Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' )...

16
22. März 1907. Vereins-Organ der "Wengia" Solothurn. Redaktion: Ernst Forster , Chet-Red. Rudolf Jeanneret, Sub-Red, 1. - Alfred Strüby, Sub.-Rcd. H. Wilh, Scltlappner , Vertreter der "AIt-Wengia" Abonnementspreis: Fr. I. 50 per Semester. Flir die Mitglieder der "Alt-Wengia" gratis. - Erscheint jeden Monat. PATRIA! @ AMICI'l'IA! @ SCIENTIA! e>© e>~ Wengla Solothurn. Die Alten Herren werden hiermit aufs herzlichste zum Semester· Sehl usskommers der Mittwoch den 27. März 1907, abends 8 Uhr, im "Rosengarten" stattfindet, ein- geladen. Im Namen und Auftrag der Wengia: E. Forster x.

Transcript of Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' )...

Page 1: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

22. März1907.

Vereins-Organ der "Wengia" Solothurn.

Redaktion:Ernst Forster , Chet-Red.

Rudolf Jeanneret, Sub-Red, 1. - Alfred Strüby, Sub.-Rcd. H.Wilh, Scltlappner , Vertreter der "AIt-Wengia"

Abonnementspreis: Fr. I. 50 per Semester.Flir die Mitglieder der "Alt-Wengia" gratis. - Erscheint jeden Monat.

PATRIA! @ AMICI'l'IA! @ SCIENTIA!

~© e>© e>~

Wengla Solothurn.Die Alten Herren werden hiermit aufs

herzlichste zum

Semester· Sehlusskommersder Mittwoch den 27. März 1907, abends8 Uhr, im "Rosengarten" stattfindet, ein-geladen.

Im Namen und Auftrag der Wengia:E. Forster x.

Page 2: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

118 Der Wengianer, N° 10/11.

Die Wenglaner-Aufführung.

Es war keine üble Idee, die unser langer strammerFuxmajor in einer der letzten Dezembersitzungen vor-brachte: wir sollten im nächsten Trimester mit einerTheateraufführung (a la Helveter-Konzert 1905) vorunsere Stadtbürger treten. Die Verbindung war ein-hellig der Meinung, dass man auch auf diese Weiseeinmal der Devise "Scientia", durch die Darstellungder Kunst, einen Tribut zollen könnte, wie er in derGeschichte der "W engia ii noch nirgends aufgezeichnetist. Herr Professor Walther von Arx, den wir in derAngelegenheit um Rat fragten, schlug die Aufführungvon" Wallensteins Lager" vor. Für den dramatischenTeil war nun soweit gesorgt. In der Aufstellung desProgrammes für das Konzert, das dem Theater voran-gehen sollte, unterstützten uns in liebenswürdiger Weisedie Herren Musikdirektoren Edmund Wyss und HansHeutschy. Natürlich durfte auch der Prolog nicht fehlen.Unser Vereinsdichter fand für seine Entwürfe hiezu inunserrn a. H. Horn einen willkommenen "Redaktor".Aus ihrer vereinten rastlosen Tätigkeit entstand zuletztder Prolog, den der Leser an einer andern Stelle findet.*

Die Rektoratskommission gestattete uns eine ein-malige Aufführung und zwar in Solothurn. So konntenoch vor den Weihnachtsferien zur Ausführung derumfangreichen Vorarbeiten geschritten werden. DieHauptrollen wurden verteilt, so dass deren Darstellersich in den Ferien mit dem Auswendiglernen beschäf-tigen konnten. Wir hofften, auf diese Weise Mitte odergegen Ende Januar die Bretter betreten zu können.Doch wir hatten die Rechnung ohne - die Rektorats-kommission gemacht. Wir hatten nicht im entfernte-

* Der Prolog wird in nächster Nummer folgen.

