Historische Waffen Fricker wird 30 Jahre alt Jubiläum

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inkelsbühl ist ein be- schauliches Städtchen, dessen Bausubstanz die Jahrhunderte weitgehend unbe- schadet überstanden hat. Selbst der Dreißigjährige Krieg, der wei- te Teile des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in ei- nen Schutthaufen verwandelte, ging an der 1274 zur Reichsstadt erhobenen Handelssiedlung fast spurlos vorbei. Lediglich an ei- nem Turm der Stadtmauer weist eine mit Ziegeln aufgemauerte Stelle noch darauf hin, dass hier die Schweden 1648 noch einmal in die Stadt schossen. Wer Din- kelsbühl betreten will, muss die historischen Stadttore passieren. Der Mauerring ist – dank eines Erlasses von König Ludwig II. von Bayern – erhalten geblieben. Das an der höchsten Stelle der Stadt- mauer gelegene Segringer Tor durchschreitet der Reisende von Norden. Der Durchreisende mag es achtlos passieren; ihm entge- hen die Schätze, die sich in den Stockwerken des Turmes verber- gen. Seit einigen Jahren beher- bergt der zuletzt 1655 baulich veränderte Turm die Verkaufs- räume von Jürgen H. Fricker. Dem an Rad- und Steinschloss- waffen, Antiquitäten, Gemälden und Grafiken Interessierten ist der Name nun seit 30 Jahren ein Begriff. 30 Jahre mit feinem Gespür Jürgen Fricker hätte es sich nicht träumen lassen, dass er ei- nes Tages mit Lunten-, Rad- schloss- und Perkussionswaffen handeln würde. Der gelernte Grafiker war Ende der 1960er- Jahre im Auftrag eines Schwei- zer Unternehmens in halb Euro- pa unterwegs. Die hierbei ge- wonnenen Kontakte nutzte er nach dem abrupten Ende der Geschäftstätigkeit seines Arbeit- gebers, um – wie so mancher Händler – sein Hobby zum Beruf zu machen. Die „Umwertung aller Werte“ nahm erst 1968 im Schatten des Vietnam-Krieges und der „Stu- dentenrevolte“ ihren Anfang. Die Weltsicht der „alten Eliten“ war damals noch vom Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt. Damals kam zwar der Jugendstil auf, doch er war selbst nur eine Gegenbewegung zur Übernah- me alt bekannter Formen, die im Historismus – auch von Dinkelsbühl ausgehend – ihren Ausdruck fand. Diese Wie- derentdeckung von Spätmittel- alter, Renaissance und Barock hatte neben Monumentalbau- ten, Mode und Möbeln dieser Epochen auch die Waffen jener Zeit wieder in den Mittelpunkt gestellt. Kaufinteressenten für solche Waffen gab es auch in den 1960er-Jahren, als Jürgen H. Fricker mit 33 Jahren sein Ge- schäft in einer Pforzheimer Alt- bauwohnung begann. Auch Verkaufswillige gab es, die sich von den Rüstkammern ihrer Alt- vorderen trennen wollten. Si- cher, es gab Auktionshäuser. Doch neben diesem anonymen Weg fehlte offenbar ein Mittler, der die Wege und Türen kannte, die für den Käufer das ersehnte Stück freigaben. Hier setzte Fricker 1974 an. Ihm standen aus seiner Tätigkeit als Sammler und durch seine beruflichen Verbindungen die Wege in viele Rüstkammern offen. Bereits im ersten Ge- schäftsjahr erschien der erste Verkaufskatalog „Historische Waffen“; der weltweit erste Ka- talog dieser Art, in dem solche Stücke zum freien Verkauf ange- boten wurden. Der Katalog er- scheint seit 1984 halbjährlich. Von Einzelstücken, die abge- geben werden mussten bis hin zu größeren Arsenalen reicht die GESCHICHTEN Firmenportrait Historische Waffen Fricker wird 30 Jahre alt Seit 30 Jahren ist Jürgen Fricker als Fachmann für historische Rad- und Steinschlosswaffen bekannt. Sein Angebot liegt in einem Turm der Stadtmauer von Dinkelsbühl auf – stilecht. Jürgen H. Fricker mit der ältes- ten bekannten zweischüssigen Radschlosspistole, deutsch, datiert 1548. Jubiläum D

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inkelsbühl ist ein be-schauliches Städtchen,

dessen Bausubstanz dieJahrhunderte weitgehend unbe-schadet überstanden hat. Selbstder Dreißigjährige Krieg, der wei-te Teile des Heiligen RömischenReiches deutscher Nation in ei-nen Schutthaufen verwandelte,ging an der 1274 zur Reichsstadterhobenen Handelssiedlung fastspurlos vorbei. Lediglich an ei-nem Turm der Stadtmauer weisteine mit Ziegeln aufgemauerteStelle noch darauf hin, dass hierdie Schweden 1648 noch einmalin die Stadt schossen. Wer Din-

kelsbühl betreten will, muss diehistorischen Stadttore passieren.Der Mauerring ist – dank einesErlasses von König Ludwig II. vonBayern – erhalten geblieben. Dasan der höchsten Stelle der Stadt-mauer gelegene Segringer Tordurchschreitet der Reisende vonNorden. Der Durchreisende mages achtlos passieren; ihm entge-hen die Schätze, die sich in denStockwerken des Turmes verber-gen.

