Humanitäres Völkerrecht in Bewaffneten Konflikten

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Rund ums Völkerrecht

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  • Humanitres Vlkerrecht in bewaffneten Konflikten

    - Handbuch

    Herausgeber: Bundesministerium der Verteidigung Abteilung Verwaltung und Recht II 3

    1992

  • Vorbemerkung

    1. Diese Broschre soll Soldaten und zivilen Mitarbeitern in allen Fhrungs-ebenen als Handbuch fr das in bewaffneten Konflikten anwendbare huma-nitre Vlkerrecht dienen. Sie ist die wichtigste Grundlage fr die in 33 desSoldatengesetzes vorgeschriebene vlkerrechtliche Unterrichtung der Sol-daten, die in Lehrgngen, militrischen bungen und in der allgemeinen militri-schen Ausbildung stattfindet.

    2. Der Text des Handbuchs verweist auf die einschlgigen vlkerrechtlichenVertrge, die in der ZDv 15/3 (Humanitres Vlkerrecht in bewaffneten Konflik-ten - Textsammlung -) abgedruckt sind. Fettgedruckte Zahlen bezeichnen dieOrdnungszahlen dieser Texte. Magere Zahlen bezeichnen jeweils die Artikel.1

    3. In der Darstellung wird weitgehend auf Beispiele verzichtet, soweit sie nichtzeitgeschichtliche Bedeutung haben. Fr Unterricht und Selbststudium geeigneteFallbeispiele werden in die ZDv 15/4 (Humanitres Vlkerrecht in bewaffnetenKonflikten - Sammlung von Fllen mit Lsungen -) aufgenommen.

    4. Der Anhang enthlt eine bersicht ber die geltenden vlkerrechtlichenSchutzzeichen und einen Leitfaden zur vlkerrechtlichen Lagebeurteilung,der in die Bearbeitung von vlkerrechtlichen Aufgaben einfhren soll. Dasgleichfalls beigefgte Verzeichnis vlkerrechtlicher Ausbildungs- und Unter-richtshilfen und die bersicht ber die Abkommenstexte sollen den Zugang zudiesen Unterlagen erleichtern. Das ausfhrliche Stichwortverzeichnis dientder schnellen Orientierung.

    1 z.B. 16a 46 = Artikel 46 der Haager Landkriegsordnung.

  • Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1 Geschichtliche Entwicklung und Rechtsgrundlage 101-149

    I. Begriff des humanitren Vlkerrechts 101-104

    II. Geschichtliche Entwicklung 105-124

    III. Rechtsgrundlagen 125-129

    IV. Humanittsgebot und militrische Notwendigkeit 130-132

    V. Bindung des Soldaten an das Vlkerrecht 133-145

    VI. Aufgaben des Rechtsberaters 146-149

    Kapitel 2 Anwendungsbereich des humanitren Vlkerrechts 201-249

    I. Bewaffnete Konflikte 201-211

    II. Kriegshandlungen 212-214

    III. Kriegsgebiet 215-220

    IV. Beendigung von Kriegshandlungen 221-249

    1. Parlamentre und Schutzmchte 222-231

    2. Feuereinstellung und Waffenstillstand 232-240

    3. Kapitulation 241-244

    4. Friedensschluss 245-249

    Kapitel 3 Kombattanten und Nichtkombattanten 301-330

    I. Kombattanten 304-312

    II. Nichtkombattanten 313-318

    III. Gefolge der Streitkrfte 319

    IV. Kommandoeinheiten 320

    V. Spione 321-324

    VI. Besonderheiten im Luft- und Seekrieg 325-330

    Kapitel 4 Kampfmittel und Kampfmethoden 401-479

    I. Allgemeine Regeln 401-405

    II. Kampfmittel 406-440

    1.Bestimmte konventionelle Waffen 406-426

  • 2. ABC-Kampfmittel 427-440

    a) Nuklearwaffen 427-433

    b) Chemische Waffen 434-437

    c) Bakteriologische (biologische) Waffen und Toxin-waffen

    438-440

    III. Kampfmethoden 441-479

    1. Militrische Ziele 441-450

    2. Schutz ziviler Objekte 451-463

    3. Schutz von Anlagen und Einrichtungen, die ge-fhrliche Krfte enthalten

    464-470

    4. Kriegslisten und Perfidieverbot 471-473

    5. Psychologische Kampffhrung 474-475

    6. Repressalien 476-479

    Kapitel 5 Schutz der Zivilbevlkerung 501-598

    I. Allgemeines 501-518

    II. Zivilschutz 519-524

    III. Die kriegerische Besetzung 525-581

    1. Allgemeine Bestimmungen 525-540

    2. Rechtsstellung der Bevlkerung 541-546

    3. Rechte und Pflichten der Besatzungsmacht 547-551

    4. Inanspruchnahme ziviler Leistungen durch dieBesatzungsmacht

    552-566

    5. Versorgung des besetzten Gebietes 567-571

    6. Gerichtsbarkeit 572-581

    IV. Auslnder im Gebiet einer Konfliktpartei 582-590

    V. Internierung von Zivilpersonen 591-598Kapitel 6 Schutz der Verwundeten, Kranken und Schiffbr-

    chigen601-645

    I. Allgemeines 601-611

    II. Sanittseinrichtungen und -transporte 612-619

    III. Sanittsluftfahrzeuge 620-623

    IV. Sanittspersonal 624-632

    V. Sanittszonen und -orte 633-636VI. Das Schutzzeichen 637-645

  • 1.Allgemeines 637-642

    2. Tarnen von Sanittseinrichtungen 643-645

    Kapitel 7 Schutz der Kriegsgefangenen 701-733

    I. Allgemeines 701-704

    II. Beginn der Kriegsgefangenschaft 705-713

    III. Bedingungen der Kriegsgefangenschaft 714-726

    IV. Flucht von Kriegsgefangenen 727-729

    V. Beendigung der Kriegsgefangenschaft 730-733

    Kapitel 8 Seelsorgedienst 801-840

    I. Allgemeines 801-810

    II. Schutz der Militrgeistlichen 811-820

    III. Rechtsstellung der Militrgeistlichen in fremdemGewahrsam

    821-840

    Kapitel 9 Schutz von Kulturgut 901-936

    I. Allgemeines 901-904

    II. Einzelne Schutzbestimmungen 905-936

    1.Allgemeiner Schutz 905-909

    2.Sonderschutz 910-918

    3.Schutz von Kulturgut whrend einer Besetzung 919-922

    4.Transport von Kulturgut 923-925

    5.Personal zum Schutz von Kulturgut 926-928

    6.Kennzeichnung von Kulturgut 929-936

    Kapitel 10 Das Recht des bewaffneten Konflikts zur See 1001-1064

    I. Allgemeines 1001-1020

    1. Begriffsbestimmungen 1001-1009

    2. Der rumliche Anwendungsbereich des See-kriegsrechts

    1010-1013

    3. Seekriegsmanahmen, Zustndigkeiten undGrundstze

    1014-1020

    II. Militrische Ziele und geschtzte Objekte im be-waffneten Konflikt zur See

    1021-1038

  • 1. Gegnerische Kriegsschiffe und militrische Luftfahr-zeuge

    1021

    2. Gegnerische Handelsschiffe, ihre Ladung, Besat-zung und Passagiere

    1022-1033

    3. Geschtzte gegnerische Schiffe (mit Ausnahmevon Lazarettschiffen)

    1034-1035

    4. Geschtzte gegnerische Luftfahrzeuge (mit Aus-nahme von Sanittsluftfahrzeugen)

    1036

    5. Sonstige geschtzte Objekte 1037

    6. Landziele 1038

    III. Besonderheiten hinsichtlich bestimmter Mittelund Methoden der Seekriegfhrung

    1039-1053

    1. Minenkrieg 1039-1043

    2. Torpedos 1044

    3. Raketen und (Marsch-)Flugkrper 1045

    4. Unterseebootkrieg 1046-1047

    5. Maritime Ausschlusszonen 1048-10506. Blockade 1051-1053

    IV. Lazarettschiffe 1054-1064

    1. Allgemeines 1054

    2. Voraussetzungen des Schutzes, Kennzeichnung .. 1055-1056

    3. Rechte und Pflichten 1057-1061

    4. Wegfall des Schutzes 1062

    5. Personal und Besatzung 1063-1064

    Kapitel 11 Neutralittsrecht 1101-1155

    I. Allgemeines 1101-1107

    II. Rechte und Pf lichten von Neutralen 1108-1155

    1. Allgemeine Bestimmungen 1108-1114

    2. Landkrieg 115-1117

    3. Seekrieg 1118-1148

    a) Allgemeines 1118-1125

    b) Friedliche Durchfahrt im Kstenmeer und inArchipelgewssern, Transitdurchfahrt

    1126-1137

    c) Kontrolle durch Konfliktparteien 1138-1146

  • d) Schutz der neutralen Handelsschifffahrt 1147-1148

    4. Luftkrieg 1149-1155

    Kapitel 12 Durchsetzung des humanitren Vlkerrechts 1201-1224

    I. Allgemeines 1201-1202

    II. ffentliche Meinung 1203

    III. Gegenseitige Interessen der Konfliktparteien 1204

    IV. Aufrechterhaltung der Disziplin 1205

    V. Repressalien 1206

    VI. Strafrechtliche und disziplinare Manahmen 1207-1213

    VII. Schadensersatz 1214

    VIII. Schutzmchte und Ersatzschutzmchte 1215-1217

    IX. Internationale Ermittlung 1218-1219

    X. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz 1220

    XI. Diplomatische Aktivitten 1221

    XII. Innerstaatliche Durchfhrungsmanahmen 1222

    XIII. Verbreitung des humanitren Vlkerrecht 1223

    XIV. Persnliche Verantwortung des Einzelnen 1224

    Anhang

    Anlage 1 Schutzzeichen 1/1-2

    Anlage 2 Leitfaden zur vlkerrechtlichen Lagebeurteilung 2

    Anlage 3 Handbcher und Unterrichtshilfen 3/1-2

    Anlage 4 bersicht ber die Abkommenstexte 4/1-2

    Stichwortverzeichnis

  • Kapitel lGeschichtliche Entwicklung und Rechtsgrundlagen

    I. Begriff des humanitren Vlkerrechts

    101. Die Anwendung von Gewalt ist gem Artikel 2 (4) der Charta der VereintenNationen verboten. Staaten drfen Gewalt nur in. Ausbung ihres naturgege-benen Rechts auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 VN-Charta) oder im Rahmen militrischer Sanktionen anwenden, zu denen derSicherheitsrat ermchtigt hat (Artikel 43-48 VN-Charta). Das humanitre Vlker-recht ist auf alle Parteien eines bewaffneten Konflikts gleichermaen an-wendbar, gleichgltig welche Partei fr den Ausbruch dieses Konflikts ver-antwortlich ist. Es umfasst die Gesamtheit der Rechtsnormen, die dem Schutzdes Menschen in bewaffneten Konflikten dienen.102. Das humanitre Vlkerrecht stellt eine Neubesttigung und Weiterent-wicklung des traditionellen Kriegsvlkerrechts (ius in bello) dar. Dabei geltendie meisten kriegsvlkerrechtlichen Regeln heute auch in solchen internationa-len bewaffneten Konflikten, die von den Parteien nicht als Kriege angesehenwerden. Der Begriff humanitres Vlkerrecht" trgt dieser Entwicklung Rech-nung.103. Das humanitre Vlkerrecht setzt der Gewaltanwendung zur Niederwerfungeines Gegners gewisse Grenzen. Es regelt sowohl das Verhltnis der Konflikt-parteien zueinander als auch ihr Verhltnis zu neutralen Staaten. BestimmteRegeln des humanitren Vlkerrechts gelten auch im Verhltnis zwischendem Staat und seinen eigenen Brgern.104. Neben Regeln, die fr alle Arten der Kriegfhrung gelten, bestehen be-sondere Regeln des Landkriegsrechts, Luftkriegsrechts, Seekriegsrechts unddes Neutralittsrechts.

    II. Geschichtliche Entwicklung

    105. Die folgenden historischen Hinweise knnen das Verstndnis fr Ent-wicklung und Wert der Regeln des humanitren Vlkerrechts frdern106. Die Entwicklung des humanitren Vlkerrechts wurde in den verschiedenenEpochen durch religise Vorstellungen und philosophisches Gedankengut beein-flusst. Gewohnheitsrechtliche Regeln der Kriegfhrung zhlen mit zu den erstenvlkerrechtlichen Regeln berhaupt. Dabei war die Entwicklung humanitrerGrundstze fr die Kriegfhrung auch von Rckschlgen begleitet.107. Schon im Altertum lassen sich vereinzelt Regeln nachweisen, durch welchedie Kriegfhrung, die Kriegsmittel und die Methoden ihrer Anwendung einge-schrnkt wurden.

