In dieser Ausgabe XXX - abc-projekt.de XXX Die ABCZeitung Seite 3 VON WOLFGANG JANKE Ich war mit...

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Mogeln und Schummeln / Mein Betreuer Werner Seite 1 Leben in Angst Seite 2 Ein Bericht zur Nacht der Wissenschaft Seite 3 Meckerecke Seite 3 Die Angst ist wieder da Seite 4 Ich muss noch viel üben / Tierquälerei Seite 4 Barack Obama / Rätsel Seite 5 Leserbriefe / Rubrik Seite 6 In dieser Ausgabe Wir lernen nicht nur schreiben, wir tun es auch! Ausgabe 16 28. Oktober 2010 XXX Die ABCZeitung KONTAKT Uns gibt’s online unter www.abcprojekt.de Wir freuen uns sehr über Leserbriefe: [email protected] MOGELN UND SCHUMMELN Ich habe die Grippe und muss das Bett hüten: Fieber, Schnupfen, Hus ten, Gliederschmerzen. Mit glasigen Augen schaue ich die Nachrich ten im ZDF an. 8. September heute ist Weltalphabetisierungs tag. Mich interessieren die Beiträge, ich freue mich über diesen beson deren Tag. Ein Tag der Anerkennung für Men schen mit einer Lern schwäche oder Lese und Schreibschwäche. Es gibt mir die Bestäti gung, dass es richtig ist, wenn die Medien beson ders an diesem Tag aktiv werden und das Problem der Schreibschwäche aufzeigen. Eines ärgert mich dann aber doch immer wie der: Wenn der Satz kommt, der Lernende hat sich während der Schulzeit so durchge mogelt. Oder man hat sich durchs Leben ge schummelt. Das macht mich richtig wütend und ärgerlich. Ich leide schon mein ganzes Leben an einer Lernschwäche und ich stelle mich dem Pro blem. Ich quäle mich und ackere mich durchs Leben mit meinem Defi zit. Keiner kann sich auch nur im Geringsten vorstellen, was das für einen Menschen bedeu tet, so durchs Leben zu kommen. Weiter auf Seite 2 Mein Betreuer Werner Es war, als ich zum Gericht musste. Da habe ich ihn kennen gelernt. Und so lan ge gewartet, bis es entschie den war, dass ich ihn als meinen Betreuer bekomme. Dann habe ich ihn als mei nen Betreuer bekommen. Und ich habe ihn schon 14 Jahre, so lange habe ich ihn schon. Und ich möchte auch kei nen anderen haben. Der ist immer für mich da. Wenn ich ihn brauche, dann rufe ich ihn an. Wenn ich ihn an gerufen habe, dann sagt er, ob er Zeit hat für mich. Oder er sagt, dass er am nächsten Tag zu mir kommt. Er ist ein Freund für mich und ich kann nicht ohne ihn. Er ist wie ein Va ter zu mir. Und wenn ich ihn frage, ob er mit mir zum Kranken haus kommt, dann sagt er, ich komme zu dir und hole dich ab von zu Hause. V ON BRIGITTE VAN DER V ELDE Bild: Brigitte van der Velde V ON MANUELA B.

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Mogeln und Schummeln / Mein Betreuer Werner ­ Seite 1Leben in Angst ­ Seite 2

Ein Bericht zur Nacht der Wissenschaft ­ Seite 3Meckerecke ­ Seite 3

Die Angst ist wieder da ­ Seite 4Ich muss noch viel üben / Tierquälerei ­ Seite 4

