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Resilienz: Körper und Psyche sind gefragt CO.med Oktober | 2017 43 Resilienz salutogenetisch dynamisch betrachtet Übergang aus der Abwehrhaltung zum Wohlbefinden und Gestalten | Theodor Dierk Petzold Dieser Beitrag befasst sich mehr mit den dynamischen Prozessen rund um das Thema Resilienz als mit sogenannten Resilienzfaktoren. Er geht der Frage nach, welche Fähigkeiten ein Mensch braucht, aus einem Stressmuster, das mit dem Gefühl von Widerstand ver- knüpft ist, auszusteigen, um sich seinen positiven Zielen zuzuwenden, die mit Lust, Sinn und Wohlbefinden verbunden sind. Diese Wende aus dem Widerstand heraus in eine positiv gestaltende Hand- lungsfähigkeit ist ein innerer Übergang – so wird hier die „Kunst des Stehauf- männchens“ verstanden. Herr K., 65 Jahre alt, pensionierter Lehrer am Gymnasium, kam im Alter von 48 Jahren wegen häufiger Infekte, Heuschnupfen, rezidivierender Gastritis und Enteritis, Hypertonie, Hyperlipidä- mie, Muskelhartspann besonders im Nacken- und Schulterbereich, Eisen- mangelanämie bei Hämorrhoidalblutung sowie Wortfindungs- und Konzentrations- störungen in meine Sprechstunde. Unter anderem fragte ich nach Stress. Er antwor- tete, dass in der Schule der „normale“ Stress und zu Hause alles sehr har- monisch sei. Im November, in dem sich die Klausuren in der 13. Klasse häuften – kam er mit starken, drängenden Nackenschmerzen und -steifigkeit in meine Praxis. Ich be- handelte ihn akut mit Akupunktur, was aber nur zu einer vorübergehenden etwa einstündigen Linderung führte. Das dann am folgenden Tag durchgeführte MRT ergab den Verdacht auf einen (prä- )vertebralen Tumor oder Abszess im Bereich von C2 bis C4. In der HNO-Uni- Klinik wurde zunächst eine Antibiose versucht. Herr K. hatte in diesen Tagen voller Ungewissheit in der HNO-Klinik schon sein Testament geschrieben. Glück- licherweise bildete sich der röntgeno- logische Tumor nach Antibiotikagabe wieder zurück. Nachdem die akute Gefahr behoben war, ging es für ihn darum, etwas tun zu kön- nen, damit so etwas nicht wieder auftritt. In therapeutischen Gesprächen wurde deutlich, dass er in der Zeit vor dieser Er- krankung seine Belastungsgrenzen nicht mehr gespürt hatte und den Stress in der Schule gar nicht mehr als solchen wahrge- nommen sondern als „normal“ betrachtet hatte. Also ging es zunächst darum, seine Wahr- nehmungsfähigkeit auch für sich selbst zu entfalten – der erste Schritt in der gesun- den Selbstregulation (s. Abb., S. 44). Ein hilfreiches Warnsymptom war jeweils ein Schmerz im Nacken und der rechten Schul- ter, ausstrahlend in den rechten Arm, der regelmäßig bei vermehrtem Stress auf- tauchte. Nachdem er sich – unterstützt durch autogenes Training – besser an- und wahrnehmen konnte, berichtete er auf die Frage nach Stress ausführlich über seine scheinbar ausweglose Stresssituation in der Schule: Im Spätherbst, Winter und Frühjahr sitze er oft nachts bis drei oder vier Uhr an der Korrektur der Klassenarbei- ten. Nur im Sommer nach dem Abitur habe er an Wochenenden mal frei. Die ganze Freu- de und Erfüllung, die er am Lehrerberuf hatte, indem er die Schüler individuell förderte, sich Gedanken über Hilfen für problematische Schüler machte und den Unterricht gut vorbereitete, sei dadurch verschwunden, dass er immer mehr neue Vorgaben bekomme, die Klassen immer größer werden und zusätzliche Arbeiten anfallen. Die gesunde Selbstregulation Die Wahrnehmung bezieht sich außer auf diese äußeren stressenden Bedingungen auch insbesondere auf eigene Bedürfnis- se, Wünsche und Anliegen. Schließlich geben diese Soll-Zustände den Maßstab an, nach dem die abweichenden Ist-Zu- stände bewertet werden. Auch unsere Wahrnehmung funktioniert zielorientiert (Schiepek 2004). Mit der Ausrichtung der Wahrnehmung auf das, was einem „bedeutsam“ ist (Anto- novsky 1997), auf die eigenen attraktiven Ziele (Bedürfnisse und Anliegen: Attrak- toren), auf die eigene Stimmigkeit, wen- den wir den Fokus weg von der Widerstän- digkeit gegen äußere Stressoren hin zur Annäherung an „Attraktoren“ (s. a. Chaos- und Komplexitätsforschung: Sturmberg 2013; Petzold 2013, 2017). Diese Umorientierung von außen nach in- nen und von dort wieder nach außen geht damit über die Resilienzfrage hinaus und öffnet den Weg zur Frage nach Wohlbefin- den und (Mit-)Gestaltung der (Um-)Welt (Salutogenese). Im zweiten Schritt der Selbstregulation folgt auf die motivieren- de Bewertung das Handeln – entweder zum Abwenden der Bedrohung (ggf. „Ab- prallen“ = Resilienz) oder zur direkten An- näherung an Attraktoren. Bei Herrn K. suchten wir in den salutoge- nen Gesprächen einerseits immer wieder nach Möglichkeiten, diese Situation zu verändern, wie die Reduzierung seiner Superfeine Vermahlung nach der Shellbroken-Methode Agaricus blazei Murrill Erfahren Sie mehr unter www.pilzshop.de Kostenfreie Hotline für Deutschland: 0800 74 59 746 • Erhältlich als Extrakt, Pulver und Extrakt + Pulver-Kombination in Kapseln • Unsere Extrakte sind standardisiert auf Polysaccharide • Fach-Informationen und Labor-Analysen kostenfrei anfordern Ausgeglichenheit • Vitalität Wohlbefinden

