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HORMONELL AKTUELL Pissouri/Zypern 30.11.2006 Insulinresistenz und Hyperinsulinämie – wichtigster Risikofaktor für das Mammakarzinom? Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt

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HORMONELL AKTUELL Pissouri/Zypern 30.11.2006

Insulinresistenz und Hyperinsulinämie – wichtigster Risikofaktor für das

Mammakarzinom?

Herbert KuhlUniversitäts-Frauenklinik Frankfurt

Erklärungsversuche

• Die Senkung des Mammakarzinomrisikos durch eine Therapie mit konjugierten Östrogenen kann man nicht als direkte Hemmung des Tumor-wachstums durch die Estrogene interpretieren.

• Vielmehr ist ein indirekter Effekt anzunehmen, z.B. die Reduktion eines anderen Wachstums-faktors.

• Bei postmenopausalen Frauen reduzieren Östrogene den IGF-1-Spiegel und bessern eine Hyperinsulinämie.

Hankinson et al. 1998 (Nurses‘ Health Study)Mammakarzinomrisiko und IGF-1-Spiegel

• In der prospektiven Nurses‘ Health Study waren die Blutproben für die IGF-1-Bestimmung vor der Brustkrebs-Diagnose (1989/1990) entnommen und eingefroren worden.

• Der IGF-1-Spiegel fällt mit dem Alter ab (Medianwert in der Prämenopause 206 ng/ml, in der Postmenopause 142 ng/ml).

• Bei prämenopausalen Frauen korreliert das Brustkrebsrisiko mit dem IGF-1-Spiegel. Nach Adjustierung für IGF-BP3 war das Risiko in der höchsten IGF-1-Tertile 3 mal so hoch wie in der niedrigsten IGF-1-Tertile.

• Bei postmenopausalen Frauen gibt es keinen Zusammenhang zwischen Mammakarzinomrisiko und IGF-1-Spiegel.

Morimoto et al. 2002 WHI-Observationsstudie mit 86.000 Frauen Adipositas und Brustkrebsrisiko

Fälle Relatives Risiko

BMI < 22.6 ohne Hormone 37 1.00

BMI > 31.1 ohne Hormone HRT ohne Einfluss

103 2.52 (1,62-3,93)

Alter 50-59 Jahre 25 4.46 (1,60-12,44)

Alter 60-69 Jahre 56 4.91 (2,15-11,18)

Alter 70-79 Jahre 22 1.10 (0,53-2,29)

Collaborative Reanalysis 1997; Schairer et al. 2000; Colditz et al. 2000

Adipositas und Brustkrebsrisiko• Übergewicht erhöht das Risiko des Mammakarzinoms bei

postmenopausalen Frauen (aber nicht bei prämeno-pausalen Frauen).

• Die Zunahme des BMI um 1 kg/m2 erhöht das Risiko um 3%.

• Die HRT erhöht das Brustkrebsrisiko in postmenopausalen Frauen nur bei einem BMI von unter 24,5 kg/m2.

• Frauen mit BMI < 22,5 kg/m2: relatives Risiko 1,73• Frauen mit BMI 22,5-24,9 kg/m2: relatives Risiko: 1,29• Frauen mit BMI > 25,0 kg/m2: relatives Risiko: 1,02

• Hypothese: das bei Frauen mit Übergewicht erhöhte Brustkrebsrisiko beruht auf der erhöhten Estrogen-produktion im Fettgewebe (?).

Key et al. J. Natl. Cancer Inst. 2003Estrogenspiegel und Body mass index (BMI)

BMI (kg/m2) <22,5 22,5-24,9

25,0-27,4

27,5-29,9

>30,0

Estradiol (pg/ml) 8,2 9,5 10,1 11,8 14,9

fr. Estradiol (pg/ml) 0,11 0,14 0,15 0,18 0,27

SHBG (nmol/l) 52,8 42,0 38,6 32,3 29,6

Estron (pg/ml) 19,7 21,6 23,2 25,8 45,1

Testosteron (ng/ml) 0,22 0,22 0,22 0,24 0,26

Thomas et al. 1997

Endogene Estradiolspiegel und Brustkrebsrisiko

<8,4 8,4 - 11,2 >11,2

6 -5 -4 -3 -2 -1 -0 -

Serum Estradiol (pg/ml)

Rel

ativ

es R

isik

o

Estrogenspiegel und Mammakarzinomrisiko

• Es ist schwer vorstellbar, daß bei postmeno-pausalen Frauen eine Zunahme des Estradiol-spiegels von z.B. 8 pg/ml auf 12 pg/ml das Mammakarzinomrisiko auf das 5-fache erhöht.

