Hospiz Dialog 3-07 - ALPHA NRW

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3 Hospiz-Dialog NRW - Juli 2007/32 INFORMATION INFORMATION Aktuelles aus der Vorstandsarbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Bundesarbeits- gemeinschaft Hospiz e.V. (BAG Hospiz) Dr. Birgit Weihrauch 4 Standards für die Qualifizierung zur Trauerbegleitung Bundesarbeitsgemeinschaft „Qualifizierung zur Trauerbegleitung“ Chris Paul 6 Nur noch jeder Zweite wünscht eine traditionelle Bestattung Infratest-Umfrage im Auftrag von Aeternitas Alexander Helbach 7 Der Museumskoffer „Vergissmeinnicht“ Ein neues Angebot des Museums für Sepulkralkultur Gerold Eppler M.A. 10 Still geboren – Wenn das Leben mit dem Tod beginnt Unterstützende Maßnahmen in der Begleitung von Eltern zum Zeitpunkt der Geburt Christel Kofoet 13 SCHWERPUNKT SEELSORGE Seelsorge ist: In der Sorge sein um die Seele Matthias Schnegg 14 Seelsorge in der Palliativversorgung: Auftrag und Aufgabe Dr. Thomas Hagen 17 Der Arbeitskreis Seelsorge in NRW Interview mit Dr. Karolin Küpper-Popp und Ida Lamp 19 Literatur 22 Termine 23 Inhalt IMPRESSUM Herausgeber: ALPHA – Ansprechstellen im Land Nordrhein- Westfalen zur Pflege Sterbender, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung Redaktion: ALPHA-Westfalen Ansprechstelle im Land Nordrhein-Westfalen zur Pflege Sterbender, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung im Landesteil Westfalen-Lippe Salzburgweg 1, 48145 Münster Tel.: 02 51 - 23 08 48 Fax: 02 51 - 23 65 76 e-mail: [email protected] Internet: www.alpha-nrw.de Druck: Art Applied, Druckvorstufe Hennes Wegmann und Graphische Dienstleistungen Hafenweg 26a, 48155 Münster Auflage: 2000 Die im „Hospizdialog“ veröffentlichten Artikel geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion und der Herausgeber wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. Fotos der Autoren mit Zustimmung der abgebildeten Personen.

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3Hospiz-Dialog NRW - Juli 2007/32

I N F O R M A T I O N

INFORMATION

Aktuelles aus der Vorstandsarbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Bundesarbeits-gemeinschaft Hospiz e.V. (BAG Hospiz)Dr. Birgit Weihrauch 4

Standards für die Qualifizierung zur TrauerbegleitungBundesarbeitsgemeinschaft „Qualifizierung zur Trauerbegleitung“Chris Paul 6

Nur noch jeder Zweite wünscht eine traditionelle BestattungInfratest-Umfrage im Auftrag von AeternitasAlexander Helbach 7

Der Museumskoffer „Vergissmeinnicht“Ein neues Angebot des Museums für SepulkralkulturGerold Eppler M.A. 10

Still geboren – Wenn das Leben mit dem Tod beginntUnterstützende Maßnahmen in der Begleitung von Eltern zum Zeitpunkt der GeburtChristel Kofoet 13

SCHWERPUNKT SEELSORGE

Seelsorge ist: In der Sorge sein um die SeeleMatthias Schnegg 14

Seelsorge in der Palliativversorgung: Auftrag und AufgabeDr. Thomas Hagen 17

Der Arbeitskreis Seelsorge in NRWInterview mit Dr. Karolin Küpper-Popp und Ida Lamp 19

Literatur 22

Termine 23

Inhalt

IMPRESSUM

Herausgeber: ALPHA – Ansprechstellen im Land Nordrhein-Westfalen zur Pflege Sterbender, Hospizarbeit undAngehörigenbegleitung

Redaktion: ALPHA-WestfalenAnsprechstelle im Land Nordrhein-Westfalenzur Pflege Sterbender, Hospizarbeit undAngehörigenbegleitung im Landesteil Westfalen-LippeSalzburgweg 1, 48145 MünsterTel.: 02 51 - 23 08 48Fax: 02 51 - 23 65 76e-mail: [email protected]: www.alpha-nrw.de

Druck: Art Applied, Druckvorstufe Hennes Wegmannund Graphische DienstleistungenHafenweg 26a, 48155 Münster

Auflage: 2000

Die im „Hospizdialog“ veröffentlichten Artikel geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktionund der Herausgeber wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keineGewähr übernommen. Fotos der Autoren mit Zustimmung der abgebildeten Personen.

Gegenwärtig sind die Fragen der wei-teren Ausgestaltung der spezialisier-ten ambulanten Palliativversorgungein sehr wichtiges Thema der Vor-standsarbeit der BAG Hospiz. DasGKV-WSG hat hierzu vorgegeben,dass die Eckpunkte fürdie speziali-sierte ambulante Palliativversorgung

bis zum 30.9.2007 durch den GemeinsamenBundesausschuss festgelegt werden. Die BAG Ho-spiz hat zwischenzeitlich Empfehlungen für dieRichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschussesformuliert, in denen der notwendige integrativeAnsatz der zukünftigen Hospiz- und Palliativver-sorgung besonders betont wird:Die bestehenden Strukturen der Palliativ- und Hospizversorgung sind im Sinne eines umfassendenHospiz- und Palliativnetzwerkes weiter zu entwickeln. Für die Umsetzung der ambulanten Palliativver-sorgung sind regionale Gesamtkonzepte erforder-lich, die mit den unterschiedlichen Stufungen derallgemeinen ambulanten Palliativversorgung, derspezialisierten ambulanten Palliativversorgungund der stationären Krankenhaus – und Hospiz-versorgung eine integrative Arbeit ermöglichen.Die Gesamtkonzepte müssen auch die psychoso-ziale und spirituelle Begleitung und Unterstützunginsbesondere auch durch die ehrenamtliche Hos-pizarbeit systematisch und integrativ beinhalten.Die Leistungserbringung der spezialisierten Palli-ativversorgung soll durch Palliative-Care Teams erfolgen, wobei bestehende Hospizdienste undHospiz- und Palliativeinrichtungen vor Ort einzu-beziehen sind.

Neben diesen wichtigen Aktivitäten zur weiterenKonkretisierung der ambulanten Palliativversor-gung haben derzeit die Diskussionen über Frageneiner gesetzlichen Regelung bezogen auf Pa-tientenverfügungen einen besonderen Stellenwertin der Vorstandsarbeit. Im Koalitionsvertrag vom11. November 2005 ist die Absicht der Bundesre-gierung formuliert, „in der neuen Legislaturperiodedie Diskussion über eine gesetzliche Absicherungder Patientenverfügung fortzuführen und abzu-schließen“. Der Deutsche Bundestag hat sich am29.3.2007 in einer dreistündigen Plenardebatte mitdiesem Thema intensiv befasst. Hierzu liegenunterschiedliche Gesetzesentwürfe im DeutschenBundestag vor.

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Aktuelles aus der Vorstandsarbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz e.V.

(BAG Hospiz)

Dr. Birgit Weihrauch

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Im Oktober 2006 wurde von der Mitgliederver-sammlung der BAG Hospiz ein neuer Vorstand ge-wählt. Das Amt der Vorsitzenden habe ich vonGerda Graf, die neun Jahre an der Spitze der BAGHospiz stand, übernommen. Eine der Aufgabendes neuen Vorstands unmittelbar nach der Wahlwar es, die Vorstellungen und Anliegen der BAGHospiz zur Weiterentwicklung der Hospiz- undPalliativversorgung in die Verhandlungen zur Ge-sundheitsstrukturreform der Bundesregierung ein-zubringen; die Beratungen in den Ausschüssenund Gremien des Deutschen Bundestages standenunmittelbar an. Das GKV-Wettbewerbsstärkungs-gesetz (GKV-WSG) wurde am 2.2.2007 im Deut-schen Bundestag verabschiedet und trat zum1.4.2007 in Kraft.

Die BAG Hospiz begrüßt, dass mit Aufnahme des § 37 b in das Sozialgesetzbuch V ein Rechtsan-spruch auf eine „spezialisierte ambulante Pal-liativversorgung“ für schwerstkranke undsterbende Menschen in Deutschland, die einerentsprechenden Behandlung und Begleitung be-dürfen, geschaffen wurde. Eine Stärkung derambulanten Versorgung und die Schaffung derhierzu notwendigen Finanzierungsregelungenwar seit langem erklärtes Ziel der BAG Hospiz.Die jetzt neu in das GKV-WSG aufgenommenenRegelungen sind für die BAG Hospiz – und vieleandere politische und verbandliche Akteure undMitstreiter – ein wichtiger Erfolg ihrer Arbeit in denletzten Jahren. Die BAG Hospiz begrüßt weitereÄnderungen im GKV-WSG, z.B. Änderungen inder Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnungund die Einrichtung einer Schiedsstelle, die zwi-schen Kostenträgern und Leistungserbringern beistrittigen Finanzierungsansprüchen vermitteln soll.Angestrebte weitere Verbesserungen – vor allem dieNeuregelung der Finanzierung der stationären Hos-pizarbeit – werden bei der zukünftigen Vorstandsar-beit der BAG Hospiz weiter auf der Agenda stehen.

