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Inhalt 3 / August 2018 Editorial 1 Erkenntnisse aus dem Bildungsbericht 2018 2 Gymnasium 2022 11 Das Gymnasium im Spannungsfeld von Chancen- gerechtigkeit und Begabtenförderung 13 Aktuelle Informationen aus den Mittelschulen 17 Ein Jahr Association Zurichoise des Professeurs de Français 19 Wie soll die Digitalisierung ins Gymnasium kommen? 23 Erkundungsreise durch die Welt der Zürcher Gymnasien 32 Selbstverantwortliches digitales Lernen mit der Software «Lernnavi» 35 Wegweisender Entscheid des Verwaltungsgerichts 39 Licht am Ende eines langen Tunnels in Sicht 46 Aktuelles zum Koordinationsabzug 48 (Zu) Viel Macht, (zu) wenig Kontrolle 51 Die fünfte Ferienwoche 55 Maturanden im Militär? 59 Praktische Schreibwerkstatt mit undichten Stellen 61 Aha – so lernt man 64 Beitritt zum MVZ 65

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Impressum Inhalt 3 / August 2018Editorial 1Erkenntnisse aus dem Bildungsbericht 2018 2Gymnasium 2022 11Das Gymnasium im Spannungsfeld von Chancen- gerechtigkeit und Begabtenförderung 13Aktuelle Informationen aus den Mittelschulen 17Ein Jahr Association Zurichoise des Professeurs de Français 19Wie soll die Digitalisierung ins Gymnasium kommen? 23Erkundungsreise durch die Welt der Zürcher Gymnasien 32Selbstverantwortliches digitales Lernen mit der Software «Lernnavi» 35Wegweisender Entscheid des Verwaltungsgerichts 39Licht am Ende eines langen Tunnels in Sicht 46Aktuelles zum Koordinationsabzug 48(Zu) Viel Macht, (zu) wenig Kontrolle 51Die fünfte Ferienwoche 55Maturanden im Militär? 59Praktische Schreibwerkstatt mit undichten Stellen 61Aha – so lernt man 64Beitritt zum MVZ 65

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Programm

13:30 – HSGYM – PHZH-Tag der Zürcher Mittelschulen 17:45 (gemäss separatem Programm: www.phzh.ch/hsgym)

17:45 Apéro, Möglichkeit zum Austausch

18:45 Informatik am Gymnasium Streitgespräch zu Chancen und Risiken

des neuen Fachs

Grusswort von Heinz Rhyn, Rektor PHZH Einführung durch Christian Metzenthin, MVZ

Kontradiktorische Referate von:

Juraj Hromkovic Professor für Informationstechnlogie und Ausbildung, ETH Zürich

Roland Reichenbach Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft, Uni Zürich.

19:30 Podium mit den Referierenden sowie Sarah Genner, Medienwissenschaftlerin PHZH Eduard Kaeser, Physiker und Philosoph Andrea Emonds, Prorektorin KZU Reto Givel, Abteilungsleiter Mittelschulen MBA ZH Leitung: Markus Huber, LKM

20:30 Schluss der Veranstaltung

Organisationsteam: Sebastian Egli, Hannes Gubler, Markus Huber, Christian Metzenthin, Philipp Michelus und Silvio Stucki.

Bildungspodium MVZ/LKM

13. Sept. 2018, 18.45 bis 20.30 Uhr Campus PHZH, LAA G-001

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EditorialLiebe Leserin, lieber LeserSollen wir heute an den Bodensee fahren und das Schlauch-boot mitnehmen? In den Ferien hat sich meine Wetter-App als gute Entscheidungshilfe erwiesen. Digitalisierung prägt un-sere Freizeit, aber auch unseren Alltag: Schülerabsenzen kann ich elektronisch mit dem Handy eintragen, elektronische «Intel-ligenz» führt mich zuverlässig meines Weges und zeigt mir an, wann mein nächster Zug, Bus oder mein nächstes Tram fährt.

Die Digitalisierung soll an den Mittelschulen aber nicht nur an-gewandt, sondern auch kritisch bedacht werden. Sebastian Egli plädiert für eine interdisziplinäre Zugangsweise (S. 23).

Am 1. August 2018 traten das teilrevidierte Maturitätsanerken-nungsreglement (MAR) und die teilrevidierte Maturitätsanerken-nungsverordnung (MAV) in Kraft. Damit verbunden ist die Einfüh-rung von Informatik als obligatorisches Fach. Was dies für das Gymnasium bedeutet, möchten wir am Bildungspodium vom 13.9. diskutieren, wozu wir Sie herzlich einladen.

Mit Informatik, Anpassungen an den Lehrplan 21 und neu-en Vorgaben für das Untergymnasium kommen in nächster Zeit Änderungen auf das Gymnasium zu, die im Projekt Gymnasium 2022 (S. 11) zusammengefasst werden. Der MVZ wird sich hier einbringen. Er wird dabei Erkenntnisse aus dem Bildungsbericht (S. 2) aufnehmen und sich insbesondere für Chancengerechtig-keit (S. 13) unter gleichzeitiger Wahrung der Begabtenförderung einsetzen.

Auf dem Rechtsweg haben wir uns erfolgreich für unsere Mit-glieder eingesetzt, das entsprechende Urteil des Verwaltungs-gerichts (S. 39) ist wegweisend. Gewerkschaftlich treten wir ins-besondere für konsequentere Compliance ein (S. 51) und für eine fünfte Ferienwoche (S. 55) – ja: fünf, nicht dreizehn! – Die Tätigkeit als Lehrperson ist trotzdem attraktiv, (gleichzeitig auch) spannend und herausfordernd, gerade das macht den Reiz des Lehrberufs aus. Der MVZ will, dass dies auch so bleibt. Spannend ist hoffentlich auch die Lektüre des vorliegenden Qi und unsere Artikel sollen das Bildungssystem durchaus auch herausfordern…

Christian Metzenthin, Redaktor MVZ

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Erkenntnisse aus dem Bildungsbericht 2018

Die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) erstellt alle vier Jahre den Bildungsbericht. Im Juni wur­de die dritte Ausgabe der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine absolu­te Evaluation der Bildungssystems ist nicht möglich. Die für den Bildungsbericht aufbereiteten Forschungsresultate werden aber von Fachleuten ausgewertet und das Schweizer Bildungswe­sen in Bezug auf Effektivität, Effizienz und Equity-Aspekte durch­leuchtet. Die verschiedenen bildungspolitischen Akteure kön­nen daraus ihre Schlüsse für zukünftige Entwicklungen ziehen. Dieser Artikel beschreibt und kommentiert die für die Gymna­sialstufe relevanten Themenfelder.

Filizia Gasnakis, Mathematisch-Naturwissenschaftliches Gymnasium Rämibühl

Der Bildungsbericht 2018 macht sichtbar, dass unser Bildungs-system gut funktioniert. Die Qualität des Gymnasiums ist hoch. Rund 75 % der Schweizer Studierenden besuchen eine der bes-ten Universitäten weltweit. Der prüfungsfreie Eintritt an universi-täre Hochschulen (mit Ausnahme von Medizin) ist einzigartig. Damit das System sich weiterentwickeln kann, muss laufend der Optimierungsbedarf reflektiert werden. Wir stehen in der Ver-antwortung, unser Wirken immer auch als Teil eines Ganzen zu verstehen.

Wie aussagekräftig sind Quoten in Bezug auf Qualität?

Der Bildungsbericht zeigt, dass die Berufsausbildung und der Lehrstellenmarkt stark demographischen Veränderungen aus-gesetzt sind. Die Gymnasien hingegen haben in den letzten 25 Jahren die Maturzahlen stabil gehalten. Als beispielswei-se in den 80er- und 90er-Jahren die Schülerzahlen zurückgin-gen, wurde die prozentuale Maturquote erhöht. Dies geschah aus bildungspolitischen Überlegungen, um auf die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften vor allem im technologischen

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Bereich eingehen zu können. In Zeiten steigender Schülerzahlen wurde die Maturquote jedoch nicht nach unten korrigiert, son-dern die Kapazitäten (Standorte, Infrastruktur, Lehrkörper etc.) leicht ausgeweitet.

Die gymnasialen Maturitätsquoten wurden auch durch die zu-nehmende Beteiligung der Frauen beeinflusst. Seit 1993 ma-chen jährlich mehr Frauen als Männer eine Matur. Im Bildungs-bericht 2014 wurde dies mit der PISA-Studie 2009 erklärt: «Mäd-chen streben bei gleich guten schulischen Leistungen signifi-kant häufiger eine gymnasiale Ausbildung an. Allerdings lässt sich zeigen, dass Mädchen mit einer einseitigen sprachlichen Kompetenz eher versuchen, durch eine Kompensation der Defi-zite in den Mathematikkompetenzen einen Übertritt in ein Gym-nasium zu schaffen, während Knaben mit einer einseitigen Ma-thematikbegabung keine entsprechende Kompensation bei den Sprachkompetenzen anstreben.»

Die Resultate des Bildungsberichts und insbesondere die Quoten wurden bereits von verschiedenen Medien aufgenom-men. So thematisierte die NZZ im Artikel Die verlorenen Jahre der Gymnasiasten vom 10. Juli 2018 die unterschiedlichen gym-nasialen Maturquoten. Mehrere Kantone würden mit ihrer Bil-dungspolitik den Abbruch von Ausbildungen an Gymnasien und Universitäten fördern. Die grosszügige Praxis mancher Kan-tone habe zur Folge, dass eine höhere Anzahl zu wenig kom-petenter Studierender Eintritt an universitäre Hochschulen erlan-ge. Der Bildungsbericht 2018 weist darauf hin, dass bis heute kei-ne empirisch überprüfbaren Faktoren vorliegen, um die Unter-schiede der kantonalen Maturitätsquote zu begründen. Zudem

skbf | csre Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung

140 Kontext Gymnasium

Kontext

Die Expansion des gymnasialen Bildungswegs hat sich in den letzten Jah ren nur noch in sehr abgeschwächtem Mass fortgesetzt, wenn man sie mit denVeränderungen in den 1980er und 1990er Jahren vergleicht. Der grösste Zu-wachs in der letzten Periode fiel auf die Jahre 1991–1996. Die Expan sion war einerseits eine bildungspolitische Reaktion auf den technologischen Fort-schritt und die wachsende Nachfrage nach Qualifikationen (Criblez, 2001). Inder Folge kamen andererseits auch wachsende Bildungsambitionen als trei-bender Faktor für einen Anstieg der Maturitätsquote1 hinzu. Der Ausbau des gymnasialen Angebots (Standorte, Infrastruktur, Lehrkörper usw.) trug und trägt seinerseits zu einem kontinuierlichen Wachstum der Maturitätsquote bei, was sich daran zeigt, dass der Anstieg der Maturitätsquote immer dann ausgesprochen stark ausfällt, wenn die Zahl der Jugendlichen aus demogra-fischen Gründen stark rückläufig ist, d.h. die bestehenden Kapazitäten trotz kleinerer Schülerzahlen ausgeschöpft werden müssen. Umgekehrt sank aber die Maturitätsquote bei einem Anstieg der Zahl der Jugendlichen jeweilsnicht, sondern blieb stabil ( Grafik 135 ). Dass die gymnasiale Bildung wenig auf die demografische Entwicklung der Schülerkohorten reagiert, hat dem-entsprechend Folgen für die berufliche Grundbildung ( Kapitel Berufliche Grundbildung, Seite 115).

135 Zusammenhang zwischen Maturitätsquote und Anzahl 19-Jähriger, 1981–2016geglättete Werte als Durchschnitte aus zwei Jahren

Daten: BFS (SHIS); Berechnungen: SKBF

-4%-3%-2%-1%0%1%2%3%4%5%6%7%8%

201620142012201020082006200420022000199819961994199219901988198619841982

Wachstum der Maturitätsquote Veränderung der Anzahl 19-jähriger

Frauen im Gymnasium

Die stärkste Zunahme der Maturitätsquoten wurden in jenen Jahren gemes-sen, in denen die Quote bei den Frauen sich jener der Männer anzupassen begann. Was zuerst noch einen Aufholprozess der Frauen gegenüber den Männern darstellte, kippte ab 1993. Damals übertraf die Maturitätsquote der Frauen erstmals jene der Männer; heute liegt sie gar deutlich darüber. Im Jahr2016 betrug die Quote bei den Frauen 23,7%, bei den Männern 15,7%.

1 Wenn in diesem Kapitel von «Matur» bzw. «Maturität» die Rede ist, ist immer die an einem

Gymnasium erworbene, zu einem Studium an einer Universität oder einer ETH berechti-

gende Maturität gemeint.

Die Maturitätsquote entspricht der An-

zahl gymnasialer Maturitätsabschlüsse

gemessen an der 19-jährigen ständigen

Wohnbevölkerung. Im Jahr 2016 fiel die

Maturitätsquote erstmals wieder unter

20%, nämlich auf 19,6%. Um statistische

Schwankungen zwischen den Jahren

aufzufangen, werden in der untenste-

henden Grafik die geglätteten Durch-

schnitte aus zwei Jahren gezeigt. Gemäss

dem Referenzszenario des Bundesamts

für Statistik (BFS) wird sich die Maturi-

tätsquote ab 2020 bei rund 22% einpen-

deln.

© SKBF

SKBF-Bildungsbericht-Grafik 135: Veränderung der Maturitätsquo-te und der Anzahl 19-Jähriger. Seit 2015 entwickeln sich die Schüler-zahlen steigend und werden 2025 einen Höchsttand erreichen.

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kann indirekt auch der lokale Arbeitsmarkt eine Rolle spielen. Wenn eine geringe Nachfrage nach tertiär gebildeten Arbeits-kräften herrscht, ist z.B. vor Ort der politische Wille gering, das gymnasiale Angebot auszubauen. Die gymnasiale Maturquo-te hängt aber auch von der politischen Haltung der Bevölke-rung ab. Der Bildungsbericht 2018 erwähnt eine repräsentative Meinungsumfrage aus dem Jahr 2015: Wer sich tendenziell am rechten politischen Spektrum orientiert, fi ndet die heutige gym-nasiale Maturquote eher zu hoch. Wer sich links ansiedelt, emp-fi ndet diese als zu tief.

Auch bei den Zulassungsbedingungen und den Aufnahme-verfahren in die gymnasiale Stufe zeigt der Bildungsbericht be-achtliche kantonale Unterschiede auf. Vereinfacht lassen sich zwei Selektionstypen erkennen: entweder fi ndet ein Prüfungs-verfahren für die Zulassung statt, oder der Entscheid wird über die Erfahrungsnoten gefällt. Als Auswirkung wird Folgendes an-gemerkt: «Die unterschiedlich hohen Maturitätsquoten in den Kantonen haben auch einen Einfl uss darauf, wie schwierig oder wie leicht der Zugang zum Gymnasium für gleich gute Schüle-rinnen und Schüler ausfällt. Während in Kantonen mit eher ho-hen Quoten sehr gute Schülerinnen und Schüler praktisch ohne Probleme ins Gymnasium übertreten können, kann bei sehr tie-fen Quoten aufgrund der grösseren Konkurrenz um weniger

141

Bildungsbericht Schweiz | 2018

Gymnasium Kontext

Die Frauenquoten bei den Maturitäten unterscheiden sich allerdings zwi-schen den Kantonen beträchtlich. Welche Faktoren diese Unterschiede zwi-schen den Kantonen bestimmen, ist nie genauer untersucht worden. Unab-hängig davon kann gesagt werden, dass die kantonalen Maturitätsquoten dort hoch sind, wo auch die Frauenanteile in den Gymnasien hoch sind ( Grafik 136 ). Da sich daraus keine kausale Beziehung ableiten lässt, ist es allerdings auch möglich, dass es vor allem die Frauen sind, die von einer Ausweitung der Maturitätsquote profitieren und das Gymnasium der be-ruflichen Grundbildung vorziehen.

136 Kantonale Maturitätsquoten und Differenzen zwischen Frauen- und Männer-

quotenMaturitätsquote nach Kanton: Mittel über drei Jahre (2014–2016)

Daten: BFS

Differenz der Maturitätsquote Frauen – Männer, in Prozentpunkten

0% 10% 20% 30% 40%0

2

4

6

8

10

12

AG

AIAR

BS

BE

BL

FR

GL

GR

GE

JU

LU

NE

NW

OW

SZ

SOSH

TI

UR

VS

VD

ZGZH

TG

SG

DURCHSCHNITT

R2=0,413

Maturitätsquote

Unterschiede zwischen den Kantonen

Bis heute gibt es keine empirisch überprüften Faktoren, welche die persistent hohen Unterschiede bei den kantonalen Maturitätsquoten erklären könnten. Die Unterschiede können sowohl nachfrageseitig (d.h. Schülerinnen und Schüler bzw. Eltern mit einer Präferenz für eine gymnasiale Ausbil dung) als auch angebotsseitig (politisch gewollte Anzahl der zur Verfügung stehen-den Ausbildungsplätze) begründet sein. Als direkte Erklärung für die grossen Unterschiede dürften unterschiedliche Bedürfnisse des lokalen (kantonalen) Arbeitsmarktes ( Grafik 138 ) eher nicht in Frage kommen, da von Gymnasi-astinnen und Gymnasiasten ja erwartet wird, dass sie ein Hochschulstu dium absolvieren und nachher national und international mobil sind. Mit ande-ren Worten: Auch eine kantonale Maturitätsquote müsste sich zumindest an den Bedürfnissen des schweizerischen Arbeitsmarktes ausrichten. Aller-dings kann der lokale Arbeitsmarkt indirekt dann eine Rolle spielen, wenn er eine geringe Nachfrage nach tertiär gebildeten Arbeitskräften kennt und somit auch der politische Wille gering ist, das gymnasiale Angebot gross auszubauen.

Eine repräsentative Meinungsbefragung bei rund 6000 Schweizerinnen und Schweizern aus dem Jahr 2015 zeigt, dass die Beurteilung der richtigen Anzahl Maturandinnen und Maturanden von sehr vielen verschiedenen Fak-

137 Unterschiede in der Beurteilung

der aktuellen Anzahl Maturandinnen

und Maturanden nach politischer

OrientierungDaten: repräsentative Befragung (2015) von 6000

Personen durch das Institut Link im Auftrag der

Universität Bern (Cattaneo & Wolter, 2016)

Befragte

0%

20%

40%

60%

80%

100%

rechtsMittelinkspolitische Orientierung

Es sind zu viele.Es ist etwa die richtige Grössenordnung.Es sind zu wenige.

40% der Einwohnerinnen und Einwohner der

Schweiz beurteilen die Maturitätsquote als zu

hoch, 48% als genau richtig und 12% als zu tief.

138 Maturitätsquote nach BezirkenDaten: BFS; Karte: Swisstopo

Gymnasiale Maturitätsquote:< 10%10–14,9%15–19,9%20–24,9%25–29,9%≥ 30%

© SKBF

SKBF-Bildungsbericht-Grafi k 136: Kantonale Maturitätsquoten und Dif-ferenzen zwischen Frauen und Männerquoten. Genf, Basel und Tes-sin haben deutlich höhere Maturquoten als Uri, St. Gallen oder Glarus.

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Plätze der Übertritt auch für gute Schülerinnen und Schüler un-sicher sein.» Im Kanton Zürich wird das Aufnahmeverfahren ak-tuell überarbeitet (Qi 2/2018). Die Vernehmlassung ist abge-schlossen, im Herbst können die Ergebnisse erwartet werden.