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Resilienz: Körper und Psyche sind gefragt

CO.med Oktober | 2017 43

Resilienz salutogenetisch dynamisch betrachtetÜbergang aus der Abwehrhaltung zum Wohlbefinden und Gestalten | Theodor Dierk Petzold

Dieser Beitrag befasst sich mehr mit dendynamischen Prozessen rund um dasThema Resilienz als mit sogenanntenResilienzfaktoren. Er geht der Fragenach, welche Fähigkeiten ein Menschbraucht, aus einem Stressmuster, dasmit dem Gefühl von Widerstand ver-knüpft ist, auszusteigen, um sich seinenpositiven Zielen zuzuwenden, die mitLust, Sinn und Wohlbefinden verbundensind. Diese Wende aus dem Widerstandheraus in eine positiv gestaltende Hand-lungsfähigkeit ist ein innerer Übergang– so wird hier die „Kunst des Stehauf-männchens“ verstanden.

Herr K., 65 Jahre alt, pensionierter Lehreram Gymnasium, kam im Alter von48 Jahren wegen häufiger Infekte,Heuschnupfen, rezidivierender Gastritisund Enteritis, Hypertonie, Hyperlipidä-mie, Muskelhartspann besonders imNacken- und Schulterbereich, Eisen-mangelanämie bei Hämorrhoidalblutungsowie Wortfindungs- und Konzentrations-störungen in meine Sprechstunde. Unteranderem fragte ich nach Stress. Er antwor-tete, dass in der Schule der „normale“Stress und zu Hause alles sehr har-monisch sei.Im November, in dem sich die Klausurenin der 13. Klasse häuften – kam er mitstarken, drängenden Nackenschmerzenund -steifigkeit in meine Praxis. Ich be-handelte ihn akut mit Akupunktur, wasaber nur zu einer vorübergehenden etwaeinstündigen Linderung führte.Das dann am folgenden Tag durchgeführteMRT ergab den Verdacht auf einen (prä-)vertebralen Tumor oder Abszess imBereich von C2 bis C4. In der HNO-Uni-Klinik wurde zunächst eine Antibioseversucht. Herr K. hatte in diesen Tagenvoller Ungewissheit in der HNO-Klinikschon sein Testament geschrieben. Glück-licherweise bildete sich der röntgeno-logische Tumor nach Antibiotikagabewieder zurück.Nachdem die akute Gefahr behoben war,ging es für ihn darum, etwas tun zu kön-nen, damit so etwas nicht wieder auftritt.In therapeutischen Gesprächen wurdedeutlich, dass er in der Zeit vor dieser Er-krankung seine Belastungsgrenzen nicht

