Indirekte Gesundheitseffekte des Unterrichtsprogramms HealthyPEP; Indirect health effects of the...

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Chronische Krankheiten wie Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht sind ein gravierendes Pro- blem für das heutige Gesundheitssystem (Cecchini et al., 2010). Systematische Reviews, wie von Janssen und LeBlanc (2010), konnten in den vergangenen Jah- ren zeigen, dass regelmäßige körperliche Aktivität bereits im Kindes- und Jugend- alter einen positiven Beitrag zur Gesund- heit leisten kann. Aktuelle Daten aus der KiGGS-Studie (Bös, 2009) zeigen jedoch, dass nur ein kleiner Prozentsatz junger Menschen in Deutschland die WHO- Empfehlungen (WHO, 2010) erfüllt. Aus diesem Grund sind bereits im Kin- des- und Jugendalter Interventionen zur Förderung eines aktiven Lebensstils ein wichtiges Anliegen. Die Schule erscheint hierfür aus mehreren Gründen ein idea- les Setting zu sein: Aufgrund der Schul- pflicht bietet sich ein Zugang zur gesam- ten Zielgruppe der Kinder und Jugendli- chen, die zudem einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule verbringen. Insbeson- dere der Sportunterricht stellt eine ein- zigartige Möglichkeit des Sports dar, al- le Schülerinnen und Schüler (SuS) – un- abhängig z. B. von ihrem sozioökono- mischen Status – erreichen zu können. Vor diesem Hintergrund erfährt die Ge- sundheitsförderung im und durch den Sportunterricht national wie interna- tional wachsende Bedeutung (vgl. z. B. den ICSSPE von Hardman & Marshall, 2009). Hintergrund und Forschungsstand Der Schwerpunkt der (deutschen) sport- pädagogischen Forschung bestand in den vergangenen Jahrzehnten in der norma- tiven Diskussion des Faches Sport (Hoff- mann, 2009). Dabei besteht weitgehender Konsens, dass Sportunterricht im Rah- men seines erziehenden Charakters einen Doppelauftrag zu bewältigen hat: Zum einen soll er Voraussetzungen für die Par- tizipation an Sport- und Bewegungskultu- ren schaffen und zum anderen soll durch den Sportunterricht die Persönlichkeits- entwicklung positiv beeinflusst werden (Prohl, 2012). Übergreifend tragen beide Aufträge des Sportunterrichts zur Etablie- rung eines körperlich aktiven Lebensstils bei, indem das Interesse der SuS an kör- perlicher Aktivität und die Motivation für außerschulisches Sporttreiben gefördert werden (Balz, 1997). Zur Erreichung die- ser Ziele basiert der Bildungsplan in vie- len Bundesländern auf dem didaktischen Konzept der Mehrperspektivität von Kurz (2008), in dem der Fokus des erziehen- den Sportunterrichts auf insgesamt sechs gleichwertigen pädagogischen Perspekti- ven liegt (Leistung, Körpererfahrung, Ge- staltung, Wagnis, Kooperation und Ge- sundheit). Da in der Unterrichtspraxis eine si- multane Fokussierung auf alle pädagogi- schen Zielperspektiven nicht möglich ist, wird aus sportpädagogischer Sicht emp- fohlen, über kürzere Zeiträume jeweils eine Perspektive in den Mittelpunkt des Sportunterrichts zu stellen (Kurz, 2008), so dass beispielsweise in den Klassenstu- fen 5 und 6 insgesamt alle Zielperspekti- ven durchlaufen werden können. Im Rah- men der Zielperspektive Gesundheit steht die Frage nach den durch den Sportunter- richt zu erzielenden direkten und indi- rekten Gesundheitseffekten im Zentrum (Baschta & Thienes, 2011). Direkte Ge- sundheitseffekte beziehen sich auf die posi- tiven Auswirkungen des Sportunterrichts, die in direkter Verbindung zu Gesundheit stehen, z. B. die motorische Leistungsfä- higkeit, der BMI und die gesundheits- bezogene Lebensqualität. Aus trainings- wissenschaftlicher Perspektive ist dabei eine Mindestdauer von 8 Wochen für ein Unterrichtsprogramm zu fordern, um entsprechende Effekte erzielen zu kön- nen (Hohmann, 2010). Als indirekte Ge- sundheitseffekte werden hingegen positive Auswirkungen des Sportunterrichts auf die psychologischen Determinanten der körperlichen Aktivität und auf das Akti- vitätsverhalten der SuS bezeichnet. Der systematische Review von Deme- triou und Höner (2012) zeigt, dass die Anzahl der durchgeführten Studien im Setting Schule mit dem Ziel der Gesund- heitsförderung von SuS in den vergange- nen Jahren – besonders in den USA und in Großbritannien – kontinuierlich ge- stiegen ist. Die im Review dargestellten Studien untersuchten die Effekte bewe- Yolanda Demetriou · Gorden Sudeck · Oliver Höner Institut für Sportwissenschaft, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland Indirekte Gesundheitseffekte des Unterrichtsprogramms HealthyPEP Ergebnisevaluation unter Berücksichtigung der Programminhalte und des Implementierungsgrades im Sportunterricht Sportwiss 2014 DOI 10.1007/s12662-014-0324-1 Eingegangen: 11. April 2013 Angenommen: 29. Januar 2014 ] © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 1 Sportwissenschaft X · 2014 | Hauptbeiträge

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Chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht sind ein gravierendes Pro-blem für das heutige Gesundheitssystem (Cecchini et al., 2010). Systematische Reviews, wie von Janssen und LeBlanc (2010), konnten in den vergangenen Jah-ren zeigen, dass regelmäßige körperliche Aktivität bereits im Kindes- und Jugend-alter einen positiven Beitrag zur Gesund-heit leisten kann. Aktuelle Daten aus der KiGGS-Studie (Bös, 2009) zeigen jedoch, dass nur ein kleiner Prozentsatz junger Menschen in Deutschland die WHO-Empfehlungen (WHO, 2010) erfüllt. Aus diesem Grund sind bereits im Kin-des- und Jugendalter Interventionen zur Förderung eines aktiven Lebensstils ein wichtiges Anliegen. Die Schule erscheint hierfür aus mehreren Gründen ein idea-les Setting zu sein: Aufgrund der Schul-pflicht bietet sich ein Zugang zur gesam-ten Zielgruppe der Kinder und Jugendli-chen, die zudem einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule verbringen. Insbeson-dere der Sportunterricht stellt eine ein-zigartige Möglichkeit des Sports dar, al-le Schülerinnen und Schüler (SuS) – un-abhängig z. B. von ihrem sozioökono-mischen Status – erreichen zu können. Vor diesem Hintergrund erfährt die Ge-sundheitsförderung im und durch den Sportunterricht national wie interna-tional wachsende Bedeutung (vgl. z. B. den ICSSPE von Hardman & Marshall, 2009).

Hintergrund und Forschungsstand

Der Schwerpunkt der (deutschen) sport-pädagogischen Forschung bestand in den vergangenen Jahrzehnten in der norma-tiven Diskussion des Faches Sport (Hoff-mann, 2009). Dabei besteht weitgehender Konsens, dass Sportunterricht im Rah-men seines erziehenden Charakters einen Doppelauftrag zu bewältigen hat: Zum einen soll er Voraussetzungen für die Par-tizipation an Sport- und Bewegungskultu-ren schaffen und zum anderen soll durch den Sportunterricht die Persönlichkeits-entwicklung positiv beeinflusst werden (Prohl, 2012). Übergreifend tragen beide Aufträge des Sportunterrichts zur Etablie-rung eines körperlich aktiven Lebensstils bei, indem das Interesse der SuS an kör-perlicher Aktivität und die Motivation für außerschulisches Sporttreiben gefördert werden (Balz, 1997). Zur Erreichung die-ser Ziele basiert der Bildungsplan in vie-len Bundesländern auf dem didaktischen Konzept der Mehrperspektivität von Kurz (2008), in dem der Fokus des erziehen-den Sportunterrichts auf insgesamt sechs gleichwertigen pädagogischen Perspekti-ven liegt (Leistung, Körpererfahrung, Ge-staltung, Wagnis, Kooperation und Ge-sundheit).

Da in der Unterrichtspraxis eine si-multane Fokussierung auf alle pädagogi-schen Zielperspektiven nicht möglich ist, wird aus sportpädagogischer Sicht emp-

fohlen, über kürzere Zeiträume jeweils eine Perspektive in den Mittelpunkt des Sportunterrichts zu stellen (Kurz, 2008), so dass beispielsweise in den Klassenstu-fen 5 und 6 insgesamt alle Zielperspekti-ven durchlaufen werden können. Im Rah-men der Zielperspektive Gesundheit steht die Frage nach den durch den Sportunter-richt zu erzielenden direkten und indi-rekten Gesundheitseffekten im Zentrum (Baschta & Thienes, 2011). Direkte Ge-sundheitseffekte beziehen sich auf die posi-tiven Auswirkungen des Sportunterrichts, die in direkter Verbindung zu Gesundheit stehen, z. B. die motorische Leistungsfä-higkeit, der BMI und die gesundheits-bezogene Lebensqualität. Aus trainings-wissenschaftlicher Perspektive ist dabei eine Mindestdauer von 8 Wochen für ein Unterrichtsprogramm zu fordern, um entsprechende Effekte erzielen zu kön-nen (Hohmann, 2010). Als indirekte Ge-sundheitseffekte werden hingegen positive Auswirkungen des Sportunterrichts auf die psychologischen Determinanten der körperlichen Aktivität und auf das Akti-vitätsverhalten der SuS bezeichnet.

