHLER (wie Anm. S)t, S. 419 f.

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die Landesregierung nicht, Professoren ob ihrer Lassigkeit zu schelten, auch hierdurch deutlich bemiiht, Marburgs Qualit at als Studienort zu verbessern.

Es bleibt offen, wie nachdriicklich diese Verfogungen durchgesetzt wurden, aber in den 1770er und 80er J ahren schien die Landesregierung mehr denn je dazu entschlossen, die Studentenzahlen zu erhohen. Etwaige gute Vorsatze, die Immatrikulationen zu begiinstigen, waren in dieser Zeit jedoch verbunden mit Bedenken um sozialen Aufstieg und Akademikeriiberschuss, die die hessischen Beamten mit anderen deutschen Regierungen teilten66. Im Fall Hessens fand diese Mischung aus wirtschaftlichen und sozialen Angsten in landgraflichen Erlassen ihren Ausdruck. Die erste, eher allgemeine Verordnung erschien 1774 und war an den gemeinen Mann gerichtet:

Nachdem Wir misfallig wahrgenommen, dafJ uiele gemeine Unterthanen, welche sich von ihrem biirgerlichen oder biiuerlichen Gewerbe gantz wohl niihren, wann sie ihr Vermiigen bis zu einer gewissen oft nicht einmal hinreichenden Grii/Je hinauf ge­bracht haben, alsdann aus blofJem Uebermuth und um nur ihre Familie iiber den Stand zu erheben, ihre Siihne zu einem hiiheren Beruf, wozu sie sich gleichwohl oft am allerwenigsten schicken, bestimmen und aufziehen lassen, hierdurch aber nicht nur dieselben, anstatt ihnen eine Wohlthat zu erzeigen, vielmehr nicht selten auf ihr ganzes Leben ungliicklich machen, sondern auch dem Ackerbau, den Professionen, Kunsten und Fabriquen viele Hande entziehen und solchergestalt dem Staate auf eine doppelte Weise gro/Jen Schaden zufiigen; So finden Wir Uns bewandten Umstiin­den nach bewogen, hierdurch gniidigst zu verordnen, da/J niemand von Burgern oder Bauern, noch auch ein Herrschafftlicher Liuree-Bedienter seine Kinder von den ge­meinen Handthierungen ab und zum Studieren, oder zu dem Stande der sogenann­ten Honoratiorum erziehen soll, er habe denn vorher hinliingliche Attestate von deren Fahigkeit, Talenten, und, dafJ sie sich zu dem erwiihlten hiiheren Stande schicken, beygebracht, und Unsre gnadigste Einwilligung dazu erhalten; gestalten diejenige, welche ohne diese Erlaubni/J sich von nun an dem Studieren widmen, schlechterdings zu keinem Beneficio oder Stipendio sich Hoffnung zu machen, auch, dafJ sie nicht employirt oder befiirdert werden, und nach Befinden noch schiirferen Einsehens zu gewiirtigen haben67.

Diese erste Zulassungsbeschrankung hing eher mit den Vorurteilen bzw. Vorbehalten der Regierung gegen Aufstiegsmobilitat als mit wirtschaftlichen Aspekten zusammen. Wie die Professoren in einer Bitte um Milderung der stren­gen Regeln betonten, kam die Verordnung zu einem Zeitpunkt, an dem die Fre­quenz sowohl in der Universitiit als auch in hessischen Gymnasien und Schulen besonders niedrig war. Die erwiihnten Zugangsbeschriinkungen konnten dem flor und Ansehen der Universitat und der Nahrung der Stadt , beide von der Anzahl der Studenten abhiingig, weiteren Schaden zufogen. Sie konnten sogar der Grund dafiir sein, dass zwanzig Jahren spiiter nicht genug ausgebildete Manner for die Stellen in Kirchen-, Schul- und Staatsdienst vorhanden wiiren. Gleichzeitig lieBen die Bittsteller vorsichtig Zweifel an dieser Standespolitik laut werden:

66 AscHE (wie Anm. 32), S. 216-220, bietet einen guten Uberblick iiber das umstrittene Forschungsthema.

67 HLO 6: 769 f., 2.7.1774; vgl. StAM, Best. 5, Nr. 7.750, lr-21r, Vorakten und Kopie der Verordnung.

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Vielleicht wird dadurch manches grosse Genie den Wissenschaften zu unwieder­bringlichem Schaden entzogen, da die Erfahrung, sowohl in Hessen als auswarts lehret, da/3 der Burger- und Bauernstand afters Manner uon grosen Talenten geliefert hat6B.

