In der Kugel steckt die Kraft -...

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8. OKTOBER 2006, NR.40 SEITE 69 FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG W i s s e n s c h a f t Wissenschaft Die deutsche Sprache und das Eisenbahnwesen, Seite 78 Bild am Sonntag 70 Elementar 70 A bis Z 70 Gewächshaus 78 Rätsel, Cartoon 78 Teilchenenergie Physiker lieben es, Teilchen mit möglichst hohen Energien aufein- anderkrachen zu lassen – heutzuta- ge mit etlichen Giga-Elektronen- volt (GeV). 1 GeV hätte ein Elek- tron, das von einem Spannungsge- fälle von einer Milliarde Volt auf Trab gebracht wurde. Soviel Schmackes braucht langen Anlauf – daher sind Teilchenbeschleuni- ger auch so riesig. Nun beschrei- ben Forscher in Nature Physics, wie es ihnen gelungen ist, Elektronen auf einer Strecke von nur drei Zen- timetern mit Hilfe eines Laserpul- ses auf sagenhafte drei GeV zu be- schleunigen. Heizen kann man mit den Dingern leider nicht. Kosmische Energie Sie sind die hellsten dauerhaft leuchtenden Objekte im Univer- sum, allerdings sind sie alle sehr weit weg. Daher war über die Qua- sare lange Zeit nicht viel herauszu- bringen. Heute weiß man immer- hin, daß es sich um Kerne von Ga- laxien handelt, und vermutet, daß dort enorm heiße Materie um gi- gantische Schwarze Löcher stru- delt. Nun ist es erstmals gelungen, solch einen Mahlstrom sichtbar zu machen. Wie Forscher auf einer Tagung in San Francisco berichte- ten, kam ihnen dabei eine Galaxie zu Hilfe, die zwischen uns und dem Quasar liegt und dessen Licht wie in einem kosmisch großen Te- leskop bündelt. Vergeudete Energie Auch in diesem Jahr wurden in Harvard wieder die berüchtigten IgNoble-Preise für wissenschaftli- che Arbeiten verliehen, die nach Meinung der Jury „besser unter- blieben wären“. Den Friedenspreis sicherte sich Howard Stapleton, Chef einer Sicherheitsfirma im wa- lisischen Merthyr Tydfil, für die Erfindung eines Lautsprechers, der Töne erzeugt, die für Teen- ager unerträglich, für Erwachsene aber nicht mehr hörbar sind. Der Literaturpreis ging an Daniel Op- penheimer von der Princeton Uni- versity, und zwar für eine Untersu- chung, die aufzeigt, bis zu wel- chem Punkt eine Strategie erfolg- reich sein kann, die Intelligenz durch Verwendung unnötig kom- plizierter Ausdrücke vortäuscht. Den Physikpreis schließlich teilten sich zwei Forscher der Université Pierre et Marie Curie in Paris, die herausfanden, warum ungekochte Spaghetti beim Biegen häufig in mehr als zwei Teile zerbrechen. VON UTA DEFFKE Johannesburg. Beim Anblick der Graphitkugeln bekommt Milan Hrovat leuchtende Augen. Wie ein kleiner Junge stürmt der Siebzig- jährige das Labor, geht von Experi- ment zu Experiment und legt ger- ne auch mal selbst Hand an. Wenn er die tennisballgroße Kugel auf den Boden titscht wie Boris Bek- ker, strahlt er übers ganze Gesicht, als erlebe er zum ersten Mal, daß das geht. Dabei hat Hrovat diese Kugeln selbst entwickelt – vor vier- zig Jahren in Deutschland. Jetzt steht die gleiche Technik im Brennelementelabor des südafri- kanischen Kernforschungszen- trums, in dem Hrovat zu Besuch ist. Hier geht es zu wie in einer Backstube: Quirle mixen Pulver und rühren winzige Kügelchen aus ummanteltem Uran ein, wie Rosi- nen unter den Teig. Die Masse wird in eine Form gepreßt und im Ofen ausgehärtet – fertig ist die Kugel. Nur geschieht das alles mit mikroskopischer Genauigkeit und nach jahrelang ausgetüftelter Re- zeptur. Und die Zutaten sind grau statt weiß – angemessen unappetit- lich, schließlich wird hier Brenn- stoff für einen Kernreaktor herge- stellt. Um Milan Hrovat muß man sich aber keine Sorgen machen, noch ist kein angereichertes Uran im Einsatz. Während in Deutschland die Zeichen in Sachen Kernenergie seit Jahren auf Abbruch stehen, herrscht am anderen Ende der Welt Aufbruchstimmung. Seit gut zehn Jahren ist Südafrika dabei, dem Kugelhaufenreaktor wieder neues Leben einzuhauchen – unter dem Namen PBMR (Pebble Bed Modular Reactor, Modularer Kie- selbett-Reaktor). Die gleichnami- ge Firma wird unterstützt vom süd- afrikanischen Staat, der amerikani- sche Konzern Westinghouse hält einen Anteil von 15 Prozent. Die Graphitkugeln sind das Herzstück dieses Atommeilers vom