Als Gymnasien haben wir den Auftrag, die Besten auszubil-den. Selektion ist unvermeidlich, wenn die Ansprüche an Leis-tung hochgehalten werden sollen. Problematisch ist, dass die Chancengerechtigkeit in eine Schiefl age gerät, da bei gleicher Leistung je nach Kanton nicht die gleichen Bildungschancen gewährleistet sind. Unabhängig davon, wie die unterschiedli-chen kantonalen Maturitätsquoten begründet werden, ist je-doch unbestritten und auch im Bildungsbericht angemerkt, dass durch Repetitionen und vorzeitiges Abbrechen höhere Bildungs-kosten für die Gesellschaft entstehen und dass sich für die Be-troffenen die Ausbildungszeit verlängert. Das Kostenargument kann insbesondere dann vorgebracht werden, wenn Repetiti-onen oder Drop-outs gehäuft an bestimmten Schulen vorkom-men, weil Klassenaufteilungen nötig werden. Meiner Meinung nach muss dabei aber auch berücksichtigt werden, dass sich jedes Gymnasium in einem anderen Einzugsgebiet befi ndet. Es macht einen Unterschied, ob die Schülerschaft aus Gemein-den mit hohem oder tiefem Sozialindex stammt. Der Bildungs-bericht weist auf ein weiteres bisher ungelöstes Equity-Problem hin: Nicht allein die kognitiven Fähigkeiten entscheiden, ob Ju-gendliche eine gymnasiale Ausbildung anstreben und absol-vieren, sondern auch sozioökonomische Faktoren. Jugendliche aus privilegierten Elternhäusern haben bessere Chancen.

Das Schwerpunktfach: ein richtungsweisender Entscheid?

Mit dem MAR sind schweizweit die verschiedenen Schwer-punktprofi le festgelegt. Für das Fächerangebot sind die Kanto-ne zuständig. Auch hier zeigt der Bildungsbericht kantonale Un-terschiede. Auffällig ist, dass der Kanton Zürich einen geringen Anteil an MINT-Schwerpunktfächern aufweist.

Die Erkenntnisse aus dem Bildungsbericht 2014 werden wie-derum bestätigt. Die Wahl des Schwerpunktfaches und die gewählte Studienrichtung korrelieren stark. Der Bildungsbe-richt 2018 zeigt zusätzliche Erkenntnisse in diesem Bereich: «Die aktuellen Daten zur Studienwahl zeigen aber auch, dass das Schwerpunktfach nicht nur darüber entscheidet, welche

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Studienrichtung eingeschlagen wird, sondern auch die Frage beeinflusst, ob jemand überhaupt ein Universitätsstudium an-tritt. Dieser Effekt ist unabhängig vom Geschlecht und wird teil-weise dadurch erklärt, dass Maturandinnen und Maturanden der Schwerpunkte Künste oder PPP (Philosophie/Pädagogik/Psychologie) viel eher ein Studium an einer pädagogischen Hochschule oder einer Fachhochschule aufnehmen.»

Ein bildungspolitisches Ziel von Bund und Kantonen besteht darin, das Interesse an MINT-Fächern und Gesundheitsberufen zu fördern. Dies ist notwendig, um dem Fachkräftemangel ent-gegenzuwirken. Aktuelle internationale Forschungsergebnisse zeigen, dass durch die Ausbildungsintensität in MINT-Fächern die Wahl beeinflusst wird: je höher die Stundendotation in MINT-Fächern, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich Schüle-rinnen und Schüler für ein MINT-Fach entscheiden. Die vorlie-gende Datenlage erlaubt jedoch keine Aussage, ob Studieren-de aus Nicht-MINT-Schwerpunkten gleich gute oder schlechte-re Chancen auf einen Studienerfolg in einem MINT-Studienfach haben. Analysen zeigen, dass unabhängig vom Schwerpunkt-fach auch das Kompetenzlevel in Mathematik entscheidend

147

Bildungsbericht Schweiz | 2018

Gymnasium Institutionen

143 Kantonale Anteile der Schwerpunktfächer, 2015/16gemittelter Zweijahresdurchschnitt

Daten: BFS

0% 20% 40% 60% 80% 100%ZHSHVS

NWJUFRSZTI

GLBSGEBL

DurchschnittARSGSOAI

ZGTGVDBEURLUGR

OWAGNE

Anteile der Schwerpunktfächer Sprachen MINT Wirtschaft und Recht PPP und Künste

Zweisprachige Maturität

Gemäss Art. 18 MAR 95 können die Kantone eine zweisprachige Maturi-tät anbieten (mit einer anderen Landessprache oder Englisch) . Damit die-se als zweisprachige Maturität anerkannt wird, müssen seit dem 1. Januar 2013 mindestens drei Sachfächer in der gewählten Immersionssprache un-terrichtet werden. In diesen Fächern müssen mindestens 800 Lektionen un-terrichtet werden (Reglement der Schweizerischen Maturitätskommission für die Anerkennung kantonaler zweisprachiger Maturitäten vom 16. März 2012). Zwei Modelle stehen zur Auswahl: Modell A mit teilweisem Immer-sionsunterricht an der Heimschule umfasst den Immersionsunterricht an der Heimschule und einen optionalen Sprachaufenthalt. Modell B sieht den vollständigen Immersionsunterricht an einer Gastschule vor. Während mindestens eines Schuljahrs muss ein Sprachaufenthalt absolviert werden. Der immersive Unterricht ist verbreitet; am häufigsten ist die Kombination Deutsch und Englisch ( Grafik 144 ).

Aufgrund mehrerer Analysen, vornehmlich aus Deutschland, kam Steb-ler (2010) bei der Beurteilung des Forschungsstandes einerseits zum Schluss, dass sich die Erwartungen an den Immersionsunterricht, nämlich bessere Sprachkenntnisse bei mindestens ebenso hohen Fachkenntnissen, erfüllt haben. Trotzdem merkte sie einschränkend an, dass es «in Bezug auf die zen-tralen Annahmen und die Wirkungen von immersivem Unterricht noch immer mehr offene Fragen als empirisch gesicherte Befunde» gebe (ebd.).

144 Anzahl Gymnasien in der Schweiz

mit Immersionsunterricht, 2016,

und Veränderung im Vergleich zu 2012Daten: SFIB

-10 0 10 20 30 40 50 60 70 80

R-D

F-I

I-D

D-R

D-I

F-E

F-D

D-F

D-E

Anzahl Gymnasien2016Veränderung gegenüber 2012

D = DeutschE = EnglischF = FranzösischI = ItalienischR = Rätoromanisch

© SKBF

SKBF-Bildungsbericht-Grafik 143: Kantonale Anteile der Schwerpunkt-fächer. Im Kanton Zürich wird die Fächergruppe Sprachen stärker als in anderen Kantonen gewichtet

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ist. Mathematiknoten am Ende der obligatorischen Schulzeit sind ein guter Prädiktor für eine MINT-Studienwahl an der Univer-sität oder ETH.

Was bedeutet dies für uns? Die Gymnasien verpflichten sich der Allgemeinbildung und dem Sicherstellen der generellen Studier-fähigkeit. Gymnasiale Bildung darf auf keinen Fall ausschliess-lich über das Nützlichkeitsdenken definiert werden, die Verzah-nung des Bildungssystems mit der Wirtschaft muss aber berück-sichtigt werden. Wir bewegen uns in einer Welt, in der Kompe-tenzen im Bereich Technik und Naturwissenschaften verlangt sind. Anpassungen an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes sind unabdingbar. Die EDK hat sich deshalb für die Einführung ei-nes Informatik-Obligatoriums ausgesprochen. An jeder Schule wird die Verteilung der Stundendotation neu diskutiert werden müssen. Auf Personalebene steht die Rekrutierung von Lehrkräf-ten an, die wichtigsten Akteure für den Lernerfolg. Die Gymna-sialrektoren haben in einer Stellungnahme zuhanden des Bun-des festgehalten, dass weiterhin nur Fachkräfte mit universitä-rem Hochschulstudium zugelassen werden sollen. Dies als zu-sätzliche Massnahme, um langfristig den prüfungsfreien Hoch-schulzugang zu garantieren. Zweifelsohne werden aber auch Massnahmen nötig werden, um die Attraktivität des Mittelschul-lehrberufes allgemein zu stärken.

Wie funktioniert die Schnittstelle Volksschule – Gymnasium?

Verlaufsanalysen des Bundesamtes für Statistik zeigen, dass die Repetitionsquote in den Gymnasien und Fachmittelschulen im Vergleich zu anderen Anschlusslösungen sehr hoch ausfällt. Bei ungefähr einem Fünftel der Gymnasiastinnen und Gymnasias-ten verlängert sich die Gymnasialzeit wegen einer Repetition um ein Jahr, manchmal kommt es zu einem vorzeitigen Aus-scheiden aus dem Gymnasium. Die Repetitionsquote ist mit über 8% im ersten Jahr relativ hoch, nimmt danach jedoch kon-tinuierlich ab und ist im 4. Jahr tiefer als jene der vierjährigen beruflichen Grundbildung. Gemäss Studien, die im Bildungs-bericht beigezogen wurden, «kann zumindest gesagt werden, dass ein nennenswerter Anteil der Repetitionen und Drop-outs im ersten Jahr des Gymnasiums hätte vermieden werden kön-nen, wenn man Informationen, die den Kompetenzmessungen

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in PISA ähnlich sind, beim Entscheid zur Aufnahme ins Gymnasi-um berücksichtigt hätte.» Weiter wird auf die Fälle hingewiesen, die nur dank Nachhilfeunterricht den Übertritt schafften, damit aber eine statistisch signifikant höhere Wahrscheinlichkeit ha-ben, das erste Jahr repetieren zu müssen. Zudem entsteht ein zusätzlicher Nachteil für Kinder und Jugendliche, deren Familie sich keine teuren Extrakurse leisten können.

Auch die unterschiedlichen Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler sind im Zusammenhang mit dem Übertritt zu erwäh-nen. Anhand der Daten des PISA-Tests 2012 zeigt der Bildungs-bericht Folgendes: «Aufgrund der Kompetenzdefinitionen kann davon ausgegangen werden, dass angehende Gymnasiastin-nen und Gymnasiasten in den PISA-Tests mindestens das Kom-petenzniveau 4 erreichen müssten. Während nun in Kantonen mit einer Abschluss- oder Aufnahmeprüfung weniger als 5% der Schülerschaft sowohl in Lesen wie in Mathematik unterhalb der Kompetenzstufe 4 ins Gymnasium übergetreten sind, sind es in den Kantonen ohne Prüfung 25%. Die Kantone unterscheiden sich somit nicht nur bezüglich der Wahrscheinlichkeit, dass ihre Schülerinnen und Schüler bei gleichen Kompetenzen ins Gym-nasium eintreten können, sondern vor allem auch in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, trotz ungenügender Kompetenzen ins Gymnasium aufgenommen zu werden.»

Aufnahmeverfahren sind entscheidend hinsichtlich der Zulas-sung. Sie sind auch wegweisend, da wir bereits zu diesem Zeit-punkt bestimmen, wer potentiell einen prüfungsfreien Eintritt an eine universitäre Hochschule erhält. Es wird vermutlich eine stär-kere Orientierung sowohl an fachlichen als auch an überfach-lichen Kompetenzen nötig werden. Da keine einheitliche No-tengebung in den Klassen einer Gemeinde, geschweige denn innerhalb eines Kantons, garantiert werden kann, macht ein zusätzliches Prüfungsverfahren basierend auf einer objektive-ren Beurteilung Sinn und leistet einen zusätzlichen Beitrag zur Chancengerechtigkeit. Im Kanton Zürich hat sich das zentrali-sierte Aufnahmeprüfungsverfahren bewährt. Die erreichten No-tendurchschnitte an der ZAP erlauben zuverlässige Aussagen zur Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Probezeit. Das erneu-te Miteinbeziehen der Vornoten ermöglicht zudem ein aussa-gekräftigeres Leistungsbild. Damit der Übertritt ans Gymnasi-um und die Probezeit besser gelingen, braucht es einen insti-tutionalisierten Austausch zwischen Volkschule und Gymnasien. Mit VSGYM hat der Kanton Zürich die richtige Antwort auf die

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Probleme beim Übertritt. Allerdings sollte die Projektorganisati-on von der bildungspolitischen Steuerung auch finanziell unter-stützt werden, um den offensichtlichen Handlungsbedarf effek-tiv angehen zu können. Der MVZ setzt sich dafür mit grossem En-gagement ein.

Welche neuen Erkenntnisse gibt es zur Schnittstelle HSGYM?

In Bezug auf das bildungspolitische Ziel, den prüfungsfreien Zu-gangs an die Hochschulen langfristig zu garantieren, hat die EDK verschiedene Teilprojekte gestartet, u.a.: 1) Basale fach-liche Studierkompetenzen in Mathematik und Erstsprache, 2) Gemeinsam Prüfen, 3) Zusammenarbeit zwischen Gymnasi-en und Hochschulen, 4) Studien- und Berufswahl. Zudem wird auch eine weitere Evaluierung der gymnasialen Maturität emp-fohlen, wie dies bereits mit EVAMAR II gemacht wurde.

Der Ruf nach vereinheitlichten Maturitätsprüfungen ist gross, interessant ist aber folgende Tatsache: Obwohl die Maturno-ten nicht mittels standardisierter Prüfungen festgelegt werden, haben sie offenbar eine zuverlässige Aussagekraft. Auch die Analyse aus EVAMAR II zeigt, «dass die Durchschnittsnote bei der Matur einer der besten Prädiktoren für die späteren Studi-enleistungen darstellt». Lediglich genügende Leistungen zum Zeitpunkt der Maturitätsprüfung bedeuten somit eine einge-schränkte Studierfähigkeit.

Laut Bildungsbericht entscheiden sich rund 75% der Matu-randinnen und Maturanden für eine universitäre Hochschu-le. Ebenfalls interessant ist in diesem Zusammenhang der fol-gende Sachverhalt: obwohl mehr Frauen als Männer eine Ma-tur machen, ist die Gesamtquote des Übertritts vom Gymnasi-um an die universitäre Hochschule bei den Frauen deutlich tie-fer als bei den Männern. Frauen entscheiden sich häufiger für eine Ausbildung an der pädagogischen Hochschule oder einer Fachhochschule.

Wie können die dargelegten Sachverhalte eingeordnet werden?

Akademikerinnen und Akademiker übernehmen in der Re-gel verantwortungsvolle Aufgaben und geben der Gesell-schaft langfristig mehr zurück als sie kosten, nicht nur in Form

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von Steuern. Die Schweiz gehört zu den Ländern mit der tiefs-ten Maturitätsquote und der Bedarf an akademischem Nach-wuchs ist hoch. Von den Maturandinnen und Maturanden ei-nes Jahrgangs streben fast 25 % keine universitäre Hochschule an, was die Anzahl Hochschulstudierender nochmals verringert. Aufgrund des selektiven Zugangs müsste man annehmen kön-nen, dass die Studierfähigkeit gewährleistet ist. Trotzdem ist das Abbruchrisiko an den universitären Hochschulen hoch. Eine im Jahr 2013 durchgeführte Studie von Wolter legt diesbezüglich eine Korrelation mit den kantonal unterschiedlichen Maturitäts-quote nahe. In Anbetracht der Tatsache, dass immer wieder eine Erhöhung der gymnasialen Aufnahmequote diskutiert wird, muss die Studiums-Abbruchquote in die Überlegungen mitein-bezogen werden.

Bei den Übergängen Volksschule-Gymnasium und Gymnasi-um-Hochschule besteht somit noch Optimierungsbedarf. Umso wichtiger wird der kontinuierliche Austausch verschiedener Be-teiligter werden, nicht nur stufenübergreifend, sondern auch re-gional und überregional. Anpassungen müssen wohlüberlegt und bedacht sein. Sie sollten nicht lediglich Vereinheitlichun-gen und Kosteneffizienz anstreben, sondern primär einer umfas-senden Qualitätssteigerung dienen. Der Bildungsbericht 2018 macht erneut Handlungsfelder sichtbar, die seit Jahren be-kannt sind. Es wird sich zeigen, wie gross die Bereitschaft der Po-litik sein wird, die Gymnasien in ihrer Entwicklung zu begleiten, damit die Hochschulen ihre Exzellenzansprüche halten können und die Schweiz auch weiter wettbewerbsfähig und innovativ bleibt. • Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung

[Hg.], Bildungsbericht Schweiz 2018, Arau: SKBF | CSRE 2018, ISBN: 978-3-905684-17-9, 340 Seiten, CHF 60.00.

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Gymnasium 2022Der Bildungsbericht verweist auf zahlreiche Herausforderun­gen für die Gymnasien, unter anderem an den Schnittstellen. Gleichzeitig stellt die Politik neue Forderungen an die Gymnasi­en. Schon länger steht beispielsweise die Erwartung nach mehr Mathematik und Naturwissenschaften am Untergymnasium im Raum. Die Volksschule wandelt sich mit der Einführung des Lehr­plans 21: Neue Fächer und die Kompetenzorientierung werden auch Anpassungen am gymnasialen Unterricht zur Folge haben. Und last but not least wird die Digitalisierung fortschreiten und un­ter anderem mit dem auf MAR­Stufe neu einzuführenden Fach In­formatik sichtbare Spuren in unseren Stundentafeln hinterlassen.

Silvio Stucki, Präsident MVZ

Bessere Lösungsansätze vor Ort

Der Bildungsrat hat in einer Auslegeordnung anfangs 2018 all die-se Herausforderungen gebündelt diskutiert und mit einem Stoss-richtungspapier dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) einen Projektauftrag erteilt. Inzwischen hat die Projektgruppe ihre Arbeit aufgenommen und den Projektplan «Gymnasium 2022» definiert. An dieser wichtigen Arbeit ist neben der LKM und der SLK auch der MVZ beteiligt. Mit dieser Verankerung im Schul-feld soll sichergestellt werden, dass die Umsetzung pädagogisch sinnvoll sowie schulisch tragbar und dennoch politisch überzeu-gend sein wird. In den nächsten Wochen und Monaten wird es nun darum gehen, in Arbeitsgruppen Grundlagen zu erarbeiten, welche für sämtliche Herausforderungen Lösungsansätze auf-zeigen. Dank diesen Vorarbeiten soll die konkrete Umsetzung in den Schulen vereinfacht werden, analog zu «Gemeinsam Prü-fen» oder den «Basalen fachlichen Kompetenzen für die allge-meine Studierfähigkeit».

Der Bildungsbericht 2018 zeigt gut auf, wie der Föderalismus unser Bildungssystem prägt. Die Autonomie der Kantone erlaubt es, flexibel auf sprachregionale und geografische Unterschiede einzugehen und angepasste Lösungsansätze vor Ort zu etab-lieren. Dies ermöglicht das Entstehen innovativer Best-Practice-Modelle. Der Bildungsbericht 2018 mahnt uns jedoch auch an, dass die föderalistische Vielfalt auch die Chancenungerechtig-

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keit verstärken kann (wenn gute Schülerinnen und Schüler nicht in allen Kantonen die gleichen Bildungschancen erhalten) und Effi zienzunterschiede aufweist.

Konstruktive und zukunftsorientierte Umsetzung dank frühzeitigem Einbezug

Diese Erkenntnisse sind für den MVZ auch bezüglich des Projekts «Gymnasium 2022» wegweisend für unsere inzwischen über 20 Mittelschulen im Kanton Zürich. Die auf uns zukommenden Veränderungen dürfen nicht dazu führen, dass Stunden tafeln, Lehrpläne, ja sogar Unterrichtseinheiten vereinheitlicht und standardisiert werden müssen. Das kann und wird defi nitiv nicht das Ziel des Projekts sein, denn die Innovationskraft und das Ent-wicklungspotenzial in unseren Schulen soll weiter gefördert und nicht im Keim erstickt werden. Wir sind überzeugt, dass die Bil-dungschancen schon heute, in unseren durchaus heterogenen Zürcher Mittelschulen vergleichbar hoch sind, und doch wer-den wir wohl lieb gewonnene Gewohnheiten zumindest hinter-fragen müssen. Es ist besser, wenn wir dies von innen heraus an-packen, wie es der Bildungsrat nun von uns erwartet, bevor uns andere Lösungen von aussen verordnet werden.

Das Projekt Gymnasium 2022 ist und bleibt selbstverständlich eine Gratwanderung. Wir müssen und wollen diese jedoch gehen und sind entsprechend überzeugt, dass dank dem frühzeitigen Einbezug auch des MVZ eine konstruktive und zukunftsorientierte Umsetzung erfolgen kann. Dafür setzen wir uns von Seite MVZ in der Projektgruppe und in den Arbeitsgruppen mit aller Kraft ein.

