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Improvisation in Kunst, Organisation und Gesellschaft Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr. 1 | 2014

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Improvisation in Kunst, Organisationund Gesellschaft

Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr. 1 | 2014

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inhalt

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Impressum, Inhaltsverzeichnis

Improvisation als Kunst und Technologie zum non-linearen Handeln in Unsicherheit

Wolfgang Stark, Christopher Dell, Wolfgang Arens-Fischer

Zum Begriff ImprovisationChristopher Dell

Non-lineares Denken und Handeln entwickeln. Improvisationskraft, Erfindungsgabe und Probierbewegungen

Ursula Bertram

Improvisation und Gestaltung. Wie künstlerisches Handeln unternehmerische Kompetenzen fördern kann

Jost Buschmeyer, Sandra Freygarten

Implizites Wissen der Improvisation für innovative Organisationskulturen verstehen und nutzen

Wolfgang Stark

Improvisation, Haltungs- und Rollenflexibilität als Impulse für die Gestaltung der beruflichen Rollenfigur

Jutta Bloem, Benjamin Häring, Eva Renvert

Die Organisation als generative Konfiguration. Theatrale Organisationsforschung als Beitrag zu einem rollenzentrierten

Modell der Organisationsanalyse und -gestaltungBernd Ruping, Wolfgang Arens-Fischer

Rollenimprovisation in offenen TechnologieanalyseprozessenWolfgang Arens-Fischer, Katrin Dinkelborg, Benjamin Häring

Improvisation als OrganisationsdesignLutz Hempel

Grundelemente improvisatorischer Felder: Mustergenerierung und Mustersprachen

Wolfgang Stark, Till Schümmer

Improvisation in Musik und ArbeitFritz Böhle, Stephanie Porschen-Hueck

Zur Diagrammatik von Improvisation in sozialen SystemenDavid Vossebrecher, Wolfgang Stark, Christopher Dell

Gesellschaftliche Innovation durch künstlerisches Denken und Handeln.

Programm des Forschungsnetzwerks IFANresearch

Literatur

Autorenverzeichnis

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præview – Zeitschrift für innovative Arbeits-gestaltung und Prävention5. Jahrgang 2014 – ISSN 2190-04850Erscheinungsort DortmundHerausgeber: Dr. Rüdiger Klatt, GelsenkirchenVerlag: gaus gmbh – medien bildung politikberatungVerantwortlicher Redakteur:Kurt-Georg Ciesinger, DortmundOnline-Redaktion: Pia Rauball, DortmundLektorat: Ursula Meyer, BonnKorrektorat: Sabine SchollasDruck: Druckerei Schmidt GmbH & Co.KG, 44536 LünenLayout: Q3 design GbR, Dortmund, www.Q3design.de

Bildnachweis: Porträts Seite 33: Oliver Bluszsc (Vossebrecher), Sarah Brundu (Häring), fotogen-Lingen (Bloem), Mike Gallus(Böhle), Ruth Hommelsheim (Dell), Alischa Leutner(Bertram), Kanižaj Marija-M. (Hempel), JohannePeek (Ruping), Josef Walter (Buschmeyer), FabianWiethölter (Dinkelborg).

Bezugsadresse /Kontakt: Redaktion præviewgaus gmbh – medien bildung politikberatungMärkische Straße 86-88, 44141 Dortmundfon 0231/47 73 79-30, fax 0231/47 73 [email protected], www.zeitschrift-praeview.de

Improvisation in Kunst, Organisation und Gesellschaft

Teile der in diesem Heft erscheinenden Texte basierenauf Ergebnissen von Forschungsverbundprojekten, dieaus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung undForschung und aus dem Europäischen Sozialfonds derEuropäischen Union gefördert wurden.

Dabei handelt es sich um die Forschungsverbünde KES-MI (FKZ 01FM08008-14), THINK (FKZ 01FM08015-6) und MICC (FKZ 01FM08040-4) aus dem Forschungs-schwerpunkt „Innovationsstrategien jenseits tradi -tionellen Managements“ und dem ForschungsverbundKunDien (FKZ 01FB08011-7) aus dem Forschungs-schwerpunkt „Dienstleistungsqualität durch profes -sionelle Arbeit“.

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Neue und zukünftige Formen der Arbeit sindaber gekennzeichnet durch sehr schnelle Wis-sens- und Interaktionsformen mit einer hohenAutomatisierung und Informatisierung (Esch-borner Thesen, Hentrich 2013), die sich tradi-tioneller Planung eher entziehen. Die in der Ver-gangenheit gewonnenen Erfahrungen zu denUnwägbarkei ten komplexer technischer Syste -me deuten auf neue Herausforderungen an dieRolle des Menschen in Arbeitsorganisationenund den Umgang mit Ungewissheit und Unvor -hergesehenem in hochtechnisierten Strukturenund Prozessen.

Muster impliziten Wissens in Organisationskul-turen, in Prozessen des Organisierens und spe-ziell der Innovation (vgl. Stark in diesem Heft),die für das Gelingen von Wandel in modernen,komplexen Organisationen und für Innovations -prozesse an sich ausschlaggebend sind, werdenbislang aus unterschiedlichen Perspektiven un-tersucht. Dabei bleiben die Kunst und die Tech-nologie der Improvisation allerdings weitgehendunbeachtet.

Kunst und Technologie bedeuten zum einen daskünstlerische, nicht-lineare, kreative Denken undHandeln (vgl. Bertram in diesem Heft). Zum an-deren ist das auf grundlegenden, meist unbe-wussten Regeln fußende Verhalten gemeint.Die sich daraus für eine Innovationskultur erge -benden Verfahrensweisen fordern von Organisa -tionen, sozialen Systemen und den in ihnen be-teiligten Menschen eine neue Perspektive undgleichzeitig verändertes Handeln: Denn Sprung-innovationen – wie in der Musik oder in anderenKunstsparten – entstehen aus sich selbst heraus,

Improvisation als Kunst und Technologie zumnon-linearen Handeln in UnsicherheitWolfgang Stark, Christopher Dell, Wolfgang Arens-Fischer

sind performativ und entwickeln sich in einemKlima des spielerisch-experimentellen Umgangsmit dem Material und der Aufgabe (vgl. Busch-meyer & Freygarten in diesem Heft). Diese per-formativ-spielerische Haltung ist jedoch in einerWelt der Ergebnisorientierung und Rationalitätkeineswegs selbstverständlich: Da Sprunginno-vationen oft außerhalb von Routinen entstehen,glauben viele Führungskräfte in Organisationenund gesellschaftliche Akteure, dass Freiräumeoder event-ähnliche Situationen bereits genü-gen; und sie sind dann enttäuscht, wenn allen-falls Mittelmaß entsteht. Daher ist einerseitsdie Entdeckung und Fähigkeit zur Neu-Verschal-tung (Re-Design) (Dell 2011) der Muster der„Geheimnisse“ (tacit knowing) innovativer Pro-zesse und Situationen zentral (vgl. Böhle & Por-schen-Hueck in diesem Heft). Da performativ,muss sich zum (impliziten) Wissen das Handeln,Einüben und erfahrende Lernen gesellen – eineTechnologie der Improvisation (vgl. Dell in die-sem Heft), die zusätzlich zum kognitiven-ratio-nalen Kanal über andere Wahrnehmungs- undHandlungsformen einen performativ-experi-mentellen Umgang mit dem Material und damitInnovationen erst zulässt.

Das Konzept der Improvisation unterstellt indiesem Kontext, dass Individuen als Agentenihrer „Sache“ wirken, nicht jedoch, dass sie un-abhängig sind und alles unter Kontrolle haben.Um zu lernen, organisieren sich die Improvisa-toren in einem kontinuierlichen Mix aus Hand-lungswirksamkeit in wechselnden Rollen (vgl.Ruping & Arens-Fischer in diesem Heft) undVerschaltung in kleinteiligen Verbünden: „Com-munities of practice“ (Wenger 1998), „Impro-Com bos“, die sich meist durch Heterarchien aus-zeichnen (vgl. Arens-Fischer, Dinkelborg & Hä-

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ring in diesem Heft), d.h. das sessionsartige Ta-king-turn des Leitens jeweilig solierender Inter -aktanten. Insofern impliziert die Rede von derImprovisationstechnologie eine Revision desImprovisationsbegriffs selbst. Improvisation re-kurriert nicht mehr auf rein unstrukturiertes,spontanes Handeln, sondern erweist sich, unterEinbezug der reflexiven Urteilskraft, als eineForm performativer Praktik, die um sich weiß(vgl. Hempel in diesem Heft). Organisation undPlanung sind nicht länger gegen Improvisationoder Kreation auszuspielen, Performativität undReflexivität stehen nicht mehr gegen Emergenzund Performanz, sondern bedingen einanderin einem transformatorisch-konvergierendenWechselspiel. Die Organisation erweist sichselbst als performativ-produktiver Prozess undgilt nicht mehr als abgeschlossene A-priori-Ob-jektform, sondern als situativ zu erzeugendeForm, die sich selbst so zu rahmen hat, dass sieals Organisation relational und diagrammatisch„jede Form [der] Verbindung von Kräfteverhält-nissen“ eingehen kann (vgl. Vossebrecher, Stark& Dell in diesem Heft).

„Improvisation als Technologie” (vgl. Dell in die-sem Heft) ist der hier benutzte Metabegrifftechnischen Handelns unter Kontingenzbedin-gungen: Improvisationstechnologie ist, unterBezugnahme auf die von Michel Foucault ein-geführten Technologien des Selbst, als Subjek-tivierungsprozess und kritische Ontologie zudefinieren (Deleuze & Kocyba 1987). Der BegriffSubjektivierung verweist dabei auf die Perfor-mativität und auf die „Technologien des Selbst“,die es Individuen ermöglichen, die Gestaltungihrer Subjektivität selbst „in die Hand“ zu neh-men – eine der zentralen Voraussetzungen fürgelingende Innovationsprozesse.

Es bedarf aus unserer Sicht mehr Forschung zuden miteinander verschränkten Verfahren derAnalyse und kreativen Nutzung impliziten Wis-sens als Kunst und Technologie der Improvisa-tion – verbunden mit einer Erprobung für diePraxis und der Weiterentwicklung zur wirt-schaftlichen und gesellschaftlichen Verwertbar-keit. So ist die organisationale Musterspracheund Diagrammatik für Innovation in Form einer„Musterbibliothek” für implizites Wissen für diePraxis zu entwickeln (vgl. Stark & Schümmer indiesem Heft). Dabei stehen neben organisato-rischen und organisationskulturellen Musternauch künstlerische, musikalische und theatraleMuster und Strukturen für ein neues Verständ-nis von Situationen der Ungewissheit und derUnschärfe im Innovationsprozess im Fokus. DieRollen der Menschen in solchen Arbeitskontex-ten sind neu zu fassen und hinsichtlich der Rol-lenflexibilität und Rollenimprovisation neu zukonzeptualisieren (vgl. Bloem, Häring & Renvertin diesem Heft).

Die Einsatzgebiete der Kunst und Technologieder Improvisation umfassen alle technischen,dienstleistungsbezogenen und sozialen Inno-vationsfelder. Denn in der täglichen Organisa-tionspraxis geht es immer mehr um den kollek-tiven Umgang mit beschränkter Planbarkeit undUnsicherheit in komplexen Situationen. Innova -tionskulturen heute und in Zukunft benötigendie Fähigkeit, hier nicht nur zu reagieren, son-dern flexibel und spielerisch gestalten zu können.Auf dieser Basis eröffnet sich ein spannendesund nützliches Forschungs- und Anwendungs-feld, das nur transdisziplinär in seiner vollenBreite und Tiefe entfaltet werden kann.

In fast allen technischen, dienstleistungsbezogenen und sozialen Innovationsprozessen und bei einer wachsen-

den Zahl von Managementsituationen ist die Kunst der Improvisation entscheidend für das Gelingen rationaler

Prozesse und für den Umgang mit Unsicherheit in komplexen Situationen. Die Anwendung und wirtschaftliche

Verwertung von Forschungsergebnissen konzentriert sich jedoch weitgehend auf die Effektivierung von Planungs-

heuristiken. Das in Improvisationsprozessen versteckte implizite Wissen („tacit knowing“, vgl. Polanyi 2009) und

das damit verbundene „intuitive Wissen” (Gigerenzer & Gaissmaier 2012) finden sich in der Praxis zwar aller -

orten, werden in Forschung und Lehre jedoch noch zu wenig beachtet.

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Zum Begriff Improvisation Christopher Dell

formgebender, jedoch flüssiger Grund in derGestalt von Mustern und Strukturen wirken. Indem Verweis auf das mimetische Vorwissen ei-nes kulturellen Gedächtnisses können wir dieformativen Informationsfelder nutzbar machen,die innerhalb der Abläufe konstruktiv tätig sind.

Die Bewegung der Improvisation wird nichtdurch Zwischenräume fahler Zweideutigkeit ge-trennt1, sie ist der Zwischenraum selbst, lebtvon der Metapher, dem Geheimnis. Der Schirm,das Medium der zwischenmenschlichen Wahr-nehmung im Sinne Lacans, ist wie eine Mem-bran, die eine iterierbare, wechselseitige Beein-flussung und Befruchtung, eine Zurücknahmeebenso wie eine Herausforderung hervorruft.Das Oszillieren: Der Umriss des Einen ist dieGren ze des Anderen, und beide durchdringeneinander in der Zeit. Es gehört zum Wesen derImprovisation, die Trennung von Handelndenund Be-Handelten, von Sendern und Empfän-gern, von aktiv und passiv zu unterlaufen unddie Einheit von Handlung und Erfahrung mög-lich zu machen.

Im Kontext Organisation bedeutet das: Nichtnur verschiebt sich aktuell das Verständnis derKonstitution von Organisationen von objektalenModellen hin zu performativen Praxen organi-sationaler Akteure (vgl. Dell 2002, 2012). Auchdie Frage des Erkennens bzw. Lesens von Orga-nisation verändert sich. Externalisierungsstra-tegien, d.h. Behauptungen eines „dort ist einProblem, ich denke mir was dazu aus, dann im-plementieren wir das und das Problem ist ge-löst“, verfangen nicht mehr. Vielmehr geht esnun darum, in organisationale Situationen hi-nein zu kommen, Situationen zu kreieren, an-hand derer man sich Zugang auch zur Trans-formation der Seinsweise als organisationalerAkteur verschafft. D.h., was in den Organisati-onsmodi der Industrialisierung als Negativumgalt – Improvisation – avanciert, in der aufge-hobenen Form der Improvisations-Technologie,zur wesentlichen Ressource des Organisierens.Daraus erwächst auch eine neue, ganz spezifi-sche Herangehensweise an das Thema Impro-visation. In dieser Perspektive ist Improvisationweder etwas, das passiert, wenn etwas nichtklappt, noch eine Angelegenheit für Genies,

netzwerk. In ihrer scheinbaren Unordnung un-terläuft sie auf subtil gängige Verhaltensmusterund erzeugt komplexe, offene Systeme. Dasständige Variieren der Codes spielt mit der Er-kenntnis, dass Situationen der Praxis aus einemunendlichen Gewebe von Relationen entstehen.Das Variationsprinzip begründet sich darin, dassalle Wirkung sich aus der Ganzheit der Bewe-gung entfaltet. Jede Teilbewegung hat ihrenUrsprung in einem größeren Gesamtablauf. Soerhält die Improvisation ihre Ordnung aus sichselbst heraus. Ein Spiel, das, wie Kant es be-schreibt, sich von selbst erhält und selbst dieKräfte dazu stärkt (Kant 1974). So beschreibtsich das Variationsprinzip aus dem Rückgriffder Bewegungsfragmente auf den gesamtenBewegungsbogen.

Das scheinbar Ungeordnete der Improvisationeröffnet zur herkömmlichen Betrachtungsweiseals Kollision eine Alternative: der akausale Aus-tausch unabhängiger Subjekte, welche für einePhase des gemeinsamen Improvisierens ein ge-meinsames Wellenfeld bespielen. In der Impro-visation entfaltet sich die körperlich-geistigeBewegung, ohne auf organisch-mechanisti-schen Naturalismus reduzierbar zu sein. In derEinsicht, dass Kausalität und Synchronizität sichnicht widersprechen, sondern lediglich zwei ver-schiedene Sichtweisen auf Realität darstellen,können wir uns wieder auf jene Subjektivitätberufen, welche sich der Teilhabe am Intersub-jektiven nicht nur verpflichtet fühlt, sondernerst aus dem Rückgriff auf sie erwächst. DieEnergie (energeia) erwächst aus dem Potenzialder Situation, der Handlungsmöglichkeit unddem Material. Dabei ist die Frage, ob energeiasich von außen dem Material mitteilt, also eineimmaterielle Seinsweise besitzt, oder in demMateriellen selbst enthalten ist, hinfällig. Ent-scheidend ist, dass sich energeia im Modus desTätigseins ereignet und so der materiellen Mög-lichkeit, dynamis, die Dimension der Zeit zufügt.

Wenn wir im Zusammenhang mit Improvisationvon Intuition und Zugang zum Unbewusstemsprechen, dann meinen wir den Zugang zu ebenjenem Speichersystem der morphologischen Fel-der und seiner Archetypen. Sie können im im-provisatorischen Spiel mit der Situation als

sondern sie folgt folgender einfacher Formel:Improvisation als Technologie = konstruktiverUmgang mit Unordnung in Gemeinschaft. Alssolche stellt Improvisation, so meine Annahme,eine Verfahrensweise dar, die zuerst erfordert,einen spezifischen Blick auf die Handlungswirk-samkeit von Unbestimmtheit zu erlangen.