mehr gespürt hatte und den Stress in derSchule gar nicht mehr als solchen wahrge-nommen sondern als „normal“ betrachtethatte.Also ging es zunächst darum, seine Wahr-nehmungsfähigkeit auch für sich selbst zuentfalten – der erste Schritt in der gesun-den Selbstregulation (s. Abb., S. 44). Einhilfreiches Warnsymptom war jeweils einSchmerz im Nacken und der rechten Schul-ter, ausstrahlend in den rechten Arm, derregelmäßig bei vermehrtem Stress auf-tauchte. Nachdem er sich – unterstütztdurch autogenes Training – besser an- undwahrnehmen konnte, berichtete er auf dieFrage nach Stress ausführlich über seinescheinbar ausweglose Stresssituation inder Schule: Im Spätherbst, Winter undFrühjahr sitze er oft nachts bis drei odervier Uhr an der Korrektur der Klassenarbei-ten.Nur im Sommer nach dem Abitur habe eran Wochenenden mal frei. Die ganze Freu-de und Erfüllung, die er am Lehrerberufhatte, indem er die Schüler individuellförderte, sich Gedanken über Hilfen fürproblematische Schüler machte und denUnterricht gut vorbereitete, sei dadurchverschwunden, dass er immer mehr neueVorgaben bekomme, die Klassen immergrößer werden und zusätzliche Arbeitenanfallen.

Die gesunde Selbstregulation

Die Wahrnehmung bezieht sich außer aufdiese äußeren stressenden Bedingungenauch insbesondere auf eigene Bedürfnis-se, Wünsche und Anliegen. Schließlichgeben diese Soll-Zustände den Maßstaban, nach dem die abweichenden Ist-Zu-stände bewertet werden. Auch unsereWahrnehmung funktioniert zielorientiert(Schiepek 2004).Mit der Ausrichtung der Wahrnehmung aufdas, was einem „bedeutsam“ ist (Anto-novsky 1997), auf die eigenen attraktivenZiele (Bedürfnisse und Anliegen: Attrak-toren), auf die eigene Stimmigkeit, wen-den wir den Fokus weg von der Widerstän-digkeit gegen äußere Stressoren hin zurAnnäherung an „Attraktoren“ (s. a.Chaos- und Komplexitätsforschung:

Sturmberg 2013; Petzold 2013, 2017).Diese Umorientierung von außen nach in-nen und von dort wieder nach außen gehtdamit über die Resilienzfrage hinaus undöffnet den Weg zur Frage nach Wohlbefin-den und (Mit-)Gestaltung der (Um-)Welt(Salutogenese). Im zweiten Schritt derSelbstregulation folgt auf die motivieren-de Bewertung das Handeln – entwederzum Abwenden der Bedrohung (ggf. „Ab-prallen“ = Resilienz) oder zur direkten An-näherung an Attraktoren.Bei Herrn K. suchten wir in den salutoge-nen Gesprächen einerseits immer wiedernach Möglichkeiten, diese Situation zuverändern, wie die Reduzierung seiner

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Resilienz: Körper und Psyche sind gefragt

44 Oktober | 2017 CO.med

Aufgaben in der Schule sowie Beschwer-den und Forderungen an die Schulbehördezu richten. Andererseits suchten wir Be-ziehungsmuster in der Kindheit, die ihnmöglicherweise dazu geführt hatten, denStress als normal zu sehen, sich lange überseine Grenzen hinweg um die Erfüllung ei-nes Lehrerideals zu bemühen – so stark,dass die Wahrnehmung des eigenen Kör-pers und erst recht des Gefühlslebens ab-geschnitten waren (von einem Psychiaterbekam der die Diagnose „AnankastischePersönlichkeitsstörung“).Er war bei seiner Mutter allein aufgewach-sen; sein Vater hatte die Familie verlassenund die Beziehung zu ihm später verleug-net. Je mehr er den Schmerz über die Ent-täuschung in der Beziehung zu seinem Va-ter zuließ, konnte er auch seine hedonis-tischen emotionalen und physischenBedürfnisse wahrnehmen. Das war eineheilsame Erfahrung für ihn.Seine Fähigkeit, im autogenen Training zuentspannen sowie nachts erholsamenSchlaf zu finden wurde zum indirektenGradmesser für seinen Stresspegel. Erbrauchte nun nur noch selten die Schmer-zen als Warnlampe.Immer wieder mit der Frage „Was tut Ih-nen gut?“ konfrontiert, lernte er immermehr, seine Selbstwahrnehmung zu schär-fen und wichtig zu nehmen, damit er sichrechtzeitig dem Stress entziehen und ge-gensteuern konnte.

