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Individuelle Determinanten des Renteneintrittsalters Eine empirische Analyse von Übergängen in den Ruhestand Individual Determinants of the Age of Retirement An Empirical Analysis of Transitions to Old Age Pensions Jonas Radl European University Institute, Department of Political and Social Sciences Researcher, Badia Fiesolana, Via Roccettini 9, I-50014 San Domenico di Fiesole E-Mail: [email protected] Zusammenfassung: Der Beitrag untersucht die Strukturen sozialer Ungleichheit in der zeitlichen Gestaltung des Über- gangs in den Ruhestand. Das Hauptinteresse gilt den Handlungsspielräumen von in Deutschland lebenden Männern beim Eintritt in den Altersrentenbezug. Die präsentierten Ergebnisse stützen sich auf Auswertungen des Scientific Use File Versichertenrentenzugang 2004. Das verwendete ereignisanalytische Modell berücksichtigt die maßgeblichen Al- tersgrenzen der Rentenversicherung. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das Timing des Übergangs in den Ruhestand pri- mär von der individuellen Erwerbssituation geprägt wird. Die Wahlfreiheit in Bezug auf den individuellen Zeitpunkt des Renteneintritts ist aufgrund mangelnder Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer häufig eingeschränkt. Auch ge- sundheitliche Probleme präjudizieren den vorzeitigen Renteneintritt. Andererseits sind teilweise – wie etwa im Altersteil- zeitmodell – finanzielle Frühverrentungsanreize ausschlaggebend für den vorzeitigen Rentenzugang. Späte Renteneintrit- te werden hingegen vermehrt bei Hochqualifizierten und Gutverdienern beobachtet, wobei ein positiver Zusammenhang von beruflichem Status und Erwerbsneigung zur Geltung kommt. Die Analyse verweist außerdem auf die Relevanz le- benslaufbezogener Normen im Übergang in den Ruhestand. Insbesondere bei Männern mit kurzen Versichertenbiogra- fien, die aufgrund der rentenrechtlichen Wartezeiten lediglich Anspruch auf Regelaltersrente besitzen, erweisen sich die institutionalisierten Renteneintrittspfade als rigide Verlaufsmuster für den Übergang in den Ruhestand. Summary: This article examines the determinants of men’s retirement ages in Germany. In particular, it assesses the de- gree of control exercised by members of different social groups over the timing of their retirement, taking account of sta- tutory retirement ages by the use of an event history model. The findings are based on micro-data provided by the Re- search Data Center of the German Statutory Pension Insurance – the Scientific Use File Versichertenrentenzugang [Pen- sion Insurance Entry] 2004. Frequent cases of involuntary retirement due to unemployment or poor health contrast star- kly with another class of early retirees, whose retirement decisions are driven primarily by financial incentives (e.g. by Altersteilzeit [Pre-retirement Part-time Employment Model]). Late entries to old age pensions can be observed more of- ten among men with better education and higher earnings. This pattern is explained mainly by a positive association between men’s occupational status and their propensity to work longer. Moreover, social norms in regard to individual biographies affect people’s preferences about their exit from work. Altogether, the institutionalized framework imposes serious restrictions on individuals’ pathways to retirement. Especially men with irregular working careers who are not entitled to an old age pension before reaching the age of 65 experience very limited choice. 1. Einleitung Nachdem die Altergrenzen der gesetzlichen Renten- versicherung lange als „Manövriermasse“ (Kohli 1993) gedient haben, ist ihre Ausgestaltung inzwi- schen zur sozialpolitischen Gratwanderung gewor- den. Auf der einen Seite wird die Anhebung des fak- tischen Renteneintrittsalters zur Sicherung einer nachhaltigen Finanzierung der Sozialsysteme für unabdingbar gehalten. Auf der anderen Seite stei- gen durch die Verschiebung der Altersgrenzen die individuellen Risiken des Übergangs in den Ruhe- stand. Derweil ist ungeklärt, inwieweit sich das Ver- rentungsverhalten durch die Erhebung von Renten- abschlägen beeinflussen lässt und in welchem Ausmaß Verminderungen der Alterseinkommen zu erwarten sind. In der öffentlichen Debatte über die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer ist zu- dem strittig, welche weiteren Maßnahmen zur Um- kehrung des Frühverrentungstrends geeignet sind. Angesichts der aktuellen, substanziellen Änderun- gen der Rahmenbedingungen des Rentenzugangs ist eine genaue Kenntnis der Strukturen sozialer Un- gleichheit im Altersübergang unerlässlich. © Lucius & Lucius Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 36, Heft 1, Februar 2007, S. 43–64 43

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Individuelle Determinanten des RenteneintrittsaltersEine empirische Analyse von Übergängen in den Ruhestand

Individual Determinants of the Age of RetirementAn Empirical Analysis of Transitions to Old Age Pensions

Jonas RadlEuropean University Institute, Department of Political and Social Sciences Researcher, Badia Fiesolana, Via Roccettini 9,I-50014 San Domenico di FiesoleE-Mail: [email protected]

Zusammenfassung: Der Beitrag untersucht die Strukturen sozialer Ungleichheit in der zeitlichen Gestaltung des Über-gangs in den Ruhestand. Das Hauptinteresse gilt den Handlungsspielräumen von in Deutschland lebenden Männernbeim Eintritt in den Altersrentenbezug. Die präsentierten Ergebnisse stützen sich auf Auswertungen des Scientific UseFile Versichertenrentenzugang 2004. Das verwendete ereignisanalytische Modell berücksichtigt die maßgeblichen Al-tersgrenzen der Rentenversicherung. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das Timing des Übergangs in den Ruhestand pri-mär von der individuellen Erwerbssituation geprägt wird. Die Wahlfreiheit in Bezug auf den individuellen Zeitpunkt desRenteneintritts ist aufgrund mangelnder Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer häufig eingeschränkt. Auch ge-sundheitliche Probleme präjudizieren den vorzeitigen Renteneintritt. Andererseits sind teilweise – wie etwa im Altersteil-zeitmodell – finanzielle Frühverrentungsanreize ausschlaggebend für den vorzeitigen Rentenzugang. Späte Renteneintrit-te werden hingegen vermehrt bei Hochqualifizierten und Gutverdienern beobachtet, wobei ein positiver Zusammenhangvon beruflichem Status und Erwerbsneigung zur Geltung kommt. Die Analyse verweist außerdem auf die Relevanz le-benslaufbezogener Normen im Übergang in den Ruhestand. Insbesondere bei Männern mit kurzen Versichertenbiogra-fien, die aufgrund der rentenrechtlichen Wartezeiten lediglich Anspruch auf Regelaltersrente besitzen, erweisen sich dieinstitutionalisierten Renteneintrittspfade als rigide Verlaufsmuster für den Übergang in den Ruhestand.

Summary: This article examines the determinants of men’s retirement ages in Germany. In particular, it assesses the de-gree of control exercised by members of different social groups over the timing of their retirement, taking account of sta-tutory retirement ages by the use of an event history model. The findings are based on micro-data provided by the Re-search Data Center of the German Statutory Pension Insurance – the Scientific Use File Versichertenrentenzugang [Pen-sion Insurance Entry] 2004. Frequent cases of involuntary retirement due to unemployment or poor health contrast star-kly with another class of early retirees, whose retirement decisions are driven primarily by financial incentives (e.g. byAltersteilzeit [Pre-retirement Part-time Employment Model]). Late entries to old age pensions can be observed more of-ten among men with better education and higher earnings. This pattern is explained mainly by a positive associationbetween men’s occupational status and their propensity to work longer. Moreover, social norms in regard to individualbiographies affect people’s preferences about their exit from work. Altogether, the institutionalized framework imposesserious restrictions on individuals’ pathways to retirement. Especially men with irregular working careers who are notentitled to an old age pension before reaching the age of 65 experience very limited choice.

1. Einleitung

Nachdem die Altergrenzen der gesetzlichen Renten-versicherung lange als „Manövriermasse“ (Kohli1993) gedient haben, ist ihre Ausgestaltung inzwi-schen zur sozialpolitischen Gratwanderung gewor-den. Auf der einen Seite wird die Anhebung des fak-tischen Renteneintrittsalters zur Sicherung einernachhaltigen Finanzierung der Sozialsysteme fürunabdingbar gehalten. Auf der anderen Seite stei-gen durch die Verschiebung der Altersgrenzen dieindividuellen Risiken des Übergangs in den Ruhe-

stand. Derweil ist ungeklärt, inwieweit sich das Ver-rentungsverhalten durch die Erhebung von Renten-abschlägen beeinflussen lässt und in welchemAusmaß Verminderungen der Alterseinkommen zuerwarten sind. In der öffentlichen Debatte über dieBeschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer ist zu-dem strittig, welche weiteren Maßnahmen zur Um-kehrung des Frühverrentungstrends geeignet sind.Angesichts der aktuellen, substanziellen Änderun-gen der Rahmenbedingungen des Rentenzugangs isteine genaue Kenntnis der Strukturen sozialer Un-gleichheit im Altersübergang unerlässlich.