Das Vier-Ebenen-ModellIn diesem Kontext möchte ich vier Organisati-onsebenen unterscheiden. Auf der ersten oderauch untersten Ebene verorte ich den Modus„Improvisation erster Ordnung“, ein Modus, derrein reaktiv und reparierend zu Werke geht, allesad hoc löst und ohne Plan ist.

Auf der zweiten Ebene ist die geplante Organi-sation anzusiedeln, die erkenntnistheoretischvorgeht und versucht, Kontingenz zu überschrei-ben, sie auszulöschen. Die Parameter „Funktion“,„Form“ und „Struktur“ sind hier statisch.

Die dritte Ebene enthält die performative, ky-bernetische Organisation. Diese erkennt Kon-tingenz an und ist formal geöffnet. Allerdingssucht sie aus Kontingenz ein Objekt zu machenund Prozess auf Input /Output-Variablen zu re-duzieren. Struktur wird außerhalb der Zeit ste-hend (synchronisch) gedacht. Die Funktion istfestgelegt, der Prozess wird auf die Funktionhin gesteuert.

Erst auf der vierten Ebene, der Ebene der Im-provisation zweiter Ordnung (als Improvisati-onstechnologie) kann Organisation Struktur,Form und Funktion als variabel und verhandel-bar konzeptionalisieren. Die Improvisation zwei-ter Ordnung (als Improvisationstechnologie)konzentriert sich auf die Ordnung der Ordnung,mithin die Organisation von Unordnung. Indemsie das Vektorfeld der Kräfte in Situationen fo-kussiert, wird in Potenzialen gedacht; auchFunktionen, Nutzungen können innerhalb desProzesses entstehen, ebenso wie Strukturen undFormen.

1 Es geht mir darum, dass es verschiedene Qualitäten von Zwei-deutigkeiten gibt: jene die auf den Anderen zugehen, wie z.B.Ironie und Humor, und solche, die sich vom Anderen wegbe-wegen, wie Sarkasmus, Zynismus. Fahl wäre dann z.B. Zynis-mus.

Der Terminus Improvisation stammt vom latei-nischen improvisus und bedeutet unvoherge-sehen, unvermutet oder auch ohne Vorberei-tung. Da dieser Begriff demnach das Unvermu-tete umfasst, es umschreibt, umschreibt er auchdas, was es noch nicht gibt. Da wiederum das,was es noch nicht gibt, selten Gegenstandgründlicher Untersuchung ist, hat sich der Be-griff Improvisation inzwischen derart verwäs-sert, dass es heute einer Neudefinition des Wor-tes bedarf. Eingedenk dessen, dass eine Ver-dinglichung von Improvisation ihrem Charakterwiderspricht. Improvisation ist genau die Dif-ferenz zwischen Denken und Handeln, zwischenGedachtem einerseits und Erhandeltem und Er-fühltem andererseits. Wir können Improvisationnur umschreiben, können uns nur in eine Hal-tung der Improvisationsbereitschaft begeben.Alles Weitere rufen die Situationen und die da-raus resultierenden Prozesse hervor.

Die mit der Rede von der Improvisationstech-nologie sich ankündigende Neu-Positionierungdes Begriffs Improvisation lässt sich nichtschnittklar von Konzepten der Planbarkeit unddes Kommensurablen an sich absetzen. Das istauch gar nicht möglich. Improvisation heuteist Improvisation nach der Schrift, d.h. sie setzteinen Grad der Aufklärungssaturation voraus. Solche Improvisation ist nicht strukturlos. Esgibt Regeln, aber mit diesen Regeln lässt sichspielen. Weil diese Regeln intrinsisch entstehen,kann auch die Improvisation nur aus sich selbstheraus begründet werden – in Form eines sichselbst umwandelnden Versuches. Ein Ansatzkann Heideggers Begriff der Verwindung derVergangenheit, anstelle der Überwindung, sein.Verwinden im Sinne des Verarbeitens, des Spie-lens-mit im Gegensatz zum Verwerfen oder Ver-drängen. Indem es mehrere Ansätze gleichzeitigverfolgt, wird das improvisatorische Denken impositiven Sinne hermeneutisch unrein.

Die Komplexität von Situationszusammenhän-gen bricht die linearen Kausalbeziehungen auf,lässt sich nicht auf diese reduzieren. Alle Vekto -ren eines situativen Moments und das morpho-logische Kräftefeld seiner Teilnehmer ergebenein feines Netz kausaler Korrelationen. Impro-visation bewegt sich im nicht-linearen Kausal-

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Es ist das Denken, das übrig bleibt, wenn ichletztlich die „Bilder“ abziehe. Es ist eine Haltung,die sich in der Zuwendung ins Offene zeigt aufeiner Art Flüssigkeitsmatrix des Möglichen zwi-schen Begeisterung, Neugierde, Achtsamkeitund der Lust der Begegnung, auch mit sichselbst. Es ist das non-lineare, schöpferische Den-ken und Handeln, das sich auf ein Navigierenin offenen Systemen mit mehreren Unbekann-ten versteht. Wir sollten es entwickeln, wennwir weiterhin in der Balance bleiben wollen ineiner Arbeitswelt, die Unsicherheit und perma-nente Neuorientierung als systemimmanent be-griffen hat.

Es ist nicht die Frage, wie wir das kostbare Guteines Schöpfungsprozesses nennen, sonderndass es uns zur Verfügung steht: täglich, ver-lässlich und perspektivisch. Innovationskompe-tenz, Erfindungsgabe, laterales Denken (de Bono1996), inventive Organisation (Mauzy & Hari-mann 2003), Improvisationskunst (Dell 2002),Probierbewegungen (Popper 2002) oder schlichtkünstlerisches Denken und Handeln (Bertram2011) sind einige Stichworte, die aus dem indie Jahre gekommenen Melting-Pot der Krea-tivität als Freizeitvergnügen ein begehrenswer-tes Lebens-Mittel für hochkomplexe Entwick-lungsprozesse in Wirtschaft und Wissenschaftgemacht haben. Aus den unterschiedlichstenFachperspektiven ebbt die Frage nach der Zu-sammensetzung dieses Lebens-Mittels und sei-ner Bedeutung für die zukünftige Entwicklungnicht mehr ab. Ohne Zweifel ist der Wert vonSchöpfungspotenzial heute erkannt. Hundertevon Forschungsprojekten in den Wissenschaftenfahnden daher nach einem Muster der Innova-tionsfähigkeit und ihrer Provenienz, nach Be-dingungen, Voraussetzungen und evaluierbarenProzessen. Wenn ein effektiver Weg und eineGarantie für die Heranbildung von Erfindungs-potenzial nachgewiesen wären, würde dies ver-mutlich wie das Feuer des Olymps in die etwas

dürfen. Allerdings braucht das Raum und Zeit,viel Zeit. Wenn wir diese Kompetenz perspekti-visch nicht bereits in der Schule ausreichendfördern, wird uns das Potenzial für Neuentwick-lung nicht zur Verfügung stehen. Es ist unum-gänglich, dass die Ausbildung in Schulen undUniversitäten den veränderten gesellschaftlichenBedingungen Rechnung tragen und das tradi-tionelle lineare ergebnisorientierte Lernen durchdie Vermittlung überfachlicher, non-linearerKompetenzen „auf Augenhöhe“ ergänzt wird.Es geht um Interdisziplinarität, flexible Sicht-weisen, alternative Vorgehensweisen, vernetzteDenkvorgänge, persönliche Entfaltung und visi -onäre Entwicklungspotenziale als Anforderun-gen der Zukunft.

Wir bewegen uns gegenwärtig und zukünftigzunehmend in offenen statt geschlossenen Sys-temen. Während geschlossene Systeme Sicher-heit, Ordnung und Orientierung bieten, die wirbenötigen, um nicht jeden Tag neu erfinden zumüssen, zeichnen sich offene Systeme durchdas Fehlen dieser Komponenten aus.

„Unser System lebt von den Suchbewegungenim Offenen als Teil einer lebendigen Demokratie,(...), Zweifel ist im wissenschaftlichen Systemkein Systemfehler, sondern Grundlage der For-schung, (...). Wir wissen, dass der klassische Pro-zess von Forschung mit späterer Anwendunglängst nicht mehr Ausschließlichkeit genießt“,war von Bundespräsident Joachim Gauck in sei-ner Rede am 4. Juli 2012 vor dem Auditoriumder Technischen Universität Dortmund anläss-lich der DFG-Veranstaltung „Von der Idee zurErkenntnis“ zu hören. Er fügte hinzu, dass ereine Balance der Wissenschaften zwischen Be-schleunigung, Ruhe und Muße empfiehlt. DenKeywords zufolge (Suchbewegungen, Navigie-ren in offenen Systemen, Zweifel, Entkonven-tionalisierung der Forschung, Entschleunigung)wollte selbst das Staatsoberhaupt die Universi-tät ausdrücklich ermutigen, Andersdenken zuwagen. Andersdenken ist ambivalent: unbe-quem, unbeliebt und unverzichtbar.

Der Philosoph Alexander Düttmann, Professorof Philosophy and Visual Culture an der Gold-smiths University, London, bekannt durch seinBuch „Derrida und ich“, begründete in seinemVortrag „What is Thinking“ (Düttmann 2012)

atemlose Wirtschaftswelt getragen. Arbeitsso-ziologen, Bildungswissenschaftler, Innovations-manager, Wirtschaftsexperten und Biochemikerhaben in der Vergangenheit darüber nachge-dacht, wie Innovation zu generieren sei und obinnovative Prozesse übertragbar sind. Nur seltensaß man dazu an einem Tisch. Es wurde alleseinzeln unter die Lupe genommen: die Kunst,die Musik, die Neurologie, die Nanotechnologie,die Biogenetik und andere Forschungsfelder.

Auf diesem Weg wurde beispielsweise die se-mipermeable Haut des Frosches als Vorbild fürneue Oberflächen in der Werkstoffindustrie ent-deckt. Die neuen Mikroskope im Nanobereicherlauben einen präzisen Blick. Die Innovationbestand in der Imitation der Natur. Der Froschist der genuine Innovator. Er hat die Haut inein paar Millionen Jahren eines genetischenProzesses generiert. Wie werde ich also zumFrosch, ohne einige Millionen Jahre in der Inno -vationsabteilung zu verbringen? Können Krea-tivtechniken diesen Prozess auf ein paar Stun-den verkürzen? Und verfügen Künstler, derenWerke bekanntlich aus bis zu 100% Innovationbestehen, über die Formel der Schöpfungskraft?Zweifelsohne entstand in der Insellage Kunstein stabiles Innovationspotenzial über Jahrhun-derte, dessen Geheimnis inzwischen auch fürÖkonomen von großem Interesse ist. Hier gibtes keine Regeln, keine Zielvorgaben und keineKonventionen, wie dies sonstige Organisations-strukturen aufweisen. Lässt sich, wie beim Frosch,hier etwas Entscheidendes imitieren? Und wiesieht das unter dem Mikroskop aus? Ist ein Mus-ter erkennbar?

Popper spricht von Probierbewegungen. Dassind experimentelle Bewegungen. Das probe-weise Verrücken oder auch Verrücktsein, gepaartmit extremer Wachsamkeit für das Umfeld unddem Willen, sich genauso gerne zu verlieren,wie sich durchzusetzen, das sollte jeder lernen

auf der Dokumenta13, dass „das Ungedachteder Motor des Denkens ist“ und somit das Un-bestimmbare der Motor des Bestimmbaren. Erführt aus, dass sich dieser Vorgang als sehr an-strengend erweist: „Anstrengend heißt, sich inder angestrengten Offenheit zu bewegen, weilich nicht sicher bin.“

In der Unsicherheit zu bestehen, macht ersteinmal Angst und kostet ungleich mehr Kraftals die Orientierung im Gewohnten. Es mussschon einiges zusammenkommen, damit dasGehirn seine Komfortzone verlässt, der KörperKräfte dafür bereit stellt und die Vernunft sig-nalisiert, dass sich Umwege lohnen, von denennicht bekannt ist, ob sie zu einem Ergebnis füh-ren. Ein solches Signal wird nur dann ausgesen -det, wenn das Gehirn große Attraktivität wittert.Es sollte die Anziehung haben von einer Inselmit Palmen und Kokosnüssen auf dem blauenPazifik und der Gewissheit, etwas Unwiderruf-liches zu verpassen.

Das Verlassen fester Räume ist keinesfalls be-quem, weder für den, der diesen Schritt wagt,noch für den, der die Türe öffnet und Schrankenabbaut. Es besteht ein großes Missverständnisdarin zu glauben, dass es leicht sei, in offeneSysteme überzuwechseln bzw. offene Systemeoffen zu halten. Das Loslassen von bewährtenWahrnehmungs- und Denkmustern ist eine derschwierigsten Hürden eines künstlerischen Stu-diums. Der Hauptanteil der Lehre von Kunst be-steht im „Abbauen“, nicht im „Aufbauen“. DasSchwierigste am Kunststudium ist nicht dasProduzieren, sondern das Loslassen. Der ÖkonomSchumpeter spricht in diesem Zusammenhangvon „kreativer Zerstörung“.

Und nun wird diese Insellage Kunst nicht nurals gesellschaftsfähig, sondern vielleicht sogarals betriebsfähig in Augenschein genommen.Eine unverbrauchte Ressource für anderes Han-deln, deren unkonventionelle Zugangsweiseneine Art Muster für unkontrollierbare Vorgängehervorgebracht hat. So hofft man jedenfalls.Aber dieses Muster ist schwer zu erkennen, daes sich aus der Antithese von linearer Bere-chenbarkeit und Logik heraus entwickelt hat,erfahrungsbasiert und in ständiger Wandlung

Non-lineares Denken und Handeln entwickeln. Improvisationskraft, Erfindungsgabe und ProbierbewegungenUrsula Bertram

Vorab: Das künstlerisch-schöpferische Denken ist weder eine Kreativitäts-

technik, noch geht es darum, Bilder zu malen oder Plastiken herzustellen.

Das ist ein Vorurteil, das wir abschütteln müssen: Creativity is not a Prison -

er of Art. Vielmehr liegt das künstlerische Denken, genau wie das wissen -

schaftliche Denken, eine Ebene darüber. Künstlerisches Denken kann sich

überall befinden, in allen Köpfen, in jeder Disziplin, in jedem Lebensbereich.

begriffen ist. Und es kommt noch schlimmer:Das Muster der Kunst, das uns Bilder gibt, Be-wegung, Tanz, Klänge, Farben und unsere Fan-tasie entfacht, ist kein Kleid, es ist eine Haut. Eslässt sich nicht einfach ausziehen und weiter-geben. Das Muster muss mit der Person wach-sen, ganz langsam, Schicht für Schicht. Es exis-tiert nicht als käufliches Produkt, auch nicht inder Verpackung einer Kreativtechnik. Es bedarfeines Prozesses, der eine Haltung hervorbringt.Die „Abfallprodukte“ dieser Haltung erzeugendann die Produkte. Wenn man nur die Produktein den Mittelpunkt der Bemühungen stellt, ver-flüchtigt sich das Muster. Alle blicken gespanntund neugierig auf ein unsichtbares Muster, dasganz besonders wertvoll erscheint für die Felderaußerhalb der Kunst und das verspricht, die Zu-kunft zu verändern (Bertram 2012).

Längst haben sich non-lineare Vorgehensweisennicht nur im Web, sondern auch im Maschi-nenbau und der Logistik unter dem Stichwort„Industrie 4.0“ etabliert, wo die neuartige Fabrikmit einer Jazzband verglichen wird: „Es gibt eingrobes Schema, an das sich alle Maschinen haltenmüssen, aber es gibt auch Raum für Impro vi -sa tionen“, so Wolfgang Wahlster vom deutschenForschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

Das Zentrum für Kunsttransfer/ [ID]factory stelltsich die Frage, wie in diesen offenen Systemendie Innovation im Kopf funktioniert, wie diedazu notwendigen Kompetenzen der Improvi-sationskraft vermittelt werden können und wiefolglich künstlerisches Denken in außerkünst-lerische Felder transferiert und im Bildungssys-tem der Zukunft wirksam werden kann.

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Improvisation und Gestaltung.Wie künstlerisches Handeln unternehmerische Kompetenzen fördern kann Jost Buschmeyer, Sandra Freygarten

Weniger nahe zu liegen scheint der Bezug zumimprovisatorischen Handeln bei Kunstformen,die eher materielle Kunstwerke hervorbringenund bei denen das Auditorium beim Entste-hungsprozess eben nicht anwesend ist. Nun hatdie Entwicklung der Kunst in den letzten Jahr-zehnten zu einer Überwindung der Gattungs-grenzen geführt, die zum einen eine strikteTrennung zwischen darstellender und bildenderKunst nicht nur unmöglich, sondern oft auchüberflüssig macht. Viele Kunstwerke entstehengerade in dem Zusammenwirken unterschied-lichster künstlerischer Ausdrucksformen.

Zum anderen, und darauf wollen wir in diesemBeitrag vor allem verweisen, spielt auch in derkünstlerischen Auseinandersetzung mit demMaterial Improvisation eine entscheidende Rolleund wird damit zum immanenten Bestandteilvieler künstlerischer Prozesse jenseits einer Eng-führung auf die eingangs genannten Kunstdis-ziplinen. Befragt man Künstlerinnen und Künst-ler nach dem künstlerischen Prozess, also derArt und Weise, wie sie bei der Hervorbringungihres Kunstwerkes vorgehen, wie sie handeln,finden sich bei aller Unterschiedlichkeit einigeähnliche Handlungsformen, die mit der nötigenVorsicht als „typisch“ bezeichnet werden können(Brater et al. 2011).