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Die BAG Hospiz unterstützt im Grundsatz die Bemühungen der Politik, zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen, weil die rechtlichen Unsi-cherheiten groß sind. Die in der Bundestagsdebattevorgetragenen unterschiedlichen Positionen zeigenaber auch, wie schwierig es ist, in diesem sensiblenBereich zu verbindlichen Festlegungen zu kommen.In jedem Fall sieht die BAG Hospiz in der aktuellenAufmerksamkeit für das Thema und den derzeitstattfindenden Diskussionen eine große Chance füreine verstärkte Auseinandersetzung mit diesen Fra-gen in unserer Gesellschaft. Die BAG Hospiz hathierzu gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaftfür Palliativmedizin (DGP) eine Stellungnahme ab-gegeben. Gemeinsam mit dem Berliner Institut fürchristliche Ethik und Politik veranstaltet die BAGHospiz am 5. Juli in Berlin mit Politikern und Fach-vertretern eine Diskussionsveranstaltung zum The-ma der Patientenverfügungen.

Auf weitere wichtige Themen, die derzeit Gegen-stand von Beratungen im Vorstand der BAG Hos-piz sind, wie z.B. die möglichst flächendeckendeEinführung eines einheitlichen Dokumentations-systems für ein Qualitätsmanagement in derPalliativ- und Hospizversorgung (HOPE) kannan dieser Stelle nicht ausführlicher eingegangenwerden. Auch hierzu ist eine Veranstaltung im No-vember 2007 in Vorbereitung. Die zum Thema der Patientenverfügungen abge-gebene Stellungnahme der BAG Hospiz, Hinweisezu der zu diesem Thema vorgesehenen Veranstal-tung am 5.Juli, die Empfehlungen der BAG Hospizfür den Gemeinsamen Bundesausschuss sowieweitere Informationen finden sich auf der Inter-netseite der BAG Hospiz – www.hospiz.net – alsDownload.

Dr. Birgit Weihrauch,Vorsitzende der BAG Hospiz

Bundesarbeitsgemeinschaft HospizAachener Straße 5

10713 BerlinTel.: 0 30 - 83 22 38 93Fax: 0 30 - 83 22 39 50

E-Mail: [email protected]: www.hospiz.net

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Qualifizierung für andere be-ruflich und ehrenamtlich Tätigegewachsen. Bestatter, Psychotherapeu-tinnen, Sozialarbeiter und ehrenamt-liche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitervon Hospizen und Kirchengemeindenkönnen seit rund zehn Jahren mehr-

teilige Fortbildungen zur Trauerbegleitungen besuchen, die bundesweit von verschiedenen An-bietern organisiert werden. Der Bedarf an fachlichfundierter Befähigung wächst und immer mehrBildungseinrichtungen nehmen Kurse zur Trauer-begleitung in ihren Fortbildungskatalog auf. Damitdie Qualität dabei gesichert bleibt, gründete sichim Dezember 2002 die Bundesarbeitsgemein-schaft Trauerbegleitung. Die Gruppe beschloss,sich zweimal im Jahr für zwei, später drei Tage zutreffen und die Organisation reihum einzelnenMitgliedern zu übertragen. Das Tagungsprogrammsah die Vorstellung der einzelnen Fortbildungs-konzepte vor, alle beteiligten Institutionen gabenEinblick in ihre Curricula. Inhalte und Organisa-tionsformen der verschiedenen Qualifizierungs-kurse wurden ausgiebig diskutiert, bis im viertenJahr die Festlegung eines für alle gleich verbind-lichen Kanons der Fortbildungen begann. Daneben wurden aktuelle Forschungsergebnissebesprochen und Informationen über laufende Pro-jekte ausgetauscht.

Die verabschiedeten Standards, die beteiligten Institute und Anbieter sowie weitere Infos über dieBundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung fin-den sich auf der Homepage www.bag-trauerbe-gleitung.de. Für die Zukunft hat sie sich eine Erweiterung der bereits verabschiedeten Stan-dards, vertiefte inhaltliche Arbeit und bundesweiteÖffentlichkeitsarbeit vorgenommen. Wichtigsteslangfristiges Ziel der BundesarbeitsgemeinschaftTrauerbegleitung: Trauerbegleitung muss als qua-lifizierte Beratungsleistung anerkannt und von denKrankenkassen finanziert werden.

Chris PaulTrauerInstitut Deutschland e.V.

Zentrum für PalliativmedizinVon-Hompesch-Str. 1

53123 BonnTel.: 02 28 - 2 42 81 94

E-mail:[email protected]

C a. 5 Millionen Menschen verlieren jedes Jahrnahe Angehörige oder Freunde. Mindestens500.000 von ihnen erleben ihre Trauer über Jahrehinweg als erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität. Schlaflosigkeit, Konzentrations-störungen, Schmerzen, körperliche Erkrankungenund Depressionen können zum Dauerzustand wer-den. „Trauer ist ein normaler und gesunder Pro-zess!“ betont Monika Müller, Gestalttherapeutinund Leiterin eines der beiden ALPHA-Büros fürdie Themen Tod und Trauer in NRW. „Aber vieleMenschen brauchen dabei fachliche Unterstüt-zung. Studien weisen nach, dass besonders Men-schen mit erschwerten Trauerprozessen von einerqualifizierten Trauerbegleitung profitieren“.Die „Bundesarbeitsgemeinschaft Qualifizierungzur Trauerbegleitung“ hat soeben Richtlinien ver-abschiedet, die in Zukunft für die Befähigung zurTrauerbegleitung im beruflichen und ehrenamt-lichen Kontext bindend sind. Das dreißigköpfigeFachgremium hat diese Richtlinien in einem mehr-jährigen Diskussionsprozess erarbeitet und sichauf die Einhaltung verpflichtet.

Geschichte der BAG TrauerbegleitungIm Dezember 2002 luden Monika Müller undChris Paul vom TrauerInstitut Deutschland e.V. ihreKolleginnen und Kollegen zum Austausch ein. DasKennenlernen stand im Vordergrund, als langfris-tiges Ziel wurde die Erarbeitung gemeinsamerStandards für die Qualifizierung zur Trauerbeglei-tung vorgeschlagen. Im Januar 2007, mehr als vierJahre später, ist es geschafft: die „Bundesarbeits-gemeinschaft Qualifizierung zur Trauerbeglei-tung“ hat am 25.1.07 ihre bundesweit geltendenQualitätsstandard verabschiedet.Am Freitag, den 13.12.02, hat die Geschichte derBundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung be-gonnen. Von Anfang an dabei waren viele Pionie-re der Trauerbegleitung. Aus der eigenen Bera-tungsarbeit mit Trauernden war der Bedarf nach

Standards für die Qualifizierung zur TrauerbegleitungBundesarbeitsgemeinschaft

„Qualifizierung zur Trauerbegleitung“

Chris Paul

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Die Folgen gesellschaftlichenWandelsIn der Bestattungskultur hat sich inDeutschland in den letzten Jahren vielbewegt. Der Trend weg vom klassi-schen Erd- oder Urnengrab wird stär-ker, neue Bestattungsformen wie die Baumbestat-tung gewinnen an Zustimmung. Auch die Kostenrücken stärker in den Mittelpunkt. Es gilt nichtmehr als pietätlos, bei der Bestattung auf den Preiszu schauen. Liberalere Bestattungsgesetze, Priva-tisierungen im Bestattungswesen und ein größeresöffentliches Interesse am Thema verändern die Bestattungskultur in zunehmendem Maße. Die Alterung der Gesellschaft und die vermehrte Kinderlosigkeit in Deutschland verursachen neueHerausforderungen. Auch die zunehmende Mobi-lität des Einzelnen und der Verlust familiärer Bin-dungen bleiben für die Bestattungskultur nicht ohne Folgen. Die Finanzierung der Bestattung unddie Pflege der Gräber nach dem eigenen Tod beschäftigen die Menschen.

Aeternitas wollte – anknüp-fend an die Studien von 1998und 2004 – wissen, wie dieModernisierung der Bestat-tungskultur bei den Men-schen in Deutschland an-kommt. Was wünschen sichdie Bundesbürger weiterhin

an traditionellen Elementen und welche Schritteder Modernisierung sollten angestoßen werden?Welche Rolle spielen die Kosten bei Bestattungen?Wie ist die Meinung der Deutschen über ihreFriedhöfe?Um die Meinung der Bürger zu erhalten, führteTNS Infratest im Auftrag von Aeternitas eine re-präsentative Umfrage durch. Die wichtigsten Er-gebnisse präsentieren wir hier im Überblick.