Page 3: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

Der W engianer,N" iO/li. 119

sten geglaubt, dass sie uns in einem an und für sichgewiss harmlosen, für das Gelingen der Aufführungaber wichtigen Punkte irgend einen Widerstand ent-gegensetzen würde: es wurde uns nämlich untersagt,die Frauenrollen durch Fräulein spielen zu lassen. Daswäre ein netter Ulk gewesen, ein Wengianer als Gustelvon Blasewitz ! Dieser Umstand stellte eine Zeitlangdas ganze Unternehmen in Frage. Wir gaben abernicht ohne weiteres alles verloren, sondern suchtendie Erlaubnis, die uns in der Kantonsschule verweigertwurde, im Rathause zu erwirken. Die Rektorats-kommission gab schliesslich nach, nachdem dadurchfast vierzehn kostbare Tage verflogen waren. Jetztstürzten sich aber alle mit einem mächtigen Biereiferin die Arbeiten. Dienstag, Donnerstag und SonntagTheaterprobe, die übrigen Tage Einzelproben für dasKonzert. Nach weitem vierzehn wohlausgenütztenTagen waren wir für den Kampf gerüstet. Es warnun aber, was wir früher vermeiden wollten, doch bisin die Fastnachtszeit hinausgerückt -- eine für einesolche Aufführung ungünstige Zeit. Zeitungsinserateund Theaterzettel kündigten die Aufführung für Diens-tag den 5. Februar Abends 8 Uhr an.

Unser Programm war folgendes:Prolog, gesprochen von A. Strüby vlo Fex.

1. Teil.

1. a) Vaterlandsgruss (Ferd. Huber) } Männerchor.b) Der treue Kamerad (C. Attenhofer)

2. Spanischer Tanz (Moszkoweki),gespielt von O. Allemann und R. Jeanneret (Klavier, vierhändig).

3. Reverie (Vieuxtemps)gespielt von Hugo Meyer (Violine) und R. Jeanneret (Klavier).

4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' )(Schubert) Baritonsolo von

b) Ich hatte einst ein schönes Vaterland a. H. W. Schlappner.(Lassen)

5. Norwegischer Tanz (Grieg)gespielt von O. Allemann und R. Jeanneret (Klavier, vierhändig).

Page 4: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

120 Der Wengianer, N° 10/11.

H. Teil.

Ouverture: Spanischer Tanz (Reh feld)gespielt von Hugo Meyer (Violine) und R. Jeanneret (Klavier).

Wallen steins Lager von Friedrich Schiller.Personen (in Klammern deren Darsteller):

Wachtmeister (E. Forster) Kroat (E. Rätz)Trompeter (E. Huber) Ulan (F. Mollet)Konstabler (R. Büttler) Rekrut (Sauer)Scharfschützen (A. Meier F.M. und Bürger (A. Strüby)

E. Hammer) Bauer (E. Steiner)Butlerische Dragoner (E. Meyer) Bauernknabe (Frl. M. Morat)Tiefenbacher Arkebusiere (P. Eber- Kapuziner (IL LeibundGut)

hard und E. Lehmann) Soldaten schulmeister (Flury)Wallon. Kürassier (H. Stnder) Marketenderirr (Fr!. Olga Morat)Lombard. Kürraseier (W. Wyss) Aufwärterin (Frl. Frieda Sieber)

Beim Lager spielten im ganzen vierzig Personenmit. Ein grosserTeil davon sind entweder Schwänzeaus den untern Klassen der Kantonsschule oder Primar-schüler. Die Darstellerinnen der Frauenrollen sind eben-falls Kantonsschülerinnen.

Das Publikum stand unserem Unternehmen nichtunsympathisch gegenüber. Schon tagelang vorher sprachman in der Stadt von der "Wengianer-Aufführung".So war es denn wohl vorauszusehen, dass wir zu derAufführung ein vollbesetztes Haus bekommen würden.Besonders waren viele a. H. a. H. aus der Stadt undUmgebung, einige sogar mit Familie, erschienen, umselber mit anzusehen, dass auch in den heutigen Jung-Wengianern der ideale Sinn nicht verschwunden ist,wenn er auch oft (mehr als einer sagt wohl mit Recht:leider gar zu oft) durch den Einfluss der "rauhen"Wirklichkeit weit in den Hintergrund gedrängt wird.Hier, auf der Bühne, unter dem Eindrucke einer er-habenen Dichtung und unter der fesselnden, jugend-frischen Leitung eines für dichterische Kunst so be-geisterten Lehrers - hier hat sich dieser Sinn wiederhervorgekehrt zur Freude und Genugtuung aller. Mögeer nicht mehr verschwinden!