© Lucius & Lucius Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 36, Heft 1, Februar 2007, S. 43–64 43

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Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegendeBeitrag den Übergang in den Ruhestand von Män-nern in Deutschland hinsichtlich der sozialen Unter-schiede in der zeitlichen Gestaltung des Rentenein-tritts. Die Analyse des Rentenübergangsgeschehensim Jahr 2004 beleuchtet zum einen die Handlungs-spielräume von Männern im Übergang in den Ru-hestand. Zum anderen wird Aufschluss über dieindividuellen Beweggründe in Renteneintrittsent-scheidungen gegeben. Sozialwissenschaftliche Ana-lysen der Determinanten des Renteneintrittsaltersauf der Mikroebene, die mit den Daten des For-schungsdatenzentrums der Rentenversicherung(FDZ-RV) nun möglich sind, stehen bislang aus.

Die Untersuchung diskutiert drei strittige Kernfra-gen zum Übergang in den Ruhestand: Spiegeln Un-terschiede im Renteneintrittsalter lediglich die sozi-alstaatlichen Anreizstrukturen wider? Zu welchemGrad sind Frühverrentungen durch mangelnde Be-schäftigungschancen begründet? Inwieweit kom-men verschiedene subjektive Präferenzen im Timingdes Altersübergangs zum Tragen?

Zunächst werden im zweiten Abschnitt die wich-tigsten theoretischen Erklärungsansätze zum Über-gang von der Erwerbsarbeit in den Ruhestand inGrundzügen dargestellt. Der nächste Abschnittfasst den Forschungsstand zur Heterogenität desRenteneintrittsalters in Deutschland zusammen.Anschließend werden im vierten Abschnitt dierechtlichen Rahmenbedingungen des Renten-zugangs in knapper Form zusammengefasst. Imfünften Abschnitt werden Hypothesen zum Einflusszentraler sozioökonomischer Merkmale auf dasRenteneintrittsalter formuliert. Es folgen eine Be-schreibung der Datenbasis der Untersuchung undeine Erläuterung des verwendeten ereignisanalyti-schen Modells. Der siebente Abschnitt stellt einigedeskriptive Befunde vor. Im achten Abschnitt wer-den schließlich die Ergebnisse der Modellschätzun-gen präsentiert, anhand derer der empirische Ge-halt der Hypothesen überprüft wird. Zuletzt erfolgteine Schlussbetrachtung der wesentlichen Resulta-te.

2. Theoretischer Bezugsrahmen

Im Zuge der Ausdehnung des Frühverrentungs-trends ist in Deutschland eine Vielfalt von Über-gangsformen von der Erwerbsarbeit in den Ruhe-stand entstanden. Dabei sind Arbeitsmarktsaustrittund Renteneintritt zu inkongruenten Ereignissen imLebenslauf geworden. Der Beginn einer gesetzli-chen Altersrente erfolgt teilweise mehrere Jahre

nach der Beendigung des Erwerbslebens. In der Li-teratur zum Übergang in den Ruhestand hat sichdarum die Unterscheidung von „Pfaden in den Ru-hestand“ etabliert. Pfade in den Ruhestand beste-hen aus einer Serie institutioneller Arrangementszur Bewerkstelligung der Statuspassage von der Er-werbsarbeit in den Ruhestand (Kohli/Rein 1991:6f.). Zusätzlich zur konventionellen Form des di-rekten Übergangs aus der Erwerbsarbeit in den Ru-hestand umfasst das Konzept auch sequenzielleÜbergangsformen, während derer die Akteure eineinstitutionalisierte Abfolge von Statuskonfiguratio-nen durchlaufen.1 Die routinisierten Übergangs-wege können einfach oder sequentiell sein und im-plizieren verschiedene Public-Private-Mixes in derFinanzierung des Ruhestands (Ebbinghaus 2006).

Bezüglich des Renteneintrittsalters lassen sich dabeiaus einschlägigen theoretischen Zugängen unter-schiedliche Erwartungen ableiten: Mikroökonomi-sche Untersuchungen fokussieren auf die Steue-rungswirkungen der sozialstaatlichen Systeme.Wegen des zentralen Stellenwertes finanzieller An-reize werden diese arbeitsangebotsbezogenen Erklä-rungen der Frühverrentung als Pull-Ansätze be-zeichnet. Hingegen heben Push-Ansätze auf diestrukturellen Zwangsmomente in der Ausglie-derung älterer Arbeitnehmer aus den Betrieben ab.Statt bei den individuellen Akteure siedeln sie dieKontrolle über den Übergangsprozess auf der be-trieblichen Ebene an. Lebenslauftheoretische Ansät-ze behandeln den Renteneintritt als Statuspassageim individuellen Lebensverlauf und begründen einenormative Dimension des Altersübergangs. Diesubjektiven Präferenzen zum Timing des Renten-übergangs werden durch die Interdependenz vonsozialen Erwartungen und sozialstaatlicher Regulie-rung erklärt.

2.1 Pull-Ansätze

In mikroökonomischen Ansätzen stellt sich der Ein-tritt in den Ruhestand als Sonderfall der gewöhnli-chen Arbeitsangebotsentscheidung dar, in der dasIndividuum sein Arbeitsangebot in Abhängigkeitvon seinem realisierbaren Einkommen und seinenKonsumpräferenzen optimiert. Dynamische öko-nometrische Modelle behandeln die Ruhestands-entscheidung dabei als intertemporale, diskreteEntscheidung zwischen Erwerbstätigkeit und Ru-

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1 Im vorliegenden Beitrag werden in Abweichung von derursprünglichen Begriffsdefinition durch Kohli und Reinauch direkte Übergangsformen von Beschäftigung in denAltersrentenbezug als Pfade in den Ruhestand bezeichnet.

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hestand (Lazear 1986, Arnds/Bonin 2003). Der Ein-tritt in den Ruhestand ist demnach das Ergebnis ei-nes sequentiellen Entscheidungsprozesses, im Ver-laufe dessen das Individuum zu jedem Zeitpunktneu prüft, welches Einkommen ihm bei sofortigemEintritt in den Ruhestand bzw. bei fortgesetzter Er-werbsarbeit zukäme.

Das Handlungsmodell ist die rationale Wahl. Imparadigmatischen Optionswertmodell (Stock/Wise1990) werden verschiedene Nutzenniveaus der al-ternativen Wahlmöglichkeiten verglichen. Der Op-tionswert ist dabei die Differenz aus dem bei fort-gesetzter Erwerbsarbeit maximal realisierbarenNutzen und dem entsprechenden Nutzen, der demIndividuum bei sofortigem Renteneintritt in allenkommenden Perioden erwächst. Zur Schätzung derNutzenfunktion werden typischerweise eine Zeit-präferenzrate der untersuchten Individuen sowieein Parameter berechnet, der ihre Risikoaversionangibt und der Unsicherheit der Renteneintrittsent-scheidung Rechnung trägt. “The model focuses onthe opportunity cost of retiring or, equivalently, onthe value of retaining the option to retire at a laterdate” (Stock/Wise 1990: 1158). Ist der Optionswertpositiv, kann durch Verbleib im Erwerbsleben eineNutzensteigerung erzielt werden und der Ruhe-stand wird aufgeschoben. Ein negativer Options-wert besagt hingegen, dass der umgehende Renten-eintritt die nutzenmaximierende Wahl darstellt.

Aus der Rational Choice-Perspektive werden Früh-verrentungen durch Fehlanreize des Alterssiche-rungssystems verursacht. Als Vergleichsfolie dientdas versicherungsmathematisch faire Rentensys-tem, in dem die Wahl des Renteneintrittszeitpunk-tes aus Sicht des Versicherten aufwandsneutral istund deshalb keine finanziellen Anreize zum vorzeiti-gen Ruhestand bestehen. Durch Schätzungen des Op-tionswertmodells für das Rentenzugangsgeschehen inDeutschland fand die Hypothese, dass ein hoher Op-tionswert das Risiko des Renteneintritts signifikantverringert, empirische Unterstützung (Antolin/Scar-petta 1998, Berkel/Börsch-Supan 2004).2 Die neue-ren ökonometrischen Adaptionen der neoklassi-schen Arbeitangebotstheorie führen damit denNachweis, dass rationale Erwägungen das Verhal-ten der Akteure beim Eintritt in den Ruhestand mit-bestimmen.