Abkehr von den klassischen BestattungsformenDie repräsentative Studie von TNS Infratest, dassnur noch 51 Prozent der Bundesbürger sich für dieeigene Beisetzung das übliche Erd- oder Urnen-grab wünschen. Damit zeigt sich ein klarer Trendweg von den klassischen Bestattungsformen. 1998betrug der Anteil derer, die das traditionelle Erd-oder Urnengrab bevorzugten, noch 87 Prozent

(Aeternitas /Emnid 1998) und 2004 noch 62 Pro-zent (Aeternitas / Emnid 2004). Die Dynamik derBestattungskultur ist also ungebrochen. Die übri-gen 49 Prozent, die sich etwas anderes wünschenals eine klassische Bestattungsform, äußern sehrverschiedene Wünsche (siehe Grafik).

Trotz der deutlichen Tendenz zu Abkehr von denklassischen Bestattungsformen sehen nur 8,9 Pro-zent der Bundesbürger in einer anonymen Bestat-tung eine Alternative. Hier steigt die Zustim-mungsrate mit zunehmendem Alter und der Größeder Ortschaften an. Stellt man jedoch die Frage,was für die eigene Bestattung wichtig ist und er-wähnt dabei die günstigen Kosten eines anonymenGrabes, können sich schon 21,4 Prozent diese Va-riante vorstellen.

Unentschlossenheit bei den Alternativen16,1 Prozent aller Bundesbürger wünschen sich einemoderne Bestattungsform wie Baumbestattung,Ascheverstreuung oder ähnliches. Mehrfachnen-nungen waren hier möglich. Sie interessieren sichbesonders für die Baumbestattung (außerhalb ei-nes Friedhofs 45,5 Prozent, innerhalb 39,8 Pro-zent) und die Verstreuung der eigenen Asche

Nur noch jeder Zweite wünscht eine traditionelle BestattungInfratest-Umfrage im Auftrag von Aeternitas

Alexander Helbach

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© Aeternitas (TNS Infratest 2007)

(außerhalb eines Friedhofs 45,6 Prozent, innerhalb22,7 Prozent). Andere Möglichkeiten wie die Ur-nenaufbewahrung zuhause, die Urnenbeisetzungim eigenen Garten, ein Gemeinschaftsgrab oderdie Luftbestattung (dabei wird die Asche von ei-nem Ballon aus verstreut) wählen jeweils etwa einDrittel aus dieser Gruppe als mögliche Option.

Festzuhalten ist angesichts der Umfrageergeb-nisse, dass besonders in der Gruppe derer, die aneine moderne Bestattungsform denken, ein großesMaß an Unentschlossenheit herrscht. „Die entschei-dungsfreudigen Bürger können von Anbieternneuer, aber auch traditioneller Bestattungsformendurch eine wirksame Kommunikation gewonnenwerden“, sagt dazu Hermann Weber, Vorsitzenderder Verbraucherinitiative Bestattungskultur, und

ergänzt: „Sie sind wenig gefestigt in ihrer Erwar-tung und empfänglich für gute Argumente.“

Falsche Vorstellungen von den Kosten60,6 Prozent der Bundesbürger wollen nicht mehrals insgesamt 4.000 Euro für eine Bestattung(Grabstelle, Bestatter, Steinmetz und Friedhofs-gärtner) ausgeben. Ein starkes Gefälle zeigt sichzwischen Ost- und Westdeutschland. 57,4 Prozentder West-, aber immerhin 73,6 Prozent der Ost-deutschen wollen hier nicht mehr investieren. An-gesichts der Tatsache, dass eine Bestattung inDeutschland mit durchschnittlich 5.000 Euro zuBuche schlägt, zeigt sich, dass die Menschen inganz Deutschland die Kosten immer noch zu nie-drig einschätzen.

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© Aeternitas (TNS Infratest 2007)

Die Bedeutung der FriedhöfeEtwa sieben von zehn Bundesbürgern besuchenmindestens einmal pro Jahr einen Friedhof. Nur16,4 Prozent gaben an, nie einen Friedhof zu be-suchen. Lässt man die Teilnahme an einer Beerdi-gung mal außer Acht, ist für den größten Teil derFriedhofsbesucher, nämlich 88,6 Prozent, der Be-such oder die Pflege einer Grabstätte immer nochder Hauptgrund für den Friedhofsbesuch. Immer-hin 24 Prozent besuchen den Friedhof, um die ru-hige Parkanlage zu genießen, 8,2 Prozent wegen derKontakte zu anderen Menschen und 18,7 Prozentsind interessiert an historischen Bauten und Grab-mälern (Mehrfachnennungen waren möglich).

Alexander HelbachAeternitas e.V.

Verbraucherinitiative BestattungskulturDollendorfer Str. 7253639 Königswinter

Tel.: 0 22 44 - 92 53 85Fax: 0 22 44 - 92 53 88

Internet: www.aeternitas.deE-Mail: [email protected]

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I N F O R M A T I O N

Beim Museumskoffer „Vergissmeinnicht“ han-delt es sich um eine didaktische Einheit zum Thema„Sterben und Tod, Bestatten, Trauern und Erinnern“für Kinder von 5 bis 12 Jahren, eine mobile Mit-machausstellung für Vorschul- und Grundschul-kinder, die aber auch sehr gut im Konfirmanden-unterricht eingesetzt werden kann. Die Kinderwerden in spielerischer Weise an die Themen Sterben,Bestatten, Trauern und Gedenken herangeführt.Dadurch sollen Ängste abgebaut, Hilfen zur Kri-senbewältigung angeboten und wichtige sozialeFähigkeiten erlernt werden, z. B. die Fähigkeit,sich in andere hineinzuversetzen oder die Fähig-keit, zu trauern.

Bilder, Arbeitsblätter, Objekte, Filme und Musik-stücke eröffnen dabei den Einstieg in das Thema.Stethoskope, Federn und Taschenlampen beleuch-ten den Tod von der medizinischen Seite. Und weildurch spielerische Elemente Berührungsängstemit dem Thema leichter überwunden werden, kannmit Schminke, Sonnenbrille und schwarzem Da-menhut mit Schleier eine Beerdigung als Rollen-spiel nachgespielt werden.

Entwickelt wurde „Vergissmeinnicht“ vom Mu-seum für Sepulkralkultur in enger Zusammenar-beit mit Kaleidoskop e.V., Mitmachprojekte Frank-

furt. Dank der finanziellen Unterstüt-zung durch den Bund deutscher Fried-hofsgärtner im Zentralverband Gar-tenbau e.V., das Kuratorium DeutscheBestattungskultur e. V., den Bundes-

innungsverband des Deutschen Steinmetz-, Stein-und Holzbildhauerhandwerks und den Verband derFriedhofsverwalter Deutschlands e. V. konnte dasProjekt realisiert werden.

Wie kann man mit dem Koffer arbeiten?Der Museumskoffer ist gefüllt mit Objekten, Bü-chern, Filmen und Vorschlägen für den kreativenUmgang mit den Themen

- Sterben und Tod- Bestatten- Trauern - Erinnern

Die diversen Materialien sind in Schachteln ver-staut und nach diesen Themen geordnet.

Mit dem Inhalt des Museumskoffers (s. S. 12) undden Anregungen im Handbuch können kleine undgroße Projekte umgesetzt werden, die sich mit denunterschiedlichen Facetten dieser schwierigen undernsten Themen auseinandersetzen.

Die Vielzahl der Objekte und Arbeitsanleitungenim Museumskoffer „Vergissmeinnicht“ ermöglichteinen alters- und fächerübergreifenden Einsatz.Mehrere Arbeitsvorhaben können parallel durch-geführt werden, der Ablauf der Projektwoche istfrei gestaltbar. Erweiterungen der Aktionen durcheigene Ideen, Anregungen aus beiliegenden Büchernund Vorschläge der Kinder sind natürlich ohneweiteres möglich und auch sinnvoll.

Hintergrundwissen für die Pädagogen ist in einemHandbuch zum Teil in kurzer Form zusammenge-fasst (z. B. im Lexikon und in den Einstiegstexten).

Wann sollte man mit dem Koffer arbeiten?Der Zeitpunkt für die Arbeit mit dem Museums-koffer „Vergissmeinnicht“ kann sehr unterschied-lich sein. Er hängt sehr davon ab, ob das Thema inder Klasse bzw. Kindergruppe akut ist, zum Bei-spiel durch einen Trauerfall in einer Familie, durch

Der Museumskoffer „Vergissmeinnicht“ -ein neues Angebot des Museums für Sepulkralkultur

Gerold Eppler M.A.

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eine große Katastrophe oder den Tod einer be-kannten öffentlichen Figur. Ausgangspunkt allerBearbeitung wird dann das aktuelle Geschehensein, der Themenkomplex „Tod und Trauer“ wirdthematisch im Vordergrund stehen.

Wenn die allgemeinen Trauertage (Totensonntag,Allerseelen, Volkstrauertag) zum Anlass genommenwerden, so können die Themenblöcke „Trauern“und „Erinnern“ als Einstieg dienen.

Es wäre für die Kinder sicher günstig, wenn dieAuseinandersetzung mit Sterben und Tod zu einemZeitpunkt stattfinden könnte, der nicht durch Vor-gänge wie die oben geschilderten geprägt ist. Sokönnen sie unbelasteter ein tragfähiges inneresFundament aufbauen, auf das in akuten Trauer-und Abschiedssituationen zurückgegriffen werdenkann.