• Die Behandlung mit höher dosierten Estrogen-präparaten führt höchstens zu einer Verdopplung.

• Bei postmenopausalen Frauen müssen andere Faktoren, die mit einer Adipositas verbunden sind, kausal verantwortlich sein.

Erhöhtes Krebsrisiko bei Adipositas(betrifft auch estrogenunabhängige Karzinome)

• Endometriumkarzinom• Mammakarzinom (Postmenopause)• Ovarialkarzinom• Zervixkarzinom• Kolonkarzinom• Hepatozelluläres Karzinom• Pankreaskarzinom• Gallenblasenkarzinom• Nierenkarzinom

Übergewicht und Estrogenmangel

• Hohes Risiko für die Entwicklung des metabolischen Syndroms

• 1. Insulinresistenz (Nüchtern-Insulin)• 2. abdominale Adipositas• 3. Dyslipidämie (TG, HDL-CH)• 4. Hypertonie•• 65% der U.S. Frauen haben Übergewicht und 35%

Adipositas. 43% der Frauen im Alter von 60-69 Jahren haben ein metabolisches Syndrom (1994).

Adipositas, Hyperinsulinämie und Mammakarzinomrisiko

• Adipositas erhöht das Risiko des Mammakarzinoms und anderer Karzinome.

• Adipositas erhöht das Risiko für metabolisches Syndrom.• Hyperinsulinämie erhöht das Mammakarzinomrisiko bei

postmenopausalen Frauen.• Postmenopausale Frauen (nicht aber prämenopausale) mit

Diabetes Typ 2 haben um 16% erhöhtes Brustkrebsrisiko.• In postmenopausalen Frauen korreliert der C-Peptidspiegel

(Insulinsekretion) mit dem Risiko von Hyperplasien des Brustdrüsenepithels und des Mammakarzinoms.

• In postmenopausalen Frauen fördern Insulin, Estrogene und Gestagene das Wachstum von Mammakarzinomen.

Bruning et al. 1992: Fall-Kontroll-StudieInsulinresistenz und Brustkrebsrisiko223 Frauen mit Brustkrebs (Stadium I-II) (38-75 Jahre)

Prämenopause Postmenopause

C-Peptid (µg/L) Relatives Risiko (95% CI)

Relatives Risiko (95% CI)

< 1,5 1,0 1,0

1,5 – 2,5 2,4 (0,5 – 12,6) 3,7 (1,1 – 12,1)

2,5 – 3,5 4,5 (0,8 – 25,5) 4,9 (1,4 – 16,6)

> 3,5 6,8 (0,8 – 60,6) 7,8 (2,2 – 27,4)

Estrogene und Insulinresistenz bei Frauen mit Estrogenmangel

• Estrogene

• erhöhen hepatische Clearance von Insulin• erhöhen Insulinsensitivität und Glukoseaufnahme • verstärken insulinabhängige Suppression der Lipolyse• hemmen hepatische Glukoseproduktion• hemmen Akkumulation der Triglyceride in der Leber• verstärken hepatische Oxidation der freien Fettsäuren• schützen ß-Zellen des Pankreas vor oxidativem Stress

• Estrogene wirken bei Frauen antidiabetisch. • Ovarielles Estradiol schützt vor Insulinresistenz auch bei hohem BMI.

Hormonsubstitution und Hyperinsulinämie

• Bei postmenopausalen Frauen reduzieren niedrig dosierte Östrogene oral oder transdermal den Nüchternspiegel von Insulin und Glukose.

• PEPI-Studie: Östrogen und Östrogen/Gestagen reduzieren Nüchtern-Insulin und –Glukose.