    Die Sumerer verstanden den Krieg als einen rechtlich geordneten Zu-stand, der mit der Kriegserklrung begann und durch einen Friedens-vertrag beendet wurde. Im Krieg galten Regeln, die u.a. die Immunittdes gegnerischen Unterhndlers garantierten.Hammurabi (1728-1686 v. Chr.), Knig von Babylon, verfasste denKodex Hamniurabi" zum Schutz der Schwachen gegen die Unterdr-ckung der Starken und verfgte die Freilassung von Geiseln gegen L-

  • segeld.Die Hethiter kannten in ihren Gesetzen ebenfalls die Kriegserklrungund den Friedensschluss durch Vertrag sowie die Verschonung der Ein-wohner einer gegnerischen Stadt nach Erklrung der Kapitulation. Sowurde z. B. der Krieg zwischen gypten und den Hethitern 1269 v. Chr.durch einen Friedensvertrag beendet.Im 7. Jahrhundert v. Chr. lie der Knig der Perser, Kyros L, die verwun-deten Chalder wie die eigenen verwundeten Soldaten behandeln.Das indische Mahabharata-Epos (um 400 v. Chr.) und die Manu-Le-gende (nach der Zeitenwende) enthalten bereits Bestimmungen, die dieTtung des kampfunfhigen und des sich ergebenden Gegners verbieten,bestimmte Kampfmittel, z.B. vergiftete oder brennende Pfeile, untersagenund den Schutz gegnerischen Eigentums und der Kriegsgefangenenregeln.In den Kriegen zwischen den sich als gleichberechtigt betrachtendengriechischen-Stadtstaaten, aber auch im Kampf Alexanders des Groengegen die Perser, achteten die Griechen Leben und persnliche Wrdevon Kriegsopfern als vorrangiges Gebot. Sie schonten Tempel und Bot-schaften, Priester und Gesandte der Gegenseite und tauschten die Ge-fangenen aus. Bei der Kriegfhrung war zum Beispiel das Vergiften vonBrunnen gechtet. Auch die Rmer gestanden ihren Kriegsgefangenendas Recht auf Leben zu. Griechen und Rmer unterschieden aber zwi-schen kulturell gleichgestellten Vlkern und Vlkern, die sie als Barbarenansahen.

    108. Auch der Islam erkannte wesentliche Forderungen der Humanitt an. Inden Anweisungen des ersten Kalifen, Abu Bakr (etwa 632) an seine Heerfhrerwar z.B. festgelegt: Das Blut der Frauen, Kinder und Greise beflecke nicht eu-ren Sieg. Vernichtet nicht die Palmen, brennt nicht die Behausungen und Korn-felder nieder, fllt niemals Obstbume und ttet das Vieh nur dann, wenn ihrseiner zur Nahrung bedrft." Kaum anders als die Kriegfhrung der Christen warauch die islamische oft grausam. Unter Fhrerpersnlichkeiten wie SultanSaladin im 12. Jahrhundert wurden Regeln der Kriegfhrung jedoch vorbild-lich eingehalten. Saladin lie vor Jerusalem die Verwundeten beider Seitenversorgen und gestattete dem Johanniter-Orden, seinen Pflegedienst auszu-ben.109. Im Mittelalter unterlagen Fehde und Krieg strikten gewohnheitsrecht-lichen Regeln. Der Grundsatz der Schonung von Frauen, Kindern und Grei-sen vor Kampfhandlungen geht auf den Kirchenlehrer Augustinus zurck. Mitder Durchsetzung der Achtung vor heiligen Sttten (Gottesfrieden) entstandein Recht der Zuflucht, ein Asylrecht, in den Kirchen, ber dessen Achtung dieKirche sorgsam wachte. Ritter untereinander fochten nach bestimmten (un-geschriebenen) Regeln. Diese Waffenregeln wurden verschiedentlich durchSchiedsleute oder Rittergerichte durchgesetzt. Sie galten allerdings nur frRitter, nicht fr das gemeine Fuvolk. Der Feind wurde oft als gleichberech-tigter Kampfpartner angesehen, der in ehrenhaftem Kampf besiegt werden muss-te. Es galt als verboten, einen Krieg ohne vorherige Ansage zu erffnen.110. Im Buschido", dem mittelalterlichen Ehrenkodex der KriegerkasteJapans, findet sich das Gebot, Menschlichkeit auch im Kampf und gegenberGefangenen zu zeigen. Im 17. Jahrhundert schrieb der Militrtaktiker Sorai,

  • dass des Totschlags schuldig sein solle, wer einen Gefangenen tte, gleichgltig,ob dieser sich ergeben oder gekmpft habe bis zum letzten Pfeil".111. Bedingt durch den Niedergang des Rittertums, die Erfindung der Schuss-waffen und vor allem durch die Entstehung der Sldnerheere verrohten gegenEnde des Mittelalters die Sitten im Kriege wieder. Erwgungen ritterlicher Artwaren diesen Heeren fremd. Ebenso unterschieden sie nicht zwischen denan den Kampfhandlungen Beteiligten und der Zivilbevlkerung. Die Sldner be-trachteten den Krieg als Handwerk, das sie aus Gewinnstreben ausbten.112. Die Neuzeit brachte zu Beginn in den Religionskriegen, vor allem imDreiigjhrigen Krieg, noch einmal die unmenschlichsten Methoden der Krieg-fhrung mit sich. Die Grausamkeiten dieses Krieges trugen wesentlich dazubei, dass sich die Rechtswissenschaft mit dem Recht im Kriege befasste undeine Reihe von Forderungen aufstellte, die von den Kriegfhrenden beachtetwerden sollten. Hugo Grotius, der Begrnder des modernen Vlkerrechts,zeigte in seinem 1625 erschienenen Werk De iure belli ac pacis" bestehendeSchranken in der Kriegfhrung auf.113. Einen grundlegenden Wandel in der Einstellung der Staaten zur Kriegfh-rung brachte erst das 18. Jahrhundert mit der Aufklrung. Jean-Jacques Rous-seau hatte 1762 in seinem Werk Le con-trat social" erklrt: Der Krieg ist kei-neswegs eine Beziehung von Mensch zu Mensch, sondern eine Beziehung vonStaat zu Staat, und die einzelnen sind weder als Menschen noch als Brger alsFeinde anzusehen, sie sind es als Soldaten, nicht als Mitglieder ihres Landes,aber als dessen Verteidiger... Da Ziel des Krieges die Zerstrung des gegneri-schen Staates ist, besteht das Recht, seine Verteidiger zu tten, solange sie dieWaffen in der Hand haben. Sobald sie diese jedoch ablegen und sich ergeben,werden sie wieder einfache Menschen, und man hat kein Recht, ihnen das Le-ben zu nehmen." Aus dieser bald allgemein anerkannten Lehre folgt, dasssich Kriegshandlungen nur gegen die bewaffnete Macht des Gegners, nichtgegen die Zivilbevlkerung richten drfen, die an den Feindseligkeiten nicht teil-nimmt. Diese Gedanken kamen auch in einigen Staatsvertrgen jener Zeit zumAusdruck.Beispiel: Der Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen Preuen und

    den Vereinigten Staaten von 1785, als dessen wesentliche AutorenKnig Friedrich der Groe und Benjamin Franklin gelten, enthieltvorbildliche, zukunftsweisende Regelungen fr die Behandlung vonKriegsgefangenen.

    114. Im 19. Jahrhundert setzten sich humanitre Ideen - nach, vorbergehendenRckschlgen - weiter durch. Sie fhrten zu beachtenswerten Initiativen ein-zelner und zum Abschluss zahlreicher vlkerrechtlicher Vertrge. Diese Ver-trge beschrnken die Kriegsmittel und die Methoden ihrer Anwendung.115. Die Englnderin Florence Nightingale linderte das Leid der Kranken undVerwundeten bei ihrem Einsatz als Krankenpflegerin im Krimkrieg (1853-1856).Sie trug spter wesentlich zur Erneuerung des zivilen und militrischen Kran-kenpflegewesens in ihrer Heimat bei.116. Der Deutsch-Amerikaner Franz Lieber (1800-1872), Professor fr politischeWissenschaft und Rechtswissenschaft an der Columbia University, N.Y., ent-warf 1861 fr Prsident Lincoln eine vlkerrechtliche Dienstvorschrift (Lieber Co-de), die erstmals fr die Unionstruppen der Vereinigten Staaten im Brgerkrieg

  • (1861-1865) im Jahre 1863 in Kraft gesetzt wurde.117. Der Genfer Kaufmann Henri Dunant, der im italienischen Einigungskrieg aufdem Schlachtfeld von Solferino (1859) das Elend von 40.000 sterreichischen,franzsischen und italienischen Verwundeten erlebt hatte, verffentlichte seineErlebnisse in dem weltweit bekannt gewordenen Buch Erinnerung an Solferi-no". 1863 wurde in Genf auf seine Anregung das Internationale Komitee vomRoten Kreuz (IKRK) gegrndet.118. Das Genfer Abkommen von 1864 zum Schutz der Verwundeten der Armeenim Felde regelte die Rechtsstellung des Sanittspersonals. Es bestimmte, dassverwundete Gegner wie die Angehrigen der eigenen Truppen zu bergen undzu pflegen sind. Diese Regeln sind durch das Genfer Abkommen von 1906 er-weitert und verbessert worden.119. Die St. Petersburger Erklrung von 1868 hat erstmals vertragliche Be-schrnkungen fr den Einsatz von Kampfmitteln und Kampfmethoden einge-fhrt. Sie kodifizierte den noch heute gltigen gewohnheitsrechtlichen Grund-satz, dass der Einsatz von Waffen verboten ist, die unntige Leiden verursa-chen.120. Die Brsseler Deklaration von 1874 stellt die erste umfassende Rege-lung der Rechte und Gebruche des Krieges dar. Sie wurde auf den HaagerFriedenskonferenzen von 1899 und 1907 weiterentwickelt. Wichtigstes Ergeb-nis war die Haager Landkriegsordnung (16a).121. Der Erste Weltkrieg mit seinen neuen Kampfmitteln und einer bis dahin un-gekannten Ausdehnung des Kriegsgeschehens zeigte die Grenzen des damali-gen Rechts auf.122. Fr den Luftkrieg sind 1923 die Haager Luftkriegsregeln (14) ausgearbeitetworden, gleichzeitig mit Regeln zur Kontrolle des Funkverkehrs in Kriegszei-ten. Obwohl sie nicht vertraglich in Kraft getreten sind, haben sie die Entwick-lung der Rechtsberzeugung beeinflusst.123. Im Jahre 1929 wurde in Genf das Abkommen zur Verbesserung des Losesder Verwundeten und Kranken der Heere im Felde" und das Abkommen ber dieBehandlung der Kriegsgefangenen" verabschiedet, durch die das Genfer Ab-kommen von 1906 und Teile der Haager Landkriegsordnung von 1907 weiter-entwickelt wurden.124. Erste seekriegsrechtliche Regelungen finden sich bereits im Mittelalter.Sie betrafen vor allem das Recht zur Durchsuchung von Schiff und Ladung sowiedas Beschlagnahmerecht und wurden spter mehrfach gendert. Die Behandlungder Schiffe neutraler Staaten war uneinheitlich geregelt und umstritten. Im Nor-den nutzte die Hanse ihre fast unbeschrnkte Seeherrschaft dazu, in Kriegs-zeiten Handelsverbote durchzusetzen, die nicht nur dem Gegner abtrglichwaren, sondern auch den Neutralen einen Warenaustausch mit ihm unmglichmachten. Das Interesse der neutralen Staaten, auch im Krieg ihrem Seehandelnachzugehen, war gegenber dem Interesse der Kriegfhrenden an wirksamerAbschnrung des Gegners von seinen Zufuhren ber See nur dann durchsetz-bar, wenn die eigene Machtstellung gesichert war. Dies fhrte im 18. Jahrhun-dert zu Zusammenschlssen neutraler Staaten und zum Einsatz ihrerKriegsflotten zum Schutz ihres Rechts auf freien Seehandel. Die Pariser See-rechtsdeklaration von 1856 (25) verlieh dem Schutz des neutralen Seehandelserstmals breitere Anerkennung,

  • III. Rechtsgrundlagen

    125. Die vier Genfer Abkommen von 1949 sind heute weltweit verbindlich: Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und

    Kranken der Streitkrfte im Felde (1), Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten,

    Kranken und Schiffbrchigen der Streitkrfte zur See (2), Genfer Abkommen ber die Behandlung der Kriegsgefangenen (3), Genfer Abkommen zum Schtze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (4).126. Die Haager Abkommen von 1907 binden nicht nur die Vertragspartei-en, sondern wurden weitgehend auch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Fr dashumanitre Vlkerrecht sind von Bedeutung: III. Haager Abkommen ber den Beginn der Feindseligkeiten (15), IV. Haager Abkommen ber die Gesetze und Gebruche des Landkriegs

    (16) mit Anlage: Haager Landkriegsordnung (16a), V. Haager Abkommen ber die Rechte und Pflichten der neutralen Mchte

    und Personen im Falle eines Landkrieges (17), VI. Haager Abkommen ber die Behandlung der feindlichen Kauffahrtei-

    schiffe beim Ausbruche der Feindseligkeiten (18), VII. Haager Abkommen ber die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in

    Kriegsschiffe (19), VIII. Haager Abkommen ber die Legung von unterseeischen selbstttigen

    Kontaktminen (20), IX. Haager Abkommen betreffend die Beschieung durch Seestreitkrfte in

    Kriegszeiten (21), XI. Haager Abkommen ber gewisse Beschrnkungen in der Ausbung

    des Beuterechts im Seekriege (22), XIII. Haager Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der Neutralen im

    Falle eines Seekriegs (23).127. Die 1977 verabschiedeten Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommenstellen eine Neubesttigung und Weiterentwicklung des Genfer Rechts von 1949und von Teilen des Haager Rechts von 1907 dar: Zusatzprotokoll vom 8 . Juni 1 977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August

    1949 ber den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte - Zu-satzprotokoll I - (5) und

    Zusatzprotokoll vom 8 . Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August1949 ber den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte -Zusatzprotokoll II - (6).