Die mikroökonomische Konstruktion des Alters-übergangs als individuelle Arbeitsangebotsentschei-

dung führt indes zu einer konzeptionellen Ver-engung auf monetäre Anreize. Aufgrund derVermengung qualitativer Unterschiede im Nutzen-modell ist der Rational Choice-Ansatz zwar zurAnalyse makroökonomischer Steuerungswirkun-gen, aber nicht zur Untersuchung sozialer Unter-schiede im Renteneintritt geeignet. Häufig werdenökonometrische Modelle der Heterogenität derMotivationslagen insofern nicht gerecht, als auchdie individuellen Präferenzen für Freizeit und Kon-sum, Risikoaversion und Ungeduld zunächst se-parat geschätzt und dann auf alle Versichertenübertragen werden. Ein bloßer Parameter zur Be-messung der Freizeitpräferenz ist mit der Erklä-rungslast für die vielfältigen Antriebsgründe derRuhestandsentscheidung theoretisch überfrachtet.

2.2 Push-Ansätze

Push-Ansätze distanzieren sich von der ökonomi-schen Betrachtung des Übergangs in den Ruhestandals freien Entscheidungsprozess. Zur Erklärung derFrühverrentung wird stattdessen auf eine geringeNachfrage nach älteren Arbeitnehmern und auf dieFolgen der beruflichen Arbeitsbelastung verwiesen.Das Timing des Übergangs in den Ruhestand kanndemzufolge mangels individueller Kontrolle nichtprimär durch die autonome Entscheidung der Be-troffenen bestimmt sein.

Angesichts der geringen Wiederbeschäftigungs-chancen Älterer wird von Arbeitsmarktforscherndie betriebliche Ausgliederung älterer Arbeitnehmerals wichtigste Ursache für die niedrigen Beschäfti-gungsquoten Älterer gesehen (Rosenow/Naschold1994, Wübbeke 2005). Die Betriebe werden als diemaßgebliche Instanz für die Bestimmung des Ren-teneintrittszeitpunkts betrachtet. Die Nutzung derFrühverrentung als Personalinstrument variiert mitder Branche und der Betriebsgröße, und der Um-gang mit älteren Arbeitnehmern hängt von deretablierten betrieblichen Praxis ab (Szydlik/Ernst1996). Innerhalb der Unternehmen hängt die Be-rechtigung der Mitarbeiter zur Nutzung vorhande-ner betrieblicher Frühverrentungsmodelle dabeiweiterhin jeweils von der Stärke der Belegschafts-vertretung im Unternehmen ab (Teipen 2003).

Die Kontrolle über den eigenen Übergang in denRuhestand ist demnach von entscheidender Bedeu-tung für das individuelle Renteneintrittsalter (Phil-lipson/Smith 2005: 55f.). Aufgrund der ungüns-tigen Arbeitmarktlage für Ältere kommt der Verlustdes Arbeitsplatzes im späteren Erwerbsalter häufigeinem erzwungenen Ruhestand gleich (Vickerstaff/

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2 Die Sogwirkung der staatlichen Alterssicherung wurdezudem anhand der Entwicklung der aggregierten Renten-zugangsdaten belegt; vgl. Riphahn/Schmidt 1997, Kruse2001.

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Cox 2005: 80). Individuelle Präferenzen kommennur bei ausreichender Entscheidungsautonomiezum Tragen. “If cost-benefit considerations requiresome choice over the retirement transition, thenmodels of retirement decisions have to differentiatebetween voluntary and involuntary retirees” (Szi-novacz/Davey 2005: 46).

In der Alternsforschung stehen die spezifischen Be-lastungen durch die berufliche Tätigkeit im Zen-trum des Interesses (Clemens et al. 2003, Hyde etal. 2004). Gesundheitliche Probleme sind einHauptgrund für den vorzeitigen Ruhestand. Quali-tative Studien betonen neben der ungleichen Vertei-lung der Möglichkeiten individueller Einflussnahmeauch die Vielfalt von Beweggründen und subjekti-ven Erfahrungen im Übergang in den Ruhestand(Hirsch 2003, Phillipson/Smith 2005). Zur Unter-scheidung von Handlungstypen im Übergang in denRuhestand wurden verschiedene Typologien vor-geschlagen (Wolf 1988, Higgs et al. 2003, Vickers-taff/Cox 2005).

Push-Argumente werden von empirischen Befun-den untermauert, wonach ein erheblicher Anteil derÜbergänge in den Ruhestand subjektiv als unfrei-willig erfahren wird (Szinovacz/Davey 2005). DieFreiwilligkeit des Eintritts in den Ruhestand wirdzudem in einen positiven Zusammenhang mit derLebenszufriedenheit im Alter gestellt (Shultz et al.1998). Umgekehrt kann eine durch Unfall oder ge-sundheitliche Beeinträchtigung verursachte Früh-verrentung für die Betroffenen auch psychisch ne-gative Folgen haben. Ihr Ausscheiden aus demErwerbsleben lässt sich als unfreiwillig identifizie-ren und wird auf eine persönliche Insuffizienz zu-rückgeführt. „Der zentrale Unterschied zwischenFrühverrentung wegen Erwerbs- oder Berufsunfä-higkeit und der Verrentung bei Erreichen einergesetzlichen Altersgrenze oder – [...] einer einge-spielten und institutionalisierten betrieblichen Al-tersgrenze – besteht in der Zurechenbarkeit derVerursachung auf die Person“ (Wolf 1988: 242;Hervorh. im Orig.). Das individuelle Wertgefühlund die biografische Bilanz der Arbeitnehmer wer-den auch an den vorhandenen Wahlmöglichkeitenim Übergang von der Erwerbsarbeit in den Ruhe-stand festgemacht. Finanzielle Vorteile und der Ge-winn an Freizeit treten in den Hintergrund, wenn„immaterielle Armutsprobleme – wie soziale Iso-lation, Selbstwertverlust, psychische und physischeBeeinträchtigungen, familiale Konflikte“ (Backes/Clemens 1987: 9) auftreten.

2.3 Lebenslauftheoretische Ansätze

Das lebenslauftheoretische Paradigma bietet eineErklärung für die Entstehung ruhestandsbezogenerAkteurspräferenzen an, die in Pull- sowie in Push-Ansätzen eine exogene Größe bleiben. Indem dieLebenslaufforschung den Renteneintritt in denKontext des institutionalisierten Lebenslaufs stellt,wird über instrumentelle Handlungsmuster hinausdie Relevanz von Handlungsmotiven jenseits desökonomischen Kalküls begründet. Die Altersgrenzedes Ruhestands erscheint nicht nur als monetäreAnreizstruktur, sondern auch als soziale Konstruk-tion mit großer normativer Verpflichtungskraft(Kohli 1993).

Seit der Etablierung des Rentenversicherungssys-tems ist der Ruhestand eine integrale Phase desdreigeteilten erwerbsarbeitszentrierten Normal-lebenslaufs in modernen Gesellschaften. Der insti-tutionalisierte Lebenslauf besteht in einem biogra-fischen Ablaufprogramm, das als generalisierteErwartungsmatrix an der chronologischen Glie-derung der Lebensverläufe mitwirkt (Kohli 1985).Dabei kanalisieren die institutionellen „Steuerungs-programme“ (Leisering et al. 2001) individuelleBiografien nicht allein mittels materieller Hand-lungsanreize, indem sie bestimmte Erwerbsmusterprämieren. Vielmehr werden durch sozialpolitischeVorgaben immer auch soziale Erwartungen kom-muniziert. Diese institutionellen „Normalitäts-unterstellungen“ (Behrens/Voges 1996) prägen dieMoralvorstellungen der Individuen bezüglich derStatuspassagen des Lebenslaufs.

Die Steuerung des Lebensverlaufs durch die Alters-grenzen der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)ist indirekt, aber wirkungsvoll: „Die Vorauswir-kung der angestrebten Altersversorgung stellt eine,weiche‘, verdeckte, aber effektive Beeinflussungvon Lebensläufen dar“ (Leisering et al. 2001: 13).Bezüglich der Beweggründe von Individuen imÜbergang in den Ruhestand sind neben strategisch-rationalen Nutzenberechnungen aber auch norma-tive Bewertungskriterien in Betracht zu ziehen. DieAltersgrenze des Ruhestands erfüllt auf subjektiverEbene sowohl eine kognitive Funktion, indem siezum biografischen Hauptorientierungspunkt wirdund Unsicherheiten bezüglich des Statuswechselsreduziert, als auch eine moralische Funktion, indemsie ein Kriterium für den legitimen Abschluss desArbeitslebens bereitstellt (Kohli/Künemund 2000:40).