Das „künstlerische Handeln“ bietet dabei einenspezifischen Blick auf die Improvisation, dernicht nur für die Kunst selbst von Bedeutungist, sondern auch leitend für unterschiedlichsteHandlungssituationen sein kann, die kreativ-improvisierendes Handeln erfordern:

Die Alanus Hochschule für Kunst und Gesell-schaft bietet den Studiengang Betriebswirt-schaft unter dem Motto „Wirtschaft neu den-ken“ an. Das „Neu denken“ steht dabei in engemZusammenhang mit künstlerischen Aktivitäten:Wirtschaft-Studierende werden hier nicht nurfachlich gut ausgebildet, sondern entwickeln

Fällt der Begriff „Improvisation“ in Zusammenhang mit künstlerischen

Ausdrucksweisen und Ansätzen, treten schnell Kunstgattungen wie

etwa der Free-Jazz, die Tanzimprovisation oder das Improvisations -

theater vor das inne re Auge, die klassischerweise zu den darstellenden

Künsten gerechnet werden. Auch die sozialwissenschaftliche Impro vi -

sationsforschung hat sich in der Vergangenheit immer wieder an dem

Beispiel dieser Kunstformen bedient und in Bezug auf sie versucht,

das Geheimnis erfolgreicher Improvisation zu entschlüsseln (vgl. etwa

Hempel in diesem Heft).

durch künstlerische Herangehensweisen Krea-tivität, Gestaltungskompetenz und Innovati-onskraft.

Im Master-Modul „Organisationsentwicklung“werden etwa Theorieblöcke und künstlerischerfahrungsgeleitete Phasen so miteinander ver-zahnt, dass Modelle, Theorien und Ansätze ausbetriebswirtschaftlichen Themen in praktischkünstlerischen Projekten und Übungen erfahr-bar, sichtbar und nachvollziehbar werden. Soerhalten Studierende z.B. die Aufgabe, für viertypische Phasen der Entwicklung einer Organi-sation1 einen Ausdruck zu finden, um so demCharakteristischen dieser Phasen auf andererEbene als nur durch rationales Nachvollziehennachzuspüren. Für jede Phase soll ein „Bild“ ge-funden werden, das das Wesentliche einer spe-zifischen Phase von Organisation sichtbar zeigt. Damit sehen sich die Studierenden mit einerzentralen Herausforderung künstlerischen Han-delns konfrontiert: einer differenzierten, nicht-materiellen Gegebenheit, einer eher emotiona-len als rein rationalen Qualität im Stofflichenso Ausdruck zu verleihen, dass sie von anderenan dem entstehenden – in diesem Fall mate-riellen – Kunstwerk wahrgenommen und erlebtwerden kann.

Das zur Verfügung stehende Material für diesenBildfindungsprozess ist absichtlich kein klassi-sches Kunstmaterial wie Farbe, Modelliermasse,Zeichenstift, sondern sind Massen von Altklei-dern in den unterschiedlichsten Farben und For-men. Der Altkleiderhaufen als Modelliermasseund Malpalette, mit der die Studierenden einebestimmte Organisationsform darstellen, pro-voziert Fragen. „Macht es Sinn, hier erst einmaleine Ordnung herzustellen?“ „Welche Form hatdie Anfangsphase einer Organisation?“ „Durchwelche Farben können charakteristische Aspekteausgedrückt werden?“. Tatsächlich zeigt sichschnell, dass sich diese Fragen eben nicht ko-gnitiv-planend, sondern iterativ-experimentie-

rend nur durch „Tun“ beantworten lassen – unddamit beginnt die Improvisation.

Die Studierenden beginnen, die Kleidungsstückezu verändern, ihre Anordnung und ihr Verhältniszueinander zu gestalten. Dadurch entfunktio-nalisieren sie das Material, lösen es aus den be-kannten Sinnbezügen einer Hose oder Jackeund nehmen es in seinen unterschiedlichenQualitäten, Farbe, Form, materiellen Gegeben-heiten etc., ernst. So wird das Material jedochmehr als reines Objekt, sondern zum Interakti-onspartner, beginnt zu antworten und den vonden Kunstschaffenden gesetzten Impulsen ei-gene Impulse entgegenzusetzen. Entscheidendfür das Gelingen dieser Interaktion ist, dass sichdie Studierenden auf diese „Antworten“ einlas-sen, sie aufgreifen, also Material als Partner jen-seits einer reinen Instrumentalisierung „auf Au-genhöhe“ begegnen.

Um die stimmige Komposition für den Ausdruckder Qualitäten einer spezifischen Organisati-onsform in seiner Umgebung zu finden, lassensich die Studierenden auf einen Prozess ein, derHandeln und Wahrnehmen aufs Engste mitei-nander verknüpft. Dabei geht es um ein um-fassenderes Verständnis von Wahrnehmung, dasin der Wechselwirkung von äußeren Sinnes-wahrnehmungen mit emotionalen Wahrneh-mungen, Intuitionen, Gespür der Kunstschaf-fenden selbst besteht. Es gilt, gezielt die eigeneAchtsamkeit auf das Material und auf sich selbstzu richten, um somit auch überraschende Ent-wicklungen und eben „Neues“ wahrzunehmen. Schließlich entscheiden die Studierenden, wel-che Aspekte, die ihnen aus dem Material ent-gegenkommen, sie aufgreifen, welche Gestaltendes Materials für sie relevant sind und zu einemAusdruck für die Qualität, in diesem Fall einerbestimmten Phase der Entwicklung von Orga-nisationen, werden können. Durch Betonungund Verstärkung dieser Aspekte kommen sie zueinem stimmigen Bild.

Die genannten Aspekte finden wir auch in derForschung zur Improvisation wieder. Währenddie sozialwissenschaftliche Forschung jedochoft eher die enge und situative Verknüpfungvon Handeln und Entwerfen betont (vgl. etwaFigueroa-Dreher 2012), zeigt sich im künstleri-schen, improvisierenden Prozess zum einen diebesondere Bedeutung der Wahrnehmung – ineinem umfassenden Sinne: Improvisieren zeich-net sich durch die enge Verknüpfung von Han-deln und Wahrnehmen aus, in der Handeln zueiner Form der Wahrnehmung wird und Wahr-nehmung gleichzeitig Handeln leitet. Zum an-deren spielt die Haltung eine entscheidendeRolle, in der der Handelnde den Gegenstand, dasMaterial als Interaktionspartner ernst nimmt,ihn bzw. es aus Objekt-Bezügen löst und sozu-sagen gleichberechtigt am Improvisationspro-zess beteiligt. Schließlich ist die Entscheidungim Prozess von hoher Bedeutung. Improvisationbedeutet auch, sich immer wieder aufs Neuezu entscheiden und zwar gerade nicht (nur)aufgrund von rationalen Überlegungen, sondernauf Basis eigener Wahrnehmungen der Umweltder eigenen Empfindung.

Bezogen auf die Studierenden bedeutet dies:Auf einer künstlerisch-kreativen Ebene zeigtsich in dieser Kompositionsübung mit farbigerKleidung gleichzeitig genau die Gestaltungs-kompetenz, die für das Gestalten von Organi-sationen wesentlich ist. Die Frage nach Struktur,Größe, Aufbau und Wirkung stellt sich für einespezifische Unternehmenssituation wie auchfür eine Bildkomposition. Insofern ist für dieStudierenden die improvisierende Auseinander-setzung mit Farb- und Formbildungsprozessenauch ein Lern- und Experimentierfeld, das inwirtschaftliche und betriebliche Bereiche2 trans-feriert werden kann.

1 Zum Phasenmodell der Entwicklung von Organisationen vgl.Glasl & Lievegoed (2011).

2 Vgl. etwa für den Dienstleistungsbereich Munz et al. (2012).

die Tiefe haben. Die Erforschung der Tiefendi-mensionen von Organisationskulturen geht in-dessen weit über rationale Modelle der Organi-sationsforschung hinaus (Horsmann et al. 2007).

Rein rational arbeitende Forscher und Beraterin Organisationen sind daher oft wie taube Be-obachter, die in einen Raum kommen, in demjemand Geige spielt. Sie beobachten den Spielerund sein Instrument, nehmen die Schwingun-gen mit ihren Messgeräten auf und sind in derLage, aus ihren Messungen bisweilen sogarRückschlüsse auf Tonlage und Form der Kom-position ziehen. Sie werden jedoch nie von derSinneswahrnehmung des Klangs erfahren, nichtzu reden von dem, was Musik als Gehörtes anErfahrung bietet oder auslöst (Hayek 2006).

Das rational-kognitive Erforschen der implizitenFormen des Wissens ist bereits seit Langem Be-standteil der Organisationstheorie. Neu ist, daskünstlerische Forschen systematisch (und nichtnur als Metapher) in diesen Komplex mit ein-zubeziehen. Künstlerisches Forschen fragt neunach der Beschaffenheit des Forschungsgegen-stands und den damit verknüpften methodo-logischen Ansätzen. Forschung in der Kunst wirdvon Borgdorff (2009) als „performative Perspek-tive“ (a.a.O.: 30) bezeichnet, Donald Schön (1983)als Organisationstheoretiker beschreibt sie als„Reflexion in der Aktion“. Die Trennung von Ob-jekt und Subjekt wird hier problematisiert, denndie Distanz des Forschenden zum Gegenstandist minimiert – im Gegenteil sucht der Forschen -de in performativen Kontakt mit den Dingenzu kommen, um aus praktischen Situationenheraus Wissen zu destillieren. Dieser Ansatz gehtdavon aus, dass die künstlerischen Praktikenselbst ein Reservoir an Wissen bereitstellen, diees für die Forschung fruchtbar zu machen gilt.

Musikalische Improvisation – eineneue Sprache für die Tiefendimensionvon OrganisationskulturenDas im Arbeitsalltag fast ausschließlich genutzteKommunikationsmedium „Sprache“ kann durchkünstlerische Prozesse sensorisch-emotional er-gänzt und dem Management von Organisati -onen daher eine neue Dimension hinzugefügtwerden. Musik und Klänge etwa machen dieTiefendimension von Organisationen und ihrerinnovativen Potenziale wahrnehmbar und die-nen gleichzeitig als Feedback für die Führungs-kräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um

notwendige Lern- und Entwicklungsprozesseauf individueller und organisationaler Ebeneanzuregen. Das musikalische Feedback regt dasSystem Organisation an und ermöglicht einepositive Neuordnung des Systems.

Der Zugang über die Sinneswahrnehmungender Musik ist eine Chance und Herausforderung,um die Tiefendimension der jeweils spezifischenOrganisationskulturen zu erfassen – und damitauch in der Praxis zu vermitteln. Ausgehendvon Musik als Modell von Organisation gilt es,neue Erfahrungshorizonte des Organisierensund Managens zu erforschen. Durch die Ver-bindung von Organisationskultur und Musiklassen sich neue Wege zur Entwicklung inno-vativer Unternehmen und sozialer Systeme ent-decken: Dabei kommt es besonders darauf an,auch die Erfahrungsbestände in Organisationenfür Innovation zu erschließen, die nicht aus-schließlich kognitiv repräsentiert sind. Fähig-keiten zur Selbstreflexion sind entscheidend fürInnovativität, Erfolg und organisationales Über-leben (Moldaschl 2006). Muster innovativerOrga nisationen – in ihrer Tiefenstruktur bislangnur schwer erkenn- und darstellbar – könnendurch die Musiksprache auf einer neuen Refle-xionsebene erfahrbar gemacht werden.

Innovative, lernfähige Organisationskulturenbilden am ehesten den Prozess des Improvisie-rens (Cunha & Cunha 2006) ab, der im Jazz oderauch in Teilen der Neuen Musik identitätsbil-dend ist (Dell 2002). Dies gilt insbesondere fürOrganisationen, die sich aufgrund neuer An-forderungen aus der Organisationsumgebungimmer wieder neu erfinden müssen. KomplexeAnforderungen benötigen hochqualifizierte Mit-arbeiter / innen mit hohen Freiheitsgraden, umInnovationspotenziale erkennen und flexibelagieren zu können; sie benötigen jedoch keinekomplexen Strukturen.

Improvisationen als Muster innovativer Orga-nisation(skulturen) sind beabsichtigte, aber un-geplante Abweichungen von den Organisati-onsroutinen (Cunha, Cunha & Chia 2007), dieeben dadurch unerwartete Problemlösungenund Entwicklungsmöglichkeiten erkennen undnutzen können. Innovative Prozesse erforderndas Brechen vorhandener Regeln, mit demMöglichkeiten in der aktuellen Entwicklung auf-gegriffen werden können, die eine neue Figurergeben.

Organisationen sind immer öfter damit beschäf-tigt, sich selbst und ihre Umgebungen in einenZustand zu versetzen, in dem die Routinen wie-der funktionieren. Anders gesagt: Organisati -onen, die vormals zur Aufrechterhaltung vonbestimmten Routinen in der Veränderlichkeitder Umwelt eingerichtet wurden, stehen heutevermehrt selbst unter dem Druck, sich perma-nent zu wandeln. Oftmals wird dann mit demVersuch des „Mehr“ an Planung versucht, derLage Herr zu werden, was zu einer Konfronta-tion mit den Dilemmata des Realen führen kann,da sich die Organisation durch jede Planungvon den realen Bedingungen entfernt.

Wenn eine Organisation improvisiert, agiert siegenau umgekehrt: Sie scannt die Möglichkeiten,die Potenziale, die in einer Situation vorhandensind, um diese anschlussfähig und nutzbar zumachen. Wenn aber Organisationen keinen Zu-gang zu dem Potenzial der Improvisation ha -ben, wenn Mehrdeutigkeit durch Ordnung undImprovisation durch Routine ersetzt werden,nimmt ihre Befähigung zur differenziertenWahrnehmung von und aktivem Umgang mitWandel ab. Man könnte sagen, dass Organisa-tionen, die sich wandeln wollen, gut daran tun,Meta-Lernen (vgl. Argyris & Schön 2002) zufördern und Improvisation zur Routine zu ma-chen, sprich improvisationale Tätigkeiten undDenkweisen in alltägliche Aktivitäten einzuwe-ben. Vermittels Improvisation bringt sich eineOrganisation permanent auf den neuestenStand und ermöglicht so eine antizipatorischeHaltung zum Wandel, ohne ihm ausgeliefert zusein. Diese Vorstellung von einer Organisationist eine andere als eine, die Organisationen alsGebilde interpretiert, die auf Veränderungennur reagieren und Wandel so lange ausblendenwie irgend möglich. Das traditionelle Bild derOrganisation und des Organisierens (vgl. Weick1985) basiert darauf, zu ignorieren, dass Orga-nisationen dauerhaft an der Gestaltung ihrerUmwelten partizipieren, ob sie es wollen odernicht. Improvisation als Organisationsmodus er-kennt diesen Fakt nicht nur an, sondern suchtaktiv, mit ihm zu spielen. Das bedeutet, dassImprovisation Akteuren nicht ein Weniger, son-dern ein Mehr an Verantwortung zuweist.

1 In der Kulturwissenschaft und der Technikgeschichte werdendieses Phänomen und die dazugehörige Sensibilität der Wahr-nehmung als „Serendipity“ bezeichnet: verantwortlich für einengroßen Teil von technischen und gesellschaftlichen „Sprung-innovationen“, die nur in ganz seltenen Fällen (wenn über-haupt) nur aus verbesserter und effektiverer Planung entstan -den sind (Eco 2001).

13præview Nr. 1 | 201412

Diese oft als Organisationskultur benannten im-pliziten Wissensbestände (tacit knowing – Pola -nyi 2009) und Prozesse der Vergemeinschaftung(Stark 2002, Stark et al. 2014) stellen eine we-sentliche, wenn auch wenig erforschte Grund-lage für die Innovationsfähigkeit von Unter-nehmen und anderen sozialen Systemen dar.Von entscheidender Bedeutung ist dabei dieFähig keit eines Systems, sich immer wieder neuzu erfinden und damit sich nicht nur sich ver-ändernden und komplexen Herausforderungenzu stellen, sondern auch neue, oft überraschen -de Wege bei technischen oder gesellschaftlichenHerausforderungen zu finden1.

Vergleichbares geschieht in der musikalischenImprovisation im Jazz (Barrett 1998, 2012; Dell2002, 2012), in der theatralen Improvisation(Johnstone 1993) und beim modernen Tanz(Halprin & Ross 1993, Forsythe 2002), aber auchin anderen künstlerischen Feldern (bildendeKunst, dreidimensionales Gestalten – Bertram2011, Weirich 2001). Akteure (Musiker, Darsteller,Tänzer, Künstler) wirken und spielen auf Basiserprobter Muster zusammen, indem sie sich neuerfinden. Sie variieren situative Muster vorhan-dener Erfahrungen im Sinne künstlerischer Tra-dition, zitieren, variieren und kombinieren sie inneuen Abfolgen und legen damit gleichzeitig

Implizites Wissen der Improvisation für innovativeOrganisationskulturen verstehen und nutzenWolfgang Stark

neu e Muster an. In einem prozessualen Verständ-nis werden Organisationen und soziale Systeme„performativ“ immer neu hervorgebracht.