    128. Andere Abkommen betreffen Einzelfragen der Kriegfhrung und den Schutzbestimmter Rechtsgter. Im Vordergrund stehen hier: St. Petersburger Erklrung vom 11. Dezember 1868, um den Gebrauch von ge-

    wissen Wurfgeschossen in Kriegszeiten zu verbieten (12), Haager Erklrung vom 29. Juli 1899, betreffend das Verbot von Geschossen,

    die sich leicht im menschlichen Krper ausdehnen oder plattdrcken, sog.Dum-Dum-Geschosse (13),

    Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 ber das Verbot der Verwendung von ersti-ckenden, giftigen oder hnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mittelnim Kriege - Genfer Giftgasprotokoll-(10),

    Londoner Protokoll vom 6. November 1936 betreffend Regeln fr den Unter-

  • seebootkrieg (27), Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffne-

    ten Konflikten - Kulturgutschutzkonvention - (24), bereinkommen vom 10. April 1972 ber das Verbot der Entwicklung, Her-

    stellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxin-waffen sowie ber die Vernichtung solcher Waffen - B-Waffen-bereinkommen -(11),

    bereinkommen vom 18. Mai 1977 ber das Verbot der militrischen odereiner sonstigen feindseligen Nutzung umweltverndernder Techniken - Um-weltkriegsbereinkommen - (9),

    bereinkommen vom 10. Oktober 1980 ber das Verbot oder die Beschrn-kung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die bermigeLeiden verursachen oder unterschiedslos wirken knnen - Waffenberein-kommen - (8).

    129. Ist eine Kriegshandlung nicht ausdrcklich durch internationale Abkom-men oder durch Gewohnheitsrecht verboten, bedeutet dies nicht, dass sieohne weiteres zulssig wre. Es gilt stets die sog. Martens'sche Klausel (ent-worfen durch den livlndischen Professor Friedrich von Hrtens (1845-1909),Delegierter des Zaren Nikolaus II. auf den Haager Friedenskonferenzen), diein der Prambel des IV. Haager Abkommens von 1907 enthalten ist und imZusatzprotokoll I von 1977 wie folgt neu besttigt wurde:

    In Fllen, die von diesem Protokoll oder anderen internationalen ber-einknften nicht erfasst sind, verbleiben Zivilpersonen und Kombattantenunter dem Schutz und der Herrschaft der Grundstze des Vlkerrechts, wiesie sich aus feststehenden Gebruchen, aus den Grundstzen der Mensch-lichkeit und aus den Forderungen des ffentlichen Gewissens ergeben."(5 l Abs. 2; vgl. auch 6 Prambel Abs. 4).

    IV. Humanittsgebot und militrische Notwendigkeit

    130. Im Krieg ist nur diejenige Gewaltanwendung erlaubt, die zur Bekmpfungdes Gegners erforderlich ist. Kriegshandlungen sind nur dann zulssig, wennsie gegen militrische Ziele gerichtet sind, wenn sie keine unntigen Leiden er-warten lassen und wenn sie nicht heimtckisch sind.131. Das humanitre Vlkerrecht in bewaffneten Konflikten stellt einen Kompro-miss zwischen militrischen und humanitren Erfordernissen dar. Seine Regelntragen sowohl der militrischen Notwendigkeit als auch den Geboten derMenschlichkeit Rechnung. Militrische Grnde knnen daher eine Abkehr vonbestehenden Regeln des humanitren Vlkerrechts nicht rechtfertigen. Ein milit-rischer Vorteil darf nicht mit verbotenen Mitteln gesucht werden.132. Eine Ausnahme von dem sonst vorgeschriebenen Verhalten aus Grndenmilitrischer Notwendigkeit ist nur dann erlaubt, wenn eine Regel des huma-nitren Vlkerrechts diese Mglichkeit ausdrcklich vorsieht. So verbietet dieHaager Landkriegsordnung (HLKO) die Zerstrung oder Wegnahme gegneri-schen Eigentums, lsst sie aber dann zu, wenn die Zerstrung oder Wegnahmedurch die Erfordernisse des Krieges dringend erheischt wird" (16a 23 Buchst,g).

  • V. Bindung des Soldaten an das Vlkerrecht

    133. Die fr die Bundesrepublik Deutschland geltenden Verpflichtungen deshumanitren Vlkerrechts binden nicht nur den Staat und die oberste militri-sche Fhrung, sondern jeden einzelnen.134. Die allgemeinen Regeln des Vlkerrechts sind nach Artikel 25 des Grundge-setzes Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugenunmittelbar Rechte und Pflichten fr alle Bewohner des Bundesgebietes. Zu die-sen allgemeinen Regeln gehren auch diejenigen Bestimmungen des humanit-ren Vlkerrechts, die ein Verhalten fordern, wie es sich aus den Gesetzen derMenschlichkeit und aus den Forderungen des ffentlichen Gewissens ergibt (5 lAbs. 2; 6 Prambel Abs. 4).135. ber diese allgemeinen Regeln des Vlkerrechts hinaus sind die Angeh-rigen der Bundeswehr verpflichtet, alle Vertrge des humanitren Vlker-rechts, die fr die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind (vgl. dazu die ZDv15/3), einzuhalten und ihre Einhaltung durchzusetzen.136. Die vier Genfer Abkommen und die Zusatzprotokolle verpflichten alleVertragsparteien, den Wortlaut der Abkommen weitest mglich zu verbreiten (147; 2 48; 3 127; 4 144; 5 83 Abs. 1; 6 19). Dies soll insbesondere durch Ausbil-dungsprogramme fr die Streitkrfte und durch Anregung der Zivilbevlkerungzum Studium der Abkommen geschehen (5 83 Abs. 1). Militrische und zivileDienststellen sollen in Zeiten eines bewaffneten Konflikts im Hinblick auf ihre Ver-antwortlichkeit vollkommen mit dem Wortlaut der Abkommen und der Zusatz-protokolle vertraut sein (5 83 Abs. 2). Fr die Bundeswehr schreibt 33 Abs. 2Soldatengesetz vor, dass die Soldaten der Bundeswehr ber ihre vlkerrecht-lichen Pflichten und Rechte im Frieden und im Kriege zu unterrichten sind.137. Die vlkerrechtliche Unterrichtung findet fr alle Soldaten der Bundes-wehr statt. Sie wird in der Truppe von den Vorgesetzten und den Rechtsbera-tern sowie an den Schulen der Streitkrfte von den Rechtslehrern durch-gefhrt. Dabei liegt das Schwergewicht auf einer praxisbezogenen Darstellung.Der Soldat soll anhand von Beispielen dazu gefhrt werden, sich mit vlker-rechtlichen Fragestellungen auseinander zusetzen. Die vlkerrechtlicheUnterrichtung dient nicht allein der Wissensvermittlung, sondern vor allemdem Ziel, ein Bewusstsein fr Recht und Unrecht zu entwickeln. Der Soldatsoll sein Verhalten in jeder Situation daran ausrichten.138. Der Vorgesetzte ist dafr verantwortlich, dass seine Untergebenenihre vlkerrechtlichen Pflichten und Rechte kennen. Er ist verpflichtet, Vlker-rechtsverletzungen zu verhindern und sie notfalls zu unterbinden bzw. denzustndigen Behrden anzuzeigen (5 87). Er wird bei dieser Aufgabe durchden Rechtsberater untersttzt (5 82).139. Fr den Soldaten der Bundeswehr ist es eine selbstverstndliche Pflicht,die Regeln des humanitren Vlkerrechts zu befolgen. Mit welchen MittelnKriege auch immer gefhrt werden, der Soldat ist verpflichtet, die Regeln desVlkerrechts zu achten, einzuhalten und seinem Handeln zugrunde zu legen.Sollte er in einer besonderen Lage Zweifel haben, was das Vlkerrecht vor-schreibt, muss er die Entscheidung seiner Vorgesetzten herbeifhren. Bestehtdiese Mglichkeit nicht, handelt der Soldat richtig, wenn er sich von den

  • Grundstzen der Menschlichkeit leiten lsst und seinem Gewissen folgt.140. Der Soldat muss auch im Kampf Unmenschlichkeit vermeiden und sichjeder Gewaltanwendung gegen Wehrlose und Schutzbedrftige sowie jederHeimtcke und Grausamkeit enthalten. Er sieht im verwundeten Gegnernur den hilfsbedrftigen Mitmenschen, Er achtet im Kriegsgefangenen denfr seinen Heimatstaat kmpf enden Gegner. Die Zivilbevlkerung behandelter so, wie er Zivilpersonen, ziviles Eigentum und Kulturgut seines eigenen Vol-kes vom Gegner behandelt wissen mchte; das gleiche gilt fr fremdes Eigen-tum und Kulturgut.141. Vorgesetzte drfen nur Befehle erteilen, die die Regeln des Vlker-rechts beachten ( 10 Abs. 4 des Soldatengesetzes). Ein Vorgesetzter, der ei-nen vlkerrechtswidrigen Befehl erteilt, setzt nicht nur sich selbst, sondernauch den ihm gehorchenden Untergebenen der Gefahr einer Strafverfolgungaus (5 86).142. Nach deutschem Recht ist ein Befehl unverbindlich,- wenn er die Menschenwrde des betroffenen Dritten oder des Befehls-

    empfngers verletzt,- wenn er keinen dienstlichen Zweck hat oder- wenn seine Ausfhrung fr den Soldaten unter den bestehenden kon-

    kreten Lagebedingungen unzumutbar ist.Unverbindliche Befehle braucht der Soldat nicht auszufhren ( 11 Abs. 1 desSoldatengesetzes).143. Darber hinaus ist es ausdrcklich verboten, Befehle zu befolgen, derenAusfhrung eine Straftat darstellt ( 11 Abs. 2 Soldatengesetz). SchwereVerletzungen des humanitren Vlkerrechts (1 50, 2 51, 3 130, 4 147, 5 85)stellen Straftaten nach deutschem innerstaatlichen Recht dar.144. Handeln auf Befehl wird als Entschuldigungsgrund nicht anerkannt, wennder Untergebene erkannt hat oder nach den ihm bekannten Umstnden of-fensichtlich erkennen konnte, dass es sich bei der befohlenen Handlung um ei-ne Straftat handelt ( 5 Wehrstrafgesetz).145. Eine Bestrafung wegen Ungehorsams oder Gehorsamsverweigerungist nach 22 Wehrstrafgesetz ausgeschlossen, wenn ein Befehl unverbindlichist.

    VI. Auf gaben des Rechtsberaters

    146. Den militrischen Fhrern von der Divisionsebene an aufwrts sind Ju-risten (mit der Befhigung zum Richteramt) zugeordnet. Sie haben folgendeAufgaben:- Beratung des Kommandeurs (und der ihm unterstellten Disziplinarvorge-

    setzten) in allen Fragen des Wehrrechts und des Vlkerrechts,- rechtliche Mitprfung von Befehlen und Anweisungen,- Teilnahme an militrischen bungen (auf ihrem V-Dienstposten) als

    Rechtsberater-Stabsoffizier mit Schwerpunkt auf der Beratung in vlkerrecht-lichen Fragen,

    - Rechtsunterricht vor Soldaten aller Dienstgradgruppen, besonders auch imRahmen der Offizierweiterbildung.

    147. Der Rechtsberater hat das unmittelbare Vortragsrecht bei dem Kom-

  • mandeur, dem er zugeordnet ist. Der Kommandeur kann dem Rechtsberater nurWeisungen in allgemeindienstlicher Hinsicht erteilen.148. Weisungen, die sich auf Rechtsfragen beziehen, erhlt der Rechtsbera-ter allein auf dem Fachdienstweg von dem ihm vorgesetzten dienstaufsichts-fhrenden Rechtsberater.149. Der Rechtsberater nimmt daneben die Aufgaben eines Wehrdisziplinar-anwaltes wahr. Bei Dienstvergehen, die besonders schwer wiegen, fhrt erdie Ermittlungen und bernimmt die Anschuldigung vor dem Truppendienstge-richt. Darunter fallen auch schwere Verste gegen das Vlkerrecht, die ne-ben ihrem strafrechtlichen Charakter auch disziplinare Bedeutung haben.

  • Kapitel 2Anwendungsbereich des humanitren Vlkerrechts

    I. Bewaffnete Konflikte

    201. Das humanitre Vlkerrecht findet Anwendung in internationalen be-waffneten Konflikten. Dabei wird das Friedensvlkerrecht zwischen den betei-ligten Staaten weitgehend von den Regeln des humanitren Vlkerrechts ber-lagert. Das Friedensvlkerrecht bleibt aber weiter bedeutsam, besonders im Ver-hltnis zwischen den Konfliktparteien und den neutralen Staaten.202. Ein internationaler bewaffneter Konflikt liegt vor, sobald eine Konflikt-partei gegen eine andere Konfliktpartei Waffengewalt einsetzt. Dazu gehrenauch alle Flle vollstndiger oder teilweiser militrischer Besetzung, selbst wenndiese auf keinen bewaffneten Widerstand stt (1-4 2 Abs. 2). Es reicht nichtaus, wenn Einzelpersonen oder Personengruppen mit militrischer Gewalt vorge-hen. Unerheblich ist, ob die Konfliktparteien sich als im Krieg befindlich betrachtenund wie sie ihre Auseinandersetzung bezeichnen.203. Die Anwendung des humanitren Vlkerrechts ist nicht abhngig von einerfrmlichen Kriegserklrung. Frmliche Kriegserklrungen (15 1) kommenheute nur noch gelegentlich vor.Beispiele: Im Sechs-Tage-Krieg vom Juni 1967 erklrten Jordanien, Kuwait,

    Sudan, Jemen, Algerien und Saudi-Arabien Israel formell denKrieg.Im Panama-Konflikt erklrte der panamaische RegierungschefGeneral Noriega am 15. Dezember 1989, fnf Tage vor dem Ein-greifen amerikanischer Truppen, dass tatschlich ein Kriegszu-stand zwischen Panama und den USA bestehe.