Die Kraft eigener Wünsche

Eine weitere wichtige Frage zum Übergangvom Stress-/Widerstandsmodus in denAnnäherungsmodus war die nach seinerWunschlösung: „Wie soll Ihre Woche ge-staltet sein, wenn Sie sie ganz nach IhrenWünschen einrichten dürfen?“Seine Wünsche waren klar: acht bis maxi-mal zehn Stunden Arbeit täglich für dieSchule, zwischendrin eine Ruhepause mitautogenem Training, abends Unterneh-mungen mit der Frau, der Familie oderFreunden, am Wochenende Tennis spie-len, Tanzen gehen oder einen Ausflug ma-chen. Wir haben dann gemeinsam ge-schaut, wie er sich zumindest einen Teilseiner Wünsche im Alltag erfüllen konnte:Er durfte beziehungsweise sollte jedenTag eine Mittagspause mit autogenemTraining einlegen und sich jede Woche ei-nen Tag wirklich frei nehmen für andereAktivitäten, die ihm Freude machen.Inzwischen hat er auch einen Zusammen-hang zwischen starken Wortfindungsstö-rungen und Stress festgestellt. Allerdingshaben diese sich nicht deutlich verbessert– aber in den nun 18 Jahren auch nichtverschlechtert. Vermutlich hätte das ei-nen noch tieferen psychodynamischenÜbergang mit Loslassen weiterer früh-kindlich gelernter Stressmuster erfordert.Der Blutdruck ist schon seit 17 Jahren imunteren Normbereich; Bauchschmerzen

hat er nie wieder bekommen; wenn Herr K.mal wieder Schlafstörungen bekamund/oder ein HWS-Schulter-Arm-Syn-drom, reichten meist drei bis fünf Tage Ar-beitsunfähigkeit zur Erholung.Aus seiner verbesserten Selbstwahrneh-mung heraus und mit neuen Handlungs-optionen fand er neue Möglichkeiten zurBedürfniskommunikation und konnte sei-nen Beruf sowie auch seine Vaterrolle biszum Rentenalter gut ausfüllen.

PsychosomatischeZusammenhänge

Um die psychosomatischen Zusammen-hänge zu verstehen, sind die neuropsy-chischen motivationalen Systeme zurAnnäherung an attraktive Ziele und zumAbwenden von Bedrohungen sehr auf-schlussreich. Schon der Einzeller „Pantof-feltierchen“ kennt diese beiden Bewe-gungsrichtungen: Annähern an Nah-rungsquellen und Licht sowie Abwendenvon Kälte und anderen Gefahren.Im Laufe der Evolution sind daraus dasmehrdimensional verschaltete neuropsy-chische Annäherungs- und Abwendungs-/Vermeidungssystem geworden. DieserSachverhalt lässt erahnen, dass über die-se motivationalen Systeme die psychoso-matische Verknüpfung bis in die Zelle hin-ein geschieht. Die moderne Forschung zurPsychoneuro-Endokrinologie und -Immu-nologie bestätigen diese Zusammenhänge(Schubert 2015; Grawe 2004).Der psychische Anteil daran liegt vor al-lem in der Bewertung einer Situation: Istdiese bedrohlich für mich? Ist sie gegebe-nenfalls so bedrohlich, dass ich keineMöglichkeit sehe, die Gefahr abzuwendenund die Situation so zu gestalten, dass ichentspannen kann und mich meinen positi-ven Zielen annähern kann? Wenn ich nichteinmal die Hoffnung habe, dass die Gefahrin absehbarer Zeit abgewendet ist, bleibtmeine Stressregulation chronisch einge-schaltet.Somatisch wird mit der Bewertung einerSituation als bedrohlich das motivatio-nale Abwendungssystem angeschaltetmit dem Angstzentrum im Mandelkern(Amygdala) und einer Erhöhung desSympathikotonus und Hemmung desParasympathikus (vgl. Grawe 2004; Elliot2008; Petzold 2013a, b, 2017b). Das be-deutet für den Betroffenen, dass er beistarker Gefahr mit dem Flucht- oderKampfmodus reagiert oder im extremenFall mit dem Totstellreflex, einer Schock-

AttraktorenStimmigkeitBedürfnisse

Anpassungsverhaltenbricht zusammen

Chronischer Stress

Abwendender Not/Gefahr

Depression, Stress-u.a. Erkrankungen

Gescheitert?

anhaltende Gefahr

Gefahr! Abwendungsmodus

Bei anhaltender Not imSystem kann Burnout vermieden werden durch Besinnung auf eigene Stimmigkeit.