Falls eine Projektwoche ohne speziellen äußerenAnlass geplant ist, so kann es hilfreich sein, dieKinder zu bitten, Objekte/Fotos oder ein selbst ge-maltes Bild mitzubringen, das für sie mit dem The-ma Tod, Abschied, Trauern und Erinnern in Ver-bindung steht.

Die Sammlung der Kinder wird durch Objekte, Fo-tos und Bücher aus dem Museumskoffer ergänzt.In der Schachtel „Einstimmung und allgemeinesAmbiente“ befinden sich hierfür einige Objekte,die zu Gesprächen und Assoziationen anregen,bzw. eine ruhige Stimmung unterstützen können.

Neben der Arbeit im Gruppenraum mit den Mate-rialien des Museumskoffers gehören Besuche aufdem Friedhof, eine Führung in einem Bestattungs-Institut, der Besuch bei einem Steinmetz oder

Friedhofsgärtner auf jeden Fall dazu. Für Kinderüber 10 Jahren kann auch der Besuch eines Kre-matoriums in Erwägung gezogen werden.

Wie leiht man den Koffer aus?Der Museumskoffer „Vergissmeinnicht“ kann füreine oder auch mehrere Wochen ausgeliehen wer-den. Freie Termine sind bei Herrn Gerold Epplerzu erfragen.

Für eine Ausleihzeit von 1-2 Wochen wird beiSchulen, Kindergärten und kirchlichen Einrichtun-gen eine Gebühr von 50,– EUR erhoben, für ge-werbliche Ausleiher beträgt die Gebühr 100,– EUR.Der Museumskoffer kann dann nach Absprache imMuseum für Sepulkralkultur gegen Zahlung einerKaution von 150,– EUR abgeholt werden. Er hatdie Maße 44 x 57 x 105 cm (H x B x L), ist mit Tra-gegriffen und Rollen versehen und passt in jedesAuto mit umklappbarer Rückbank.

Als didaktische Einheit für die Grundschule ist erein großer Erfolg und für das Jahr 2007 bereits vollausgebucht. Deshalb suchen wir Paten, die bereitsind, Nachbauten zu finanzieren. Noch liegen dieHerstellungskosten für ein Einzelstück bei EUR5.000,–. Doch würden sich die Kosten bei einergrößeren Stückzahl sicherlich um EUR 1.000,– bisEUR 1.500,– senken lassen.

Kontakt und AnmeldungArbeitsgemeinschaft Friedhof

und Denkmal e.V. (AFD)Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur

Weinbergstraße 25-2734117 Kassel

Tel.: 05 61 - 91 89 3-0Fax: 05 61 - 9 18 93 -10

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner:Gerold Eppler M.A.Tel.: 05 61 - 91 89 23

Fax: 05 61 - 9 18 93 -10E-Mail: [email protected]

I N F O R M A T I O N

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Für Gipsmasken (Totenmasken)1 Paket Gipsbinden für 10 Masken ca. 4 Packungen à 3 m Gipsband2 Kinderscheren1 Verbandsschere1 Wasserschale1 Paket Schmirgelpapier1 Päckchen Strohhalme

Für Gestaltung von Trauerkarten und Anzei-gen mit Stempel5 Stempel3 Stempelkissen

Für Einstimmung und allgemeines Ambiente2 Kerzen mit 2 Kerzenständern1 blaue Grablampe aus Glas mit Kerzenwachs1 rotes Grablicht mit Batterie1 rotes Grablicht mit Kerzenwachs1 Kreuz1 Engel1 Urnenkranz1 Kranzschleife1 Aschenurne plus SchmuckurneÄtherische Öle: Rosmarin, Minze, Weihrauch,Wermut, MyrtheZitrone mit Räucherstäbchenhalter

Für Gestaltung von Trauerkarten und Anzeigen mit Stempel2 Brettchen für Druckfarbe3 Tuben Aqualinol - Druckfarbe2 Farbwalzen

Für Rollenspiele1 schwarzer Hut1 Trauerbinde1 Sonnenbrille1 schwarzer Schlips1 Rosenkranz1 Schachtel mehrfarbige Schminkeje 1 Schminkdose in weiß und hautfarben

Vergissmeinnicht säen1 Päckchen Vergissmeinnicht Samen1 kl. Tonblumentopf1 Jiffy-Torfquelltopf

Für Frottage von Grabsteinen1 Paket Wachsmalblöcke für Frottage1 Paket Grafitblöcke für Frottage1 Graphitkreide Stift

Audio und visuelle Medien4 Kinderbücher4 Sachbücher für Erwachsene1 Film: Abschied von der Hülle – aus Sendung mit

der Maus1 CD mit Trauermusik1 Handbuch1 Inhaltsliste / Packliste

Für Forscherfragen zu Lebenszeichen bzw.Todeszeichen1 Feder1 Spiegel1 Taschenlampe1 Stethoskop1 Blutdruckmessgerät und 1 Fieberthermometer

Was alles im Koffer ist:

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I N F O R M A T I O N

Um Eltern in dieser Krisensituation professionelleUnterstützung zu bieten, bedarf es der Reflexionder eigenen Verlust- und Trauererlebnisse auf Sei-ten des betreuenden Personals. PersönlicheRessourcen, Selbstpflege und der eigene Umgangmit Grenzsituationen kommen in diesem Kapitelzur Sprache. Dem schließen sich Hinweise aufunterstützende Maßnahmen in der Begleitung be-troffener Eltern an. Es werden aktuelle Definitionen und die rechtlicheSituation in Deutschland beschrieben. Das Wissen

um diese Fakten ist notwendig,um betroffene Eltern z.B. im Hin-blick auf Bestattungsmöglichkei-ten aufzuklären. Weitere prak-tische Ansätze ergänzen diesenTeil der Arbeit (z.B. Abschiedsri-tuale, Namensgebung und Fotos).Mit ihnen schafft das begleitendePersonal einen Rahmen bzw. eineStruktur, in der die Eltern ihreTrauer individuell und gemein-sam als Paar leben können: DieTrauer nimmt Gestalt an. Alleunterstützenden Maßnahmen inder Begleitung betroffener Elternsind als Ideen oder Vorschläge zu

verstehen, deren Konkretisierung jede Mitarbeite-rin oder jede Institution nach ihren Möglichkeitengestalten kann.

Die Veröffentlichung richtet sich an Hebammen,Ärzte und Pflegepersonal, die den relativ kurzenZeitraum der Geburt begleiten.

Christel Kofoetc/o ALPHA-Westfalen

Salzburgweg 148145 Münster

Tel.: 02 51 - 23 08 48Fax: 02 51 - 23 65 76

S till geboren heißt, dass bei derGeburt eines Kindes kein erstes er-wartetes Schreien ertönt – alles bleibtstill. In Deutschland enden nach Aus-sagen des Statischen Bundesamtesrund 0,4% aller Schwangerschaften mit einer Fehl-oder Totgeburt; das sind vier von 1000 Schwan-gerschaften. Hebammen, Ärzte und Pflegeperso-nal der geburtshilflichen Stationen werden sich mithoher Wahrscheinlichkeit im Laufe ihres beruf-lichen Lebens mit der Situation konfrontiert sehen,dass ein Kind im perinatalen Zeitraum (Zeitraumvor, während oder kurz nach der Geburt) verstirbt.

Wie können betroffene Eltern zum Zeitpunkt derGeburt unterstützt werden, sodass eine positiveEntwicklung der Verarbeitungdes Verlustes gefördert wird?Wie können die Begleitpersoneneinen Umgang mit diesen Aus-nahmesituationen finden, sodass sie ihre eigenen Bedürfnisse, Ängste und Trauer-reaktionen berücksichtigen? Mitdiesen Fragestellungen hat sichALPHA Westfalen im Rahmeneines Projektes beschäftigt undeine Broschüre zum Thema ent-wickelt. Die Ergebnisse basierenunter anderem auf einer differen-zierten Befragung zur Situationvon Hebammen bei Totgeburtenund Lebendgeburten mit tödlichem Ausgang .

Im ersten Teil der Broschüre werden allgemeineGrundlagen zu den Themen Sterben, Verlust undTrauer beschrieben. Danach wird die spezielle Ver-lustsituation, wenn also ein Kind im perinatalenZeitraum verstirbt, behandelt. Ebenfalls wird diePerspektive der Eltern einbezogen, die von Paar zuPaar sehr unterschiedlich sein kann. Das Erleben desVerlustes wird u.a. von der Lebenssituation der El-tern beeinflusst. Für das begleitende Personal ist esvon Bedeutung zu erfahren, in welcher Situation sichdas Paar bzw. die Familie momentan befindet. Denndie Perspektive der Eltern mit Einfühlungsvermögenverstehen und respektieren, ist ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation mit der Familie.

Still geboren – Wenn das Leben mit dem Tod beginntUnterstützende Maßnahmen in der Begleitung von Eltern zum Zeitpunkt der Geburt

Christel Kofoet

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S C H W E R P U N K TSE

ELSO

RG

E

her, morgen, in absehbarer Zukunftkreisen lassen zu können. Normalitätstellt sich so gewiss dar, dass es in derRegel keiner Gedanken bedarf, sie be-wusst aufzunehmen.