Der systematische Review von Deme-triou und Höner (2012) zeigt, dass die Anzahl der durchgeführten Studien im Setting Schule mit dem Ziel der Gesund-heitsförderung von SuS in den vergange-nen Jahren – besonders in den USA und in Großbritannien – kontinuierlich ge-stiegen ist. Die im Review dargestellten Studien untersuchten die Effekte bewe-

Yolanda Demetriou · Gorden Sudeck · Oliver HönerInstitut für Sportwissenschaft, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland

Indirekte Gesundheitseffekte des Unterrichtsprogramms HealthyPEP

Ergebnisevaluation unter Berücksichtigung der Programminhalte und des Implementierungsgrades im Sportunterricht

Sportwiss 2014DOI 10.1007/s12662-014-0324-1Eingegangen: 11. April 2013Angenommen: 29. Januar 2014]© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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gungsbezogener Interventionen auf eine Vielzahl von Ergebniskriterien, die sich in Anlehnung an Fuchs (2003) auf 3 Zielebe-nen lokalisieren lassen:a) globale Zielebene der Gesundheit

und Fitness (z. B. motorische Leis-tungsfähigkeit, BMI, gesundheitsbe-zogene Lebensqualität),

b) strategische Zielebene der körperli-chen Aktivität und

c) taktische Ebene der psychologischen Determinanten der körperlichen Ak-tivität (z. B. Motivation, Selbstwirk-samkeit, Einstellungen, Selbstkonzept, Wissen).

Die Ergebnisse der Studien bestätigen di-rekte Gesundheitseffekte auf die motori-sche Leistungsfähigkeit der SuS, die un-mittelbar in Verbindung mit körperli-chen Trainingseffekten gebracht werden können. Deutlich weniger häufig wurden in diesen Studien die Interventionseffek-te auf die psychologischen Determinanten der körperlichen Aktivität untersucht. In den 129 Studien dieses internationalen Re-views untersuchten nur 15 Studien Variab-len, die mit selbstbezogenen Kognitionen zusammenhängen (u. a. Selbstwirksam-keit, Selbstkonzept), und jeweils 14 Studien untersuchten das Wissen, die Einstellun-gen und die Motivation von Kindern und Jugendlichen. Mit Ausnahme der konsis-tent positiven Effekte auf das Wissen der SuS (signifikant positive Effekte in 87,5 % der Studien) konnten positive Interven-tionseffekte auf die psychologischen De-terminanten selten bestätigt werden. Hin-sichtlich des Selbstkonzepts verzeichneten 30 % der Studien positive Interventions-effekte und in Bezug auf die Einstellun-gen hatten 43,8 % der Studien positive und 12,5 % negative Effekte. Auch Craggs, Cor-der, van Sluijs und Griffin (2011) stellen in ihrem systematischen Review fest, dass die Determinanten für die Veränderung der körperlichen Aktivität bei Kindern und Ju-gendlichen in Studien kaum berücksichtigt werden. Die Autoren führen dies zum gro-ßen Teil auf die wenigen validen Messins-trumente zurück, die für diese Altersgrup-pen zur Verfügung stehen.

Einige in den vergangenen Jahren in Deutschland durchgeführte Inter-ventionsstudien zur Förderung der Ge-sundheit von SuS erfüllten nicht die Ein-

schlusskriterien und wurden daher in den beiden genannten internationalen Re-views nicht berücksichtigt. Diese Studien lassen sich in 3 Kategorien unterteilen:a. Interventionen im Sportunterricht

mit der gezielten Förderung eines Ge-sundheitsaspekts (Förderung der kör-perlichen Aktivität, Verbesserung der Fitness etc.; z. B. Steinmann, 2004),

b. Studien zum täglichen Sportunter-richt (z. B. Thiele & Seyda, 2011) und

c. Programme mit mehreren Kompo-nenten zur Bewegungsförderung über den gesamten Schultag hinweg (z. B. Landau, 2007).

Zusammenfassend kann auch für die-se Programme festgehalten werden, dass insbesondere direkte positive Ef-fekte auf die Fitness der SuS erzielt wer-den konnten. Im Einklang mit diesen Er-kenntnissen konnten auch in der Studie „Healthy Physical Education Programme“ (HealthyPEP) zur Evaluation von Gesundheitseffekten bei SuS der sechsten gymnasialen Klasse positive direkte Ge-sundheitseffekte auf den Gesamtscore der motorischen Leistungsfähigkeit der Mäd-chen und hinsichtlich des BMI bei beiden Geschlechtern nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu konnten keine signifikan-ten Veränderungen in der gesundheits-bezogenen Lebensqualität der SuS festge-stellt werden (Demetriou, 2013; Höner & Demetriou, 2014).

Aus dem Forschungsstand lässt sich erstens ableiten, dass im Rahmen der Schule und speziell des Sportunterrichts direkte Gesundheitseffekte möglich sind. Zweitens zeigt sich jedoch ein For-schungsdesiderat hinsichtlich des Ausma-ßes der indirekten Gesundheitseffekte, die durch den Sportunterricht erreicht wer-den können. Dieses Desiderat wird ver-stärkt durch den Mangel an Informatio-nen über konkrete Interventionsinhalte und über Evaluationsaspekte der tatsäch-lichen Programmimplementierung. Da-durch wird die Erforschung der Ursache-Wirkungs-Beziehung von Interventionen – insbesondere bei der Erforschung wohl eher diffuser Wirkmechanismen hinsicht-lich der indirekten Gesundheitseffekte – erheblich erschwert (Mittag, 2006).

Schwerpunkt dieses Beitrags ist die de-taillierte Analyse der indirekten kurzfris-

tigen Gesundheitseffekte (Ausmaß der körperlichen Aktivität und psychologi-sche Determinanten der körperlichen Ak-tivität) von HealthyPEP bei einer gleich-zeitigen Berücksichtigung der Inhalte und des Grades der Implementierung des Pro-gramms, die durch gezielte Implementa-tions-Checks deskriptiv evaluiert wer-den (Mittag, 2006). Sowohl die genaue Betrachtung der Interventionsinhalte als auch die Prozessevaluation zur Ana-lyse von Implementationsaspekten sind notwendige Bedingungen, um mögliche Wirkprozesse indirekter Gesundheitsef-fekte substanziell beleuchten zu können. Die gleichzeitige Betrachtung von Inter-ventionsinhalten, Prozessevaluation so-wie Effekten auf Verhalten und psycho-logische Verhaltensdeterminanten er-möglicht so eine Beantwortung der Fra-ge „How does it work?“, die Michie, Dor-mandy und Marteau (2004) im Rahmen theoriegeleiteter Interventionsforschung zur fortwährenden Optimierung von Intervention für essenziell erachten. In diesem Sinne sollen mit diesem Beitrag Erkenntnisse gewonnen werden, in wel-che Richtungen die Inhalte und die for-schungsmethodischen Konzeptionen von Programmen zur Gesundheitsförderung erweitert werden müssen, um zukünftig die Chancen für evidenzbasierte indirek-te Gesundheitseffekte durch den Sport-unterricht zu erhöhen.

Inhaltliche Konzeption

HealthyPEP wurde basierend auf theore-tischen Überlegungen in der Sportpäda-gogik, Trainingswissenschaft und Sport-psychologie konzipiert, um direkte und indirekte Effekte auf die Gesundheit von SuS der sechsten Klasse zu evaluieren. Die Sportpädagogik setzt dabei den Grund-baustein in der Legitimierung dieser Unterrichtsreihe. Basierend auf den theo-retischen Überlegungen von Kurz (2008) ist die Gesundheit eine der pädagogi-schen Perspektiven, die im Sportunter-richt verfolgt werden sollte. Aus der Per-spektive der Trainingswissenschaft wurde HealthyPEP auf der grundlegenden An-nahme aufgebaut, dass Training Inhalt des Sportunterrichts sein muss, um di-rekte Gesundheitseffekte erzielen zu kön-nen (Hohmann, 2010). Soll in diesem Sin-

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ne die Förderung von Kraft und Ausdau-er eine Grundlage des Sportunterrichts sein (Steinmann, 2004), müssen für die Entwicklung eines Programms zur Ge-sundheitsförderung im Sportunterricht zunächst allgemeine Theorien zur För-derung der Kraft und Ausdauer bei Kin-dern und Jugendlichen an die Rahmen-bedingungen des Sportunterrichts adap-tiert werden. Zweitens sollten diese theo-retischen Erkenntnisse mittels geeigne-ter Materialien, Methoden und Struktu-ren im Sportunterricht umgesetzt wer-den, um die körperliche Fitness der SuS zu steigern.

Aus der sportpsychologischen Perspek-tive bildeten die sozial-kognitive Theo-rie (Bandura, 1986), die Theorie des ge-planten Verhaltens (Ajzen, 1991) und die Selbstdeterminationstheorie (Deci & Ryan, 1985) die Grundlage für die Aus-wahl der sozial-kognitiven und motiva-tional-volitionalen Determinanten der körperlichen Aktivität, die im Rahmen von HealthyPEP verändert werden sollen, um eine Erhöhung der körperlichen Akti-vität auch außerhalb des Sportunterrichts zu erzielen. Für die Veränderung dieser Variablen wurden Techniken der Ver-haltensänderung ausgewählt, die sich in anderen Interventionen bereits als effek-tiv erwiesen. So resümierten Michie, Ab-raham, Whittington, McAteer und Gup-ta (2009) in einem Überblicksbeitrag, dass der Einsatz von mindestens einer Tech-nik zur Selbstregulation eher dazu führte, dass Personen vermehrt körperlich aktiv wurden. Die Effektivität dieser Techniken wurde bisher primär in empirischen Stu-dien mit Erwachsenen gezeigt, allerdings bei Kindern und Jugendlichen noch nicht systematisch überprüft.

HealthyPEP bestand aus insgesamt 8 Doppelstunden (jeweils 90 min) mit theoretischen und praktischen Inhalten sowie aus ergänzenden Elementen, die auf trainingswissenschaftlichen und sport-pädagogischen Empfehlungen basieren. . Tab. 1 stellt eine Übersicht der Unter-richtsreiche dar (für weitere Beispiele vgl. Demetriou, 2013).