Barack Obama / Rätsel ­ Seite 5Leserbriefe / Rubrik ­ Seite 6

In dieser Ausgabe

Wir lernen nicht nur schreiben, wir tun es auch! Ausgabe 16 28. Oktober 2010

XXXDie ABC­Zeitung

KONTAKTUns gibt’s

online unterwww.abc­projekt.de

Wir freuen unssehr über

Leserbriefe:xxx@abc­projekt.de

MOGELN UND SCHUMMELNIch habe die Grippe undmuss das Bett hüten:Fieber, Schnupfen, Hus­ten, Gliederschmerzen.Mit glasigen Augenschaue ich die Nachrich­ten im ZDF an.8. September ­ heute istWeltalphabetisierungs­tag. Mich interessierendie Beiträge, ich freuemich über diesen beson­deren Tag. Ein Tag derAnerkennung für Men­schen mit einer Lern­schwäche oder Lese­und Schreibschwäche.Es gibt mir die Bestäti­gung, dass es richtig ist,wenn die Medien beson­ders an diesem Tag aktivwerden und das Problemder Schreibschwächeaufzeigen.

Eines ärgert mich dannaber doch immer wie­der: Wenn der Satzkommt, der Lernendehat sich während derSchulzeit so durchge­mogelt. Oder man hatsich durchs Leben ge­schummelt. Das machtmich richtig wütend undärgerlich.Ich leide schon meinganzes Leben an einerLernschwäche und ichstelle mich dem Pro­blem. Ich quäle michund ackere mich durchsLeben mit meinem Defi­zit. Keiner kann sichauch nur im Geringstenvorstellen, was das füreinen Menschen bedeu­tet, so durchs Leben zukommen.

Weiter auf Seite 2

Mein Betreuer WernerEs war, als ich zum Gerichtmusste. Da habe ich ihnkennen gelernt. Und so lan­ge gewartet, bis es entschie­den war, dass ich ihn alsmeinen Betreuer bekomme.Dann habe ich ihn als mei­nen Betreuer bekommen.Und ich habe ihn schon 14

Jahre, so lange habe ich ihnschon.Und ich möchte auch kei­nen anderen haben. Der istimmer für mich da. Wennich ihn brauche, dann rufeich ihn an. Wenn ich ihn an­gerufen habe, dann sagt er,ob er Zeit hat für mich.

Oder er sagt, dass er amnächsten Tag zu mirkommt. Er ist ein Freundfür mich und ich kann nichtohne ihn. Er ist wie ein Va­ter zu mir.Und wenn ich ihn frage, ober mit mir zum Kranken­haus kommt, dann sagt er,ich komme zu dir und holedich ab von zu Hause.

VON BRIGITTE VAN DER VELDE

Bild: Brigitte van der Velde

VON MANUELA B.

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 2

Fortsetzung von Seite 1

Wird das Problem aufsSchummeln und Mogelnreduziert, kann ich daskaum ertragen. Es tutmir weh. Für mich istdas ein Ausdruck vonUnrecht und schlechtemVerhalten. Es wirktoberflächlich auf mich.Auch Betroffene spre­chen von durchmogelnund schummeln. So stel­len sie sich selber in dienegative Ecke, als ob sienicht schon genug lei­den.Ich kann nicht glauben,dass man so über dieHilflosigkeit eines Men­schen spricht, schließ­

lich ist ein Leben ohneSchrift eine Quälereiund kostet sehr vielKraft und Energie. Es istschwer, in seinem Um­feld zurechtzukommenund letztendlich ist esdoch auch sehr traurig,dass der, der etwas nichtkann, als Schummlerund Mogler dasteht.Mogeln nicht die, dieein Kind mit Lern­schwäche einfach nichtrichtig beachten?Schummeln nicht die,die ein Kind so ins Le­ben entlassen? Sind nurdie guten Lerner esWert, beachtet zu wer­

den? Aber das ist viel­leicht einfacher und bil­liger im Lernsystem.Vier Millionen Analpha­beten, die sind dochnicht zu übersehen inunserer Gesellschaft. Ichwünsche mir mehr Sen­sibilität für die beson­ders auffälligen undbesonders stillen undzurückhaltenden Men­schen. Und das nicht nuram Weltalphabetisie­rungstag.Ich habe viele Stundengebraucht, um diesenBericht zu schreibenund es ist Schwerstar­