Ganz anders für einen Sterbenskranken. Viel Nor-males geht nicht mehr unbefragt und selbstver-ständlich. Der Kranke kann nicht unbedingt wäh-len, ob und wie er aufstehen, dass er sich bewegen,wie er sich kleiden, was er essen, welche Distanzoder Nähe er will. Er kann nicht in Weite planen,manchmal nicht weiter als einen Tag oder gar nureine Stunde. Mit dem Augenblick der Diagnose einer todbrin-genden Erkrankung hat die bis dahin geltende Nor-malität aufgehört, selbst wenn es für längere Zeitnoch so aussieht, als ob Normalität geblieben sei.Das Leben ist anders mit einer solchen Diagnoseund Prognose.

In der Sorge um die Seele eines Sterbenden seinwollen heißt, wahrzunehmen und zu bedenken,dass dieser Mensch Abschied nehmen musste vonseiner Normalität. Dies ist gewaltig und trennt vonden Nichtbetroffenen in ihrer Normalität. Ein Ab-schied von bis dahin vielleicht Leben tragender,unbezweifelbarer Selbstverständlichkeit.

3. Isolation und RückzugWo Normalität durchbrochen wird, berührt es alle,die am System dieser Normalität beteiligt gewesensind – Familienangehörige, Freunde, Verwandte,Bekannte, Kolleginnen und Kollegen usw. VieleSterbende machen die sie bitter treffende Erfah-rung, dass Menschen sich von ihnen zurückziehen.Manchmal in beschämender Unbeholfenheit, seies im Abbruch des Kontaktes, sei es in der Baga-tellisierung des Leidens. Diese Art der sozialenAusgrenzung wirkt wie ein vorweggenommenerTod, eine Isolation aus dem Umfeld, das vorher soselbstverständlich tragend schien.

Die Gegenbewegung der Isolation durch die Um-welt kommt sehr oft mit dazu: der Rückzug ausden bis dahin vertrauten Kontakten: Rückzug, umselbst begreifen zu lernen, dass es sie getroffenhat. Das gesellschaftliche Tabu beeinflusst das Ge-

Seelsorge als ‚Sorge um die Seele‘ (1.)Bei „Seelsorge“ denken wir meist an die dafür be-sonders ausgebildeten Frauen und Männer derSeelsorge, die Bestandteil der meisten Klinikenund auch der meisten Palliativstationen sind. Nach

diesem Verständnis ist ‚Seelsorge’innerhalb des Gesundheitssystems zu-ständig für die Sinnfrage. Seelsorge istBegleitangebot für Sterbende und An-gehörige, bietet rituelle Vollzüge derGlaubensgemeinschaft unterschied-licher Ausprägung an.

Das im Folgenden dargestellte Ver-ständnis von „Seelsorge“ setzt radika-ler an. Es folgt der Grundhaltung:

Seelsorge heißt, in der Sorge um dieSeele des Sterbenden und der Zugehörigen zu sein.Es geht zuvorderst um eine Haltung.

Diese Haltung der Seelsorge steht in der hohenAchtung und Demut vor dem Sterbenden und seinenAngehörigen, versucht zu begreifen, was dieseMenschen bewegt.Dieser Grundsatz bewegt alle, die Menschen be-gegnen, vor allem die, die den Anspruch haben,diesem Menschen heilend und lindernd Beistandzu sein. In der Sorge um die Seele eines Sterben-den sein zu wollen bedeutet, sich in die Lebens-situationen einzufühlen, die da bestimmend sind.

Dazu einige Aspekte:

2. Abschied von der NormalitätDie Normalität stellt sich vermutlich am bestendar, indem sie kaum auffällt, sondern als eine un-befragte Selbstverständlichkeit zur Verfügungsteht. Dazu gehören die für einen Gesunden nichterwähnenswerten Verrichtungen wie mehr oderweniger ungestörtes Aufstehen, sich bewegen kön-nen, sich kleiden können, das Essen zu wählen,Distanz und Nähe auszuloten, Gedanken an nach-

Seelsorge ist: In der Sorge sein um die Seele ...Matthias Schnegg

Matthias Schnegg

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1 Auch die Hospizbewegung kennt die Gefährdung der ide-ologisierten Verherrlichung des Sterbens - das Sterben, wieman sich’s ‚hospizlich‘ wünscht, das besondere „SchönerSterben“.

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fühl eines persönlichen Versagens oder einer per-sönlichen Niederlage. Rückzug auch, um sich auf das Wesentliche besin-nen zu können, weil die Gewichtung der bisheri-gen Kontakte völlig andere Maße bekommenkann.

In der Sorge um die Seele eines Sterbenden seinwollen heißt, erst einmal wahrzunehmen, dass esso etwas wie Isolation und Rückzug in ihren je-weiligen Wirkungen gibt und wie diese Empfin-dungen sich im Kranken äußern. Handlungsschrit-te daraus können folgen, wenn gewürdigt ist, wasIsolation und Rückzug in der Seele eines Sterben-den bewirken. Das kann zeitlich ganz eng beiein-ander liegen.

4. Umwandlung des LebensHier ist nicht an die Verherrlichungen gedacht, dietiefes Leiden als die Chance zur Intensivierung desLebens sieht. Es ist vermessen, für einen anderendas zu bestimmen. Man wünschte jedem Men-schen, dass ihm das Leiden erspart sein könnte.1

Ganz anders ist von ‚Umwandlung des Lebens‘ zureden, wenn der Kranke selbst in seinem Leiden einanderes Verhältnis zu seinem Leben entwickelt, einneues Gespür für das wahrnimmt, was ihn umgibtan Farbe, Formen, Pflanzen, Tieren, Mitmenschen,Spiritualität und Kultur.

In der Sorge um die Seele eines Sterbenden in derUmwandlung seiner Lebenswertungen heißt, dieswahrzunehmen, dies mit zu würdigen, ohne darauseine ideologische Belehrung oder Idealisierung zumachen. Es kann auch um das Teilen von Freude undErfüllung an neu oder wieder Entdecktem gehen.

5. LeidbesetzungLeiden können eine zermürbend besetzende Krafthaben. Das Wesen der Besetzung ist, dass das nor-male Leben nur unter äußerster Anstrengung undim Allernötigsten wahrgenommen werden kann –wenn überhaupt. Das Leiden kann so eine Beset-zung des Lebens eines Sterbenden bedeuten – auch

das seiner Angehörigen. Diese Besetzung kannsich in Alltäglichem finden – in dem, was zu essenmöglich oder dann plötzlich doch nicht möglichist, welche Stimmung das Umfeld beherrscht, ab-rupt wechselnd gar; dass der Rhythmus von Tagund Nacht sich umkehrt.

In der Sorge um die Seele eines Sterbenden zu seinheißt, diese Macht und Gewalt der Besetzungdurch das Leiden erahnen zu lernen und entspre-chend einfühlend damit zu rechnen. Es kann auchbedeuten, so schwer das helfenden Berufen fallenmag, diese Besetzung als einen Teil des nötigenErlebens im Sterben zu akzeptieren.

6.Schatten des LeidensAus der Psychologie sind uns ‚Schatten‘ vertraut,Empfindungen, denen wir ungern begegnen, nochunliebsamer uns ihnen stellen mögen. Derlei‚Schatten‘ begleiten auch Sterbende. Selbst in die-sem Lebensprozess fühlen sich viele Menschenden Appellen des Überich unterworfen, wollen sievielleicht ‚edel‘, ‚duldsam‘, ‚angenehm‘ erschei-nen. Das ist oft von ehrenwerten Motiven getra-gen, auch zur Schonung der Umwelt vor den Ge-fühlen, die ganz und gar nicht in dergesellschaftlichen Konvention der Edelgefühlestehen.Zu den Schatten zählen u.a. die Wut, die Verzweif-lung, der Ekel, die Schuld. Allesamt sind sie gro-ße Gefühle, denen der Mensch auch in gesundenTagen ausgeliefert sein kann – in Aggression überdie genommene Lebensmöglichkeiten; in Ent-Zweiung, bei der der Verstand nicht mehr Lebens-bewältigung leistet, sondern kapitulieren muss; imVersagen vor eigenen Lebensgrundsätzen.

In der Sorge um die Seele zu sein heißt hier, dasses nicht um Bewertung dieser Empfindungen geht,die dem Sterbenden das für ihn reale Gefühl aus-reden oder überhöhen wollen. Gewiss ist wün-schenswert, dass diese Schattenexistenzen für denKranken gemildert werden können. Das wird nichtgehen über Verleugnung oder Moralisierung, son-dern wiederum nur über die Wahrnehmung undWürdigung dieser Gefühle, weil sie da sind. AlsBeistand scheint hilfreicher sein, die Schattenge-walten zu entzerren, als fordernde Bewertungenanzubringen.