Bezug nehmend auf Michie et al. (2009) wurden in HealthyPEP diverse Techniken zur Verhaltensänderung um-gesetzt (. Tab. 1). Die Wissensvermitt-lung über die Zusammenhänge von kör-

perlicher Aktivität und Gesundheit wur-den mit dem Ziel eingesetzt, eine Verbes-serung der Einstellungen der SuS zur kör-perlichen Aktivität zu entwickeln. In ins-gesamt 4 Doppelstunden von HealthyPEP wurden aus diesem Grund theoretische Inhalte unterrichtet und mit praktischen Komponenten gekoppelt. In der zweiten Doppelstunde erhielten die SuS beispiels-weise zunächst Informationen und muss-ten anschließend einige Fragen zum The-

ma Puls und körperliche Aktivität beant-worten. Für die Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis wurde im Verlauf der Stunde das theoretisch Erlernte auch in die praktischen Teile des Sportunterrichts integriert. Hierfür war in dieser Doppel-stunde ein Stationslauf geplant, bei dem die SuS an den verschiedenen Stationen Übungen mit unterschiedlicher Intensi-tät ausführten und anschließend ihren Puls maßen. Bei der Übung „Elefantenge-

Zusammenfassung · Abstract

Sportwiss 2014 DOI 10.1007/s12662-014-0324-1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Y. Demetriou · G. Sudeck · O. Höner

Indirekte Gesundheitseffekte des Unterrichtsprogramms HealthyPEP. Ergebnisevaluation unter Berücksichtigung der Programminhalte und des Implementierungsgrades im Sportunterricht

ZusammenfassungZahlreiche Studien bestätigen direkte Ge-sundheitseffekte bewegungsbezogener Interventionen auf Schülerinnen und Schüler (SuS), ohne ausreichend Informationen über die Inhalte und den Grad der Implementie-rung dieser Programme zu liefern. Die empi-rische Evidenz der indirekten Gesundheitsef-fekte des Sportunterrichts ist wesentlich ge-ringer. In diesem Beitrag werden indirekte Gesundheitseffekte im Sinne einer Verände-rung der körperlichen Aktivität und ihrer psy-chologischen Determinanten (Motivation, Einstellungen, Selbstwirksamkeit und Wis-sen) durch das Gesundheitsförderungspro-gramm HealthyPEP im Rahmen eines qua-si-experimentellen Designs mit 516 SuS der sechsten gymnasialen Klasse evaluiert. Unter

Berücksichtigung der Inhalte und des Grades der Implementierung des Programms wurde deutlich, dass HealthyPEP eine Geschlechter-spezifik aufweist. Mädchen bewerteten HealthyPEP im Vergleich zu den Jungen posi-tiver. Darüber hinaus zeigten sie positive Ten-denzen hinsichtlich der Veränderungen in-nerhalb der rational-kognitiven Determinan-ten (Wissen, Einstellungen zum Sport). Die Inhalte von HealthyPEP müssen weiter opti-miert werden, um auch bei den Jungen in Zu-kunft positive indirekte Effekte zu erzielen.

SchlüsselwörterGesundheit · Sportunterricht · Motorische Leistungsfähigkeit · Psychologische Determinanten · Körperliche Aktivität

Indirect health effects of the training program HealthyPEP. Evaluation of results considering the contents and degree of implementation in sports training

AbstractNumerous studies have confirmed direct health effects of interventions with a physi-cal activity component on students without providing sufficient information on the con-tents or the degree to which the programs have been carried out. The empirical evi-dence of the indirect health effects of physi-cal education is weaker. In this article the fo-cus is placed on the evaluation of the indi-rect health effects, such as the enhancement of physical activity and its psychological de-terminants (e.g. motivation, attitudes, self-ef-ficacy and knowledge) of the health promo-tion program HealthyPEP, using a quasi-ex-perimental design with 516 sixth grade stu-

dents. When taking into account the contents of HealthyPEP and the degree of implementa-tion, it was clear that the program had differ-ent effects on the two genders whereby girls evaluated HealthyPEP in a more positive way compared to boys. In girls, positive tendencies were observed on rational cognitive determi-nants (e.g. knowledge and attitudes towards sports). The contents of HealthyPEP must be further optimized in the future to achieve pos-itive indirect health effects also on boys.

KeywordsHealth · Physical education · Physical fitness · Psychological determinants · Physical activity

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trampel“ sollten die SuS auf einer Weich-bodenmatte so schnell, so laut und so lang wie möglich trampeln, während sie sich bei der Übung „Über den Wolken“ ge-mütlich auf eine Matte legen sollten. Das Ziel dabei war ein Bewusstsein über die Veränderung des Pulses abhängig von der körperlichen Aktivität zu entwickeln.

Die Vergabe von konkreten Aufgaben diente der Festigung des Wissens und der Einstellungen der SuS. Am Ende jeder Doppelstunde erhielten die SuS Sport-

hausaufgaben, die sie bis zur nächsten Stunde bearbeiten sollten. Diese waren praktischer aber auch theoretischer Na-tur, so z. B. die Durchführung von Kraft-übungen, welche die SuS in der letzten Stunde gelernt hatten, oder die Recher-che nach weiteren Übungen im Internet. Eine weitere Hausaufgabe bestand darin, den Puls der Eltern, Geschwister oder Be-kannten zu messen und die Person mit dem höchsten und niedrigsten Ruhepuls zu bestimmen.

Die Technik der Selbstverstärkung soll-te die Motivation und die Selbstwirksam-keit der SuS positiv beeinflussen. Die SuS notierten Bonuspunkte für die erfolgrei-che Bewältigung von Aufgaben und die motivierte Teilnahme am Sportunter-richt in einem kleinen Heft (Logbuch), das sie zu Beginn von HealthyPEP erhiel-ten. Auch die Technik der Ermöglichung von Erfolgserlebnissen im Sinne der Mas-tery Experiences nach Bandura (1997) sollte die Motivation und die Selbstwirk-

Tab. 1 Inhalte und Ziele von HealthyPEP. (Mod. nach Demetriou, 2013)

HealthyPEP Ziele/Techniken der Verhaltensänderung

Praktische Komponenten Theoretische Komponenten Weitere Komponenten

1 Einführung in HealthyPEP durch den Lehrer, Shuttle-Run-Test, Krafttraining in Stationen

Diskussion über die Bedeu-tung von Kraft und Ausdauer für die Gesundheit

Dokumentation der Ergeb-nisse des Shuttle-Run-Tests und Kraftübungen im Log-buch, Sporthausaufgaben, Launometer

Ausdauer und Kraft, Sensibilisierung für KA und Ausdauer, positive Beeinflussung der Motivation, Einstellungen und Selbstwirksamkeit

Wissensvermittlung, konkrete Aufgaben, Selbst-verstärkung, Erfolgserlebnisse

2 Ausdauer: Übungen und Spiele, Pulsmessung nach ver-schiedenen Übungen

Beziehung zwischen Ausdau-er, KA und Puls: Arbeitsblatt zum Ausfüllen in Kleingrup-pen, Diskussion zwischen Leh-rer und der gesamten Klasse

Bonuspunkte, Sporthausauf-gaben, Launometer

Ausdauer, Sensibilisierung für KA und Ausdauer, positive Beeinflussung der Motivation, Einstellun-gen und Selbstwirksamkeit

Reflexion der Erfahrungen zum Zusammenhang zwi-schen Ausdauer und Puls

Wissensvermittlung, konkrete Aufgaben, Selbst-verstärkung, Erfolgserlebnisse

3 Krafttraining in Stationen Zusammenhang zwischen Krafttraining und Muskeln: Arbeitsblatt und Diskussion

Bonuspunkte, Sporthausauf-gaben, Launometer

Kraft, Sensibilisierung für KA, Kraft und Gesund-heit, positive Beeinflussung der Motivation, Ein-stellungen und Selbstwirksamkeit

Wissensvermittlung, konkrete Aufgaben, Selbst-verstärkung, Erfolgserlebnisse

4 Ausdauer: Langlauf, Übungen und Spiele

Verbesserung der Ausdauer: Arbeitsblatt und Diskussion

Bonuspunkte, Sporthausauf-gaben, Launometer

Ausdauer, Sensibilisierung für KA, Ausdauer und Gesundheit, positive Beeinflussung der Motiva-tion, Einstellungen und Selbstwirksamkeit

Wissensvermittlung, konkrete Aufgaben, Selbst-verstärkung, Erfolgserlebnisse

5 Kraftübungen: Stabilisation/Prävention der Wirbelsäule

Zusammenhang zwischen KA, Kraft und der Wirbelsäule: Arbeitsblatt und Diskussion

Bonuspunkte, Sporthausauf-gaben, Launometer

Kraft, Sensibilisierung für KA und einer gesunden Wirbelsäule, positive Beeinflussung der Motiva-tion, Einstellungen und Selbstwirksamkeit

Wissensvermittlung, konkrete Aufgaben, Selbst-verstärkung, Erfolgserlebnisse

6 Ausdauer: Übungen und Spie-le, Akrobatik

Diskussion über die Erfahrun-gen während des Sportunter-richts

Bonuspunkte, Sporthausauf-gaben, Launometer

Ausdauer und Kraft, positive Beeinflussung der Motivation, Einstellungen und Selbstwirksamkeit

Wissensvermittlung, konkrete Aufgaben, Selbst-verstärkung, Erfolgserlebnisse

7 Shuttle-Run-Test, Krafttraining in Stationen

– Ergebnisse ins Logbuch, Bonuspunkte, Sporthausauf-gaben, Launometer

Ausdauer und Kraft, positive Beeinflussung der Motivation, Einstellungen und Selbstwirksamkeit

Konkrete Aufgaben, Selbstverstärkung, Erfolgs-erlebnisse

8 Krafttraining: Ringen und Raufen

Diskussion: Welche Möglich-keiten bestehen zur KA zuhau-se oder am Nachmittag? Mit wem kann ich Sport treiben? Warum ist es wichtig regelmä-ßig Sport zu treiben?