Gymnasium 2022

Einführung des Pfl ichtfachts Informatik, Anpassungen an den Lehrplan 21, neue Vorgaben für das Untergymnasium: Mit dem Projekt Gymnasium 2022 will das Mittel- und Berufsschul-amt (MBA) die anstehenden Änderungen an den Mittelschu-len bündeln. Hauptziel des Projekts ist die Stärkung des Zürcher Gymnasiums durch die Umsetzung der an der Bildungsrats-Retraite vom 20.1.2018 beschlossenen Stossrichtungen in den Handlungsfeldern «Untergymnasium», «Obergymnasium» und «Kantonale Rahmenvorgaben». MVZ, LKM und SLK sind in der Projektarbeit mitbeteiligt.

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Das Gymnasium im Spannungsfeld von Chancengerechtigkeit und BegabtenförderungDer Kanton Zürich kennt verschiedene Wege ans Gymnasium: Der Übertritt nach der Primarschule ins Langgymnasium oder nach der 2./3. Sekundarschule ins Kurzgymnasium oder der Eintritt in die Kantonale Maturitätsschule für Erwachsene nach Schul­ bzw. Berufsabschluss. Verbunden mit der hohen Durch­lässigkeit des Schweizer Bildungssystems sind gerade diese un­terschiedlichen Zugänge eine wesentliche Voraussetzung im Streben nach Chancengerechtigkeit und Begabtenförderung.

Christian Metzenthin, MVZ-Redaktor

Chancengleichheit in der Bildung ist ein nie zu erreichendes Ideal. Zu ungleich sind die Voraussetzungen und Startbedingun-gen, die Schülerinnen und Schüler mitbringen. «Sommer- und Herbstkinder» haben aufgrund ihres Altersvorsprungs bessere Chancen, Kinder deutscher Muttersprache sind im Vorteil ge-genüber Kindern, die Deutsch als Fremdsprache lernen, und ob Kinder den Sprung ans Gymnasium schaffen, hängt auch von ihrer sozialen Herkunft ab.

Im Schweizer Bildungssystem besteht tatsächlich Chancen-ungleichheit. So ist in der Westschweiz die Chance ans Gym-nasium zu kommen mehr als doppelt so gross wie in der Ost-schweiz, und die Maturaquote am rechten Zürichseeufer ist fast viermal grösser als in Schwamendingen. Allerdings lassen sich die bestehenden Ungleichheiten nicht ändern, ohne neue Un-gleichheiten zu schaffen. statt «Chancengleichheit», ist deshalb vielmehr «Chancengerechtigkeit» anzustreben.

Chancengerechtigkeit bezeichnet das Streben, die unglei-chen Voraussetzungen und Startbedingungen auszugleichen. Anders als bei der Forderung nach Chancengleichheit lassen sich Chancengerechtigkeit und Begabtenförderung durchaus vereinbaren.

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Chance Langgymnasium

Das Langgymnasium stand in letzter Zeit in der Kritik, es würde soziale Ungleichheiten zementieren. Dass bereits nach sechs Schuljahren die Weichen in Richtung Gymnasium gestellt wür-den, sei zu früh: Gerade für Eltern aus weniger privilegierten Schichten sei der Entscheid zu diesem Zeitpunkt schwierig. Spä-ter falle der Entscheid weniger schichtabhängig, auch weil die Jugendlichen dann schon selbständiger mitentscheiden kön-nen.

Wollte man im Bestreben nach Chancengleichheit das Lang-gymnasium abschaffen, würde man einfach eine neue Unge-rechtigkeit schaffen. Denn damit würde sehr begabten Schü-lerinnen und Schülern die angemessene Förderung entzogen. Neugierige, wissensdurstige und lernwillige Jugendliche kom-men im Langgymnasium unbestritten auf ihre Kosten.

Von Vorteil erweist sich hier insbesondere das gymnasiale Fachlehrersystem. Für die Jugendlichen bedeutet es, dass sie in jedem Fach ein akademisch geschultes Gegenüber haben, das dieses Fach studiert hat und sowohl inhaltlich als auch me-thodisch fundiert Auskunft geben kann.

Chance Kurzgymnasium

Jugendliche, die nach der Sekundarschule ans Gymnasium wechseln, dürfen gegenüber Jugendlichen, die schon zwei Jahre am Gymnasium waren, keinen Nachteil haben. Sekun-darschule und Gymnasium unterrichten notwendigerweise un-terschiedlich, da die Sekundarschule sich insbesondere auf die Berufslehre, das Gymnasium sich auf das akademische Studi-um ausrichtet. Um diese Unterschiede auszugleichen, braucht es für Jugendliche, die aus der Sekundarschule ins Gymnasium übertreten, spezifische Förderung.

Die Mathematiklehrpersonen haben es vorgemacht. Mit dem «Algebra-Training» stehen Übungen zu einem Lerngebiet zur Verfügung, auf das vor allem am Gymnasium Gewicht ge-legt wird. Mit VSGYM wird der Dialog zwischen Sekundarschu-le und Gymnasium weiter etabliert und ein besonderer Fokus auf den Anschluss an die 2./3. Klasse der Sekundarschule ge-legt. Diese Ausgleichsmassnahmen stehen ganz im Zeichen der Chancengerechtigkeit und bilden das notwendige Gegenge-wicht zur Begabtenförderung am Langgymnasium.

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Chance Weiterentwicklung

Mit dem Projekt «Gymnasium 2022» werden sich die Mittelschu-len im Kanton Zürich weiterentwickeln. Ein wichtiger Fokus liegt dabei auf der Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Zugänge zum Gymnasium. So kann die Chancengerechtigkeit gewahrt und gleichzeitig das Langgymnasium als Zugpferd der Zürcher Mittelschullandschaft erhalten bleiben.

Um die Qualität der gymnasialen Bildung zu erhalten, muss aber zwingend auch dem Fachlehrer-System Sorge getragen werden. Wo neue Fächer eingeführt werden, müssen diese auch Platz im Stundenplan erhalten: Ein Fach, das nur eine Lek-tion pro Woche unterrichtet wird, kann kaum etwas bewegen und wird oft auch wenig ernstgenommen – die «Einführung in Wirtschaft und Recht» möge hier als mahnendes Beispiel die-nen. Nur wenn sich Lehrpersonen und Jugendliche regelmä-ssig mehrmals pro Woche sehen, kann eine förderliche Lern-Beziehung aufgebaut werden und kann der oben dargestellte fruchtbare Ausstauch von begabten, wissensdurstigen Jugend-lichen und akademisch geschulten Lehrpersonen stattfinden.

Das Gymnasium macht schon vieles gut, bezüglich Chan-cengerechtigkeit darf es noch besser werden. Dazu muss ins-besondere der Dialog VSGYM weiterhin gut gepflegt werden. Bezüglich Begabtenförderung gilt es zwingend, die Stärken des Gymnasiums zu erhalten. Bildungspolitische Schnellschüsse und vermeintlich einfache Lösungen sind hier fehl am Platz – es braucht eine systemische Gesamtsicht. Das Projekt «Gymnasi-um 2022» ist diesbezüglich eine Chance, das Gymnasium be-hutsam weiterzuentwickeln. Eine seiner besonderen Herausfor-derungen liegt in der Berücksichtigung von sowohl Chancen-gerechtigkeit als auch Begabtenförderung.

Quellen: • Evelin Hartmann (2017), Interview mit Urs Moser, in Fritz & Fränzi vom 16.7.:

www.fritzundfraenzi.ch/gesellschaft/schule/herr-urs-moser-wie-gerecht-ist-das-schweizer-bildungssystem?

• Samuel Hufschmid (2017), Relativer Alterseffekt: Geburtsmonat beeinflusst Karrierechancen, in: Schweiz am Wochenende vom 29.10.: www.bzbasel.ch/basel/relativeralterseffekt-131848367

• Jörg Krummenacher (2017), Interview mit Franz Eberle, in: nzz.ch vom 14.8.: www.nzz.ch/schweiz/aufnahmeverfahren-an-gymnasien-mehr-gerechtig-keit-fuer-angehende-mittelschueler-ld.1310592

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• Roger Nickl (2018), Schule ohne Schubladen, in: UZH-Magazin Nr. 1, S. 36–39.

• Lena Schenkel (2018), Zugang zum Gymnasium: Die Chancengerechtigkeit ist eine Illusion, in: nzz.ch vom 28.4.: www.nzz.ch/meinung/die-fruehselekti-on-des-zuercher-langgymnasiums-ist-fatal-fuer-die-chancengerechtigkeit-ld.1380756

• Giorgio Scherrer (2018), Die Illusion der gleichen Chancen, in: nzz.ch vom 11.3.: www.nzz.ch/gesellschaft/die-illusion-der-gleichen-chancen-ld.1362408

• Michael Schoenenberger (2018), Schweizer Gymnasien: Besser machen, was gut ist, in nzz.ch vom 8.6.: www.nzz.ch/meinung/besser-machen-was-gut-ist-ld.1392313

• Daniel Schneebeli (2016), Gymi-Chancen sind an der Goldküste am besten, in tagesanzeiger.ch vom 4.11.: www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/gy-michancen-sind-an-der-goldkueste-am-besten/story/28779797

Kantonsratswahlen 2019

jetzt kandidieren!«Werdet politisch! Kämpft für das,

was wir haben und für gezielte Verbesserungen. Kollektive Depression bringt gar nichts.

Lasst euch auf das hochspannende Geschäft Politik ein.» Markus Späth-Walter (in Qi 1/2018)

Am 24.3.2019 sind kantonale Wahlen.

Kandidieren Sie für den Kantonsrat?Melden Sie sich bis spätestens 10. November 2018 beim

Präsidenten des MVZ: [email protected]

Zusammen mit den Vereinigten Personalverbänden (VPV) machen wir gerne Werbung für Kandidierende, die für unsere

Anliegen und jene des kantonalen Personals einstehen.

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Aktuelle Informationen aus den MittelschulenSilvio Stucki, Präsident MVZ

Mit dem Qi erhalten Sie vierteljährlich Informationen zu bil-dungs- und finanzpolitischen Entwicklungen, zu Hintergründen zum Mittelschulalltag sowie zu verbandsinternen Aktualitäten. Interviews mit Persönlichkeiten aus der Politik und Gastbeiträ-ge Dritter ergänzen dabei unsere eigenen Beiträge. Gerne dru-cken wir auch Ihre Rückmeldungen oder Beiträge ab.

Für jede Ausgabe investieren die Schreibenden viel Zeit, um die relevanten Informationen für Sie aufzubereiten. Wir hoffen deshalb, dass das Qi weiterhin geschätzt wird, ist es doch eine der Kerndienstleitungen des MVZ an seine Mitglieder. Über ent-sprechende Feedbacks und Anregungen zu Verbesserungen freuen wir uns selbstverständlich jederzeit: [email protected].

Gerne verweisen wir Sie an dieser Stelle auch auf weitere Infor-mations-Quellen, die sehr einfach zugänglich, zeitnaher verfüg-bar und zudem wesentlich interaktiver sind:

Facebook-Auftritt des MVZ

Seit Ende 2016 ist der MVZ auf Facebook präsent. Wir publizie-ren und kommentieren aktuelle (Zeitungs-)Berichte und verwei-sen auf Veranstaltungen. Diskutieren Sie mit:facebook.com/MittelschullehrpersonenverbandZH/

Twitter-Beiträge von Impuls Mittelschule

Impuls Mittelschule ist die Stelle für Öffentlichkeitsarbeit der Zür-cher Mittelschulen. Zwitschern Sie mit, wenn aktuelle Themen über Zürcher Mittelschulen diskutiert und kommentiert werden: twitter.com/impulszh?lang=de

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Bildungsticker und Newsletter des VSG

Newsletter und Bildungsticker des VSG (Verein Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer) bieten regelmässi-ge, kurz zusammengefasste Informationen über aktuelle Medi-enberichte und Studien: vsg-sspes.ch/publikationen/newsletter/bzw. vsg-sspes.ch/bildungsticker/

Facebook-Auftritt des VSG

Auch beim VSG finden sich interessante aktuelle Informationen zum Mitdiskutieren:facebook.com/pg/vsg.sspes

Als Mitglied des VSG erhalten Sie zudem fünfmal jährlich das Gymnasium Helveticum.

Wir wünschen Ihnen viel Anregung beim Lesen von Qi, Face-book, Twitter, Newsletter oder Ticker und freuen uns über Ihre (interaktiven) Rückmeldungen.

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Ein Jahr Association Zurichoise des Professeurs de Français (AZPF)Immer wieder gerät das Französisch in den Fokus bildungspoli­tischer Diskussionen und der öffentlichen Aufmerksamkeit, etwa als es in verschiedenen Kantonen um die Abschaffung oder Beibehaltung des Französischunterrichts auf der Primarstufe ging. Veränderungen im Gesamtsystem betreffen gegenwärtig und in naher Zukunft das Fach Französisch besonders spürbar: die Verlegung von Französischlektionen von der Sekundarstu­fe I auf die Primarschule, die Einführung des Lehrplans 21 in der Volksschule und die geplante Abschaffung des Französisch an der Aufnahmeprüfung ins Kurzzeitgymnasium.

Gabriela Ochsner Jannibelli, Französischlehrerin am Real-gymnasium Rämibühl, Vorstandsmitglied der AZPF

Die genannten Punkte sind nur einige der Gründe, welche vor gut einem Jahr engagierte Lehrpersonen der HSGYM-Fachkon-ferenzen bewogen, den Verein AZPF zu gründen. An verschie-denen Veranstaltungen zur gymnasialen Bildung, insbesonde-re aber im Zusammenhang mit der Lü16 und der Erhöhung der Lektionenverpflichtung wurde klar, dass die Französischlehrper-sonen ihre Interessen mit eigener Stimme vertreten müssen. Da-bei geht es weniger um gewerkschaftliche Anliegen, welche durch den MVZ gut vertreten werden, im Fokus steht vielmehr die Sorge um die Qualität des gymnasialen Französischunter-richts und die Berufszufriedenheit der Lehrpersonen.

Eine Lobby für ein unnötiges und unbeliebtes Fach?

In zahlreichen Abstimmungen haben sich Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Fach Französisch ausgesprochen und damit auch ein Votum für die viersprachige Schweiz abge-geben. Die Sprachenkonzepte der EDK betonen den Nutzen der Fremdsprachen für die schweizerische Wirtschaft und Ge-sellschaft und auch für das Individuum. Wer sich auf eine an-spruchsvolle Stelle in der Schweiz bewirbt, sollte neben dem

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Englisch auch solide Kenntnisse in einer weiteren Landesspra-che vorweisen. Unnötig ist das Französisch also keinesfalls, so-fern man sich überhaupt auf solch eine utilitaristische Sichtwei-se einlassen möchte.

Unbeliebt schon eher. Die Studien von Prof. Dr. Eberle zeigen, dass Französisch neben Mathematik das unbeliebteste Fach ist und bei dem insbesondere die Maturanden (gegen 40 %!) un-genügende Noten in Kauf nehmen. In Gesprächen zeigen sich erfahrene Lehrpersonen wenig erstaunt darüber, dass gerade jene Fächer, die auf kontinuierlichem Lernen aufbauen und einst doppelt gewichtet waren, heute besonders viele ungenü-gende Noten aufweisen. Anders ausgedrückt: Die Lernenden verhalten sich ökonomisch und optimieren ihren Einsatz. Gegen dieses Schülerverhalten ist prinzipiell nichts einzuwenden, denn das System lässt es ja zu. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass man bei gleichem Befund das Französisch in Frage stellt, während in der Mathematik durch die basalen Kompetenzen mehr Verbindlichkeit geschaffen werden soll.

Eine Lobby für ein Fach, das zentrale Ziele der gymnasialen Matur vertritt

Der Französischunterricht hat sich in den vergangen Jahrzehn-ten stark gewandelt: er wurde kommunikativer und durch den Einbezug frankophoner Themen und Literaturen vielfältiger. Zu-sätzlich zum bereits erwähnten Nutzen von Fremdsprachen er-laubt das Französisch als Sprach- und Kulturfach das Herstellen mannigfacher Bezüge und Zugänge auf nationaler und inter-nationaler Ebene. Die Beschäftigung mit Medien und Literatur der Westschweiz fördert das Verständnis für die mehrsprachige Schweiz und für die Perspektive der Romandie. Als Sprache un-seres Nachbarstaates lässt sie unsere Schüler teilhaben am Kern europäischen Denkens – man denke an die Texte der Aufklä-rung oder moderne Denker wie Foucault oder Bourdieu – und auch an seiner Gegenwartskultur wie etwa dem reichen franzö-sischen Filmschaffen. Auf der globalen Ebene öffnet das Fran-zösisch einen direkten Zugang zu den Literaturen und Kulturen Québecs, des Maghreb und Westafrikas. Gerade die Ausein-andersetzung mit Afrika bietet sich an für spannende interdis-ziplinäre Projekte, zum Beispiel mit Geografie oder Wirtschaft. Die AZPF setzt sich ein für einen modernen, sich an der Vielfalt frankophoner Kulturräume orientierenden Französischunterricht.

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So bilden die von der Arbeitsgruppe Zurich francophone erfolg-reich durchgeführten Apéro-Livres nicht nur eine Plattform für den kollegialen Austausch, sondern auch eine informelle Wei-terbildung zu frankophonen Neuerscheinungen.

Gegen die Reduktion auf ein reines Sprachfach

In seiner Analyse der Lehrpläne der Schweizerischen Gymnasien (2017, S. 106f.) stellt Prof. Dr. Bonati fest, dass unter dem starken Einfluss des Gemeinsamen Europäischen Sprachrahmens GER mit seiner Ausrichtung auf die sprachlichen Fertigkeiten das Be-wusstsein für die gymnasialen Inhalte in den modernen Fremd-sprachen gelitten hat. Durch die Reduktion des Französisch auf ein reines Sprachfach, zumal in utilitaristischer Deutung, begann seine Legitimation zu wanken: für einen reinen Sprachkurs wür-den zwei Lektionen reichen und am Ende bräuchte es auch kei-ne an der Universität ausgebildete Lehrpersonen.

Doch auch die EDK beschreitet mit dem Sprachenkonzept für die gesamte Sekundarstufe II einen nicht unproblematischen Weg. Das Konzept basiert auf dem GER und orientiert sich an der beruflichen Ausbildung – auch hier werden die gymnasia-len Ziele vernachlässigt. Dieser reduzierten Betrachtungsweise möchte die AZPF entgegentreten und die vielfältigen Beiträge des Französisch an die gymnasiale Bildung sichtbar machen.

Chancen wahrnehmen und den Austausch pflegen

Die eingangs erwähnten Veränderungen können als weite-re Bedrohung des gymnasialen Französischunterrichts gewer-tet werden. Der Lehrplan 21, welcher sich auf die Kompeten-zen des GER abstützt, wie auch die Verlagerung von Lektionen auf die Primarstufe sind nicht unproblematisch. Die Einführung des neuen Lehrmittels «Dis donc!» kann aber auch als Chance betrachtet werden, führt es doch die Primarschüler/-innen be-reits an das Niveau A2 heran und die Sekundarschüler/-innen ans Niveau B1. Ein Teil des eigentlichen Spracherwerbs wird auf den vorgängigen Stufen geleistet, und das Gymnasium kann, im Idealfall, auf ein beachtliches Vorwissen aufbauen und ge-mäss den neuen Methoden inhaltsorientiert arbeiten.

Damit dieser Idealfall eintritt, braucht es sorgfältige Ab-sprachen an den Schnittstellen. Und gerade an diesen ist die AZPF bereits aktiv geworden, zum Beispiel an den Regional-

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dialogen von VSGYM oder durch die Organisation der Präsen-tation des neuen Lehrmittel «Dis donc!». Aktuell steht die Schnitt-stelle Primarschule – Langgymnasium im Fokus, denn ab 2019 treten Schüler/-innen, welche mit dem neuen Lehrmittel und neuer Stundendotation gearbeitet haben, ins Langgymnasium ein. Es ist der AZPF ein Anliegen, dass die Schüler beim Eintritt ans Lang- wie ans Kurzzeitgymnasium dort abgeholt werden, wo sie gemäss Lehrplan und Lehrmittel stehen.