Seit einigen Jahren beher-bergt der zuletzt 1655 baulichveränderte Turm die Verkaufs-räume von Jürgen H. Fricker.

Dem an Rad- und Steinschloss-waffen, Antiquitäten, Gemäldenund Grafiken Interessierten istder Name nun seit 30 Jahren einBegriff.

30 Jahre mit feinem Gespür

Jürgen Fricker hätte es sichnicht träumen lassen, dass er ei-nes Tages mit Lunten-, Rad-schloss- und Perkussionswaffenhandeln würde. Der gelernteGrafiker war Ende der 1960er-Jahre im Auftrag eines Schwei-zer Unternehmens in halb Euro-pa unterwegs. Die hierbei ge-wonnenen Kontakte nutzte ernach dem abrupten Ende derGeschäftstätigkeit seines Arbeit-gebers, um – wie so mancherHändler – sein Hobby zum Berufzu machen.

Die „Umwertung aller Werte“nahm erst 1968 im Schatten desVietnam-Krieges und der „Stu-dentenrevolte“ ihren Anfang.Die Weltsicht der „alten Eliten“war damals noch vom Beginndes 20. Jahrhunderts geprägt.Damals kam zwar der Jugendstilauf, doch er war selbst nur eineGegenbewegung zur Übernah-me alt bekannter Formen, die im Historismus – auch von Dinkelsbühl ausgehend – ihrenAusdruck fand. Diese Wie-derentdeckung von Spätmittel-alter, Renaissance und Barockhatte neben Monumentalbau-ten, Mode und Möbeln dieserEpochen auch die Waffen jenerZeit wieder in den Mittelpunktgestellt.

Kaufinteressenten für solcheWaffen gab es auch in den1960er-Jahren, als Jürgen H.

Fricker mit 33 Jahren sein Ge-schäft in einer Pforzheimer Alt-bauwohnung begann. AuchVerkaufswillige gab es, die sichvon den Rüstkammern ihrer Alt-vorderen trennen wollten. Si-cher, es gab Auktionshäuser.Doch neben diesem anonymenWeg fehlte offenbar ein Mittler,der die Wege und Türen kannte,die für den Käufer das ersehnteStück freigaben.

Hier setzte Fricker 1974 an.Ihm standen aus seiner Tätigkeitals Sammler und durch seine beruflichen Verbindungen dieWege in viele Rüstkammern offen. Bereits im ersten Ge-schäftsjahr erschien der ersteVerkaufskatalog „HistorischeWaffen“; der weltweit erste Ka-talog dieser Art, in dem solcheStücke zum freien Verkauf ange-boten wurden. Der Katalog er-scheint seit 1984 halbjährlich.

Von Einzelstücken, die abge-geben werden mussten bis hinzu größeren Arsenalen reicht die

GESCHICHTENFirmenportrait

Historische Waffen Fricker wird 30 Jahre alt

Seit 30 Jahren ist Jürgen Fricker als Fachmannfür historische Rad- und Steinschlosswaffenbekannt. Sein Angebot liegt in einem Turm derStadtmauer von Dinkelsbühl auf – stilecht.

Jürgen H. Fricker mit der ältes-ten bekannten zweischüssigenRadschlosspistole, deutsch, datiert 1548.

JubiläumD

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Oben links: Die neu gestaltetenGeschäftsräume im historischenSegringer Torturm.

Links: Eine kleine Auswahl ausdem aktuellen Bestand: zweiPulverflaschen, Radschloss-büchse, Radschlosspistole, Jagd-tasche und Vorlegemesser.

Oben: Eine kleine Auswahl anHirschfängern.

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Originale werden immer seltener

Bisweilen wollen Erben keineeinzige Waffe mehr in ihrer Burgoder ihrem Schloss haben –Glücksfälle für Fricker und seineKunden. In solchen Fällen lässtsich auch schnell feststellen, obinnerhalb der Sammlung Teilevertauscht wurden. Oft beauf-tragten die Besitzer den Dorf-schmied damit, ihr altes Eisenwieder auf Vordermann zu brin-gen. Der zerlegte, putzte undbaute dann zusammen, wie es

ihm in den Kram passte. Sinddann beispielsweise Degen-knäufe vertauscht, ist das beisolchen geschlossenen Bestän-den relativ leicht zu erkennenund zu beheben.

Schwierigkeiten bereitet aberdie wachsende Zahl von Stückenunbekannter Herkunft, die inden letzten anderthalb Jahr-zehnten auf den Markt kamen.Sie entpuppen sich oft als mehroder minder gute Kopien unse-rer Tage. Neben den vielen leichtzu erkennenden Fälschungenaus Gussteilen gibt es immer

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getan. Der Interessentenkreis fürhistorische Feuerwaffen hat sichstark verändert. Trugen zu Be-

ginn von Frickers Geschäftstä-tigkeit vier Fünftel der Käufer

den „deutschen Vornamen“,also den Doktortitel, so ist derInteressentenkreis heute nichtweniger fein, aber weniger aka-demisch und vor allem kleiner.