Page 5: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

Der Wengianer, N° 10/11. 121

Um der Aufführung einen studentischen Charakterzu verleihen, sangen wir vor dem Prolog das "Gaudea-mus", das wohl gar manchen der werten Zuhörer einenBlick in die Zeit zurückwerfen liess, da auch er einJüngling war und sich des freien Lebens freute. - Inziemlich rascher Reihenfolge wickelte sich der ersteTeil des Programmes ab. Der reiche Beifall, der sichnach jeder Nummer erhob, legte beredtes Zeugnis ab,dass das Publikum mit dem, was wir ihm zu bietenvermochten, voll und ganz zufrieden war. Es mag jawohl der oder jener Kunstkritiker da und dort etwasauszusetzen gefunden haben. Doch glaube ich nicht,dass diese Kritik allzu schlimm für uns ausfällt, wenner bedenkt, dass es mit einer Ausnahme Schülerwaren, die alle zum ersten Male vor einem grossenPublikum auftraten. Er möge sich auch des Sprucheserinnern: Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas.

Während auf der Bühne das musikalische Pro-gramm sich abwickelte, vollzog sich hinter der Szeneeine vollkommene Metamorphose, wie sie uns die Naturnicht besser zeigen könnte. In kürzester Zeit ent-standen aus den Studenten in Vollwichs oder "Frack",die kaum noch mit Jugendlust ihr ,;Gaudeamus" denStadtphilistern zugerufen hatten, friedländische Krieger.

Nach einer kurzen Ouverture hob sich der Vor-hang, und der Zuschauer blickte hinein in das muntereLagerleben der Walleristeiner. Mit gespannter Auf-merksamkeit liess das Publikum alle die farbenpräch-tigen, bewegten Szenen an sich vorüberziehen. AlleMitspielenden - vom Soldatenjungen bis zum Wacht-meister und Kürassier, vom Trompeter bis zum Kapu-ziner - alle gaben sich die grösste Mühe, um demPublikum etwas Vollendetes, etwas über das Dilettanten-hafte fast Hinausreichendes zu bieten. Der Erfolg konnte

Page 6: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

122 Der Wengianer. NU 10/11.-------------------

ja nicht ausbleiben unter der Leitung eines Lehrers,der sich immer freut, mit der frischen Jugend zusammenzu sein, der auf der Bühne den hintersten Soldaten-jungen an das Spiel zu fesseln versteht. Mit donnern-dem Händeklatschen und Bravorufen dankte das Publi-kum am Schlusse den Wengianern für den prächtigenAbend. - Eine fidele Kneipe im "Chic" vereinigtenachher die Mitspielenden bis nach Mitternacht. Das zogdann allerdings am folgenden Tag unserem Präsidiumvon seiten des Rektors einen Tadel zu. Das glaubeich offen sagen zu dürfen, das hat jeder Wengianerim Herzen empfunden, dass man für die anerkanntvortreffliche Leistung auf dem hohen Rektorate sichnicht zum kleinsten Wort der Anerkennung herabliess,sondern im Gegenteil uns noch tadelte, weil wir unsnach der Arbeit dem Vergnügen hingegeben. Ein an-erkennendes Wort darüber, dass die "liVengia" sichauch einmal zu einer Leistung im Dienste der edlenKünste aufraffte und sich, weiss Gott, alle Mühe gegeben,etwas Tüchtiges zu leisten, wäre gewiss sehr dankbaraufgenommen worden und bei allen Wengianern aufguten Boden gefallen. Nun, die Anerkennung ist unsja dafür von andern Seiten nicht ausgeblieben.

Auf Verlangen vieler Theaterfreunde brachten wirdas Theater am Freitag, 8. Februar, zur zweiten Auf-führung, die wieder allgemeinen Beifall fand. DerBesuch war aber ein nicht allzu grosser infolge derFastnachtszeit und des Ausbleibens jener Leute, dieaus Prinzip allem, was von fortschrittlich gesinnterSeite auf irgend einem Gebiet unternommen wird, ab-geneigt sind. - Bei dieser zweiten Aufführung belohntedie "Alt-Wengia" die Aktiven für ihre Leistungen miteinem mächtigen Lorbeerkranz.