Diese Argumentation beeinflusste die Einstellung der Landesregierung kei­neswegs , obwohl es nicht moglich ist, ohne Beweismaterial wie Annahmever­weigerungen oder Dispensen zu schatzen, ob und in welchem Ma13e diese ersten Einschrankungen durchgesetzt wurden69.

Nach der Wiederbelebung der Universitat und den hi:iheren Immatrikulatio­nen der spaten 1780er und fruhen 90er Jahre fohrte der Landgrafjedoch immer strengere Zugangsbeschrankungen ein. Bis 1793 forch tete man nicht den Man­gel an qualifiziertem Personal, vor dem die Professoren gewarnt hatten, sondern im Gegenteil ein Arbeitslosenproblem bei Hochschulabsolventen:

Nachdem die Anzahl derer Landes-Kinder, welche sich dem Studiren widmen, seither so zugenommen, da/3 solche mit denen Aussichten, welche ihnen der erwahlte Stand giebt, in keinem Verhaltni/3 mehr stehet, und daher uiele unuersorgt bleiben, somit alsdann den Ihrigen, oder dem Staat zur Last fallen milssen; So finden Wir Uns bewogen, die unterm 2ten Julius 1774 uon Unsers in Gott ruhenden Herrn Vaters Gnaden zu Einschrankung des Studierens bereits erlassene Verordnung auch auf alle Diener, welche nicht wenigstens in der siebenten Classe der Rang-Ordnung stehen, jedoch in der Maf3e zu erstrecken, da/3 den Predigern uerstattet seyn solle, einen ihrer Sohne ohne uorgangige Dispensation studieren zu lassen. Allen Unsern Uniuersitaten, Hohen Schulen und Gymnasien aber untersagen Wir ernstlich, niemand wider dieser Verordnung zuzulassen, sondern sich sowohl, als ein jeder anderer, den es angehet, hiernach unterthanigst zu achten [ ... ]70.

Ab 1793 mussten dann nicht nur Bauern oder einfache Burger, sondern sogar Staatsdiener von niederem Rang um eine spezielle Zulassungserlaubnis for ihre Sohne ansuchen. Nur Sohne von Professoren und hoheren Beamten wurden nach dem Schulabschluss ohne Beschrankung zum Studium zugelassen. Ob­gleich Pastoren jeweils einen ihrer Sohne auf die Universitat schicken konnten, durften junge Manner aus anderen Schichten oder Rangen ohne Dispens oder

68 Ebd. , 22r-26v, Bittschrift, 10.11.1776, von Prorektor und Professoren sowie die Resolution des Geheimen Rats, 12.11.1776, Nachdem die Ordnung aus guten Grunden und mit gutem Vorbedacht errichtet worden, die dagegen angefilhrte Grilnde aber keinesweges erheblich sind, so hat es auch dabey sein bewenden.

69 Die Einschreibungen in der gedruckten Matrikel bei BIRT (wie Anm. 28) zeigen keine Zulassungen mit Dispens zwischen den Jahren 1774 und 1785, drei 1786, danach wieder keine bis 9.4.1795 und dann regelmaBige Dispensationen bis 1807. Unklar ist jedoch, ob dieser Befund auf ein gewisses laissez-faire oder eher auf eine sorgfaltige Prufung der Herkunft oder anderer Qualifikationen und vielen daraus erfolgenden Annahmeverwei­gerungen var 1795 deutet. Stefan BRAKENSIEK, Furstendiener - Staatsbeamte - Burger. Amtsfohrung und Lebenswelt der Ortsbeamten in niederhessischen Kleinstadten (1750-1830) (Burgertum 12), Gottingen 1999, S. 65, kam die Dispenspflichtigen unter den Orts­beamten betreffend zu folgendem Schluss: ,,Offenbar zag die Einfohrung der Studien­beschrankungen keine groBere Exklusivitat des sozialen Rekrutierungsfeldes for die kiinftigen Ortsbeamten nach sich".

70 HLO 7: 576, 21.12.1793; 6: 42 ff., Rang-Reglement, 13.3.1762; 7: 860 f., Rang-Ord­nung for die Civil-Dienerschaft, 3.11.1800.