Folglich beeinflussen Normen des Lebenslaufs, diesich im Spannungsverhältnis zwischen sozialstaatli-chen Normalitätsunterstellungen und individuellem

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Handeln herausbilden, die Akteure im Übergang inden Ruhestand (Wolf 1988). „‚Das Normalarbeits-leben‘, d. h. das sozial geforderte und institutionali-sierte lebenszeitliche Pensum, gibt also auch dasMaß für den Erfolg in der Arbeit und – soweit dasEthos der Arbeit noch verbindlich ist – in der Weltschlechthin“ (Kohli 1986: 191). Da der Berufsaus-stieg für eine umfassende Bilanzierung und mora-lische Reinterpretation des Erwerbslebens Anlassgibt, kommt dem Timing und den Modalitäten desRenteneintritts eine hohe symbolische Bedeutung zu.

Die Lebenslauf- und Biografieforschung greift so-mit sowohl auf Push- als auch auf Pull-Argumentezurück. Neben verschiedenen Zwangsmomentenbesteht demgemäß eine Vielfalt möglicher Antriebs-gründe für den frühen oder späten Ruhestand (vgl.Kohli 1986: 202f.). Die Motive der Akteure bezüg-lich des Altersübergangs können sich zudem ausder partikularen Entwicklung des individuellen Le-benslaufs ableiten. So können gemäß des lebens-lauftheoretischen Prinzips der Linked Lives auchfamiliäre Verpflichtungen (z. B. pflegebedürftigeAngehörige) ein Grund sein, das Erwerbsleben zubeenden. Vor diesem Hintergrund konnte eine In-terdependenz der Ruhestandsentscheidungen vonEhepartnern nachgewiesen werden (Allmendinger1990).

3. Bisherige empirische Befunde zurHeterogenität des Rentenalters inDeutschland

Ökonometrische Untersuchungen des Rentenein-tritts in Deutschland stimmen darin überein, dassdie Renteneintrittswahrscheinlichkeit mit steigen-den monetären Anreizen zunimmt (Antolin/Scar-petta 1998, Arnds/Bonin 2003, Berkel/Börsch-Su-pan 2004). Dadurch bestätigt sich, dass die Akteureim Übergang in den Ruhestand durch nutzenratio-nale Beweggründe beeinflusst sind. Allerdings lässtdieser Befund messtechnisch keine differenziertenSchlüsse über das zu erwartende Ausmaß der Früh-verrentung auf spezifischen Positionen der Einkom-menshierarchie zu. Trotz der weitgehenden Ver-wirklichung des Äquivalenzprinzips in der GRV istder Zusammenhang von Einkommenshöhe undRentenanwartschaften in Folge des Zusammenwir-kens verschiedener sozialstaatlicher Umverteilungs-instrumente unstetig.3 Zieht man die Gesamtheit

der ökonomischen Steuerungswirkungen beimÜbergang von Männern in den Ruhestand ins Kal-kül, ergibt sich das Bild eines U-förmigen Zusam-menhangs zwischen relativer Einkommenspositionund Verrentungsanreizen (Viebrok 1997).4 Auf-grund dieser polarisierten Anreizstruktur ist esnicht möglich, vom Ausmaß der Frühverrentungs-anreize unmittelbar auf die Wohlstandsposition derBetroffenen rückzuschließen.

Bisherige Forschungsergebnisse zum Einfluss derEinkommensposition auf das Renteneintrittsalterergeben kein einhelliges Bild. Zwar lässt sich fürMänner mit überdurchschnittlichem Einkommenüber die meisten empirischen Untersuchungen hin-weg ein niedriges Frühverrentungsrisiko konstatie-ren. Daneben besteht in der Literatur jedoch eineDiskrepanz in Bezug auf die unteren Einkommens-bereiche. Bemerkenswert ist zudem der wiederholtauftauchende Befund eines kurvilinearen Zusam-menhangs (Drobnic/Schneider 2000, Drobnic2002, Wübbeke 2005). Das Renteneintrittsrisiko5

steigt demnach mit höherem Einkommen zunächstan und sinkt schließlich wieder ab. Dieser inversU-förmige Zusammenhang zwischen der Rentenhö-he und dem Renteneintrittsrisiko von Männernsteht in diametralem Gegensatz zur U-förmigenStruktur der finanziellen Frühverrentungsanreizeund wurde bislang nicht hinlänglich erklärt.

In den vorliegenden Befunden zum Einfluss der Bil-dung zeichnet sich überwiegend ein abgeschlossenes

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3 Mit dem Äquivalenzprinzip wird eine „enge Beziehungzwischen Vorsorgebeitrag und (späterer) Rentenleistung“(Schmähl 2000: 11) verknüpft, d. h. eine Minimierung in-

tragenerationaler Einkommensumverteilung. Das Äquiva-lenzprinzip wird in der GRV einerseits durch progressiveUmverteilungselemente abgeschwächt. Andererseits wirktdie Beitragsbemessungsgrenze regressiv. Außerhalb derRentenversicherung wird Geringverdienern ab dem 65.Lebensjahr eine bedarfsorientierte Grundsicherung bewil-ligt.4 Viebrok (1997) zeigt mittels dynamischer Programmie-rung, dass das nutzenoptimale Arbeitsangebot von Durch-schnitts- und Gutverdienern mit steigenden Rentenanwart-schaften überwiegend abfällt. Die „59er-Regelung“ ist fürMänner bereits von 24 Entgeltpunkten an die nutzenmaxi-mierende Wahl (ebd.: 264). Unter rationalen, 60-jährigenArbeitnehmern mit geringem letzten Arbeitsentgelt hin-gegen rufen die Hinzuverdienstgrenzen beim Altersrenten-bezug vor dem 65. Lebensjahr adverse Beschäftigungsan-reize hervor (ebd.: 270f.). Ebenso sind laut einerOECD-Studie die Wohlfahrtsverluste durch einen bis zum65. Lebensjahr aufgeschobenen Renteneintritt an den Rän-dern der Einkommensverteilung höher als in der Mitte (Ca-sey et al. 2003).5 Da Hazardraten im statistischen Sinne keine Wahr-scheinlichkeiten darstellen, wird hier mangels brauchbarerAlternativen im Deutschen seiner Sperrigkeit zum Trotzder Begriff des Renteneintrittsrisikos verwendet.

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(Fach)Hochschulstudium als signifikantes Merkmalab, das den Renteneintritt verzögert. Bisherige For-schungsergebnisse bekräftigen zudem teilweise ei-nen negativen Zusammenhang zwischen berufli-chem Status und Renteneintrittsneigung (Wübbeke2005, Stegmann 2006), teils wird das Gegenteil er-mittelt (Allmendinger 1990). Arbeitslosigkeitspha-sen erweisen sich in der späteren Erwerbsbiografieals Risikofaktor für einen vorzeitigen Renteneintritt(Drobnic/Schneider 2000, Wübbeke 2005).

Die beschriebene Uneindeutigkeit der Datenlagezum Übergang in den Ruhestand wird dadurch be-fördert, dass sich Push-Ansätze meist auf den Zeit-punkt der Beendigung der Erwerbsarbeit konzen-trieren, während Pull-Ansätze überwiegend denEintritt in den Rentenbezug im Blick haben.

4. Altersgrenzen und Rentenabschläge

Die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Renten-versicherung liegt bei 65 Jahren. Für den Anspruchauf die Regelaltersrente ist die Erfüllung der all-gemeinen Wartezeit von fünf Jahren maßgeblich.Wartezeiten stellen spezifische Definitionen vonMindestversicherungszeiten dar, wobei jeweils ver-schiedene rentenrechtliche Zeiten (außer Beitrags-zeiten z. B. auch Kindererziehungszeiten) zur An-rechnung kommen. Die Altersgrenze für dieAltersrente für schwerbehinderte Menschen liegtim Jahr 2004 bei 60 Jahren. Anspruchsbegründendsind eine anerkannte Schwerbehinderung von min-destens 50% sowie eine Wartezeit von 35 Jahren.Auch Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nachAltersteilzeitarbeit kann mit 60 Jahren bezogenwerden. Dazu muss eine Wartezeit von mindestens15 Jahren erfüllt werden sowie vom Versichertenacht der letzten zehn Jahre Pflichtbeiträge gezahltworden sein, wobei Zeiten des Bezugs von Arbeits-losengeld oder -hilfe nicht angerechnet werden.Entweder müssen zudem nach der Vollendung desLebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten Arbeits-losigkeitszeiten von mindestens einem Jahr vorlie-gen oder die Arbeitszeit für mindestens 24 Monateentsprechend den Vorgaben des Altersteilzeitgeset-zes vermindert worden sein.