Damit auch der Leser in der Ferne das allgemeine

Page 7: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

Der Wengianer, N° 10/11. 123

Urteil über unsere Aufführungen, so wie es in derStadtbevölkerung gefällt wurde, vernehme, seien hiernoch die Stimmen der Presse angeführt.

Sotothurner Tagblatt: "Mu si kali sch -d ra ma ti sch eAufführung der "Wengia" Solothurn. Einen seltenvergnügten Abend haben uns die Wengianer bereitet.Das "Gaudeamus" läutete dazu ein und "WallensteinsLager" stellte die Höhe des mannigfaltig Gebotenendar. In launigen Versen entbot ein "Fuchs" der Wengiadem das Theater füllenden Publikum den Willkomm-gruss. Die Chorgesänge klangen sauber und wurdenmit jugendlicher Begeisterung vorgetragen. Am Klavierund auf der Geige trugen uns Mitglieder der Verbindungin vollendeter Weise einige zum Teil recht schwierigeTonstücke vor, von denen uns Reverie von Vieuxtempsund Spanischer Tanz von Rehfeld ganz besonders ge-fallen haben. Ein alter Herr der "W engia", HerrDr. VV. Sch. trug -- das erstemal, dass wir seine sym-pathische Stimme zu hören bekamen -- zwei Liedervor. Es war sicher keine Kleinigkeit, in der durch diemusikalischen Kräfte ausgefüllten Zeit aus den grün-bemützten Sängern die Soldateska von WallensteinsLager zu schaffen. Die straffe Ordnung und Disziplin,die von dem hochverdienten Regisseur Herrn ProfessorWalter von Arx ausgeht und auch den letzten Statistenmitreisst, brachte das Wunder fertig, dass gleich nachAbwicklung des Konzertprogramms der Vorhang sichhob und das ewig junge, ewig schöne Wallenstein'scheLager vor uns sich auftat. Hut ab vor der Leistung!Der Wachtmeister und seine Terzkyschen, die Scharf-schützen, die Kürassiere waren prächtige Gestaltennicht nur, sie hatten sich auch trefflich in ihre Rolleneingelebt und sprachen die Schillerschen Verse keckund frei von der Leber weg. Der Souffleurkasten war

Page 8: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

124 Der Wengianer, N° 10/11.

in die Rumpelkammer gewandert; der Fluss der Redeströmte ruhig und sicher seine Wege trotz alledem.Der Kapuziner machte seine Sache famos, und wirerinnerten uns mit Freuden daran, dass vor fünfund-zwanzig Jahren der Oheim des heutigen Darstellers,Herr Professor Dr. F. A. in Heidelberg, die Rolle desKuttenmannes bestritt. Aber auch all die ändern -ehrende Erwähnung verdienen zumal die weiblichenDarstellenden, an ihrer Spitze die Marketenderin -verdienen hohe Anerkennung.

Alle Besucher der Wengianer-Aufführung werdenden Abend noch lange in angenehmster Erinnerungbehalten.

(Der allseitige und grosse Beifall, den die Auf-führung der Wengia fand, wird wohl die Leitung wiedie Verbindung bewegen, entgegen dem ersten Ent-schlusse, die Vorstellung zu wiederholen.)"

Solothurner Anzeiger: " Der K 0 n zer t - undT he a t e r ab end der "Wen gi a" erfreute sich einessehr starken Besuches. Ein Cantus, von der Verbin-dung - die Chargierten in vollem Wichs - gesungen,eröffnete den ersten Teil. Schon die Gruppe für sichallein bot ein farbiges, jugendfrisches Bild. In denzwei folgenden Männerchören mochte man dem Bassetwas mehr Tonfülle und Rundung, dem Tenor etwasmehr Glanz und Weichheit wünschen. Allein verlangenkonnte man es von so jungen Sängern nicht; das sindEigenschaften, die sich erst mit den Jahren und beilangjähriger Uebung einstellen. Dafür erfreute mansich an dem frischen, hellen Klang der Stimmen, einVorzug, den so jugendliche Kehlen vor dem geübtenalten Sänger voraus haben. Auf einem besseren In-strument und vor günstigerem Hintergrund (Szeneriensind für musikalische Produktionen immer ungünstig,

