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Auffälligstes und namen- gebendes Kennzeichen des Hirschkäfers sind die geweih- artig ausgebildeten Oberkie- fer der Männchen. Sie sind zur Nahrungsaufnahme nicht geeignet, sie dienen Rivalen- kämpfen und zum Festhal- ten der Weibchen während der Paarung. Die Mandibeln der Weibchen sind viel kürzer, aber ebenfalls kräftig. Die Körperlänge ist geschlechtsspezi- fisch verschieden. Männchen werden 35–75 mm, max. 90 mm lang (gemes- sen mit den Ober- kiefern), Weibchen 25–45 mm. Beide Geschlechter kom- men in sehr unter- schiedlichen Grö- ßen vor, die von den Ernährungsbedingungen der Larven abhängen. Kleine Ex- emplare werden gelegentlich als »Rehkäfer« bezeichnet. Die Hirschkäfer schwärmen vor allem von Mitte Juni bis Ende Juli, meist in der Däm- merung an lauen Abenden und brummen laut im Flug. Sie leben in Laubwäldern, be- sonders an alten Eichen. Der Hirschkäfer (lateinisch: Lucanus cervus) dürfte einer der bekanntesten Käfer über- haupt sein. Er ist die größte hier lebende Art, und die im- posanten Oberkiefer (Mandi- beln) der Männchen verleihen ihm zusätzlich ein Achtung gebietendes Aussehen. Der Hirschkäfer gehört zur Familie der Schröter (Luca- nidae). Nicht alle Arten sind aber durch ein hirschähn- liches Geweih ausgezeichnet, so dass die sich auf die Zer- kleinerung des Holzes (zer- schroten) beziehende Be- zeichnung »Schröter« als deutschsprachiger Name für diese Käferfamilie üblich ist. Die meisten Schröter-Arten leben in Süd- und Südost- asien. Weltweit kennt man über 1.520 Arten, in Europa leben 11, in unserem Gebiet 7 Arten. Hirschkäfer – einer von 7 Schröter-Arten in Mitteleuropa Seit Jahrtausenden erregt der Hirschkäfer die Aufmerksam- keit des Menschen. Mythen sprechen ihm magische Kräfte zu, zum Beispiel soll er Blitze anlocken können. Volksnamen wie Donner- käfer, Hausbrenner oder Feuerschröter deuten in diese Richtung. Malerei, Grafik, Heraldik, Plastik und Literatur sind reich an künst- lerischen Darstellungen unseres Käfers. Berühmt ist das Bild von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1505. Mythos Hirschkäfer Aus dem Leben des Riesen Männchen und Weibchen brauchen für die Reifung ihrer Keimzellen Baumsaft, der bestimmte Pilze enthält, weshalb sie entsprechende Wundstellen des Baumes aufsuchen müssen. Solche Saftflüsse werden meist durch Frostrisse, Windbruch oder Blitzschlag erzeugt und sind von einer Vegetationspe- riode bis zu mehreren Jahren aktiv. Für die Aufnahme von Säften sind Unterkiefer und Unterlippe der Hirschkäfer besonders ausgebildet, sie formen ein großes, gefieder- tes, gegabeltes, gelbliches »Pinselchen«. Mit Pinselchen an der Saftschänke Hirschkäfermännchen auf einem Eichenzweig, Foto: P. Schuetz, blickwinkel Bildnis eines Hirschkäfers von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1505, Reproduktion Ruhendes Hirschkäferweibchen auf einem Eichenzweig, Foto: J. Kottmann, blickwinkel Hirschkäfermännchen mit ausgebreiteten Flügeln kurz vor dem Start, Foto: Mc PHOTO, blickwinkel Tafel 1 Hirschkäfer – Insekt des Jahres 2012 Forst

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Auffälligstes und namen- gebendes Kennzeichen des Hirschkäfers sind die geweih-artig ausgebildeten Oberkie-fer der Männchen. Sie sind zur Nahrungsaufnahme nicht geeignet, sie dienen Rivalen-kämpfen und zum Festhal-ten der Weibchen während der Paarung. Die Mandibeln der Weibchen sind viel kürzer, aber ebenfalls kräftig. Die Körperlänge ist geschlechtsspezi-fisch verschieden. Männchen werden 35–75 mm, max. 90 mm lang (gemes-sen mit den Ober-kiefern), Weibchen 25–45 mm. Beide Geschlechter kom-men in sehr unter-schiedlichen Grö-ßen vor, die von den