Die meisten der bisher üblichen Organisations-analysen arbeiten mit kognitiven Modellen: Siehaben den rationalen Teil von Organisationenhervorragend erfasst, indem sie sich vor allemauf direkt erkennbare Parameter und auf Zähl-bares beziehen. Das funktioniert sehr gut inhierarchischen Systemen; je flacher jedoch Hie-rarchien werden und je komplexer damit dieOrganisation, umso mehr werden jene weichenFaktoren der Vergemeinschaftung bedeutend,

Organisationen und Unternehmen müssen sich in einer komplexer werdenden Welt orientieren und

positionieren. Über geronnene Strukturen und formalisierbare Arbeitsabläufe und Strategien lässt sich

ihre Praxis jedoch nur höchst unzureichend verstehen und flexibel gestalten. Der Umgang mit Unge -

wissheit ist trotz aller Bemühungen des Qualitäts- und Prozessmanagements eine alltägliche Herausfor-

derung für Organisationen. Sie entwickeln im Laufe der Zeit ein Repertoire an informellen und impliziten

Verfahrensweisen, die sich verfestigen, weil sie sich als viabel (gangbar) (Glasersfeld 1997) erweisen.

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Improvisation, Haltungs- und Rollenflexibilität als Impulse für die Gestaltung der beruflichen RollenfigurJutta Bloem, Benjamin Häring, Eva Renvert

Diese Flexibilisierung und Dynamisierung derorganisationalen Rahmenbedingungen führendazu, dass Mitarbeiter und Führungskräfte häu-figer in komplexen Situationen handeln, diesich alleine durch Routine nicht bewältigen las-sen. In diesem Umfeld müssen sich die Organi-sationsakteure immer wieder neu orientieren,ihre Aufgaben selbstverantwortlich strukturie-ren, veränderte Rollenanforderungen wahrneh-men und diesen gerecht werden. Gefragt sindin diesem Zusammenhang daher organisati -onale Entwicklungskonzepte, die den Organi-sationsakteur dazu befähigen, situativ zu im-provisieren und seine berufliche Rollenfigur sozu gestalten, dass er den sich wandelnden An-forderungen Rechnung trägt.

Hier setzt der Ansatz der „Theatralen Organisa-tionsforschung“ an, der sich als die mimetischeNachgestaltung und explorative Deutung or-ganisationaler Phänomene im Kontext von Ver-änderungsprozessen versteht (Arens-Fischer etal. 2010). Im Zentrum dieses Ansatzes stehendie Begriffe „Rollenfigur“ und „Rollenträger“,die dem Schauspiel entlehnt sind. Demnach ge-staltet der Schauspieler als Rollenträger die Rol-lenfigur aus der dramatischen Textvorlage. DieseBegriffe werden in der Theatralen Organisati-onsforschung auf die der beruflichen Rollenfi-gur übertragen, indem der Mitarbeiter in seinerPersönlichkeit inklusive seines Wissens und sei-ner Fähigkeiten als Rollenträger begriffen wird,der seine berufliche Rolle wie ein Schauspielerzu gestalten lernen kann. Der Begriff der „Rolle“muss dabei näher betrachtet werden. Er stammtim Kontext des hier beschriebenen Ansatzes ausder Theatertheorie (Ebert 1999), wenngleich esParallelen zum soziologischen Diskurs der Rol-lentheorien gibt (Goffmann 2005, Schimank2007). Rolle ist in Anlehnung an das Theaterstets als ein sozialer Begriff zu verstehen. Erbezeichnet als Handlungseinheit einen Interak-tionszusammenhang, bei dem das Gegenübereine komplementäre Rolle einnimmt, ohne diesich die eigene nicht konstituieren könnte bzw.

als Qualität der Interaktion wahrzunehmen wäre(Ameln 2009).

Wie aber gestaltet der Schauspieler seine Rolle?Eine zentrale Arbeit des Schauspielers liegt indem Training seiner Haltungs- bzw. Rollenflexi -bilität durch Improvisation, die ihm als Grund-lage zur Gestaltung seiner Rollenfigur dient.Der Begriff der „Haltung“ ist in diesem Zusam-menhang dem Begriff der Rolle insofern unter -geordnet, als ein bestimmtes Repertoire an Hal-tungen der Ausgestaltung der Rolle dient unddieser ihre Gestalt gibt (vgl. den Begriff der „ge-nerativen Figuration“, Ruping & Arens-Fischerin diesem Heft). Der Begriff der „Haltung" um-fasst dabei sowohl die innere Haltung (Einstel-lung, Befindlichkeit, subjektive Motive) als auchdie äußere, körperlich materialisierte (Gestik,Mimik, Handlungsweise) (Scheller 2012). DerAusbau des Repertoires an Haltungen der beruf -lichen Rollenfigur – so die These der TheatralenOrganisationsforschung – dient der Flexi bili sie -rung der Rolle und unterstützt die Perfor mancedes Mitarbeiters. Um dies zu erreichen, bedarfes der Fähigkeit zur Improvisation.

Improvisation, abgeleitet aus dem lateinischenWort improvisus, bedeutet „unvorhergesehen“,„überraschend“ oder auch „nicht geplant“ (vgl.Siegemund in Koch & Streisand 2003, S. 137f.).Im Schauspiel bezeichnet Improvisation eineungeplante, nicht eingeübte Reaktion entwederauf eine Situation, einen äußeren Stimulus odereinen inneren Impuls. Es geht also um dassponta ne Handeln in unvorhergesehenen situa-tiven Kontexten. Eine wichtige innere Haltungbeim Improvisationshandeln ist das angstfreie,auspro bierende Agieren, das aber – gerade imberuf lichen Kontext – in eine entsprechendeKultur eingebettet sein muss. Nährboden fürImprovisation ist der Fundus an Haltungen undVerhaltensweisen, die sich der Mensch im Laufeseiner Individuation und Sozialisation ange -eignet hat, allerdings ohne all das so Angelegteund Gespeicherte auch bewusst abrufbar zu

haben. Häufig werden spontane und neueHandlungsimpulse durch Gewohnheiten, Selbst-kontrolle und Angst verdeckt (Dörger & Nickel2008, S.15f.). Das Aufweichen derartiger Blo-ckademuster ist für ein Improvisationshandelnund eine Rollenflexibilität also unerlässlich. Inimprovisierten Spielprozessen können durch dasbewusste Einnehmen von ungewohnten, ande-ren Haltungen neue oder bislang verschütteteMöglichkeitsräume exploriert und zu Tage be-fördert werden (Johnstone 2009, S. 111).

Im Ansatz der Theatralen Organisationsfor-schung werden Erfahrungen, die über die Im-provisationsarbeit entstehen, genutzt, um sichim Kontext von Organisationen mit der eigenenberuflichen Rollenfigur auseinanderzusetzenund sie bewusst gestalten zu lernen. Eine be-rufliche Rolle beschränkt sich in der Regel nichtauf ein klares Rollenprofil, sondern besteht auseinem ganzen Set an Rollen, die es zu erfüllengilt. Neben seiner funktionalen Rollenfigur, diedurch das Aufgabenprofil beschrieben ist, be-kleidet jeder Mitarbeiter stets auch weitere Rol-len, wie zum Beispiel die soziale Rolle des Kol-legen, die hierarchische Rolle als Führungskraft,die politische Rolle als Betriebsrat oder die pä-dagogische Rolle als Ausbilder. Die Überlage -rung verschiedener Rollen im Berufsalltag sollim Folgenden anhand der Arbeiten im Rahmendes Forschungsprojektes comp-ACT, das die Zu-sammenhänge zwischen Ausbilderverhalten undAusbildungsqualität in kleinen und mittelstän-dischen Unternehmen untersuchte, erläutertwerden („comp-ACT – Theatrale Kompetenzent -wicklung in Ausbildungskontexten“, 2012-2013,gefördert durch das Land Niedersachsen).

Ergebnisse aus Einzel- und Gruppeninterviews,die mit verschiedenen Ausbildern bezüglich ihrerAusbilderrolle durchgeführt wurden, deuten da-rauf hin, dass sie die Rolle als Ausbilder ihrerfunktionalen Rolle (z.B. als Vertriebler) unter-ordnen. Beispielsweise beklagten sich die Aus-zubildenden über eine mangelnde Betreuung

Improvisation, Haltungs- und Rollenflexibilität – drei Begriffe aus dem Theater, die im Kontext von Arbeitswelt

zunächst fremd erscheinen. Welche Qualitäten liegen im Einbruch theatraler Ansätze in die Arbeitswelt? Während

traditionell Organisationen für ihre Mitglieder über hierarchische Konzepte klare Strukturen und Verantwortlich-

keiten vorhielten, wird heute eher auf flache Hierarchien, Zielvereinbarungen und komplexe Leistungsprozesse in

wandelbaren Unternehmens-, Projekt- und Netzwerkstrukturen gesetzt (Schulte-Zurhausen 2005).

in bestimmten Abteilungen. Die am Projekt be-teiligten verantwortlichen Ausbilder sprachendieses Thema gegenüber den betroffenen Kol-legen jedoch oft über Jahre nicht an und zeigtenwenig aktiven Umgang mit diesem Phänomen.Dies lässt vermuten, dass sie sich der Kollegen-rolle sowie auch ihrer ursprünglichen funktio-nalen Rolle im Unternehmen eher verpflichtetfühlen als ihrer Rolle als Ausbilder. Aufgrundder Überlappung von unterschiedlichen Rollen-figuren inklusive der verschiedenen Erwartungs-anforderungen entstehen somit Schwierigkeitenbeim Gestalten der Ausbilderrolle.

Die Ausführungen zeigen, dass die TheatraleOrganisationsforschung danach fragt, wie Im-provisation und der Aufbau von Haltungs- undRollenflexibilität Menschen in Organisationenunterstützen kann, die Anforderungen der heu-tigen Arbeitswelt trotz Ungeplantheit und Un-sicherheit nicht zu erleiden, sondern zu gestal-ten. Die Verbindung von Arbeitswelt und Theaterbietet in Organisationen die Perspektive, Mitar -beiter als Rollenträger zu entwickeln und gleich-zeitig den organisationalen Kontext über dieAusgestaltung der Rollenfigur einzubeziehen.Damit wird das Arbeitsfeld des Mitarbeiters unddessen organisationales Umfeld zum Reflexi-onskontext, in dem praktizierte, handlungsprag-matische Arbeitsregeln nur so lange Gültigkeithaben, wie sie ihre Richtigkeit und Nützlichkeitbeweisen (Arens-Fischer et al. 2012). Das per-manente Infragestellen bisheriger Strukturen,Regeln und Routinen kann so zu einem produk -tiven Veränderungsprozess führen – vorausge-setzt, die Unternehmenskultur selbst ist daraufausgerichtet, Improvisation, Haltungs- und Rol-lenflexibilität zu ermöglichen.

„comp-ACT – Theatrale Kompetenzent -wicklung in Ausbildungskontexten“, Antrags-Nr.: WA3-80125101, gefördert durch das Land Niedersachsen

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Die Organisation als generative Konfiguration.Theatrale Organisationsforschung als Beitrag zu einem rollenzentrierten Modell der Organisations-analyse und -gestaltung Bernd Ruping, Wolfgang Arens-Fischer

Unternimmt man den Versuch, Kernelementeder Theorie und Praxis des Schauspiels mit de-nen der Betriebsorganisation zu verknüpfen,dann drängt sich der Rollenbegriff als ein na-heliegendes Verbindungsglied auf. So gestaltetsich Wirklichkeit auf dem Theater, als Beson-derheit seiner ästhetischen Formsprache, durchdie Interaktionen seiner Protagonisten, welchenach Maßgabe von Stück und Regisseur ihre„Rollenfiguren” entwickeln und handeln lassen,den Situationen und aufeinander prallendenInteressen entsprechend. Betriebliche Organi-sationen, hier begriffen als Ordnungsrahmenfür die Verbesserung von zugleich wirtschaftli-chen und menschengerechten Unternehmun-gen, umfassen als einen wesentlichen Bestand-teil die Gestaltung der Arbeitsplätze mit ihrenjeweiligen Aufgaben und Arbeitsmitteln, dieüber die Rollenprofile der betrieblichen Prota-gonisten zu einem möglichst wirkungsvollenHandlungskontext verknüpft sind. Doch wederauf den Bühnen der Betriebsorganisationennoch auf denen des Theaters ist die Fixierungvon Rollenfiguren nach Ausschreibung oderVorlage, wie auch die Definition von Rollen-profilen nach wirtschaftlichen Zielvorgabenoder ästhetischem Selbstverständnis, ein Garantfür ein „Verhalten nach Plan”. Es gilt also, vorder scheinbar naheliegenden Beerbung destheatralen Rollenbegriffs im ökonomischenKontext eine Klärung seines Gehalts zu versu-chen. Im Blick auf die Erfahrungen und Ergeb-nisse unserer Forschungsprozesse (vgl. die Bei-träge von Arens-Fischer, Bloem, Häring, Renvertund Ruping in præview Ausgabe 1/2011) schla-gen wir folgende Definition des komplexen Phä-nomens „Rolle” vor:

Rolle ist mitnichten eine fixierbare Qualität oderHandlungsmaxime, die wie ein Skript festge-schrieben ist, das man auswendig lernt unddann beliebig oft entäußern kann. Vielmehr ver-stehen wir darunter eine generative Figuration,in die elementare Lebensbedingungen und vor-gängige Strukturen (personelle und lebensge-schichtliche, strukturelle und organisationale)ebenso eingehen, wie sie in ihrer Realisationdurch den Rollenträger zugleich in diese Struk-turen eingreift, sie bekräftigt oder überschreitet,und damit einen Modus Operandi darstellt, ausdem erst die Rollenfigur ihre Authentizität undGlaubwürdigkeit, ihre Legitimation und Rele-

vanz gewinnt. Zwischen den Interessen, Kom-petenzen, Wünschen und Werten des Rollen-trägers, der Materialität seiner Interaktion mitden Anderen (Antagonisten, Verbündeten, Zu-schauern) sowie den Besonderheiten der jeaktu ellen Situation, ihren zeitlichen und räum-lichen Vorgaben, und – nicht zuletzt – derTages form aller Beteiligten entsteht die konkreteRollengestalt – als individuell verleiblichter,dyna mischer Ausdruck dieses Beziehungsge-flechtes. Wir können nun auch sagen: Rolle istder je spezifische, im Moment ihrer Einnahme,ihres „Spiels” konkretisierte Ausdruck einer ge-sellschaftlichen oder organisationalen Konfi -guration, in der allein sie zu deuten, zu gestaltenund zu verändern ist.

Dieses Rollenverständnis hält absichtsvoll Ab-stand zum Begriff des Subjekts als selbstrefe-renzielle Singularität, die sich zum Anderen ori-ginell, d.h. in Abgrenzung verhält. Die Figurationeiner Rolle ist vielmehr undicht: Ihr intentio-naler, gewollter Teil lässt Raum für das, was ihrim Auftreten zufällt. Vor aller spezifischen Thea-ter-Ästhetik haben wir es deshalb mit einer„Poiesis des Imperfekten” (vgl. Bormann et al.2010, S. 193) zu tun, insofern hier ein Vorberei-tetes auf ein Unvorhergesehenes trifft und sicherst im Moment des Zusammentreffens diewahrzunehmende Rollengestalt konstituiert: alsGegenwärtigkeit. Darin aber sind die Vergan-genheit (ihre Präparation im sozialen Gefüge)und die Zukunft (ihre Wirkung ebendort) auf-gehoben. Eine Rolle als generatives Konzeptrealisiert sich nachgerade über die Aufmerk-samkeit und das Echo der Anderen, die gleich-sam in die Präsenz des Auftretenden hineinge-zogen werden und sie zugleich bedingen.1

Substantiell für eine gleichermaßen organisa-tionstheoretisch fundierte und auf Personalent -wicklung zielende Arbeit an der Rolle ist deshalbdie Fähigkeit, sich mimetisch den Menschenund Situationen anzuverwandeln, d.h. – demSchauspieler des Improvisationstheaters ent-sprechend – Nähe und Ähnlichkeitsbezüge her-zustellen, um auf diesem Boden jene explorativeQualität zu erzeugen, die das Vorhersehbare er-eignishaft zu überschreiten erlaubt.

Begreifen wir also Rolle als generative Figura-tion, d.h. als eine plurale Kategorie, welche auf

die Gestalt und Gestaltbarkeit der Organisationmaßgeblichen Einfluss hat, rücken wir die Men-schen mit ihren Verhaltensoptionen in den Fo-kus der Betrachtung, genauer: die Menschenals gleichermaßen angepasste wie eigensinni -ge, gesellige wie egozentrische, veränderungs-fähige wie veränderungsbedürftige Wesen.Doch während Rolle im Theater von vornhereinals etwas Gemachtes, In-Szene-Gesetztes be-griffen wird und so der Spiel-Charakter als Teilder Theater-Verabredung die Qualität der Per-formance maßgeblich prägt, versuchen die Pro-tagonisten des betrieblichen Alltags in aller Re-gel, ihre Rollengefüge als notwendige, mithinnatur-gegebene, in jedem Fall aber „objektive”Realität darzustellen, d.h. deren theatral ge-formte und also formbare, sozial konstruierteund also generative Dimension zu hintertreibenund einer vermeintlich unvermeidlichen Zweck-Mittel-Rationalität zu unterwerfen.

Damit klingt ein Grundinteresse der TheatralenOrganisationsforschung an: die Verunsicherungder gewohnten betrieblichen Handlungs- undVerhaltensmuster, die Irritation der ihnen auf-gesetzten Denk- und Deutungsschablonen so-wie die Entlarvung der daraus hervorgehendenstrategischen Verstellungs-Mechanismen undPersönlichkeits-Masken. Grundsätzlich geht siedavon aus, dass menschliches Verhalten nur zueinem Teil durch „Persönlichkeit” oder „Natur”des Rollenträgers geprägt ist, es vielmehr ingroßem Maße von dem gesellschaftlichen Kon-text, den Prozessen und Strukturen einer Orga-nisation sowie dem situativen Kontext der Rol-leninteraktion provoziert und differenziert wird.Eingefahrene Verhaltensweisen oder Wider-standsformen werden deshalb nicht als indivi-duelle Macke oder subjektives Defizit diskrimi-niert, sondern vor dem Hintergrund der sozio-ökonomischen Strukturen erklärt und gedeutet.