Bonuspunkte, Sporthausauf-gaben, Launometer

Kraft, Sensibilisierung zur regelmäßigen KA, posi-tive Beeinflussung der Motivation, Einstellungen und Selbstwirksamkeit

Wissensvermittlung, Selbstverstärkung, Erfolgs-erlebnisse

KA Körperliche Aktivität

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Hauptbeiträge

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IGN=297

regulärer Sportunterricht+ 2 Mal Shuttle-Run-

Test

KGN=219

Schule A4 koedukative Klassen

N=108

Schule B4 geschlechtergetrennte

Klassen N=125

Schule C2 geschlechtergetrennte

Klassen N=57

Schule E1 Mädchen-Klasse

N=21

Schule F4 geschlechtergetrennte

Klassen N=105

Schule G1 Mädchen-Klasse

N=28

Schule D2 koedukative Klassen

N=62

Pre-Test- Outcome-Evaluation- Prozessevaluation (Schüler)

Prozess Evaluation(Unterrichtsbeobachtung)

Post-Test- Outcome-Evaluation- Prozessevaluation(Schüler)

Follow-up- Outcome-Evaluation- Prozessevaluation (Schüler & Lehrer)

HealthyPEP

Regulärer Sportunterricht

8 Wochen 12 Wochen

Abb. 1 9 Untersuchungs-design für die Evaluation von HealthyPEP

samkeit der SuS positiv beeinflussen. Da-durch, dass einige Komponenten wie z. B. der Shuttle-Run-Test und einige Kraft-übungen während HealthyPEP wieder-holt wurden, hatten die SuS die Möglich-keit, Erfolgserlebnisse durch eine Verbes-serung in diesen Übungen zu erfahren. Auch im Sinne der Selbstbeobachtung soll-ten die SuS die Ergebnisse aus dem Shut-tle-Run-Test und den Kraftübungen in das Logbuch notieren und hatten somit die Möglichkeit, ihre Entwicklung über den Zeitraum von HealthyPEP zu beob-achten. Dieser Aspekt wurde im Verlauf des Follow-up-Zeitraums nach der Inter-vention weiterhin als motivationaler In-put eingesetzt. Die Lehrer wurden an-gewiesen den Shuttle-Run-Test weitere zweimal mit ihrer Klasse durchzuführen und die SuS konnten somit ihre Ergebnis-se über den gesamten Untersuchungszeit-raum von 5 Monaten verfolgen.

Schließlich wurde das Launometer am Anfang und am Ende jeder Sportstun-de eingesetzt, bei dem die SuS über ein Handzeichen (Daumen hoch, Daumen runter) Auskunft über ihr aktuelles Befin-den geben sollten. Ziel dieser Komponen-te war die Sensibilisierung der SuS für ihr eigenes aktuelles Befinden vor und nach der sportlichen Betätigung. Gleichzeitig versetzte diese Technik die Lehrer in die Lage, den Einfluss der Sportstunde auf die Stimmung der SuS zu beurteilen.

Prozessevaluation und indirekte Gesundheitseffekte

Untersuchungsmethodik

Stichprobe und Studiendesign. Die Stichprobe bestand aus insgesamt N = 516 SuS der sechsten gymnasialen Klas-se (durchschnittliches Alter: 11,90 ± 0,76 Jahre, 54,7 % Mädchen) in Baden-Würt-temberg. Informationen zur Teilnah-me an der Studie wurden vom zuständi-gen Regierungspräsidium an die Schuldi-rektoren der teilnehmenden Schulen ver-schickt. Die Ethikkommission der Medi-zinischen Fakultät der Universität Tübin-gen, das Regierungspräsidium, die Schul-direktoren und die teilnehmenden Leh-rer gaben ihre Zustimmung zur Durch-führung der Studie. Auch die Eltern der SuS wurden gebeten, eine schriftliche Zu-stimmung zur Teilnahme ihres Kindes zu geben, nachdem sie Informationen zur Studie erhalten hatten. Die SuS wurden in eine Interventionsgruppe (IG: n = 297) und eine Kontrollgruppe (KG: n = 219) auf der Schulebene verteilt (Demetriou, 2013). Ziel war es, eine ähnliche Vertei-lung bezüglich der Zusammensetzung der Klassen (koedukativ, nach Geschlechtern getrennt) bei den 2 Gruppen zu gewähr-leisten. Somit bestand die IG aus 3 Schu-len (10 Klassen) und die KG aus 4 Schu-len (8 Klassen). In 6 Klassen wurde der

Sportunterricht koedukativ unterrichtet (IG: 4 Klassen, KG: 2 Klassen), 7 Klassen bestanden nur aus Mädchen (IG: 3 Klas-sen, KG: 4 Klassen) und 5 Klassen bestan-den nur aus Jungen (IG: 3 Klassen, KG: 2 Klassen).

HealthyPEP wurde im Schuljahr 2010/2011 im Rahmen einer quasi-expe-rimentellen Studie evaluiert (. Abb. 1). Alle SuS der IG nahmen an HealthyPEP teil, da das Programm Teil des regulären Sportunterrichts war. Sämtliche Mes-sungen vor der Intervention (November 2010 bis Januar 2011), eine Woche nach der Intervention (Januar 2011 bis März 2011) und schließlich 3 Monate nach dem Ende der Intervention (April 2011 bis Juli 2011) wurden im Rahmen des Sportunterrichts durchgeführt. Im Fol-genden werden die kurzfristigen Effekte von HealthyPEP auf die körperliche Ak-tivität und die psychologischen Determi-nanten der körperlichen Aktivität bei den SuS untersucht. Darüber hinaus wurde, basierend auf dem Evaluationskonzept von Mittag (2006), eine Prozessevalua-tion durchgeführt, um die Programmin-tegrität zu bewerten. Aus untersuchungs-ökonomischen Gründen wurden die in-direkten Gesundheits- und die Prozess-variablen in 2 Fragebögen aufgeteilt, die jeweils von der Hälfte der Klassen inner-halb der IG und der KG in etwa 15 min beantwortet werden konnten.

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Die IG wurde mit einer KG verglichen, die den regulären Sportunterricht durch-führte. Beide Gruppen hatten die gleiche Anzahl an Sportstunden, jedoch war der Inhalt der Sportstunden in der KG nicht standardisiert, da der Bildungsplan in Ba-den-Württemberg keine genauen Anga-ben zu den Inhalten des Sportunterrichts in der sechsten Klasse vorgibt.

Jeder Lehrer der IG wurde bezüg-lich der Inhalte und der Implementie-rung von HealthyPEP in einem persön-lichen Gespräch mit einer Dauer von et-wa 30–60 min geschult. Die Termine für

diese Gespräche wurden mit jedem Leh-rer vereinbart und in der Schule durchge-führt. Anschließend hatten die Lehrer je-derzeit die Möglichkeit, die Projektleite-rin zu kontaktieren. Darüber hinaus er-hielten die Lehrer alle notwendigen Ma-terialien sowie ein standardisiertes Skript mit den Inhalten und Informationen zur Durchführung von HealthyPEP. Die Leh-rer der IG wurden bezüglich ihres Sta-tus in der Studie als IG informiert, wäh-rend den Lehrern der KG lediglich mit-geteilt wurde, dass sie an einer Studie zur Evaluation der motorischen Entwicklung

von SuS in der sechsten Klasse teilnah-men. Die an der Datenerhebung beteilig-ten Studentinnen und Studenten, waren blind hinsichtlich der Gruppenzugehörig-keit der Klassen.

Merkmalsstichprobe. Die Prozesseva-luation basierte erstens auf einer Beob-achtung von 17 Unterrichtsstunden (25 % der durchgeführten Unterrichtsstun-den) in HealthyPEP wie auch 7 h (11 % der durchgeführten Unterrichtsstunden) der Kontrollklassen, die durch geschulte sportwissenschaftliche Studentinnen und Studenten durchgeführt wurde. Der Be-obachtungsbogen bestand aus 2 Teilen. Es wurden a) allgemeine Informationen über den Sportunterricht notiert (z. B. Tag der Beobachtung, Uhrzeit der Unter-richtsstunde) und b) die Unterrichtsin-halte und deren Dauer stichpunktartig er-fasst. Dies hatte einerseits die Bewertung der Implementierung von HealthyPEP zum Ziel, und andererseits wurde durch die Beobachtungen ein Einblick in die In-halte der Unterrichtsstunden der KG er-möglicht. Zweitens wurden leitfaden-orientierte Interviews mit den 9 Lehrern der IG am Ende der 8-wöchigen Unter-richtsreihe durchgeführt. Hier wurden Informationen erhoben zur inhaltlichen Qualität von HealthyPEP (z. B. „Wa-ren die einzelnen Einheiten für Sie sinn-voll und logisch aufgebaut?“), zu Proble-men bei der Implementierung (z. B. „In-wieweit mussten Sie die Inhalte der ein-zelnen Stunde auf Ihre Klasse anpas-sen?“) und schließlich zum Verhalten und zur Einstellung der SuS gegenüber HealthyPEP (z. B. „Waren Ihre Schüler motiviert am Projekt teilzunehmen?“). Für die Aufbereitung der Daten wurde ein zusammenfassendes Protokoll mit den Antworten der Lehrer erstellt. Drit-tens wurde in einem letzten Baustein HealthyPEP direkt aus der Perspektive der SuS evaluiert, indem sie Items, wie z. B. „der Sportunterricht war besser als sonst“, „ich habe viel gelernt“ und „der Sportunterricht motivierte mich zu mehr Sport am Nachmittag“, beantworteten.