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Sonderzulassung nicht studieren. ,,Ausgeschlossen waren damit die Sohne der Burgermeister (auch der von Kassel und Marburg), der Amtmanner, der Advo­caten, Arzte und Pfarrer, a lso des tiberwiegenden Teils des akademisch gebilde­ten Btirgertums"71 . Waren entsprechende Anstellungsmoglichkeiten zwar eine Hauptsorge des Landgrafen, waren seine Beschltisse doch nach wie vor auch stark von Standesbewusstsein gepragt. In diesem Fall war seine Auffassung so begrenzt, dass der hessische Landtag 1798 um Liberalisierung bat:

Die zu den Wi/3enschaften erforderliche Talente sind nicht besondere Eigenschaften des Standes und Rangs und7:aj3en sich keine Grenzen anweisen. Die Erfahrung lehrt uielmehr, da/3 Leute uon geringer Herkunft dem Staat die nutzlichsten Dienste ge­leistet haben. Auf3erdem sind wohlhabende Einwohner eines Landes, wenn sie gleich zu einer geringern Claj3e gehoren, schazbare Unterthanen, weil ihr Vermogen nicht nur uielfaltige Einflu/3 in das gemeine Beste hat, sondern auch zum Vortheil des Herrschaftlichen Interesse gereicht. Dergleichen Unterthanen die ihre Sohne aus eigener Mitteln studiren laf3en konnen, durften daher wo nicht eine grosere doch wenigstens eine gleiche Rucksicht als diejenigen Manner uom Stande uerdienen. [ ... ] Anwesende Stande und Deputirten van Pralaten, Ritter- und Landschaft wunschen und bitten daher gehorsamst, da/3 die beim Studiren der Landeskinder gemachte Einschrankung aufgehoben und dem allerlichen Gutfinden uberlaj3en werden moge72.

Das Resultat dieser Bittschrift um Bildungschancen for begabte junge Man­ner, besonders die aus dem Btirgerstand, war ein Kompromiss seitens der Lan­

desregierung:

Hat es bey denen erlaf3enen Verordnungen [177 4 bzw. 1793] lediglich sein Bewenden, jedoch werden Serenissimus bey Burgers Sohne, welche das Erforderliche Vermogen haben, und sonst dazu qualifiziert sind, nach Befinden gnadigst zu dispensiren geneigt seyn73.

In den Stichproben stieg die Anzahl von Studierenden, die mit Dispensationen eingeschrieben wurden, tatsachlich von nur 3 (1,1 %) im WS 1786/87 auf 17 (7,6 %) im WS 1796/97 und dann auf 33 (20,8 %) 1806/07 an74. Demnach war es

71 Gunter HOLLENBERG (Hrsg.), Hessen-Kasselische Landtagsabschiede 1649-1798 (VHKH 48/3), Marburg 1989, S. 609, Anm. 92; unrichtig aber die Behauptung, dass die Einlassungsbeschrii.nkung auf die ersten sieben Rangklassen schon im Jahre 1774 in Kraft trat.

72 StAM, Best. 5, Nr. 7.750, 63r-66r, Desiderium commune XX. das Studiren der Lan-deskinder betr., 10.1.1798.

73 Ebd., Resolution des Geheimen Rats, 16.1.1798; vgl. HOLLENBERG (wie Anm. 71), S. 609 f.

74 StAM, Best. 5, Nr. 8.250; Best. 305n, Nr. 333; Best. 5, Nr. 7.784 sowie BIRT (wieAnm. 28); vgl. BRIEGER (wie Anm. 24), S. 345. Leider gibt es hier nur for die wenigen Studenten aus der Stadt Marburg selbst zuverlassige soziale Daten: StAM, Herkunft und Beruf aus dem Marburger Sippenbuch 1500-1850, hrsg. van Kurt STAHR, 23 Bde. masch., Marburg 1950-1966, Eintragungen mit MSB-Nr. identifiziert. Drei Marburger Studenten, zwei jungere Sohne von Oberpfarrern und der Sohn eines wohlhabenden Gastwirts, hatten 1796/97 je einen Dispens, obwohl die beiden Sohne Jacob Hofmanns, Nachrichter in Mar­burg, interessanterweise keine Dispensation benotigten. Der Sohn des Gastwirts studierte Jura und wurde Notar in Frankfurt, alle anderen studierten Medizin und wurden Arzte. Die fonf Studenten waren Justus Friedrich Fenner (MSB 13.934), Johann Conrad Fiebell

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die Strategie der Landesregierung, weiterhin die Frequenz zu uberwachen und das Prinzip der AusschlieBung zwar offiziell beizubehalten, jedoch gleichzeitig eine zunehmend flexible Zulassungspolitik zu tolerieren.