In Folge der Anhebung der Altersgrenzen werdenvorzeitig beanspruchte Altersrenten mit Renten-abschlägen von 0,3 Prozent pro Monat belegt. Auf-grund diverser Übergangsregelungen bleiben Teileder Rentenzugangskohorte 2004 jedoch noch vonder Abschlagsbelegung ausgenommen (siehe Ab-schnitt 7). Nahezu die Hälfte der Rentenzugänge vonMännern im Jahr 2004 weisen bereits Abschläge auf.

Häufig wurde kritisiert, dass die geltenden Renten-abschläge von 3,6% pro Jahr des vorgezogenenRentenbeginns zu gering seien. Die „richtige“ Ab-schlagshöhe hängt außer von den Annahmen zurSterblichkeit und zukünftigen Wirtschaftsentwick-lung maßgeblich von der Betrachtungsweise ab.Aus Sicht der Rentenversicherung ist die Ausgestal-tung der Abschläge belastungsneutral, d. h. „dass diedurch die Rentenzahlungen vor Erreichen der regulä-ren Altersgrenze entstehenden finanziellen Belastun-gen der RV [...] gerade kompensiert werden“(Ohsmann et al. 2003: 2). Mit mikroökonomischemBlick auf den individuellen Erwerbstätigen müsstenanreizneutrale Abschlagssätze hingegen an den alter-nativ erzielbaren Kapitalmarkterträgen orientiertsein. Bei zusätzlicher Berücksichtung einer Zeitpräfe-renzrate ergibt sich ein „fairer“ Abschlagssatz vonmindestens 7,5 Prozent (Börsch-Supan 2004: 8f.).Daher sollten bei der geltenden Abschlagshöhe wei-terhin Frühverrentungsanreize von der GRV aus-gehen.

5. Hypothesen

5.1 Einkommen

In Bezug auf den Einfluss der relativen Einkom-mensposition auf das Renteneintrittsalter hängendie Prognosen des Rational Choice-Ansatzes vonden Präferenzen der Individuen ab. Folglich bleibtes arbeitsangebotstheoretisch a priori unentschie-den, welches Vorzeichen des Einkommenseffekts zuerwarten ist. Sofern Freizeit ein normales Gut istund zusätzliches Einkommen mit Vorliebe in Formvon Freizeit konsumiert wird, ist ein positiver Zu-sammenhang zwischen Einkommen und Rentenein-trittsrisiko zu erwarten (Arnds/Bonin 2003). Wennalso der Einkommenseffekt den Substitutionseffektdominiert, ist der Frühverrentungsanreiz für dieBesserverdienenden besonders hoch. Umgekehrtsollten Versicherte mit niedrigen Rentenanwart-schaften länger arbeiten, um ihre Konsumchancenzu steigern und einen akzeptablen Lebensstandardin der Nacherwerbsphase zu erreichen.

Ungewollte Renteneintritte sind gemäß dem Push-Ansatz mit einem frühzeitigen Renteneintritt ver-knüpft, wenn gesundheitliche Einschränkungenoder der Verlust des Arbeitsplatzes der Anlass sind.Mangelnde Kontrolle über die Statuspassage vonder Erwerbs- in die Nacherwerbsphase kann jedochauch in Form später Renteneintritte zutage treten.Werden die rentenrechtlichen Anspruchsvorausset-zungen für bestimmte Altersrentenarten nicht er-

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füllt, müssen die Betroffenen ihren Ruhestandzwangsweise aufschieben. Auch die restriktivenWartezeitregelungen der Rentenversicherung lassendemnach einen positiven Zusammenhang zwischenRentenanwartschaften und Renteneintrittsrisiko er-warten. Versicherte mit geringen rentenrechtlichenZeiten können sich nicht für Altersrentenarten qua-lifizieren, die einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhe-stand erlauben. Personen mit unstetigen Erwerbs-biografien, deren Rentenhöhe in der Regelunterdurchschnittlich ist, sind gezwungen, ihrenRenteneintritt bis zur Regelaltersgrenze aufzuschie-ben.

H 1a: Zwischen der Einkommenshöhe und demRenteneintrittsrisiko besteht ein positiver Zu-sammenhang.

Aus Rational Choice-Sicht lässt sich ebenso gut einnegativer Zusammenhang begründen, dann näm-lich, wenn umgekehrt der Substitutionseffekt einerEinkommenserhöhung den Einkommenseffekt do-miniert. In diesem Fall möchten Besserverdienen-den gerne länger arbeiten, weil der Lohnverzichtdurch den vorgezogenen Ruhestand aufgrund deshohen erzielbaren Arbeitseinkommens für sieschwerer wiegt als der Nutzen durch zusätzlicheFreizeit.

Lebenslauftheoretisch lässt sich hingegen eine Er-klärung für einen negativen Zusammenhang vonEinkommen und Verrentungsneigung in den hetero-genen Präferenzen der Erwerbstätigen finden: Bes-serverdienende haben demnach im späten Erwerbs-alter eine höhere Arbeitsneigung, weil sie meisteine größere Zufriedenheit mit ihrer beruflichenTätigkeit verspüren. Die Arbeitszufriedenheit hängtstark von der beruflichen Tätigkeit ab und wächstmit steigenden Kompetenzen an (Grotheer/Struck2003: 25). Über den Einkommensanreiz hinaus för-dert eine höhere Identifikation mit der ausgeübtenArbeit den Wunsch, erst später in den Ruhestandgehen. Außerdem sollte die Frühverrentungsnei-gung negativ mit dem beruflichen Status korrelie-ren, welcher im Rahmen der „meritokratischenTriade“ (Kreckel 1992: 97) wiederum eng mit derEinkommenshöhe (und der Bildung) zusammen-hängt. Unter der plausiblen Annahme, dass der so-ziale Status als Rentner Berufsunterschiede ein-ebnet, geht für Erwerbstätige in prestigeträchtigenBerufen mit dem Renteneintritt ein großer Status-verlust einher.

H 1b: Zwischen der Einkommenshöhe und demRenteneintrittsrisiko besteht ein negativer Zu-sammenhang.

5.2 Bildung und beruflicher Status

In Bezug auf das Bildungsniveau lässt sich aus zweiverschiedenen Argumenten ein negativer Zusam-menhang mit dem Renteneintrittsrisiko ableiten:

Erstens haben Beschäftigte mit höherer Bildung ausder Sicht von Push-Ansätzen ein niedrigeres Ren-teneintrittsrisiko, weil ihre Beschäftigungschancenim Alter höher sind. Da die Arbeitskraft Hochqua-lifizierter stärker nachgefragt wird, sind unfreiwil-lige Frühverrentungen seltener und die Akteurekönnen das Timing ihres Altersübergangs selbstvorgeben (Szydlik/Ernst 1996). Analog zeigt Lazear(1979), dass der optimale Zeitpunkt des Ruhe-stands für Hochqualifizierte später im Lebenslaufangesiedelt ist, weil sie mit ihren Arbeitgebern stei-lere Lohnverläufe aushandeln.

Zweitens können Normalitätsunterstellungen desinstitutionalisierten Lebenslaufs ein Grund für ei-nen längeren Verbleib Hochqualifizierter im Ar-beitsleben sein. Die Lebenslaufforschung gehtdavon aus, dass die Vollendung einer langen Er-werbskarriere ein Kriterium für ein moralisch wert-volles Leben bildet. Auch wenn im Zuge des Früh-verrentungstrends die normative Bindekraft derherkömmlichen Altersgrenze von 65 Jahren abge-nommen hat, besteht in ihr weiterhin ein wichtigersozialer und biografischer Orientierungspunkt. Da-bei sollten Hochqualifizierte der Norm der konven-tionellen Altersgrenze stärker verpflichtet sein. Daihre Erwerbsphase aufgrund langer Ausbildungszei-ten erst deutlich später beginnt, sollten Personenmit langen Ausbildungszeiten ein höheres Renten-alter anstreben. Die individuelle Präferenz für einenfrühen Renteneintritt nimmt also diesem lebens-laufsoziologischen Argument zufolge mit steigen-dem Bildungsniveau ab.

H 2: Mit höherer Bildung sinkt das Rentenein-trittsrisiko.