Die Ergebniskriterien für indirekte Ge-sundheitseffekte der Intervention wur-den zu allen 3 Messzeitpunkten erho-ben (. Tab. 2). Auf der strategischen Ebe-ne der körperlichen Aktivität wurden die

Tab. 2 Outcome-Variablen, Messinstrumente und Reliabilitäten

Zielebene Outcome-Variablen

Messinst-rument

Anzahl der Items

Reliabilität (Original-studien)a

Reliabilität (KG T1–T2)b

Reliabilität (Studien Stichprobe T1)c

Psychologi-sche Deter-minanten der KA

Einstellun-gen zum Gesund-heitswert der KA

(Stein-mann, 2004)

10 – r = 0,49 α = 0,74

Einstellun-gen zum Sportunter-richt

(Mrazek et al., 1982)

8 Α ≥ 0,91 r = 0,86 α = 0,91

Motivation zur regel-mäßigen KA

Sport Motivation Scale (SMS; Pelletier et al., 1995; Seelig & Fuchs, 2006)

21 – r ≥ 0,43 α ≥ 0,62

Motivation zum Sport-unterricht

Intrinsic Motivation Inventory (IMI; Mark-land & Har-dy, 1997)

5 – r = 0,49 α = 0,84

Selbstwirk-samkeit

SSA-Scala (Fuchs & Schwarzer, 1994)

12 – r = 0,53 α = 0,85

Wissen über die Gesund-heitseffekte der KA

Eigenent-wicklung

9 – – –

KA MVPA (WHO)

MoMo-AFB-11-17 (Woll et al., 2007)

1 r = 0,83 r = 0,47 –

KA Körperliche AktivitätaReliabilitäten aus Referenzgruppen in der LiteraturbRetest-Reliabilität in der KG zwischen T1 und T2 (8 Wochen)cCronbachs α zu T1 basierend auf der gesamten Stichprobe

6 | Sportwissenschaft X · 2014

Hauptbeiträge

Page 7: Indirekte Gesundheitseffekte des Unterrichtsprogramms HealthyPEP; Indirect health effects of the training program HealthyPEP;

Items bezüglich der allgemeinen modera-ten bis intensiven körperlichen Aktivität, der Aktivität im Verein und außerhalb des Vereins, aus dem MoMo-AFB 11–17 Fragebogen übernommen (Woll et al., 2007). Allerdings zeigten sich für die Akti-vitäten im Verein und außerhalb des Ver-eins in dieser Untersuchung sehr geringe Reliabilitätskennwerte (. Tab. 2). Auf der Ebene der psychologischen Determinan-ten der körperlichen Aktivität wurden die Einstellungen zur Gesundheitswirkung von körperlicher Aktivität basierend auf einer Weiterentwicklung eines Fragebogens von Steinmann (2004) gemessen. Die Einstellungen zum Sportunterricht wurden mit dem Originalfragebogen von Mrazek, Schuessler und Brauer (1982) erfasst. Die Motivation für regelmäßige körperliche Ak-tivität wurde auf der Grundlage der Sport Motivation Scale (Pelletier et al., 1995) er-hoben. Die 28 Items des englischen Ori-ginalfragebogens wurden ins Deutsche übersetzt, davon wurden insgesamt 21 Items für diesen Fragebogen verwendet (5 Items = intrinsische, 10 Items = iden-tifizierte und 6 Items = extrinsische Mo-tivation). Die intrinsische Motivation zur Teilnahme am Sportunterricht wurde mit einer Übersetzung der englischsprachigen Enjoyment Scale des Intrinsic Motivation Inventory erhoben (Markland & Hardy, 1997) und für die Erfassung der Selbst-wirksamkeit wurde die SSA-Skala einge-setzt (Fuchs & Schwarzer, 1994). In allen 4 Erhebungsverfahren wurden die Items basierend auf einer 7-stufigen Likert-Ska-la beantwortet. Schließlich wurde für die Erhebung des Wissens der Teilnehmer ein Multiple-choice-Fragebogen speziell für diese Studie konstruiert. Dieser be-stand aus 9 Fragen, wie z. B. „Wie hoch ist der durchschnittliche Ruhepuls bei Menschen in deinem Alter“, die jeweils mit 4 inhaltlichen Antwortmöglichkeiten (für die Beispielfrage: 40/60/80/100 Schlä-ge pro Minute) und der Möglichkeit „ich weiß nicht“ versehen waren. Ein Gesamt-wert wurde auf der Basis der Anzahl der richtigen Antworten (1 Punkt pro richti-ge Antwort) berechnet und lag zwischen 0 und 9 Punkten.

Datenanalyse. Die Daten aus den Be-obachtungsbögen wurden rein deskrip-tiv ausgewertet und geben Auskunft über

allgemeine Daten (z. B. Tag und Dauer der Unterrichtsdurchführung) und In-halte der durchgeführten Stunden. Die Antworten der Lehrer zu den Implemen-tierungsfragen des leitfadenorientierten Interviews wurden mit Blick auf die ab-gefragten Programmaspekte in positive oder negative Bewertungen der Unter-richtsreihe kategorisiert. Darüber hin-aus wurden die inhaltlichen Begründun-gen aufgelistet, die zu der jeweiligen Be-wertung führten. Alle quantitativen Be-rechnungen wurden mit SPSS Version 19 durchgeführt. Lost-to-follow-up-Be-rechnungen zur Analyse der Unterschie-de in der Anzahl der Dropouts in der IG und der KG wurden auf der Basis eines Χ2-Tests berechnet. Die Unterschiede in den Anfangswerten der Ergebniskriterien zwischen den Dropouts und den Dabei-gebliebenen wurden mit t-Tests erfasst, ähnlich wie auch die Gruppenunterschie-de zu Beginn der Intervention. Zur Be-stimmung der kurzfristigen Interven-tionseffekte auf psychologische Deter-minanten wurden ANCOVAs durchge-führt, bei denen die jeweiligen Anfangs-werte der abhängigen Variable als Kova-riate verwendet wurden, um programm-bedingte Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen unabhängig von den Anfangswerten analysieren zu kön-nen (Davis, 2010). Darüber hinaus wur-de der BMI als eine weitere Kovariate ein-gesetzt, da Unterschiede in den Anfangs-werten zwischen den Gruppen bestanden (Höner & Demetriou, 2014). Die Prozess-evaluation aus Sicht der SuS wurde an-hand von t-Tests für abhängige Stichpro-ben berechnet. Hierbei ist der Vergleich der Bewertung von HealthyPEP (t2) und des regulären Sportunterrichts (t1) inner-halb der IG prioritär. Im Fall signifikanter Veränderungen werden ergänzend mög-liche Veränderungen in den Bewertun-gen des regulären Sportunterrichts (t1, t2) der KG im Laufe des Schuljahres zum Vergleich herangezogen. Die Auswertun-gen wurden für Mädchen und Jungen se-parat vorgenommen.

Ergebnisse der Prozessevaluation

Durch die Prozessevaluation wurde deut-lich, dass in beiden Gruppen der Sport-unterricht in der gleichen Häufigkeit und

Länge durchgeführt wurde. Die insgesamt 24 Beobachtungen zeigten, dass die Leh-rer der IG Änderungen vornahmen, die für eine angemessene Umsetzung von HealthyPEP in der jeweiligen Klasse not-wendig waren. In den Interviews betonten manche Lehrer, dass sie einige der Auf-wärmspiele nicht altersgemäß empfan-den („zu kindlich“) und diese durch al-tersadäquate Spiele ersetzten. Ungeach-tet dessen konnte beobachtet werden, dass sich der Inhalt von HealthyPEP vom Unterricht der KG unterschied. In der KG wurden zum großen Teil Spielsport-arten (z. B. Basketball und Volleyball), Schwimmen und Turnen unterrichtet. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Tech-nikvermittlung der Sportarten und weni-ger auf der Gesundheitsperspektive.

Die Auswertung der leitfadenbasierten Interviews mit den Lehrern der IG führ-te zu zentralen Erkenntnissen hinsicht-lich der Umsetzung von HealthyPEP. Die Lehrer betonten, dass Inhalt und Ziele von HealthyPEP verständlich waren und dass sie ausreichend Informationen und Materialien für die Durchführung von HealthyPEP erhalten hatten. Die Durchfüh-rung der praktischen und theoretischen In-halte wurde als unproblematisch beschrie-ben (Infobox 1, Lehrerin 1a). Die meis-ten Lehrer vermerkten, dass HealthyPEP sich von ihrem regulären Sportunterricht insbesondere bezüglich der theoretischen Elemente unterschied, und es wurde be-tont, dass die Hausaufgaben und das Log-buch bei den SuS motivierend wirkte (Info-box 1, Lehrerin 1b). Auf der anderen Sei-te wurde insbesondere in reinen Jungen-klassen ein Absinken der Motivation der Schüler im Verlauf der Intervention auf-grund des Mangels an Ballsportspielen ge-schildert (Infobox 1, Lehrer 8). Einige Leh-rer waren der Meinung, dass eine Interven-tion mit einer Länge von 8 Wochen zu lang sei. Sie würden für die Zukunft empfehlen, HealthyPEP über das gesamte Schuljahr zu verteilen und mit Blöcken zu unterbre-chen, in denen die traditionellen Sportarten unterrichtet würden.