Ernährungsbedingungen der Larven abhängen. Kleine Ex-emplare werden gelegentlich als »Rehkäfer« bezeichnet. Die Hirschkäfer schwärmen vor allem von Mitte Juni bis Ende Juli, meist in der Däm-merung an lauen Abenden und brummen laut im Flug. Sie leben in Laubwäldern, be-sonders an alten Eichen.

Der Hirschkäfer (lateinisch: Lucanus cervus) dürfte einer der bekanntesten Käfer über-haupt sein. Er ist die größte hier lebende Art, und die im-

posanten Oberkiefer (Mandi-beln) der Männchen verleihen ihm zusätzlich ein Achtung gebietendes Aussehen.

Der Hirschkäfer gehört zur Familie der Schröter (Luca-nidae). Nicht alle Arten sind aber durch ein hirschähn- liches Geweih ausgezeichnet, so dass die sich auf die Zer-kleinerung des Holzes (zer-schroten) beziehende Be-zeichnung »Schröter« als

deutschsprachiger Name für diese Käferfamilie üblich ist.

Die meisten Schröter-Arten leben in Süd- und Südost- asien. Weltweit kennt man über 1.520 Arten, in Europa leben 11, in unserem Gebiet 7 Arten.

Hirschkäfer – einer von 7 Schröter-Arten in Mitteleuropa

Seit Jahrtausenden erregt der Hirschkäfer die Aufmerksam- keit des Menschen. Mythen sprechen ihm magische Kräfte zu, zum Beispiel soll er Blitze anlocken können. Volksnamen wie Donner- käfer, Hausbrenner oder

Feuerschröter deuten in diese Richtung. Malerei, Grafik, Heraldik, Plastik und Literatur sind reich an künst-lerischen Darstellungen unseres Käfers. Berühmt ist das Bild von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1505.

Mythos Hirschkäfer

Aus dem Leben des Riesen

Männchen und Weibchen brauchen für die Reifung ihrer Keimzellen Baumsaft, der bestimmte Pilze enthält, weshalb sie entsprechende Wundstellen des Baumes aufsuchen müssen. Solche Saftflüsse werden meist durch Frostrisse, Windbruch oder Blitzschlag erzeugt und

sind von einer Vegetationspe-riode bis zu mehreren Jahren aktiv. Für die Aufnahme von Säften sind Unterkiefer und Unterlippe der Hirschkäfer besonders ausgebildet, sie formen ein großes, gefieder-tes, gegabeltes, gelbliches »Pinselchen«.

Mit Pinselchen an der Saftschänke

Hirschkäfermännchen auf einem Eichenzweig, Foto: P. Schuetz, blickwinkel

Bildnis eines Hirschkäfers von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1505, ReproduktionRuhendes Hirschkäferweibchen auf einem Eichenzweig, Foto: J. Kottmann, blickwinkel

Hirschkäfermännchen mit ausgebreiteten Flügeln kurz vor dem Start, Foto: Mc PHOTO, blickwinkelTa

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Ein besonderes Kennzeichen der Larven ist das Vorhan-densein eines Organs auf der Rückseite der Hüften der Mit-telbeine und der Vorderseite der Oberschenkel der Hinter-beine. Durch Reiben der bei-den Teile gegeneinander kön-

nen Töne erzeugt werden. Der sogenannte Stridulations-laut besteht aus einem kurzen Knarren, das manchmal wie-derholt wird, die Frequenz er-reicht 11 kHz. Die Funk- tion der Lautäußerung ist noch nicht geklärt.

wird dadurch eingeleitet, dass das Weibchen einen Saftfluss aufsucht, wo es mit Männchen zusammentrifft. Letztere fliegen in der Abenddämmerung an, mitunter sogar mehrere bei ei-nem Weibchen. Dort erfolgen auch die bekannten Komment-kämpfe der Männchen unterei-nander, an denen sich oft meh-rere Exemplare beteiligen.