Page 9: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

Der Wengianer, N° 10/11. 125

weil die Leinwand keine Resonanz gibt und der Schallin den Schnürboden hinauf verklingt) hätte der Spa-nische 'I'anz von Moszkowski noch mehr Effekt gemacht.Doch wozu auf die einzelnen Leistungen eintreten!Die Klavierspieler wie der wackere Geiger, der dieReverie von H. Vieuxtemps in vereinfachter Form undden Spanischen Tanz von Rehfeld in stellen weise sehrguter Ausführung bot, zeigten, dass die edle Musikaim Verein sich eifriger Pflege erfreut und ihre Leistungentrugen den jungen Spielern einen schönen Achtungs-erfolg ein. Erwähnt seien noch die beiden Bariton-lieder von Herrn Sch., die sauber und sehr schön vor-getragen, einen musikalischen Genuss bedeuteten. MitSpannung hatte das Publikum "Wallensteins Lager"erwartet. Als sich der Vorhang hob, gewahrte mansofort, dass Inszenierung und Ausstattung boten, washier überhaupt zu bieten ist, auch am Statistenmaterialhatte man nicht gespart; von der ersten bis zur letztenMinute herrschte ein reges Leben und Treiben auf derBühne; bald konzentrierte sich alles zu einem einzigenBild - die Hauptmomente geschickt andeutend - dannlöste sich das Ensemble wieder in einzelne Gruppen auf,immer ziemlich ungezwungen und natürlich. Von denVertretern der sprechenden Rollen seien als vorzüg-liche Typen hervorgehoben der Wachtmeister, demman immerhin noch etwas rundere Formen und röteresGesicht hätte geben dürfen, der schlanke, geschmeidigeArkebusier und der stramme Kürassier, der schonstimmlich über seine Kameraden hinausragte und einerespektable Bühnensicherheit bewies. Vor allem aberverdient der auch vom Publikum durch reichen Bei-fall ausgezeichnete Darsteller des Kapuziners An-erkennung; ohne stark zu karrikieren, wusste er eingut Teil des humoristischen Gehaltes dieser köstlichen

Page 10: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

126 Der Wengianer, N° 10/11.

Szene herauszubekommen. Schade, dass bei der Engeder Bühne oft die Bewegungen in den Nebengruppendurch ihr Geräusch störend auf den Dialog der Haupt-gruppe ruckwirkten. der dem Publikum infolgedessennicht immer verständlich war.

Summa summarum : es war ein prächtiger, genuss-reicher Abend voll Schwung und Poesie. Eine Jugend,die ihre Mussestunden der Musik und Poesie weiht,vermag sich noch für Ideale zu begeistern Deshalbnur vorwärts auf diesem Wege l" -

Die fröhliche Theaterzeit ist. nun vorüber. Dasgute Gelingen der Aufführungen hat uns bei der Be-völkerung der Stadt wieder "einen Stein mehr insBrett" gesetzt, der uns wohl zu statten kommen wird,da wir dort ihrer nicht zu viele besassen. Er wirduns nützen, zumal in der zukünftigen Zeit, in der,wenn auch mehrere Verbindungen da sind, die "vVengia"immer als die erste und angesehenste dastehen soll.Möchten wir doch diesen Stein nicht leichtsinnig undunbedacht aus der Hand geben wie ein schlechterJ ass er die guten Karten! Das ist der wahre und nutz-bringende Erfolg, wenn wir das gewonnene Ansehenzu behalten und zu wahren verstehen!

Hugo Meyer v/o Volker.

Bundespräsident Josef Munzinger.1791-1855.

Vortrag- von H. Meyer v/o Volke!".(Sch luss.)

III. Teil: 1848-1855.Als Mitglied des Bundesrates stand Munzinger in

den Jahren 1849, 1850, 1852 dem Finanzdepartement,in den Jahren 1853 und 1854 eiern Postdepartement

Page 11: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

Der Wengianer, N°. 10/11. 127

und seit Neujahr 1855 dem Handels- und Zolldepartementvor. 1851 war er Bundespräsident, und leitete alssolcher das politische Departement.