Die Evaluation von HealthyPEP aus der Perspektive der SuS lieferte ein hete-rogenes Bild (. Tab. 3). Die Mädchen be-werteten HealthyPEP als anstrengender und abwechslungsreicher im Vergleich zum regulären Sportunterricht vor dem

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Page 8: Indirekte Gesundheitseffekte des Unterrichtsprogramms HealthyPEP; Indirect health effects of the training program HealthyPEP;

Beginn von HealthyPEP. Darüber hinaus betonten sie, dass HealthyPEP sie mehr zu Sport am Nachmittag motivierte und dass sie in diesem Zeitraum viel gelernt hatten. Bei den Mädchen der KG zeigten sich in diesem Zeitraum keine signifikan-ten Veränderungen in der Bewertung des Sportunterrichts (jeweils p > 0,20; für das Item „sehr anstrengend“ p = 0,08). Auch die Jungen bewerteten HealthyPEP als anstrengender, jedoch fiel die Bewertung bei ihnen insgesamt negativ aus: Sie be-werteten HealthyPEP als weniger inte-ressant, es machte ihnen weniger Spaß, sie waren weniger zufrieden, fühlten sich nicht so wohl, freuten sich weniger auf die nächste Sportstunde und schließlich ga-ben sie dem Sportunterricht schlechtere Noten im Vergleich zum regulären Sport-

unterricht. Die negative Einschätzung von HealthyPEP wird allerdings teilwei-se relativiert durch die Beobachtung, dass die Jungen der KG den regulären Sport-unterricht im Vergleich zur ersten und zweiten Befragung in diesem Zeitraum ebenfalls schlechter bewerteten. Sie ga-ben an, dass sie in diesem Zeitraum mit dem Sportunterricht weniger zufrieden waren [Mt1 = 3,81 (SD = 1,14), Mt2 = 3,06 (SD = 1,09), t(30) = 2,71; p = 0,02; d = 0,65], sich nicht so wohl fühlten [Mt1 = 3,77 (SD = 1,23), Mt2 = 3,23 (SD = 0,99), t(30) = 2,53; p = 0,01; d = 0,45], sich auf die nächste Sportstunde weniger gefreut hatten [Mt1 = 3,87 (SD = 1,12), Mt2 = 3,29 (SD = 1,30), t(30) = 2,57; p = 0,01; d = 0,52], und sie gaben dem Sportunterricht eine schlechtere Note [Mt1 = 2,07 (SD = 1,07), Mt2 = 2,63 (SD = 1,01), t(26) = 2,11; p = 0,04; d = 0,52]. Somit verbleibt als (kontrollierte) negative Bewertung, dass HealthyPEP von den Jungen weniger in-teressant bewertet und mit weniger Spaß verbunden wurde.

Ergebnisse der indirekten Gesundheitseffekte

Es wurden keine signifikanten Unterschie-de in den Anfangswerten zwischen den 2 Gruppen auf der Ebene der psycholo-gischen Determinanten der körperlichen Aktivität (p > 0,236) und der körperlichen Aktivität (MVPA; p > 0,294) gefunden. Lost-to-follow-up-Analysen zeigten, dass es signifikante Unterschiede in der An-zahl der Dropouts gab. Diese Unterschie-de kamen zum großen Teil durch die Tat-sache zustande, dass ein Lehrer in der KG die Fragebögen seiner Klasse nach der Intervention nicht zurückgab. Die SuS, die bei der Studie dabeiblieben, hatten zu Beginn der Studie signifikant positive-re Einstellungen zum Sportunterricht im Vergleich zu den Dropouts [t(190) = 3,11; p < 0,001]. Diese Unterschiede waren auf Unterschiede zwischen den Drop-outs und den Dabeigebliebenen in der KG [t(65) = 2,68; p = 0,01] und nicht auf Unterschieden zwischen diesen 2 Grup-pen in der IG [t(123) = 1,19; p = 0,23] zu-rückzuführen.

Die Analyse der indirekten Gesund-heitseffekte zeigte auf der Ebene der psy-chologischen Determinanten der körper-

lichen Aktivität keine signifikant positiven Interventionseffekte (. Tab. 4). Bei den Einstellungen zur körperlichen Aktivität und beim Wissen der Mädchen wurden mittlere positive Effekte (d > 0,40) gefun-den, die sich jedoch statistisch nicht ab-sichern ließen (p = 0,07 bzw. p = 0,10). Si-gnifikante Unterschiede wurden bei den Mädchen zugunsten der KG in der Selbst-wirksamkeit gemessen. Bei den Jungen wurden konform zu der Prozessevaluation kurzfristige negative Effekte auf die Ein-stellung zum Sportunterricht beobachtet.

Auf der strategischen Ebene der kör-perlichen Aktivität wurden hinsichtlich der moderaten bis intensiven körper-lichen Aktivität keine Interventionsef-fekte festgestellt. Die Items zur körper-lichen Aktivität im und außerhalb des Vereins wurden aus mehreren Gründen nicht weiter berücksichtigt: Erstens führ-ten nicht überwindbare Probleme bei der Datenerhebung wie die hohe Anzahl der Dropouts in der KG zu einer kleinen An-zahl an SuS, die diese Fragen beantwor-teten und daraus resultierte eine geringe Power bei den statistischen Berechnun-gen. Zweitens waren die Retest-Reliabi-litäten (0,47 ≤ r ≤ 0,64) dieser Items frag-würdig, und drittens unterlagen die An-gaben der SuS augenscheinlichen deutli-chen Überschätzungen (z. B. indem eini-ge Schüler Angaben machten, dass sie bis zu 25 h die Woche außerhalb des Vereins Fußball spielten).

Diskussion

Die empirische Schulsportforschung konnte in jüngster Vergangenheit direk-te positive Interventionseffekte auf der Ebene von Gesundheit und Fitness dar-legen. Deutlich schwieriger erscheinen die Erzeugung und die Erfassung indi-rekter Gesundheitseffekte, wie die posi-tive Beeinflussung von psychologischen Determinanten der körperlichen Aktivi-tät oder die Förderung der körperlichen Aktivität. Erschwerend kommt zusätzlich hinzu, dass bislang in der Vorstellung von Studienergebnissen nur selten Auskunft über den Grad der Standardisierung und über die genauen Inhalte der Programme gegeben wird (Des Jarlais, Lyles & Crepaz, 2004; Göhner & Fuchs, 2007). Auch eine Prozessevaluation zur Überprüfung des

Infobox 1 Typische Aussagen der Lehrer zur Evaluation von HealthyPEP

Lehrerin 1a: „Die konnte man gut umsetzen, waren auch für die Schüler leicht verständ-lich, wobei man einfach bei den Schülern das Bewusstsein auf die Theorie hat schon auch aufwecken müssen. Die waren noch nicht so offen, dass man halt lernt was mit den Mus-keln, mit dem Herz und so weiter, was da vor sich geht, wenn man Sport treibt. Haben aber dann schon kapiert, um was es geht und ha-ben anschließend auch die Fragebogen dann relativ sorgfältig ausgefüllt.“

Lehrerin 1b: „Ich würde sagen, dass 90–95 % meiner Schüler das Logbuch als einen Schatz betrachtet haben. Sie haben es schön an-gemalt und verziert und waren echt stolz auf ihre Leistungen (…) sie haben dann auf ihre Muskeln hingewiesen, sie haben freiwillig Hausaufgaben gemacht, und wenn sie mich irgendwo gesehen haben, haben sie wieder erzählt, wie viele Liegestütze sie gemacht ha-ben usw. Also sie waren da schon ganz stolz darauf und da muss man in dem Zusammen-hang einfach auch sagen, dass das mit dem Logbuch eine ganz tolle Angelegenheit war.“

Lehrer 8: „Die Sechstklässler, die Jungs vor allem, waren unglaublich motiviert, wenn sie sich vergleichen können, wenn sie die Ergeb-nisse aufschreiben können, vor allem, wenn man das noch einmal mit später vergleichen kann … es hat dann, man hat es deutlich ge-merkt, von Doppelstunde zu Doppelstunde deutlich abgenommen … und einfach wirk-lich nur, weil „zu wenig spielerisch“ gemacht wurde, weil es zu trocken war. Die Schüler haben auch ganz explizit oft Spiele einge-

fordert.“

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Hauptbeiträge

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Grades der Implementierung eines Inter-ventionsprogramms zur Gesundheitsför-derung von Kindern und Jugendlichen wurde bislang in nur sehr wenigen Fällen durchgeführt (Hollar et al., 2010; Mittag, 2006). In diesem Beitrag wurde das Inter-ventionsprogramm HealthyPEP vorge-stellt, das sowohl aus Trainingsmaßnah-men (Förderung der Kraft und Ausdau-er), aber auch aus theoretischen Elemen-ten und gezielter Integration von Techni-ken der Verhaltensänderung bestand, die in ihrer Verbindung zu Trainings- und Lerneffekten führen sollten. Der Schwer-punkt wurde hier auf die gemeinsame Betrachtung der Inhalte der Interven-tion und der Ergebnisse der Prozesseva-luation gelegt, um einen tieferen Einblick hinsichtlich der indirekten Gesundheits-effekte von HealthyPEP zu gewinnen. Aus dieser Zusammenschau konnten Er-kenntnisse gewonnen werden, die Opti-mierungspotenziale eröffnen.

Eine zentrale Interpretation, die sich aus der gemeinsamen Analyse von Inter-ventionsinhalten, der Prozessevaluation

und der Evaluation indirekter Gesund-heitseffekte ergibt, ist die Geschlechter-spezifik in den Impulsen und Wirkungen, die von HealthyPEP zu erwarten sind. Im Einklang mit den positiveren Trainings-effekten von HealthyPEP auf die Moto-rik der Mädchen (Höner & Demetriou, 2014), zeigen sich auf der Ebene der Be-wertung des Interventionskonzepts durch die Zielgruppe positivere Ergebnisse bei den Mädchen im Vergleich zu den Jun-gen. In der Prozessevaluation wurde deut-lich, dass die Mädchen auf einer rationa-len Ebene HealthyPEP positiv bewer-ten („viel gelernt“, „Motivation zu mehr Sport am Nachmittag“). In Ergänzung dazu ließen sich in der Tendenz positi-ve (d > 0,40) – jedoch nicht signifikante – Lerneffekte im Wissenstest sowie in der Einstellung zum Gesundheitswert von sportlichen Aktivitäten aufzeigen. Wenn-gleich der Einfluss von Faktenwissen auf die Einstellungen zum Sport und die kör-perliche Aktivität kontrovers diskutiert wird (Ajzen, Joyce, Sheikh & Cote, 2011), deuten die Ergebnisse bei den Mädchen

darauf hin, dass mit HealthyPEP gesund-heitsbezogenes Wissen vermittelt und die gesundheitsbezogene Einstellung gegen-über körperlicher Aktivität positiv beein-flusst werden konnten. Negative Effek-te waren auf die Selbstwirksamkeit der Mädchen zu beobachten. Ein möglicher Erklärungsansatz könnte sein, dass sie den Sportunterricht in diesem Zeitraum als anstrengender wahrnahmen und da-her das Überwinden von Barrieren für die selbstständige Durchführung sport-licher Aktivitäten schwerer einschätzten (für ähnliche Effekte vgl. Conzelmann, Schmidt & Valkanover, 2011; Herrmann, 2012). Weiterhin kann in Anlehnung an Herrmann (2012) vermutet werden, dass die Auseinandersetzung mit der tatsächli-chen Leistungsfähigkeit zunächst zu einer kritischeren Einschätzung der Selbstwirk-samkeit führt.