Im Zusammenhang der Organisationsanalyseorientiert sich das Konzept der Theatralen Or-ganisationsforschung entsprechend strikt anden Konfigurationen des betrieblichen Rollen-gefüges, dessen Spielräume es auszuloten undgegen Gewohnheitskulturen und Machtinteres-sen zu verteidigen gilt. Veränderungsfähigkeitund Veränderungsbedürftigkeit akzentuierend,fokussiert es auf die Arbeitsplätze mit ihrenAkteu ren und auf deren Zusammenwirken im

Arbeits prozess. Dabei kann die Theatrale Orga-nisationsforschung zum einen auf Methodender Arbeits(platz)- und Organisationsanalysezurückgreifen. Zum anderen eröffnen sich An-schlussoptionen an die soziologische Theoriedes symbolischen Interaktionismus, die auf dieim kommunikativen Handeln vermittelte Be-deutung von Situationen verweist. Durch denProzess der Interaktion erhandelt sich derMensch darüber hinaus seine Position in Gruppeund Gesellschaft und, unter pädagogischer Prä-misse, Identität und soziale Kompetenzen sowie,in der Spannung von subjektivem Wertesystemund objektiver Vorgabe, Rollendistanz und(Selbst-)Verantwortung (vgl. Krappmann 1973).

Dementsprechend stehen im Zentrum der Thea-tralen Organisationsforschung die Verhältnissezwischen den Menschen als deutende und ent-scheidende Subjekte sowie ihre Fähigkeit, Rol-lenerwartungen wahrzunehmen, sie zu inter-pretieren und ggf. handelnd zu verändern.

Voraussetzung einer darauf gründenden Arbeits -platz-Analyse und Organisationsgestaltung istdie Einnahme einer forschenden Haltung, d.h.die aktive Teilnahme aller Beteiligten als glei-chermaßen Subjekt und Objekt der Forschung.Die sie begleitenden Protagonisten der Wissen-schaften nehmen hier eher die Position des „fa -cilitators”, des un-verschämten Impulsgebers,des Sammlers und Zuspitzers, des Motivatorsund Moderators ein. Theatrale Methoden ausSchauspiel, Dramaturgie und Regie provozierenund unterstützen diesen Prozess, indem sie er-möglichen, betriebliche Situationen szenisch zurekonstruieren, d.h. die analytische Auseinan-dersetzung mit den darin aufgehobenen Mo -tiven und Haltungen zu binden an deren sinn-liche Konkretion und szenische Verdichtung (vgl.Arens-Fischer, Renvert & Ruping 2011 sowieBloem & Häring 2011).

Dabei zeigt sich immer etwas, das die Ebenedes schlichten Rollenspiels, des absichtsvoll Wie-derholten oder rational für nützlich Gehaltenenweit überschreitet und das sich der Eigenartdes Ästhetischen verdankt: Die Materialität vonKörper, Bild und Szene, die Aktualität und Prä-senz des sinnlichen Erlebens fügt sich nicht un-mittelbar in die Deutungsmuster der Alltags-praxis und steht ihr auch nicht sogleich zur

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jede s Einzelnen ein nicht geringes Maß an Im-provisation erforderlich (vgl. Böhle & Porschen-Hueck in diesem Heft).

Abzugrenzen von der Rollenflexibilität ist derRollenwechsel in eine andere Rollenfigur miteinem anderen Spektrum an Verhaltensoptio-nen. Beispielhaft sei verwiesen auf die bei derTechnologieanalyse in Open-Innovation-Netz-werken beobachteten Rollen Technologiekritikerund Technologiebewahrer (s. Arens-Fischer, Din-kelborg & Häring in diesem Heft). Um die Rol-lengestalt eines Technologiekritikers vollum-fänglich zu erschließen, bedarf es eines gleich-zeitig regelgeleiteten wie auch reflektierten undintuitiven Handelns in der Rolle. Die Reflexivitätzur Rolle bereitet den Wechsel in die Rollenfigurdes Technologiebewahrers vor. Die betrieblichePraxis zeigt jedoch, dass diese Reflexivität inder Regel unterbleibt bzw. keinen Anregungs-und Entfaltungsraum findet und sich deshalbdas einmal etablierte Rollenprofil und die darinerworbenen Gewissheiten perpetuieren.

Die Erprobung einer anderen Perspektive imtheatralen Raum, das experimentelle Durcher-fahren eines veränderten Rollenkonzeptes ohneden „Druck des Wirklichen” und seiner Kosten,erscheint hier als ein Weg, die Anwendungs-routinen organisationaler Praxen zu irritierenund damit inkorporierte Verriegelungstenden-zen aufzubrechen. Der kontinuierliche Wechselvon Handeln und Betrachten, die (probeweise)Einnahme von Haltungen und Verhaltensweisen,der (spielerische) Tausch etablierter Rollen sowiederen Reflexion in Hinblick auf ein überlegtesAnders-Handeln ist methodischer Kern diesesAnsatzes. Mit seiner Hilfe erscheint uns eineNeuinterpretation und Weiterentwicklung vonRollenmodellen als möglich und vielverspre-chend für die Modellierung von betrieblicherOrganisations- und Kompetenzentwicklung. Fürdie Theatrale Organisationsforschung würdesich damit die Entwicklungsoption zu einemrollenzentrierten Modell der Organisationsana-lyse und -gestaltung eröffnen.

Verfügung. Denn das, was sich zeigt, ist immerein „Anderes”, das einen „Sinn jenseits des Be-zeichenbaren” erzeugt (vgl. Mersch 2002). Esbeginnt sich schon zu entfalten, wenn einMensch (ob Schauspieler oder Betroffener) seine„normale” Haltung ändert, um zu demonstrie-ren, was für ihn in einer Situation der Fall war.Die Leiblichkeit dieses Vorgangs spült stets mehrhervor als sein Betreiber intendiert, denn dassubjektiv zur Behauptung Stehende bricht sichan seiner Materialisierung in Körperhaltung undStimme, dem gleichsam hervorbrechenden Ges -tus einer noch unfertigen Rollenfigur. Die aberist nicht gänzlich in eine vorgedachte Strukturzu zwingen, sondern kann allein als Vorgängigeszugelassen werden.

Das hat essenzielle Auswirkungen auf den Mo-dus der Kommunikation: Nun gilt es, sich ant-wortend dem Ereignis zu unterstellen. Dem isteine Umwendung der Logik der Intentionalitätzur Responsivität implizit: Aus den Antwortender Beteiligten und im moderierten Diskurs derStoffe, die im Resonanzraum des theatralenSpiels zur Erscheinung gelangen, konstituiertsich die gesellschaftliche und organisationaleWirklichkeit als eine, die zur Disposition steht.Dabei operiert die Theatrale Organisationsfor-schung an den Schnittstellen von Sinnlichkeitund Ratio, von Erinnerung und Vorstellungskraftund damit an den Bruchstellen zwischen derTopologie des Bestehenden und der Ou-topiedes Möglichen. Sie setzt auf die Anschaulichkeitder Phänomene und zwingt die Komplexität des„Wirklichen” in einen szenisch verantwortbarenRahmen, der die Wahrnehmung herausfordert.

Die dazu notwendige Reduktion der Zusammen-hänge kompensiert sie über deren ästhetischeAnordnung: nicht als Abbild des für wirklichGehaltenen, sondern in spielerischer Neu-An-ordnung seiner für wichtig gehaltenen Elementeunter Aspekten der Form (Dynamik der Bewe-gungen, Rhythmus der Interaktion, Aufteilungvon Raum und Zeit). Den Bildern der Realitättritt nun die „Realität der Bilder” (Boal 2006)entgegen, die als gestaltete und also gestaltbaredie festgelebten Ausdrucksformen und Deu-tungsmuster gegen den Strich kehrt und aufein eingreifendes Denken gerichtet ist: Dennim ästhetischen Bild ist stets auch das Anderepräsent, das die Agenten des Fak tischen unter

den Diktaten des Sachzwanges nicht preiszuge -ben in der Lage sind.

Unsere Beobachtungen betrieblicher Praxis wei-sen nachdrücklich darauf hin, dass der Rahmenaus Aufgabenanforderungen, Arbeitsmitteln,Materialien der Tätigkeit sowie der Kontext dessituativen Arbeitsumfeldes alles andere als starrist und es also Kompetenzen bedarf, die eigeneRollenfigur flexibel an Veränderungen anzu-passen, d.h. sie entsprechend reflexiv, d.h. ihreRelevanz und Wirkkraft analysierend und fi -gurierend, zu führen. Das dazu erforderlicheKompetenzbündel soll hier unter dem RubrumRollenflexibilität zusammenfassend definiertwerden.

Insbesondere unter der Perspektive innovati-onsorientierter Führung und Organisation vonUnternehmen wird der Gedanke einer Erweite-rung der Handlungsspielräume jenseits fixerRegeln zunehmend stärker betont, um so dieOrganisation für Veränderungen zu öffnen. Fer-ner wird die Subjektperspektive hervorgehobenmit dem Ziel, die sinnliche Wahrnehmung, dasErahnen möglicher Entwicklungen, das Vorstel-len von bisher Unbekanntem zu aktivieren undzu entfalten. Damit verbunden ist die tenden-zielle Veränderung der Arbeit der Organisati-onsmitglieder von der ausführenden hin zu ei-ner eher selbstorganisierenden Tätigkeit, die dasSubjekthafte, Handlungstragende (im Gegensatzzum ausführend Objekthaften) voraussetzt.Diese Orientierung knüpft an die seit einigenJahren in der Kompetenz- und Organisations-forschung zu beobachtende Perspektive der be-ständigen Flexibilisierung der betrieblichen Res-sourcen und der Organisation als Ganzes an.Dabei kann die institutionelle Reflexivität alsKern der Modernisierung der Betriebe konzep-tualisiert werden, indem die betrieblichen Re-geln der Erfassung von Handlungsmustern unddie Deutungen der Entwicklungen der Umweltfür das Unternehmen analytisch aufgeschlüsseltund in flexibilisiertem Rollenverhalten durchdie Rollenträger selbstbestimmt entfaltet wer-den. Auch dieser Prozess ist wieder nur bedingtim Voraus plan- und damit deterministisch ge-staltbar. Vielmehr ist für die Belebung der Rol-lenflexibilität im dynamischen Spannungsfeldzwischen dem selbstbestimmten und dem struk-tural-eingeschränkten Organisationshandeln

1 Dem entsprechen die performativen Konzepte des Theatersim Allgemeinen und die des Improvisationstheaters im Be-sonderen, welche „Präsenz im Interaktionsprozess zwischenAkteur und Zuschauer verorten” (Lösel 2013, S. 160): DerenIdealform ist, „keine Idealform zu besitzen, sondern das Im-perfekte, das bedingungslos Fraktale zu orten und spielbar zumachen” (Dell 2002, S. 62).

19præview Nr. 1 | 2014

Art Directors’ Comment„Improvisation; das ist, wenn niemand die Vorbereitung merkt.“François Truffaut

Die exklusiv für diese Ausgabe der praeview fotografierten Studioarbeiten loten die komplexen Dimensionen und Texturen von transluzenten und opaken Alltagsobjekten aus. Sie eröffnen neue Sehgewohnheiten im Spannungsfeld von Spontaneität und Kalkül, von Planung und Intuition.

Wie klassische, nichtdigitale Fotografien sind sämtliche Arbeiten ohne Bildbearbeitungsprogramme und -filter entstanden.

Begleiten Sie uns auf einer Bilderreise zur „Kunst des Unerwarteten“.Renate Lintfert und Hans Waerder, Q3 design

præview Nr. 1 | 2014 19

21præview Nr. 1 | 201420

Gleichwohl bleibt nach heutigem Kenntnisstandfestzuhalten, dass Unternehmensnetzwerke zwarKooperationsgewinne versprechen, die geradekleine und mittelständische Unternehmen al-leine meist nicht erzielen können, es dennochhäufig auch zum Scheitern von Netzwerken inder Praxis kommt. So bliebe der Erfolg vage undder Anreiz, einen eigenen Beitrag zu leisten, ge-ring (vgl. Glückler & Hammer 2011). Für einespezielle Form von Netzwerkarbeit, der Techno -logieanalyse in (beschränkt) offenen Prozessen(Open Engineering), soll gezeigt werden, dass mitHilfe einer geeigneten Organisation die Voraus-setzungen zur Rollenimprovisation geschaffenund konkrete Leistungsbeiträge für alle beteilig -ten Unternehmen und Personen erreicht werdenkönnen.

Die „Offenheit“ drückt sich in drei Dimensionenaus: a) hinsichtlich der beteiligten Unterneh-men, b) hinsichtlich der zu bearbeitenden tech-nologischen Problemstellungen und c) hinsicht-lich der beteiligten Ingenieure und weiterer Ak-teure aus den Betrieben. Insofern geht es umdie Reflexion und Lösung von Technologiepro-blemen, die betriebsübergreifend mit dem En-gineeringwissen bearbeitet werden, das in denunterschiedlichen Unternehmen verteilt ist undin dem Netzwerk immer wieder neu und be-darfsgerecht kombiniert wird.

Die Technologieanalyse ist darauf gerichtet, diein einem Betrieb zur Anwendung gelangendenTechnologien zu reflektieren und Ansätze zurVeränderung zu entwickeln. Besonders in KMUstehen gebündelte Innovationsressourcen dazuim Allgemeinen nur selten in eigens dafür ein-gerichteten Abteilungen zur Verfügung. Sie be-finden sich vielmehr (verteilt) in den operativentechnischen Prozessen – sei es in der Entwick-lung und Konstruktion, der Produktion oderauch dem technischen Vertrieb und Service.

Der hier verfolgte Ansatz der Kooperationsarbeitbesteht in der Kombination von Personen mitumfangreichem Erfahrungswissen aus den ge-nannten betrieblichen Tätigkeitsfeldern zu offe -nen Arbeitsgruppen, in denen technologieori-entierte Problemstellungen analysiert werdenund nach Lösungsansätzen gesucht wird. DieTeilnehmer sind somit erfahrungsgeleitete Ex-perten für ihre jeweiligen Tätigkeitsfelder unddie dort verwendeten Technologien. Allerdingssind sie auch durch die im Betrieb gelebte Orga -nisationspraxis geprägt, die Denkmuster undVerhaltensweisen bestimmt. In diesem Kontextstellen sich nun Fragen nach der konkretenArbeits organisation im Netzwerk und danach,mit welchen Rollen die Teilnehmer aufeinandertreffen, damit in der Zusammenarbeit ein pro-duktiver Funke entsteht, der neue Lösungsan-sätze ermöglicht.

In dem hier zitierten Referenzprojekt zur Tech-nologieanalyse wurden vorrangig Ingenieureund Techniker mit unterschiedlichem fachlichenHintergrund aus sieben Unternehmen ganzunter schiedlicher Branchen (Stahlhallen-, Fahr-zeug-, Tor-/Kassetten-, Klimaanlagen-, galvani -sierter Kleinteilebau, Verfahrens- und Kunst-stofftechnik) zu einem Open-Engineering-Netz-werk verbunden und erhielten die Aufgabe, einkonkretes technologiebasiertes Problem aus ih-rem jeweiligen betrieblichen Arbeitsfeld als Auf-gabe in das Netzwerk einzuspeisen. Somit hattejedes Unternehmen einen konkreten Leistungs-beitrag und durch die zu entwickelnden Pro-blemlösungsansätze auch einen zu erwartendenkonkreten Nutzen. Für die eigentliche Zusam-menarbeit wurden die Teilnehmer in wechseln-den Arbeitsgruppen mit einem Moderator zu-sammengebracht. So ergaben sich neue Bühnen,in denen die Personengruppen zu für sie (bisauf die problemgebende Person) neuen Aufga-ben eine Stunde pro Gruppensitzung und Pro-blemstellung improvisieren mussten.

Die assoziative Nähe zum Improvisationstheaterdrängt sich nachgerade auf. So werden die Teil-nehmer in eine für sie ungewohnte Situationgebracht, wie es im Improtheater auch der Fallist. Improvisation kann hier verstanden werdenals eine „(…) spontane, ungeplante, natürlicheReaktion auf eine Situation, einen äußeren Sti-mulus, einen inneren Impuls. Sie ist die Kunstdes Augenblicks, bedeutet die „natürliche“ Inte -gration eines Individuums in einen Situations-kontext. Nun wird aber die spontane Reaktiondes Individuums häufig verdeckt durch Ge-wohnheit, blockiert durch Tabus, Selbstkontrolle,Schüchternheit und Angst; sie wird bestimmtdurch Normen, ersetzt durch erprobte, gelernteoder erzwungene Verhaltensmuster“ (Dörger &Nickel 2008, S. 15f.).

Obwohl die Personen aus unterschiedlichenFachdisziplinen (Elektro-, Informationstechnik,Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Wirtschafts-ingenieurwesen), unterschiedlichen betrieblichenTätigkeitsfeldern sowie aus unterschiedlichenOrganisationskulturen stammten und darüberhinaus eine zwar technologische, aber ebennicht gewohnte Aufgabenstellung zur Bearbei-tung anstand, zeigte sich keine Sprachlosigkeit,sondern ganz im Gegenteil eine konzentrierteund äußerst effektive Zusammenarbeit. Das Rol-lenverhalten jedes Einzelnen war offensichtlichanschlussfähig für alle anderen.