Typ Hochtemperaturreaktor (siehe Grafik), der in den fünfziger Jahren von Rudolf Schulten entwik- kelt wurde. In Deutschland ist ein solcher Reaktor nur zweimal ge- baut worden: 1966 als Versuchsreak- tor am damaligen Kernforschungs- zentrum Jülich und später als kom- merzielle Variante in Hamm-Uen- trop, wo er 1985 ans Netz ging, aber nur eine Betriebsdauer von 390 Tagen erreichte. Ende der acht- ziger Jahre wurden beide Reakto- ren abgeschaltet. Der eine hatte ausgedient, der andere kämpfte mit technischen und wirtschaftli- chen Problemen und beide zusam- men mit den Folgen von Tscherno- byl, obwohl ein Super-GAU wie dort bei diesem Reaktorkonzept niemals möglich wäre. In den neunziger Jahren wurde die Technologie offiziell nach Süd- afrika verkauft. Mittlerweile hat man dort mit dem PBMR-Projekt eine führende Rolle übernommen. Ziel ist es, den ersten kommerziel- len Reaktor dieses Typs auf den Markt zu bringen. In einem Jahr, wenn die soeben begonnenen Ge- nehmigungsverfahren beendet sind, soll mit dem Bau eines De- monstrationsreaktors in kommer- ziellem Maßstab begonnen wer- den, der 2011 erstmals kritisch wer- den soll. Die erste kommerzielle Einheit soll drei Jahre später ans Netz gehen Der Eifer, mit dem Südafrika das Projekt vorantreibt, gründet auf der wirtschaftlichen Entwick- lung des Landes. Angesichts eines jährlichen Wachstums von vier Pro- zent droht eine massive Energie- knappheit, wenn die Ressourcen bis 2025 nicht massiv gesteigert wer- den. Derzeit hängt die Stromver- sorgung zu 90 Prozent an der eige- nen Kohle, fünf Prozent steuert das einzige Kernkraftwerk Afrikas in Koeberg nahe Kapstadt bei. Dort soll auch der zukünftige De- monstrationsreaktor stehen. Die Entwicklung in Südafrika ist typisch für sogenannte Schwel- lenländer und symptomatisch für die Energiekriese, auf die die Welt zusteuert. Einerseits steigt der Be- darf dramatisch. Andererseits rückt die Endlichkeit der konven- tionellen, fossilen Ressourcen im- mer stärker ins Bewußtsein, eben- so wie die drohende Klimakatastro- phe. Die Notwendigkeit, CO2-Emissionen drastisch zu ver- ringern, und die Tatsache, daß re- generative Energiequellen nur ei- nen Teil des zusätzlichen Energie- bedarfs decken können, lassen bis- her kaum eine Alternative zur Nut- zung der Kernkraft in einem nach- haltigen Energiemix erkennen. Südafrika ist nicht das einzige Land, das an der HTR-Technolo- gie arbeitet. Auch China, Frank- reich, die Vereinigten Staaten, Ja- pan und Südkorea verfolgen größe- re Projekte. Welches Potential der HTR besitzt, das diskutierten in der vergangenen Woche 400 Ver- treter aus Forschung und Wirt- schaft auf der dritten internationa- len HTR-Konferenz in Johannes- burg. Die Themen reichten von unterschiedlichen Konzepten für Brennelemente, neuen Materialent- wicklungen für mehr Sicherheit, Perspektiven der Energienutzung bis hin zu Genehmigungsverfah- ren für kerntechnische Prozesse. Dank seiner physikalischen Kon- zeption und seiner baulichen Ausle- gung gilt der Hochtemperaturreak- tor als inhärent sicher. Selbst wenn alle aktiven Sicherheitssysteme ver- sagen sollten, wären unkontrollier- bare Kettenreaktionen ebenso aus- geschlossen wie eine Kernschmel- ze. Die extrem hohen Temperatu- ren, auf die das Kühlmittel Helium aufgeheizt wird, ermöglichen zu- dem einen besonders guten Wir- kungsgrad, sowohl bei der direk- ten Nutzung zur Stromerzeugung durch eine Turbine als auch bei der indirekten Nutzung über Wär- metauscher. Damit wird der HTR nicht nur für die Stromerzeugung interes- sant, sondern auch für eine Kraft- Wärme-Kopplung und die direkte Erzeugung von Prozeßwärme. Da- von könnten beispielsweise die (pe- tro-)chemische Industrie und die Metallgewinnung profitieren, aber auch eine Reihe von Anwendun- gen, die bisher gerade wegen des hohen Wärmebedarfs noch unter- entwickelt sind, zum Beispiel die Erzeugung von Wasserstoff aus der Auftrennung von Wasser. Mit Hilfe von Brennstoffzellen könnte der Wasserstoff dann wieder ge- nutzt werden, zum Beispiel als eine mögliche Alternative zu fossilen Kraftstoffen. Viel Wärme benöti- gen auch die Gewinnung von Öl aus Ölsanden oder die Meerwasser- entsalzung. Das Sicherheitskonzept des Re- aktors führt