• 0,625 mg CEE bessert Glukosetoleranz (Lindheim et al. 1993)

• Bei postmenopausalen Frauen wird eine gestörte Glukosetoleranz durch CEE/MPA gebessert (Sumino et al. 2003).

• WHI-Studie: CEE/MPA reduziert die Inzidenz von Diabetes mellitus Typ 2 um 21% (Margolis et al. 2004).

• RCT mit 2763 postmenopausalen Frauen mit KHK (HERS): 4 Jahre Therapie mit CEE/MPA reduziert Inzidenz von Diabetes mellitus um 35% (Kanaya et al. 2003).

Papa et al. 1990

Insulinrezeptoren im Mammakarzinom

• In normalen Epithelzellen der Brustdrüse sind nur wenige oder keine Insulinrezeptoren (Downregulation nach Insulinbindung).

• Der Insulinrezeptorgehalt des Tumors korreliert mit Größe, histologischem Grading und Estrogenrezeptorgehalt.

• Insulinrezeptorgehalt korreliert mit Entdifferenzierung und Aggressivität (keine Downregulation in Brustkrebszellen).

• Insulinrezeptoren in den malignen Epithelzellen, jedoch nicht in Stromazellen und inflammatorischen Zellen.

• Stromazellen enthalten IGF-1-Rezeptoren (parakriner Effekt). • Insulin reguliert Wachstum und Metabolismus von

Brustkrebszellen.• Die Bindung von Insulin an den Insulinrezeptor führt zur

Aktivierung der Tyrosinkinase.

Maehle & Tretli 1996BMI, Rezeptorstatus und Mortalität wegen

Brustkrebsnorwegische Kohortenstudie mit 1238 Brustkrebs-Patientinnen (15 Jahre)

BMI-Messung 12,5 Jahre vor Diagnose. ER+ und nodal+ mit Tamoxifen.

BMI 1. Quintile (schlank)

2.-4. Quintile 5. Quintile (adipös)

Gesamtrisiko 1,00 1,08 1,37

ER + 1,00 1,37 2,18

PR + 1,00 1,10 1,91

ER - 1,00 0,86 0,36

PR - 1,00 0,77 0,49

Vishnevsky et al. 1993Insulinresistenz und Steroidrezeptoren im

Endometriumkarzinom 22 adipöse Patientinnen (57,8 Jahre) Stadium I-III

Steroidrezeptoren im Tumor-Zytoplasma

Insulin-Maximum im OGTT

Insulin-Fläche im OGTT

< 150 pmol/L

> 150 pmol/L

< 300 pmol/L

> 300 pmol/l

Estrogenrezeptor (fmol/mg Protein)

16,3 + 5,32

48,9 + 8,9

19,4 + 5,7

41,0 + 6,3

Progesteronrezeptor (fmol/mg Protein)

128 + 28,8

221,8 + 28,9

78,6 + 8,6

199,8 + 29,9

Hochregulierung estrogenabhängiger Prozesse durch Insulin

• Insulin kann Estrogen- und Progesteronrezeptoren in Abwesenheit von Estrogenen hochregulieren.

• In humanen Brustkrebszellen können sowohl Insulin als auch Leptin den Estrogenrezeptor transaktivieren und Estrogeneffekte in Abwesenheit von Estrogenen induzieren.

• Möglicherweise verursachen Adipositas oder eine Insulinresistenz auf diese Weise in ER-positiven Mammatumoren eine Estrogenunabhängigkeit und Resistenz gegenüber einer Antiestrogen-Therapie.

• Bei postmenopausalen Frauen mit Brustkrebs und Diabetes mellitus ist die Wirkung von Tamoxifen eingeschränkt.

• Insulin stimullert die IGF-1-Rezeptoren in Brustkrebszellen und kann auf diese Weise eine Resistenz gegen Herceptin verursachen.

Adipozytokine(biologisch aktive Peptide aus dem Fettgewebe)

• Leptin, TNF-, IL-6, VEGF, Heparin-binding epidermal growth factor-like growth factor (HB-EGF) und Hepatocyte growth factor (HGF) korrelieren mit dem BMI.