Improvisation ist kein beliebiges Verhalten, son-dern es folgt Regeln. So befanden sich alle Teil-nehmer zwar einerseits in einer ungewohntenUmgebung mit unbekannten und fachfremdenMitspielern. Andererseits wurde ein technologie -orientiertes Handeln durch die lösungsorientier -te Problembearbeitung erwartet. Alle Teilnehmerverhielten sich nach den Regeln der Rolle einesIngenieurs. Gleichzeitig verlangt die Interdis-ziplinarität der Gruppe von jedem der Teilneh-mer ein Maß an Rollenflexibilität, das nur durch

Rollenimprovisation in offenen Technologie-analyseprozessenWolfgang Arens-Fischer, Katrin Dinkelborg, Benjamin Häring

das Führen der eigenen Rollenfigur (vgl. Arens-Fischer & Ruping in diesem Heft) erschlossenwerden konnte. Das Open-Engineering fordertbeide Dimensionen des Improvisierens ein: dasobjektivierende, regelgeleitete wie auch das sub-jektivierende, bewusste und intuitive Verhalten(vgl. Böhle & Porschen-Hueck in diesem Heft)mit dem Ergebnis eines flüssigen Zusammen-spiels. Eine Improvisation überzeugt eben nichtdann, wenn sie an eine geschriebene Szene er-innert, sondern wenn bei den Spielern festzu-stellen ist, dass sie die Szene genießen, sichdurch ihre Mitspieler verändern lassen, sich et-was trauen, mutig sind und scheinbar ohneMühe spielen (vgl. Johnstone 2009, S. 476).

Das Ergebnis ist beeindruckend: Für sieben un-terschiedliche Technologieprobleme konnten107 Lösungsansätze generiert werden, von de-nen ein Jahr nach Abschluss des Projektes überdie Hälfte in den Betrieben eigenständig wei-terverfolgt werden. Im Prozess selbst zeigtensich unterschiedliche Rollengestalten wie Tech-nologiebewahrer, -kritiker, -wirtschaftler, -inte -gratoren und -innovatoren. Trotz dieser unter-schiedlichen Rollen bestätigten alle Beteiligtendie Leistungsfähigkeit und Freude des Arbeitensin dem Open-Innovation-Netzwerk und bekun-deten geschlossen ihre Bereitschaft zur erneu-ten Beteiligung.

Kooperationen in Forschungs- und Entwicklungsvorhaben verfolgen das Ziel, begrenzte Innova tions res -

sourcen dauerhaft oder zeitlich begrenzt zu kompensieren. Der Mangel an dieser Ressource liegt definitions-

gemäß vor allem in nicht-forschungsintensiven Unter neh men vor. So zeigt sich, dass nicht-for schungs-

intensive Unternehmen, die Kooperationen in der Forschung und Entwicklung nutzen, häufiger marktfähige

Produktinnovationen hervorbringen als es ihnen alleine möglich wäre (vgl. Kirner et al. 2009).

23præview Nr. 1 | 201422

Improvisation als OrganisationsdesignLutz Hempel

Damit Improvisation in der Organisationsweltfruchtbarer werden kann, muss sie als Strategiebewusst gemacht und als Handlungskonzeptvermittelt werden. Dafür scheint das Modellimprovisierender Jazz-Bands gut geeignet: Esstellt funktionierende improvisierende Organi-sationen dar; es kann als lebende Metapher be-sonders anschaulich gemacht werden; über Im-provisationsübungen können Führungskräftenund Teams zugrunde liegende Werte und Prin-zipien auf bewegende Weise nahe gebrachtwerden. Wenn Improvisation in Organisationenstrategische Anwendung findet, sich Strukturen,Prozesse und Handlungen in ihrem Sinne neuformen, kann sie sich als Organisationsdesignetablieren.

Strategische ImprovisationImprovisation als Strategie ergänzt strategischePlanung um eine Dimension des Erkennens undNutzens von Gelegenheiten. Strategie wird alsInteraktion zwischen Vision und Gelegenheitenneu interpretiert. Die strategische Absicht bleibtRichtungsgeber, entlang des Wegs sind Aktionund Reflexion bevorzugte Mittel (Perry 1991).Dies baut auf der Überzeugung, dass ein Planender Zukunft nur begrenzt und immer wenigerfunktioniert, ein gerader Zukunftspfad Illusionist (Crossan et al. 1996). Jazz-Bands arbeitenmit der strategischen Absicht zusammen, best-mögliche Musik zu schaffen und zu performen(Barrett 2012). Die Umsetzung, d.h. die Erarbei -tung oder Darbietung neuer Songs, erfolgt offenund flexibel, um auftauchende musikalischeIdeen nutzen zu können.

Der Nutzen strategischer Improvisation in Or-ganisationen liegt vor allem in der Erhöhungvon Veränderungs-, Innovations-, Lern- undLeistungsfähigkeit:

Veränderungsfähigkeit: Strategische Impro-visation kann Organisationen in der Fähigkeitstärken, proaktiv mit Veränderungen umzuge-hen und den Wandel zu gestalten. Sie machtoffen für sich im Umfeld oder intern abzeich-nende Veränderungen und flexibel dafür, dieseund weitere Veränderungen als Gelegenheitenzu erkennen und zum Vorteil zu nutzen (Orli-kowski 2014). Wie Jazz-Bands mit Veränderungumgehen, wurde zuvor umrissen.

Innovationsfähigkeit: Strategische Improvisa -tion schafft einen Rahmen, in dem sich Menschenkreativ entfalten können, in dem experimentiertwerden kann, Fehler konstruktiv genutzt wer-den. Einen Rahmen, in dem (Mit-)Gestaltungvon zentraler Bedeutung ist (Barrett 2012). Jazz-Musiker improvisieren mit einer positiven, neu-gierigen und selbstbewussten Grundhaltungund begreifen Fehler als Lernquelle. Sie verstän-digen sich auf wenige Strukturelemente wiez.B. ein Akkord-Muster und setzen darüber freiihre Ideen um.

Lernfähigkeit: Improvisation im Jazz basiert aufeiner besonderen Lernkultur, die bei Jam Ses -sions und neuen Projekten gepflegt wird. Lernenfindet durch gemeinsames Tun und darüberSprechen mit vorzugsweise erfahreneren Lern-

partnern statt, eine sehr wirkungsvolle Lern-form. Strategisch improvisierende Organisati -onen regen solches Lernen an und profitierenvon einer Zunahme an kreativen Lösungen undnachhaltigem Wissenstransfer (Barrett 2012).

Leistungsfähigkeit: Strategische Improvisationstellt den Menschen in den Mittelpunkt von Or-ganisation. Offenheit und Flexibilität, (Mit-)Gestal tung und besondere Lernkultur erhöhenMotivation und Leistungsfähigkeit. Das tempo-räre Teilen von Führungsverantwortung trägtweiter dazu bei. Hervorragende Jazz-Bands be-eindrucken mit großer Konzentriertheit, Spiel-freude, Energie und Hingabe und mit fantasti-schen Ergebnissen. Es „grooven“ die Musik unddie Band selbst, d.h. die Musiker sind zusammenim Flow und gleichzeitig im Rhythmus.

Strategische Improvisation als Hand-lungskonzeptStrategische Improvisation beruht auf einerReihe von Prinzipien und Werten, die für Orga-nisationen nachvollziehbar, übertragbar und an-wendbar gemacht werden können. Das von miraus der Arbeit von Barrett (2012) und Gold &Hirshfeld (2005) abgeleitete „Jazz it!“-Modell(s. Abb. oben) hat sich in meiner Praxis in knappeinem Dutzend Workshops als hilfreich erwiesen(Werte innen, Prinzipien außen). Die Prinzipiensind mit einer Ausnahme für Führungskräfte wieMit arbeiter wichtig, entfalten aber bei Füh-rungskräften besondere Kraft (ab „Entlernenmeistern“ im Uhrzeigersinn).

æP1: Es geht darum, Offenheit und Flexibilitätfür neues Denken und Arbeiten zu üben undGewohnheiten, Routinen, persönliche Strate -gien regelmäßig in Frage zu stellen.

æP2: Anstatt auf Probleme und ihre schnelleLösung fokussieren Führungskräfte auf Mög-lichkeiten, stellen positive Fragen, regen Aus-tausch darüber an und schreiten neugierigvoran.

æP3: Experimentieren passiert nicht losgelöstin der Entwicklungsabteilung, sondern überallin der Organisation, parallel zu den anderenProzessen. Die Führungskräfte deuten Fehlervon inakzeptablen Problemen zu wertvollenEntwicklungsmöglichkeiten positiv um.

æP4: Um möglichst viel Gestaltungsraum zuschaffen, werden die Strukturen einer Orga-nisation auf die nicht verhandelbaren Struk-turelemente beschränkt.

æP5: Siehe unter Nutzendimension Lernfähigkeit.

æP6: Im offenen Austausch miteinander gebensich Führungskräfte und TeammitgliederImpul se, bauen auf den Ideen der anderenauf. Die Teammitglieder erhalten von Zeit zuZeit die Möglichkeit, temporär zu führen, z.B.ein Mee ting oder ein Projekt.

æP7: Die Führungskräfte haben Visionen vonetwas Besserem, brechen bewusst mit Routinenund Mustern, um ihr Team dorthin zu bewegen,bekräftigen die Stärken und Potenziale ihrerMitarbeiter/-innen, fordern viel, erlauben aberinkrementelles Vorgehen.

Improvisation hat viel Potenzial, Organisationen fitter zu machen für die

Zukunft. Weil sie alternative Handlungsmöglichkeiten bietet für den Um-

gang mit der wachsenden Komplexität, Geschwindigkeit und Unsicherheit

in der Welt, in der traditionelle Konzepte immer weniger greifen. Weil sie

Veränderungs-, Innovations-, Lern- und Leistungsfähigkeit steigert.

Damit diese Prinzipien zum Tragen kommen,braucht es eine Kultur und Menschen, die Lei-denschaft, Mut, Empathie und Diversität aus-zeichnet. Den Führungskräften kommt hier einebesondere Vorbild- und Unterstützungsfunk -tion zu.

Vermittlung und AnwendungDie Vermittlung des obigen Modells über dielebende Metapher (Demonstration durch eineBand) und Improvisationsübungen (beides mitReflexion) wurde in den genannten Workshopserfolgreich erprobt. Generell erscheint vielenTeilnehmern eine stärker werte- und prinzipien-basierte Organisation erstrebenswert. Als be-sonders wichtig werden eine konstruktiveFehler kultur, Experimentieren, Gestaltungsraumbei klarer Zielrichtung sowie eine offene undschnelle Kommunikation erachtet.

Die Anwendung im Organisationsalltag der Teil-nehmer lässt sich aus meiner bisherigen Praxisnoch zu wenig einschätzen. Es wird aber deut-lich, dass sie in Situationen, in denen Menschenregelmäßig zusammenkommen, geübt werdenmuss, um Zusammenarbeit und Führung nach-haltig zu verändern.

Es bleiben wichtige Fragen für die weitere For-schung und Praxis: Wie lässt sich strategischeImprovisation nachhaltig in Organisationenveran kern? Unter welchen Voraussetzungen?In welchen Organisationen hat sie das größtePotenzial?

Leidenschaft

Mut

Empathie

Diversität

Jazz it!

Entlernenmeistern

Mitarbeit als noble Aufgabe begreifen

Führung als provokative Kompetenz leben

Simultan performen und experi-mentierenFreiheiten

und Beschrän-kungen balancieren

Lernen durch Tun und Reden

BejahendeGrundhaltungentwickeln

24 25præview Nr. 1 | 2014

Grundelemente improvisatorischer Felder: Mustergenerierung und Mustersprachen Wolfgang Stark, Till Schümmer

mentenanalysen, teilnehmende Beobachtung,und die Notation von Organisationspartiturengespeist wird. Durch regelmäßige Musterwork-shops werden Muster in der beschriebenen No-tationsform verdichtet und erprobt. Der Wis-sensspeicher selbst mit seinen flexiblen Elemen-ten ist Quelle für die systematische Entwicklungimprovisatorischer Felder in sozialen Systemenund das non-lineare systematische Design. Zen-tral ist für den Musterspeicher eine gute Vernet -zung der einzelnen Muster, wie sie zum Beispielmit dem 2009 entwickelten und mehrfacherprob ten System PATONGO (http://www.pa-tongo.de) unterstützt werden kann.

Der Ansatz einer „Mustersprache für implizitesWissen“ in Organisationen und sozialen Syste-men beschreitet in diesem Zusammenhangneue, transdisziplinäre Wege, mit dem Ziel, eineSprache für die implizite Dimension des Orga-nisierens zu entwickeln, die es ermöglicht, mitdem Nicht-Planbaren in Organisationen umzu-gehen. Die Sprache und Konzeption der Musikund der in verschiedenen Disziplinen bereits er-folgreich eingesetzte Musteransatz haben sichdabei als gangbar erwiesen, weil beide Ansätzedie Verfahrensweisen des Organisierens und ih-ren erfahrungsbezogenen und emotionalen Hin-tergrund betonen.

Die Frage der impliziten Dimension organisa-tionalen Handelns richtet sich somit auf diePraxis und das Performative des Organisierensin sozialen Systemen als Prozess in der Zeit. Das„Implizite“ ist dabei – wie in der Musik – Teil je-der Praxis (jedes Könnens) bzw. jeder Perfor-manz. Zum tacit knowing view (Neuweg 2006)gehören entsprechend Handlungsarten undKonzepte wie situiertes Handeln (engl. situatedaction, Suchman 1987), subjektivierendes Han-deln (Böhle et al. 2012), intuitiv-improvisieren-des Handeln (Volpert 1994) und künstlerischesHandeln (Brater et al. 2011), Habitus (Bourdieu1982) und knowing-in-action (Schön 1983).Das mit den Konzepten Organisationskultur undimplizites Wissen zunächst nur unzureichendVerstehbare wird als prozesshaftes und perfor-matives Geschehen klarer, wenn man die Bedeu -tung der Beziehung „artikulierbares Wissen ximplizites Können“ betont und Formen findet,wie die den Mustern zu Grunde liegenden Ver-fahrensweisen erprobt und inkorporiert werdenkönnen. Mit einem solchen organisationstheo-retischen Verständnis des Impliziten des Orga-nisierens entsteht die Brücke zum musikalischenVerständnis des Organisierens, zum neuen Para -digma, die Organisation musikalisch zu denken.

Diese drei Elemente stehen in einem Span-nungsfeld, dessen Kräfte durch das Offenlegender zugrundeliegenden Prinzipien in einemMuster sichtbar werden. Damit wird nicht nurdas Verfahren selbst vermittelt, sondern auchdie dahinterliegende Erkenntnis (Kohls & Schei-ter 2008). Die Dokumentation von Mustern alserkenntnisvermittelnde Triade von Kontext, He-rausforderung und Lösung trägt somit dazu bei,die Prinzipien der Muster zu reflektieren, zu be-schreiben und auf diese Weise invariante Ele-mente zu extrahieren und für unterschiedlicheSituationen anzuwenden.

Entwickelt man ein System von Mustern fürOrganisationen und soziale Systeme, so be-schreiben diese in verdichteter Form den aktu-ellen Stand der Kulturbildung in Organisationen.Ein Beziehungssystem (vergleichbar einer Gram-matik) zwischen einzelnen Mustern (Keidel1995) ermöglicht es, zusammenhängende undsich ergänzende Muster zu einer Muster-Spra-che (pattern language) zusammenfügen. Diesekann einen Einblick in wesentliche Elementeder Dynamik eines bestimmten Themenfeldesder Organisation bieten. Sie ist situationsspezi-fisch einzigartig und repräsentiert gleichzeitigdie in einem bestimmten Anwendungsbereichgangbaren Verfahren. Damit entsteht eine or-ganisationale Mustersprache (nicht die für alleOrganisationen gültige), die eine organisationalsinngebende Struktur aufzeigt.

Wenn Muster auf diese Weise die Klammer zumVerständnis der Organisation auf verschiedenenEbenen bilden können und insbesondere einenZugang zur Tiefendimension, zum „Ungenann-ten” der Organisation, bieten, dann ist es sinnvoll– in Anlehnung an Alexander et al. (1977) – eineMustersprache für Organisationen und sozialeSysteme zu entwickeln. Da die einzelnen Mustergenauso wie die Mustersprache für moderneOrganisationen jedoch die Möglichkeit bietenmüssen, beweglicher statt statischer zu werden,einen kreativen Prozess des Erfindens, und nichtnur des Findens (Dell 2002, S. 228) anstoßen sol-len und im Sinne einer „lebendigen (Muster-)Sprache” sich aufeinander beziehen sollen, müs-sen die Prinzipen der Mustersprache (die Musterder Muster) diesen Anforderungen entsprechen.

Organisationale Muster und eine entsprechendeMustersprache sind zentrale Bestandteile einesdynamischen Wissensspeichers, der durch mus-tergenerierende Interviews, Reflexions-Work-shops (z. B. mittels der Methode PATONGO-Storm - Schümmer & Mühlpfordt 2012), Doku-

Organisationale Muster können als Verfahrens-beschreibungen Teile der kollektiven implizitenWissensbestände und Handlungsmuster in Or-ganisationen aufdecken. Die Beschreibung ori-entiert sich dabei an der allgemeinen Beschrei-bungsform eines Entwurfsmusters (engl. DesignPattern oder kurz Pattern, s.u.). Muster werdenim Rahmen eines gemeinsamen Lernprozessesentdeckt und dokumentiert (Pattern Mining,vgl. E-LEN 2005), in den die Perspektiven unter -schiedlicher Akteure in der Organisation hinsicht -lich einer spezifischen Herausforderung und ih-rer gangbaren Vorgehensweisen einfließen. Siekonstruieren damit auch einen Möglichkeits-raum förderlicher, in verschiedenen Situationenunterschiedlich einsetzbarer Handlungen – ei-nem der Grundelemente für improvisationalesHandeln. Kulturmuster von und in Organisatio-nen können damit branchen-, typen- oder si-tuationsspezifisch identifiziert, analysiert undinnovativ in der Praxis eingesetzt werden.