    204. Frmliche Kriegserklrungen sind auch nicht zur Ausbung des Rechtsauf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung erforderlich. Art. 51 derCharta der Vereinten Nationen schreibt vor, dass Manahmen, die in Aus-bung des Rechts auf Selbstverteidigung getroffen werden, sofort dem Si-cherheitsrat anzuzeigen sind.205. Erklrungen zur frmlichen Feststellung des Kriegszustandes knnen inBndnisdokumenten und innerstaatlichen Verfassungsgesetzen vorgesehensein.Beispiel: In der Bundesrepublik Deutschland kann der Bundesprsident nach

    Eintritt des Verteidigungsfalles entsprechende vlkerrechtliche Er-klrungen abgeben (Art. 115a Abs. 1und 5 des Grundgesetzes).

    206. Die Geltung des humanitren Vlkerrechts hngt nicht davon ab, ob dieam Konflikt beteiligten Staaten und Regierungen sich gegenseitig anerkennen(vgl. 1 und 2 13 Nr. 3, 3 4 A Nr. 3, 5 43 Abs. 1).

    207. Die Anwendung des humanitren Vlkerrechts in internationalen bewaffne-ten Konflikten ist nicht davon abhngig, ob die bewaffnete Auseinandersetzungunter Verletzung der Bestimmungen des Vlkerrechts, z.B. des Verbots desAngriffskrieges, begonnen worden ist. Ein Staat und seine Angehrigen sindalso auch dann an die Regeln des humanitren Vlkerrechts gebunden,wenn sie Opfer einer vlkerrechtswidrigen militrischen Aggression gewordensind.

  • 208. Die Regeln des humanitren Vlkerrechts sind auch bei friedenssi-chernden Manahmen und anderen militrischen Einstzen der Vereinten Nati-onen zu beachten.

    209. Wenn ein Kriegszustand vorliegt, ist im Verhltnis der kriegfhrenden Partei-en zu den am Konflikt nicht beteiligten Staaten das Neutralittsrecht anzuwenden(15 2).

    210. Ein nicht internationaler bewaffneter Konflikt ist eine mit Waffengewaltinnerhalb eines Staatsgebietes ausgetragene Auseinandersetzung zwischender bestehenden Staatsgewalt und dieser Staatsgewalt unterworfenen Per-sonengruppen, welche die Grenordnung eines bewaffneten Aufruhrs odereines Brgerkrieges erreicht.

    211. In einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt sind vlkerrechtlicheMindestschutzbestimmungen zu beachten, die in den vier Genfer Abkommenvon 1949 ( 1 -4 3), in der Kulturgutschutzkonvention von 1954 (24 19) und imII. Zusatzprotokoll von 1977 (6) vereinbart sind. Ebenso wie ihre Verbndetenbeachten Soldaten der Bundeswehr die Regeln des humanitren Vlkerrechtsbei militrischen Operationen in allen bewaffneten Konflikten, gleichgltig wel-cher Art.

    II. Kriegshandlungen

    212. Kriegshandlungen sind alle Anwendungen von Gewalt, die in einem inter-nationalen bewaffneten Konflikt eine Partei gegen eine andere Partei mit milit-rischen Mitteln unternimmt. Dazu gehren Kampfhandlungen, mit denen diegegnerischen Streitkrfte und andere militrische Ziele auer Gefecht gesetztwerden sollen.

    213. Der Begriff der Kriegshandlung sagt ber deren Rechtmigkeit nichtsaus. Die vlkerrechtliche Zulssigkeit einer Kriegshandlung ist jeweils im Ein-zelfall zu prfen.

    214. Die Untersttzung der Kriegshandlungen fremder Staaten ist regelm-ig dann als eigene Kriegshandlung zu werten, wenn sie in einem unmittelbaren,d.h. engen rumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Schdigung desGegners steht. Dazu reichen eine Mitarbeit in der Rstungsindustrie oder beider sonstigen Versorgung der Streitkrfte nicht aus.

    III. Kriegsgebiet

    215. Kriegshandlungen der Konfliktparteien sind nur im Kriegsgebiet erlaubt.Das Kriegsgebiet umfasst- das Staatsgebiet der Konfliktparteien,- die Hohe See (einschlielich des darber liegenden Luftraums und des

    Meeresbodens) und- ausschlieliche Wirtschaftszonen.216. Zum Staatsgebiet gehren- die Landgebiete,- die Flsse und Binnenseen,- die maritimen Eigengewsser und das Kstenmeer, sowie

  • - der Luftraum ber diesen Gebieten.217. Die Grenze zwischen dem zum Staatsgebiet gehrenden Luftraum einesStaates und dem Weltraum ist dort zu ziehen, wo aufgrund physikalischerGegebenheiten der Luftdruck so gering ist, dass ein Satellitenverkehr mg-lich wird. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft liegt diese untersteFlughhe fr Satelliten zwischen 80 und 110 Kilometern ber der Erdoberfl-che.218. Entmilitarisierte Zonen (5 60), insbesondere Sanitts- und Sicherheits-zonen (2 3, 4 14) und neutralisierte Zonen (4 15) sind, obwohl sie zum Staats-gebiet der Konfliktparteien gehren, vom Kriegsgebiet ausgenommen. Un-verteidigte Orte (16a 25, 5 59) sind Teil des Kriegsgebietes, genieen aberbesonderen Schutz (vgl. unten Nr. 458).219. Unzulssig sind Kriegshandlungen im Staatsgebiet neutraler oder ande-rer nicht am Konflikt beteiligter Staaten und in neutralisierten Zonen.Dies sind Gebiete, in denen aufgrund vertraglicher Abmachungen keineKriegshandlungen stattfinden drfen, selbst wenn die Staaten, zu derenHoheitsbereich die neutralisierten Gebiete gehren, an dem bewaffnetenKonflikt teilnehmen. So bestehen vertragliche Verpflichtungen, in Spitzber-gen, im Gebiet der landinseln, im Suezkanal, im Panamakanal sowie in derAntarktis keine Kriegshandlungen vorzunehmen.220. Eine Zone, in der tatschlich Kampfhandlungen stattfinden, wird alsOperationsgebiet bezeichnet.

    IV. Beendigung von Kriegshandlungen

    221. Die Kriegshandlungen knnen vorbergehend oder auf Dauer eingestelltwerden. Auch eine endgltige Beendigung der Kriegshandlungen lsst denKriegszustand unberhrt. Dieser endet erst mit einem Friedensschluss, es seidenn, er wird vorher ausdrcklich aufgehoben.Beispiel: Ein Friedensvertrag mit Deutschland kam nach dem zweiten

    Weltkrieg nicht zustande. Der Kriegszustand mit Deutschlandwurde jedoch formell fr beendet erklrt von Frankreich (9.Juli 1951), Grobritannien (9. Juli 1951), den USA (24. Oktober1951) und der Sowjetunion (25. Januar 1955). Auch die anderenehemaligen Kriegsgegner des Deutschen Reiches haben ent-sprechende Erklrungen abgegeben.

    1. Parlamentre und Schutzmchte222. Der Einstellung der Kriegshandlungen gehen regelmig Verhandlungenmit dem Gegner voraus. Im Operationsgebiet bedienen sich die Konfliktpartei-en dazu hufig der Parlamentre.223. Parlamentre sind Personen, die von einer Konfliktpartei bevollmch-tigt sind, mit dem Gegner zu verhandeln. Parlamentre und ihre Begleiter,z.B. Fahrer und Dolmetscher, haben Anspruch auf Unverletzlichkeit (16a32). Sie machen sich mit einer weien Flagge kenntlich.224. Gelangen Parlamentre und ihre Begleiter in den Bereich des Gegners, darfdieser sie nicht gefangen nehmen oder sonst festhalten. Der Grundsatz der Un-verletzlichkeit gilt bis zur sicheren Rckkehr in den eigenen Bereich. Er verlangtnicht, das Feuer beim Erscheinen eines Parlamentrs im betreffenden Ab-

  • schnitt vllig einzustellen.225. Der Parlamentr ist meist, aber nicht notwendigerweise, ein Offizier. Aufseine Staatsangehrigkeit kommt es nicht an. berlufer oder kriegsgefange-ne Angehrige von Streitkrften haben keinen Parlamentrstatus und damitauch keinen Anspruch auf Unverletzlichkeit. Sie drfen zurckgehalten werden,wenn die taktische Lage dies erfordert.226. Der militrische Fhrer, zu dem ein Parlamentr entsandt wird, ist nichtverpflichtet, diesen unter allen Umstnden zu empfangen (16a 33 Abs. 1).227. Es sind alle erforderlichen Vorkehrungen erlaubt (z.B. das Verbinden derAugen), um den Parlamentr daran zu hindern, seine Entsendung zur Nach-richtengewinnung zu nutzen (16a 33 Abs. 2).228. Ein Parlamentr darf zeitweilig zurckgehalten werden, wenn er zu-fllig Kenntnisse erhalten hat, deren Mitteilung an den Gegner den Erfolg einergegenwrtigen oder bevorstehenden Operation der eigenen Streitkrfte in Fragestellt. Der Parlamentr darf dann so lange an der Rckkehr gehindert werden,bis die Operation abgeschlossen ist. In der Zwischenzeit ist er mit aller seinerStellung entsprechenden Achtung und mindestens wie ein Kriegsgefangenerzu behandeln.229. Die Unverletzlichkeit des Parlamentrs endet, wenn der unwiderlegbareBeweis vorliegt, dass er seine bevorrechtigte Stellung dazu benutzt hat, um Ver-rat zu ben oder dazu anzustiften (16a 34). Ein solcher Missbrauch, der zur Zu-rckhaltung des Parlamentrs berechtigt (16a 33 Abs. 3), liegt vor, wenn die-ser als Parlamentr vlkerrechtswidrige Handlungen zum Nachteil des Gegnersbegangen hat. Dazu gehren insbesondere die folgenden Aktivitten:- Gewinnen nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, die ber die bei seinem Auf-

    trag unvermeidbaren Wahrnehmungen hinausgehen,- Sabotagehandlungen,- Verleiten gegnerischer Soldaten zur Mitwirkung beim Sammeln von Informa-

    tionen,- Auffordern zur Dienstverweigerung,- Aufruf zur Fahnenflucht und- Organisieren von Spionage im gegnerischen Gebiet.230. Der Missbrauch der Parlamentrflagge ist Heimtcke und damit eine Vl-kerrechtsverletzung (16a 23 Buchst, f; 5 37 Abs. 1 Buchst, a, 38 Abs. 1). EinMissbrauch liegt z.B. vor, wenn sich Soldaten unter dem Schutz der Parlamen-trflagge einer gegnerischen Stellung nhern und dann angreifen.231. Neben dem Entsenden von Parlamentren steht den Konfliktparteien derVerkehr ber Schutzmchte offen. Schutzmchte sind neutrale oder anderenicht am Konflikt beteiligte Staaten, welche die Rechte und Interessen einerKonfliktpartei und deren Staatsangehrigen gegenber einer gegnerischenKonfliktpartei wahrnehmen (5 2 Buchst, c). Knnen sich die Konfliktparteien berdie Ernennung von Schutzmchten nicht einigen, so kann insbesondere dasInternationale Komitee vom Roten Kreuz als sog. Ersatzschutzmacht (5 5 Abs. 4)ttig werden.

    2. Feuereinstellung und Waffenstillstand232. Der Abschluss eines Waffenstillstandes wird durch die Absicht gekenn-zeichnet, Vorbereitungen fr eine Beendigung des bewaffneten Konflikts zu er-

  • mglichen. Er zielt auf die endgltige Einstellung der Kampfhandlungen. Hierinliegt der Unterschied zur Feuereinstellung. Ein Waffenstillstand kann rtlichbegrenzt sein (16a 37). Grundstzlich dient seine Vereinbarung jedoch der umfas-senden Unterbrechung der Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteiensowie der Vorbereitung von Verhandlungen ber den Friedensschluss.Beispiel: Der Waffenstillstand von Rethondes 1918 war eine Voraussetzung

    fr die Aufnahme von Verhandlungen, die zum Versailler Frie-densschluss 1919 fhrten.