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7. Der AbschiedMeist schauen wir hier auf die, die zurückbleiben.Der Sterbende aber hat auch unendlich viel Ab-schied zu leisten – Abschied von allem: banalenGebrauchsgegenständen des Alltags; Abschiedvon Bäumen, Gärten, Pflanzen, von Jahreszeitenin ihren eigenen Färbungen; Abschied von kultu-rellen Fähigkeiten; Abschied von Menschen, dielieb geworden sind; Abschied, der weh tut, weilman weiß, Geliebte in unermesslicher Trauer alleinzurück zu lassen; Abschied, ... Abschied vom ei-genen Körper. Dies scheint eine der unerfasslichs-ten Dimensionen zu sein, denn jeder kennt sichselbst nur in der leibhaftigen Gestalt. Der Zerfallgerade dieses Leibes ist die unerschütterlichsteGewissheit des Lebens, so auch des Sterbens. Ab-schied vom eigenen Leib – und damit verbundendie tiefe spirituelle, religiöse Dimension, dasGrundvertrauen auf ein Leben über die raum-zeit-liche Begrenzung der Vergänglichkeit hinaus.

In der Sorge um die Seele eines Sterbenden seinheißt, sich diese unendlichen Dimensionen der Ab-schiedsleistung annähernd vorstellen zu lernen. ImWissen um die nur begrenzte Fähigkeit dieser An-näherung geht es um Würdigung dieses Einzig-gearteten und um Beistand, sofern und wie er gewünscht sein wird.

8. Die amtliche SeelsorgeIn der Sorge um die Seele zu sein ist eine Haltung,die nicht allein ‚professionellen‘ Seelsorgendenobliegt. Es ist eine wünschenswerte Haltung aller,die mit Sterbenden leben.

‚Amtliche‘ Seelsorgende sind innerhalb des Ge-sundheitssystems ‚strukturelle Garanten‘ dieserHaltung der Sorge um die Seele. In der Institutionihres Amtes sind sie Anwälte dieser Haltung imkonkreten Alltag.Seelsorgende sind autorisierte Trägerinnen undTräger von Riten einer Glaubensgemeinschaft, diedem Sterbenden zusprechbar sind. Seelsorgende sind Repräsentanten der Glaubensge-meinschaft. Sie repräsentieren die Gemeinschaftder Glaubenden, die Glaube und Hoffnung weiter-trägt, selbst wenn dies dem Kranken persönlich imAugenblick nicht als Gewissheit zur Verfügungsteht.

Amtliche Seelsorger sind bestellt, Zeugen einerHoffnung zu sein, die menschliches Verstehen über-steigt. Diese Hoffnung kann nie durch eine einzel-ne Person vollgültig und immer ratifiziert sein. DieGlaubensgemeinschaft an sich hält den Glauben,dass – anders als der Volksmund es benennt, wenner sagt, dass die Hoffnung zuletzt sterbe – eine Hoff-nung ist, die niemals stirbt. Wir ahnen in Ehrfurchtdie Erhabenheit des Nichtmachbaren. ‚Es‘ ge-schieht.

In der Sorge um die Seele sein steht im Dienst,dass ‚ES‘ geschehen kann.

Matthias SchneggSankt Maria in Lyskirchen

An Lyskirchen 1050676 Köln

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Auftraggeber für Seelsorge: DasSelbstverständnis von Palliative CareAusgehend von der Definition derWHO (2002) gehört die „Vorbeugungund Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Er-kennung, hochqualifizierter Beurteilung und Be-handlung von Schmerzen und anderen Problemenphysischer, psychosozialer und spiritueller Natur“zu den Aufgaben von Palliative Care.

Was aber sind spirituelle Schmerzen oder Probleme?Das ganzheitliche Schmerzkonzept der Begründerinder modernen Hospizbewegung Cicely Saunders(1918 - 2005) versteht unter den spirituellenSchmerzen die Fragen nach Schuld, Sinn, persön-licher Betroffenheit und Biografie genauso wie diedrei Grundfragen der menschlichen Existenz: Warum, wozu und wohin. Sie selbst formuliertdiese nicht erst von ihr entdeckten Zusammenhän-ge folgendermaßen: „Dabei ist es seit langem bekannt, dass seelisches und körperliches Leideinander verstärken können; indem man das einelindert, kann man auch das andere erträglicher machen. Durch eine kompetente Symptomkon-trolle kann die Kommunikation mit dem Patienteneröffnet und Unterstützung auf einer tieferen Ebeneangeboten werden“ (Saunders, Cicely, Leben mitdem Sterben). Gerade diese „tiefere Ebene“ wirddurch die spirituelle Begleitung sichtbar und be-wusst gemacht und stellt so einen wesentlichenBestandteil jeder Palliativversorgung dar.

Was aber ist spirituelle Begleitung? Als erstes giltes festzuhalten, dass es keine Berufsgruppe gibt,die für diese Aufgabe das Monopol hat, sonderndass jeder Mensch fähig ist, den anderen spirituellzu begleiten, da jeder Mensch spirituell ist. Geradeweil dies so ist, aber nicht einfach so „nebenbei“erledigt werden kann, braucht eine spirituelle Begleitung zwei Komponenten, einen Raum undeine Person, die sich bei Bedarf in diesem Bereichvertieft auskennt und die neben dem Schatz der eigenen Erfahrung auch auf solche zurückgreifenkann, die Religionen und Weltanschauungen anbieten. Auch sollte sie die Fähigkeit haben, dasGegenüber wirklich und vollständig wahrzuneh-men, ganz bei dem anderen zu sein, um intensivzu- und hinhören zu können. Was kennzeichnetaber nun diese Art der Begleitung?

Was ist Spiritualität? Sicher ist die Definition vonSpiritualität zu unterschieden von dem Begriff derReligion, Glauben und Frömmigkeit. Ebenso ein-deutig ist, dass es keine allgemeingültige Defini-tion gibt. Trotzdem lohnt es sich, auch hier Wegeaufzuzeigen. Die Klinikseelsorger in MünchenGroßhadern haben in ihrem überarbeiteten Kon-zept aus dem Jahr 2005 versucht, diesen Begriff zuumschreiben: „Unter Spiritualität verstehen wirdie lebendige Beziehung eines Menschen zu dem,was sein Leben trägt, kräftigt und erfreut. Spiritu-alität ist vergleichbar der lebendigen Bewegungvon Ein- und Ausatmen. In der jüdisch-christ-lichen Tradition steht der Atem Gottes (ruach,pneuma, Hl. Geist) für jene Kraft, die dem Men-schen Leben in einem umfassenden Sinn schenkt.“Dieses In-Beziehung-Sein zu den Kraftquellen,hierfür ansprechbar zu sein und auch einen An-sprechpartner zu haben, ist in der alltäglichen Ar-beit wichtig.

Wer leistet spirituelle Begleitung? Dies kann – be-sonders im speziellen Sinn – nur jemand leisten, derdiese Qualifikationen mitbringt, der also vertiefteKenntnisse und Kompetenzen in den BereichenKommunikation, Hermeneutik, Gesundheitsethikund in der Gestaltung von Ritualen besitzt. Dane-ben ist es unerlässlich, seinen persönlichen Hinter-grund, seine Basis gut reflektiert und kennen gelernt zu haben und sich kontinuierlich fortzubilden.Ein gutes Qualitätskriterium stellt sicher die pasto-rale Ausbildung durch die beiden großen Kirchendar, die ohne eine entsprechende Qualifikation ihreSeelsorgerinnen und Seelsorger nicht in diesen Bereichen einsetzen. Warum engagieren sich dieKirchen hier so stark?

Auftraggeber für Seelsorge:Das Selbstverständnis der beiden KirchenImmer wieder betonen beide Kirchen (z.B.: Gottist ein Freund des Lebens. Herausforderungen undAufgaben beim Schutz des Lebens, GemeinsameErklärung des Rates der EKD und der DeutschenBischofskonferenz in Verbindung mit den übrigen

Seelsorge in der Palliativversorgung: Auftrag und AufgabeDr. Thomas Hagen

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Mitglieds- und Gastkirchen der Arbeitsgemein-schaft christlicher Kirchen in der BundesrepublikDeutschland und Berlin (West), 1989) die wichti-gen Impulse und Anregungen der Hospizbewe-gung, die das gleiche Ziel verfolgt, das die Chris-ten schon seit urkirchlichen Zeiten mit Leben zuerfüllen suchen. Dieses Engagement der Kirchen,das sich bis heute im Bau und Unterhalt von Kran-kenhäusern und Hospizen zeigt, war und ist einErkennungszeichen des christlichen Glaubens undwird dies auch weiterhin bleiben. Die Begründungliegt im Auftrag Jesu (vgl. Mt 25,36) und wirdauch darin deutlich, dass der Besuch von Kranken– und selbstverständlich auch und insbesonderevon Sterbenden – eines der sieben leiblichen Wer-ke der Barmherzigkeit darstellt. Aus diesemSelbstverständnis heraus ist der christliche Glaubebis heute eine der großen Quellen für die Motiva-tion und innere Haltung vieler Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in der Palliativversorgung undHospizarbeit. Neben diesem persönlichen Engage-ment vieler stehen die Kirchen heute vor der Auf-gabe, diese Tätigkeit auch in Strukturen zu gießen,die Erfahrung und Kompetenz der ersten Stundenweiterzugeben und ihr Bestand zu verleihen. Ausdiesem Grund entstehen und fördern die Kirchenz.B. Qualifizierungskurse für Seelsorgende in Palliative Care. Für welche Aufgaben werden sieda geschult?