Der Muster-Ansatz entstand ursprünglich in derArchitekturtheorie (Alexander et al. 1977) undwurde u.a. in der Softwareentwicklung (Gammaet al. 1995; Gabriel 2002), im Design (Brown2009), in der Gestaltung soziotechnischer Sys-teme (Schümmer & Lukosch 2007) oder zur Ent-wicklung von Communities (Schuler 2008,http://groupworksdeck.org) aufgegriffen. DerAnsatz betont die Bedeutung von Erfahrungs-wissen und Kooperation, sowie – als Muster-sprache (engl. pattern language) – die Bedeu-tung der Beziehungen zwischen den Teilen einesSystems für das Gelingen des Ganzen. Damitist er hochrelevant für aktuelle Themen wieNachhaltigkeit, Qualität, Innovations- und Lern-fähigkeit, den Umgang mit offenen Strukturenoder den Wissens-Transfer in ungewissen undkomplexen Situationen (Böhle & Busch 2012).

Muster helfen in Fragen der alltäglichen Arbeitmit offenen Prozessen: Welche Handlungs- oderEntwurfsmuster lassen sich erfolgreich miteinan -der kombinieren? Wie kann mit unterschiedlichenBeteiligten darüber miteinander kommu niziertwerden? Was ist erfolgreich, was veränderungs-würdig? Wie wird das Erfahrungswissen für alleBeteiligten transparent und nutzbar gemacht?

Kennt man die Grundstrukturen der Muster,kann damit – so wie mit Patterns der Jazz-Im-provisation und ähnlich mit genetischen Mus-tern der molekularen Genetik – deren dynami-sche Anwendung in der Praxis entwickelt wer-den. Zentral ist dabei die Triade von Kontext,Herausforderung und Lösung (Keidel 1995).

Kultur entsteht durch Wiederholung und Variation, durch Rituale und (meist unausgespro-

chene) Regeln (vgl. Kroeber 1963). Kultur wird aber nicht bestimmt, sondern „spielt sich ein“,

ist prozesshaft und entwickelt sich durch das Handeln (nicht durch Vorschriften). Paul Bate

(1997) vergleicht deshalb Organisationskultur mit einem Flussbett: Die Handlungsmuster der

Mitarbeiter und die Strukturmuster der Organisation suchen sich den gangbaren Weg, der

dann (temporär) zum Flussbett wird. Grundlage ist hier das Prinzip der „Viabilität” (Glasers-

feld 1997), das auch für die Theorie der Selbstorganisation ausschlaggebend ist.

27præview Nr. 1 | 201426

In diesem Beitrag wird mit dem Konzept des objektivierenden und

sub jektivierenden Handelns gezeigt, worauf Improvisation beruht.

Dies wird zunächst am Beispiel der Musik erläutert, um dann deren

Relevanz im Arbeits bereich zu verdeutlichen.

Improvisation in Musik und ArbeitFritz Böhle, Stephanie Porschen-Hueck

Objektivierendes und subjektivieren-des Handeln Planmäßig-rationales Handeln kann auch alsein objektivierendes Handeln bezeichnet wer-den. Es beruht auf der Orientierung an allge-meinen und – im Prinzip – subjektunabhängi-gen, objektiven Informationen, Wissen und Re-geln. Im Unterschied zu einer weit verbreitetenAnnahme ist es jedoch keineswegs nur mittelseines objektivierenden Handelns möglich, Zielezu realisieren und Probleme zu lösen. Dies kannauch durch andere Handlungsweisen erreichtwerden, die sich systematisch als subjektivie-rendes Handeln bestimmen lassen. Anstelle einervorangehenden Analyse, Entscheidung und Pla-nung werden hier die Ziele und Wege erst imund durch das praktische Handeln eruiert. Lei-tend hierfür sind die Interaktion und der Dialogmit den äußeren Gegebenheiten sowie eineWahrnehmung der Umwelt, bei der subjektiveEmpfindung und Gespür eine maßgebliche Rollespielen (Böhle 2013).

Improvisation als objektivierendesHandelnZunächst ist festzustellen, dass die Improvisationin der Musik eine Reihe von Merkmalen des ob-jektivierenden Handelns aufweist. So orientiertsich die Improvisation bspw. an jeweils be-stimmten Harmonien, Rhythmen und Tonfolgen(Skalen) wie auch bestimmten Mustern (pat-terns), die verwendet werden können. Ebensokann vorab verabredet werden, in welcher Rei-henfolge bspw. unterschiedliche Musiker mitihren Instrumenten solistisch improvisieren,während die übrigen begleiten. Improvisationist demnach kein Gegensatz zu Planung, son-dern eine modifizierte oder offene Planung, diesich weitgehend auf Rahmenbedingungen be-zieht, durch die Offenheit und Spielräume fürdie jeweils individuelle Ausgestaltung bleiben.Doch wie werden diese ausgefüllt? Auch wennbestimmte Harmonien und Tonfolgen verwen-

det werden, entsteht daraus noch keine „Musik“;es ist damit allein noch nicht gewährleistet, obeine Improvisation „gelingt“, ob sich etwas „er-eignet“ und etwas „entsteht“.

Improvisation als subjektivierendesHandelnBei der Frage, wie während des Spielens ent-schieden wird, wie es weiter geht, verweist dasKonzept des subjektivierenden Handelns aufden Dialog und die Interaktion mit einem „Ge-genüber“. Dies bezieht sich nicht nur auf anderean der Improvisation beteiligte Musiker. Ein we-sentliches Gegenüber ist auch die entstehendeund bereits entstandene Musik (Töne, Harmo-nien, Rhythmen) – sowohl beim eigenen Spielals auch im Zusammenspiel. In der unmittelba-ren Verbindung des aktiven Hervorbringens undzugleich Reagierens auf das Hervorgebrachteverliert das Spiel seine Beliebigkeit und Zufäl-ligkeit. Es erhält An- und Aufforderungen wieauch Beschränkungen durch das jeweils Voran-gegangene. Ein weiteres Gegenüber ist das In-strument, mit dem gespielt wird (sein Ton, seineMechanik usw.). Das Instrument enthält nichtnur Beschränkungen, sondern auch besondere„Aufforderungen“ und „Anregungen“ für das„Wie“ des Spielens.

Für einen guten Musiker ist ein exaktes Hörenunerlässlich. Zugleich lassen sich jedoch weiteBereiche des musikalischen Ausdrucks und dermusikalischen Wirkung weder eindeutig undexakt wahrnehmen, noch beschreiben oder garmessen. Beispiele hierfür sind die Klangfarbeeines Tons, die Phrasierung und die Rhythmi-sierung einer Tonfolge wie auch der Stil, in demetwas gespielt wird. Gerade bei der Improvisa-tion im Jazz kommt es darauf an, dem Ton mitder Phrasierung eine unverkennbare Individua-lität zu verleihen. Des Weiteren kommt es daraufan, die immanente „Logik“ bestimmter Tonfol-gen und Harmonien wahrzunehmen und weiterzu entwickeln.

Improvisation bei der ArbeitGenau dies ist auch im Arbeitsprozess notwen-dig, um mit Ungewissheit handlungsfähig zusein. Fachwissen und planmäßiges Vorgehenwerden nicht hinfällig – sie müssen aber modi-fiziert und ergänzt werden. Bei Innovationenwie auch bei der Arbeit mit Kunden ist es not-wendig, sich an eine Lösung durch praktischesHandeln „heranzutasten“. Bei Laborexperimen-ten, bei einem Softwaretestlauf ebenso wie beider Überwachung einer technischen Anlage sindneben systematischer Beobachtung und Analyseauch ein unmittelbares Wahrnehmen mit Gefühlund Gespür wichtige Grundlagen der Beurtei-lung (Böhle & Porschen 2011). Bei Unregelmä-ßigkeiten in technischen Abläufen kommt es da -rauf an, anhand des „Knatterns“ oder „Schnur-rens“ des Maschinenlaufs auf das Funktionierendes Prozesses zu schließen. Bei der Software-entwicklung ist ein Gefühl für „schöne“ Pro-grammcodes erforderlich und bei technischenEntwicklungen ein Gefühl dafür, ob eine Kon-struktion „rund“ ist. Bei Teamarbeit ist es not-wendig, eine stimmige oder gestörte Atmo-sphäre zu erspüren, um kritische Situationenzu antizipieren und zu bewältigen. Auch gehtes beim Umgang mit Ungewissheit im Arbeits-bereich darum, sich auf die Situation, den Ar-beitsgegenstand und Kollegen einzustellen undsowohl das Handeln anderer als auch technischeund organisatorische Abläufe subjektiv, gefühls-mäßig und körperlich nachzuvollziehen (Böhleet al. 2012).

So weist die Improvisation in der Musik und inder Arbeit eine Reihe von Parallelen auf. DieImprovisation in der Musik öffnet den Blick füreine bisher noch weithin verborgene Seite vonArbeit. Ihre Beachtung und Entwicklung ist einezentrale Herausforderung für die zukünftige Ar-beitsforschung und Arbeitsgestaltung.

Während der Improvisation ist es nicht möglich,innezuhalten und darüber zu reflektieren, wasgespielt wurde und wie weitergespielt wird. Esist somit kein Reflektieren im Sinne einer vor-hergehenden oder nachträglichen Analyse mög-lich. Dies heißt aber nicht, dass das Denken aus-geschaltet ist. Es findet vielmehr ein das Han-deln begleitendes Denken statt. Dies wird auchals ein waches „Bei-der-Sache-Sein“ beschrie-ben, sodass geübte Musiker bspw. nach einerImprovisation durchaus in der Lage sind, sichdaran zu erinnern, „was“ und „wie“ sie gespielthaben. Ebenso ist es auch möglich, prospektiveinen weiteren Verlauf imaginativ vorwegzu-nehmen. Für den Musiker entsteht oft der Ein-druck, dass nicht er, sondern „es“ spielt bzw. dieeigenen Hände und Finger spielen.

Und schließlich wird in der Improvisation aucheine bestimmte Beziehung zur Umwelt aufge-baut – zum eigenen Instrument wie auch zuanderen Musikern bis hin zur musikalischenVorlage, einem Thema etc. Anstelle einer ob-jektivierenden, distanzierten Beziehung bildetsich eine Nähe und Einheit. Hierauf beziehensich bspw. Beschreibungen wie ein gemeinsames„Verfallen“ in einen Rhythmus oder das Gefühlder „Verschmelzung“ mit dem Instrument undder Gruppe (vgl. Figueroa-Dreher 2012, S. 8ff).

Die musikalische Improvisation beruht somitauch auf einem Handlungsmodus, der sichgrundlegend von einem objektivierenden Han-deln unterscheidet. Es ist ein interaktiv-dialo-gisches Vorgehen, eine empfindende, spürendeWahrnehmung, ein ins praktische Handeln ein-gebundenes Denken und eine Beziehung derEinheit und Nähe zur Umwelt.

zifisches „Entwurfs- und Erkenntnisverfahren“(Bauer & Ernst 2010, S. 17) gemeint. Als solcheswird sie vor allem in den Kultur- und Medien-wissenschaften untersucht, um zu bestimmen,welche Erkenntnisweisen durch Diagramme be-fördert werden (Bauer & Ernst 2010; Stjernfelt2007). Welche Wissensform ist in Diagrammenfestgehalten? Wie wird das enthaltene Wissenbeim Betrachten wieder in die Performanz ge-bracht? Grundlegende Bezüge sind die Semio-tiken von Charles Peirce (vgl. Bauer & Ernst2010) und von Nelson Goodman (1997).

Diagramme sind Zeichensysteme jenseits derSchrift, genauer: zwischen Schrift und Bild (Krä-mer 2005), und operieren an der Schnittstellevon Wahrnehmung und Einbildungskraft, vonSinnlichkeit und Verstand (Bauer & Ernst 2010,S. 10). Diagramme sind anschaulich (vorausge-setzt man kennt den thematischen Kontext, aufden sie sich beziehen) und stellen Zusammen-hänge übersichtlich dar; zugleich sind sie ab -strakt, reduzieren Komplexität auf eine über-schaubare Zahl für wichtig angesehener Ele-mente und deren Relationen. Entscheidend istdabei, welche besonderen Erkenntnismöglich-keiten darin liegen: Nach Stjernfelt (2007) sindDiagramme eine Zeichenart „which representthe internal structure of […] objects in terms ofinterrelated parts, facilitating reasoning possi-bilities” (a.a.O., ix). Präziser gesagt, findet imAnfertigen eines Diagramms zugleich Modell-bildung statt: „Eine diagrammatische Visuali-sierung vollzieht und zeigt, was sie beschreibtund steht auf diese Weise dem beschriebenenzugleich Modell.“ (Krämer 2006, S.19). Es wirdalso nicht etwa bereits intern-mental vorfor-muliertes Wissen als Diagramm dargestellt undlogisch entfaltet, sondern neues Wissen prak-tisch-performativ erzeugt. Diese „Transforma-tion von Wissen“ (a.a.O., S. 23) ist an medialePraxis (also bspw. Organisationspartituren oderklingende Musik) gebunden, funktioniert aller-dings auch als nur gedanklich-mentales Bild,d.h. ohne ein Diagramm materiell zu zeichnen.

Ausschnitt einer Partitur eines Designprozesses mit mehreren Mitarbeitern

Diagramme und Diagrammatik erlauben alsoeinen beweglichen, d.h. prozeduralen, perfor-mativen und in diesem Sinne praktischen Um-gang mit „Wissen“, der sich nicht (vorrangig)auf verbale Sprache stützt. DiagrammatischeDarstellungen erlauben unendlich viele Re-Kon-figurationen eines relationalen und proportio-nalen Gefüges, d. h. sie erlauben die Erprobungneuer Konfigurationen, z. B. in der Praxis einerOrganisation. Dies wird auch als Virtualitäts-prinzip bezeichnet: Das im Diagramm darge-stellte Gefüge setzt hypothetische Vorstellungenfrei, man entdeckt abduktiv Veränderungsmög-lichkeiten. Weiteres Charakteristikum ist, dassDiagramme illustrieren, aus welchen Elementenoder Relationen ein Sachverhalt oder Ereignis-zusammenhang besteht, sodass deduktiveSchlüsse gezogen werden (Evidenzprinzip). Undschließlich stehen sie in einem Zusammenhangmit der ‚Realität‘, hier verstanden als Kontinuumgeteilter Erfahrungen, wie es bspw. innerhalbeiner Organisation besteht (Kontinuitätsprinzip);sonst könnte ein Diagramm keine Aussage übersein Bezugsobjekt treffen (Bauer & Ernst 2010).Diese drei Prinzipien ergeben unter anderemdie Möglichkeit, über organisationale Diagram -me Muster impliziten Wissens in sozialen Sys-temen (vgl. den Beitrag von Stark & Schümmerin diesem Heft) zu entdecken.

Zur Wirkungsweise der Partituren als Diagram -me gehört, dass sie, verstärkt durch den FokusImprovisation und musikalisches Denken, alsForm eine Prozess- und Performanz-Perspektiveauf Organisation einfordern. Zudem sind sie ei-nerseits orientierend-veranschaulichend, underzeugen zugleich im diagrammatischen SinnVirtualität, d.h. sie machen ihre Elemente (zu-mindest mental) rekonfigurierbar und eröffnenso Potenziale zur Weiterentwicklung bzw. In-novation. Schließlich stellen sie ein sehr unge-wöhnliches Material dar, das außergewöhnlicheBlickwinkel erzeugen kann und diese, dann inverbaler Form, reflektierbar(er) werden lässt.

In der gegenwärtigen Entwicklungsstufe derMethode werden die Partituren zunächst an-hand der Erläuterungen (Legenden) der Autorenanalysiert und dabei einbezogen, welche Anre-gungen und Erkenntnisse Dritte aus den Partitu -ren ziehen. Somit kommen ihre visuell-diagram-matischen Zeichen und Merkmale in Betracht,z. B. die Anordnung der Elemente und die Dar-stellungsweise der Zeit1.

Die Abbildung zeigt den Ausschnitt einer Parti-tur eines Designprozesses mit mehreren Mitar-beitern. Man erkennt verschiedene Phasen krea-tiver Entwurfsarbeit an Teilfragen des Designs(Markierung A) und Phasen der Konsensbildungund Entscheidung über weiter zu verfolgendeIdeen (B). Diese beiden Phasen (Patterns) werdenim Wechsel verschaltet, allerdings nicht iden-tisch, sondern ähnlich, d.h. mimetisch. Die Qua-lität des kreativen Outputs wird im Wechselzwischen den Ideen Einzelner und deren For-mung in der Gruppe gesteigert. Im Rahmen ei-ner tiefergehenden Deutung entstehen weiterepotentielle Muster impliziten Wissens wie „Esmuss Ansätze geben, die nicht weiter verfolgtwerden, Offenheit für gegensätzliche Richtun-gen erweitert das Repertoire für Innovation“oder „Ein Team erzeugt ein besseres Designer-gebnis als Einzelne“2.