Zufrieden mit dem bisher Erreichten

An ihrer ersten Jahresversammlung im März blickte die junge Association auf zahlreiche Aktivitäten zurück. Auch die Zahl der Mitglieder hat sich erfreulich entwickelt, so dass heute fast alle Zürcher Gymnasien vertreten sind. Als kleiner, aktiver Berufs-verband für Französischlehrpersonen aller Schulstufen möchte die AZPF einen Beitrag leisten zur positiven Wahrnehmung des Schulfachs Französisch, zur Erhaltung der Qualität des Franzö-sischunterrichts, zur Nachwuchsförderung und zur Berufszufrie-denheit aller Unterrichtenden.

Neue Lektionentafeln Sek I ab 19/20 (Quelle: Lehrmittelverlag Zürich)

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Wie soll die Digitalisierung ins Gymnasium kommen?Sebastian Egli, Aktuar MVZ

Im April dieses Jahres hat David Gugerli, Professor für Technik­geschichte an der ETH Zürich, seinen Essay Wie die Welt in den Computer kam (Computergeschichte von ca. 1950 bis 1990) publiziert. Im Hinblick auf die Frage, wie am Gymnasium auf das Phänomen der Digitalisierung reagiert werden soll, habe ich diesen Essay zusammen mit David Gugerli, Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern am MNG Rämibühl diskutiert. Im Folgenden werde ich den Essay vorstellen und ausgehend da­von auf die Frage eingehen, wie die Digitalisierung ins Gymna­sium kommen soll.

David Gugerlis Essay Wie die Welt in den Computer kam

Gugerli hält eingangs seines Essays fest, dass weder «Naturwüch-sigkeit» noch «Opferdiskurs» einer angemessenen Computerge-schichte den Weg weisen. Unter Naturwüchsigkeit versteht er die Vorstellung, dass der technische Fortschritt entsprechend quasi naturgegebener Entwicklungsgesetze abläuft oder sogar die Maschinen selbst für diesen Fortschritt verantwortlich sind. Um Opferdiskurs handelt es sich, wenn die Menschen als Wesen aufgefasst werden, die dem Fortschritt der Technik passiv unter-worfen sind und unter den Folgen dieses technologischen Wan-dels leiden (ebd. S. 7). Gugerli hält sich an eine andere Vorge-hensweise. Diese besteht in der Darstellung der Probleme, wie sie sich den Zeitgenossen präsentiert haben und wie diese sie angegangen sind. Diese Vorgehensweise impliziert auch eine bestimmte Methodologie. So hält Gugerli fest:

Der Auftritt des Computers wird also von einer grossen Erzählung begleitet. Diese musste von den beteiligten Akteuren immer wieder neu erzählt werden, damit das, was da gerade geschah, begriffen werden konnte und die Mühsal der anstehenden Arbeit zu ertragen war. Meine Geschichte dieser Anstrengungen ist ebenfalls aufs Er-zählen angewiesen. Nicht deshalb, weil sie keine analytischen Be-

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griffe hervorbringen könnte. Ich muss Geschichten erzählen, weil in der Vergangenheit Geschichten erzählt worden sind, die die Welt (in den Computer) bewegten. (S. 15)

Gugerli beschreibt die Genese der Computertechnik somit nicht als fortschreitende Serie technischer Geräte und Metho-den. Er will erzählen, wie die an den computertechnischen Ent-wicklungen beteiligten Akteure diese beschreiben und wie sie mit den Problemen umgehen, die mit diesen Techniken einher-gehen.

Rechnen und Formatieren

Die Computergeschichte Gugerlis beginnt mit dem im Jahr1951 von der US-Computerfirma Remington Rand präsentierten Computer UNIVAC. Dabei handelt es sich um den ersten in den USA kommerziell vertriebenen Computer. Gugerli analysiert, wie der UNIVAC innerhalb der zeitgenössischen Werbung prä-sentiert wurde. Dabei stellt er fest, dass das computergestütz-te Rechnen überraschender Weise nicht erwähnt wurde. Wider Erwarten wurde nicht mit der Rechengeschwindigkeit des UNI-VAC geworben. Es waren die Resultate, also die Art und Weise, wie mittels des UNIVAC Dinge geordnet werden konnten, die in den Mittelpunkt gestellt wurden. Entsprechend hält Gugerli fest:

Das Rechnen wurde bereits Anfang der 1950er Jahre in eine Black-box verstaut, die man nur im äussersten Notfall zu öffnen bereit war, es wurde unsichtbar gemacht und in seiner Bedeutung so weit zu-rückgestuft, dass an seiner Stelle das Sortieren, Klassifizieren und Ent-scheiden prominent gemacht werden konnten. (S. 192)

Innerhalb der Dimension der öffentlichen Präsentation des UNI-VAC wurde also insbesondere darauf eingegangen, wie mit dem Rechner auf neue Art und Weise Dinge geordnet wer-den konnten. Der Sachverhalt, dass mit dem UNIVAC und ähnli-chen Computern Rechenprozesse viel schneller abliefen, hatte allerdings weitreichende Konsequenzen. So entstand der Zug-zwang, mit der zunehmenden Rechengeschwindigkeit Daten schneller zu formatieren. Dies lässt sich anhand der im Jahr 1950 in den USA durchgeführten Volkszählung erläutern. Bei dieser Volkszählung wurde der UNIVAC eingesetzt, um die erhobenen Daten auszuwerten. Dabei trat das Problem auf, dass die ver-

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fügbaren Input-Output-Einrichtungen mit der Rechengeschwin-digkeit des UNIVAC nicht mithalten konnten. Gugerli konstatiert diesbezüglich:

Die Welt konnte nur dann in den Computer gebracht werden, wenn sich die informationelle Verarbeitungsgeschwindigkeit in den Wohnungen und Fabriken dieser Welt erhöhen liess. (S. 56)

Mit der Lösung des Problems, Rechenprozesse zu beschleuni-gen, trat plötzlich das unvorhergesehene Problem auf, dass die Geschwindigkeit zu klein war, mit der Daten formatiert werden konnten. Gugerli betont, dass sich innerhalb seiner Computer-geschichte generell zeigt, dass die Abfolge von Problemlösung und neu auftretendem Problem kontingent und somit unvorher-sehbar ist. (S. 193).

Abgrenzen

Gegen Ende des Essays beschäftigt sich Gugerli mit dem Er-scheinen der ersten kommerziellen Personal Computer zu Be-ginn der 1980er Jahre. Er schreibt:

[…] der IBM Personal Computer war glänzend auf die Reagan-Ära zugeschnitten: Im PC materialisierte sich ein kulturelles Muster der Optionen und der Wahl. […] (S. 170)

Gugerli macht darauf aufmerksam, dass das kulturelle Muster der Arbeitsweise, die mit dem Personal Computer einhergeht, dem polit-ökonomischen Stil zur Zeit der Reagan-Ära entspricht. War es doch so, dass die Administration Reagans eine Form des politischen und ökonomischen Liberalismus unterstützte, inner-halb welcher betont wurde, dass dem als singulären Individu-um gedachten Menschen möglichst viel Handlungsspielraum eingeräumt werden muss, damit dieser ein Maximum an Hand-lungsoptionen umsetzen kann. Insofern fungierte der Personal Computer als ideales Arbeitsgerät für den als solchen gedach-ten Menschen. Entsprechend geht Gugerli davon aus, dass die computertechnische Abgrenzung, welche die Personalisierung des Computers implizierte, nicht innerhalb der kalifornischen Gegenkultur zu verorten ist, wie es oft gemacht wird. Er nimmt an, dass diese Abgrenzungsleistung mit der Verlagerung der

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kleinen, alltäglichen Büroarbeiten in mit Mikroprozessoren aus-gerüstete Rechner erfolgte.

Als Apple 1984 den Personal Computer Macintosh 128K auf den Markt brachte, wurde in der entsprechenden Werbekam-pagne in den Mittelpunkt gestellt, dass es sich bei diesem um einen Computer handelt, dem quasi beigebracht wurde, wie Menschen denken und arbeiten. Folglich erübrige es sich, selbst einen langen Lernprozess zu durchlaufen, bevor man in der Lage sei, den Macintosh zu bedienen. Es handelt sich hier-bei um den oben erwähnten Aspekt bezüglich des Erscheinens der ersten kommerziellen Personal Computer. Gugerli stellt fest, dass da, wo Rechnern gezeigt wurde, wie Personen fühlten, dachten und handelten, sich der Computer und der User und somit auch ihre Beziehung veränderten. Dies sei nur möglich ge-worden, indem der gesamte Rechner zu einer Blackbox wurde (S. 172). So mussten am Macintosh keine Befehle eingegeben werden wie bei den Personal Computern von IBM. Apple entwi-ckelte eine grafische Benutzeroberfläche, deren Funktionsweise ganz auf den «User» bezogen ist. Entsprechend wurde der User vom Macintosh auch begrüsst, indem auf dem Bildschirm beim Aufstarten des Betriebssystems das Wort «hello» erschien.

Der Macintosh markiert eine wichtige Zäsur innerhalb der Computergeschichte. Diese besteht darin, dass die Betriebssys-teme von Personal Computern nun so konzipiert wurden, dass sich deren Benutzung intuitiv erschliesst und sie sich in ihrer Funk-tionsweise dem User anpassen. Damit geht einher, dass sich immer mehr Dimensionen des Rechners dem Bewusstsein des Users entziehen!

Da es sich beim Macintosh um einen Computer handelte, der dem User angepasst war und von diesem lernte, wurde das Er-scheinen des Macintosh von Apple mittels eines eindrücklichen Werbespots als Befreiung der User inszeniert, der während des Super Bowl 1984 in den USA ausgestrahlt wurde. Bei der Diskus-sion mit David Gugerli haben wir diesen Werbespot analysiert. Da dies bei den anwesenden Schülerinnen und Schülern auf grosses Interesse stiess, möchte ich darauf genauer eingehen.

Im Werbespot, dessen Regisseur Ridley Scott war, wird eine Szenerie aus George Orwells dystopischem Roman «1984» auf-gegriffen. Zu Beginn des Spots betritt eine Gruppe von grauen, ausdruckslosen und uniformen Arbeitern eine düstere Halle. In der Halle befindet sich ein grosser Bildschirm auf dem «Big Brot-her» für die Arbeiter eine Rede hält, in der er die Vereinigung

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der Gedanken anpreist. Plötzlich erscheint eine Athletin, die ei-nen Vorschlaghammer tragend durch einen Korridor läuft und dabei von der Gedankenpolizei verfolgt wird. Sie trägt für die 1980er Jahre typische Sportbekleidung. Knallig rote kurze Ho-sen und ein weisses Tank Top, auf dem die Umrisse eines Macin-tosh 128K sowie eines kleinen Apfels zu erkennen sind. Die Athle-tin läuft in die Halle, in der die Arbeiter die Rede verfolgen, und wirft dann den Hammer zum Bildschirm, um diesen zu zerstören. Dieser zerbirst und grelles weisses Licht, das von einer Quelle hin-ter dem Bildschirm ausgestrahlt wird, beleuchtet die Arbeiter. In diesem Moment verkündet eine Off-Stimme, dass Apple am 24. Januar 1984 den Macintosh vorstellt und man sehen wird, dass 1984 nicht wie Orwells «1984» sein wird.

Der Werbespot nimmt Elemente auf, die oben im Zusammen-hang des Erscheinens der ersten Personal Computer erwähnt wurden. Die Athletin, welche die Firma Apple und insbesonde-re den Macintosh repräsentiert, befreit die Arbeiter, indem sie den Bildschirm zerstört, auf dem Big Brother gezeigt wird. Ge-nau dies ist es, was Apple den Usern verspricht, wenn sie mit dem Macintosh arbeiten. Dieser ist so geschaffen, dass sie mit diesem in ihrer Individualität interagieren können, während die User anderer Personal Computer mit den Arbeitern aus Orwells Roman analogisiert werden, denen keine Individualität einge-räumt wird. Zumal die Schülerinnen und Schüler Apple heute als immens mächtigen, umsatzstarken und global agierenden Konzern kennen, der auch mehrmals bezüglich des Umgangs mit Benutzerdaten kritisiert wurde, hat sie der Werbespot irritiert. Konnten sie doch nicht sofort nachvollziehen, dass Apple sich damals noch als rebellische Firma darstellen konnte, die Men-schen befreit, indem sie Rechner kreiert, mit denen Menschen in ihrer Individualität interagieren können. Aus der heutigen Per-spektive erscheint der Werbespot geradezu ironisch.

«Panikartige Reflexe»

Globalisierung und digitale Revolution befördern in Bezug auf die gymnasiale Bildung fast schon panikartige Reflexe. Das Gymnasium sei generell total veraltet, verkorkst, verkrustet, eigenbrötlerisch. Die Zukunft erfordere eine komplett andere Bildung, der Arbeitsmarkt verlange ein ganz bestimmtes «Humankapital» – und da müssten die Gymnasien mitziehen, alte Zöpfe abschneiden, den klassischen Bildungskanon über Bord werfen. Algorithmen statt Aristoteles, In-

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formatik statt Investiturstreit, Gender statt Gerundium. Sinnbildlich ist, welchem Druck der Lateinunterricht ausgesetzt ist. Nützlichkeits-denken ist angesagt. (NZZ vom 8. Juni, S.14)

Micheal Schönenberger warnt in diesem Artikel vor der Illusion, dass es möglich sei, das Gymnasium zu verbessern, indem es zentralisiert, reguliert, standardisiert, gesteuert und vermessen wird. Meines Erachtens gilt es, diese Warnung ernst zu nehmen. Wir leben in einer von Verunsicherung geprägten Zeit. Aber ge-rade in solchen Zeiten gilt es, Ruhe zu bewahren und dem Den-ken Raum zu geben. Wie Schönenberger festhält, verlangen Wirtschafts-Akteure vom Gymnasium, dass dieses ein Humanka-pital generiert, das die Anforderungen des Arbeitsmarktes er-füllt. Dieser Anspruch ist nicht illegitim. Wenn man sich in einem Umfeld ökonomischer Konkurrenz nicht kompetitiv verhält, kann dies gravierende Folgen haben.

Angesichts dessen, erstaunt es nicht, dass die gymnasialen Lehrpläne immer stärker auf die Vermittlung von Kompetenzen ausgerichtet werden. Eine solche Bildung dient allerdings in ers-ter Linie dem einzelnen Individuum und der unter dem Primat der makroökonomischen Gesamtrechnung gedachten Gesell-schaft: Es soll am Gymnasium erlernt werden, wie Algorithmen entwickelt und diese informationstechnisch umgesetzt werden. Dem ist zuzustimmen. Auch wenn im späteren Leben nicht alle, die das Gymnasium absolviert haben, tatsächlich programmie-ren werden, müssen sie sich damit auskennen, um damit ver-bundene Probleme und Lösungsmöglichkeiten nachvollziehen zu können. Mit Programmieren allein wird das Phänomen der Digitalisierung am Gymnasium allerdings noch ungenügend behandelt.

Die Digitalisierung als geistes- und sozialwissenschaftliche Herausforderung

David Gugerli unterlässt es, innerhalb seiner Computerge-schichte den Weg der Naturwüchsigkeit und des Opferdiskur-ses zu gehen. Meines Erachtens gilt dies auch, wenn am Gym-nasium auf das Phänomen der Digitalisierung eingegangen wird. Es waren und sind stets Menschen involviert, die Entschei-dungen treffen, wenn es darum geht, wie und wozu Informa-tionstechnologie eingesetzt wird. Folglich sollen die Gymnasias-tinnen und Gymnasiasten das, was heute als gegebene Phä-

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nomene angeschaut wird, in seiner von Menschen geprägten und kontingenten Genese begreifen. Dazu gehörte es, die Fra-ge zu stellen, ob auch eine andere Entwicklung beziehungswei-se ein anderer aktueller Zustand möglich wäre. Das Phänomen der Digitalisierung soll weder euphorisch noch pauschal als be-drohlich aufgefasst werden. Abseits von Naturwüchsigkeit und Opferdiskurs soll versucht werden, das Phänomen der Digitali-sierung zu reflektieren, ohne vorschnell zu werten.

Dass die Abfolge von Problemlösung und neu auftretenden Problemen von Kontingenz geprägt ist, wird in Gugerlis Compu-tergeschichte anschaulich illustriert. So wurde etwa nicht vor-hergesehen, dass mit der Zunahme der Rechengeschwindig-keit in den 1950er Jahren Probleme beim Formatieren auftreten würden. Auch heute müssen wir damit rechnen, dass mit der Implementierung informationstechnologischer Lösungs ansätze neue Probleme auftreten, die sich nicht vorhersehen lassen. Meines Erachtens ist es während der gymnasialen Ausbildung notwendig, ein Bewusstsein für diese Kontingenz zu entwickeln. Ein solches Bewusstsein schützt vor der Illusion, dass alles tech-nisch machbar ist und trägt dazu bei, mit Geduld und Beharr-lichkeit immer wieder neue Lösungsansätze zu entwickeln.

Anthropologische und soziale Dimensionen

Die Ausführungen Gugerlis zum Erscheinen der ersten kommer-ziellen Personal Computer verdeutlichen, dass sich der Personal Computer während der 1980er Jahre in das Muster eines gewis-sen polit-ökonomischen Stils einfügt und diesen auch komple-mentiert. Dies zeigt, dass nur dann ein umfassendes Verständ-nis des Phänomens der Digitalisierung angestrebt werden kann, wenn Rechner in ihrer Interaktion mit Menschen reflektiert wer-den. Gleiches gilt für das Internet oder soziale Medien, wie sie heute existieren. Die Fragen, inwiefern soziale Medien die Öf-fentlichkeit modifizieren oder wie Filterblasen und Echokam-mern zur Meinungsbildung beitragen, lassen sich also nur dann angehen, wenn die Informationstechnologie auch in ihrer anth-ropologischen und sozialen Dimension reflektiert wird.

Daneben verweisen Gugerlis Ausführungen zum Erscheinen der ersten Personal Computer auf ein weiteres zentrales Phäno-men, das es auch heute zu berücksichtigen gilt. So wird anhand der Ausführungen zum Macintosh erkenntlich, dass es sich bei der Informationstechnologie um eine Technologie handelt, die

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sich damit unserem Bewusstsein entzieht, dass sie der mensch-lichen Individualität angepasst wird. Die heutigen informations-technologischen Geräte und Anwendungen sind derart per-fekt an die menschlichen Eigenheiten angepasst, dass sie sich so in unseren Alltag einfügen, dass wir sie kaum mehr bemer-ken. Gugerli zeigt, dass dieser Prozess des Entzugs bereits in den 1950er-Jahren eingesetzt hat, als die Rechenaktivität des UNI-VAC in einer Blackbox verborgen wurde. Folglich ist es notwen-dig, diesem Prozess des Entzugs am Gymnasium gezielt entge-genzuwirken. Dies kann nur dann erfolgen, wenn das Phäno-men der Digitalisierung nicht nur ausgehend von der Informa-tionstechnologie, sondern auch mittels narrativer, historischer und epistemologischer Ansätze angegangen wird. Die Diskus-sion mit den Schülerinnen und Schülern hat gezeigt, dass die-se ein grosses Bedürfnis haben, sich mit solchen Sachverhal-ten auseinanderzusetzen. Deutlich wurde dies insbesondere bei der Analyse des Werbespots von Apple für den Macintosh 128K. Apple ist allen Schülerinnen und Schülern ein Begriff und sie kennen die entsprechende Produktpalette eingehend. Das Bild von Apple als Konzern gewann für sie jedoch nachdrück-lich an Konturen, nachdem sie sich historisierend mit dem Wer-bespot auseinandergesetzt hatten.