Als Finanzminister führte er als erstes Werk dieMünzreform durch. Hierin wurde er wirksam unter-stützt durch Bankdirektor Speiser von Basel. Durcheinen Aufsatz aus dessen Feder über die Münzreformauf Speis er aufmerksam geworden, hielt Munzingerihn für den richtigen Mann, das Werk zu einem gutenEnde zu führen. Es war aber keine leichte Aufgabe,an die die beiden Männer herantraten. Bestanden dochvor 1850 in der Schweiz 10 verschiedene Münzsysteme,wozu sich für die westlichen Kantone das französische,für die östlichen das deutsche System gesellten! DiesemWirrwarr sollte mit einem Schlage ein Ende gemachtwerden, ohne die verschiedenen Interessen allzusehrzu verletzen. Unter harten Kämpfen in der Bundes-versammlung zwischen Ost- und Westschweiz einigteman sich schliesslich auf das französische, das Dezimal-System. Die schwerste Arbeit war aber die Fest-stellung, wieviel jeder Kanton an die Kosten zu be-zahlen habe. Jeder Kanton musste natürlich für denschlechten Gehalt seiner Münzen büssen. Schliesslichwar auch dieser Punkt bereinigt und als noch Frank-reich und Belgien der Schweiz ihre Münzpressen liehen,schritt das Werk rasch vorwärts. 1851 sah man daserste neue Geld; aber es ging nicht lange, bis die un-geheure Arbeit, bis der Schöpfer der Münzreform überallim Schweizerlande die verdiente Anerkennung fand.

Auch in den Bundesbehörden galt seine Meinungin politischen Fragen viel bei seinen Kollegen. Beijeder neuen Vorlage hiess es: "Was sagt wohl Munzingerdazu ?"

Seit dem Jahre 1853 fing er an zu kränkeln, so-

Page 12: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

128 Der Wengianer, Nu 10/11.

dass er sich 1854 mit dem Gedanken trug, seine Stelleniederzulegen. Seine Freunde aber brachten ihn davonab. Daher wurde er im Dezember bei den Neuwahlenals Bundesrat bestätigt. Als er in der Bundes-versammlung erschien, bekamen die Räte den Eindruck,als ob "ein schon Gestorbener unter sie träte." SeinAnblick war bemühend. Olme fremde Hilfe konnte ernicht mehr im Sitzungssaal erscheinen. In der Sitzungvom 31. Januar 1855 senkte er lange den Kopf aufden Tisch. Trotz des schlechten Wetters hatte er sichin die Sitzung führen lassen. Es war seine letzte. Am5. Februar entschuldigte er sein Ausbleiben schriftlich,wegen eines "leichten" Flussfiebers, besorgte aber dennochaufs genaueste seine Geschäfte.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Februar nahmenseine Kräfte rasch ab; er konnte nur noch leise sprechen,doch blieb sein Geist bis zum letzten Augenblicke klar.Morgens 2 Uhr entschlief er, nachdem er, man kannwohl so sagen, bis zum letzten Atemzuge dem Vater-lande gedient hatte. Ueberraschend, aber nicht ganzunerwartet, durchlief die Trauerbotschaft am Dienstagmorgen die Stadt Bern. Die Beamten des Zoll- undHandelsdepartements hatten eben ihren Ernennungs-akt mit Munzingers eigener Unterschrift erhalten. EinRückenrnarksleiden, ebensoviel von U eberanstrengung,als von einer Erkältung herrührend, hatte seine Kräfteverzehrt.

Seine Leiche wurde vom hohen Bundesrate, denfremden Gesandten, der Regierung und vielem Volkebis vor die Tore der Stadt Bern geleitet unel nachSolothurn übergeführt. Hier traf sie am Donnerstagabend ein und wurde bis am andern Morgen in derKapelle, die zu seinem Hause an der Gurzelngassegehörte, aufgebahrt. Freitag den 9. Februar haben sie

Page 13: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

Der Wengianer , N° 10/11. 129

ihn auf dem Friedhof zu St. Niklaus bestattet. DasGrab befindet sich unter dem Vordache, links von derKirchentüre.