Verhalten

Lern

en

Motivation

Wahrnehmenwas bedeutsam ist:

Ist = Soll

Innehalten

Annäherungsziele

Ja: S

elbs

tver

trau

en

HandelnRessourcen

Reflektieren Bilanzieren:Erfolgreich?

Das Modell der Selbstregulation. Unser Leben dreht sich um unsere Attraktoren (Sinn, Anlie-gen, Bedürfnisse) in drei Schritten: Wahrnehmen, Handeln und Reflektieren.

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Resilienz: Körper und Psyche sind gefragt

reaktion, die mit Lähmung und Starre ver-knüpft ist.Wenn der Betroffene erkennt, dass die Ge-fahr vorüber ist, kann sein Stresssystemwieder abgeschaltet werden und er kannwieder entspannen. Wenn er sich abernicht sicher ist, ob die Gefahr wirklich vor-über ist, wenn er die Angst hat oderglaubt, dass sie noch präsent ist, kann ernicht wirklich entspannen. Sein Abwen-dungssystem und damit der Stressmodusbleiben eingeschaltet, allerdings nicht imAkut- sondern im Langzeitmodus mit akti-vierter Hypothalamus-Hypophysen-Ne-bennieren-Achse (HPA-Achse) und erhöh-ter Kortisolausschüttung (Schubert2017).Alle diese psychosomatischen Vorgängehängen wesentlich davon ab, ob ein„Ich“, also der ganze Mensch, die Psyche,eine Situation als bedrohlich erlebt, oderob er sich sicher fühlt. Deshalb hat Kalisch(2014) vom Deutschen Resilienz Zentrum(DRZ) in Mainz darauf hingewiesen, dassResilienz nicht eine Folge schöner Fakto-ren sei, sondern primär eine Frage der Be-wertung einer Situation und damit dyna-misch verknüpfter Verhaltensweisen ist.Diese emotionale Bewertung wiederum istabhängig von individuellen Erfahrungenund der genetischen Ausstattung. Ganzgrob kann man vielleicht sagen, dass beidiesen motivationalen Systemen der Ge-notyp zu etwa 30 Prozent und die persön-lichen Erfahrungen rund 70 Prozent derPrägung eines Erwachsenen ausmachen.Dabei soll die letztliche Ausprägung desAnnäherungssystems noch mehr von denErfahrungen abhängen als die des Abwen-dungssystems (Grawe 2004, S. 269).Das Abwendungssystem und damit dieStressregulation kann zum Beispiel durchein Trauma lebenslang getriggert, durch

anhaltende existenzielle Bedrohung wieim Krieg und durch Arbeitslosigkeit oderauch durch Angstmacherei von Eltern,Lehrern, Ärzten und Politikern angeregtwerden. Wenn diese Anregung desStressmodus lange anhält, werdendadurch viele chronische Erkrankungengefördert (z. B. Depressionen, Angst-erkrankungen, Erkrankungen des Be-wegungssystems, Tumorerkrankungenusw.).

Die Kunstdes Stehaufmännchens

Deshalb ist es so wichtig, aus diesem nachaußen gerichteten Stressmodus im Wider-stand gegen die bedrohlichen Bedingun-gen auszusteigen. Genau das ist die„Kunst des Stehaufmännchens“: Nach ei-nem Tag voller Stress im Widerstand undKampf gegen Bedrohungen kann es sichzur Nacht hinlegen, in Sicherheit wiegen,tief entspannen und erholsam schlafenund am nächsten Morgen entscheiden,was es an diesem neuen Tag tun wird. Eskann innehalten, abschalten und sich sei-nen inneren Attraktoren zuwenden.

Die Kunst besteht also im Wesentlichen imUmschalten, im Übergang vom stressendenAbwendungsmodus in den aufbauendenAnnäherungsmodus, der mit Lustgefühlenund Sinnhaftigkeit und einer Dopaminaus-schüttung verknüpft ist.