Reflexion und Diskurs

Es besteht kein Zweifel, dass es sich bei der Informationstech-nologie um eine omnipräsente Kulturtechnik handelt, die Ein-gang in den gymnasialen Lehrplan finden muss. Um diesem An-spruch gerecht zu werden, bedarf es allerdings mehr, als das Fach Informatik als obligatorisch zu erklären und die Gymna-siastinnen und Gymnasiasten in das Programmieren, die Funk-tionsweise von Computernetzwerken und die Kryptologie ein-zuführen. Genauso gilt es, bezüglich des Phänomens der Digi-talisierung diskurstheoretische, medienwissenschaftliche, histori-sche und epistemologische Überlegungen anzustellen. Mit der durch das Internet erfolgenden Demokratisierung der Produk-tion und Rezeption von Information wird es unabdingbar, dass das autonome Denken abseits von zweckdienlichen Denkstra-tegien gestärkt wird.

Insofern muss das Gymnasium als Raum erhalten werden, in dem Reflexionsprozesse erfolgen können, die nicht nur am volkswirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet sind. Eine Gesellschaft

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kann keine liberal-demokratische Gesellschaft sein, wenn de-ren Mitglieder nicht in der Lage sind, autonom und kritisch zu urteilen, wenn sie nicht in der Lage sind, andere Meinungen zu vernehmen und verschiedene Begründungen gegeneinander abzuwägen. Nebst dem, dass zum autonomen und kritischen Denken angeregt wird, gilt es am Gymnasium zudem ein Senso-rium dafür zu entwickeln, wie der Einsatz von Informationstech-nologie das menschliche Leben verändert.

Kontextuell und multidisziplinär

Während der Diskussion mit David Gugerli habe ich die Schüle-rinnen und Schüler gefragt, auf welche Weise sie sich mit dem Phänomen der Digitalisierung auseinandersetzen wollen. Dabei haben sie geäussert, dass sie sich mit der Informationstechnolo-gie auseinandersetzen wollen, daneben aber auch die Auswir-kungen dieser Technologie auf die Gesellschaft und ihr eigenes Leben zu reflektieren wünschen. Dieser Anspruch wird auch im Rahmenlehrplan zum neuen Fach Informatik berücksichtigt. Es heisst dort, dass die Schülerinnen und Schüler befähigt werden sollen, das Ausmass des Einflusses der Informatik im gesellschaft-lichen und historischen Kontext einzuordnen. Zudem sollen sie entsprechend dem Rahmenlehrplan eine persönliche Einstel-lung zu den Problemen der Informatik entwickeln, was auch aus der Sicht ethischer Grundnormen erfolgen soll.

Generell ist es meines Erachtens zu unterstützen, dass inner-halb eines Faches auch regelmässig fächerübergreifende Über-legungen angestellt werden. Für eine fundierte diskurstheore-tische, medienwissenschaftliche, historische und epistemologi-sche Erörterung der Informationstechnologie sind aber insbe-sondere auch die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer gefordert. Sollte mit der Einführung des obligatorischen Fachs In-formatik eine Reduktion der Anzahl Jahreswochenstunden bei diesen Fächern erfolgen, wäre dies ein Schritt in die falsche Rich-tung. Zumal die Gymnasialzeit seit dem Ende der 1990er Jahre um mehr als ein halbes Jahr reduziert wurde, ist es für alle Fä-cher einschneidend, wenn deren Anzahl Jahresstunden reduziert wird. Diese Problematik zeigt, dass es immer notwendiger wird, die derzeitig eingeräumte Gymnasialzeit zu überdenken.

• David Gugerli. Wie die Welt in den Computer kam – Zur Ent-stehung digitaler Wirklichkeit. S. Fischer, Zürich 2018.

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Erkundungsreise durch die Welt der Zürcher GymnasienDie Darstellung von komplexen Daten und Statistiken ist eine herausfordernde Aufgabe. Hand bieten hier interaktive Infogra­fiken, welche die Betrachtenden selber steuern und erkunden können. Die Bildungsplanung nahm sich dieser Darstellungs­form an und erprobte sie am Thema der gymnasialen Bildungs­verläufe. Wir laden Sie herzlich ein, die Welt der Zürcher Gym­nasien interaktiv zu erkunden!

Sybille Bayard, Stephan Pfäffli, Tobias Schalit, Bildungsplanung Kanton Zürich

Interaktive Infografiken gehören heute in den visuellen Medi-en vermehrt zum Alltag. Als moderne Erzählmittel ermöglichen sie es, mehrschichtige Themen darzustellen, Zusammenhänge rasch aufzuzeigen, Veränderungen herauszuheben und Ver-gleiche pointiert zu vermitteln.

Wir erprobten dies am Thema der gymnasialen Bildungsver-läufe im Kanton Zürich. Eine statische Grafik dazu lag im Bericht «Entwicklung der gymnasialen Mittelschulen des Kantons Zürich 2006–2014» der Bildungsplanung bereits vor. Darauf aufbauend wollten wir wissen, welche Möglichkeiten eine interaktive Gra-fik bietet und wie wir mit der Fülle an Daten und Informationen nachvollziehbar umgehen können. Entstanden ist eine interak-tive Infografik mit zwei thematischen Schwerpunkten: «Bildungs-verläufe» und «Zeitverläufe».

Bildungsverläufe

Auf Basis von Längsschnittdaten der Bildungsstatistik Kanton Zü-rich widmen sich «Bildungsverläufe» der Frage, wie Jugendliche das Gymnasium durchlaufen. Sie verdeutlichen, inwiefern sich im Gymnasium neben geradlinigen Bildungswegen auch Ge-schichten über Verzögerungen, Klassenwiederholungen, Um-wege und Austritte finden. Verschieden grosse und farbige Krei-

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se in der Infografi k zeigen Zu- und Abgänge eines Jahrgangs vom Eintritt ins Gymnasium bis zur Maturität.

Abbildung 1, die einen Ausschnitt aus den Bildungsverläufen darstellt, zeigt, wie viele Jugendliche im Jahr 2012 die Probe-zeit am Kurzgymnasium nicht bestanden haben. Farbige Kreise geben Aufschluss über die Art der Anschlusslösung nach nicht-bestandener Probezeit. Die am häufi gsten gewählte Anschluss-lösung ist demnach der erneute Besuch des Gymnasiums, ge-folgt von einem Wechsel in die Berufsbildung. Ein Scrollen über die farbigen Kreise ermöglicht es, die genaue Anzahl Jugendli-che in der entsprechenden Anschlusslösung anzuzeigen. Mittels Regler kann zudem der Jahrgang geändert werden.

Zeitverläufe

Die auf Querschnittdaten basierenden Zeitverläufe geben Auf-schluss darüber, wie sich die Mittelschulen als System entwi-ckeln. Mittels Liniendiagrammen werden die Entwicklung der Bestände, der Probezeitergebnisse und der Abschlüsse an den gymnasialen Mittelschulen über die vergangenen Jahre hin-weg wiedergegeben. Es sind Differenzierungen nach Wohn-bezirk, Nationalität, Profi l, Geschlecht und Schule möglich, wo-bei die Ergebnisse in absoluten Zahlen oder als Quote ausgege-ben werden können. Die Betrachtenden können sich ihren Weg

Abbildung 1: Austritte während der Probezeit am Kurzgymnasium 2012 (Ausschnitt)

9. KlasseKurzgymnasium

Start 2012 Diese Jugendlichen haben die Probezeit nicht bestanden und besuchen im nächs-ten Jahr wieder das Gymnasium.

Öffentliches GymnasiumRepetitionAustritt und WiedereintrittPrivates Gymnasium / FMS

Öffentliche VolksschulePrivate VolksschuleHeim- und Sonderschule

Öffentliche Fach-, Handels-, InformatikschuleBerufsbildungZwischenlösungKeine Angabe

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durch die Grafiken selber bahnen und werden dabei durch Le-sehilfen unterstützt.

Als Beispiel zeigt Abbildung 2 die Entwicklung der Lernen-denzahlen in absoluten Zahlen nach Geschlecht, differenziert zwischen Untergymnasium und Obergymnasium (MAR-Jah-re). Während fast gleich viele junge Männer und junge Frau-en die beiden Jahre des Untergymnasiums besuchen, gibt es am Obergymnasium deutlich mehr junge Frauen als Männer. Zudem zeigt die Abbildung, dass der Bestand am Untergym-nasium seit 2008 relativ konstant geblieben ist, während er am Obergymnasium bei beiden Geschlechtern um rund 500 Ju-gendliche angestiegen ist.

Erkunden Sie selbst die Welt der Zürcher Gymnasien: www.bi.zh.ch/infografik_mittelschulen (geeignet für Desktop und Tablet quer)! Rückmeldungen und Anregungen zur interaktiven Info-grafik nehmen wir gerne entgegen. Sie können uns auch gerne kontaktieren, wenn Sie die Themen öffentliche Statistik, Daten, Datenanalyse und Datenvisualisierung auf Basis der Daten der Infografik im Mathematik- oder Informatikunterricht vertiefen möchten. Gerne sind wir bereit, je nach Bedürfnis ein entspre-chendes Angebot für den Unterricht mit Ihnen zu entwickeln.

Abbildung 2: Entwicklung der Anzahl Lernenden am Unter- und Ober-gymnasium nach Geschlecht (2008-2016)

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Bildungsplanung Kanton Zürich

Die Bildungsplanung erarbeitet systematisch Wissen über das kantonale Bildungswesen vom Kindergarten bis zur Hochschu-le. Sie analysiert, wie gut, bedarfsgerecht, aufeinander abge-stimmt und wirkungsvoll die Bildungsangebote im Kanton Zü-rich sind, und zeigt Perspektiven für die Weiterentwicklung auf – dies unter Einbezug von Bildungspartnerinnen und -partnern. Mit ihrer Arbeit unterstützt sie die Bildungsdirektion bei ihrer Pla-nung. Die Erkenntnisse kommen auch Schulfeld, Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit zugute. Kontakt: [email protected]

Selbstverantwortliches digitales Lernen mit der Software «Lernnavi»Im September 2018 nehmen 16 Zürcher Mittelschulen mit bis zu 14 Deutsch- und 7 Mathematikklassen an der Pilotierung des St. Galler Onlinetools «Lernnavi» teil. Das Tool wird im Rahmen des Projekts «Basale fachliche Kompetenzen für allgemeine Studierfähigkeit» getestet.

Lucius Hartmann

Am 12. März dieses Jahres erliess der Zürcher Bildungsrat das Kantonale Rahmenkonzept «Basale fachliche Kompetenzen für allgemeine Studierfähigkeit» (BfKfAS), das unter engem Einbe-zug von Vertreterinnen und Vertretern aus dem Schulumfeld er-arbeitet wurde. Das Rahmenkonzept dient dem Anliegen, den Erwerb dieser Kompetenzen zu sichern, um den prüfungsfreien Hochschulzugang aufrechtzuerhalten. Es sieht folgende Mass-nahmen vor:• Die Schule erstellt ein schulspezifisches Konzept zu den BfKfAS,

in dem die Beiträge der Fachschaften enthalten sind;

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• Die Lehrpersonen erstellen gemeinsam für ihre Fachschaft ihr jeweiliges Fachschaftskonzept und besuchen schulspezifisch Weiterbildungen;

• Die Schülerinnen und Schüler nutzen selbstverantwortlich eine digitale Lernumgebung.

In der Umsetzung des Rahmenkonzepts ist zuerst eine Vorar-beitsphase vorgesehen, in der vom Mittelschul- und Berufsbil-dungsamt die Grundlagen für die Umsetzung des Rahmenkon-zepts an den Schulen erarbeitet werden. Diese Vorarbeiten werden unter engem Einbezug von Vertreterinnen und Vertre-tern der Mittelschulen gestaltet und in zwei Arbeitsgruppen an-gegangen. Ende 2019 sollen sie abgeschlossen sein. Danach ist die Umsetzung an den Schulen und schliesslich ab Schuljahr 2021/22 der Übergang in den Regelbetrieb geplant. Die Umset-zung des Projekts steht unter Vorbehalt der Finanzierung durch die zuständige Instanz.

Die eine Arbeitsgruppe wird sich unter der Leitung von Prof. Dr. Franz Eberle mit der Erarbeitung von Materialien zur Erstel-lung der Fachschaftskonzepte und mit dem Thema Weiterbil-dung beschäftigen. Die Fachschaften sollen bei der Umsetzung darin unterstützt werden, ihren Beitrag an die Sicherung des Er-werbs der BfKfAS in Deutsch und Mathematik zu formulieren. Die zentralen Fragen sind dabei die folgenden: Was können sowohl die Kernfächer Deutsch und Mathematik als auch die anderen Fachschaften zum Erwerb und zur Sicherung der BfKfAS beitra-gen und wie können sie diesen Beitrag leisten?

Die zweite Arbeitsgruppe setzt sich unter der Leitung von Dr. Lucius Hartmann mit dem Thema «Selbstverantwortliches digi-tales Lernen» auseinander. Bis Ende 2019 soll u.a. das «Lernna-vi», ein im Kanton SG derzeit entstehendes Onlinetool, genauer geprüft und sein Einsatz im Kanton Zürich (zunächst als Test und später je nach Ergebnis der Evaluation im Regelbetrieb) vorbe-reitet werden. Da das Tool momentan noch in der Entwicklung steht, ist es möglich, Wünsche und Anregungen der Zürcher Gymnasien direkt einzubringen.

Sechzehn Zürcher Mittelschulen haben sich bereit erklärt, an der Pilotierung des Onilinetools im September 2018 teilzuneh-men. Die Arbeitsgruppe wird ihre Rückmeldungen direkt aus-werten und für die Einschätzung des Tools sowie Anregungen für die Weiterentwicklung nutzen können. Im Herbst 2019 ist eine zweite breite Testphase zur Normierung vorgesehen (ebenfalls

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unter Beteiligung von Zürcher Gymnasien), im Sommer 2020 soll «Lenrnavi» dann marktreif sein.

Was ist «Lernnavi» und wie kann es verwendet werden?

Lernnavi ist ein onlinebasiertes Lernfördersystem für die Fächer Deutsch und Mathematik spezifisch für Schülerinnen und Schü-ler der Gymnasien. Es kann insbesondere als Hilfsmittel zur Siche-rung der BfKfAS eingesetzt werden. Durch eine Verknüpfung von Kompetenzüberprüfung und Lernplattform ermöglicht es selbst-ständiges Lernen und Üben der Themen und spricht damit ge-rade auch schwächere Schülerinnen und Schüler an, punktuell kann es auch von Lehrpersonen im Unterricht benutzt werden.

Als Onlinetool kann Lernnavi natürlich nicht auf alle Bereiche der BfKfAS gleichermassen eingehen (z.B. kann der Bereich der Textproduktion nur ansatzweise abgedeckt werden), und es ist auch nicht vorgesehen, dass es den Unterricht ersetzt. Vielmehr besteht seine Stärke darin, die Schülerinnen und Schüler neben dem Unterricht beim Erwerb eines Teils dieser Kompetenzen zu unterstützen.

Was ist der Zweck der Pilotierung?

Die pädagogische Entwicklung von Lernnavi hat 2016, die tech-nische Entwicklung anfangs 2018 begonnen. Die Pilotierung im September 2018 (in einer frei wählbaren Doppellektion pro Klas-se) stellt einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zum Lernför-dersystem dar. Sie dient dazu, verschiedene Aufgabenformate auszuprobieren und erste Funktionalitäten der Plattform zu tes-ten. Durch die Bearbeitung von Aufgaben erhalten die Entwick-ler Rückmeldungen zur Verständlichkeit der Aufgaben und zur Benutzerfreundlichkeit der Plattform. Den teilnehmenden Schü-lerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen ermöglicht die Pilo-tierung einen ersten (noch sehr beschränkten) Einblick in Teile von Lernnavi. Durch die breit gefächerte Teilnahme im Kanton Zürich kann Lernnavi zudem auch auf die Zürcher Bedürfnisse ausgerichtet werden.

Die Arbeitsgruppe «Selbstverantwortliches digitales Lernen» wird bis Ende 2019 ein Konzept ausarbeiten, wie das Lernnavi an den einzelnen Gymnasien des Kantons Zürich sinnvoll und ziel-gerichtet eingesetzt werden kann, und gleichzeitig die techni-

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schen und juristischen Voraussetzungen klären. Die Arbeitsgrup-pe setzt sich aus Lehrpersonen der Fächer Deutsch und Mathe-matik sowie aus einer Vertretung der Schülerschaft zusammen und kann daher die Bedürfnisse der verschiedenen Beteiligten sehr gut berücksichtigen. Ziel ist es, den Fachschaften für die Umsetzungsphase ab 2020 eine Handreichung zur Verfügung zu stellen, mit welcher der Einsatz dieses Tools ohne grossen Auf-wand ermöglicht wird. Während dieser Phase soll die Software unter Beteiligung der Schulen evaluiert werden, so dass 2021 über eine definitive Einführung entschieden werden kann.

Zur Person

Dr. Lucius Hartmann ist Projektleiter des Teilprojekts «Selbst-verantwortliches digitales Lernen», er unterrichtet Griechisch, Latein, Mathematik, Anwendungen der Mathematik sowie An-wendung des Computers an der Kantonsschule Zürcher Ober-land in Wetzikon. Seit 2017 ist er Vizepräsident des VSG. Zum Projekt «Selbstverantwortliches digitales Lernen» gibt er ger-ne Auskunft oder nimmt Anregungen entgegen ([email protected]); zum «Lernnavi» siehe auch www.lernnavi.ch.

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Wegweisender Entscheid des VerwaltungsgerichtsDer MVZ unterstützt seine Mitglieder bei Rechtsstreitigkeiten in enger Zusammenarbeit mit dem Verband der Staatsangestell­ten (VStA). Dabei verfolgen wir auch immer wieder das strate­gische Ziel der Klärung wichtiger Rechtsfragen durch Gerichts­entscheide. Am 5. Juni 2018 fällte das Verwaltungsgericht in einem unserer Fälle ein in jeder Hinsicht wegweisendes Urteil. Es ging in erster Linie um die Frage, unter welchen Voraussetzun­gen eine befristete Anstellung rechtmässig ist. (VB.2018.00088, noch nicht rechtskräftig)

Rolf Bosshard, Vizepräsident MVZ

Verbindliche Klärung zentraler Rechtsfragen

Die neuesten die Mittelschullehrerschaft betreffenden Entschei-de des Verwaltungsgerichts sind für uns von unschätzbarem Wert, weil sie richtungsweisend sind, indem sie zentrale Fragen der Rechtsauslegung verbindlich klären. Eine solch verbindliche Klärung ist nur durch Entscheide des Verwaltungsgerichts bzw. des Bundesgerichts möglich. Rechtsgutachten und Auskünfte der Behörden sind kein Ersatz dafür.

An dieser Stelle möchte ich allen unseren Mitgliedern dan-ken, die bereit sind, mit der Unterstützung des MVZ den langwie-rigen, oft zermürbenden Rechtsweg zu beschreiten, was solche verbindlichen Klärungen überhaupt erst ermöglicht. Als Ver-band sind wir nämlich nicht klageberechtigt.

Für den Verband sind Klagen ausgesprochen aufwändig und zumindest potentiell kostspielig, u.a. wegen den Gerichts-kosten. Dennoch müssen wir solche Prozesse mit dem strategi-schen Ziel der Klärung wichtiger Rechtsfragen auch in Zukunft führen. Es gibt schlicht keine Alternative. Selbst eine Niederlage vor dem Verwaltungsgericht kann solche Klärungen bewirken. Ist die Rechtslage einmal geklärt, wird es sehr viel einfacher und weniger aufwändig, den Rechtsweg zu beschreiten. Häufig ist das dann aber gar nicht mehr notwendig. Ein Verwaltungsge-richtsurteil ist ein gewichtiges Argument bei der Suche nach ein-vernehmlichen Lösungen, die wir stets anstreben.