In der Gesamtbetrachtung der Ergeb-nisse der Mädchen kann HealthyPEP da-mit sowohl auf der körperlich-motori-schen Ebene mit den positiven Effekten auf die motorische Fitness (Höner & De-

Tab. 3 Evaluation von HealthyPEP aus der Schülerperspektive (Mittelwertsdifferenzen innerhalb der IG)

Item Mädchen Jungen

T1 T2 T df p d T1 T2 T df p d

M±SD M±SD M±SD M±SD

Der SU war besser als sonst

3,29 ± 1,13 3,69 ± 1,05 − 1,56 34 0,13 0,36 3,19 ± 1,18 2,93 ± 1,34 1,29 58 0,20 − 0,22

Der SU war sehr an-strengend

2,69 ± 1,08 3,31 ± 0,87 − 3,61 34 < 0,001 0,58 2,65 ± 0,99 3,30 ± 1,12 − 4,33 59 < 0,001 0,66

Der SU war ab-wechslungsreich

3,71 ± 1,10 4,29 ± 0,89 − 2,72 34 0,01 0,52 3,47 ± 1,10 3,19 ± 1,18 1,51 58 0,14 − 0,26

Der SU war inter-essant

3,74 ± 1,24 3,97 ± 1,01 − 1,03 34 0,31 0,18 3,65 ± 0,99 3,13 ± 1,26 3,65 59 < 0,001 − 0,52

Der SU war moti-vierend

3,59 ± 1,18 3,94 ± 1,10 − 1,48 33 0,15 0,30 3,44 ± 1,09 3,27 ± 1,23 1,37 58 0,18 − 0,16

Ich hatte im SU Spaß 4,00 ± 1,12 3,94 ± 0,98 0,30 35 0,77 − 0,05 4,22 ± 1,12 3,36 ± 1,24 6,00 58 < 0,001 − 0,78

Ich war zufrieden mit dem SU

3,80 ± 1,16 3,94 ± 0,91 − 0,69 34 0,49 0,12 3,97 ± 1,13 3,29 ± 1,10 5,79 58 < 0,001 − 0,60

Ich habe mich im SU wohl gefühlt

4,09 ± 0,92 3,91 ± 0,95 1,03 34 0,31 − 0,19 3,98 ± 1,04 3,39 ± 1,05 4,47 58 < 0,001 − 0,57

Der SU hat mich zu Sport am Nachmit-tag motiviert

3,09 ± 1,31 3,71 ± 1,27 − 2,28 34 0,03 0,48 3,08 ± 1,27 2,95 ± 1,20 0,85 59 0,40 − 0,11

Ich habe mich auf die nächste Sport-stunde gefreut

3,89 ± 1,17 3,75 ± 1,11 0,72 35 0,47 − 0,12 3,68 ± 1,30 3,28 ± 1,32 3,23 59 < 0,001 − 0,31

Im SU habe ich viel gelernt

3,47 ± 1,16 4,14 ± 1,07 − 3,28 35 < 0,001 0,58 3,30 ± 1,05 3,23 ± 1,28 0,40 59 0,69 − 0,06

Ich gebe dem SU folgende Note

1,97 ± 0,87 1,79 ± 0,73 1,53 33 0,14 0,20 2,04 ± 1,02 2,56 ± 1,27 − 4,00 54 < 0,001 − 0,52

SU Sportunterricht

9Sportwissenschaft X · 2014 |

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metriou, 2014) als auch teilweise auf der psychologischen Ebene positive Impul-se auf die gesundheitsbezogene Hand-lungsfähigkeit zugesprochen werden, wie sie Balz (1997) als ein Ziel für die päda-gogische Perspektive Gesundheit ausfor-muliert. Die positiven Bewertungen von HealthyPEP durch die Schülerinnen wer-den zudem dadurch gestützt, dass in der weiblichen KG keine signifikanten Verän-derungen stattfanden. Einschränkend zu diesen positiven Impulsen bei den Mäd-chen ist allerdings zu vermerken, dass sie nicht auf die emotionale Ebene (z. B. posi-tives Empfinden gegenüber dem Sport-unterricht) übertragen wurden und dass auch die signifikant negativen Interven-tionseffekte auf die Selbstwirksamkeit bei den Mädchen einen kritischen Aspekt der Interventionswirkung darstellen.

Deutlich kritischer fällt die Bewertung von HealthyPEP bei den Jungen aus, die dem Sportunterricht während der Durch-führung von HealthyPEP eine signifikant schlechtere Note gaben (. Tab. 3). Auch die Einstellung der Jungen zum Sport-unterricht – nicht jedoch ihre Einstel-lung zur allgemeinen körperlichen Akti-vität – war während HealthyPEP signifi-kant schlechter (. Tab. 4). Die eher ne-gativen Bewertungen der Jungen können teilweise relativiert werden, da die männ-

liche KG den regulären Sportunterricht ebenfalls signifikant schlechter bewertete.

Weitergehend zeigt die Prozesseva-luation anhand der Lehrerinterviews An-haltspunkte auf, warum sich die Beziehun-gen zwischen Interventionsinhalt, Prozes-sen sowie Ergebnissen auf psychologi-sche Ergebniskriterien geschlechtsspezi-fisch darstellen. Bei den Praxisinhalten ist vor allem die Entfernung von den traditio-nellen Sportarten (insbesondere Ballspie-le) als eine Erklärung für die ermittelten Beeinträchtigungen der Einstellung zum und Motivation für den Sportunterricht kritisch zu diskutieren. Hinsichtlich der theoretischen Elemente von HealthyPEP betonten die Lehrer, dass sie teilweise mit Problemen bei deren Umsetzung kon-frontiert wurden, da die SuS keine theo-retischen Elemente im Sportunterricht erwarteten und mit zunehmender Dau-er der Intervention nicht motiviert waren, diese durchzuführen. Als Optimierungs-optionen mit Blick auf die Organisations-form wären hier die Vorschläge der Leh-rer anzusehen, die theoretischen Einhei-ten zwischen zwei praktischen Elementen im Verlauf des Sportunterrichts zu plat-zieren oder in der mittelfristigen Planung die HealthyPEP-Unterrichtsreihe nicht en bloc durchzuführen.

Diese Erkenntnisse reihen sich in die didaktische Diskussion über die Bedeu-tung von Theorieelementen im Sport-unterricht ein (Kastrup, 2011). So könn-ten die Lehrereindrücke sowie die er-mittelten Motivationseinbußen für den Sportunterricht bei den Jungen die Ar-gumentation jener stärken, die die Theo-rievermittlung aus dem Sportunterricht fernhalten und die reine Bewegungszeit unangetastet sehen wollen. Hierbei ist je-doch bei den Jungen generell das Phäno-men zu berücksichtigen, dass auch der reguläre Sportunterricht im Verlauf des Schulhalbjahres offensichtlich negativer beurteilt wird, so dass ein an traditionel-len Sportarten orientiertes Konzept nicht zwingend dauerhaft motivierend ist. Des Weiteren sprechen die Ergebnisse bei den Mädchen gegen pauschalisierte Schluss-folgerungen im Hinblick auf das Pro und Contra von theoretischen Inhalten im Sportunterricht, insofern Hinweise auf eine erfolgreiche Wissensvermittlung und Einstellungsänderung und damit relevan-te Impulse für die Perspektive Gesundheit zu beobachten waren. Zur Förderung der gesundheitsbezogenen Handlungsfähig-keit scheint es zukünftig umso mehr ge-boten, noch deutlicher auf eine differen-zielle, adressatengerechte Konzeption

Tab. 4 Kurzfristige Interventionseffekte auf der Ebene der psychologischen Determinanten der körperlichen Aktivität und der körperlichen Akti-vität bei Mädchen und Jungen [geschätzte Mittelwerte (M) ± Standardfehler (SE)], kontrolliert für die T1-Werte und die BMI-Anfangswerte

Variable Mädchen Jungen

IG CG IG CG

N M±SE N M±SE F p d N M±SE N M±SE F p d

Einstellun-gen zur KA

80 5,99 ± 0,07 18 5,69 ± 0,15 3,46 0,07 0,41 36 5,75 ± 0,12 24 5,73 ± 0,15 0,01 0,92 0,02

Einstellun-gen im SU

78 5,63 ± 0,07 18 5,62 ± 0,15 0,01 0,94 0,01 35 5,18 ± 0,18 24 5,97 ± 0,21 7,94 0,01 − 0,58

Selbstwirk-samkeit

77 4,36 ± 0,11 18 4,90 ± 0,23 4,63 0,03 − 0,47 34 4,15 ± 0,23 25 4,37 ± 0,27 0,40 0,53 0,15

Externale Motivation

36 3,29 ± 0,13 65 3,44 ± 0,10 0,33 0,57 − 0,15 60 3,81 ± 0,12 31 3,55 ± 0,16 2,48 0,12 0,22

Identifizier-te Motiva-tion

36 4,38 ± 0,14 65 4,21 ± 0,10 0,99 0,32 0,18 60 4,63 ± 0,14 31 4,22 ± 0,19 3,06 0,08 0,35

Intrinsische Motivation

36 5,33 ± 0,15 65 5,18 ± 0,11 0,60 0,44 0,13 60 5,39 ± 0,12 31 5,13 ± 0,17 1,63 0,21 0,23

Freude im SU

36 5,71 ± 0,14 65 5,61 ± 0,11 0,34 0,56 0,10 60 4,77 ± 0,17 31 4,46 ± 0,23 1,20 0,28 0,20

Wissen 79 5,33 ± 0,16 18 4,72 ± 0,33 2,84 0,10 0,43 34 5,05 ± 0,26 24 4,97 ± 0,31 0,04 0,85 0,05

KA 76 3,84 ± 0,13 18 4,39 ± 0,27 3,49 0,07 − 0,08 34 4,54 ± 0,22 24 4,03 ± 0,26 2,30 0,14 0,09

KA Körperliche Aktivität, SU Sportunterricht

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Hauptbeiträge

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und Umsetzung von gesundheitsorien-tierten Unterrichtsreihen hinzuwirken.

