Im Zeichen der Unsicherheit
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Nachrichten aus der Chemie| 60 | Dezember 2012 | www.gdch.de/nachrichten
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b Das unsichere Umfeld und der zum Teil schwächere Ausblick mancher Chemiekonzerne nehmen manchem Unternehmenslenker den Mut zu Portfolioveränderungen: Die Zahl der Transaktionen in der chemischen Industrie ist im dritten Quartal rückläufig gegenüber dem zweiten Quartal. [Nachr. Chem. 2012, 60, 890]. Nicht nur die Ge-samtzahl war im Vergleich zum
zweiten Quartal niedriger (175, – 17 %), sondern auch die Zahl der Transaktionen mit veröffentlichtem Transaktionsvolumen (80, – 21 %) sowie derer mit einem Dealvolu-men von je mindestens 50 Mio. US-Dollar (19, – 14 %). Damit zeichnet sich ein eher schwaches Gesamt-jahr 2012 für die chemische Indus-trie ab – gemessen an der Transakti-onsaktivität (Abbildung 1).
US-Finanzinvestoren kaufen
b Trotz insgesamt weniger Trans-aktionen gab es große transformie-rende – also die Zukunftsstrategie des Verkäufers maßgeblich beein-trächtigende – Transaktionen. Zwei Mega-Transaktionen von jeweils über einer Milliarde US-Dollar ha-ben im vergangenen Quartal für Aufsehen gesorgt: Dupont hat Per-formance Coatings an den US-Fi-nanzinvestor Carlyle Group für 4,9 Mrd. US-Dollar verkauft, und der amerikanische Chemiekonzern Cytec Industries hat sich von seinen Coating Resins getrennt. Damit trieb er die Fokussierung auf den Bereich Hochleistungsverbundwerk-stoffe für die Flugzeug- und Autoin-dustrie voran. Käufer für die Coating Resins ist ebenfalls ein ame-rikanischer Finanzinvestor: Advent International erhielt für insgesamt 1,03 Mrd. US-Dollar den Zuschlag.
Summiert man die veröffentlich-ten Transaktionswerte der Übernah-men in den jeweiligen Quartalen, so hat im vierten Quartal 2011 eine Er-holung eingesetzt und sich stetig bis ins dritte Quartal 2012 fortgesetzt (Abbildung 2). Dabei haben die Me-ga-Transaktionen gerade im vergan-genen Quartal maßgeblich zum Ge-samtwert beigetragen.
Trend weist nach Asien
b Bei der regionalen Verteilung der Transaktionen machen sich die zwei großen inneramerikanischen Deals bemerkbar und lassen den
Bernd Schneider
Im dritten Quartal gab es weniger Übernahmen als im Quartal zuvor. Die Quartalstransaktionswerte
dagegen steigen seit Beginn des Jahres. Finanzinvestoren hoffen.
Im Zeichen der Unsicherheit
BChemiewirtschaftV
280 269
300
344
311
262
172 156 165
212
175
130 126 140 149
128 113
92
66 82
101 80
23 31 23 33 32 28
15 9 15 22 19
0
100
200
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1Q 10 2Q 10 3Q 10 4Q 10 1Q 11 2Q 11 3Q 11 4Q 11 1Q 12 2Q 12 3Q 12
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Abb. 1. Quartalsweiser Verlauf der Zahl an Chemietransaktionen seit dem Jahr 2010.
Schwarz: alle Deals, blau: alle mit bekanntem Wert, hellblau: alle im Wert von über
50 Mio. US-Dollar. (Quelle für alle Abbildungen: Thomson One Banker, Lincoln International)
23,5
17,4
51,5
21,6
41,8
15,2
9,5 7,3 9,0 9,7
14,3
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
1Q10 2Q10 3Q10 4Q10 1Q11 2Q11 3Q11 4Q11 1Q12 2Q12 3Q12
US-
Dol
lar
[Mrd
.]
Abb. 2. Quartalsweiser Verlauf des Gesamtwerts aller Chemietransaktionen mit einem
Einzelwert von mindestens 50 Mio. US-Dollar.
Thomas Seuß beantwortet Fragen zum Patentrecht
Frage 65:
Angeregt durch Erfahrungen aus
meiner Promotionszeit, in der ich
Chemikalien aus dem Ausland be-
schaffen musste, beschäftige ich
mich derzeit mit der Möglichkeit
ein Handelsunternehmen (Im-
und Export) für Spezialchemika-
lien zu gründen. Da ich die Chemi-
kalien weder selbst herstelle noch
benutze, gehe ich davon aus, dass
ich mich um Patentrechte nicht zu
kümmern brauche. Oder liege ich
da falsch?