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Dank der engen Zusammenarbeit mit Ferdinand Hürlimann, ehem. Bezirksrichter und Co-Präsident des VStA, konnte ich die Rekurse und Beschwerden ohne Unterstützung eines Anwalts ausarbeiten. Die Klärung diverser Rechtsfragen durch das Ver-waltungsgericht, auf die im Folgenden näher einzutreten ist, wird es uns in Zukunft wohl noch häufiger erlauben, auf den Bei-zug eines Anwalts zu verzichten

Sehr lange Verfahrensdauer

«Angesichts der bereits sehr langen Verfahrensdauer ist es hier angebracht, […] direkt in der Sache zu entscheiden» (E. 5). Wir sind natürlich hoch erfreut, dass das Verwaltungsgericht die Angelegenheit nicht wie üblich an die Vorinstanz, also an die Bildungsdirektion, zurückwies, sondern selbst entschied. Wir hat-ten diesen Antrag gestellt, weil die Verfahren bei der Bildungsdi-rektion nach unserer Erfahrung oft sehr lange dauern. Wir rech-nen mit rund einem Jahr.

In diesem Fall reichten wir am 19. April 2016 das Feststellungs-begehren bei der zuständigen Schulkommission ein, den Rekurs bei der Bildungsdirektion am 21. Juni 2016, den Rekurs gegen die Kündigung am 25. September 2016. Am 22. Dezember 2017 wies die Bildungsdirektion die Rekurse ab.

Wäre die überdurchschnittliche Tiefe der Auseinanderset-zung mit den entscheidenden Rechtsfragen der Grund für die lange Verfahrensdauer, wäre dies ein akzeptabler Rechtferti-gungsgrund. Allerdings haben wir erhebliche Zweifel daran, dass sich die Bildungsdirektion mit den aufgeworfenen Rechts-fragen tatsächlich so gründlich auseinandersetzte, wie wir das auch von einer Verwaltungsbehörde erwarten dürfen. Das Ur-teil des Verwaltungsgerichts hat unsere Zweifel bestärkt.

Schulkommission ist Aufsichtsorgan

Die Schulkommission ist auch für befristete Anstellungen letztlich verantwortlich, auch wenn das Mittelschulgesetz Ernennung und Entlassung der Lehrpersonen mit befristeter Anstellung der Kompetenz der Schulleitungen zuweist (§ 7 Abs. 3 MSG). Aller-dings ist die Schulkommission auch bezüglich befristeter An-stellungen das Aufsichtsorgan der Schule (§ 6 Abs. 1 MSG) und muss aktiv sicherstellen, dass das geltende Personalrecht ein-

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gehalten wird. Insbesondere wenn nicht völlig klar ist, ob eine Anstellung befristet bzw. unbefristet zu erfolgen hat, muss die Schulkommission entscheiden und die Verantwortung überneh-men. Das Verwaltungsgericht hat dies wieder einmal mit aller nur wünschbaren Deutlichkeit in Erinnerung gerufen.

Dass für die unbefristete Anstellung von Lehrpersonen die Schul-kommission zuständig ist, während die befristete Anstellung von Lehrpersonen in die Zuständigkeit der Schulleitung fällt, vermag an der Konversion nichts zu ändern. Die Schulkommission muss sich in dieser Konstellation die Handlungen der Schulleitung entgegen-halten lassen, zumal ihr freigestanden hätte, unzulässige befriste-te Anstellungen der Schulleitung im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit (§ 6 Abs. 1 Ingress MSG) zu unterbinden. (E. 4.4)

Anfechtbarkeit von Anstellungsverfügungen

Jede Anstellungsverfügung enthält auch eine Rechtsmittel-belehrung. Innert 10 Tagen kann (und muss) eine Begrün-dung der Verfügung schriftlich verlangt und anschliessend ein Rechtsmittel (Rekurs) ergriffen werden. Wird darauf ver-zichtet, erwächst die Verfügung in Rechtskraft und kann, von Ausnahmen wie immer abgesehen, nicht mehr angefochten werden.

In der Alltagsrealität einer Zürcher Mittelschule ist diese recht-liche Möglichkeit in der Regel jedoch letztlich eine rein theore-tische. Man stelle sich Lehrbeauftragte vor, die bei ihrer ersten Anstellung eine Begründung verlangen, um die Verfügung an-fechten können, um also gegen die eigene Schulleitung den Rechtsweg beschreiten zu können. Eine absurde Vorstellung. Dieser Asymmetrie trug der Gesetzgeber Rechnung, als er be-schloss, das Zeitalter der Kettenarbeitsverträge mit dem neuen Personalgesetz zu beenden.

Unsere Mitglieder haben denn auch zu keiner der sie betref-fenden, rechtswidrigen Anstellungsverfügungen eine Begrün-dung verlangt oder gar Rekurs eingelegt. So erwuchsen die Verfügungen in Rechtskraft. Wird später ein sogenanntes Fest-stellungsbegehren gestellt, wie in unseren beiden Fällen, kann sich eine Schulkommission grundsätzlich weigern, darauf über-haupt einzutreten. In einem Fall beschloss die Schulkommission trotzdem Eintreten, in einem gleich gelagerten Fall eine ande-re Nichteintreten.

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Vorrang des Gesetzes

Obwohl uns natürlich bewusst war, dass Anstellungsverfügun-gen in kürzester Zeit in Rechtskraft erwachsen, waren wir zuver-sichtlich, dass zumindest das Verwaltungsgericht das stets wie-der verlängerte, befristete Anstellungsverhältnis unserer zwei Mitglieder trotzdem als ein unbefristetes mit der Möglichkeit der Kündigung anerkennen würde.

Wir sind nämlich dezidiert der Meinung, dass eine unmissver-ständliche Bestimmung des Personalgesetzes den Vorrang vor einer Verfügung hat.

«Befristete Arbeitsverhältnisse sind grundsätzlich für längstens ein Jahr zulässig und gelten nach dessen Ablauf als unbefristet. Wird das befristete Arbeitsverhältnis weiter verlängert, hat es die Wir-kungen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses». (Art. 13 Abs. 2 PG)

Die entscheidende Frage ist folglich, ob ein befristetes Anstel-lungsverhältnis bei Verlängerung nach einem Jahr von Geset-zes wegen, also automatisch – und vor allem völlig unabhän-gig von den Modalitäten der Verlängerung – in ein unbefristetes umgewandelt wird, es also die Wirkungen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses hat, wie im Gesetz vorgesehen. Das Verwal-tungsgericht nennt das eine gesetzliche Konversion in ein unbe-fristetes Anstellungsverhältnis.

Die Bildungsdirektion hat sich nach meiner Einschätzung als Rekursinstanz nicht eingehend genug mit dieser entscheiden-den Rechtsfrage auseinandergesetzt, sondern etwas gar unkri-tisch den Rechtsstandpunkt derjenigen Schulkommission über-nommen, die auf das Feststellungsbegehren gar nicht eingetre-ten war. Sie rügte gar die andere Schulkommission, die auf un-ser Feststellungsbegehren eintrat.

Das Verwaltungsgericht hat in beiden Fällen (VB.2017.00737 und VB.2018.00088) unsere Rechtsauffassung zur Zulässigkeit ei-nes Feststellungsbegehrens unmissverständlich bestätigt.

Wie die Kammer kürzlich in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, besteht an der Klärung der Frage, ob ein Anstellungsverhältnis sich von Gesetzes wegen von einem befristeten in ein unbefristetes gewandelt habe, ein schutzwürdiges Interesse, weil die Bejahung einer solchen Konversion dazu führte, dass die Beschwerdeführe-rin weiterhin in einem Anstellungsverhältnis stünde (VGr, 14. Febru-

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ar 2018, VB.2017.00737, E. 4.3). Die Schulkommission hat das Fest-stellungsbegehren der Beschwerdeführerin deshalb entgegen der Auffassung der Vorinstanz zu Recht behandelt.

Auch in der Sache stützte das Verwaltungsgericht zumindest in einem Fall unsere Rechtsauffassung:

Weil kein zulässiger Grund für eine befristete Anstellung gegeben war, handelte es sich ab Beginn des zweiten Anstellungsjahrs um ein unzulässiges Kettenarbeitsverhältnis, was nach § 13 Abs. 2 Satz 2 PG die gesetzliche Konversion in ein unbefristetes Anstellungsver-hältnis zur Folge hat, ungeachtet dessen, dass die Anstellung auf dem Verfügungsweg nur befristet verlängert worden war (VGr, 14. Februar 2018, VB.2017.00737, E. 5.3).

Die beiden Entscheide des Verwaltungsgerichts stärken die Po-sition von Lehrbeauftragten, die rechtswidrig (wiederholt) be-fristet angestellt werden. Das Machtgefälle zwischen Arbeit-geber und Arbeitnehmer bleibt im Falle von Lehrbeauftragten dennoch gewaltig. Dieses Thema kann an dieser Stelle aller-dings nicht vertieft werden.

Missbrauch als Probezeit

Eine Mittelschullehrperson mit abgeschlossener pädagogischer Ausbildung muss unbefristet angestellt werden, von wenigen eng definierten Ausnahmen wie immer abgesehen. Eine befris-tete Anstellung im Sinne einer Probezeit, wie an Zürcher Mittel-schulen Usus, ist schlicht rechtswidrig.

Die Schulkommission scheint sodann der Auffassung zu sein, sie dür-fe Lehrpersonen im Sinn einer Probezeit zunächst nur befristet an-stellen. Dafür lässt § 3 Abs. 5 MBVO indes ebenfalls keinen Raum. […] Die einstweilige befristete Anstellung, um damit die Probezeit zu verlängern, ist als Rechtsumgehung zu qualifizieren und damit rechtswidrig. (E. 4.3)

Die Probezeit ist im Personalgesetz geregelt (Art. 14 Abs. 1 PG). Spezialgesetzliche Regelungen fehlen. Sie dauert 3 Monate bei einer Kündigungsfrist von 7 Tagen. Das wissen die Bildungsdirek-tion wie Schulkommissionen und Schulleitungen sehr genau. Be-reits 2010 vertrat ich im Qi dezidiert die These, die De-facto-Pro-

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bezeit von einem Jahr in Form einer befristeten Anstellung sei rechtswidrig. (Qi 10/4, S. 28 ff.: Probezeit für Mittelschullehrerin-nen und -lehrer?) Selbst wenn die Qi im MBA und von Schul-leitern nicht regelmässig gelesen würde, hätten sie das wissen müssen, denn KR Thomas Vogel machte bereits 2008 diese Fra-gen mit einer Motion nicht nur im Kantonsrat zum Thema. Das Lehrpersonalgesetz (LPG) regelte in der Folge die Probezeit für LP der Volksschule vor wenigen Jahren spezialgesetzlich.

Im Mittelschulgesetz finden sich wie gesagt keine spezifischen Regelungen für die Probezeit von MLP. Warum das so ist und wa-rum die Bildungsdirektion die offensichtlich rechtswidrige Praxis der Mittelschulen seit vielen Jahren zulässt, wirft insbesondere Fragen hinsichtlich der Compliance (Siehe S. 51 dieser Qi) auf.

Im Zweifel unbefristet

Selbstverständlich gibt es auch an Mittelschulen zulässige Grün-de für eine befristete Anstellung auch von MLP mit abgeschlos-sener pädagogischer Ausbildung. Doch handelt es sich dabei um eng begrenzte Ausnahmen, die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts im Verlaufe der Jahre immer präziser gefasst wurden. Das ist ein grosser Erfolg für die vom MVZ ge-führten Beschwerden mit dem strategischen Ziel der Klärung von Rechtsfragen.

Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag die Überlegung der Vorin-stanz, es sei nicht vorhersehbar gewesen, ob die Beschwerdefüh-rerin ein Jahr später noch benötigt werde, weshalb die befristete Anstellung bzw. die befristeten Verlängerungen gerechtfertigt ge-wesen seien. Nach der Regelung von § 3 Abs. 5 MBVO muss das Ende des Anstellungsverhältnisses im Zeitpunkt der Anstellung be-reits feststehen. Es muss mithin klar sein, dass die fragliche Lehr-kraft nur für beschränkte Zeit benötigt werde, was etwa bei Mut-terschaftsvertretungen regelmässig der Fall ist. Ist die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach Ablauf eines Jahrs hingegen unklar, liegt kein Anwendungsfall von § 3 Abs. 5 MBVO vor; in solchen Fäl-len ist die Lehrkraft vielmehr unbefristet anzustellen und das Anstel-lungsverhältnis bei einer Veränderung der Schülerzahlen gegebe-nenfalls ordentlich aufzulösen. (E. 4.3)

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Diese Klarstellung des Verwaltungsgerichts dürfte den Spiel-raum bei der Umgehung des Kündigungsschutzes markant ein-schränken.

Anstellungsverfahren für eine MLP mbA

Ein Anstellungsverfahren für eine MLP mbA kann eine befris-tete Anstellung grundsätzlich rechtfertigen. Allerdings hat das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen dafür in diesem Urteil ganz eng gefasst.

Soweit die Schulkommission sodann auf ein Anstellungsverfah-ren für eine Mittelschullehrperson mbA verweist, vermöchte dies zwar grundsätzlich eine befristete Anstellung zu rechtfertigen (VGr, 14. Februar 2018, VB.2017.00737, E. 5.4.2 f., auch zum Folgenden); das setzte aber voraus, dass bereits im Zeitpunkt der erstmaligen be-fristeten Anstellung konkrete Schritte für ein solches Anstellungsver-fahren unternommen worden wären und die Anstellung demnach nur zur Überbrückung gedient hätte, bis die fragliche Stelle durch eine Mittelschullehrperson mbA hätte besetzt werden können. (E. 4.3)

Die erfreulichen Präzisierungen des Verwaltungsgerichts dürf-ten den Spielraum bei der Umgehung des Kündigungsschutzes markant einschränken.

Vorläufiges Fazit

Das hier in den Grundzügen vorgestellte Urteil des Verwaltungs-gerichts ist nach meiner Einschätzung ein Meilenstein bei der Klärung der vielfältigen Rechtsfragen rund um die seit langem umstrittene Praxis hinsichtlich unbefristeter bzw. befristeter An-stellungen. Es dürfte den Spielraum von Schulleitungen und Schulkommissionen bei der Umgehung des vom Gesetzgeber gewollten Kündigungsschutzes entscheidend einschränken. Al-lerdings wird bei der Umsetzung vieles von der Compliance und damit vom Willen der Bildungsdirektion abhängen, das gelten-de Personalrecht auch gegen hartnäckige Widerstände durch-zusetzen.

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Licht am Ende eines langen Tunnels in SichtBereits ab 2019 mehr individuelle Lohnerhöhungen als ursprüng­lich budgetiert, Wiedereinführung der Einmalzulagen und bei un­verschuldeter Kündigung werden die Entlassungen altershalber bereits ab 55 statt ab 58 Jahren ausgesprochen. Das sind Erfolge, welche die VPV in jüngster Zeit verbuchen durften.

Peter Reinhard, Präsident VPV

Die vergangenen Jahre waren für das Personal schwierig. Ein Sparpaket folgte dem nächsten, obwohl die Jahresrechnun-gen des Kantons Zürich jeweils bedeutend besser abschlossen als budgetiert und in der Mittelfristplanung prognostiziert. Das erzeugte berechtigterweise Frustration und schlug bei vielen auf die Motivation. Doch die VPV sind in all diesen schwarzen Jahren unbeirrt ihren Weg gegangen. Ein wichtiges Erfolgsre-zept besteht darin, mit aufrichtigem Respekt mit der Gegensei-te zu verhandeln, zu argumentieren, und auch hin und wieder – wo angebracht – Verständnis zu zeigen. Nicht nur unser Part ist bei diesen Treffen mit der Regierung und der Verwaltung wich-tig, sondern auch unsere Gesprächspartner. Wir dürfen die da-für Verantwortlichen hier ruhig einmal offen benennen: mit Re-gierungsrat Ernst Stocker und der Personalchefin Anita Vogel treffen wir jeweils auf kompetente und kommunikative Partner.

Im Einsatz für die Anliegen des kantonalen Personals

Selbstverständlich ruhen wir uns nicht auf unseren Lorbeeren aus. Wir streben eine Lohnerhöhung für alle an und kämpfen für eine zusätzliche Ferienwoche. Allerdings nicht so, wie sich das die Regierung vorstellt. Diese will die Wochenarbeitszeit von 42 auf 42,5 Wochenstunden erhöhen um kostenneutral zu sein. Die über 60-Jährigen würden zwei Tage freie Zeit während der Feiertage verlieren. Die VPV verlangen die fünfte Ferienwoche ohne Arbeitszeiterhöhung.

Auch unsere «Hausjuristin», Rahel Bächtold, konnte wichtige Erfolge erzielen. So wurde beispielweise der Sozialplan bei der Erwachsenenbildung Zürich erfolgreich abgeschlossen. Dort

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kam es zu zahlreichen Entlassungen, dabei wurde die Alterskün-digung bereits ab 55 Jahren anstatt ab 58 Jahren ausgespro-chen. Die VPV hätten in dieser Frage auch einen Rechtsstreit nicht ausgeschlossen. Für die Betroffenen bedeutet das einen nicht zu unterschätzenden finanziellen Vorteil. Bei der Überfüh-rung des Lehrmittelverlags in eine AG – der Kanton bleibt Mehr-heitsaktionär – sind auf Vorschlag der VPV eine Taggeldversi-cherung für alle Mitarbeitenden und eine fünfte Ferienwoche in die Personalverordnung eingeflossen.

Whistleblowing ist ein altes Sorgenkind der VPV. Nun hat die Regierung dazu ein Merkblatt herausgegeben mit klaren Re-geln, welches unter www.vpv-zh.ch abrufbar ist.

Verbandsintern hat es wesentliche Verbesserungen gege-ben. So nehmen wir die Möglichkeit von Aushängen von VPV-Aktivitäten in Amtshäusern verstärkt wahr. Seit den Neuwahlen der Stiftungsräte der BVK kümmern sich die VPV intensiv um die Anliegen in dieser Pensionskasse. Dazu haben wir – zusammen mit dem VPOD – anfangs Jahr unsere Forderungen bei der Ge-schäftsleitung und dem Stiftungsrat deponiert.

Aufpassen bei den Kantonsratswahlen

Mit Kantonsrat Benedikt Gschwind (SP) haben wir einen verläss-lichen Ansprechpartner im Zürich Kantonsrat. Er präsidiert die kantonsrätliche Angestelltengruppe und betreibt auch Lob-bying für Anliegen, welche die Staatsangestellten betreffen. Im nächsten Frühjahr 2019 finden bekanntlich Wahlen statt. Ein neues internes Reglement stellt sicher, dass die VPV nur jene Kandidierenden unterstützen, die sich tatsächlich für die Anlie-gen der Angestellten einsetzen. So haben wir Mittel und Wege gefunden, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Vereinigte Personalverbände (VPV)

Die VPV sind ein Zusammenschluss von 15 Fachverbänden und ihren Unterverbänden und vertreten über 20 000 der ca. 38 000 Staatsangestellten. Die VPV sind offizielle Sozialpartner für das Staatspersonal und verhandeln regelmässig mit der Regierung über die Arbeits- und Anstellungsbedingungen und die Interes-sen von Personen, die dem Personalrecht indirekt, zum Beispiel in den Gemeinden, unterstehen. News: www.vpv-zh.ch. Der MVZ ist als Mitglied des VStA auch Mitglied bei den VPV.

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Aktuelles zum KoordinationsabzugUnterrichten Sie an mehreren Schulen? Haben Sie mehrere Ar­beitgeber? Fragen Sie sich, warum der eine Arbeitgeber keine Pensionskassenbeiträge bezahlt, der andere aber schon? Der Koordinationsabzug gibt immer wieder Anlass zu Fragen. Zu­dem bietet unsere Pensionskasse (BVK) ein neues Modell an. Der MVZ nimmt das zum Anlass, den Stand der Dinge zusam­menzufassen.