VON K.Für mich war das immer wich­tig, dass keiner der Arbeitskolle­gen wusste, dass ich nicht lesenund schreiben kann. Denn ichweiß, wie Kollegen sein kön­nen. Wenn die das gewusst hät­ten, wäre ich der Blödmann derganzen Firma gewesen. Das wä­re für mich unzumutbar gewe­sen. Dann hätte ich meine Arbeitaufgeben müssen. Auch meineFreunde wissen das nicht. Dasist meine Privatangelegenheit.Das weiß nur meine Frau.Als ich arbeitslos wurde, warich bei der Jobvermittlung nichtgerne gesehen. Als ich gesagthabe, dass ich nicht lesen undschreiben kann, wollten die da­von nichts wissen. Es wurden

mir gleich Arbeitsstellen rausge­sucht. Es war peinlich, wenn ichmich vorstellen musste mit einerBewerbung, die jemand anderesfür mich geschrieben hat. Es istfür mich menschenunwürdig,fremden Personen mein Problemzu schildern.Wenn ich zur Behörde mussteund ich etwas ausfüllen sollte,bekam ich Magenschmerzen undSchweißausbrüche. Die Wahr­heit mochte ich nicht sagen. Al­so musste ich lügen und mir waseinfallen lassen.Diese Angst wird so lange blei­ben, bis ich sicher bin beim Le­sen und Schreiben. Und das istsehr schwer zu lernen. Ich darfnicht aufgeben, ich muss dabeibleiben.

Mogeln und Schummelnbeit für mich. Ich brau­che auch noch Hilfe da­bei, bis sich alles gutlesen lässt. Und ichschummel und mogelganz bestimmt nicht da­bei. Wenn ich lerne undschreibe, ist das immereine anstrengende Aus­einandersetzung mitmeinem größten Pro­blem. Und täglich mussich mich dem stellen.Mein ganzes Leben wirddurch die Lese­ undSchreibschwäche be­stimmt.Mit schummeln und mo­geln hat das nichts zutun.

Leben in Angst

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 3

VON WOLFGANG JANKE

Ich war mit meiner Lern­gruppe bei einer Vorlesung.Die wurde vom A.B.C.­Pro­jekt vorgetragen. Sie habenviele Geschichten vorgele­sen. Über Menschen, dienicht richtig schreiben undlesen können. Es hat mirsehr gut gefallen, diese Ge­schichten zu hören.Aber ich war auch ent­täuscht, dass nicht so vieleLeute da waren. So was istdoch wichtig, finde ich. Dakann man doch sehen, dasssich nicht alle Leute dafürinteressieren. Das finde ichschade.

Ein Bericht zur Nacht der Wissenschaft

Ich ärgere mich, wennich was gut mache

und andere meinen,sie könnten es besser

machen.Bertholt

Ich ärgere mich, wenn ichvon meiner Freundin auf

Trab gehalten werde.Bertholt

Ich ärgere mich,wenn ich als

Notfall beim Arztwarten muss.

PeterIch ärgere mich, wenn ichvom Amt nicht das

bekomme, was mir zusteht.Bertholt

Ich ärgeremich, dass ichgeblitzt wurde.Bertholt

Ich ärgere mich,wenn kein

Haltbarkeitsdatum

auf den Warensteht. Peter

Ich ärgere mich,wenn ich von

Stärkerenausgeschlossen

werde.Bertholt

Und was ärgert euch?Schreibt uns unter

xxx@abc­projekt.de

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 4

VON MANUELA

Warum habe ich immernoch Angst, wenn einerdas merkt, dass ich nichtlesen und schreiben kann?Ich habe Angst, dass Leu­te das von mir erfahrenkönnten. Leute, die ichtäglich sehe. Ich habeAngst, dass die Leute übermich reden.Viele sagen, ich hätteMut, aber ich habe keinenMut.Ich war schon im Fernse­hen und in der Zeitung.Aber da war mir das egal.Die Leute haben michnicht gekannt und ich