5. Ergebnisse: Drei Perspektiven

So war die Studentenzahl ein zentrales Problem, das sowohl die Interessen von Stadt, Universitiit und Landesregierung als auch die Ambivalenz der hessi­schen Bildungspolitik am Ende des 18. Jahrhunderts zeigt. Obzwar sowohl Bur­ger und Professoren in Marburg als auch der Landgraf ein Aufbliihen der Uni­versitiit erhofften, sahen sie dies aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Am logischsten und unkompliziertesten erscheint die pragmatische Haltung der bur­gerlichen Bittsteller. Sie begriffen ihre wirtschaftliche Abhiingigkeit von einer erfolgreichen Institution, deren Studenten moglichst viel Geld in die Stadt brin­gen sollten. Deshalb bevorzugten sie Nicht-Hessen, die ihrer Meinung nach mehr ausgeben mussten als die einheimischen Studenten, welche Familien und Geldmittel in Reichweite hatten. Je wohlhabender die Studenten, desto besser -diese Vermutung geht aus den Eingaben hervor, deren immer gezieltere Bitten um MaBnahmen, wie renommierte Professoren, eine groBzugigere Kreditpolitik, mildere Disziplin und Zulassung von Studentenverbindungen, die die Univer­sitii.t for elitiire Kreise anziehender machen sollten. So sprachen sich die Burger nicht gegen eine elitiire Hochschulbildung per se aus, sondern gegen unverant­wortliche Professoren sowie gegen Honoratioren, die ihre Steuerprivilegien miss­brauchten, um die auf studentische Tischhaltung angewiesenen Burger zu uber­vorteilen.

Doch wo die Marburger Bugerschaft um verstiirkte MaBnahmen for Studen­tenanwerbung bat, reagierten die Professoren entrustet und defensiv. Sie ver­ubelten jede Einmischung von Seiten der Kaufleute und Handwerker, die statt Bildung ihre eigenen pekuniiiren Interessen in den Mittelpunkt stellten. Sie teilten zwar die Ansichten der Burger, dass Professoren in loco parentis handeln sollten, aber for sie bedeutete dies Disziplin und Sozialisierung, nicht das Verhiitscheln der Studenten als Kunden, mit denen Geld zu machen war. Ihrer Meinung nach sollten Veroffentlichungen nicht hoher gewertet werden als die Lehrtiitigkeit. Ihre Ansicht ii.her eine Ausgewogenheit von auswiirtigen und ein­heimischen Studenten war sachkundiger und uneigennutziger als die in den bur­gerlichen Bittschriften, obwohl sie den Burgern nie widersprachen, wenn es um die allgemeine Wichtigkeit von hoheren Immatrikulationszahlen ging. Obgleich sie ihrer Zugehorigkeit zur Elite des Landes und den damit verbundenen Steuer­privilegien sicher waren, teilten die Professoren das Vorurteil der Landesregie­rung gegen Aufstiegsmobilitiit nicht. 1776 iiuBerten sie eine milde Kritik an den ersten Studienbeschriinkungen und das Anstreben einer liberaleren Zulassungs-

CMSB 14.056), Johann Jacob Georg Justi (MSB 19.383), Georg Friedrich Hofmann (MSB 17.971) und Johann Anton Hofmann (MSB 17.971). Im WS 1806/07 studierte Anton Fie­bell (MSB 14.056), der ji.ingste Sohn eines Gastwirts, Jura, wiihrend Ferdinand Wendel­stadt CMSB 36.258) Sohn eines Arztes war und spiiter selbst Arzt in Hersfeld wurde. Alle diese jungen Manner wiihlten freie Berufe und wiiren unter der restriktiven Standespoli­tik des Landgrafen wahrscheinlich vom Studium ausgeschlossen worden .

Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik 83

politik im Landtag von 1798 war wohl in ihrem Sinn. Als regimetreue Diener konnten sie eine Elite auf der Basis von Talent und Besitz beforworten. Ohne eine eigentliche Opposition zu bilden, erhofften sie eine groBzugige Unterstut­zung der Lehrstellen und der Infrastruktur sowie eine offenere Bildungspolitik.