Davon ausgehend können die in den jeweiligenPhasen wirksamen „kleineren“ Patterns explo-riert werden: Wie wird Konsens erzeugt? Wiewird in den „chaotischen“ Phasen gehandeltund interagiert? usw., um sich dem implizitenKönnen anzunähern. Dies kann sowohl durchweitere spezifischer fokussierte Partituren ge-schehen als auch durch die Kombination mitanderen Methoden.

1 Die in bisherigen Einsätzen entstandenen Partituren weisenzirkuläre, lineare, räumliche, diskontinuierliche oder spiralför-mige zeitliche Darstellungen auf.

2 Ausführlich dazu Vossebrecher & Kamin (2014).

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Zur Diagrammatik von Improvisationin sozialen SystemenDavid Vossebrecher, Wolfgang Stark, Christopher Dell

Organisationspartituren sind eine Methode zur

Erhebung und Re-Konstruktion von Prozess-

und Handlungswissen und -mustern (Patterns)

der Mitglieder von sozialen Systemen und

damit, soweit prinzipiell möglich, von implizi-

tem Wissen in organisationalen Kontexten.

Sie ermöglichen das Aufspüren und die Analyse

improvisatorischer Felder in Organisationen

und sozialen Systemen und eröffnen damit

neue Formen des Organisationsdesigns.

Die Besonderheit der Organisationspartiturenliegt darin, dass dabei nicht (vorrangig) aufSprache gesetzt wird. Sie operieren im musika-lisch-grafischen und diagrammatischen media-len Modus, vorrangig jenseits des Symbol- undRepräsentationssystems (Schrift-)Sprache. Sielassen sich also als Diagramme verstehen undfolgen einer diagrammatischen Logik. Organi-sationspartituren sind eine Anwendungsweisedes musikalischen Denkens und des diagram-matischen Schlussfolgerns. Wie musikalischePartituren auch, sind sie Notationen von undebenso für Ereignisfolgen und Prozesse in Or-ganisationen und sozialen Systemen; sie ver-binden somit Aspekte der Darstellung und derKomposition. Das allgemeine Ziel und die Stärkeder Methode liegt darin, über die eigene Orga-nisation in musikalischer Weise nachzudenken,d.h. sie als groove (als mehr oder weniger gutfunktionierendes Ineinandergreifen von Ele-menten oder Prozessen) zu betrachten, als Dy-namik, als „Stimmung“, als kreatives Zusam-menspiel, als Ablauf in der Zeit, als Performanz.Dabei „notieren“ die Partituren sowohl zeitlich-sequenziell wie auch räumlich, d.h. als Anord-nung und Relation von Elementen und Dyna-miken (Vossebrecher 2014).

Organisationspartituren ordnen sich den qua-litativen, nicht-standardisierten Methoden zuund lassen sich mit sprachbasierten Methodenwie fokussierten Interviews, mit Gruppeninter-views oder -diskussionen gut kombinieren. Siesind sowohl in Forschungsvorhaben einsetzbarwie auch im Rahmen von Organisationsanalysenin der Praxis.

Das Erkenntnispotenzial von „Organisationspar-tituren“, die das Problem des Impliziten undseiner nur sehr eingeschränkten Artikulations-fähigkeit anzugehen erlauben, wird nur überein Verständnis diagrammatischer Logik deut-lich. Bei der Diagrammatik geht es nicht einfachum Schaubilder im Sinne einer Gattung vonZeichen, sondern mit Diagrammatik ist ein spe-

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Gesellschaftliche Innovation durch künstlerisches Denken und Handeln Programm des Forschungsnetzwerks IFANresearch1

Ein grundlegender Wandel im Verhältnis vonKunst und GesellschaftIn industriell-kapitalistischen Gesellschaften hat sich dieKunst als ein eigenständiger gesellschaftlicher Bereichneben Ökonomie, Politik und anderen Lebensbereichenausdifferenziert. Die Kunst und damit auch die künstle-rische Tätigkeit insgesamt haben sich in dieser Abgren-zung als „zweckfrei“ definiert und behauptet. Diese tra-ditionelle Grenzziehung zwischen Kunst und anderen ge-sellschaftlichen Bereichen kommt in Bewegung. Zumeinen vollzieht sich eine Ökonomisierung der Gesellschaft,die auch auf die Kunst übergreift. Zum anderen ist aberauch eine Entgrenzung der Kunst und Ausweitung künst-lerischer Praktiken in andere gesellschaftliche Lebens -bereiche zu beobachten. Diese Entgrenzung des Künst-lerischen zeigt sich in vielfältigen Formen, von der Äs-thetisierung der Lebenswelt bis hin zur Eventkultur. NebenDesign und Event erlangt aber künstlerisches Denkenund Handeln noch einen anderen und für viele uner-warteten Stellenwert: Das Künstlerische erweist sich alsunverzichtbar, um gesellschaftliche Innovationen her-vorzubringen und zu gestalten.

Innovation und Bewältigung von Ungewissheitals neue HerausforderungenUnsere globale kapitalistisch getriebene Gesellschaftscheitert ökonomisch, ökologisch und sozial. Wir müssensie neu erfinden: Es sind grundlegende, nicht nur techni -sche, sondern vor allem soziale Innovationen notwendig.Zugleich erfordert eine komplexe Welt nicht nur trotz,sondern vor allem auch mit Ungewissheit handlungsfähigzu sein und zu bleiben. Mit den herkömmlichen Methodenwissenschaftlichen Denkens und planmäßig-strategischenHandelns allein kann man diesen Herausforderungennicht begegnen. Für ihre Bewältigung liefern insbesonderekünstlerische Denk- und Handlungsweisen entscheidendeImpulse, Grundlagen und Perspektiven.

Jenseits des „neuen Geist“ des KapitalismusAktuelle Zeitdiagnosen konstatieren bereits einen „neuenGeist“ des Kapitalismus, der das Künstlerische als Pro-duktivkraft aufnimmt und assimiliert. Doch das Künst -lerische wird dabei reduziert auf das Bedürfnis nachSelbstverwirklichung und auf prekäre Beschäftigung. Diezentralen Merkmale künstlerischen Denkens und Han-delns treten dabei kaum in den Blick.

Potenziale künstlerischen Denkens und Handelns für gesellschaftliche InnovationFür gesellschaftliche Innovationen sind unterschiedlicheMerkmale künstlerischer Denk und Handlungsweisen be-deutsam:

ænon-lineares Denken, das innovative Ansätzedes Erkenntnisgewinns und der Orientierungin offenen Systemen ermöglicht,

æästhetische Wahrnehmung, die zum Spürenund Empfinden der Wirklichkeit mit in allihren Qualitäten befähigt,

æ implizites Wissen, das über begrifflich Fass-bares hinausgeht und das durch Bilder, Musikund Erzählungen dargestellt und kommuniziertwird,

æentdeckendes Vorgehen, das zu sicheremHandeln in offenen Situationen jenseits vonKontrolle und Planung ermächtigt,

æOrientierungsmuster, die situative Steuerungohne explizite Regeln und normative Festle-gungen ermöglichen,

æoffene Haltung, die zu Neugier und Sich-Ein lassen auf Ungewohntes befähigt.

Diese künstlerischen Denk- und Handlungswei-sen zielen darauf abæunbekanntes Terrain, Ungewohntes und Un-

gewisses zu erkunden und Originäres zuschaffen,

æBestehendes zu erschüttern und zu hinter-fragen, um Raum für neue Sichtweisen undAnsätze zu schaffen,

æWirkungen zu erzeugen, die sich im Dialog mitIdeen, Motiven und Gegenständen zeigen.

Diese Potenziale entwickelten sich in der Ver-gangenheit in der Abgrenzung der Kunst zu an-deren gesellschaftlichen Bereichen. Löst sichdiese Abgrenzung auf, stellt sich nicht nur dieFrage, wie und weshalb sie für Innovationenwirksam werden können, sondern auch, wie sichdas Künstlerische in dieser neuen Begegnungerhalten und weiterentwickeln kann.

Künstlerisches Denken und Handeln inder Ökonomie – zwischen Instrumen-talisierung und NeubeginnSpeziell in der Ökonomie finden sich vielfältigeBestrebungen, künstlerische Denk- und Hand-lungsweisen neu zu integrieren. Wenn sich dabeijedoch die Ökonomie nicht für die Substanzkünstlerischen Denkens und Handelns öffnet,kommt es zu einer einseitigen Instrumentalisie -rung: Das Künstlerische wird entweder Orna -ment äußerlicher Ästhetisierung oder verkommtzur bloßen Kreativitätstechnik. Die neue Begeg-nung des Künstlerischen mit der Ökonomie kanndaher nur dann gelingen, wenn die Ökonomie

im Künstlerischen eine eigene, „andere“ Seiteerkennt und entwickelt. Für künstlerisches Den-ken und Handeln heißt dies umgekehrt, sich inden Dialog mit der ökonomisch-technischenPraxis zu begeben und sich jenseits einseitigerInstrumentalisierung als praktisch nützlich zuerweisen.

Offene FragenDiese neue Begegnung des Künstlerischen undÖkonomisch-Technischen im Kontext von Inno -vation wirft eine Reihe von offenen Fragen auf:

æ Innovationen sind schon immer Element ka-pitalistischer Produktionsweise. Dennoch lagbisher ein Schwerpunkt von Organisation,Technik und Management nicht auf Innovation,sondern auf Re-Produktion. Werden die dabeientwickelten Prinzipien umstandslos auf In-novationsprozesse übertragen, werden Inno-vationen nicht gefördert, sondern eher be-hindert. Innovationsprozesse weisen besondereMerkmale der Ungewissheit, Unbestimmtheitund Offenheit auf, die es genauer zu erfassenund zu bestimmen gilt. Der bloße Hinweisauf die Notwendigkeit von innovativer undkreativer Persönlichkeit reicht hier nicht aus.

æ In der herkömmlichen Betrachtung charak-terisiert sich ökonomisch-technisches Handelndurch Logiken und Codes, die den kreativenPotenzialen des Künstlerischen entgegenste-hen. Daher ist genauer zu bestimmen, weshalbund in welcher Weise künstlerische Denk-und Handlungsweisen für ökomisch-techni-sches Handeln anschlussfähig sind und neueMöglichkeiten und Problemlösungen eröffnen.Dies lenkt den Blick auf eine mögliche, bisherwenig beachtete „andere“ Seite des ökono-misch-technischen Handelns, die – systemthe -oretisch betrachtet – eine strukturelle Kopplungdieser verschiedenen Denk- und Handlungs-systeme ermöglicht. In dieser „anderen“ Seitezeigt sich die Bedeutung impliziten Wissens,informeller Prozesse, improvisatorischen Han-delns u.v.m. in Organisationen. Nur auf dieserGrundlage lassen sich dann auch Aussagenüber innovationsfördernde Wirkungen deskünstlerischen Denkens und Handelns treffen.

æDie Integration des Künstlerischen in ökono-misch-technische Abläufe tangiert bestehendeMacht- und Interessenskonstellationen in Un -ternehmen. Es stellt sich daher die Frage, wel -che Akteure sich künstlerischen Denk- undArbeitsweisen öffnen und diese nutzen können.Andererseits: Welche Akteure werden ihr Ter-rain verteidigen und welche verdeckten und

offenen Strategien werden dabei entwickelt? Es ist da -von auszugehen, dass die hier möglichen Konfliktliniennicht mehr entlang der klassischen Gegenüberstellungvon Arbeitern/Angestellten und Management oder un -terschiedlichen Berufsgruppen und Abteilungen wietechnischer versus kaufmännischer Bereich verlaufen.

æÜber Akteursgruppen hinaus ist davon auszugehen,dass sowohl die Notwendigkeit wie auch die Möglichkeitdieser Integration von strukturellen und organisationa -len Konstellationen abhängig sind. Hier stellt sich dieFrage, welche dieser Konstellationen eine solche Inte-gration begünstigen und welche ihr eher entgegenste -hen. Dabei ist zu prüfen, in welcher Weise hier klassischeUnterscheidungen wie Industrie, Dienstleistungen,Wissensarbeit und Informationstechnik greifen odereher Unternehmenskulturen und spezifische Traditioneneine Rolle spielen. In besonderer Weise sind in dieserPerspektive Entwicklungen in der sog. „Kreativwirtschaft“zu betrachten.

æDie nachhaltige Verankerung der Begegnungen zwischendem Künstlerischen und Ökonomisch-Technischen wirdfür das Verständnis und die Gestaltung von Organisationund Technik bis hin zur Kompetenzentwicklung undPersonalpolitik nicht ohne Folgen bleiben. Zu fragenist hier also nach den Rückwirkungen dieser Integrationfür die Organisation von Unternehmen und sich hierausergebende neue Perspektiven für Organisations- undTechnikentwicklung.

æ Für die praktische Umsetzung künstlerischer Denk- undHandlungsweisen in der Ökonomie sind neue Kompe-tenzen und Handlungsweisen des Dialogs notwendig.Dabei ist zu prüfen, inwieweit hier neue Handlungs-und Kompetenzbereiche für Kunstschaffende entstehenoder/und sich neue Berufsgruppen mit hybrider Quali -fikation an der Schnittstelle zwischen Kunst und Öko-nomie herausbilden.

æSchließlich stellt sich die Frage, inwieweit diese neueBegegnung zwischen dem Künstlerischen und Ökono-misch-Technischen als exemplarisch/paradigmatischfür ähnliche Entwicklungen für andere gesellschaftlicheLebensbereiche anzusehen ist.

Diese Fragen sollen in Forschungs- und Entwick lungs -projekten interdisziplinär und in Kooperation von Wissen -schaft, Kunst und Unternehmen aufgegriffen, geklärtund weiterentwickelt werden.

1 IFAN – Interdisziplinäres Forschungsnetzwerk fur angewandtes non-linearesund kunstlerisches Denken und Handeln e.V. ist ein offenes Forschungs-netzwerk. Das Programm des Forschungsnetzwerks wurde von folgendenInstitutionen erstellt und verabschiedet: Alanus Hochschule für Kunst undGesellschaft; GAB München – Forschungs- und Beratungsinstitut für be-rufliche Bildung; IDFactory – Zentrum für Kunsttransfer der TU Dortmund;Institut für Theaterpädagogik – Hochschule Osnabrück; ISF – Institut fürSozialwissenschaftliche Forschung ISF München e.V.; Labor für Organisa-tionsentwicklung – Universität Duisburg-Essen; Steinbeis TransferzentrumInnovation and Sustainable Leadership – Pähl am Ammersee; Universitätder Künste – Berlin Career College. Kontakt: [email protected]

32 33præview Nr. 1 | 2014

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Lutz Hempel, MBA, ist Managing Partner in der Integrated Consulting Group.

Benjamin Häring (BA Theaterpädagogik, M.A. Biographical and Creative Writing) ist wissen -schaft licher Mitarbeiter und Dozent der FakultätManage ment, Kultur und Technik der Hochschule

Osna brück, Standort Lingen.

Dr. Stephanie Porschen-Hueck ist Wissenschaft -lerin am ISF München Institut für Sozialwissen-schaftliche Forschung e.V.

Eva Renvert (Dipl.-Päd., Dipl.-Theaterpäd.) istwissen schaftliche Mitarbeiterin und Dozentin desInstituts für Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück, Standort Lingen.

Prof. Dr. Bernd Ruping ist Professor für Ästhetikund Darstellende Kommunikation sowie Studien-dekan und Leiter des Instituts für Theaterpädago-gik der Hochschule Osnabrück, Standort Lingen.

Dr. Till Schümmer ist Projektleiter für Commu -nitysysteme am Lehrgebiet Kooperative Systemeder FernUniversität Hagen und Mitgründer undGeschäftsführer der PATONGO UG.

Prof. Dr. Wolfgang Stark ist Professor für Organi-sationspsychologie, Organisationsentwicklung undGemeindepsychologie an der Universität Duis-burg-Essen und leitet das Labor für Organisations-

entwicklung und das SteinbeisTransfer Zentrum Inno vationand Sustainable Leadership.

David Vossebrecher ist Organisationspsychologeund leitet die Stabsstelle Planung, Monitoring und Evaluation des Zentrums für Internationalen

Dialog der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

LiteraturProf. Dr.-Ing. Wolfgang Arens-Fischer ist Professorfür Unternehmensführung und Engineering sowieLeiter des Instituts für Duale Studiengänge derHochschule Osnabrück, Standort Lingen.

Prof. Ursula Bertram ist Leiterin des Zentrums fürKunsttransfer / [ID] factory Institut für Kunst undMaterielle Kultur der Technischen Univer sitätDortmund.

Jutta Bloem (M.A.) ist wissenschaftliche Mit -arbeiterin und Dozentin des Instituts für DualeStudiengänge der Hochschule Osnabrück, Standort Lingen.

Prof. Dr. Fritz Böhle ist Leiter der Forschungsein-heit für Sozioökonomie der Arbeit- und Berufs -welt an der Universität Augsburg und Vorsitzenderdes Vorstands des ISF München Institut für

Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.

Jost Buschmeyer, M.A., ist Soziologe, Forscher undBerater der GAB München – Gesellschaft für Aus-bildungsforschung und Berufsent wicklung mbH.

Dr. phil. Christopher Dell ist Theoretiker, Musikerund Komponist und Leiter des Instituts für Impro-visationstechnologie, Berlin.

Katrin Dinkelborg, B.A. und cand. M.A. im BereichInnovationsmanagement, ist wissenschaftlicheMitarbeiterin am Institut für Duale Studiengängeder Hochschule Osnabrück, Standort Lingen.

Prof. Sandra Freygarten ist Professorin für Kunst-transfer an der Alanus Hochschule für Kunst undGesellschaft.

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