Silvio Stucki, Präsident MVZ

Die Altersvorsorge beruht in der Schweiz auf drei Säulen: AHV (1. Säule: Sicherung des Existenzbedarfs), Berufliche Vorsorge (2. Säule: Fortsetzung des gewohnten Lebensstandards) und Selbst-vorsorge (3. Säule: Weiter gehende Bedürfnisse). Der Gesetzge-ber regelt die Koordination zwischen den Leistungen der drei Säulen. Entsprechend kennt das BVG (Gesetz über berufliche Vorsorge) einen Koordinationsabzug, der jährlich vom Bundes-rat festgesetzt wird, seit 2016 unverändert 24 675 Franken. Der für Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerbeiträge bestimmende sog. «versicherte» oder «koordinierte» Lohn liegt deshalb um diesen Betrag tiefer als der ausbezahlte Lohn. Vorteil: tiefere Beiträge, Nachteil: geringeres, rentenbestimmendes Kapital.

Was passiert, wenn an unterschiedlichen Schulen unterrichtet wird?

Grundsätzlich wird der Koordinationsabzug von jedem Arbeitge-ber vollumfänglich oder teilweise vom Jahreslohn abgezogen.

Unterrichten Sie im Kanton Zürich an mehreren Kantonsschu-len, haben Sie trotz Teilautonomie und Anstellung durch die Schulkommission nur einen Arbeitgeber, nämlich den Kanton. Der Gesamtlohn ist massgebend für die Berechnung des Koor-dinationsabzugs. Beim Kanton Zürich haben wir zudem einen gewichtigen Vorteil, dass nämlich bei einer Teilzeitbeschäfti-gung der Koordinationsabzug entsprechend dem Gesamtbe-schäftigungsgrad beim Kanton reduziert wird. Er wird also pro rata abgezogen.

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Unterrichten Sie allerdings noch in anderen Kantonen, haben Sie mehrere Arbeitgeber, die auch bei Teilzeit möglicherweise den vollen Koordinationsabzug tätigen. In solchen Fällen ist es wichtig, sich bei diesen zu erkundigen, wie der Koordinations-abzug geregelt ist.

Was passiert bei einem zusätzlichen Lehrauftrag an einer Hochschule?

Wer gleichzeitig noch an der Universität Zürich oder an einer kantonalen Fachhochschule unterrichtet, hat rechtlich meh-rere Arbeitgeber, auch wenn der Kanton Zürich einen Gross-teil der Finanzierung übernimmt. Allerdings sind diese Arbeitge-ber ebenfalls der kantonalen BVK angeschlossen. Der Koordi-nationsabzug erfolgt also pro rata und entspricht in der Sum-me schliesslich dem Gesamtbeschäftigungsgrad. Die ETHZ hin-gegen ist ein eidgenössischer Arbeitgeber mit eigenständiger Regelung des Koordinationsabzugs.

Koordinationsabzug nicht mit der Eintrittsschwelle verwechseln

Der Koordinationsabzug sollte nicht mit der sogenannten Ein-trittsschwelle verwechselt werden. Bei der BVK sind bis Ende 2018 alle Arbeitnehmer versichert, die ein Jahressalär von min-destens 21150 Fr. erzielen. Wer weniger verdient, ist nicht BVK-versichert – es werden keine Beiträge in die Pensionskasse ein-bezahlt. Bei Anstellungen, die weniger als ein Jahr dauern, wird der Lohn jedoch auf ein Jahr hochgerechnet. Wer beispielswei-se für ein halbes Jahr angestellt wird und in dieser Zeit 15 000 Fr. verdient, wird in die Pensionskasse aufgenommen, weil der Lohn auf ein Jahr hochgerechnet 30 000 Fr. beträgt.

Die BVK bietet ab 2019 jedoch diverse Verbesserungen an. Mitunter soll der Arbeitgeber die Eintrittsschwelle auf 14 100 Fr. verringern können. Teilzeitangestellte mit sehr kleinen Pensen können dann ebenfalls in die Pensionskasse aufgenommen werden und Arbeitnehmerbeiträge leisten, um so den Schutz bei Invalidität und Tod zu verbessern. Es bleibt zu hoffen, dass der Kanton als Arbeitgeber und Entscheidungsträger diese Ver-besserung ermöglichen wird, obwohl natürlich auch entspre-chende Arbeitgeberbeiträge anfallen.

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Gesamtvorsorge der BVK als Lösung?

Als eine der ersten grossen Pensionskassen bietet die BVK mit der sogenannten Gesamtvorsorge ihren angeschlossenen Ar-beitgebern die Möglichkeit, den Koordinationsabzug zusätzlich in der beruflichen Vorsorge zu versichern. Der «versicherte» Lohn entspricht dann dem ausbezahlten Lohn und die Versicherten haben schliesslich ein höheres Sparguthaben und folglich hö-here Leistungen im Alter, bei Invalidität oder Tod. Der MVZ wird zusammen mit den Vereinigten Personalverbänden (VPV) bei der Finanzdirektion bzw. dem Regierungsrat des Kantons Zürich auf einen entsprechenden Systemwechsel hinarbeiten. Denn nur der Kanton als Arbeitgeber könnte einen solchen vollziehen und damit unsere Anstellungsbedingungen im Bereich der Pen-sionskassen verbessern.

Der MVZ bietet zahlreiche Merkblätter an!

Die Information zum Koordinationsabzug wird als Merkblatt un-ter www.mvz.ch im Mitgliederbereich bereitgestellt. Beantra-gen Sie unter www.mvz.ch/benutzer/konto-einrichten ein Lo-gin, um Zugriff auf diese für Mitglieder exklusiven Unterlagen zu erhalten (falls noch nicht vorhanden).

Ebenfalls finden Sie dort weitere MVZ-Merkblätter, z.B. zur Rechtshilfe, zur Berufshaftpflicht, zur Steuererklärung oder zu Vergünstigungen und Urlaub.

Wünschen Sie weitere Hilfestellungen oder Merkblätter? Wir freuen uns über Ihre Anregungen.

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(Zu) Viel Macht, (zu) wenig KontrolleMontesquieus grundlegende Erkenntnisse zu Macht und Macht­missbrauch sind aktueller denn je. Diese Feststellung mussten wir in den letzten Jahren im Qi des Öfteren machen. Schlagzei­len machten 2018 vor allem die Raiffeisenbank und die ETH. Bei all den Skandalen, die in den Medien hohe Wellen warfen, fällt auf, dass niemand wirklich überrascht war. Die Missstände wa­ren allen Beteiligten längst bekannt. In diesem Kontext über­wies der Regierungsrat seinen Gesetzentwurf über die Adminis­trativuntersuchung an den Kantonsrat.

Rolf Bosshard, Vizepräsident MVZ

Eine Kultur des Wegsehens

«Compliance» wird gross geschrieben, zumindest in den Hoch-glanzbroschüren von Wirtschaft, Politik und Behörden. Die tat-sächliche Durchsetzung des geltenden Rechts ist ganz offen-sichtlich sehr viel schwieriger. Möglicherweise fehlt es aber auch schlicht am politischen Willen, demonstrative Compliance-Be-kenntnisse hin oder her.

Hier sei nur an die Missstände in der BVK erinnert, die uns teu-er zu stehen kamen. Der Compliance-Wille war beim Aufsichts-organ Regierungsrat genau so schwach entwickelt wie beim Kantonsrat, der die Oberaufsicht hat. Ohne Einbezug der BVK-Sanierung beim mittelfristigen Ausgleich der Erfolgsrechnung wäre dieser nie gefährdet, die Inszenierung der Lü 16 sehr viel schwieriger gewesen. Finanzpolitisch war die Lü 16 ja bekannt-lich weder sinnvoll noch notwendig. Dies wird heute kaum noch ernsthaft bestritten. Die Verantwortung für das Scheitern der Lü 16 will allerdings wie gewohnt niemand übernehmen. Die Ver-antwortlichen konzentrieren ihre Energie darauf, den Schwar-zen Peter weiterzureichen, wie bereits bei der Aufarbeitung der Missstände in der BVK. Die Versuchung, angesichts dieser «co-médie humaine» gelassen die Schultern zu zucken ist gross, wä-ren da nicht die nur zu realen Kosten für die Betroffenen.

Unübersehbar gibt es bei den Aufsichtsorganen eine weit verbreitete Kultur des Wegsehens, Ausdruck einer geradezu in-

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stinktiven Verantwortungsscheu. Dies löst regelmässig empörte, allerdings selten nachhaltige Reaktionen aus. Solche Skanda-le sind für die Medien höchst attraktiv, wenigstens für ein paar Tage. Aussitzen erweist sich deshalb immer wieder als eine Er-folgsstrategie. Selbstverständlich – jedoch eher beiläufig und ri-tuell – wird jeweils hoch und heilig versprochen, dieses Mal ernst-haft gegen die Missstände vorgehen zu wollen. Bevor man still-schweigend zur Tagesordnung übergeht.

«Der Verwaltungsrat hat auf der ganzen Linie versagt», schreibt zum Beispiel die NZZ am 15. Juni 2018 zum Fall Raiff-eisen und meinte die Verwaltungsräte. Angesichts der Häufig-keit solch offensichtlichen Versagens kann es sich allerdings kaum nur um eine Häufung persönlichen Versagens handeln. Das Versagen ist wohl doch systembedingt, konstitutiver Teil ei-nes grundlegenden Machtproblems. Und es ist deshalb zwei-felhaft, ob mehr Kontrolle, Aufsicht, Compliance tatsächlich eine Lösung verspricht, wenn sie selbst Teil des Problems sind. Montesquieu war da konsequenter, realistischer: Nur konsisten-te Machtbegrenzung, ein ausgewogenes System von «checks and balances», kann den Machtmissbrauch eindämmen, der jeder Machtkonzentration inhärent ist.

Gesetz über die Administrativuntersuchung

«Der Regierungsrat will das Verfahren bei Administrativuntersu-chungen gesetzlich regeln. Dabei geht es insbesondere auch um die Koordination mit parallel laufenden Strafprozessen. Er beantragt dem Kantonsrat daher, in sechs Gesetzen entspre-chende Anpassungen vorzunehmen» (MM vom 19.7.2018). Zu diesen Gesetzen gehört auch das Mittelschulgesetz. Die Mittel-schullehrerschaft gehört somit zu den direkt Betroffenen dieser Gesetzesreform. An dieser Stelle soll deshalb soweit als möglich die Frage geklärt werden, welche Auswirkungen diese Anpas-sungen auf die Mittelschulen haben könnten.

Bisher fehlte für Administrativuntersuchungen, die für betrof-fene Kolleginnen und Kollegen unter Umständen gravierende Folgen haben können, eine gesetzliche Grundlage. Seit 2009 wurde das Verfahren wenigstens in einer Weisung des Regie-rungsrates präzisiert (RRB Nr. 1580/2009). Das ist in einem Rechts-staat unhaltbar. Deshalb ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Administrativuntersuchungen auch aus Personal-sicht grundsätzlich zu begrüssen.

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Zu begrüssen ist ferner die Klärung der Mitwirkungspflichten und -rechte der Betroffenen. Der Verweis auf allgemein gülti-ge Rechtsgrundsätze genügt da nicht. Schliesslich ist auch die Klärung der Schnittstellen zwischen Administrativuntersuchun-gen und parallel laufenden Strafuntersuchungen zwingend er-forderlich. Die Strafanzeige einer Mutter gegen einen Deutsch-lehrerkollegen hat vor wenigen Jahren gezeigt, wie heikel die-se Schnittstelle ist.

Inhaltlich hat die vom Regierungsrat eingesetzte Projektgrup-pe nach meiner Einschätzung solide Arbeit geleistet. Die Admi-nistrativuntersuchung wird nicht grundsätzlich neu geregelt. Pri-mär werden die bestehenden Regeln im Gesetz verankert und insbesondere die Mitteilungspflichten der Strafverfolgungsbe-hörden präzisiert. Aus Personalsicht gibt es deshalb keine grund-sätzlichen Vorbehalte gegen die geplanten Gesetzesanpas-sungen.

Hohe Hürden in der Praxis

Die kantonalen Aufsichtsorgane verfügen mit dieser Geset-zesrevision über potentiell wirksame Instrumente zur Durchset-zung des Rechts, zum Beispiel des Personalrechts ausnahmswei-se auch einmal gegenüber machtbewussten Vorgesetzten und zugunsten betroffener Kolleginnen und Kollegen. Die Möglich-keit, mit Unterstützung des MVZ notfalls auch einmal den Rechts-weg zu gehen, ist in den meisten Fällen eine sehr theoretische Möglichkeit, zumindest vor der Auflösung des Arbeitsverhältnis-ses. Der Rechtsweg ist keine Alternative zum konsequenten Voll-zug des Rechts durch die Exekutive.

Offen bleibt die Frage, ob die Aufsichtsorgane auch den Wil-len entwickeln werden, die neuen Instrumente bei Bedarf auch einzusetzen. Ein Blick in die jüngste Vergangenheit stimmt mich nicht sonderlich zuversichtlich. Die Bildungsdirektion liess Schul-leitungen jahrelang gewähren, wenn diese massenhaft, aber durchaus variantenreich den Kündigungsschutz umgingen und noch immer umgehen. An dieser Stelle sei lediglich an die rund 250 «unechten» Lehrbeauftragten erinnert, die noch 2008 wie-derholt befristet angestellt wurden, obwohl der Gesetzgeber 1999 Kettenarbeitsverhältnisse explizit verboten hatte.

Selbstverständlich ist es nicht unproblematisch, von der Ver-gangenheit auf die Zukunft zu schliessen. So gibt es ja durch-aus Hinweise, dass bei der Compliance ein grundlegender Kurs-

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wechsel angestrebt wird. Andererseits nähren diverse neue-re Rechtsfälle meine Skepsis. Als Historiker ist mir bewusst, dass grundlegende Kurswechsel, Paradigmenwechsel gar ausge-sprochen selten sind. Doch hängen diese bekanntlich nicht nur vom guten Willen der Akteure ab, sondern stossen in der Regel auch auf erhebliche Widerstände. Im Falle der Zürcher Mittel-schulen sind die Hürden zweifelsohne hoch.

Administrativuntersuchungen sind aufwändig und mit Kos-ten verbunden. Das gilt mit Einschränkungen auch für Aufsichts-beschwerden. Andererseits ist auch im MBA die Personaldecke ausgesprochen knapp. Der vielleicht entscheidende Grund für die aus unserer Sicht gelegentlich unverständliche Zurück-haltung des MBA dürfte allerdings die Tatsache sein, dass die Schulkommissionen das eigentliche Aufsichtsorgan über die Mittelschulen sind.

Der Bildungsdirektion obliegt lediglich die Oberaufsicht, ver-gleichbar mit der Oberaufsicht des Kantonsrates über die ge-samte Verwaltungstätigkeit, auch wenn die Direktionen na-türlich ganz andere Möglichkeiten haben, diese Oberaufsicht wahrzunehmen. Das prägt grundlegend das Selbstverständnis der Akteure. Und es wäre wohl zu einfach, ihnen einfach man-gelnden Durchsetzungswillen vorzuwerfen. Die Verhältnisse sind sehr viel komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Wollen wir in diesem Bereich echte Fortschritte erreichen, müssen wir dieser Komplexität angemessen Rechnung tragen. Unrealisti-sche Erwartungen können uns nicht weiterbringen und unter-minieren die Chancen, im kontinuierlichen Dialog verständniso-rientierte Lösungen zu finden. Auch hier werden unspektakulä-re, kleine Schritte die Regel sein, Paradigmenwechsel die selte-ne Ausnahme.

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Die fünfte FerienwocheDie fünfte Ferienwoche ist seit vielen Jahren ein Thema bei den Treffen der Vereinigten Personalverbände (VPV) mit dem je­weiligen Finanzdirektor. Die Initiative des Regierungsrates, die fünfte Ferienwoche kostenneutral einzuführen, stiess bei den Personalverbänden allerdings auf wenig Gegenliebe. Über die Vereinigten Personalverbände (VPV) nahm auch der MVZ an der Vernehmlassung teil.

Rolf Bosshard, Vizepräsident MVZ

Ein Witz?

Die fünfte Ferienwoche ist zweifelsohne ein zentrales Anliegen des kantonalen Personals. Fünf Wochen sind ja auch längst der Standard in der Privatwirtschaft, was die Konkurrenzfähig-keit des Kantons auf den Arbeitsmärkten zweifelsohne beein-trächtigt. Niemand bestreitet das, nicht einmal der Finanzdirek-tor. Dennoch kam das Geschäft nicht voran, einmal abgese-hen von den zwei zusätzlichen Freitagen zwischen Weihnacht und Neujahr. Gesten der Wertschätzung an das kantonale Per-sonal stehen zu offensichtlich im Widerspruch zu den finanzpo-litischen Prioritäten der bürgerlichen Kantonsratsmehrheit. Für das Personal gibt es seit vielen Jahren ein langweiliges Einheits-menu ohne Abwechslung, nämlich Magerkost, die in Jahren fik-tiver Leistungsüberprüfung noch weiter abgespeckt wird.

Umso grösser war die Überraschung, als der Regierungsrat anfangs Juni ankündigte, die Zeit für die Einführung der fünf-ten Ferienwoche sei jetzt gekommen – wohl um dem Lü-16-Ka-ter entgegenzuwirken. Die Unternehmenssteuerreform ist ja be-kanntlich noch nicht im Trockenen. Noch grösser war die Er-nüchterung, als die geplanten Modalitäten der Einführung be-kannt wurden. Die fünfte Ferienwoche sollte kostenneutral, also ohne Kürzung der Jahresarbeitszeit realisiert werden. Die Reak-tion der Personalverbände war heftig, zumindest verbal. Es war die Rede von einem «schäbigen Geschenk» (VPOD) bzw. einer «Luftblase» (ZLV). «Besonders genervt reagieren die gemässig-ten Vereinigten Personalverbände des Kantons Zürich (VPV): ‹Diese Ferienwoche ist fast schon ein Witz.›», schrieb der Tages-anzeiger (TA 8.6. 2018).

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Das Dilemma der Personalverbände

Natürlich grenzt eine kostenneutrale Einführung der fünften Feri-enwoche an eine gezielte Provokation an die Adresse des kan-tonalen Personals. Das ist natürlich empörend, allerdings nur ge-messen an den legitimen Erwartungen des Personals. Gemes-sen an den finanzpolitischen Realitäten und Mehrheitsverhält-nissen schlicht der „courant normal“. Ich zumindest kann mich an keinen Reformvorschlag zu Gunsten des Personals erinnern, der nicht an die Vorgabe strikter Kostenneutralität gebunden gewesen wäre. Und ich bin nun doch schon viele Jahre dabei.

Seitens der Personalverbände unterstellt übrigens niemand dem federführenden Finanzdirektor ernsthaft die Intention, das Personal provozieren zu wollen. Das zeigte sich mit aller Deut-lichkeit beim letzten Treffen der VPV mit Regierungsrat Stocker. Seine sozialpartnerschaftliche Glaubwürdigkeit ist intakt, sein Respekt für die Leistungen des kantonalen Personals authen-tisch. Allerdings schätzt er den Handlungsspielraum des Regie-rungsrates in dieser Frage grundsätzlich anders ein. Sein Vor-schlag ist Ausdruck seines finanzpolitischen Realismus. Eine nicht kostenneutrale Einführung der fünften Ferienwoche ist nach sei-ner Einschätzung politisch schlicht chancenlos, auch wenn sich der Kanton Zürich die zusätzliche Ferienwoche finanziell locker leisten könnte. Es fehlt dem Personal nicht an guten Argumen-ten gegen die Zürcher Finanzpolitik, es fehlen die Mehrheiten.

Das Dilemma der Personalverbände ist entsprechend gross. Nach der eigenen Logik können sie den Vorschlag des Regie-rungsrates eigentlich nur indigniert zurückweisen. Nur ist damit nichts gewonnen, zumindest keine Mehrheit für eine grosszügi-gere Lösung. So stellt sich die Frage, ob die stille Beerdigung des regierungsrätlichen Vorschlags tatsächlich im Interesse des kan-tonalen Personals liegt.

Die Mittelschullehrerschaft

Die Einführung der fünften Ferienwoche erfordert Änderungen der Vollzugsverordnung zum Personalgesetz (VVO). Diese Än-derungen betreffen Mittelschullehrpersonen nicht, weil Arbeits-zeit und Ferienanspruch der MLP in speziellen Verordnungen geregelt sind, nämlich in der Mittelschul- und Berufschullehrer-verordnung (MBVO) bzw. in der entsprechenden Vollzugsver-ordnung (MBVVO). Das Verwaltungsgericht hat die Auslegung

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der entsprechenden Bestimmungen in mehreren Entscheiden verbindlich geklärt.