Doch diese ambivalente Politik wies keine klare Richtung auf, da es unter­schiedliche Anspruche zu vereinbaren galt und die Universitiit mehreren Zwecken dienen sollte. Ihre ursprungliche und wichtigste Rolle war, eine hohere Ausbildung for den Staatsdienst zu bieten. Gegen Ende des J ahrhunderts deute­ten erweiterte Programme for Medizin und Naturwissenschaften auf den prag­matischen Ehrgeiz, der auch Landesregierung und Professoren motivierte, gebil­dete und nutzliche Manner als Pfarrer, Juristen und Arzte im Staatsdienst oder in freien Berufen zu haben. Gleichzeitig konnte die Universitiit das Ansehen des Landgrafen auBerhalb Hessens erhohen, indem die Ausbildung von reformierten Pfarrern dem hiesigen und ausliindischen Kalvinismus diente und gleichzeitig auswiirtiges Geld ins Land brachte. Hier deckten sich die Interessen der Lan­desregierung und der Stadt Marburg, denn beide betrachteten die Universitiit als Mittel, die zerruttete Wirtschaftslage zu verbessern, und so waren die Bur­gereingaben angemessene Schritte, um staatliche Interventionen zu erwirken. Trotz Scheltens oder gelegentlicher Zuruckweisungen gibt es keinen Grund, an der ,,viiterlichen" Sorge der Landgrafen um Marburgs Wohlergehen zu zweifeln. Eine erfolgreiche Universitiit lag in aller Interesse.

Obwohl die Landesregierung dieser Einschiitzung von der Bedeutung ihrer Universitiit beistimmte, erwog sie bei ihren Beschlussen ii.her Bildungspolitik und Studentenzahlen auch andere Umstiinde. Die Landgrafen wollten eine renommierte Universitiit in Marburg, waren aber nicht gewillt, zum Nachteil anderer Bildungsanstalten oder kultureller Vorhaben Gelder zu investieren -zumindest nicht vor 1786. Sie erkannten die Vorteile einer guten Universitiit an, forchteten jedoch ein allzu schnelles Wachstum der Studentenzahlen nach dem groBen Aufschwung. Dazu kam gegen Ende des Jahrhunderts die Besorgnis um einen Akademikeruberschuss. AuBerdem hatten die hessischen Landgrafen schon zuvor eine vielleicht noch stiirkere Beforchtung angesprochen, die den sozialen Aufstieg in die gebildeten Eli ten betraf: Die Zulassungsbeschriinkungen konnten zu einer Abnahme und nicht zu einem Zuwachs der Eliten fohren, denen die Universitiit dienen sollte und die die Burger als ihre besten Kunden betrachteten. Die notleidenden Marburger sahen eine zahlreiche und zahlungs­kriiftige Studentenschaft als einen Weg aus ihrer Wirtschaftsmisere. Doch die Landesregierung war nur bedingt gewillt, diesen Weg einzuschlagen - somit blieb Ambivalenz das Merkmal der hessischen Bildungspolitik am Ende des 18. Jahrhunderts und auch noch daruber hinaus.

84 Gerald L. Soliday Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik 85

Tab. 1. Jahrliche Immatriku latione n in Marburg 1653-1815 Tab. 2. Studierend e in Marburg 1749-1815

Jahr Zahl .Jahr Zahl .Jahr Zahl .Jahr Zahl .Jahr Zahl .foohr Zahl Datum Anzahl Hessen Nicht- Datum Anzahl H es sen Nicht-1653 196 1680 93 1707 68 1735 123 1762 53 1789 136 in% Hess en in % Hessen 1654 110 1681 95 1709 73 1736 123 1763 83 1790 150 in % in% 1655 87 1682 78 1710 78 1737 115 1764 109 1791 112 Okt. 1749 193 68,4 31,6 ws 93/94 292 59,6 40,4 1656 109 1683 62 1711 59 1738 101 1765 74 1792 141 SS 94 323 57,0 43,0

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Jahr Immatrikulierte Hessenin % Nicht-Hessen in% 1654 110 50,0 50,0 1677 71 52 1 479 1700 102 56 9 431 1724 101 48,5 51,5

84 Gerald L. Soliday Die Marburger Studentenschaft und die hessische Bildungspolitik 85

Tab. 1. Jahrliche Immatrikulationen in Marburg 1653-1815 Tab. 2. Studierende in Marburg 1749-1815

Jahr Zahl J ahr Za hl J a h r Zahl Jahr Zahl Jahr Za hl Jahr Zahl Datum Anzahl Hess en Nicht - Datum Anzahl Hessen Nicht-1653 196 1680 93 1707 68 1735 123 1762 53 1789 136 in% Hes sen in% Hessen 1654 110 1681 95 1709 73 1736 123 1763 83 1790 150 in% in% 1655 87 1682 78 1710 78 1737 115 1764 109 1791 112 Okt. 1749 193 68,4 31,6 ws 93/94 292 59,6 40,4 1656 109 1683 62 1711 59 1738 101 1765 74 1792 141 SS 94 323 57,0 43,0

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J ahr Immatriku lierte Hessen in % Nicht-Hessen in % 1654 110 50,0 50,0 1677 71 52 1 47,9 1700 102 56 9 43.1 1724 101 48,5 51,5

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