Im Abwendungsmodus sind unsere Ge-danken meist mit der Gefahr beschäftigt,wir analysieren den Stressor und suchenUrsachen, Schuldige (s. a. „Opferdrei-eck“: Petzold 2017b). Wenn wir keineAngst mehr spüren, weil der Stresszu-

stand „normal“ für uns ist (wie bei HerrnK.), so möchten wir alles unter Kontrollehaben. Die Energie geht nach außen. Immotivationalen Annäherungsmodus da-gegen sind wir mit unserem inneren Stre-ben, unseren Bedürfnissen und Anliegen,unseren Annäherungszielen verbunden.Das Grundgefühl ist Vertrauen in unsselbst, in Mitmenschen und womöglichüberpersönlich – ähnlich wie Urvertrauen.

Vom Ab- zum Hinwenden

Besonders wenn wir tieferliegende Ängstehaben, die aus frühkindlichen Erleb-nissen, gefühlt existenziellen Traumataoder dem Familiensystem herrühren, istes schwierig, den Abwendungsmodus inder entsprechenden Tiefe abzuschaltenund dort wieder Vertrauen zu schöpfenund in den Annäherungsmodus zu kom-men.Obwohl dieses grundlegende motivatio-nale Umschalten meines Wissens bislangnicht Inhalt der Resilienzforschung ist,gibt es eine Reihe von Forschungsergeb-nissen, die genau diesen Sachverhalt in-direkt bestätigen, indem sie zum Beispielfestgestellt haben, dass Achtsamkeit, Ak-zeptanz, gemeinsame Werte und Sinnhaf-tigkeit und ähnlich Positives wichtigeFaktoren beziehungsweise Fähigkeitenzur Resilienz sind.So weisen derartige Ergebnisse über dieFrage nach der psychischen Widerstands-fähigkeit hinaus. Aaron Antonovsky(1997), der Begründer der Salutogenese,hat direkt aus seiner Resilienzforschungbei Frauen, die den Holocaust überlebthatten, die weitergehende Frage nach derEntstehung von Gesundheit, nach gesun-der Entwicklung, nach Wohlergehen ge-

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Resilienz: Körper und Psyche sind gefragt

46 Oktober | 2017 CO.med

Literaturhinweis

stellt, die Frage nach der Salutogenese(Petzold 2016).Die moderne Hirnforschung der letzten 20Jahre hat die grundlegende Wichtigkeitdieser Unterscheidung herausgefunden.

Solange wir uns im Gefühl des „Wider-stands“ befinden, verbleiben wir im Stress-modus und damit in einem hohen Risikobe-reich für viele chronische Erkrankungen.Erst wenn wir immer wieder aus dem „Wi-derstandsmodus“, der meist mit der Resili-enzfrage verknüpft wird, heraustreten unduns immer wieder unseren Annäherungs-zielen zuwenden, können wir uns nachhal-tig gesund entwickeln (Petzold 2013a, b).

Der neuropsychische Motivationsmodusdes Widerstands ist nicht geeignet für ei-ne konstruktive Mitgestaltung von Verän-derungen. Dazu muss die weitergehendeFrage nach der kreativen Gestaltungsfä-higkeit und -möglichkeit gestellt werden(Petzold 2015).An diesem Punkt könnte man meinen,dass es vielen Vertretern des Resilienz-konzepts, wie es aus den USA nachDeutschland gekommen ist, gerade rechtund wichtig ist, dass die Frage nach einergesundheitsförderlichen Gestaltung derBetriebe, der Gesellschaft, der Ökonomie,der Umwelt und der internationalen Be-ziehungen eben nicht gestellt wird. Esgibt sicher einige mächtige Institutionen,die die Frage nach gesunder Entwicklungausschließlich als Frage nach der indivi-duellen Widerstandsfähigkeit der einzel-nen Menschen sehen möchten.Diese Ansicht bedient Prof. Hasler ausBern (2017): „Seit Jahrzehnten nimmt dieHäufigkeit von Stresssymptomen zu – dar-unter Unruhe, Schlafstörungen, Reizbar-keit, Energiemangel. Es gibt viele Daten,die das belegen. Wir sind jedoch nichtstärkeren Belastungen ausgesetzt als un-sere Eltern oder Großeltern. Der Grund fürdie erhöhte Stressanfälligkeit ist, dassunsere psychische Widerstandskraft, dieResilienz, stetig sinkt.“Sind wir heute „weich“ und brauchen Re-silienztrainings zur Abhärtung? So wun-dert es nicht, dass diese ganz besondersInteresse zum Beispiel beim US-Militärund in Israel finden, um Soldaten psy-chisch resilienter gegen posttraumati-sche Belastungen zu machen. Zu einerderartigen Resilienzstärkung werden auchNeuroleptika massenweise eingesetzt. So