Aufgaben der SeelsorgeDie Basis jeden seelsorglichen Handelns ist dasInteresse am anderen und die Bereitschaft, sich inseine Nähe zu begeben, d.h.ganz beim Gegenüber und imKontakt präsent und klar zu sein.Dazu gehört in der Begegnungmit den Menschen eine grund-sätzliche Offenheit für ihre Fra-gen, Probleme und Bedürfnisse.Ausgehend von dem Auftrag Jesu, Kranke zu besuchen, giltdas Angebot allen Menschen –ob Patient, Angehöriger oder Teammitglied – unabhängig vonihrer Religionszugehörigkeit. Dies geschieht durchindividuelle Gespräche und Beratung. Selbstver-ständlich gehört die Erfüllung des Wunsches nachritueller Begleitung in der jeweils entsprechendenForm dazu. Neben diesen im persönlichen Kontaktverorteten Aufgaben gilt es auch dafür Sorge zu tra-

gen, dass Räume und Zeiten verfügbar sind, damitdas Team zur Ruhe, Reflexion und Besinnung kom-men kann. Ein Beispiel dafür ist die monatliche Ge-denkfeier im Team, bei der jeder Mitarbeiter und je-de Mitarbeiterin die Möglichkeit hat, bei derNennung des Namens eines Verstorbenen und demAnzünden einer Kerze Persönliches und noch Offe-nes anzusprechen.

Zu den Aufgaben der Seelsorge gehört es auch,sich an der Lehre und Forschung zu beteiligen. Ge-rade sie hat von sich aus ein ureigenes Interesse,die Bedingungen, wie Kommunikation geradeauch bei schwerkranken und sterbenden Menschengeschehen und gelingen kann, immer besser undgenauer kennen zu lernen. Ein weiterer Schwer-punkt liegt in der Frage, auf welche spirituellenRessourcen Menschen in diesen Situationen zu-rückgreifen und wie diese für den persönlichenHeilungsprozess, wobei Heil nicht mit körper-licher Gesundheit zu verwechseln ist, gehobenwerden können.

Neben all dem Engagement in der Fort- undWeiterbildung, den wichtigen und zu klärendenFragen über die Möglichkeiten und Schwierigkei-ten der Dokumentation und der Verortung derSeelsorge als festes Teammitglied gilt es immerwieder, selbst zur Ruhe und Besinnung zu kom-men, zur Einkehr und Auseinandersetzung mit deroft alles durchdringenden Wirklichkeit des Todes.Immer wieder bleiben Fragen bei Patienten, Ange-hörigen, dem Team und einem selbst offen: „Wa-rum gerade ich? Warum diese schreckliche Krank-

heit? Warum trifft sie mich schon indieser frühen Lebensphase? Wederdie Medizin, noch irgendeine Welt-anschauung und auch nicht unserchristlicher Glaube geben auf dieseFragen eine abschließende Antwort.Wir müssen es vielmehr lernen, an-gesichts des Todes mit offenen Fra-gen zu leben.“1

Dr. Thomas Hagen,Klinikseelsorger und Fachreferent

für Palliative Care und Hospizpastoral der Erzdiözese München und Freising

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Raum der Stille

1 Gemeinsames Hirtenschreiben der Bischöfe von Freiburg,Strasbourg und Basel, Die Herausforderung des Sterbensannehmen, Juni 2006

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Dr. Karolin Küpper-Popp, Dipl.Theologin, langjähriges Vorstandsmit-glied des Hospizvereins Leverkusen undLehrbeauftragte der Katholischen FachhochschuleNordrhein, Abt. KölnIda Lamp, Dipl. Theologin, bis 2004 Hospizseel-sorgerin, heute freiberuflich in Palliative Care tätig.Sie moderieren mit Frau Dingerkus den Arbeits-kreis Seelsorge in NRW.

Wie kam es zum Arbeitskreis Seelsorge, der durchALPHA-Westfalen koordiniert wird?Ida Lamp: Der Arbeitskreis Seelsorge mag zu-nächst als eine Seltsamkeit erscheinen: Da nimmtsich eine von der Politik eingerichtete Stelle desThemas Seelsorge an, das traditionell in kirchlicheHände gehört. Aber es war tatsächlich so, dass einSeelsorger, tätig in einem stationären Hospiz, 2003als Initiator des Arbeitskreises Frau Gerlinde Din-gerkus als Leiterin der ALPHA- Stelle in Westfa-len angefragt hat, ein Treffen zu konkretisieren. Ei-nes der Themen, die zu dem Zeitpunkt relevantwaren: Rolle und Identität des Seelsorgers, derSeelsorgerin in der Hospizarbeit.

Was sind die Aufgaben und Ziele des ArbeitskreisesSeelsorge? Welche Themen werden im Arbeitskreisbearbeitet?Dr. Karolin Küpper-Popp: Aufgaben und Zielebestimmen solche Arbeitskreise ja gewöhnlichselbst. Bis heute arbeiten wir daran, zu präzisieren,„wohin die Reise geht“, d.h. zu welchen Fragestel-lungen im Bereich der Begleitung von Schwerst-kranken und Trauernden wir uns als Gruppe aus-tauschen wollen. Die Einladung richtete sich an interessierte Seel-sorgerinnen und Seelsorger, die mit Hospizen,Hospizdiensten und Palliativstationen zusammen-arbeiteten. In unserem Arbeitskreis, der sich bislang achtmalgetroffen hat, schlagen sich die Umbrüche in derFrage nach der Seelsorge darin nieder, dass sichMenschen in unterschiedlichsten Funktionen undmit verschiedenster Ausbildung von der Einladungzu den Treffen angesprochen fühlen. EhrenamtlichTätige und Pflegende sehen sich ebenso als einge-laden wie Vorstandsmitglieder von Hospiz(för-der)vereinen und Theologinnen und Theologen.Gemeinsam ist allen sicher das Interesse an spiri-

tuellen Fragen. Es scheint einen Be-darf zu geben, diesseits und jenseitsder kirchlichen Angebote und über konfessionelleGrenzen hinaus über das Thema Spiritualität in der Begleitung Ster-bender nachzudenken. So sind wir inunserem letzten Treffen – um unsereArbeit an einem Beispiel darzustellen– im Gespräch mit Prof. Dr. Nockeaus Duisburg den Fragen nachSchuld, Sünde und Vergebung imKontext der Sterbebegleitung nach-gegangen. In einem anderen Treffenging es um Definitionsversuche zumBegriff der Spiritualität. Am Ende jedes Treffens legen die Teilnehmen-den gemeinsam die Themen derkommenden Sitzung fest.Ida Lamp: Im Moment überlegenwir, wie wir das große Spektrum derFragen einerseits und der Vorkennt-nisse andererseits „unter einen Hutbekommen“ können: Da sind einer-seits Wünsche nach Definition des seelsorglichenAuftrags, Konzeptbildung, kollegialer Beratung,Dokumentationsentwicklung u.a.m. – also eher„professionelle“ Anliegen. Andererseits gibt esBedürfnisse nach ganz konkreter Unterstützungfür „Laien“ in der Seelsorge, d.h. hier: bei nichttheologisch ausgebildeten Gläubigen, die sich z.B.in kirchlichen Besuchsdiensten engagieren.

Wie definieren Sie persönlich den Begriff der Seel-sorge? Gibt es Unterschiede bei den amtlich bestell-ten Seelsorgern und den ehrenamtlich Tätigen?Ida Lamp: Zunächst muss man vielleicht festhal-ten, dass es in unserem Zusammenhang nicht in erster Linie um konfessionelle Seelsorge, um Gemeindeseelsorge geht – und damit im Grundenicht um „amtlich bestellt“ und „ehrenamtlich“.Ehrenamtliche könnten ja auch durchaus kirchlichbeauftragt sein für ihren Dienst und sind das ja auch,etwa, wenn sie – katholischerseits – als Kommu-nionhelferinnen einen Dienst versehen. Der Bezugsrahmen ist in unserem Austausch die Arbeit

Dr. Karolin Küpper-Popp

Der Arbeitskreis Seelsorge in NRWInterview mit Dr. Karolin Küpper-Popp und Ida Lamp

Ida Lamp

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in Palliative Care. Dabei geht es um Seelsorge undum spirituelle Begleitung im Allgemeinen. Ich ver-suche, den Begriff von der Fachlichkeit aus zu definieren:Für mich gibt es keine ehrenamtlichen Seelsorge-rinnen und Seelsorger, so wenig wie es ehrenamt-liche Krankenpfleger gibt – es sei denn einer, dereine Ausbildung hat, übt die dazu gehörende Tä-tigkeit ehrenamtlich aus.Als „Professionelle“ setze ich mich mit zwei An-sprüchen auseinander, wie es in Ihrer Frage schonanklingt: Soll etwa nur den Menschen seelsorg-liche Kompetenz zugestanden werden, die von einerKirche zur Seelsorge bestellt sind? Daraus ergäbesich meiner Ansicht nach ein verengtes Verständ-nis von seelsorglicher Kompetenz. Andererseits:Können etwa alle Getauften, die „Rechenschaftablegen von der Hoffnung, die sie erfüllt“, wie esim 1. Petrusbrief heißt, die also z.B. als ehrenamt-liche Hospizmitarbeitende mit kranken Menschenüber den Glauben sprechen oder mit ihnen beten,als Seelsorgerinnen oder Seelsorger bezeichnetwerden?Damit würde der Begriff der seelsorglichen Kom-petenz meiner Ansicht nach inflationär gebrauchtund eine gewisse Aufweichung erfahren.