    233. Als Feuereinstellung bezeichnet man die meist von rtlichen Befehlsha-bern ausgehandelte vorbergehende Unterbrechung der Kampfhandlungen freinen rumlich begrenzten Bereich. Sie dient regelmig humanitren Zwecken,vor allem dem Suchen und Bergen von Verwundeten und Schiffbrchigen, demLeisten erster Hilfe fr diese Personen und der Evakuierung von Zivilpersonen (115; 2 18; 4 17). Die Regelungen ber den Waffenstillstand (16a 36-41) sind ent-sprechend anzuwenden.234. Haben die Konfliktparteien fr den Waffenstillstand keine bestimmteDauer vereinbart, ist grundstzlich davon auszugehen, dass er der bergangzur endgltigen Beendigung der Kmpfe sein soll. Das in der Charta der Ver-einten Nationen niedergelegte Gewaltverbot ist dann auch in dieser ber-gangsphase zu beachten. Anders als noch in der Haager Landkriegsordnung(16a 36) vorgesehen, knnen die Konfliktparteien die Kampfhandlungen nachAbschluss eines Waffenstillstandes nicht jederzeit wieder aufnehmen, sondernnur dann, wenn die Ausbung des Selbstverteidigungsrechts es unbedingterfordert.235. Jede schwere Verletzung einer Feuereinstellung oder eines Waffenstill-standes kann fr die andere Partei Grund sein, die Kmpfe unverzglichwieder zu erffnen. Eine Kndigung des Waffenstillstandsvertrages (16a 40)ist dann nur erforderlich, wenn die militrische Lage sie zulsst.236. Eine Verletzung des Waffenstillstands durch Privatpersonen,die aus eigenem Antrieb handeln, berechtigt nicht dazu, die Vereinbarung zu be-enden, sondern lediglich dazu, die Bestrafung der Schuldigen und Ersatzfr den erlittenen Schaden zu fordern(16a 41).237. Die Bedingungen des Waffenstillstandsvertrags sind von den Konfliktpartei-en strikt einzuhalten. Militrische Operationen, die einen Vorteil gegenberdem Gegner verschaffen, sind unzulssig. Inwieweit dies auch fr andere Ma-nahmen whrend des Waffenstillstandes gilt, richtet sich nach dem Inhalt derVereinbarungen. Enthalten diese keine weiteren Bedingungen (16a 39), sindz.B. Schanzarbeiten, Munitionsnachschub und Heranfhrung von Verstrkun-gen zulssig. Auf jeden Fall verboten ist es aber, whrend eines Waffenstill-standes die am Gegner stehenden Krfte vorzuverlegen oder mit Sph-trupps aufzuklren.238. Der rumliche Geltungsbereich eines begrenzten Waffenstillstandes istmglichst genau abzugrenzen. Sollen beispielsweise Verwundete geborgenwerden, muss klar sein, ob und bis zu welcher Linie Beschieungen im weiterzurckliegenden Gebiet zulssig bleiben. Gegebenenfalls sind auch die Be-nutzung des Luftraums und die Durchfahrt von Schiffen zu regeln.239. Der Waffenstillstand muss in unmissverstndlicher Form und rechtzeitig

  • bekannt gemacht werden. Die Kampfhandlungen sind sofort nach der Be-kanntmachung oder zu dem festgesetzten Zeitpunkt einzustellen (16a 38).240. Die Bedingungen eines Waffenstillstandes drfen nicht zum Nachteil ge-schtzter Personen von den Bestimmungen der Genfer Abkommen abweichen(1 - 3 6; 4 7).

    3. Kapitulation241. Eine Kapitulation ist eine einseitige oder vereinbarte endgltige Einstel-lung der Kriegshandlungen. Sie soll den Forderungen der militrischen EhreRechnung tragen (16a 35 Abs. 1).242. Die Kapitulation kann als Gesamtkapitulation alle Streitkrfte einesStaates erfassen oder sich als Teilkapitulation auf bestimmte Truppenteile be-schrnken.243. Jeder militrische Fhrer kann die Kapitulation nur fr seinen Befehlsbe-reich erklren bzw. entgegennehmen. Die Kapitulation und ihre Entgegen-nahme binden die beteiligten Staaten. Jeder Staat kann allerdings einen kapitu-lierenden militrischen Fhrer zur Rechenschaft ziehen, wenn dieser Pflichtenverletzt, z. B. gegen Befehle verstoen hat.244. Eine Kapitulation ist von den Konfliktparteien gewissenhaft einzuhalten(16a 35 Abs. 2). Personen, die den Bedingungen der Kapitulation zuwider-handeln, kann der Gegner zur Verantwortung ziehen.

    4. Friedensschluss245. Whrend Feuereinstellung, Waffenstillstand und Kapitulation nur zu ei-ner Unterbrechung oder Einstellung der Kriegshandlungen fhren, bewirkt derFriedensschluss die Beendigung des bewaffneten Konflikts.246. Der Friedensschluss kommt im allgemeinen durch einen Friedensvertragzustande. Mit ihm endet die Anwendung des humanitren Vlkerrechts zwi-schen den Konfliktparteien (mit Ausnahme einiger weniger Bestimmungen, diez.B. die noch nicht heimgeschafften Kriegsgefangenen betreffen).247. Zum Abschluss eines Friedensvertrags sind nur das Staatsoberhaupt o-der ausdrcklich bevollmchtigte Regierungsvertretereines Staates befugt.248. Ein Friedensvertrag enthlt regelmig Bestimmungen ber folgendeEinzelbereiche:- endgltige Einstellung aller Feindseligkeiten,- Wiederaufnahme friedlicher Beziehungen zum Konfliktgegner,- Lsung der Streitfragen, die zum Ausbruch des bewaffneten

    Konflikts gefhrt haben,- Gebietsregelungen,- Waffenbeschrnkungen oder Abrstungspflichten,- Heimschaffung der Kriegsgefangenen und- Ausgleich von Kriegsschden.249. In jngerer Zeit enden bewaffnete Konflikte oft ohne einen Frie-densvertrag und lediglich durch Feuereinstellung oder bloe Beendi-gung von Feindseligkeiten.Beispiel: Der Korea-Konflikt wurde 1953 durch den Waffenstillstand von Panmunjonbeendet, ohne dass es zum Abschluss eines Friedensvertrags gekommen ist.

  • Kapitel 3Kombattanten und Nichtkombattanten

    301. Die Streitkrfte einer Konfliktpartei bestehen aus Kombattanten undNichtkombattanten. Kombattanten sind alle Personen, die sich unmittelbaran Feindseligkeiten beteiligen (16a 3; 5 43 Abs. 2); d.h. am Einsatz einer Waffeoder eines Waffensystems in unverzichtbarer Funktion teilnehmen drfen. Diebrigen Angehrigen der Streitkrfte werden als Nichtkombattanten bezeichnet.Die Zuordnung zu einer der beiden Gruppen wird in bereinstimmung mit denvorgenannten vlkerrechtlichen Grundstzen innerstaatlich geregelt.302. Whrend Kombattanten fr ihre bloe Teilnahme an den Kampfhand-lungen nicht bestraft werden drfen, mssen Personen, die ohne Berechtigungan Feindseligkeiten teilnehmen (Freischrler) mit strafrechtlicher Verfolgungrechnen. Sie haben keinen Anspruch auf den Status eines Kriegsgefangenen,jedoch auf bestimmte Grundgarantien (5 75), die das Recht auf menschlicheBehandlung und ein ordentliches Gerichtsverfahren einschlieen.303. Als Freischrler sind insbesondere Sldner anzusehen. Als Sldner gilt,wer aus persnlichem Gewinnstreben unmittelbar an Feindseligkeiten teil-nimmt, ohne Staatsangehriger oder Mitglied der Streitkrfte einer am Konfliktbeteiligten Partei zu sein (5 47). Im brigen gelten die Bestimmungen desSldnerbereinkommens (28).

    I. Kombattanten304. Die bewaffnete Macht einer am Konflikt beteiligten Partei besteht ausder Gesamtheit der organisierten bewaffneten Verbnde, Gruppen und Ein-heiten. Dazu gehren auch Milizen und Freiwilligenkorps, die in die Streit-krfte eingegliedert sind. Die Streitkrfte mssen- einer Fhrung unterstehen, welche dieser Partei fr das Verhalten ihrer

    Untergebenen verantwortlich ist und- einem internen Disziplinarsystem unterliegen, das unter anderem die

    Einhaltung der Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Vl-kerrechts gewhrleistet (5 43 Abs. 1).

    305. Es bleibt den Staaten berlassen, ob sie Frauen in ihre Streitkrfte aufneh-men. Ihr Status als Kombattanten oder Nichtkombattanten richtet sich nachdenselben Grundstzen wie bei den mnnlichen Mitgliedern der Streitkrfte.306. Die an einem Konflikt beteiligten Parteien treffen alle praktisch durchfhr-baren Vorkehrungen dagegen, dass Kinder unter fnfzehn Jahren unmittel-bar an Kriegshandlungen teilnehmen. Sie sehen insbesondere davon ab, sie inihre Streitkrfte einzugliedern (5 77 Abs. 2; vgl. auch Art. 38 des bereinkommensvom 20. November 1989 ber die Rechte des Kindes, BGBl 1992 II 121).307. Nimmt eine am Konflikt beteiligte Partei paramilitrische oder bewaffneteVollzugsorgane in ihre Streitkrfte auf, teilt sie dies den anderen am Konflikt be-teiligten Parteien mit (5 43 Abs. 3). In der Bundesrepublik Deutschland sind dieGrenzschutzkommandos mit ihren Verbnden und Einheiten sowie die Grenz-schutzschule mit Beginn eines bewaffneten Konflikts Teil der bewaffnetenMacht. Sie unterstehen auch dann weiterhin dem Bundesminister des Innernund sollen nur im Rahmen ihrer polizeilichen Aufgaben sowie zu ihrer eigenenVerteidigung eingesetzt werden ( 64 des Bundesgrenzschutzgesetzes).

  • 308. Die Kombattanten sind verpflichtet, sich von der Zivilbevlkerung zuunterscheiden, solange sie an einem Angriff oder an einer Kriegshandlung zurVorbereitung eines Angriffs beteiligt sind (5 44 Abs. 3). Angehrige regulrerbewaffneter Einheiten tragen nach allgemein anerkannter Staatenpraxis eineUniform (5 44 Abs. 7). Auch Kombattanten, die nicht uniformierten Streitkrf-ten angehren, mssen gleichwohl ein bleibendes, aus der Ferne erkennbares Un-terscheidungszeichen tragen und ihre Waffen offen fhren.309. Da es in besetzten Gebieten und in nationalen Befreiungskmpfen Situa-tionen gibt, in denen sich ein Kombattant (vor allem ein Guerillakmpfer) wegender Art der Feindseligkeiten nicht von der Zivilbevlkerung unterscheidenkann, behlt er den Kombattantenstatus, vorausgesetzt, dass er in solchenFllen- whrend jedes militrischen Einsatzes seine Waffen offen trgt und- whrend eines militrischen Aufmarsches vor Beginn eines Angriffs, an dem

    er teilnehmen soll, seine Waffen so lange offen trgt, wie er fr den Geg-ner sichtbar ist (5 44 Abs. 3 Satz 2).

    Der Begriff militrischer Aufmarsch" umfasst jede Bewegung in Richtung aufdenjenigen Ort, von dem aus ein Angriff durchgefhrt werden soll.310. Die Bevlkerung eines noch nicht besetzten Gebietes, die beim Her-annahen des Feindes aus eigenem Antrieb zu den Waffen greift, um die ein-dringenden Truppen zu bekmpfen, ohne Zeit gehabt zu haben, Streitkrftezu bilden (sog. leve en masse), gehrt zu den Kombattanten. Sie muss dieWaffen offen tragen und bei ihren Kampfhandlungen die Gesetze und Ge-bruche des Krieges einhalten (16a 2; 3 4 A Nr. 6).311. Jeder Kombattant ist verpflichtet, die Regeln des in bewaffnetenKonflikten anzuwendenden Vlkerrechts einzuhalten. Verletzt er dieseRegeln, verwirkt er aber nicht das Recht, als Kombattant zu gelten (5 44Abs. 2).312. Fallen Kombattanten in die Hand des Gegners, sind sie Kriegsge-fangene (16a 3 Satz 2; 5 44 Abs. 1). Sie drfen wegen ihrer Mitwirkung anerlaubten Kriegshandlungen nicht zur Verantwortung gezogen werden.Haben sie Vlkerrechtsverletzungen begangen, drfen diese nach dem Rechtdes Gewahrsamsstaates und nach dem Vlkerrecht geahndet werden (3 82ff).

    II. Nichtkombattanten

    313. Personen, die den Streitkrften angehren, jedoch aufgrund inner-staatlicher Regelung keinen Kampfauftrag haben, wie Richter, Beamte, An-gestellte und Arbeiter, sind Nichtkombattanten.Fallen sie in die Hand des Gegners, werden sie, ebenso wie Kombattanten,Kriegsgefangene (3 4 A Nr. 1).314. Nichtkombattanten sind auch die Soldaten des Sanittsdienstesund das den Streitkrften zugeordnete Seelsorgepersonal(Militrgeistliche). Sanittssoldaten und Militrgeistliche drfen, wenn sie in dieHand des Gegners fallen, nur zurckgehalten wer-den, wenn dies zur Betreuung der Kriegsgefangenen notwendig ist. Sie geltendann nicht als Kriegsgefangene, genieen aber deren rechtlichen Schutz (1 28,30; 2 36, 37; 3 33).

  • 315. Auch Nichtkombattanten sind berechtigt, sich selbst und andere gegenvlkerrechtswidrige Angriffe zu verteidigen. Sanitts-und Seelsorgepersonal darf zu diesem Zweck Handwaffen (Pistole, Gewehroder Maschinenpistole) tragen und benutzen (1 22 Nr. 1; 2 35 Nr. 1; 5 13 Abs.2 Buchst, a). Voraussetzung hierfr ist die innerstaatliche Berechtigung zumUmgang mit Schusswaffen und Munition, die in der Bundeswehr allgemeinden Sanittssoldaten zusteht (vgl. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriftdes BMVg zum Waffengesetz, VMBl 1989, 174).316. Gert jemand, der an Feindseligkeiten teilgenommen hat, indie Gewalt des Gegners, und bestehen Zweifel, ob er Kombattant oder Nicht-kombattant ist, wird er als Kriegsgefangener behandelt, bis ein zustndiges Ge-richt ber seinen Status entschieden hat (3 5 Abs. 2; 5 45 Abs. 1).317. Ein Gefangener kann wegen seiner Teilnahme an den Kampfhandlun-gen nicht gerichtlich bestraft werden, es sei denn, dass eindeutig festgestelltist, dass es sich bei ihm um einen Freischrler handelt.318. Eine Bestrafung darf nur in einem Urteil ausgesprochen undnur aufgrund eines Urteils vollstreckt werden. Das Urteil muss von einem un-parteiischen, ordnungsgem zusammengesetzten Gericht gefllt werden, dasdie allgemein anerkannten Grundstze eines ordentlichen Gerichtsverfahrensbeachtet (3 84; 5 75 Abs. 4).