dazu, daß er nur ver- gleichsweise klein und mit gerin- ger Leistungsdichte gebaut werden kann. So soll der PBMR 165 Mega- watt elektrische beziehungsweise 400 Megawatt thermische Lei- stung liefern. Das ist zwar nur etwa zehn bis 15 Prozent von dem, was viele der aktuell laufenden (zu- meist Leichtwasser-)Reaktoren lei- sten. Aber die Kompaktheit bringt einige Vorteile mit sich. Zum ei- nen kann modular aufgestockt wer- den. Zum anderen ermöglichen diese kleinen Einheiten erst die Wärmenutzung für industrielle An- wendungen, denn deren Wärme- quellen müssen nah am Prozeß und extrem sicher sein. Auch eine wirtschaftliche Produktion des Re- aktors könnte sich durch seine Kompaktheit abzeichnen, in Form einer Serienfertigung, die bisher beim Bau von Kernreaktoren nicht üblich ist. Regis Matzie von Westing- house, dem amerikanischen Inve- stor, ist zuversichtlich, mit dem PBMR eine Marktlücke bedienen zu können: „Ein kleines Modul für die Stromversorgung wird insbe- sondere für Entwicklungsländer in- teressant sein, wo nicht so viel inve- stiert werden kann“, sagt er. „Im Bereich Prozeßwärme sehen wir ei- nen großen Markt auch in Indu- strieländern.“ Ungelöst bleibt auch bei beim PBMR das Problem mit dem nu- klearen Abfall. Um die Endlage- rung macht man sich in Südafrika erst jetzt so langsam Gedanken, von einer Lösung ist man weit ent- fernt. Allerdings können die Brenn- elemente durch vielfaches Durch- laufen des Reaktors sehr weit abge- brannt werden und würden sich auch für den Einsatz von Plutoni- um eignen. Das Kugelkonzept dient außerdem als eingebaute Si- cherheitsmaßnahme gegen die mögliche Verwendung von Plutoni- um für die Waffenherstellung, denn an die ummantelten Brenn- stoffe läßt sich nur schwer wieder herankommen. An der North-West University und in Pelindaba, eine Stunde Bus- fahrt nordwestlich von Johannes- burg, hat PBMR mittlerweile eine Reihe von Versuchsanlagen aufge- baut. Dazu gehört beispielsweise ein vierzig Meter hoher Turm, in dem der Heliumkreislauf des Reak- tors in Originalgröße nachgebaut ist. Unter anderem wird hier das Einlassen von Moderatorstäben er- probt. Auf dem riesigen Testgelän- de, auf dem Südafrika bis Mitte der neunziger Jahre eigene Kern- technik inklusive Waffen entwickel- te, wimmelte es schon damals von Deutschen, wie man sich erzählt. Das technische Inventar wurde, so- fern es militärischen Zwecken dien- te, inzwischen verschrottet, die neue Republik Südafrika verpflich- tete sich nach Beendigung der Apartheid ganz der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Übrig geblieben sind Gebäude und Hal- len im Charme der sechziger Jahre sowie einiges an kerntechnischem Know-how. Unter der Sonne Südafrikas hat nun der eine oder andere deutsche Forscher der Generation 60 plus eine neue alte Beschäftigung gefun- den. Weitere Betätigungsfelder könnten sich bald in China auftun. Dort steht bereits der Nachbau ei- nes Zehn-Megawatt-HTR nach Originalplänen von Siemens. Er dient seit drei Jahren als For- schungsreaktor, unter anderem für Abschaltexperimente bei voller Last, die das vorhergesagte gutwilli- ge Verhalten des Reaktors in ver- schiedensten Notsituationen zei- gen. Nun plant China, einen De- monstrationsreaktor noch größe- ren Ausmaßes zu bauen. In Pelindaba stehen neben einer Testanlage für den Heliumkreis- lauf inzwischen auch die Brenn- stofflabore, die vom Konzept her von der damaligen Nukem aus Ha- nau entwickelt wurden, jenem skan- dalgeschüttelten Unternehmen, für das Milan Hrovat damals arbei- tete. Milan Hrovat hat mittlerweile als Berater bei der ALD Vacuum Technologies angeheuert, einem Unternehmen, das aus der Nukem hervorgegangen ist. „Nach jahre- langer Flaute im Nukleargeschäft erhoffen wir uns hier in Südafrika neue Perspektiven“, sagt der Ge- schäftsführer Richard Seemann. Die deutschen Experten sind be- geistert von dem Elan der Südafri- kaner. „Wenn die das wirklich schaffen, wäre das eine Sensation“, sagt der Euratom-Vertreter Wer- ner von Lensa. Trotzdem bleiben leichte Zweifel, ob man mit dem PBMR den Sprung in die Wirt- schaftlichkeit schafft. Schließlich basiert das Konzept ziemlich ge- nau auf dem deutschen, das zwar unter dem Gesichtspunkt der Zu- verlässigkeit