• Sie beeinflussen die Proliferation von Brustkrebszellen (direkt oder parakrin), die Angiogenese und wirken inflammatorisch.

• Adiponectin korreliert invers mit dem BMI, dem Nüchtern-Insulinspiegel, dem Risiko des Endometriumkarzinoms und dem postmenopausalen Mammakarzinomrisiko.

• Adiponectin hemmt die Angiogenese, wirkt antiatherogen, antiinflammatorisch und erhöht die Insulinsensitivität.

• Estrogene erhöhen, Androgene reduzieren die Serumspiegel des Adiponectins und Leptins.

Anisimov et al. 2003Einfluss der Lebensbedingungen bei Nagern

Parameter Altern Kalorien-restriktion

Antidiab. Biguanide

GlukosetoleranzInsulinsensitivitätInsulinspiegelGH-SpiegelIGF-1-SpiegelKörpergewichtReproduktive FunktionResistenz gegen oxid. StressTumorinzidenz

Insulin und Karzinogenese

• Insulin stimuliert direkt die Karzinogenese. Dabei verläuft die neoplastische Transformation über eine verstärkte DNS-Synthese.

• In Brustkrebszellen keine Downregulierung der Insulinrezeptoren: dadurch verstärkte Insulinwirkung, d.h., bessere Glukoseverwertung, erhöhte Tyrosinkinase-Aktivität und Mitoserate.

• Insulin verändert Zellzykluskinetik, erleichtert Übergang zu G1-Phase, hemmt Apoptose.

• Dexamethason und Vitamin D hemmen insulin-stimuliertes Tumorwachstum.

Gupta et al. 2002Insulin: ein neuer Faktor der Karzinogenese

• Hyperinsulinämie mit Insulinresistenz ist ein signifikanter Risikofaktor für Brustkrebs.

• Der C-Peptidspiegel ist ein stärkerer Risikofaktor als der Bauch- / Hüftumfang-Quotient.

• Bei nodal-negativem Brustkrebs korreliert der Gehalt an Insulinrezeptoren invers mit dem erkrankungsfreien Überleben.

• Wachstum von Mamma-, Ovarial-, Endometrium-, Kolon-, Magen- und Prostatakarzinom wird durch Insulin unter Beteiligung von Insulinrezeptoren gefördert.

• Körperliche Aktivität, Gewichtsabnahme und Ballaststoff-reiche Ernährung reduzieren Insulinspiegel und damit das Krebsrisiko.

Zusammenfassung I

• Adipositas erhöht das Risiko hormonabhängiger und hormonunabhängiger Karzinome.

• Das Brustkrebsrisiko ist bei adipösen postmenopausalen Frauen um 150% erhöht.

• Bei postmenopausalen Frauen mit Übergewicht erhöht die Hormonsubstitution das Brustkrebsrisiko nicht.

• Das Brustkrebsrisiko korreliert mit dem Body Mass Index, dem Körperfett-Anteil und der Gewichtszunahme.

• Die Prävalenz des metabolischen Syndroms steigt mit dem Alter, dem Body Mass Index und dem Estrogenmangel an.

• Hauptkriterium des metabolischen Syndroms sind Insulinresistenz und Hyperinsulinämie.

• Hohe Insulinspiegel erhöhen das Risiko von Brustkrebs und anderen Karzinomen.

Zusammenfassung II

• Eine niedrig dosierte Estrogensubstitution reduziert die erhöhten Insulinspiegel und damit das Brustkrebsrisiko postmenopausaler Frauen.

• Möglicherweise beeinträchtigen Gestagene den günstigen Effekt der Estrogene.

• Bei postmenopausalen Frauen (nicht aber bei prämenopausalen Frauen) mit Diabetes mellitus Typ 2 (IDDM) ist das Brustkrebsrisiko erhöht.

• Eine Hormonsubstitution reduziert das Risiko des Diabetes mellitus Typ 2.

• Bei Diabetes mellitus Typ 1 (NIDDM) hat die Insulintherapie keinen Einfluss auf das Brust-krebsrisiko.