5.3 Gesundheit

Als Hauptursache für das vorzeitige Ausscheidenaus dem Arbeitsleben wird von Altersforschern einemangelnde Gesundheit genannt. In der gesetzlichenRentenversicherung ist das Invaliditätsrisiko durchdie Erwerbsminderungsrente abgesichert; in dervorliegenden Untersuchung werden jedoch aus-schließlich Altersrentenzugänge betrachtet. Den-noch ist es angesichts der in der Vergangenheit be-obachteten Ausweichreaktionen auf attraktiverePfade in den Ruhestand (instrument substitution)zu vermuten, dass sich der Gesundheitszustand

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trotzdem im Timing des Altersrenteneintritts be-merkbar macht.

H 3: Ein schlechter Gesundheitszustand erhöhtdas Renteneintrittsrisiko.

5.4 Sozialrechtlicher Erwerbsstatus

Eine dynamische Betrachtung des Übergangs in denRuhestand impliziert, dass die verschiedenen insti-tutionalisierten Pfade in den Ruhestand den Akteu-ren jeweils spezifische Übergangsverläufe nahe le-gen. Der endgültige Zugang in die entsprechendenAltersrentenarten setzt mitunter einen bestimmtenformalen Erwerbsstatus voraus. Aufgrund dieserSelektivität der Übergangspfade ist eine hohe Kor-relation des Alters bei Rentenbeginn mit dem sozi-alrechtlichen Herkunftszustand zu erwarten.

So führt etwa Arbeitsplatzverlust wegen mangeln-der Wiederbeschäftigungsmöglichkeiten zu un-freiwilligen Frühverrentungen und gilt neben Ge-sundheitsproblemen als wichtigster Push-Faktor.Demnach präjudiziert die Erwerbslosigkeit den frü-hestmöglichen Renteneintritt nach Auslaufen desArbeitslosengeldes. Die Inanspruchnahme der Al-tersrente wegen Arbeitslosigkeit mit dem vollende-ten 60. Lebensjahr ist außerdem de jure unmittelbaran eine vorhergehende Erwerbslosigkeit gebunden.Erwerbslosigkeit unter Älteren ist darum im Nor-malfall kein vorübergehender Zustand zwischenzwei Beschäftigungsphasen, sondern leitet denÜbergang in den Ruhestand ein.

Auch das Altersteilzeitmodell erlaubt einen Renten-zugang mit 60 Jahren. Die Inanspruchnahme vonAltersteilzeit kann wegen der großzügigen und ver-bindlichen Absicherung im Rahmen von Tarifver-trägen als selbstbestimmte Handlung aufgefasstwerden. Die Kontrolle über das eigene Rentenein-trittsalter ist hoch.

H 4: Das Renteneintrittsalter hängt stark vomvorhergehenden sozialrechtlichen Erwerbsstatusab.

6. Daten, Variablen und Methode

6.1 Daten

Die Datenbasis der Analyse bildet der Scientific UseFile (SUF) Versichertenrentenzugang 2004 Themen-file Renteneintrittsalter (SUFRTZN04MVSRL), dervom FDZ-RV aus prozessproduzierten Daten erstelltwurde. Der Datensatz stellt eine zufällig gezogene10-Prozent-Stichprobe der originären Mikrodaten

der Rentenversicherung dar, deren Informations-gehalt im Zuge der faktischen Anonymisierung teil-weise vergröbert wurde (Himmelreicher 2006).6

Die Rentenzugangsstatistik informiert über dieRentenneuzugänge eines Kalenderjahres. Der Da-tensatz stellt ein Outflow Sample (Jenkins 2004:67f.) ohne Rechtszensierung dar, denn in die Stich-probe gelangen per Definition ausschließlich Fälle,bei denen das interessierende Ereignis tatsächlicheingetreten ist.

Der vorliegende Beitrag untersucht in den alten undneuen Bundesländern lebende Männer, die im Jahr2004 erstmals eine Altersrente beziehen. Da die Da-ten des FDZ-RV den Haushaltskontext nicht hinrei-chend erfassen, wird der Rentenübergang von Frau-en nicht untersucht – die Einkommenssituation desEhemanns ist hier besonders einflussreich (Allmen-dinger 1990). Zugänge in Erwerbsminderungsrentenwerden nicht berücksichtigt, denn bei Erwerbsunfä-higkeit kann die Unfreiwilligkeit des Ausscheidensaus dem Berufsleben vorausgesetzt werden.7 Alters-renten können frühestens mit 60 Jahren bean-sprucht werden. Für die Datenanalyse wird verein-fachend von einem diskreten, einmaligen undendgültigen Renteneintrittsvorgang ausgegangen.Darum werden Teilrentenzugänge ausgeschlossen.

Wegen der zugrundeliegenden rekonstruierten Ver-sichertenbiografien werden Renten nach dem Fremd-rentengesetz (FRG) genauso wenig berücksichtigtwie Renten, deren Bezieher im Ausland leben (vgl.Mika 2006). Des Weiteren werden Rentenzugängeder Vorjahre, die aus verwaltungstechnischenGründen im Berichtsjahr 2004 in die Statistik ein-gingen, von der Analyse ausgenommen. Durch diebeschriebenen Eingrenzungen befinden sich aus-schließlich Altersrentenzugänge der männlichendeutschen Wohnbevölkerung in der Stichprobe.

6.2 Variablen

Anwartschaften aus gesetzlicher Rente bilden eineFunktion des Einkommens über die Lebensarbeits-zeit.8 Die Rentenansprüche der Versicherten wer-den in Entgeltpunkten gemessen. Beiträge aus sozi-

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6 Zum aktuellen Datenangebot des Forschungsdatenzen-trums siehe www.fdz-rv.de.7 Die Reform zur Neuordnung der Invaliditätsrenten hatdie Zugangsvoraussetzungen verschärft. In der Folge derpartiellen Abkehr von der konkreten Betrachtungsweisehat sich die Fallzahl der Zugänge in Erwerbsminderungs-renten stark reduziert, und das Durchschnittsalter der Er-werbsgeminderten ist gefallen; vgl. Moll/Stichnoth 2003.8 Im Hinblick auf Analysen zum Einkommen über die Le-

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alversicherungspflichtigen Einkommen generierenjährlich ein proportionales Vielfaches eines Entgelt-punktes. Die hier verwendeten persönlichen Ent-geltpunkte umfassen alle wesentlichen Renten-bestandteile und berücksichtigen durch denZugangsfaktor bereits eventuelle Rentenabschläge.Durch die faktische Anonymisierung liegt das Ma-ximum der Rentenanwartschaften im SUF bei 70Entgeltpunkten.

Aufgrund des inkrementellen Aufbaus der Ansprü-che aus gesetzlicher Rente würde die Verwendungder persönlichen Entgeltpunkte bei Rentenbeginnbei der Modellierung des Renteneintrittsgeschehensin die Irre führen (Radl 2006). Die individuelleRentenanwartschaft wird deshalb als zeitabhängigeVariable ins Modell integriert.9

Im Versichertenrentenzugang ist innerhalb des Zeit-fensters der letzten drei Kalenderjahre vor dem Jahrdes Leistungsfalls jeweils das jährlich erzielte sozi-alversicherungspflichtige Entgelt angegeben. DieseEinkommen umfassen alle sozialversicherungs-pflichtigen Einkünfte bis zur gültigen Beitrags-bemessungsgrenze.10 Als unabhängige Variablewird das durchschnittliche sozialversicherungs-pflichtige Einkommen der drei letzten Jahre vordem Jahr des Renteneintritts verwendet.

Mittels der im SUF Rentenzugang enthaltenen In-formationen zum Versichertenstatus für die letztendrei Kalenderjahre vor dem Rentenzugang lässt sichdie diffuse Statuspassage von der Erwerbsarbeit inden Ruhestand näher beleuchten. Die Statusvaria-ble, die jeweils zum Stichtag am 31. Dezember er-fasst wird, wird für die Ereignisanalyse zeitabhän-gig modelliert. Von sozialversicherungspflichtigerBeschäftigung lässt sich dabei der Bezug von Leis-

tungen nach dem SGB III bzw. sonstiger Leistungennach dem § 3 Nr. 3 SGB VI11 unterscheiden. Wei-tere Kategorien bilden jeweils geringfügig Beschäf-tigte, freiwillig Versicherte, sonstige Pflichtver-sicherte12 sowie Personen in Anrechnungszeit.Darüber hinaus werden sonstige Meldungen13 undVersicherte mit unbekanntem Status aufgeführt.