brauchte sie nicht oft zusehen.Ich merke immer wieder,dass die Angst bei mir ist.Ich habe schon versucht,anderen Mut zu machen.Aber ich habe meineAngst nicht verloren.Sie ist wieder da. Wennmich jemand auf ein Buchanspricht, dann kriege ichAngst, dass sie mich fra­gen könnten vorzulesen.Oder ich kriege Schweiß­ausbrüche und Panik, weilich das nicht kann.Es ist sehr schwer fürmich, das auszuhalten.

VON BÄRBEL KITZING

Ich möchte besser lesen und schrei­ben können. Das Ablesen fällt mirnoch sehr schwer.Wenn ich lese, weiß ich schon, wasgemeint ist, aber ich spreche es oftanders aus als wie es da steht.Was ich dann sage, passt schon ir­gendwie dazu. Aber es ist nicht dasWort, das da steht.Ich kann das, was ich sehe, nicht soschnell in die Sprache umsetzen.Ich muss wohl noch viel üben, bis esbesser geht. Darum möchte ich nochweiter zum Unterricht gehen.

VON PETRA EITING

Wieso und warum liegenKatzen im Müll.Warum werden Hundeausgesetzt?Manche Menschen gehengrausam mit Tieren um.Manche quälen Tiere.Ich finde das ganz schrecklich.Die Tiere tun mir leid.

Die Angst ist wieder da

Tierquälerei

© Falk Blümel / pixelio.de

Ich muss nochviel üben

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 5

In diesem Silbenrätsel sind 10 Wörter zum Thema Herbst.

VON ERNST

Barack Obama ist derPräsident der Verei­nigten Staaten. Ichfinde, Obama ist einsehr interessanterMann. Einige Monatevor den Wahlen binich auf ihn aufmerk­sam geworden durchdie Zeitung und denTV­Auftritt.Die Rede in Berlin ander Siegessäule hatmich sehr begeistert.Obama ist der erstePräsident mit einer

dunklen Hautfarbe.Man glaubt es nicht,dass Menschen mitdunkler Hautfarbe imLokal nicht bedientwurden. Ich hoffe,dass sich so was än­dert und noch vielesmehr.Ich glaube, dass Oba­ma noch vieles ändernwird und auch kann.Doch seine Amtszeitwird leider zu kurzsein.Yes we can. Wirschaffen es!

Barack Obama

Far­ ­de­ Dah­ Herbst­ ­ber Ei­ Blät­ Herbst­Kür­ Ei­ ­to­ ­laub Hei­ ­che ­zau­ Ok­ ­chen­

­ben ­ter ­sturm ­kraut ­lien ­bis ­ber______________________________ ______________________________

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Rätsel ERSTELLT VON ERNST

Lösung der letzten Ausgabe: Tante, Nichte, Vater, Geschwister, Liebe, Gesundheit, Familie, Kinderzimmer, Mutter, Vertrauen

Bild: United States Senate / wikimedia commons

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XXX ­ Die ABC­Zeitung Seite 6