Den Leichenzug eröffnete eine Abteilung Längen-dörfer Schützen. Ihnen folgte die Schuljugend. Hinterdem Sarge schritten die Verwandten, die Bundesräte,Offiziere, Professoren und Studierende der hähern Lehr-anstalt, die kantonalen und städtischen Behörden, unddann besonders viele Oltner. Bei 1000 Personen gabender Leiche das letzte Geleite nach St. Niklaus. DieSolothurner Liedertafel sang ein ergreifendes Grabliedund unter dem Salvenfeuer der Längendörfer Schützenwurde der Sarg eingesenkt.

Am Grabe hielt Munzingers Freund und frühererKollege im Regierungsrate Dr. P. Felber eine Rede, inder er über den Toten folgendes Urteil abgab:

"Wir haben einen guten Menschen verloren, dermehr war als ein Staatsmann.

"Wir haben einen guten Bürger verloren, der nichtnur regieren, sondern auch gehorchen konnte. SeinGrundsatz war: "Je freier der Staat, desto strengerdie Bürgerpflicht."

"Wir haben einen guten Republikaner verloren,denn er war vorsorglich im eigenen Hauswesen, ein-fach in seinen Bedürfnissen, streng gegen sich selbst,nachsichtig gegen Unbeholfene, anregend für Schwache,mutig gegen die Anmassenden."

Ueber sein Pr iv at leb e n bleibt noch einiges nach-zuholen:

Ausser seinen unbestreitbaren staatsmännischenhatte Munzinger sehr schätzenswerte gemütliche Eigen-schaften.· Dem Freunde war er ein treuer Freund;wer es aber, wie man sagt, bei ihm verschüttet hatte,der kam in seinem Leben nie mehr zu Gnaden. Munzinger

Page 14: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

130 Der Wengianer N° 10/11.

war glücklich verheiratet; ein Kreis hoffnungsvollerKinder war die Freude seines Lebens. Er hatte dreiSöhne und fünf 'I'öchter:

Der älteste, Wilhelm, solothurn. Obergerichtspräsi-dent, -r- 1878 als eidgenössischer Infanterie-Oberst.

Dr. Walter, geb. 1830, Vorkämpfer der christkathol.Nationalkirche der Schweiz, Professor an der juristischenFakultät der Universität Bern, -r- 1873.

Werner, geb. 1832, bekannt als Afrikaforscher ;wurde 1875 als Pascha ermordet, bei einer Expeditionzu den Gallasstämmen in Aegypten.

Von den fünf Töchtern war eine verheiratet mitDr. med. Kar] Kottmann, in Solothurn, die jüngste mitProf. Dr. V. Kaiser. Sie lebt heute noch und ist dieMutter von Herrn Regierungsrat Dr. W. Kaiser. - JosefMunzinger hielt in seiner Familie auf gute Sitte underzog seine Kinder zur Tugend und Frömmigkeit. Erselbst war ein guter Katholik. Wenn er schon alsStaatsmann oft gegen Uebelstände in der Kirche wetterte,war er als Bürger keiner von denen, .die jahraus jahr-ein keine Kirche besuchen. Er war ein aufrichtigerKatholik, was wir aus seiner guten Freundschaft mitdem Bischof Salzmann deutlich sehen. Er vertrat denStandpunkt: "Der Staat soll nicht Theologie treiben 1"Und andrerseits: "Die Kirche soll sich nicht mit derPolitik befassen 1" Am 22. Dezember 1880, an der 50-jährigen Jubelfeier des Volkstages von Balsthal, wurdevom freisinnigen Zentralkomitee die Anregung gemacht,Munzinger in Olten ein Denkmal zu errichten. Alsdann letztes Jahr die Stadt Olten daran ging, durcheinen Obelisk das Andenken von vier grossen OltnerBürgern zu verewigen, war es selbstverständlich, dasszu ihnen Josef Munzinger gehören musste. In Erz ge-gossen blickt heute sein Bild herab auf die blühende

Page 15: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

Der Wengianer, N° 10/11. 131

Stadt, die durch ihn und seine Nachkommen zu einerHochburg des Freisinns geworden ist.