im Betrieb, aber nicht nach heutigen Wirtschaftlichkeits- kriterien angelegt war. Ob die Hochtemperaturreaktor- Technologie mit dem südafrikani- schen Projekt auch wieder zu einer Option für Deutschland wird, ist mehr als ungewiß. „Als Teil der Energieversorgung wäre das sicher wünschenswert“, sagt Werner von Lensa. Dennoch sollte man die deutschen Sorgen und Ängste der Menschen sehr ernst nehmen. Wenn sich neue Reaktoren nicht durchsetzen ließen, wäre es aus sei- ner Sicht zumindest erforderlich, Forschungs- und Ausbildungskapa- zitäten wieder aufleben zu lassen. Denn man könne es sich auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht lei- sten, aus einer Technik auszustei- gen, die wieder auf dem Vor- marsch ist. VERWOBEN Strom Generato Dampferzeuger Dampfturbine Kühlwasser- kreislauf Neutronenreflektor Brennelement-Kugeln umhüllt von Graphit , Kontrollstäbe Primärkreislauf: Kühlmittel Helium Kugel-Zugaberohr Kondensator Sekundärkreislauf Gasbehälter Kugel-Abzugsrohr F.A.Z.-Grafik Döring Jede einzelne Brennelementkugel besteht wiederum aus Tausen- den von winzigen Kügelchen, die den eigentlichen Nuklearbrenn- stoff, zum Beispiel Urandioxyd, enthalten. Zusätzliche Schutz- schichten bestehen aus verschiedenen Formen von Graphit und Sili- ziumkarbid. Graphit dient im Kugelhaufenreaktor als Moderator, der den Neutronenfluß reguliert. Neben den Brennstoff enthalten- den Kugeln werden deshalb in einem definierten Mischungsverhält- nis auch Kugeln aus reinem Graphit eingesetzt. G esundheit ist zweifellos eine wichtige Sache. Daß man sie reformieren könn- te, scheint schon eher fraglich. Fol- gerichtig ist die Gesundheitsre- form auch kein großer Wurf ge- worden. Die nächste Sollbruchstelle in der großen Koalition steht bereits fest: Das wird die Frage werden, wie man hierzulande in Zukunft Energie gewinnen will. Konventio- nell? Regenerativ? Atomar? Die un- voreingenommene Antwort steht längst fest: Man wird, ob man das nun goutiert oder nicht, alle drei Optionen wahrnehmen müssen, mit allen damit verbundenen Risi- ken. Die allerdings müßte man, so gut es geht, verringern. Wie das technisch aussehen könnte, wäre idealerweise beim morgen anstehenden „Energiegip- fel“ in Berlin zu diskutieren. Aber die Gesundheitsdebatte hat es ja ge- zeigt: Es wird wohl wieder auf eine sogenannte Reform hinauslaufen. Also auf den Austausch histori- scher Argumente. NACHRICHTEN Der Kugelhaufen- reaktor ist eine deutsche Erfindung, die vor zwanzig Jahren zu den Akten gelegt wurde. In Südafrika und anderswo gräbt man sie wieder aus. Historische Argumente Intime Blicke in den Maschinenraum des Lebens, Seiten 72–73 Energiefragen Was taugen Wärmepumpen? Seite 70 Wie baut man ein Perpetuum mobile? Seite 70 Wohin mit dem Kohlendioxyd? Seite 71 In der Kugel steckt die Kraft Beim Kugelhaufenreaktor ist der Brennstoff in Hunderttausen- den von tennisballgroßen Graphitkugeln eingeschlossen, die wäh- rend des Betriebs ausgetauscht werden. Als Kühlmittel dient im Primärkreislauf Helium, im Sekundärkreislauf Wasser. Der Dampf aus dem Dampferzeuger treibt eine Turbine an. Weil der Kugelhaufenreaktor zum Typ Hochtemperaturreaktor ge- hört, kann er neben Strom auch Prozeßwärme liefern. Zu sei- nen weiteren Vorteilen gehört, daß er bei relativ kleiner Bauwei- se inhärent sicher ist, und daß er bedarfsgerecht erweitert wer- den kann. Zu den Nachteilen dieses Konzeptes gehört, daß Gra- phit bei Lufteinbruch in Brand geraten kann, daß die Brenn- stoffherstellung aufwendig ist und daß er wegen seiner begrenz- ten Leistung insgesamt weniger wirtschaftlich betrieben werden kann als beispielsweise ein herkömmlicher Leichtwasserreaktor. Letzteres war auch einer der Gründe dafür, daß sich der Kugel- haufenreaktor in Deutschland nicht durchsetzen konnte. Kern aus Nuklearbrennstoff (zum Beispiel Urandioxyd) poröser Graphit Siliziumkarbid pyrolytischer Graphit umschlossene Brennstoff- partikel in Graphitmatrix Graphit- umhüllung F.A.Z.-Grafik Kaiser Pelindaba, Südafrika: Im Turm wird der Heliumkreislauf getestet. Foto PBMR Mancher deutsche Kerntechniker der Generation 60 plus findet jetzt eine neue Beschäftigung. VON JÖRG ALBRECHT VERKNÄULT Ugra/FOGRA MiniTarg Lic: F.A.Z./F.A.S.