Palette dessen, was JürgenFricker in den vergangenen 30Jahren angeboten bekam.

Unvergessen ist ihm ein Po-sten von mehreren hundertfranzösischen Gewehren M.1777, die in den Gewölben ei-ner Rheinburg lagerten. Nachder Völkerschlacht bei Leipzigmussten die Franzosen beimRheinübergang ihre Waffen ab-geben. Allen Gewehren fehltendie Hahnoberlippe und der La-destock. Sie waren also für denneuen Besitzer nur mit einemgewissen Aufwand wieder her-zustellen und lagen deshalbüber 160 Jahre unter einer Kalk-schicht, die vom Gewölbe her-abgerieselt war. Jürgen Frickerwurden sie auf der WaffenbörseDortmund aus den Händen ge-rissen. Über die anderen Ver-käufer schweigt er.

Der Markt wirdschwieriger

Der Markt für ausgesuchteRadschloss- oder Steinschloss-waffen wird schwieriger. JürgenFricker meinte anlässlich seines25-jährigen Firmenjubiläums,man müsse sich den Markt erar-beiten. Doch das ist angesichts

der anhaltendschlechtenwirtschaft-

lichen Lageleichter

gesagt als

Oben: Deutsche Pulverflasche,um 1600, ein Paar österreichische Steinschlosspistolen, signiert Joh. Spirchenpichler, um 1730, und Girandoni-Windbüchse mit der äußerst seltenen Luftpumpe.

Unten: Drei deutsche Rapiere, 1580/1600, Bidenhänder, deutsch um 1580 sowie steirischer Degen um 1620.

Blanker Kürassierharnisch,süddeutsch, um 1600/1620.

Alle Teile sind mit demsel-ben Dekor verziert. Sturm-

haube mit Vorschnallvisier.

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mehr Stücke, die nur schwer alsNeufertigungen zu erkennensind. Hier bedarf es langjährigerErfahrung, um die Spreu vomWeizen trennen zu können. Seit1988 ist Jürgen Fricker öffentlichbestellter und vereidigter Sach-verständiger für „EuropäischeWaffen des Mittelalters bis Mittedes 19. Jahrhunderts“.

Einen weiteren Stolpersteinkönnen die Neuanfertigungendes Historismus darstellen. Die-se Stücke wurden vor mehr als100 Jahren mit technischen Mit-teln gefertigt, die oft noch mit

denjenigen der eigentlichenHersteller identisch waren. Umauf der sicheren Seite zu sein, ge-hen einige Sachverständige denUmweg über ein „im Stile von ...“in der Beschreibung von histori-schen Stücken. Auch hier ist ge-höriger Sachverstand nötig, umwirklich alte Originale zu erken-nen. Mancher Bieter kann aufAuktionen bei solchen Stückenein Schnäppchen machen.

Dass die unsachgemäßeÜberarbeitung einer histori-schen Waffe, bei der zum Bei-spiel – in den Vereinigten Staa-ten von Amerika durchaus üb-lich – die Gewinde metrischnachgeschnitten wurden, zulangwierigen Streitigkeiten überdie Originalität führen können,bleibt nicht aus.

DWJ-FazitDie Waffenhandlung Fricker

kauft und verkauft kulturhisto-risch bedeutsame Stücke. Siehätte für die Präsentation ihrerBestände kaum einen passende-ren Ort finden können als den Segringer Torturm in Dinkels-bühl. Hier passt das Umfeld zum Angebot an Luntenschloss-,Radschloss-, Steinschlosswaffen,Armbrusten, Blankwaffen allerArt und Rüstungen.

Das Unternehmen hat sichseinen Ruf als Mittler zwischenteilweise seit Jahrhunderten un-berührten Beständen und Kauf-interessenten erworben.

Auch wenn die Beschaffungvon Orignalen immer schwieri-ger wird, wird Jürgen Fricker si-cher noch das eine oder anderegute Stück für seine Kundschaftauftreiben – mit originalen Ge-winden selbstverständlich.

VON DR. ELMAR HEINZ

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der Ware beim Kunden. Zur Wahrung der Frist genügtdas rechtzeitige Absenden der Ware.

Den Bestellschein finden Sieauf Seite 144.

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-HefteHaben Sie schon eine Sammel mappe oder Sammel-kassette für Ihren neuen DWJ-Jahrgang bestellt? Wenn nicht, dann sollten Sie es so schnell wie möglich tun, denn für nur 7,95 € (zuzügl. Versandkosten) erhalten Sie die Möglichkeit, die Hefte eines gesamten Jahr-gangs ordentlich und übersichtlich aufzube wahren.Die Sammelkassette ist in Blau und in Weiß lieferbar.

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je 7,95 €Historische Waffen Jürgen H. FrickerSegringer Torturm – Hechtzwinger91550 DinkelsbühlTel. 09851/3653Fax 009851/1700E-Mail: j.h.fricker@historische-waffen.comwww.historische-waffen-fricker.de

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