Dies ist die Lebensgeschichte eines Mannes, der25 Jahre im Dienste seines engern und weitern Heimat-landes gestanden, der sein Volk von der Herrschaftdespotischer Aristokraten befreit und auf der Bahndes Freisinns emporgeführt hat zum Staatswesen, daskeine Unterschiede kennt zwischenReichen und Armen,Aristokraten und Bauern, Katholiken und Protestanten.

Dr. Felber schrieb in der "Neuen Zürcher Zeitung":"Sterben im Dienste seines Landes, auf einem aus-gezeichneten Posten, den Kopf voller Pläne für dennächsten Morgen, das ist so gut und so schön als eineKugel durch die Brust vor dem Feind l"

Diesen Mann möge sich der W engianer in seinemganzen Leben zum Vorbild nehmen! Dadurch, dass wirdas Andenken solcher Männer hochhalten, die mitge-baut haben am Gebäude der schweizerischen Eidgenossen-schaft, das jetzt so herrlich und fest dasteht, bewundertals Musterbau von allen andern Staaten, kommen wiram besten unserer Devise "Patria(( nach, welclie unsereGründer mit goldenen Lettern auf die grüne Banner-seide geschrieben. Suchen wir immer den Geist desFreisinnes, des Fortschrittes in uns aufzunehmen, derjenen Staatsmännern innegewohnt, damit auch wirdereinst im Leben draussen würdig befunden werden,mitzuarbeiten am Wohle unseres lieben freien Schweizer-landes !

Das walte Gott!

Page 16: Im Namen und Auftrag der Wengia: x. · 2015. 11. 7. · 4. a) Ständchen: Horch, horch die Lerch' ) (Schubert) Baritonsolo von b) Ich hatte einst ein schönesVaterland a. H. W. Schlappner.

132 Der Wengianer, N° 10/11.

Vereins-Chronik.

Sitzung vom 19. Januar 1907. Ein Eintrittsgesuch vonH. Flury, IU. pädagogischer Kurs, wird abgewiesen,

Varia: Von 6 bis 7 Uhr Abends darf sich kein Wengianerin einer andern Wirtschaft als im "Chic" aufhalten, ausgenommenan Dienstagen und Donnerstagen. - Wer sich unbegründeter-weise gegen den Couleurzwang verfehlt, wird mit. 1 Fr. gebüsst.Kein Couleurzwang besteht an Dienstagen und Donnerstagen vonMittags 12 Uhr an.

Sitzung vom 26. Januar. Varia.Sitzung vom 2. Februar'. Varia: Dienstag, den 5. Febrnar

soll das Konzert abgehalten werden.Sitzung vom 7. Februar. Auf vielseitiges Verlangen soll

das Konzert Freitag, den 8. Febrnar nochmals zur Aufführunggebracht werden.

Sitzung vom 9. Februar. Vortrag von E. Meier v/o Mark:Tunnelbau. Opponent: Mallet v/o Schnurpf.

Varia: Am Sonntag soll ein Bummel ins Attisholz aus-geführt werden. - Die anwesenden alten Herren Forster v/o Trettund Schlappner via Mars fordern die Verbindung auf, ihr mög-lichstes zu. tun, um nicht an ihren Hechten geschmälert zu werden.

Sitzung vom 16. Februar. Vortrag' von F. Bender v/o Pelz:Die Elektrizität im Dienste des Bergbaus. Opponent: A. Strübyvlo Fex.

Varia: Der Verschiss mit der "Ruppigonia" wird aufgehoben.Sitzung vom 23. Februar. Varia: Die Herren Professor

W. von Arx, Musikdirektoren E. Wyss und H. Heutschy sowieHerr Professor Puschmann sollen die nächste Vereinsphotographieerhalten.

Sitzung vom 2. März. Mittwoch den 27. März soll im.,Rosengarten" ein Oster-Kommers abgehalten werden. - Am17. März soll ein Vereins bummel nach Kriegstettcn ausgeführtwerden. R. Jenny X X X.

~. Als Manuskript gedruckt .. ~

Druck der ZEPFEL'schen Buchdruckerei, in Solothurn.