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Die deutsche Sprache unddas Eisenbahnwesen, Seite 78

Bild am Sonntag 70Elementar 70A bis Z 70Gewächshaus 78Rätsel, Cartoon 78

TeilchenenergiePhysiker lieben es, Teilchen mitmöglichst hohen Energien aufein-anderkrachen zu lassen – heutzuta-ge mit etlichen Giga-Elektronen-volt (GeV). 1 GeV hätte ein Elek-tron, das von einem Spannungsge-fälle von einer Milliarde Volt aufTrab gebracht wurde. SovielSchmackes braucht langen Anlauf– daher sind Teilchenbeschleuni-ger auch so riesig. Nun beschrei-ben Forscher in Nature Physics, wiees ihnen gelungen ist, Elektronenauf einer Strecke von nur drei Zen-timetern mit Hilfe eines Laserpul-ses auf sagenhafte drei GeV zu be-schleunigen. Heizen kann man mitden Dingern leider nicht.

Kosmische EnergieSie sind die hellsten dauerhaftleuchtenden Objekte im Univer-sum, allerdings sind sie alle sehrweit weg. Daher war über die Qua-sare lange Zeit nicht viel herauszu-bringen. Heute weiß man immer-hin, daß es sich um Kerne von Ga-laxien handelt, und vermutet, daßdort enorm heiße Materie um gi-gantische Schwarze Löcher stru-delt. Nun ist es erstmals gelungen,solch einen Mahlstrom sichtbar zumachen. Wie Forscher auf einerTagung in San Francisco berichte-ten, kam ihnen dabei eine Galaxiezu Hilfe, die zwischen uns unddem Quasar liegt und dessen Lichtwie in einem kosmisch großen Te-leskop bündelt.

Vergeudete EnergieAuch in diesem Jahr wurden inHarvard wieder die berüchtigtenIgNoble-Preise für wissenschaftli-che Arbeiten verliehen, die nachMeinung der Jury „besser unter-blieben wären“. Den Friedenspreissicherte sich Howard Stapleton,Chef einer Sicherheitsfirma im wa-lisischen Merthyr Tydfil, für dieErfindung eines Lautsprechers,der Töne erzeugt, die für Teen-ager unerträglich, für Erwachseneaber nicht mehr hörbar sind. DerLiteraturpreis ging an Daniel Op-penheimer von der Princeton Uni-versity, und zwar für eine Untersu-chung, die aufzeigt, bis zu wel-chem Punkt eine Strategie erfolg-reich sein kann, die Intelligenzdurch Verwendung unnötig kom-plizierter Ausdrücke vortäuscht.Den Physikpreis schließlich teiltensich zwei Forscher der UniversitéPierre et Marie Curie in Paris, dieherausfanden, warum ungekochteSpaghetti beim Biegen häufig inmehr als zwei Teile zerbrechen.

VON U TA DEFFKE

Johannesburg. Beim Anblick derGraphitkugeln bekommt MilanHrovat leuchtende Augen. Wie einkleiner Junge stürmt der Siebzig-jährige das Labor, geht von Experi-ment zu Experiment und legt ger-ne auch mal selbst Hand an. Wenner die tennisballgroße Kugel aufden Boden titscht wie Boris Bek-ker, strahlt er übers ganze Gesicht,als erlebe er zum ersten Mal, daßdas geht. Dabei hat Hrovat dieseKugeln selbst entwickelt – vor vier-zig Jahren in Deutschland.

Jetzt steht die gleiche Technikim Brennelementelabor des südafri-kanischen Kernforschungszen-trums, in dem Hrovat zu Besuchist. Hier geht es zu wie in einerBackstube: Quirle mixen Pulverund rühren winzige Kügelchen ausummanteltem Uran ein, wie Rosi-nen unter den Teig. Die Massewird in eine Form gepreßt und imOfen ausgehärtet – fertig ist dieKugel. Nur geschieht das alles mitmikroskopischer Genauigkeit undnach jahrelang ausgetüftelter Re-zeptur. Und die Zutaten sind graustatt weiß – angemessen unappetit-lich, schließlich wird hier Brenn-stoff für einen Kernreaktor herge-stellt. Um Milan Hrovat muß mansich aber keine Sorgen machen,noch ist kein angereichertes Uranim Einsatz.

Während in Deutschland dieZeichen in Sachen Kernenergieseit Jahren auf Abbruch stehen,herrscht am anderen Ende derWelt Aufbruchstimmung. Seit gutzehn Jahren ist Südafrika dabei,dem Kugelhaufenreaktor wiederneues Leben einzuhauchen – unterdem Namen PBMR (Pebble BedModular Reactor, Modularer Kie-selbett-Reaktor). Die gleichnami-

ge Firma wird unterstützt vom süd-afrikanischen Staat, der amerikani-sche Konzern Westinghouse hälteinen Anteil von 15 Prozent.