Antwort:
Bei Ihrer Annahme sitzen Sie in
der Tat einem Irrtum auf. §9 des
deutschen Patentgesetzes verbie-
tet nicht nur den Gebrauch oder
die Herstellung eines patentge-
schützten Erzeugnisses, sondern
auch den bloßen Besitz, das Anbie-
ten, die Einfuhr und das „In-Ver-
kehr-bringen“. Wenn Sie eine Sub-
stanz, die in Deutschland patent-
geschützt ist, zum Zwecke des
Weiterverkaufs importieren, dann
verletzen Sie ganz eindeutig Pa-
tentrechte und können vom Pa-
tentinhaber „in Anspruch genom-
men werden“. Dies bedeutet, dass
der Patentinhaber Sie auf Unter-
lassung und Schadensersatz ver-
klagen kann. Er kann von Ihnen
durch eine Klage auch Informatio-
nen über Ihre Handelspartner er-
langen, also wo und zu welchem
Preis Sie das Produkt erworben
und an wen Sie es verkauft haben.
Der Patentinhaber kann darüber
hinaus z. B. Ihre Kunden auf Unter-
lassung verklagen. Dies dürfte die
weiteren Geschäftsbeziehungen
erheblich belasten.
Der patentrechtliche Schutz geht
sogar noch weiter: Wenn Sie eine
Substanz importieren, die nach ei-
nem Verfahren hergestellt wurde,
welches in Deutschland patentge-
schützt ist, im Herstellungsland
jedoch nicht, dann begehen Sie
gleichwohl in Deutschland eine
Patentverletzung, jedenfalls wenn
das importierte Produkt das un-
mittelbare Erzeugnis des Verfah-
rens ist und nicht etwa weiterver-
arbeitet wurde.
Unproblematisch ist der Fall nur,
falls Sie Substanzen importieren
für die alle Patentrechte (sofern es
jemals welche gegeben hatte) be-
reits abgelaufen sind. Unproble-
matisch ist auch der Kauf vom Pa-
tentinhaber oder mit dessen Zu-
stimmung.
Vor diesem Hintergrund bleibt Ih-
nen gar nichts anderes übrig, als
sich mit den Patentrechten zu be-
schäftigen. Sie könnten natürlich
versuchen Ihr Risiko vertraglich
auf Andere zu verlagern, z. B. in-
dem Sie von Ihren Zulieferern Er-
klärungen verlangen, dass das Pro-
dukt keine Patente verletzt und
dass der Zulieferer für den Scha-
den aufkommt, falls doch eine Pa-
tentverletzung festgestellt werden
sollte. Ob Sie aber Zulieferer fin-
den, welche derartige Versicherun-
gen abgeben und ob Sie im Fall
des Schadeneintritts den Scha-
densersatz auch wirklich erhalten,
bleibt fraglich.
Es ist daher für die Gründung ei-
nes derartigen Unternehmens
wohl unabdingbar, dass Sie sich
eingehend mit Patentrechten be-
schäftigen. Allerdings dürften im
Bereich des Chemikalienhandels
noch viele andere rechtliche Vor-
schriften zu beachten sein.
Fragen für Thomas Seuß an: nachrichten@
gdch.de. Info zur kostenfreien Beratung
unter www.gdch.de/rechtsberatung
Problemloser Handel?
Thomas Seuß Patentanwalt
Nachrichten aus der Chemie| 60 | Dezember 2012 | www.gdch.de/nachrichten
1207Chemiewirtschaft BBlickpunktV
Anteil nordamerikanischer signifi-kant im Vergleich zu den zurück-liegenden Quartalen steigen. Der insbesondere im ersten Halbjahr zu beobachtende Trend zu einer stei-genden Bedeutung Asiens am glo-balen Chemie-Transaktionsgesche-hen dürfte jedoch weiter anhalten. Zu diesem Trend tragen im We-sentlichen drei Faktoren bei: • ein ehrgeiziger Wachstumsplan
in China, • das Wiedererstarken des Yen als
japanische Währung und • ein nach wie vor hoher Ölpreis.Dies alles kann mittelfristig dazu führen, dass sich der Transaktions-anteil Asiens und des Nahen Ostens bei 50 % oder sogar darüber einstellt.
Wie es weitergehen kann
b Transaktionen lassen sich vor allem vor dem Hintergrund eines guten ökonomischen Umfelds und – fast noch wichtiger – eines ver-lässlichen Zukunftsausblicks beob-achten. Derzeit sind die Prognosen allerdings von Unsicherheit ge-prägt, was sich im Gegenzug un-mittelbar auf die Transaktionsdy-namik auswirkt.
Allen voran sorgt die nach wie vor anhaltende Staatsschuldenkrise für ein unsicheres Umfeld. Aber auch die Präsidentschaftswahlen in den USA und der einmal im Jahr-zehnt anstehende Machtwechsel im Reich der Mitte trugen bzw. tra-gen im vierten Quartal kaum zu ei-nem für den Transaktionsmarkt günstigen Klima bei.
Als Hoffnungsschimmer für die Zukunft lässt sich werten, dass Fi-nanzinvestoren es geschafft haben, die Finanzierung selbst großer Deals zu organisieren. Dies spricht für eine steigende Bereitschaft der Banken, Kredite für Transaktionen zu vergeben.
Bernd Schneider ist promovierter Chemiker
sowie Kaufmann und verantwortet den Be-
reich Chemie bei der globalen Investment-
bank Lincoln International in Frankfurt. Lin-
coln International ist fokussiert auf die Bera-
tung des Verkäufers bei grenzüberschreiten-
den Transaktionen.