Der Sieger stellt sich über das Weibchen, wobei die Köpfe in die gleiche Richtung zeigen, und hindert mit seinen Mandi-beln das Weibchen am Fort-

laufen. Das Männchen bleibt in dieser Stellung unter Um-ständen mehrere Tage und ver-teidigt die Leckstelle und das Weibchen. Es nimmt in dieser Zeit auch selbst Nahrung auf, indem es seine Mundwerk- zeuge zwischen den bogen-förmigen weiblichen Mandibeln hindurchführt. Schließlich er-folgt die Paarung. Eine eigen-artige Besonderheit der Männ-chen liegt im Bau des Penis mit einem auffällig langen dünnen Schlauch, der etwa 20 mm lang und in Ruhe spiralig aufgerollt ist.

Das Fortpflanzungsverhalten

Knarrende Laute

Das Weibchen gräbt sich nach der Begattung 30 – 50 cm tief in die Erde ein, um im Laufe von 2 Wochen in mehreren Aktionen seine 50 – 100 Eier außen an morsche Wurzel-stöcke, vor allem von Eichen, abzulegen. Die weißlich- gelben, leicht ovalen Eier haben einen Durchmesser von 3,0 x 3,4 mm, ihr Gewicht beträgt 0,02 g.

Nach etwa 14 Tagen schlüpfen die Larven. Sie häuten sich zweimal; die 3 Stadien unter- scheiden sich in ihrer Größe erheblich und erreichen schließlich eine Länge von 10 – 12 cm. Für ihre Entwick-lung benötigen sie wohl meist 5 Jahre, es können aber auch 6 bis 8 Jahre bis zur Ver- puppung vergehen.

Vom Ei zu Larve und Puppe

Zwei Hirschkäfermännchen stehen sich drohend gegenüber, Foto: Mc PHOTO, blickwinkel

Zwei Hirschkäfermännchen beim Kommentkampf, Foto: Mc PHOTO, blickwinkel

Hirschkäfer-Pärchen bei der Paarung, Foto: A. Hartl, blickwinkel

Tafel aus dem Buch „Insecten-Belustigung“ von August Johann Rösel von Rosenhof, 1705–1759, Nürnberg

Die Larven ernähren sich von mehr oder weniger in Zer-setzung befindlichem, mor-schem, feuchtem, verpilztem Holz, das sie mit der Zeit zu Mulm umsetzen und ab-bauen. Die Larve fertigt wäh-rend 2 – 3 Wochen aus Erde und Mulm einen bis faust-großen ovalen Kokon an, der als Puppenwiege dient. Seine Wände sind bis zu 20 mm dick und innen mit Nahrungsbrei und Sekreten (fungizide und bakterizide Wirkungen) geglättet und verfestigt. Der Kokon liegt 15 – 20 cm tief in der Erde in

der Umgebung des Brutsub-strates. Derjenige der männli-chen Larve ist wesentlich grö-ßer, vor allem länger als der Kokon eines Weibchens. Es muss Platz bereitgestellt werden für die Mandibeln, die der geschlüpfte männliche Käfer ausgestreckt hält – an den Puppen sind die Ober-kiefer der Männchen noch zur Bauchseite hin eingeschla-gen. Nach etwa 6 Wochen schlüpfen die Käfer, bleiben aber den Winter über im Bo-den, den sie erst im Frühjahr verlassen.

Larven fressen Holz

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Hirschkäfer, die Riesen der heimischen Insektenwelt, sind Hingucker und auch deshalb ein geeignetes Thema der waldbezogenen Umweltbil-dung. Im Bundesland Bran-denburg kann man dazu so-gar eine Hirschkäferwelt sowie Hirschkäfer-Ausstel-lung mit Quiz-Teil besuchen (www.waldpädagogik.de). Eine DVD über den Hirsch-käfer (15 Min.) kann bei Reinhard Weidlich (E-Mail: [email protected])

zum Preis von 12,90 E plus 2,30 E Versand bezogen werden.