Die Statistiken der GRV enthalten seit dem Jahr2000 den Tätigkeitenschlüssel aus der DEÜV-Mel-dung der Arbeitgeber an die Sozialversicherung(Stegmann 2006). An letzter Stelle gibt dieser dieSchulbildung und berufliche Ausbildung der Arbeit-nehmer in kombinierter Form wieder. Da die Erfas-sung dieses statistischen Merkmals routinemäßignicht überprüft wird, ist seine Validität relativ ge-ring (Fitzensberger et al. 2005). Hinzu kommt inden Rentenzugangsdaten ein hoher Anteil von Fäl-len ohne Arbeitgebermeldung.

Als passiv Versicherte werden Personen bezeichnet,die zwar einen Rentenanspruch besitzen, aber län-gere Zeit keine Rentenbeiträge mehr geleistet ha-ben. Diese Fälle sorgen für Unwägbarkeiten in denRentenzugangsdaten. Vor allem kann nicht davonausgegangen werden, dass die Rentenansprüchepassiv Versicherter ihre Einkommenslage im Alteradäquat widerspiegeln (Radl 2006). Im Zweifelsfallbesitzen sie wichtigere Alterseinkommensquellen,etwa aus privaten Ersparnissen oder der Beamten-versorgung (Himmelreicher/Frommert 2006). Fürpassiv Versicherte liegen in den Vorjahren des Ren-tenbeginns typischerweise auch keine Informatio-nen zum Versichertenstatus vor. Eine Kontrollvaria-ble zeigt an, ob der letzte Beitrag zur GRV vor1986 erfolgte.

Eine Variable zur Identifizierung von Versichertenmit Vertrauensschutz berücksichtigt unterschied-liche rentenrechtliche Voraussetzungen. Anrech-nungszeiten wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheitdienen als Indikator für Unterbrechungen der Er-werbskarriere.14 Anrechungszeiten wegen Arbeits-

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bensarbeitszeit an Hand von FDZ-RV-Daten siehe Fachin-ger/Himmelreicher 2006.9 Anhand der im betreffenden Jahr gültigen Beitrags-bemessungsgrundlage werden für jedes der letzten dreiJahren vor Rentenbeginn die erworbenen Entgeltpunkteermittelt. Für länger zurückliegende Zeiträume wird dieretrospektive Abdiskontierung der Entgeltpunkte angenä-hert, indem jeweils die durchschnittlich im Laufe der Ver-sichertenbiografie erworbenen Entgeltpunkte subtrahiertwerden, sofern im dritten Jahr vor Rentenbeginn ein sozi-alversicherungspflichtiges Einkommen vorlag. Aufgrundeiner Diskrepanz des Messniveaus fallen die derart impu-tierten Entgeltpunkte tendenziell etwas geringer aus alsihr wahrer Wert. Für einen Vergleich der Renteneintritts-verläufe nach Entgeltpunktquintilen im Alter von 60 Jah-ren und bei Renteneintritt vgl. Radl 2006.10 Für das Jahr 2003 sind im SUF Rentenzugang 2004 ausGründen der Anonymisierung lediglich Einkommen bis55.000 EUR angegeben.

11 Hauptsächlich sind dies Personen, die Krankengeld,Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangs-geld bezogen. Im Weiteren wird diese Gruppe mit „Kran-kengeld, Verletztengeld u.a.“ bezeichnet.12 Pflichtversicherte Künstler, Handwerker, Selbstständigeund Pflegepersonen sowie ehemals Vorruhestandsgeld-empfänger; vgl. §2 und §3 SGB VI.13 Sonstige Meldungen zeigen an, dass zwar zum Stichtagkein Tatbestand zutraf, aber vorher im Laufe des Berichts-jahres.14 Anrechnungszeiten sind Nicht-Beitragszeiten, die be-züglich der Erfüllung der Wartezeiten teilweise als renten-rechtliche Zeiten zählen und auch in der Rentenberechungzum Tragen kommen können.

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losigkeit entstehen nach aktuell geltendem Recht,wenn Arbeitslosigkeit vorliegt, aber keine Leistun-gen nach SGB III bezogen werden. Anrechnungszei-ten wegen Krankheit werden anerkannt, wenn z. B.Krankengeld bezogen wird. Eine Variablenüber-sicht befindet sich im Anhang.

6.3 Methode

Die Untersuchung der statistischen Zusammenhän-ge zwischen individuellen sozioökonomischenMerkmalen und dem Renteneintrittsalter erfolgtdurch ein ereignisanalytisches Piecewise ConstantExponential Model (PCEM) (vgl. Blossfeld et al.1986, Diekmann/Mitter 1993, Cleves et al. 2002,Wu 2003, Box-Steffensmeier/Jones 2004, Jenkins2004). Im PCEM wird davon ausgegangen, dassdas „Grundübergangsrisiko“ (Baseline Hazard) in-nerhalb festgelegter Intervallgrenzen konstant ist,dabei aber in der Höhe zwischen den Intervallenbeliebig variieren kann (Jenkins 2004).15

Im vorliegenden Fall tritt das Risiko des Altersren-tenzugangs mit dem 60. Geburtstag ein, und dasÜbergangsereignis ist der Rentenbeginn. Das Ereig-nis des Renteneintritts wird zudem als „absor-bierend“ behandelt, d. h. es wird von einem voll-ständigen und endgültigen Wechsels in denAltersrentenbezug ausgegangen, der als Abschlussdes Übergangsprozesses von der Erwerbsarbeit inden Ruhestand interpretiert wird. Aufgrund desQuerschnittscharakters des Datensatzes kann hierjedoch keine originäre Kohortenbetrachtung ange-stellt werden. Stattdessen werden die innerhalbeines Kalenderjahrs erfolgenden Renteneintritte be-nachbarter Geburtskohorten unter einer Lebens-laufperspektive betrachtet. Die Streuung der abhän-gigen Variablen entsteht durch den Vergleichzwischen den verschiedenen Altersjahrgängen in-nerhalb der Renteneintrittskohorte 2004.

Das PCEM erlaubt, Kenntnisse über den Verlaufdes spezifischen Übergangsprozesses in die Modell-schätzung einfließen zu lassen. Der Renteneintritts-prozess verläuft strikt innerhalb der rechtlichenVorgaben der gesetzlichen Rentenversicherung. DieAltersgrenzen werden durch die flexible Gestaltungder Analysezeitintervalle in das statistische Modellintegriert. Da die Inanspruchnahme einer Altersren-te je nach Rentenart die Vollendung eines bestimm-ten Alters voraussetzt, ist mit dem Erreichen derverschiedenen Altersgrenzen eine höhere Renten-eintrittswahrscheinlichkeit verbunden. Für jede in-stitutionelle Altersgrenze wird ein Intervall in derAnalysezeit abgegrenzt und eine spezifische Baseli-ne Hazard geschätzt. Die restlichen Intervalle erge-ben sich als Zwischenzeiträume. Schließlich wirdangenommen, dass mit einem Alter von 70 Jahrenauch sehr lange Erwerbsbiografien beendet seinsollten. Im Anhang findet sich ein Überblick überdie Wirksamkeit der Altersgrenzen im Jahr 2004und ihre statistische Modellierung.

7. Der Renteneintrittsverlauf im Jahr 2004

Für die 30.737 untersuchten Männer ergeben sichdurch die Aufspaltung der Analysezeit 219.246Spells mit einem Median von sieben Spells pro Sub-jekt. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liegtbei 63 Jahren. Abbildung 1 stellt mittels des Ka-plan-Meier-Schätzers die empirische Überlebens-funktion dar. Es ist eine Häufung der Renteneintrit-te an drei Zeitpunkten zu beobachten, die denwesentlichen rentenrechtlichen Altergrenzen ent-sprechen. Zum frühestmöglichen Zeitpunkt er-folgte etwa ein Fünftel der betrachteten Altersren-tenzugänge des Jahres 2004. Mit Vollendung des60. Lebensjahres kann bei Erfüllung der An-spruchsvoraussetzungen entweder Altersrente we-gen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeitoder Altersrente für schwerbehinderte Menschenbezogen werden. Der 63. Geburtstag – mit diesemAlter kann Altersrente für langjährig Versichertebeansprucht werden – markiert den zweiten wich-tigen Einschnitt. Schließlich treten mit dem Errei-chen der Regelaltergrenze von 65 Jahren nahezualle verbliebenen Versicherten in den Altersrenten-bezug ein.