    III. Gefolge der Streitkrfte

    319. Personen, die den Streitkrften folgen, ohne in sie eingegliedert zu sein,wie Kriegsberichterstatter, Mitglieder von Arbeitseinheiten oder von Einrichtungenzur Betreuung der Soldaten (sog. Gefolge), sind keine Kombattanten. Wennsie in die Gewalt des Gegners geraten, werden sie Kriegsgefangene (3 4 A Nr.4).

    IV. Kommandoeinheiten

    320. Die Teilnahme an berfllen, Sabotageakten und hnlichen Anschlgendurch Kommandoeinheiten im gegnerischen Hinterland oder im Frontbereichist fr Kombattanten, die als solche (durch Uniform, Abzeichen o.a.) erkenn-bar sind, eine zulssige Kriegshandlung. Werden diese hingegen in Zivil oderin der Uniform ihres Gegners ttig, machen sie sich strafbar. Sie haben jedochAnspruch auf ein ordentliches Gerichtsverfahren (3 82 ff; 5 75 Abs. 4).

    V. Spione

    321. Spione sind Personen, die heimlich oder unter falschem Vorwand, d.h. nichtin der Uniform ihrer Streitkrfte, in dem vom Gegner kontrollierten Gebiet Infor-mationen beschaffen. Sie haben, selbst wenn sie Angehrige ihrer Streitkrftesind, keinen Anspruch auf den Status eines Kriegsgefangenen. Fallen sie bei derAusbung der Spionage in die Hand des Gegners, knnen sie bestraft werden(16a 29-31).322. Spione drfen jedoch, selbst wenn sie whrend der Ausbung ihrer Ttig-keit ergriffen worden sind, nicht ohne vorhergehendes gerichtliches Urteil auf-grund eines ordentlichen Gerichtsverfahrens bestraft werden (16a 30; 5 75 Abs.4).

  • 323. Ein Spion, der nach Ausfhrung des Auftrags zu den eigenen oder ver-bndeten Streitkrften zurckgekehrt ist und spter gefangengenommenwird, ist als Kriegsgefangener zu behandeln und kann fr frher begangeneSpionage nicht verantwortlich gemacht werden (16a 31; 5 46 Abs. 4).324. Keine Spionage begehen Kombattanten, die als solche gekennzeichnetsind und im gegnerischen Operationsgebiet aufklren (16a 29 Abs. 2; 5 46 Abs.2), z.B. Sphtrupps.

    VI. Besonderheiten im Luft- und Seekrieg

    325. Im Gegensatz zu Landkriegsfahrzeugen sind fr bemannte Luft- undSeekriegsfahrzeuge uere Kennzeichen vorgeschrieben, die deren Nationali-tt und militrischen Charakter anzeigen. Angehrige der Streitkrfte, die ohneUniform in einem ordnungsgem markierten Luft- oder Seekriegsfahrzeug anKriegshandlungen teilnehmen, bleiben Kombattanten. Sie mssen, wenn siein die Hand des Gegners fallen, ihre Zugehrigkeit zu den Streitkrften durcheinen Ausweis nachweisen.326. Nur militrische Luftfahrzeuge der an einem internationalen bewaffnetenKonflikt beteiligten Parteien drfen an Kriegshandlungen teilnehmen (14 16Abs. 1).327. Das militrische Luftfahrzeug muss unter dem Kommando eines dazu be-auftragten Soldaten stehen. Die Besatzung muss den Regeln der militri-schen Disziplin unterworfen sein (14 14).328. Private Luftfahrzeuge drfen in internationalen bewaffneten Konflikten nurinnerhalb des eigenen Hoheitsgebietes bewaffnet werden (14 16 Abs. 3).329. Nichtmilitrische staatliche Luftfahrzeuge werden wie private behandelt(14 5 und 6). Gegnerische Staatsflugzeuge mit Hoheitsaufgaben (Zoll, Polizei)mssen zustzlich durch entsprechende Papiere und Kennzeichen als nichtmi-litrisch zuzuordnen sein (14 4). Staatliche Luftfahrzeuge unterliegen derEinziehung. Fr private Luftfahrzeuge ist ein prisenrechtliches Verfahren not-wendig (14 32).330. Besondere Bestimmungen fr Kriegsschiffe sind in Kapitel 10 (Nr. 1001 ff)enthalten.

  • Kapitel 4Kampfmittel und Kampfmethoden

    I. Allgemeine Regeln

    401. Die Parteien eines bewaffneten Konfliktes haben kein unbeschrnktesRecht in der Wahl der Mittel (16a 22) und Methoden (5 35 Abs. 1) der Kriegfh-rung. Es ist insbesondere verboten, Mittel oder Methoden anzuwenden, die da-zu bestimmt oder geeignet sind,- berflssige Verletzungen oder unntige Leiden hervorzurufen (16a 23

    Buchst, e; 5 35 Abs. 2),- ausgedehnte, langanhaltende und schwere Schden der natrlichen

    Umwelt zu verursachen (5 35 Abs. 3, 55 Abs. 1; 9),- militrische Ziele und Zivilpersonen oder zivile Objekte unterschiedslos zu

    schdigen (5 51 Abs. 4 und 5).402. Zu berflssigen Verletzungen" oder unntigen Leiden" fhrt dieVerwendung von Kampfmitteln und -methoden, bei der die zu erwartende Be-eintrchtigung erkennbar auer Verhltnis zu dem beabsichtigten rechtmigenmilitrischen Vorteil steht.403. Ausgedehnte", langanhaltende" und schwere" Schden der natrli-chen Umwelt sind wesentliche Strungen des menschlichen Lebens oder dernatrlichen Ressourcen, die ber Gefechtsfeldschden, wie sie regelmig ineinem Krieg zu erwarten sind, erheblich hinausgehen. Verboten ist sowohl eineBeschdigung der Umwelt, die mit Kampfmitteln herbeigefhrt wird (5 35 Abs. 3,55 Abs. 1), als auch eine schwerwiegende Manipulation der Umwelt als Waffe (9).404. Das Verbot der unterschiedslosen Kampffhrung bedeutet, dass wederdie Zivilbevlkerung als solche noch einzelne Zivilpersonen das Ziel von An-griffen sein drfen und dass sie soweit wie mglich zu schonen sind (5 51).405. Bei Prfung, Entwicklung, Beschaffung oder Einfhrung neuerKampfmittel oder -methoden ist ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Vlker-rechts festzustellen (5 36). Fr diese Feststellung zustndig ist fr die Bundes-wehr der BMVg - VR II 3 - (Vlkerrechtsreferat).

    II. Kampfmittel

    1. Bestimmte konventionelle Waffen406. Die Verwendung von Explosivgeschossen und Brandgeschossen unter400 Gramm wurde in der St. Petersburger Erklrung von 1868 verboten (12), dadavon ausgegangen wurde, dass diese Geschosse dem Soldaten unverhlt-nismig groe, fr ein Auergefechtsetzen nicht notwendige Wunden zufgen.Dieses Verbot hat heute nur noch begrenzte Bedeutung. Es wurde gewohn-heitsrechtlich beschrnkt auf Explosiv- und Brandgeschosse von erheblich ge-ringerem Gewicht als 400 Gramm, die nur den unmittelbar Betroffenen, nichtaber weitere Personen auer Gefecht setzen knnen. Sprenggranaten von 20mm und Explosivgeschosse hnlichen Kalibers sind nicht verboten.407. Untersagt ist die Verwendung von Geschossen, die sich leicht im menschli-chen Krper ausdehnen oder platt drcken (z. B. Dum-Dum-Geschosse) (13).Dies gilt auch fr die Verwendung von Schrotflinten, da Schrote hnliche

  • Leiden zufgen, ohne dass dies militrisch gerechtfertigt wre. Ebenfalls unter-sagt ist die Verwendung von Geschossen, die so beschaffen sind, dass sie- whrend des Eindringens in einen menschlichen Krper aufreien oder die

    Form verndern,- im menschlichen Krper frhzeitig taumeln oder- Schockwellen verursachen, die umfangreiche Gewebeschden oder sogar

    den Schocktod hervorrufen (5 35 Abs. 2, 51 Abs. 4 Buchst. c; 16a 23Buchst. e).

    408. Ebenso ist der Einsatz einer Waffe untersagt, deren Hauptwirkung darinbesteht, durch Splitter zu verletzen, die im menschlichen Krper auch durchRntgenstrahlen nicht entdeckt werden knnen (8a).409. Die Verwendung von Minen und anderen Vorrichtungen zu Land istgrundstzlich erlaubt (8b 1). In diesem Sinne

    - ist eine Mine eine unter, auf oder nahe einer Oberflche - auch durchFernverlegung - angebrachte Vorrichtung, die dazu bestimmt ist, durch Dritt-einwirkung zur Detonation gebracht zu werden (8b 2 Nr. 1),

    - sind andere Vorrichtungen von Hand verlegte Kampfmittel oder Vorrichtun-gen, die dazu bestimmt sind, zu tten, zu verletzen oder Beschdigungenhervorzurufen und die durch Fernbedienung oder nach einer bestimmten Zeit-spanne selbstttig ausgelst werden (8b 2 Nr. 3).410. Es ist verboten, die genannten Kampfmittel - sei es auch als Repressalie -gegen die Zivilbevlkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen zu richten(8b 3 Abs. 2). Jeder unterschiedslose Einsatz dieser Waffen ist verboten (8b 3Abs. 3).411. Zivilpersonen sind, soweit praktisch durchfhrbar, auch vor unbeabsich-tigten Wirkungen dieser Kampfmittel zu schtzen (8b 3 Abs. 4).412. Minen und andere Vorrichtungen drfen nicht in einer Ortschaft oder einemberwiegend von Zivilpersonen bevlkerten Gebiet eingesetzt werden, in demeine Kampfhandlung zwischen Landstreitkrften weder stattfindet noch un-mittelbar bevorsteht (8b 4 Abs. 2). Ausnahmen sind zulssig, wenn- diese Kampfmittel an oder in unmittelbarer Nhe von militrischen Zielen

    angebracht oder- Manahmen zum Schutz der Zivilpersonen vor ihren Wirkungen getroffen

    werden, z.B. durch das Aufstellen von Warnzeichen, Wachen, Zunen o-der das Verbreiten von Warnungen (8b 4 Abs. 2 Buchst, a und b).

    413. Der Einsatz fernverlegter Minen ist auer gegen ein Gebiet, das militri-sches Ziel ist oder ein solches enthlt, verboten (8b 5Abs. 1). Nach erfolgtem Einsatz muss ihr Standort genau aufgezeichnet werden(8b 5 Abs. l Buchst, a). Verliert die Mine ihren militrischen Zweck, muss durcheinen Selbstauslsemechanismus ihre Zerstrung oder Neutralisierung innerhalbeines angemessenen Zeitraumes gewhrleistet sein (8b 5 Abs. l Buchst, b).414. Der Verlegung oder dem Abwurf fernverlegter Minen, durch welche die Zi-vilbevlkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, muss eine wirksameWarnung vorausgehen, es sei denn, die gegebenen Umstnde erlaubten diesnicht (8b 5 Abs. 2).415. Der Einsatz von Sprengfallen (versteckten Ladungen) ist immer dann ver-boten, wenn siea. in Form eines scheinbar harmlosen beweglichen Gegenstandes eingesetzt

  • werden, (8b 2 Abs. 2, 6 Abs. l Buchst, a),b. befestigt sind an oder verbunden sind mit

    - international anerkannten Schutzzeichen oder -Signalen,- Kranken, Verwundeten oder Toten,- Begrbniseinrichtungen,- Sanittseinrichtungen, Sanittstransporten, medizinischem

    Gert oder Versorgungsgtern,- Nahrungsmitteln oder Getrnken,- religisen Gegenstnden,- Kulturgtern,- Kinderspielzeug und allen Gegenstnden, die in Bezug zu Kindern ste-

    hen,- Tieren oder deren Kadavern (8b 6 Abs. 1 Buchst, b), oder

    c. dazu bestimmt sind, berflssige Verletzungen oder unntige Leiden zuverursachen (8b 6 Abs. 2).