Die Arbeitszeit von MLP entspricht der Jahresarbeitszeit des Verwaltungspersonals im Sinne einer Richtzeit, also rund 1960 Stunden. Wie das Verwaltungspersonal haben wir deshalb grundsätzlich Anspruch auf 4 Wochen Ferien, die während den Schulferien zu beziehen sind. Bei der Arbeitseinteilung genie-ssen wir grosse Freiräume im Rahmen der Lektionenverpflich-tung bzw. der weit gefassten, weiteren Verpflichtungen unse-res Berufsauftrages. Es liegt in unserer Verantwortung, alle unse-re Aufgaben in der vorgegebenen Jahresarbeitszeit zu leisten. Das ist eine spezielle Form der Vertrauensarbeitszeit, mit allen bekannten Chancen und Risiken. Ob dies in der vorgegebe-nen Zeit realistischerweise geleistet werden kann, ist zumindest aus rechtlicher Sicht eher nebensächlich, denn der Arbeitgeber legt aufgrund seines Weisungsrechts fest, wie gross der bezahl-te Arbeitsaufwand sein darf bzw. muss. Selbstverständlich dür-fen wir auch mehr arbeiten, allerdings ohne Anspruch auf ent-sprechende Entlöhnung.

Da die Einführung der fünften Ferienwoche durch eine Erhö-hung der wöchentlichen Arbeitszeit kompensiert wird, bleibt die Jahresarbeitszeit des Verwaltungspersonals unverändert. Für MLP bleibt deshalb alles beim Alten. Die kostenneutrale Einfüh-rung der fünften Ferienwoche hat keine Auswirkungen auf un-sere Arbeitsverpflichtung.

Dass die Medienberichterstattung trotz ausgesprochen sach-licher Information seitens der Behörden möglicherweise den Eindruck erweckte, Lehrpersonen aller Stufen würden von der Reform ausgenommen, weil sie eh schon zu viel Ferien hätten, war kaum zu vermeiden. Für einen grossen Teil der Öffentlich-keit haben wir noch immer 13 Wochen Ferien und sind deshalb begnadete und beneidenswerte Ferientechniker. Gegen diese Vorurteile, fürchte ich, ist wohl kein Kraut gewachsen.

Der MVZ bleibt am Ball

Das Angebot, die seit Jahren geforderte, fünfte Ferienwoche kostenneutral einzuführen, ruft uns in Erinnerung, dass in den Verteilkämpfen um knappe Finanzen keine Geschenke ge-macht werden. Wohl auch in Zukunft nicht, zumindest nicht ohne grundsätzliche Verschiebungen der finanzpolitischen Pri-oritäten des Kantons. Das wiederum würde markante Änderun-

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gen der politischen Kräfteverhältnisse voraussetzen. Solche sind nach meiner Einschätzung nicht in Sicht.

Selbstverständlich sind bei den wirtschaftlichen Rahmenbe-dingungen Entwicklungen zu Gunsten des Personals nicht nur denkbar, sondern wahrscheinlich. Die Renditen für sichere An-lagen werden nicht in Ewigkeit so tief bleiben. Das würde die Finanzierung der Renten erleichtern. Die bereits unübersehba-re Lehrerknappheit dürfte in wenigen Jahren zu einem drama-tischen Lehrermangel werden. Das wird unsere Verhandlungs-macht zweifelsohne stärken. Allerdings wird diese Knappheit nicht zwingend und automatisch zu einem Kurswechsel in der Finanzpolitik führen. Ein Blick über den Rhein ist hier aufschluss-reich.

Ich gehe deshalb davon aus, dass wir auch in Zukunft um jeden Franken hartnäckig werden kämpfen müssen. Die Erfol-ge sind selten spektakulär. Aber auch kleine Erfolge sind lang-fristig von grosser Bedeutung. Selbst 1 Prozent Teuerungsaus-gleich, eine vorübergehend beschleunigte, individuelle Lohn-entwicklung, insbesondere in jungen Jahren, haben markante Auswirkungen auf den Lebenslohn und damit auch auf die zu erwartende Rente. Die relativ geringen Erfolge macht die Mit-gliederwerbung der Personalverbände nicht einfacher. Ande-rerseits sind ein hoher Organisationsgrad und die Mobilisierbar-keit der Mitglieder eine entscheidende Voraussetzung, selbst für unspektakuläre, kleine Erfolge.

Zum unspektakulären, politischen Realismus à la Stocker gibt es wohl keine erfolgversprechende Alternative, auch wenn das emotional häufig kaum noch erträglich ist.

Der MVZ bleibt am Ball, in enger Zusammenarbeit mit den an-deren in den VPV zusammengeschlosssenen Personalverbän-den. Wunder können wir keine versprechen.

Vernehmlassung 5. Ferienwoche für das Personal

Die Vernehmlassung der VPV kann unter: www.vpv-zh.ch oder www.mvz.ch eingesehen werden.

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Maturanden im Militär?Am Morgen Maturaprüfung, am Abend Zimmerinspektion durch den Feldweibel? Hunderte Rekruten müssten in der ersten RS-Woche Prüfungen schreiben, meldete die NZZ-Online (9.6.2018). Warum die Matura-Abschlussprüfungen trotzdem nicht vorver­schoben werden müssen.

Christian Metzenthin, Redaktor MVZ

Seit diesem Jahr beginnen die Sommer-Rekrutenschulen zwei Wochen früher – just in der Woche, in welcher Zürcher Maturan-dinnen und Maturanden noch ihre letzten Prüfungen ablegen müssen. Grund für die terminliche Vorverlegung der Rekruten-schule sind Anpassungen im Zusammenhang mit der Weiterent-wicklung der Armee (WEA).

Wurde die Rekrutenschule mit der Armeereform 95 auf fünf-zehn Wochen gekürzt, dauert sie seit 2004 wieder länger, näm-lich achtzehn Wochen bzw. für bestimmte Truppengattungen gar einundzwanzig Wochen. Die kürzere Ausbildung hat sich nicht bewährt, selbst künftige Kader absolvieren die Rekruten-schule wieder vollständig, statt nach sieben Wochen in die Un-teroffiziersschule zu wechseln.

Die achtzehnwöchige Sommerrekrutenschule dauert bis ge-gen Ende Oktober, das Studium beginnt aber bereits Mitte Sep-tember. Wer nach der Matura in die Rekrutenschule geht, kann nicht im gleichen Jahr das Studium beginnen. Höhere Kader, die insgesamt ein Jahr länger ausgebildet werden, könnten ihr Studium gar erst nach zwei Jahren beginnen. Damit höhere Ka-der trotzdem, bereits nach einem Unterbruch von einem Jahr, an die Universität, Fachhochschule oder Höhere Fachschu-le gehen können, hat die Armee mit Swissuniversities eine Ver-einbarung1 getroffen: Kader können das Studium drei Wochen später beginnen, gleichzeitig dürfen sie die Rekrutenschule drei Wochen früher verlassen.

Die Armee entlässt abverdienende Kader, die direkt ihr Studium aufnehmen oder weiterführen wollen, Ende der Woche 40 (mit spä-terer Kompensation der drei fehlenden Wochen) und beurlaubt sie

1 Vereinbarung zur Erleichterung des direkten Übergangs vom Abverdienen eines militärischen Grades in das nachfolgende Studienjahr, S. 1.

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in den Wochen 38 bis 40 für Studienvorbereitungen an fünf individu-ell gewählten Tagen (ohne Kompensation).

Einrücken während der mündlichen Matur?

Im Zusammenhang mit der Vorverlegung der Rekrutenschu-le erging die Forderung an die Mittelschulen, dass die mündli-chen Maturprüfungen einheitlich in der Kalenderwoche 25 ab-geschlossen sein sollten. Für die hiesigen Maturprüfungen wür-de das eine Vorverlegung um eine Woche bedeuten, zumin-dest für die mündlichen Prüfungen. Die Armee betont, dass bei der neuen zeitlichen Ansetzung der Sommer-Rekrutenschu-le versucht wurde, die Überschneidungen mit Abschlussprüfun-gen so gering wie möglich zu halten. In den meisten Kantonen seien die Prüfungen in der Kalenderwoche 25 abgeschlossen – also in der Woche vor dem Beginn der Rekrutenschule.

Der Kanton Zürich gehört zu den Kantonen, in welchen die mündlichen Maturprüfungen in der Kalenderwoche 26 statt-finden. Trotzdem muss kein Maturand vor Ende der mündli-chen Prüfungen einrücken. Gemäss Korpskommandant Daniel Baumgartner, Chef Kommando Ausbildung, sind Rekruten und Kader für Matura- und Lehrabschlussprüfungen und die dazu-gehörenden Feierlichkeiten konsequent zu beurlauben. Durch eine grosszügige Urlaubsregelung möchte die Armee für dieje-nigen, die noch Matura oder Lehrabschlussprüfungen absolvie-ren müssen, möglichst günstige Voraussetzungen für den Prü-fungserfolg schaffen. Konkret bedeutet dies, dass dienstpflich-

Abbildung: Zeitlicher Ablauf von Rekrutenschule und Studienbeginn (Quelle: VBS). Gilt nur für Kader.

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tige Maturanden erst nach Absolvieren der letzten mündlichen Prüfungen einrücken müssen und für die Abschlussfeier selbst-verständlich Urlaub erhalten.

Besteht Handlungsbedarf?

Mit dem Entgegenkommen der Armee gegenüber Maturan-den ist eine Vorverlegung der mündlichen Maturprüfung aus Sich des MVZ nicht notwendig. Dass Maturanden später in die Rekrutenschule einrücken und damit eine etwas kürzere Aus-bildung absolvieren, sollte kein Problem darstellen, schliesslich sind sie sich rasches Lernen gewohnt. Ein Vorbehalt der Armee besteht nur darin, dass (gemäss Art 57, VMDP) mindestens eine Präsenz von 80 Prozent gewährleistet sein muss.

Ähnlich wie die Verkürzung der Rekrutenschule hat sich auch die Verkürzung der Mittelschulzeit nicht bewährt. Der MVZ wehrt sich dagegen, dass die Mittelschulzeit noch weiter verkürzt wird, insbesondere wenn dies nicht notwendig ist. Mit der Kulanz ge-genüber Dienstpflichtigen, die noch den letzten Teil ihrer Ab-schlussprüfung absolvieren, hat die Armee ja bereits eine gute Lösung gefunden.

Praktische Schreibwerkstatt mit undichten Stellen

Yves Schumacher, Deutschlehrer, Kantonsschule Zürich Nord

Schreiben ist Handwerk und will geübt sein, Schreibwerkstätten mit viel selbstständigen Übungen anzubieten, liegt im Trend und macht auch Sinn, ohne Rückmeldung insbesondere des «Lehr­meisters» nützt das Üben aber herzlich wenig.

Wie grüsst und verabschiedet man sich angemessen im Rah-men geschäftlicher Korrespondenz? Jugendliche, die die Codes und Gepflogenheiten dieser Form von Kommunikation wenig kennen, finden in Andreas Neesers jüngst erschienenem Lehrbuch «Fokus Schreiben» hilfreiche Hinweise zu den Bedin-

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gungen und Fallstricken angemessener Kommunikation. Sollte man am Schluss etwa die Formel verwenden, dem anderen «je-derzeit» für Nachfragen zur Verfügung zu stehen? «‹Jederzeit›», meint der Autor, «bedeutet eben wirklich jederzeit – und das haben Sie wohl kaum gemeint».

Es sind gerade solche gut gemeinten Ratschläge des Schrift-stellers und ehemaligen Deutschlehrers, die «Fokus Schreiben» trotz zahlreicher gelungener Schreibübungen nur bedingt emp-fehlenswert machen. Denn war in der theoretischen Einleitung zum Kapitel «Korrespondieren» nicht eben noch vom pragmati-schen Kommunikationsaspekt die Rede, beim Adressaten «eine spezifische Wirkung» zu erzielen? Und was sollte ein «jederzeit» anderes signalisieren als eine hohe Kooperationsbereitschaft? Genauso abwegig wäre es, das «Ihr» bzw. «Ihre» unter der Gruss-formel aus dem Grund abzulehnen, weil der Sender sich damit wörtlich zum Eigentum des Adressaten macht.

Problematisch muss man auch Neesers Aufforderung nen-nen, «die Geschäftssprache radikal zu erneuern, ihr durch den Mut zur Vielfalt im Ausdruck, durch eigenständige, bewusst ge-setzte Formulierungen eine neue Individualität zu verleihen». Soll man Jugendlichen tatsächlich raten, in geschäftlicher Korres-pondenz das Abweichen von Normen zu forcieren, anstatt sich mit den zahlreichen kontextsensitiven Gepflogenheiten erst ein-mal vertraut zu machen?

Damit ist bereits klar, dass sich «Fokus Schreiben» für Schülerin-nen und Schüler nicht zum Selbststudium eignet. Einerseits erfor-dern kooperative Schreibübungen (es hätten ruhig einige mehr sein dürfen) wie etwa ein japanisches Kettengedicht die Arbeit und Diskussion im Klassenverband, andererseits ist für alle vier Kapitel die kritische Expertise der Lehrperson angezeigt, nicht zuletzt aufgrund des ergänzungs- und verbesserungsbedürfti-gen Theorie- und Kommentarteils.

So wird im Kapitel «Dichten» die Verbindung von Semantik und Vokalklang zunächst spielerisch erlebbar anhand eines zu schreibenden Abschiedsgedichts. Dessen erste Strophe soll möglichst viele dunkle Assonanzen (u, o, a) aufweisen, die zwei-te dagegen möglichst viele helle (e, i, ä), um den «traurigen, melancholischen Charakter» klanglich entweder verstärkt oder aber gestört zu erleben. Doch auch hier gesellt sich zu einer ge-lungenen Schreibübung ein irritierender Kommentar Neesers, der Hölderlins zweistrophiges Gedicht «Hälfte des Lebens» als Beispiel präsentiert für die Dominanz heller Vokale in der heiter

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gestimmten ersten Strophe und dunkler Assonanzen in der kla-genden zweiten:

Mit gelben Birnen hängetUnd voll mit wilden RosenDas Land in den See,Ihr holden Schwäne,Und trunken von KüssenTunkt ihr das HauptIns heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wennEs Winter ist, die Blumen, und woDen Sonnenschein,Und Schatten der Erde?Die Mauern stehnSprachlos und kalt, im WindeKlirren die Fahnen.

Klingt im zweiten Teil traurig, doch liegt dies an den «dunklen» Vokalen? Ein kurzes Nachzählen reicht, um zu merken, dass die hellen Vokale stets deutlich in der Überzahl sind.

Ähnlich zwiespältig fällt schliesslich der Qualitätstest für Ge-dichte aus, den Neeser vom deutschen Schriftsteller Matthias Politycki übernommen hat: Man wähle aus einer Anthologie ein Gedicht, verkehre jedes Wort ins Gegenteil (soweit möglich) und stelle fest, dass das anerkannte Kunstwerk, so Neeser, zu «literarischem Quatsch» geworden ist. Der wortschatzaktivieren-de Nutzen der Übung ist so unbestreitbar, wie der hohe Spass-faktor garantiert ist. Nur Neesers Kommentar gibt einmal mehr zu denken: «Dem guten Gedicht liegt ein gedankliches Kon-zept zugrunde [...]. Willkürliche Eingriffe in dieses feine sprach-liche und gedankliche Konstrukt [...] haben zur Folge, dass es zerfällt.» Doch ist dasselbe nicht auch bei jedem Geschäftsbrief der Fall, in welchem eine «freudige Mitteilung» zu «traurigem Schweigen» wird?

«Fokus Schreiben», so muss das knappe Fazit lauten, überzeugt als praxisorientierte Schreibwerkstatt zur Einübung zentraler Textsorten, enttäuscht dagegen durch einen Kommentarteil, der wiederholt unterkomplexe, widersprüchliche oder schlicht falsche Aussagen enthält. Auf eine sorgfältige Überarbeitung im Falle weiterer Auflagen ist zu hoffen.

• Andreas Neeser, Fokus Schreiben: Erzählen. Dichten. Erörtern. Korrespondieren. Mit zahlreichen Schreibaufgaben und aus-führlichem Kommentar, hep-Verlag 2018, 192 Seiten, ISBN: 978-3-0355-1057-7, CHF 32.–.

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Aha – so lernt manSchülerinnen und Schüler müssen das Lernen erst erlernen. Beim Eintritt ins Gymnasium muss das Lernen noch effizienter werden. Lern­ und Arbeitstechniken bieten dazu Hilfestellung.

Christian Metzenthin, Redaktor MVZ

Erfolgreiches Lernen zeichnet sich durch regelmässiges Einüben aus. Lernen wird dann effizient und erfolgreich, wenn Lern- und Arbeitstechniken nicht abstrakt behandelt, sondern in verschie-denen Fächern konkret eingeübt werden. Das Arbeitsheft mit dem programmatischen Titel «Aha – so lernt man» bietet dazu praktische Handreichung. Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der 4. Klasse bis in die Oberstufe. Die darin zu finden-den Vorschläge sind gut auch am Untergymnasium anwend-bar, sie müssen zum Teil etwas angepasst werden.

Mit meinen Schülerinnen und Schülern machte ich die Probe aufs Exempel. Das Thema Selbstorganisation fanden sie wichtig, die Selbstbeurteilung ihres Lernen und Analysen ihrer Stärken und Schwächen war für sie aufschlussreich, ebenso das Nach-denken über ihren Arbeits- und Pausenrhythmus. Sehr gut gefiel ihnen der Vorschlag, ein Lernplakat zu erstellen. Das Nachden-ken über die Einrichtung des Arbeitsplatzes fanden sie hilfreich, das Thema Lernplanung dagegen gefiel ihnen weniger gut. Mit Prüfungen setzten sie sich nur ungern auseinander, obwohl sie die Inhalte Prüfungsvorbereitung, Verhalten vor und während der Prüfung sowie die Misserfolgsanalyse nach einer Prüfung durchaus als nützlich erachteten.

Schülerinnen und Schüler arbeiten gern zum Thema Lern- und Arbeitstechniken und können davon sicher profitieren. Das Heft «Aha – so lernt man» gehört in die Hand jeder Klassenlehrperson und in alle Lehrerbibliotheken. Ich empfehle allen Lehrperso-nen, die mit ihren Schülerinnen und Schülern Lern- und Arbeits-techniken einüben wollen, mal einen Blick reinzuwerfen.

• Lothar Emanuel Kaiser, Aha – so lernt man. Arbeitsheft ab der 4. Klasse begleitend bis in die Oberstufe, Comenius-Verlag 2015, ISBN 978-3-906286-52-5, CHF 9.50.

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Mehr zu unseren Aktivitäten unter www.mvz.ch

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Impressum Inhalt 3 / August 2018Editorial 1Erkenntnisse aus dem Bildungsbericht 2018 2Gymnasium 2022 11Das Gymnasium im Spannungsfeld von Chancen- gerechtigkeit und Begabtenförderung 13Aktuelle Informationen aus den Mittelschulen 17Ein Jahr Association Zurichoise des Professeurs de Français 19Wie soll die Digitalisierung ins Gymnasium kommen? 23Erkundungsreise durch die Welt der Zürcher Gymnasien 32Selbstverantwortliches digitales Lernen mit der Software «Lernnavi» 35Wegweisender Entscheid des Verwaltungsgerichts 39Licht am Ende eines langen Tunnels in Sicht 46Aktuelles zum Koordinationsabzug 48(Zu) Viel Macht, (zu) wenig Kontrolle 51Die fünfte Ferienwoche 55Maturanden im Militär? 59Praktische Schreibwerkstatt mit undichten Stellen 61Aha – so lernt man 64Beitritt zum MVZ 65

ist das Verbandsorgan des Mittelschullehrpersonenverbandes Zürich und erscheint vierteljährlich. Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag enthalten.

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