Wir haben uns wieder sehr über alleure Zuschriften gefreut. Schreibtuns unter xxx@abc­projekt.deBitte gib mit an, wenn du mit demAbdruck deines Leserbriefeseinverstanden bist.Schreibe: Ihr dürft meinen Brief inder ABC­Zeitung abdrucken._____________________________Viele Grüße aus Braunschweig.Danke für die neue Ausgabe eurerZeitung.Ich habe schon darauf gewartet.Gruß Anke_____________________________Hallo, Herr Scholz, gratuliere! Die15. Ausgabe war für mich die Erste.Ich war sehr erstaunt und erfreutgleichermaßen, dass es eine solcheZeitung gibt.Würden Sie mir bitte auch dienächsten Exemplare schicken?Als 71­jährige bin ich imerlebnispädagogischen Bereich nochviel in den Grundschulen und treffedort auch viele unglücklicheKinder...Ich denke, dass ich von der ABC­Zeitung erzählen kann. Das machtMut.Anne Wenzel_____________________________Sehr geehrter Herr Scholz, sehrgeehrte Damen und HerrenHerausgeber der ABC­Zeitung,eigentlich hatte ich mirvorgenommen sehr zurückhaltendmit Bewertungen gleich welcher Artzu sein. Heute will ich aber einmaldoch festhalten, dass ich mich überjede Ausgabe Ihrer Zeitung freue.Ich lese sie, wenn eine kleine Pause

Die nächste Ausgabeerscheint AnfangDezemberV.i.S.d.P.: Achim Scholz scholz@abc­projekt.deVHS Grundbildungszentrum, Staakenweg 7,26131 Oldenburg, Telefon: 0441/5948635© 2010 www.abc­projekt.de

Leserbriefenotwendig ist und bin von denkleinen, aber wichtigenGeschichten zuweilen auchbeeindruckt. Für Ihre Zeitung, aberauch für Sie persönlich weiterhinviel Erfolg mit allen gutenWünschen.Mit freundlichen GrüßenS. Oliver Luebke

Warum habe ich nichtlesen und schreibengelernt?Da wir oft gefragt werden, warumwir nicht lesen und schreiben gelernthaben, möch­ten wir das Thema injeder Aus­gabe aufgreifen unddarüber berichten. Dazu brauchenwir auch eure Geschichten! Schicktuns Leserbriefe zu dem Thema, diewir veröffentlichen dürfen.Warum ich nicht lesen und schreibengelernt habe:Erinnerungen an die SchulzeitVON WALTRAUD B.

An meine Einschulung kann ich michsehr gut erinnern. Wir lebten aufdem Lande und ich kam Ende der50ger Jahre zur Schule. Es war allesneu und interessant und ich warwissbegierig. Aber dann fing allesan: Schreiben an der Tafel mit Krei­de und der linken Hand. „Mit derlinken Hand wird nicht geschrieben,du böses Kind. Hier wird rechts ge­schrieben. Die linke Hand ist die bö­se Hand.“ Zack – und mit dem Stockgab es was auf die linken Finger. Ichmusste die Tafel wieder abwischenund sollte mit der rechten Handschreiben. Wie automatisch schrieb

wieder die linke Hand. Es folgtedas gleich Spiel mit dem Stockauf die Finger der linken Hand.Und dann wurde mir der linkeArm auf den Rücken gedreht,bis es weh tat. Dann musste ichmit rechts schreiben. „DasMiststück schreibt doch immerwieder mit der linken Hand.“Die Hausaufgaben, die zu Hau­se gemacht wurden, habe ichmit der linken Hand geschrie­ben. Meine Mutter hat nichtsdazu gesagt.In der Schule ging es dann wei­ter mit dem Stock. Ich wurdeauch an den Ohren gezogenund an den Haaren gerissen,wenn der Lehrer mich erwisch­te, dass ich mit der linken Handschrieb.Irgendwann bekam ich einenBrief mit nach Hause, dass mei­ne Mutter zur Schule kommensoll. Der Lehrer wollte mit ihrreden. Nach dem Gesprächmusste ich zu Hause auch mitder rechten Hand schreiben.In der Schule konnte ich michimmer schlechter konzentrieren.Ich konnte von der Tafel nichtso schnell abschreiben, was anHausaufgaben dran war. Nach­dem der Lehrer es angeschrie­ben hatte, wischte er es sofortwieder weg ohne Rücksicht dar­auf, ob ich es schon abge­schrieben hatte. Er wischte esab mit den Worten: „Du bist jasowieso doof!“(Fortsetzung in der nächsten Zeitungs­ausgabe)