Die Graphitkugeln sind dasHerzstück dieses Atommeilersvom Typ Hochtemperaturreaktor(siehe Grafik), der in den fünfzigerJahren von Rudolf Schulten entwik-kelt wurde. In Deutschland ist einsolcher Reaktor nur zweimal ge-baut worden: 1966 als Versuchsreak-tor am damaligen Kernforschungs-zentrum Jülich und später als kom-merzielle Variante in Hamm-Uen-trop, wo er 1985 ans Netz ging,aber nur eine Betriebsdauer von390 Tagen erreichte. Ende der acht-ziger Jahre wurden beide Reakto-ren abgeschaltet. Der eine hatteausgedient, der andere kämpftemit technischen und wirtschaftli-chen Problemen und beide zusam-men mit den Folgen von Tscherno-byl, obwohl ein Super-GAU wiedort bei diesem Reaktorkonzeptniemals möglich wäre.

In den neunziger Jahren wurdedie Technologie offiziell nach Süd-afrika verkauft. Mittlerweile hatman dort mit dem PBMR-Projekteine führende Rolle übernommen.Ziel ist es, den ersten kommerziel-len Reaktor dieses Typs auf den

Markt zu bringen. In einem Jahr,wenn die soeben begonnenen Ge-nehmigungsverfahren beendetsind, soll mit dem Bau eines De-monstrationsreaktors in kommer-ziellem Maßstab begonnen wer-den, der 2011 erstmals kritisch wer-den soll. Die erste kommerzielleEinheit soll drei Jahre später ansNetz gehen

Der Eifer, mit dem Südafrikadas Projekt vorantreibt, gründetauf der wirtschaftlichen Entwick-lung des Landes. Angesichts einesjährlichen Wachstums von vier Pro-zent droht eine massive Energie-knappheit, wenn die Ressourcenbis 2025 nicht massiv gesteigert wer-den. Derzeit hängt die Stromver-sorgung zu 90 Prozent an der eige-nen Kohle, fünf Prozent steuertdas einzige Kernkraftwerk Afrikasin Koeberg nahe Kapstadt bei.Dort soll auch der zukünftige De-monstrationsreaktor stehen.

Die Entwicklung in Südafrikaist typisch für sogenannte Schwel-lenländer und symptomatisch fürdie Energiekriese, auf die die Weltzusteuert. Einerseits steigt der Be-darf dramatisch. Andererseitsrückt die Endlichkeit der konven-tionellen, fossilen Ressourcen im-mer stärker ins Bewußtsein, eben-so wie die drohende Klimakatastro-phe. Die Notwendigkeit,CO2-Emissionen drastisch zu ver-ringern, und die Tatsache, daß re-generative Energiequellen nur ei-

nen Teil des zusätzlichen Energie-bedarfs decken können, lassen bis-her kaum eine Alternative zur Nut-zung der Kernkraft in einem nach-haltigen Energiemix erkennen.

Südafrika ist nicht das einzigeLand, das an der HTR-Technolo-gie arbeitet. Auch China, Frank-reich, die Vereinigten Staaten, Ja-pan und Südkorea verfolgen größe-re Projekte. Welches Potential derHTR besitzt, das diskutierten inder vergangenen Woche 400 Ver-treter aus Forschung und Wirt-schaft auf der dritten internationa-len HTR-Konferenz in Johannes-burg. Die Themen reichten vonunterschiedlichen Konzepten fürBrennelemente, neuen Materialent-wicklungen für mehr Sicherheit,Perspektiven der Energienutzungbis hin zu Genehmigungsverfah-ren für kerntechnische Prozesse.

Dank seiner physikalischen Kon-zeption und seiner baulichen Ausle-gung gilt der Hochtemperaturreak-tor als inhärent sicher. Selbst wennalle aktiven Sicherheitssysteme ver-sagen sollten, wären unkontrollier-bare Kettenreaktionen ebenso aus-geschlossen wie eine Kernschmel-ze. Die extrem hohen Temperatu-ren, auf die das Kühlmittel Heliumaufgeheizt wird, ermöglichen zu-dem einen besonders guten Wir-kungsgrad, sowohl bei der direk-ten Nutzung zur Stromerzeugungdurch eine Turbine als auch beider indirekten Nutzung über Wär-metauscher.

Damit wird der HTR nicht nurfür die Stromerzeugung interes-sant, sondern auch für eine Kraft-Wärme-Kopplung und die direkteErzeugung von Prozeßwärme. Da-von könnten beispielsweise die (pe-tro-)chemische Industrie und dieMetallgewinnung profitieren, aberauch eine Reihe von Anwendun-gen, die bisher gerade wegen deshohen Wärmebedarfs noch unter-entwickelt sind, zum Beispiel dieErzeugung von Wasserstoff ausder Auftrennung von Wasser. MitHilfe von Brennstoffzellen könnteder Wasserstoff dann wieder ge-nutzt werden, zum Beispiel als einemögliche Alternative zu fossilenKraftstoffen. Viel Wärme benöti-gen auch die Gewinnung von Ölaus Ölsanden oder die Meerwasser-entsalzung.