So versuche ich also zu sagen: Seelsorger oderSeelsorgerin in Palliative Care ist jemand, • der Theologie studiert hat und sich damit spe-

zifische fachliche und reflexive Kompetenzenerworben hat,

• der sich Grundlagen von Palliative Care(Psychoonkologie) angeeignet hat,

• der sich mit medizin-ethischen Fragen befassthat,

• der sich Fähigkeiten in der liturgisch-rituellenund auf Gespräch basierenden Begleitung undBeratung von Menschen im Feld der PalliativeCare erarbeitet und „erlebt“ hat.

Dazu gehören etwa auch Kernkompetenzen in derBegleitung Trauernder. Gemeint sind als Feld derSeelsorge neben Palliativpatienten und ihren An-gehörigen auch die Mitarbeiterinnen in allen Ein-richtungen, die sich um Palliativpatienten küm-mern. Der oder die Seelsorgende kann, muss aber ausmeiner Sicht keine amtliche Bestallung haben, d.h.von einem Bistum oder einer Landeskirche zu sei-nem Dienst beauftragt sein. Der Auftrag zur Seel-sorge in Palliative Care kommt aus der Lebenssi-

tuation der Betroffenen (und persönlich gesehennatürlich aus dem, was wir Berufung nennen) under kommt aus der Erfahrung, dem Erleben allerMitarbeitenden.

Alle im multiprofesionellen Team Tätigen – eh-renamtlich Engagierte wie Pflegende, Therapeu-ten und Ärzte – sind, so sie sich den spirituellenDimensionen von Krankheit, Leiden, Sterben undVerlusterfahrung stellen – im Gebet, im Gesprächoder wie auch immer – nach meinem Verständnisspirituelle Begleiterinnen und Begleiter. Spirituel-le Begleitung würde ich also als Oberbegriff ge-brauchen.

Wird diese Auffassung von anderen Fachleuten geteilt?Ida Lamp: Innerhalb der Deutschen Gesellschaftfür Palliativmedizin (DGP) hat sich eine Arbeits-gruppe gebildet, die versucht, Spirituelle Beglei-tung und Seelsorge in Palliative Care zu definie-ren. Dieser Gruppe gehöre ich an. Auch da gab esbei den ersten Definitionsversuchen Formulierun-gen wie: „Seelsorge wird von den großen Kirchengeleistet.“ Oder „Seelsorger werden von einer Kir-che beauftragt.“ Das stimmt ja, ist aber nach mei-nem Verständnis eben nicht die ganze Wahrheit.Palliative Care betrachtet die Situation aus eineranderen Perspektive: Ihr Ausgangspunkt für dieReflexion liegt nicht im missionarischen oder diakonischen Auftrag der Kirche, sondern in derspirituellen Dimension, die allen Lebens-und Leiderfahrungen innewohnt.

Dr. Karolin Küpper-Popp: Zum ersten Mal in derGeschichte der Kirche erhebt also hier nicht dieandere Konfession, eine andere Religion oderWeltanschauung (z.B. Anthroposophie, Freimau-rertum o.ä.), sondern ein Fachverband den An-spruch, eine Definition dessen erarbeiten zu kön-nen, was unter Seelsorge zu verstehen sei, nichtvermischt mit und nicht getrennt von kirchlicher,religiöser oder weltanschaulicher Lehre, Theorieund Praxis in der Begleitung Schwerstkranker.

Ida Lamp: Demnächst veröffentlicht die DGP dieErgebnisse der Diskussion auf ihrer Homepage,die Formulierungen stehen – aber die Diskussionist m.E. längst noch nicht abgeschlossen. Ich wün-sche mir sehr, dass die Kirchen die Entwicklungwahrnehmen – etwa auch, dass die Heilpraktiker-schule Paracelsus ohne kirchliche Beauftragung

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für „Seelsorge“ ausbildet – und den Dialog kon-struktiv mit bestimmen. Sie könnten die Situationnutzen, ihr Profil und Selbstverständnis von Seel-sorge in säkularen Kontexten weiter zu schärfen.

Was beschäftigt die in der Hospiz- und Palliati-varbeit tätigen Seelsorgerinnen und Seelsorger?Ida Lamp: Das ist, glaube ich, ungeheuer vielfäl-tig und reicht von inhaltlichen Fragestellungen bishin zu strukturellen, wie sich an den oben genann-ten Beispielen schon zeigt. Was mir ein Anliegenist: Wenn in einer Einrichtung, in und von der Palliativpatienten versorgt werden, keine kirch-liche Seelsorge installiert ist, sollte es Menschengeben, die sich als Professionelle (oder professio-nell) der Seelsorge-Themen annehmen. Dass esdann auch eine gute Zusammenarbeit mit der Ge-meindeseelsorge (der konfessionellen Seelsorge –und natürlich auch mit Vertretern anderer Religions-gemeinschaften, so das relevant ist) geben sollte,ist – wie alle Schnittstellenarbeit in Palliative Care –ausgesprochen wünschenswert! Ein Beispiel: DieWaldbreitbacher Franziskanerinnen oder die Malteser stellen für ein Hospiz bzw. Krankenhausin ihrer Trägerschaft konfessionell gebundene Theologen als Seelsorgende ein.

Wo sehen Sie die Schnittstellen zwischen Sozialpä-dagogen, Theologen, Psychologen in der Seelsorge? Dr. Karolin Küpper-Popp: Alle Professionen, diesich Menschen im Gespräch zuwenden, nutzen da-zu therapeutische Kompetenzen, die vor allem vonPsychologen entwickelt wurden. Das gilt auch fürMedizin und Pflege. Empathie, Kongruenz oderAuthentizität und andere Haltungen bilden wohlvor allem die Schnittstellen in der Zuwendung(Care).

Ida Lamp: Mir scheint es eine Frage von – institu-tionell getroffenen – Absprachen zu sein, wer dannkonkret wofür zuständig ist. Als Psychotherapeut istder Psychologe für mich beispielsweise eindeutigfür psychische Erkrankungen zuständig; in Gesprä-chen und Ritualen im Horizont der Frage nach Gott,Welt und Mensch sehe ich eher den Seelsorger/dieSeelsorgerin; die Unterstützung dabei, eine geeig-nete Reha-Maßnahme zu bekommen u.ä. sehe ichbeim Sozialpädagogen. Krisenintervention kannvon allen Berufsgruppen geleistet werden; Trauer-begleitung z.B. auch. Jede Profession wird das mitAkzenten tun, die aus der eigenen Grundqualifika-tion herrühren. Wie gesagt, da braucht es Abspra-

chen, Zusammenarbeit – und sicher noch jede Men-ge fachlichen Austausch, um uns in den jeweiligenProfessionen zu profilieren.

Gibt es ein Berufsbild der Seelsorger?Ida Lamp: Nein, nach wie vor gibt es kein klaresBerufsbild der Seelsorge. Die Kirchen arbeitendaran, aber auch – wie erwähnt – die Deutsche Ge-sellschaft für Palliativmedizin. Nicht einmal dasTheologiestudium als Grundqualifikation ist einestehende Größe. Es gibt auch Ordensleute, die Er-zieherinnen oder Krankenpfleger waren und jetztals Krankenhaus- und Hospizseelsorger arbeiten.

Was kann Seelsorge leisten?Ida Lamp: Vielleicht hält die Seelsorge auf ganzeigene Weise dafür wach, dass wir Menschen nicht„behandelbar“ sind. Ich persönlich glaube jeden-falls, dass es bei Seelsorge um die transzendenteDimension unseres Menschseins geht, um das, wasjenseits des Fassbaren, Behandelbaren liegt unduns Menschen eigen ist, um das, was „keines Men-schen Ohr gehört und keines Menschen Auge jegesehen hat“, wie Paulus es formuliert. Alles Konkretere möchten wir noch im Gespräch weiterausloten.

Dr. Karolin Küpper-Popp: Durch die gesell-schaftlichen und religionssoziologischen Umbrücheunserer Zeit (Stichworte: „Zwang zur Häresie“,„Bedürfnisreligion“, „Synkretismus“, „Religions-produktivität“ usw.) stehen wir trotz Jahrtausendealter Tradition in gewisser Weise wieder am Be-ginn der Seelsorgediskussion.

Dr. Karolin Küpper-PoppHospiz Leverkusen e.V.

Otto-Grimm-Str.951373 Leverkusen

E-Mail: [email protected]

Ida LampCollenbachstr. 12440476 Düsseldorf

E-Mail: [email protected]