Das Kuratorium Insekt des Jahres hat den Hirschkäfer zum Insekt des Jahres 2012 gewählt und am 3. Novem-ber 2011 in Berlin ausgeru-fen. Schirmherr ist der Direk-tor des Landesbetriebs Forst Brandenburg Hubertus Kraut.

Dem Kuratorium gehören an:· Senckenberg Deutsches Entomo-

logisches Institut· Bundesfachausschuss Entomo-

logie im NABU Deutschland· Bundesverband Deutsche

Ameisenschutzwarte e. V.· Deutsche Gesellschaft für allgemei-

ne und angewandte Entomologie· Entomofaunistische Gesellschaft· Förderkreis Waldschule e. V.,

Eberswalde· Landeskompetenzzentrum Forst

Eberswalde· Landesverband für Obstbau, Gar-

ten und Landschaft Baden-Würt-temberg, Kreisverband Heidelberg

· Münchner Entomologische Gesell-schaft

· Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodi-versitätsforschung an der Hum-boldt-Universität zu Berlin

· Sparkasse Barnim

Die Proklamation des Hirschkäfers zum Insekt des Jahres gilt auch für Österreich und für die Schweiz.· Österreichische Entomologische

Gesellschaft, Naturschutzbund Österreich

· Schweizerische Entomologische Gesellschaft

Lucanus cervus ist in unseren Ländern durch das Gesetz geschützt. Hinzu kommt sei-ne Aufnahme in den Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-

Richtlinie, die ihm einen EU-weiten Schutz gewährt. In der Schweiz ist er durch den An-hang III der Berner Konven- tion besonders geschützt.

Was kann man für Hirschkäfer tun?

Natürliche Feinde des Hirsch-käfers sind Spechte, Eichel-häher, Eulen, Krähen, Fuchs, Dachs und andere Wirbeltiere. Meist werden von den Vögeln vor dem Verfüttern die Köpfe entfernt, eine Erklärung für die oft übriggebliebenen und ein-zeln zu findenden Köpfe. Die

Larven werden durch Spechte und andere Vogelarten gefres-sen und sind auch eine attrak-tive Kost für Wildschweine. Hinzu kommen verschiedene Insektenarten als Parasitoide und Räuber sowie Krankheits-erreger (Bakterien, Pilze u. a.).

Tierische Feinde

Die gefährlichste Bedrohung ergibt sich aber aus dem Wir-ken des Menschen, der vor allem keine geeigneten Brut-substrate bestehen lässt. Auch an Saftleckstellen man-gelt es. So ist der Hirschkäfer in einem ständigen Rückgang begriffen, der vielerorts zum

Erlöschen der Art geführt hat. Wegen der langen Entwick-lungszeit der Larven ist der langjährige Verbleib des Larvensubstrats am gleichen Ort und ohne jegliche Stö-rungen von entscheidender Bedeutung.

Fehlender Lebensraum bedroht seine Existenz

Hilfe kann die Unterschutz-stellung geeigneter Habita-te, den Erhalt alter Eichen als Treffpunkt der Geschlech-ter (Saftmale), die Erhöhung des Totholzanteiles, vor allem in der unterirdischen Wurzel-masse, sowie die Vermeidung weite-rer Verinselung und Isolierung der noch vorhandenen Popu-lationen bieten. Die beiden entschei-denden Faktoren für den Schutz des Hirschkäfers sind einerseits geeignete Entwicklungssubs-trate für die Larven und andererseits Nahrungsplätze und Treffpunkte für die Käfer. InsbesondereEichenstubben, Alteichen und Eichentotholz müssen erhalten

bleiben und in Hirschkäfer- gebieten kontinuierlich zur Verfügung stehen. Mangelt es an letzterem, können Hirschkäferwiegen Hilfe bieten.

Was dem Hirschkäfer hilft

Hirschkäfer in der Waldpädagogik

Hirschkäfermännchen, Grafik: Roland Boll

Tafel aus dem Buch „Insecten-Belustigung“ von August Johann Rösel von Rosenhof, 1705–1759, Nürnberg

Hirschkäferpin zum Hirschkäferjahr 2012 des Landesbetriebs Forst Brandenburg

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