Das Sicherheitskonzept des Re-aktors führt dazu, daß er nur ver-gleichsweise klein und mit gerin-ger Leistungsdichte gebaut werdenkann. So soll der PBMR 165 Mega-watt elektrische beziehungsweise400 Megawatt thermische Lei-stung liefern. Das ist zwar nuretwa zehn bis 15 Prozent von dem,was viele der aktuell laufenden (zu-meist Leichtwasser-)Reaktoren lei-sten. Aber die Kompaktheit bringteinige Vorteile mit sich. Zum ei-nen kann modular aufgestockt wer-den. Zum anderen ermöglichendiese kleinen Einheiten erst dieWärmenutzung für industrielle An-wendungen, denn deren Wärme-quellen müssen nah am Prozeßund extrem sicher sein. Auch einewirtschaftliche Produktion des Re-aktors könnte sich durch seineKompaktheit abzeichnen, in Formeiner Serienfertigung, die bisherbeim Bau von Kernreaktoren nichtüblich ist.

Regis Matzie von Westing-house, dem amerikanischen Inve-stor, ist zuversichtlich, mit demPBMR eine Marktlücke bedienenzu können: „Ein kleines Modul fürdie Stromversorgung wird insbe-sondere für Entwicklungsländer in-teressant sein, wo nicht so viel inve-stiert werden kann“, sagt er. „ImBereich Prozeßwärme sehen wir ei-nen großen Markt auch in Indu-strieländern.“

Ungelöst bleibt auch bei beimPBMR das Problem mit dem nu-klearen Abfall. Um die Endlage-

rung macht man sich in Südafrikaerst jetzt so langsam Gedanken,von einer Lösung ist man weit ent-fernt. Allerdings können die Brenn-elemente durch vielfaches Durch-laufen des Reaktors sehr weit abge-brannt werden und würden sichauch für den Einsatz von Plutoni-um eignen. Das Kugelkonzeptdient außerdem als eingebaute Si-cherheitsmaßnahme gegen diemögliche Verwendung von Plutoni-um für die Waffenherstellung,denn an die ummantelten Brenn-stoffe läßt sich nur schwer wiederherankommen.

An der North-West Universityund in Pelindaba, eine Stunde Bus-fahrt nordwestlich von Johannes-burg, hat PBMR mittlerweile eine

Reihe von Versuchsanlagen aufge-baut. Dazu gehört beispielsweiseein vierzig Meter hoher Turm, indem der Heliumkreislauf des Reak-tors in Originalgröße nachgebautist. Unter anderem wird hier dasEinlassen von Moderatorstäben er-probt. Auf dem riesigen Testgelän-de, auf dem Südafrika bis Mitteder neunziger Jahre eigene Kern-technik inklusive Waffen entwickel-te, wimmelte es schon damals vonDeutschen, wie man sich erzählt.Das technische Inventar wurde, so-fern es militärischen Zwecken dien-te, inzwischen verschrottet, dieneue Republik Südafrika verpflich-tete sich nach Beendigung derApartheid ganz der friedlichenNutzung der Kernenergie. Übriggeblieben sind Gebäude und Hal-len im Charme der sechziger Jahresowie einiges an kerntechnischemKnow-how.

Unter der Sonne Südafrikas hatnun der eine oder andere deutscheForscher der Generation 60 pluseine neue alte Beschäftigung gefun-den. Weitere Betätigungsfelderkönnten sich bald in China auftun.

Dort steht bereits der Nachbau ei-nes Zehn-Megawatt-HTR nachOriginalplänen von Siemens. Erdient seit drei Jahren als For-schungsreaktor, unter anderem fürAbschaltexperimente bei vollerLast, die das vorhergesagte gutwilli-ge Verhalten des Reaktors in ver-schiedensten Notsituationen zei-gen. Nun plant China, einen De-monstrationsreaktor noch größe-ren Ausmaßes zu bauen.

In Pelindaba stehen neben einerTestanlage für den Heliumkreis-lauf inzwischen auch die Brenn-stofflabore, die vom Konzept hervon der damaligen Nukem aus Ha-nau entwickelt wurden, jenem skan-dalgeschüttelten Unternehmen,für das Milan Hrovat damals arbei-tete. Milan Hrovat hat mittlerweileals Berater bei der ALD VacuumTechnologies angeheuert, einemUnternehmen, das aus der Nukemhervorgegangen ist. „Nach jahre-langer Flaute im Nukleargeschäfterhoffen wir uns hier in Südafrikaneue Perspektiven“, sagt der Ge-schäftsführer Richard Seemann.

Die deutschen Experten sind be-geistert von dem Elan der Südafri-kaner. „Wenn die das wirklichschaffen, wäre das eine Sensation“,sagt der Euratom-Vertreter Wer-ner von Lensa. Trotzdem bleibenleichte Zweifel, ob man mit demPBMR den Sprung in die Wirt-schaftlichkeit schafft. Schließlichbasiert das Konzept ziemlich ge-nau auf dem deutschen, das zwarunter dem Gesichtspunkt der Zu-verlässigkeit im Betrieb, aber nichtnach heutigen Wirtschaftlichkeits-kriterien angelegt war.