Mit Blick auf die Interventionsinhalte ist weiterhin zu diskutieren, welche Tech-niken der Veränderung psychologischer Determinanten der körperlichen Aktivi-tät bei Kindern dieser Altersgruppe effek-tiv sind. Im Rahmen der Konzeption von HealthyPEP wurde auf bereits bewährte Techniken der Verhaltensänderung zu-rückgegriffen, die jedoch bisher haupt-sächlich in Studien mit Erwachsenen ein-gesetzt wurden (Michie et al., 2009). Die Aussagen der Lehrer legen nahe, dass die Sporthausaufgaben sowie das Logbuch als positive Elemente der HealtyPEP-Inter-vention betrachtet werden können. Dar-über hinaus lässt das gewählte Design der Ergebnisevaluation keine differenzierten Aussagen über die Wirksamkeit einzel-ner Programmkomponenten zu. Hierzu bedarf es weitergehender systematischer Variation einzelner Programmkompo-nenten in einzelnen Untersuchungsgrup-pen, die hier nicht realisiert werden konn-ten. Sie dürfte auch in Zukunft eine gro-ße Herausforderung für die empirische Schulsportforschung darstellen (Sygusch, Bähr, Gerlach & Bund, 2013).

Auf der Ebene der Theoriegeleitetheit der Interventionstechniken ist ebenso pro-blematisch, dass die Erforschung der psy-chologischen Determinanten der kör-perlichen Aktivität in dieser Altersgrup-pe noch wenig vorangeschritten ist (Motl, 2007). Häufig werden die theoretischen Modelle, die primär für Erwachsene kon-zipiert wurden, auf Interventionen mit Kindern und Jugendlichen übertragen, ohne ihren altersspezifischen Geltungsbe-reich geprüft zu haben. So bleibt auch in dieser Studie unklar, ob die untersuchten psychologischen Determinanten der kör-perlichen Aktivität tatsächlich auch für die körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen eine nennenswerte Relevanz besitzen. Ramirez, Kulinna und Cothran (2012) untersuchten die Beziehung zwi-schen körperlicher Aktivität und sozial-kognitiven Variablen (z. B. Selbstwirk-samkeit, Konsequenzerwartungen, so-ziale Unterstützung, Barrieren und Ziele) und stellten fest, dass diese Variablen nur 2 % der Varianz im Verhalten aufklären konnten. In zukünftigen Untersuchungen empfehlen sie die stärkere Berücksichti-

gung von Umweltvariablen, da das Ver-halten von Kindern in vielen Situationen nicht von ihnen selbst, sondern vielmehr von externen Faktoren wie Eltern, Ange-bot in der Umgebung und finanzielle Ein-schränkungen abhängig ist. Auf der an-deren Seite zeigten Barr-Anderson et al. (2007), dass Mädchen mit einer höheren Selbstwirksamkeit und Freude im Sport-unterricht auch vermehrt Sport außer-halb der Schule ausübten. Angesichts der noch ausbaufähigen Befundlage bedarf es weiterer Forschungsarbeiten zur Sport-partizipation von Kindern und Jugendli-chen, die u. a. die relative Bedeutung von Sportunterricht und Sportlehrpersonen im Verhältnis zu anderen sozial-ökologi-schen Einflussfaktoren bestimmen (z. B. McDavid, Cox & Amorose, 2012; Pardo et al., 2013). Neben der Frage des Geltungs-bereichs der theoretischen Ansätze, die den Interventionen zugrunde liegen, ist auch die Frage der Dosis der Verhaltens-änderungstechniken kritisch zu reflektie-ren. In dieser Studie ist die Dosis mögli-cherweise zu gering gewesen, um substan-ziellere Effekte zu erzielen. Darüber hin-aus stellt sich ganz allgemein die Frage, ob gesundheitsbezogene Förderprogramme geeignete Inhalte bieten, um psycholo-gische Determinanten der körperlichen Aktivität im Sportunterricht zu fördern. Möglicherweise lassen sich größere Effek-te auf die Motivation, die Selbstwirksam-keit und die Einstellungen der SuS durch eine stärkere Vermengung der pädago-gischen Perspektive Gesundheit mit an-deren Perspektiven des Sportunterrichts (z. B. Leistung, Kooperation und Gestal-tung) erzielen.

Aus forschungsmethodischer Sicht zeigt die Evaluationsstudie zudem, dass zukünftig für eine Evidenzbasierung in-direkter Gesundheitseffekte im Schul-sport noch weitreichende messmethodi-sche Probleme zu bewältigen sind. Die verwendeten Instrumente zur Erfassung der indirekten Gesundheitseffekte erwie-sen sich als problematisch. Die erhobe-nen Daten zur körperlichen Aktivität der SuS mit Hilfe des MoMo-AFB-11-17 be-stätigten den Befund aus anderen Unter-suchungen, dass besonders Kinder und Jugendliche in Fragebögen dazu neigen, ihre körperliche Aktivität zu überschät-zen (Kahlert & Brand, 2011). Diese Beob-

achtungen bestätigten sich in dieser Stu-die und erwiesen sich als ein zentrales Problem bei der Erfassung der körperli-chen Aktivität. So konnten basierend auf dem globalen Item der moderaten bis in-tensiven körperlichen Aktivität keine sig-nifikanten Interventionseffekte beobach-tet werden. Dies war deshalb nicht zu er-warten, da allein durch die Sporthausauf-gaben die SuS zu mehr körperlicher Akti-vität am Nachmittag und am Wochenen-de animiert werden sollten. Es kann zu-mindest vermutet werden, dass die Items zur Erfassung der moderaten bis intensi-ven körperlichen Aktivität nicht sensitiv genug waren, um solche Veränderungen aufzuzeigen.

Die Messinstrumente zur Erfassung der psychologischen Determinanten der körperlichen Aktivität zeigten mit Aus-nahme des Fragebogens zur Erfassung der Motivation zur regelmäßigen körper-lichen Aktivität (α = 0,62) ausreichend gu-te instrumentelle Reliabilitäten (α ≥ 0,74) zum Zeitpunkt vor der Intervention. Die Retest-Reliabilitäten innerhalb der KG bei einem Zeitintervall von 8 Wochen fallen jedoch deutlich geringer aus (. Tab. 2). Damit werden Grenzen einer Analyse von psychologischen Veränderungspro-zessen anhand indirekter Veränderungs-messungen von kognitiv-motivationalen Personenfaktoren bei Kindern offenkun-dig. Das Evaluationsdesign ergänzte die-se indirekte Veränderungsmessung durch auf das konkrete Phänomen (hier den Sportunterricht) bezogene Abfragen von Schülerwahrnehmungen. Dadurch wur-den z. T. Veränderungen in der Wahr-nehmung des Sportunterrichts direkt erfasst (z. B. „Sportunterricht war bes-ser als sonst“ bzw. „…war anstrengender als sonst“). Das Ergebnismuster verdeut-licht, dass diese am konkreten Phänomen orientierten Fragen offenbar sensitiver auf Veränderungen des Sportunterrichts reagieren als Erhebungsverfahren für per-sonale kognitiv-motivationale Faktoren. Sie können deshalb als Ergänzung für die Erfassung relevanter Impulse des Sport-unterrichts dienen.

Fazit

Der Bildungsplan für das Fach Sport er-möglicht Lehrern viele Freiräume für

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die Auswahl und die methodische Um-setzung von Inhalten im Sportunter-richt. Für die Sportunterrichtspraxis unter der Perspektive Gesundheit bie-tet HealthyPEP eine Option der Gestal-tung von thematisch fokussiertem Sport-unterricht an (Demetriou, 2013). Die Ge-samtbetrachtung von direkten Effekten auf Gesundheit und Fitness sowie von in-direkten Gesundheitseffekten auf psy-chologische Faktoren lässt schlussfol-gern, dass ein Fokus auf die Fitnesskom-ponenten Kraft und Ausdauer und die gleichzeitige Einbeziehung von theoreti-schen Elementen zu positiven Tendenzen hinsichtlich Trainingseffekten im Sport-unterricht auf die motorische Leistungs-fähigkeit und auf die gesundheitsbezo-gene Handlungsfähigkeit bei den Mäd-chen führt. Kritischer fallen die Studien-ergebnisse bei den Jungen aus, die deut-lich weniger von den Interventionsinhal-ten profitieren konnten. Die Befunde die-ser Studie legen aus diesem Grund für zukünftige Interventionsstudien zur Ge-sundheitsförderung von SuS im Sport-unterricht eine geschlechterspezifische Vorgehensweise nahe. Die Inhalte von HealthyPEP scheinen dabei adäquater für Mädchen zu sein, während für Jun-gen eine Weiterentwicklung der Unter-richtsreihe – oder sogar eine geringere Schwerpunktsetzung auf die Perspekti-ve Gesundheit – forciert werden sollte. In dieser Hinsicht wurden Hinweise zur Op-timierung der Inhalte von HealthyPEP und ferner zur Berücksichtigung einiger forschungsmethodischer Aspekte gelie-fert, mit denen in Zukunft Veränderun-gen durch den Sportunterricht erzielt und erfasst werden können.

Korrespondenzadresse

Dr. Y. DemetriouInstitut für SportwissenschaftEberhard Karls Universität Tübingen Wilhelmstr. 124, 72074 Tü[email protected]

Interessenskonflikt. Y. Demetriou, G. Sudeck und O. Höner geben an, dass kein Interessenskonflikt besteht.

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