    416. Dieses Verbot gilt nicht fr fest eingebaute Sprengvorrichtungen undnicht fr solche beweglichen Sprengvorrichtungen, denen ein harmloser An-schein fehlt.417. Die Lage von Minenfeldern, Minen und Sprengfallen ist aufzuzeichnen: dieseUnterlagen sind aufzubewahren und mglichst im gegenseitigen Einvernehmender Konfliktparteien zu verffentlichen (8b 7). In der Bundeswehr obliegt dieseAufgabe den territorialen Kommandobehrden, die einen Minensperrnachweisfhren.418. Bei Wahrnehmung von Aufgaben der Friedenssicherung, Beobachtungoder hnlichem durch eine Truppe oder Mission der Vereinten Nationen hatjede Konfliktpartei nach Aufforderung- alle Minen oder Sprengfallen unschdlich zu machen,- alle erforderlichen Schutzmanahmen zur Erfllung der Aufgaben der Trup-

    pe oder Mission zu treffen und- dem Leiter der Truppe oder Mission alle in ihrem Besitz befindlichen diesbe-

    zglichen Informationen zu liefern (8b 8 Abs. 1 Buchst, a-c).Ihr Schutz ist jederzeit zu gewhrleisten (8b 8 Abs. 2).419. Nach Beendigung eines internationalen bewaffneten Konflikts .sollen dieKonfliktparteien untereinander - wenn ntig auch mit anderen Staaten oder in-ternationalen Organisationen - Informationen und technische Hilfe austau-schen, damit Minenfelder, Minen und Sprengfallen beseitigt oder auf andere Wei-se unwirksam gemacht werden knnen (8b 9).420. Brandwaffen sind Kampfmittel, die in erster Linie dazu bestimmt sind,durch die Wirkung von Flammen, Hitze oder deren Kombination Stoffe oderObjekte in Brand zu setzen oder Personen Brandwunden zuzufgen. Hierzuzhlen Flammenwerfer, Fugassen- dies sind mit flssigem Brennstoff gefllte Handbrandwaffen -, Geschosse,Raketen, Granaten, Minen, Bomben oder sonstige mit Brandstoffen gefllteBehlter (8c 1 Abs. 1 und 1 Buchst, a).421. Nicht zu den Brandwaffen zhlen Kampfmittel,- die als Nebenwirkung Brandwirkungen haben knnen - z.B. Leuchtkrper,

    Leuchtspurstze, Rauch- und Signalsysteme - (8c 1 Abs. 1 Buchst, b i), oder

  • - die Durchschlag-, Spreng- oder Splitterwirkung mit einer Brandwirkung ver-binden sollen (z.B. panzerbrechende Geschosse, Splittergeschosse,Sprengbomben usw.). Die Brandwirkung darf nur gegen militrische Ziele ge-richtet sein (8c 1Abs. 1 Buchst, b ii).

    422. Beim Einsatz von Brandwaffen sind Vorsichtsmanahmen zu treffen, dieunter Bercksichtigung aller zu dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umstn-de einschlielich humanitrer und militrischer Erwgungen durchfhrbar undpraktisch mglich sind (8c 1 Abs. 5).423. Die Zivilbevlkerung als solche, einzelne Zivilpersonen und zivile Objektegenieen besonderen Schutz. Sie drfen unter keinen Umstnden Ziel von An-griffen mit Brandwaffen sein (8c 2 Abs. 1).424. Ein Angriff mit Brandwaffen auf ein in einer Ansammlung von Zivilpersonenliegendes militrisches Ziel ist unter allen Umstnden verboten (8c 2 Abs. 2 und3).425. Es ist verboten, gegen Wlder oder andere Arten pflanzlicher Bodenbede-ckungen Brandwaffen einzusetzen, es sei denn, dass der Gegner diese zur De-ckung, Tarnung oder zum Verbergen eines militrischen Zieles benutzt oderdass diese selbst ein militrisches Ziel sind (8c 2 Abs. 4).426. Verboten ist die Verwendung von Gift und vergifteten Waffen (16a 23Buchst, a).

    2. ABC-Kampfmittela) Nuklearwaffen

    427. Es bestehen bereits zahlreiche multilaterale und bilaterale Vertrge, die ei-ne Weitergabe von Nuklearwaffen verbieten, Nuklearwaffentests einschrnken,die Stationierung von Nuklearwaffen verbieten, nuklearwaffenfreie Zonen schaf-fen, den Umfang der nuklearen Bewaffnung beschrnken und den Ausbruch ei-nes Nuklearkriegs verhten sollen:- Vertrag ber die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 (BGBl

    1974 II 785),- Vertrag ber das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphre, im

    Weltraum und unter Wasser vom 5. August 1963 (BGBl 1964 II 907),- Weltraumvertrag vom 27. Januar 1967 (BGBl 1969 II 1967),- Meeresbodenvertrag vom 11. Februar 1971 (BGBl 1972 II 325),- Vertrag ber das Verbot von Kernwaffen in Lateinamerika vom 14. Februar

    1967,- Vertrag ber die Errichtung einer kernwaffenfreien Zone im Sdpazifik

    vom 6. August 1985,- Vertrag ber die Beseitigung der amerikanischen und sowjetischen Flug-

    krper mittlerer und krzerer Reichweite (INF-Vertrag) vom 8. Dezember1987,

    - Vertrag ber die Reduzierung und Begrenzung amerikanischer und sowje-tischer strategischer Offensivwaffen (START-Vertrag) vom 31. Juli 1991 mitProtokoll vom 23. Mai 1992.

    428. Das geltende Vlkerrecht enthlt aber weder ausdrckliche Bestimmun-gen, die den Einsatz von Nuklearwaffen absolut verbieten, noch lsst sich ein sol-ches Verbot aus dem derzeitigen Vertragsund Gewohnheitsrecht herleiten.429. Dem Einsatz von Nuklearwaffen sind jedoch durch das humanitre Vlker-

  • recht die gleichen allgemeinen Schranken gesetzt, wie sie fr den Einsatzkonventioneller Kampfmittel gelten. Das Recht der Konfliktparteien, Mittelanzuwenden, um dem Gegner Schden zuzufgen, ist nicht unbegrenzt. Es istverboten, Angriffe gegen die Zivilbevlkerung als solche zu richten. Zu jeder Zeitmuss unterschieden werden zwischen Personen, die an den Feindseligkeitenteilnehmen und Angehrigen der Zivilbevlkerung. Letztere sind so weit wiemglich zu schonen.430. Die vom I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen (5) eingefhrten neuenRegeln sind in der Absicht aufgestellt worden, auf konventionelle Waffen Anwen-dung zu finden, unbeschadet sonstiger, fr andere Waffenarten anwendbarerRegeln des Vlkerrechts. Sie beeinflussen, regeln oder verbieten nicht denEinsatz von Nuklearwaffen.431. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich gem Artikel I des Protokolls Nr.III zum Brsseler Vertrag (WEU-Vertrag) vom 23. Oktober 1954 (BGBl 1955 II266) verpflichtetem ihrem Gebiet keine Nuklearwaffen herzustellen. Sie hatsich gem dem Vertrag ber die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli1968 (BGBl 1974 II 785) verpflichtet, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkrperoder die Verfgungsgewalt darber von niemandem unmittelbar oder mittelbar an-zunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkrper weder herzustellen, nochsonst wie zu erproben und keine Untersttzung zur Herstellung von Kernwaffenoder Kernsprengkrpern zu gewhren oder anzunehmen. Dieser Verzicht wurdein Artikel 3 des Vertrages ber die abschlieende Regelung in bezug auf Deutsch-land (2+4-Vertrag) vom 12. September 1990 (BGBl 1990 II 1317) bekrftigt. DasGesetz ber die Kontrolle von Kriegswaffen i.d.F. vom 5. November 1990(BGBl 1990 I 2506; 1991 I 913) bedroht Zuwiderhandlungen mit Strafe, soweit essich nicht um Nuklearwaffen handelt, die der Verfgungsgewalt von NATO-Mitgliedstaaten unterstehen oder in deren Auftrag entwickelt oder hergestellt wer-den.432. In der Strategie des Nordatlantischen Bndnisses haben Nuklearwaffennach wie vor eine kriegsverhtende Bedeutung. Sie stellen sicher, dass nie eineLage entsteht, in der nicht mit nuklearer Vergeltung als Reaktion auf militrischesVorgehen gerechnet werden msste.433. Androhung und Einsatz von Nuklearwaffen sind der politischen Kon-trolle unterworfen, die den Grundsatz der Verhltnismigkeit, begrenzterSchadenszufgung auf Gebieten des Aggressors und begrenzten Schadensrisikosauf eigenem Gebiet zu beachten hat.

    b) Chemische Waffen434. Die Verwendung von erstickenden, giftigen oder gleichartigen Gasen sowieallen hnlichen Flssigkeiten, Stoffen oder hnlichen Verfahren im Krieg ist ver-boten (10; 16a 23 Buchst, a). Dieses Verbot gilt auch fr die Vergiftung von Ein-richtungen der Wasserversorgung und von Nahrungsmitteln (5 54 Abs. 2; 6 14),sowie fr den Einsatz von Reizstoffen zu militrischen Zwecken. Unbeabsichtigteund unerhebliche giftige Nebenwirkungen von ansonsten erlaubten Kampfmittelnsind von diesem Verbot nicht betroffen.435. Der Umfang dieses Verbotes ist dadurch beschrnkt, dass zahlreicheStaaten bei ihrer Bindung an das Genfer Giftgasprotokoll (10) erklrt haben,dass diese Verpflichtung gegenber jedem Gegner endet, dessen Streitkrfte

  • das Einsatzverbot missachten.436. Das von der Abrstungskonferenz der Vereinten Nationen ausgearbei-tete bereinkommen ber chemische Waffen enthlt ein umfassendes Verbotder Entwicklung, Herstellung, Lagerung, Weitergabe und des Einsatzes chemi-scher Waffen sowie Bestimmungen zur internationalen Kontrolle der Einhal-tung dieses Verbots. Dieses bereinkommen ist noch nicht in Kraft.437. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bereits gem Artikel I desProtokolls Nr. III zum WEU-Vertrag verpflichtet, in ihrem Gebiet keine chemi-schen Waffen herzustellen. Sie hat darber hinaus bei Unterzeichnung des B-Waffen-bereinkommens am 10. April 1972 erklrt, dass sie chemischeKampfstoffe, auf deren Herstellung sie bereits verzichtet hat, entsprechendihrer bisher eingenommenen Haltung weder entwickeln noch erwerbennoch unter eigener Kontrolle lagern wird. Dieser Verzicht wurde in Artikel 3des Vertrages ber die abschlieende Regelung in bezug auf Deutschland(2+4-Vertrag) vom 12. September 1990 (BGBl 1990 II 1317) bekrftigt. DasGesetz ber die Kontrolle von Kriegswaffen i.d.F. vom 5. November 1990(BGBl 1990 I 2506; 1991 I 913) bedroht Zuwiderhandlungen mit Strafe.

    c) Bakteriologische (biologische) Waffen und Toxinwaffen438. Die Verwendung bakteriologischer Kampfmittel ist verboten (10).439. Entwicklung, Herstellung, Erwerb und Lagerung von bakteriologischen(biologischen) Waffen und von Toxinwaffen sind verboten (11). Diese Verbotegelten sowohl fr biotechnologische als auch fr synthetische Verfahren, dieanderen als friedlichen Zwecken dienen. Sie schlieen gentechnische Ver-fahren und gentechnisch vernderte Mikroorganismen ein.440. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bereits gem Artikel l des Proto-kolls Nr. III zum WEU-Vertrag verpflichtet, in ihrem Gebiet keine biologischenWaffen herzustellen. Dieser Verzicht wurde in Artikel 3 des Vertrages ber dieabschlieende Regelung in bezug auf Deutschland (2+4-Vertrag) vom 12. Sep-tember 1990 (BGBl 1990 II 1317) bekrftigt Das Gesetz ber die Kontrolle vonKriegswaffen i.d.F. vom 5. November 1990 (BGBl 1990 I 2506; 1991 I 913) be-droht Zuwiderhandlungen mit Strafe.

    III. Kampfmethoden

    1. Militrische Ziele441. Angriffe, das heit jede offensive oder defensive Gewaltanwendunggegen den Gegner (5 49 Abs. 1), sind ausschlielich auf militrische Ziele zubeschrnken.442. Militrische Ziele sind Streitkrfte - auch Fallschirmtruppen schon whrenddes Absprunges (5 42 Abs. 3), nicht dagegen die ausgestiegene Besatzung einesin Luftnot geratenen Luftfahrzeuges (5 42 Abs. 1) - sowie Objekte, die aufGrund ihrer Beschaffenheit, ihres Standortes, ihrer Zweckbestimmung oder ih-rer Verwendung wirksam zu militrischen Handlungen beitragen und derengnzliche oder teilweise Zerstrung, Inbesitznahme oder Neutralisierung unterden in dem militrischen Vorteil darstellen (5 52 Abs. 2).443. Militrische Ziele sind insbesondere

  • - die Streitkrfte,- Militrische Luftfahrzeuge und Kriegsschiffe,- Gebude und Objekte zur truppendienstlichen und logistischen Unterstt-

    zung von Einstzen sowie- Wirtschaftsziele, die wirksam zu militrischen Handlungen beitragen (Ver-

    kehrseinrichtungen, Industrieanlagen usw.).444. Der Begriff des militrischen Vorteils bezieht sich auf den Vorteil, dervon einem Angriff als Ganzes, nicht nur von einzelnen Teilen des Angriffs, er-wartet werden kann.445. Zivilpersonen in militrischen Zielen sind gegen Angriffe auf diese Zielenicht geschtzt; z.B. hindert die Anwesenheit von Zivilarbeitern in einer Rs-tungsfabrik die gegnerischen Streitkrfte nicht, dieses militrische Ziel an-zugreifen.446. Im Zweifel wird vermutet, dass ein Objekt, das in der Regel fr zivileZwecke bestimmt ist, nicht dazu verwendet wird, wirksam zu militrischenHandlungen beizutragen (5 52 Abs. 3); es wird daher als ziviles Objekt behan-delt.447. Angriffe gegen militrische Ziele mssen unter grtmglicher Schonungder Zivilbevlkerung durchgefhrt werden (5 51 Abs. 1; 6 13). Angriffen, die dieZivilbevlkerung in Mitleidenschaft ziehen knnen, muss eine wirksame War-nung vorausgehen, es sei denn, die gegebenen Umstnde erlaubten diesnicht (16a 26; 5 57 Abs. 2 Buchst, c). Diese Regeln gelten auch fr Angriffe mitRaketen und Fernlenkwaffen.448. Gegnerische militrische Luftfahrzeuge knnen im Luftkriegsgebiet oh-ne Warnung angegriffen und so zum Absturz oder zur Landung gebracht wer-den. Sie werden damit Kriegsbeute. Ihre Besatzungsmitglieder und Fluggste- Freischrler und Sldner ausgenommen - werden Kriegsgefangene (14 36Abs. 1).449. Andere gegnerische staatliche Luftfahrzeuge drfen nicht ohneWarnung angegriffen werden. Sie knnen aber mit Waffengewalt zurLandung gezwungen werden (14 34). Darber hinaus drfen dieseLuftfahrzeuge bekmpft werden bei- einem Flug im Geleit gegnerischer Militrluftfahrzeuge,- Durchfliegen eines vom Gegner gesperrten Luftgebietes und- Beteiligung an Kriegshandlungen.450. Es ist verboten, zu befehlen, dass niemand am Leben gelassen wird.Ebenso ist es verboten, dem Gegner derartiges anzudrohen oderKriegshandlungen in diesem Sinne auszufhren (5 40; 16a 23d).