Ob die Hochtemperaturreaktor-Technologie mit dem südafrikani-schen Projekt auch wieder zu einerOption für Deutschland wird, istmehr als ungewiß. „Als Teil derEnergieversorgung wäre das sicherwünschenswert“, sagt Werner vonLensa. Dennoch sollte man diedeutschen Sorgen und Ängste derMenschen sehr ernst nehmen.Wenn sich neue Reaktoren nichtdurchsetzen ließen, wäre es aus sei-ner Sicht zumindest erforderlich,Forschungs- und Ausbildungskapa-zitäten wieder aufleben zu lassen.Denn man könne es sich auch auswirtschaftlichen Gründen nicht lei-sten, aus einer Technik auszustei-gen, die wieder auf dem Vor-marsch ist.

VERWOBEN

Strom

Generato

Dampferzeuger

Dampfturbine

Kühlwasser-kreislauf

Neutronenreflektor

Brennelement-Kugelnumhüllt von Graphit

,

Kontrollstäbe

Primärkreislauf:Kühlmittel Helium

Kugel-Zugaberohr

Kondensator

Sekundärkreislauf

Gasbehälter

Kugel-Abzugsrohr

F.A.Z.-Grafik Döring

Jede einzelne Brennelementkugel besteht wiederum aus Tausen-den von winzigen Kügelchen, die den eigentlichen Nuklearbrenn-stoff, zum Beispiel Urandioxyd, enthalten. Zusätzliche Schutz-schichten bestehen aus verschiedenen Formen von Graphit und Sili-ziumkarbid. Graphit dient im Kugelhaufenreaktor als Moderator,der den Neutronenfluß reguliert. Neben den Brennstoff enthalten-den Kugeln werden deshalb in einem definierten Mischungsverhält-nis auch Kugeln aus reinem Graphit eingesetzt.

G esundheit ist zweifelloseine wichtige Sache. Daßman sie reformieren könn-

te, scheint schon eher fraglich. Fol-gerichtig ist die Gesundheitsre-form auch kein großer Wurf ge-worden.

Die nächste Sollbruchstelle inder großen Koalition steht bereitsfest: Das wird die Frage werden,wie man hierzulande in ZukunftEnergie gewinnen will. Konventio-nell? Regenerativ? Atomar? Die un-voreingenommene Antwort stehtlängst fest: Man wird, ob man dasnun goutiert oder nicht, alle dreiOptionen wahrnehmen müssen,mit allen damit verbundenen Risi-ken. Die allerdings müßte man, sogut es geht, verringern.

Wie das technisch aussehenkönnte, wäre idealerweise beimmorgen anstehenden „Energiegip-fel“ in Berlin zu diskutieren. Aberdie Gesundheitsdebatte hat es ja ge-zeigt: Es wird wohl wieder auf einesogenannte Reform hinauslaufen.Also auf den Austausch histori-scher Argumente.

NACHRICHTEN

Der Kugelhaufen-reaktor ist einedeutsche Erfindung,die vor zwanzig Jahrenzu den Akten gelegtwurde. In Südafrikaund anderswo gräbtman sie wieder aus.

HistorischeArgumente

Intime Blicke in denMaschinenraum des Lebens, Seiten 72–73

EnergiefragenWas taugenWärmepumpen? Seite 70

Wie baut man einPerpetuum mobile? Seite 70

Wohin mit demKohlendioxyd? Seite 71

In der Kugel steckt die Kraft

Beim Kugelhaufenreaktor ist der Brennstoff in Hunderttausen-den von tennisballgroßen Graphitkugeln eingeschlossen, die wäh-rend des Betriebs ausgetauscht werden. Als Kühlmittel dient imPrimärkreislauf Helium, im Sekundärkreislauf Wasser. DerDampf aus dem Dampferzeuger treibt eine Turbine an. Weilder Kugelhaufenreaktor zum Typ Hochtemperaturreaktor ge-hört, kann er neben Strom auch Prozeßwärme liefern. Zu sei-nen weiteren Vorteilen gehört, daß er bei relativ kleiner Bauwei-

se inhärent sicher ist, und daß er bedarfsgerecht erweitert wer-den kann. Zu den Nachteilen dieses Konzeptes gehört, daß Gra-phit bei Lufteinbruch in Brand geraten kann, daß die Brenn-stoffherstellung aufwendig ist und daß er wegen seiner begrenz-ten Leistung insgesamt weniger wirtschaftlich betrieben werdenkann als beispielsweise ein herkömmlicher Leichtwasserreaktor.Letzteres war auch einer der Gründe dafür, daß sich der Kugel-haufenreaktor in Deutschland nicht durchsetzen konnte.

Kern ausNuklearbrennstoff

(zum BeispielUrandioxyd)

poröser Graphit

Siliziumkarbid

pyrolytischerGraphit

umschlosseneBrennstoff-partikel inGraphitmatrix

Graphit-umhüllung

F.A.Z.-Grafik Kaiser

Pelindaba, Südafrika: Im Turm wird der Heliumkreislauf getestet. Foto PBMR

Mancher deutscheKerntechniker derGeneration 60 plusfindet jetzt eine neueBeschäftigung.

VON J ÖRG ALBRECHT

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