Antonovsky A. (1997). Salutogenese. Zur Entmystifizie-rung von Gesundheit. dgvt, TübingenElliot AJ (Ed.) (2008). Handbook of approach and avoi-dance motivation. New York: Psychology Press.Gebauer T. (2015). https://www.medico.de/resilienz-neoliberale-eigenverantwortung-15984/Grawe K. (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen: Ho-grefe.Hasler G. (2017). http://www.spiegel.de/gesund-heit/diagnose/resilienz-warum-wir-leiden-und-was-wir-dagegen-tun-koennen-a-1144715.htmlKalisch R (2014). http://www.uni-mainz.de/pres-se/63517.phpPetzold TD. (2013a). Gesundheit ist ansteckend! Praxis-buch Salutogenese. München: IrisianaPetzold TD. (2013b). Salutogene Kommunikation undSelbstregulation. Praxis Klinische Verhaltensmedizin undRehabilitation 92: 131–145Petzold TD. (2015). Für eine gute Arzt-Patient-Kooperati-

on ist die gemeinsame Intentionalität entscheidend. ZFAZ.Allg.Med.10: 6–10Petzold TD. (2016). Resilienz und Salutogenese. In: DerMensch 52: 24–26Petzold TD. (2017a) Schöpferische Kommunikation. Theo-retische Grundlagen ganz praktisch – Teil A. Bad Ganders-heim: Verlag Gesunde Entwicklung.Petzold T.D (2017b). Fokus auf die Genesung – nicht aufdie Erkrankung! In: Der Allgemeinarzt 11/2017 S. 64–68.Schiepek G. et al (2004). Neurobiologie der Psychothera-pie. Stuttgart: Schattauer.Schnabel U. (2015). http://www.zeit.de/2015/45/resili-enz-forschung-krisenbewaeltigung/komplettansichtSchubert C. (2015). Psychoneuroimmunologie und Psy-chotherapie. Stuttgart: Schattauer.Schubert C. (2017). Vortrag beim Kongress „Salutogenesebei Krebs“ am 24.6.2017 in HH.Sturmberg JP, Martin CM (eds.) (2013). Handbook of sys-tems and complexity in health. New York: Springer

hat die Frage nach der Resilienz auch einepolitische Dimension (Gebauer 2015;Schnabel 2015).Wir dürfen und müssen die Frage stellen:Wo wollen wir hin? Wie wollen und könnenwir die stressigen Bedingungen so gestal-ten, dass wir mit mehr Wohlbefinden,Kreativität und Stimmigkeit dort lebenkönnen?So ist zu hoffen, dass die vielen Men-schen, die heute ihre Resilienz trainieren,bald genügend widerstandsfähig sind,dass sie sich mit Selbst- und Urvertrauenihren Annäherungszielen widmen könnenund ihre Umwelt so mitgestalten können,dass sie weniger stressend und damit le-bensfreundlicher wird. $

Seit 1979 ist Theodor Dierk Petzold ineigener Praxis als Allgemeinarzt für Na-turheilverfahren tätig. Er ist Lehrbeauf-tragter an der Medizinischen Hoch-schule Hannover (MHH) sowie Autorund Herausgeber zahlreicher Bücherund anderer Veröffentlichungen.Seit 2004 leitet Petzold das Zentrum fürSalutogenese und ist Sprecher desDachverbands Salutogenese DachSe. V.. Er hat außerdem die SalutogeneKommunikation SalKom® entwickelt,bildet darin aus, gibt Supervision fürTherapeuten sowie Teams und hält Se-minare und Vorträge.

Kontakt:Theodor Dierk PetzoldBarfüßerkloster 1037581 Bad GandersheimTel.: 05382 / 95547-0Fax: 05382 / 95547-12theopetzold@salutogenese-zentrum.dewww.salutogenese-zentrum.dewww.gesunde-entwicklung.dewww.uebergaenge.org

Theodor Dierk Petzold