    2. Schutz ziviler Objekte

    451. Beschieungen oder Bombardierungen der an Kampfhandlungennicht teilnehmenden Zivilbevlkerung, sei es, um diese zu terrorisierenoder zu einem anderen Zweck (5 51 Abs. 2) sowie Angriffe auf zivile Ob-jekte sind verboten. Solche Angriffe drfen auch als Repressalie nichtausgefhrt werden (5 51 Abs. 6, 52 Abs. l, 53 Buchst, c, 54 Abs. 4, 55 Abs.2, 56 Abs. 4).

  • 452. Verteidigte Ortschaften oder Gebude drfen beschossen oderbombardiert werden, um- aktiven Widerstand zu brechen (Eroberungsbeschieung, Erobe-

    rungsbombardierung) ,- in ihr befindliche militrische Ziele auszuschalten (Zerstrungsbe-

    schieung, Zerstrungsbombardierung).In beiden Fllen ist die Beschieung oder Bombardierung auf den tat-schlichen Widerstand und die militrischen Ziele rtlich zu beschrn-ken.453. Der Beschieung soll eine wirksame Warnung vorausgehen, es seidenn, die gegebenen Umstnde erlaubten dies nicht (5 57 Abs. 2 Buchst, c;16a 26).454. Jede unterschiedslose Beschieung oder Bombardierung von zivilenund militrischen Objekten ist verboten (5 51 Abs. 4 und 5;14 24 Nr. 3).455. Unterschiedslose Beschieungen oder Bombardierungen sind An-griffe,- die nicht gegen ein bestimmtes militrisches Ziel gerichtet werden (5

    51 Abs. 4 Buchst, a),- die nicht gegen ein bestimmtes Ziel gerichtet werden knnen (5 51

    Abs. 4 Buchst, b) oder- deren beabsichtigte Wirkungen sich nicht auf das militrische Ziel

    begrenzen lassen (5 51 Abs. 4 Buchst, c).456. Als unterschiedslos gelten eine Beschieung oder eine Bombardie-rung auch, wenn:- mehrere deutlich voneinander zu trennende militrische Einzel-

    ziele in einem Ort als ein einheitliches militrisches Ziel angegriffenwerden (5 51 Abs. 5 Buchst, a),

    - mit Schden oder Verlusten unter der Zivilbevlkerung zu rechnen ist,die unverhltnismig zum erwarteten konkreten und unmittelbarenmilitrischen Vorteil sind (5 51 Abs. 5 Buchst, b),

    - Zivilpersonen oder zivile Objekte auch auerhalb des eigentlichenZielbereichs oder seiner unmittelbaren Umgebung in erheblicherWeise geschdigt werden.

    457. Jeder verantwortliche militrische Fhrer muss vor Bekmpfung einesZieles- dessen militrischen Charakter prfen (5 57 Abs. 2 Buchst, a i),- Mittel und Methoden so whlen, dass zivile Begleitschden auf ein

    Mindestma beschrnkt werden (5 57 Abs. 2 Buchst, a ii),- von einem Angriff absehen, bei dem der erwartete, konkrete und un-

    mittelbare militrische Vorteil in keinem Verhltnis zur Schwereder zivilen Begleitschden steht (5 57 Abs. 2 Buchst, a iii),

    - bei einem Angriff, der die Zivilbevlkerung in Mitleidenschaft ziehenkann, diese vorher warnen, es sei denn, die gegebenen Umstndeerlaubten dies nicht (5 57 Abs. 2 Buchst, c),

    - wenn eine Wahl zwischen mehreren gleichwertigen Zielen mglich ist,dasjenige bekmpfen, bei dem die geringsten Begleitschden zu er-warten sind (5 57 Abs. 3).

    Ein Angriff ist einzustellen, wenn sich erweist, dass das Ziel nicht militri-

  • scher Art ist, dass es unter besonderem Schutz steht, oder dass damit zurechnen ist, dass der Angriff auch unverhltnismige zivile Verluste oderSchden verursacht (5 57 Abs. 2 Buchst, b).458. Es ist untersagt, unverteidigte Orte anzugreifen oder zu be-schieen (5 59 Abs. 1; 16a 25).459. Ein Ort gilt als unverteidigt, wenn die zustndigen Behrden ihn ge-genber dem Gegner als unverteidigt erklren, wenn er zur Besetzungoffen steht und folgende Voraussetzungen erfllt werden:- Alle Kombattanten sowie die beweglichen Waffen und die beweg-

    liche militrische Ausrstung mssen verlegt worden sein,- ortsfeste militrische Anlagen und Einrichtungen drfen nicht zu

    feindseligen Handlungen genutzt werden,- Behrden und Bevlkerung drfen keine feindseligen Handlungen begehen,

    und- es darf nichts zur Untersttzung von Kriegshandlungen unternommen wer-

    den (5 59 Abs. 2).460. Eine Ortschaft darf nicht auf Verdacht als verteidigt angesehen werden,es sei denn, das Verhalten des Gegners rechtfertigt eine solche Annahme.461. Verboten ist es, Kriegshandlungen auf entmilitarisierte Zonen auszu-dehnen. Die Voraussetzungen dafr, eine solche Zone einzurichten, ent-sprechen denen, die fr unverteidigte Orte gelten (5 59 Abs. 2, 60 Abs. 3).Entmilitarisierte Zonen entstehen durch eine Vereinbarung zwischen denKonfliktparteien, entweder bereits in Friedenszeiten oder im Konfliktfall. Die-se Zone darf von keiner Seite angegriffen oder besetzt werden (5 60 Abs. 1).462. Verletzt eine Partei diese Vorschriften, verlieren die un-verteidigtenOrte, offenen Stdte und entmilitarisierten Zonen ihren besonderen Schutz.Die allgemeinen Bestimmungen ber den Schutz der Zivilbevlkerung undziviler Objekte gelten allerdings weiter (5 59 Abs. 7, 60 Abs. 7).463. Angriffe sind auch verboten auf:- Sicherheits- und neutralisierte Zonen, d.h. Zonen, die dazu bestimmt sind,

    verwundeten und kranken Soldaten und Zivilpersonen, die nicht anKriegshandlungen teilnehmen, Schutz zu gewhren 1 23; 4 14, 15),

    - Sanitts- und Seelsorgepersonal (5 12, 15)- Lazarettschiffe (2 22),- Krankenhuser und deren Personal (1 19; 4 18, 20),- fr die Zivilbevlkerung lebensnotwendige Objekte, z.B. zur Erzeugung von

    Nahrungsmitteln, Bekleidung, Trinkwasserversorgungsanlagen, mit demZiel, die Versorgung der Zivilbevlkerung zu verhindern (5 54 Abs. 2; 6 14).Abweichungen von diesem Verbot sind nur auf eigenem Staatsgebietgestattet, wenn eine zwingende militrische Notwendigkeit dies erfordert (554 Abs. 3 und 5; 6 14),

    - Kstenrettungsboote und die dazugehrigen ortsfesten Ksteneinrichtun-gen (2 27),

    - Kulturgut (5 53)- vlkerrechtlich geschtzte Luftfahrzeuge

    + im Einsatz zum Austausch von Gefangenen,+ bei der Zusage sicheren Geleits,+ Sanittsluftfahrzeuge, denen Luftkorridore, Kurse und Zeiten fr die Flge

    vorher zugewiesen worden sind (1 36 Abs. 1, 37 Abs. 1; 2 39; 5 24 ff; 14 17)

  • und+ zivile Luftfahrzeuge.

    3. Schutz von Anlagen und Einrichtungen, die gefhrliche Krfte enthalten464. Anlagen und Einrichtungen, die gefhrliche Krfte enthalten, nmlich Stau-dmme, Deiche und Kernkraftwerke (5 56 Abs. 1) drfen auch dann nicht ange-griffen werden, wenn sie militrische Ziele darstellen, sofern ein solcher Angriffgefhrliche Krfte freisetzen und dadurch schwere Verluste unter der Zivilbevl-kerung verursachen kann (5 56 Abs. 1).465. Der Schutz solcher Anlagen entfllt, wenn sie zur regelmigen, bedeuten-den und unmittelbaren Untersttzung von Kriegshandlungen genutzt werdenund ein Angriff das einzige praktisch mgliche Mittel ist, diese Nutzung zu be-enden (5 56 Abs. 2 Buchst, a-b). Dies gilt auch fr andere militrische Ziele, diesich an solchen Anlagen oder Einrichtungen oder in deren Nhe befinden (5 56Abs. 2 Buchst, c).466. Eine regelmige, bedeutende und unmittelbare Untersttzung vonKriegshandlungen (5 56 Abs. 2 Buchst, a-c) stellt z.B. die Herstellung von Waf-fen, Munition und Wehrmaterial dar. Die bloe Mglichkeit einer Verwendungdurch Streitkrfte fllt nicht unter diese Bestimmung.467. Die Entscheidung ber einen Angriff ist auf der Grundlage aller im Zeit-punkt des Handelns zur Verfgung stehenden Informationen zu treffen.468. In der Nhe von Anlagen und Einrichtungen, die gefhrliche Krfte ent-halten, sollen militrische Ziele nur dann errichtet werden, wenn es fr dieVerteidigung dieser Objekte erforderlich ist (5 56 Abs. 5).469. Die Konfliktparteien bleiben verpflichtet, alle Vorkehrungen zu treffen, wel-che die gefhrlichen Anlagen gegen die Wirkungen von Angriffen schtzen kn-nen (z.B.: Abschaltung eines Kernkraftwerks).470. Anlagen und Einrichtungen, die gefhrliche Krfte enthalten, knnen mitdem Sonderschutzzeichen gekennzeichnet werden, das aus drei in einer waa-gerechten Linie angeordneten leuchtend orangefarbenen Kreisen besteht (556 Abs. 7). Kernkraftwerke und wichtige Talsperren in der BundesrepublikDeutschland sind in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt.

  • Abbildung 1

    Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland

    (Redaktioneller Hinweis: Von der Wiedergabe wurde abgesehen)

  • Abbildung 2Wichtige Talsperren in der Bundesrepublik Deutschland

    (Redaktioneller Hinweis: Von der Wiedergabe wurde abgesehen)

  • 4. Kriegslisten und Perfidieverbot471. Kriegslisten und die Anwendung der notwendigen Mittel, um sich Informati-onen ber die Gegenpartei und das Gelnde zu verschaffen, sind erlaubt (5 37Abs. 2; 16a 24). Darunter fallen z.B. der Gebrauch gegnerischer Signale, Parolen,Zeichen, Scheinstellungen usw., nicht dagegen Spionage (siehe oben Nrn. 321-324).472. Heimtcke (Perfidie) ist verboten. Hierunter sind Handlungen zu verste-hen, die die Gegenpartei zur irrtmlichen Annahme einer vlkerrechtlichenSchutzlage verleiten (z.B. humanitre Vereinbarung zur Einstellung desKampfes mit der Absicht, den darauf vertrauenden Gegner berraschend an-zugreifen, 5 37).473. Verboten ist der Missbrauch der Parlamentrflagge, gegnerischer oder neut-raler Nationalflaggen, militrischer Abzeichen und Uniformen sowie der be-sonderen international anerkannten Schutzzeichen (5 38-39; 16a 23 Abs. 1Buchst, f; 24 17 Abs. 2). Im Seekrieg gelten Besonderheiten (vgl. unten Nrn.1017 ff).

    5. Psychologische Kampffhrung474. Erlaubt sind die politische und militrische Propaganda durch Verbrei-tung auch falscher Nachrichten zur Untergrabung des gegnerischen Wider-standswillens und die Einflussnahme auf die militrische Disziplin des Gegners(z. B. die Aufforderung, berzulaufen).475. Verboten ist die Aufforderung zu Straftaten und Vlkerrechtsverletzun-gen.

    6. Repressalien476. Repressalien sind an sich vlkerrechtswidrige Zwangsmanahmen, dieeine Konfliktpartei anwendet, um Vlkerrechtsverletzungen des Gegners zubeenden.477. Repressalien mssen wegen ihrer politischen und militrischen Trag-weite von hchster politischer Ebene, in der Bundesrepublik Deutschland vonder Bundesregie