Die Hazardfunktion in Abbildung 2 gibt den Ver-lauf des Übergangsrisikos unter Berücksichtigungder zum jeweiligen Zeitpunkt bereits erfolgten Ver-rentungen wider. Auch wenn ein großer Anteil derVersicherten vor dem 65. Lebensjahr in Rente geht,erscheint die Regelaltersgrenze unter diesem Blick-

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15 Wenn p Intervalle τp abgegrenzt sind, wird die BaselineHazard h0(t) definiert als:

(Baseline Hazard im PCEM)

Formal ergibt sich die Hazardfunktion h(t) im PCEM un-ter Berücksichtigung der Baseline Hazard h0(t) und derKovariablen χj als:

(Hazardfunktionim PCEM)

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winkel als die weitaus verbindlichste Altersgrenze.Außer den drei markanten Altergrenzen treten indieser dynamischen Darstellung noch weitere Ku-mulationen von Renteneintritten hervor. Hier wer-den temporäre Zugangsfenster sichtbar, die durchden aktuellen Prozess der Altersgrenzenverschie-bung eröffnet wurden.

Besonders auffällig ist der ausgeprägte Anstieg desVerrentungsrisikos in der zweiten Hälfte des 64.Lebensjahrs, der durch Vertrauensschutzregelun-gen erklärbar ist. Bei der Altersrente für langjährigVersicherte liegt zu diesem Zeitpunkt die reguläreAltersgrenze zwar schon bei 65 Jahren; es sind

aber Übergangsfristen vorgesehen, so dass ein be-grenzter Personenkreis im Jahr 2004 noch in jün-gerem Alter abschlagfrei in Rente gehen kann. ImBeobachtungszeitraum sind die zwischen Mai1940 und Februar 1941 geborenen langjährig Ver-sicherten betroffen (vgl. Anhang). Im Jahr 2004 istder reguläre Prozess der Altersgrenzenanhebungbei der Altersrente für schwerbehinderte Men-schen noch im Gange. An der Altersgrenze für denabschlagsfreien Renteneintritt in diese Rentenart(um das vollendete 62. Lebensjahr herum) kommteine Häufung von Übergängen zum Vorschein.Die am rechten Rand der Grafik erkennbaren Un-

Jonas Radl: Individuelle Determinanten des Renteneintrittsalters 53

Abb. 1 Survivorfunktion(Kaplan-Meier-Schätzer),Männer, Altersrentenzu-gänge 2004

Abb. 2 Hazardfunktion(geglättet), Männer,Altersrentenzugänge 2004

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regelmäßigkeiten sind wegen der kleinen Zahl ver-bleibender Fälle nicht aussagekräftig – teilweisekommen sie durch verspätete Rentenanträge zu-stande.

Diese ersten deskriptiven Ergebnisse veranschauli-chen die vorherrschende Tendenz zum frühestmög-lichen Renteneintritt. Die überwiegende Zahl vonRenteneintritten wird unmittelbar mit Erreichender Altersgrenzen für die respektiven Rentenartenvollzogen. Dies ist ein Hinweis auf die starke Sog-wirkung finanzieller Verrentungsanreize.

In Abbildung 3 ist der Verlauf der Baseline Hazardabgetragen, die den multivariaten Schätzungen imPCEM zugrunde gelegt wird. Die Entwicklung die-ses „Grundrisikos“, ergibt sich durch Schätzungeines Exponentialmodells, das außer der vorab de-finierten Analysezeitdummies keine weiteren Ko-variate enthält. Die rentenrechtlich definiertenIntervalle sind im oberen Teil der Abbildung einge-zeichnet. Offensichtlich kann ein Modell, das ledig-lich auf den gültigen Altergrenzen basiert, den em-pirischen Renteneintrittsprozess von Männern aufaggregierter Ebene gut nachbilden.

Mit Abbildung 4 wird anhand der Verweildauer-funktionen der nach der Höhe der Rentenanwart-schaften bei Rentenbeginn geschichteten Stichprobeexemplarisch die hohe Varianz des Renteneintritts-alters verschiedener sozialer Gruppen veranschau-licht. Versicherte im ersten Quintil, die zum Zeit-punkt des Renteneintritts über maximal 24Entgeltpunkte verfügen, treten weit überwiegenderst mit 65 Jahren in Rente ein. Das fünfte Quintil,das mit mindestens 57 Entgeltpunkten im Alter au-

ßerordentlich gut abgesichert ist, geht mit Abstandspäter in Rente als die drei mittleren Quintile, dieähnliche Survivorkurven und viele frühe Renten-zugänge aufweisen.16

In den Rentenzugangsdaten begegnet uns damit er-neut ein aus früheren Studien bekannter inversU-förmiger Zusammenhang zwischen Einkom-menshöhe und Renteneintrittsrisiko. Ein negativerZusammenhang (Hypothese 1b) besteht scheinbarzwischen dem zweiten und fünften Quintil. DieAusreißerposition des ersten Entgeltpunktquintilslässt sich mit einem Sampling-Problem in den pro-zessproduzierten Daten in Verbindung bringen.Denn im ersten Quintil sind überwiegend passivVersicherte zu vermuten. Die späten Renteneintrittederjenigen mit geringen Anwartschaften gründenhauptsächlich auf der Nichterfüllung der renten-rechtlichen Wartezeiten, die zum vorzeitigen Ren-teneintritt erforderlich sind.

8. Determinanten des Renteneintrittsalters

Die Kovariate der ersten Modellspezifikation wer-den von zwei soziodemografischen sowie aus-

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Abb. 3 Baseline Hazard imPiecewise ConstantExponential Model, Männer,Altersrentenzugänge 2004

16 Da bei fortgesetzter Erwerbsarbeit weitere Entgelt-punkte erworben werden, besteht ein systematischer posi-tiver Zusammenhang zwischen dem Renteneintrittsalterund der Höhe der Rentenanwartschaften. Der Befund ei-nes deutlich späteren Renteneintritts des fünften Quintilsbleibt jedoch bestehen, wenn statt der Entgeltpunkte beiRentenbeginn die Höhe der Entgeltpunkte im Alter von60 Jahren imputiert wird; vgl. Radl 2006.

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gewählten Merkmalen zur Versichertenbiografiegebildet. Im zweiten Schritt werden die Einkom-menssituation vor dem Renteneintritt sowie der Bil-dungsstand als unabhängige Variablen aufgenom-men. Schließlich berücksichtigt das volle Modellanhand des sozialrechtlichen Versichertenstatus derletzten drei Jahre vor Rentenbeginn den jeweils be-schrittenen Pfad in den Ruhestand. Im unteren Teilder Tabelle sind die Schätzergebnisse für die Ana-lysezeitintervalle aufgeführt, die dem PiecewiseConstant Exponential Model seine Form geben(siehe Abb. 3).

Die Ergebnisse demonstrieren, dass deutliche sozia-le Unterschiede hinsichtlich der Wahrscheinlichkeiteiner Frühverrentung bestehen. Arbeitnehmer mithohen Rentenanwartschaften gehen demnach früherin Rente als jene mit geringen. Pro Entgeltpunkt er-höht sich das Renteneintrittsrisiko um einen Prozent-punkt. In diesem Befund schlägt sich hauptsächlichder späte Renteneintritt „passiv Versicherter“ nieder.Das durchschnittliche sozialversicherungspflichtigeEinkommen der letzten drei Jahre vor Renten-beginn hat in der zweiten Modellspezifikation zu-nächst keinen signifikanten Einfluss. Sobald im vol-len Modell zusätzlich der letzte Versichertenstatuskontrolliert wird – welcher nicht zuletzt das Ar-beitslosigkeitsrisiko abbildet – tritt indes ein signifi-kanter negativer Zusammenhang von Einkommenund Renteneintrittsrisiko zutage. Die Rentenein-

trittsneigung verringert sich ceteris paribus je 1000Euro zusätzlichen monatlichen Bruttoeinkommensum 15%. Dieser Effekt kommt indes fast aus-schließlich für zuletzt, also umittelbar vor ihrer Ver-rentung sozialversicherungspflichtig Beschäftigtezum Tragen.

Die erste Hypothese, die einen positiven Zusam-menhang der finanziellen Alterssicherung mit derFrühverrentungsneigung postuliert, wird durch diemultivariate Datenanalyse teilweise gestützt. Of-fenbar ist das Arbeitsangebotskalkül hierfür abernicht ursächlich. Bislang schieben wenige Er-werbstätige ihren Renteneintritt längere Zeit auf,um zusätzliche Rentenanwartschaften zu erwer-ben oder Rentenabschläge zu vermeiden. Der posi-tive Effekt der Höhe der Alterssicherung auf dasRenteneintrittsrisiko lässt sich stattdessen mit derDiskriminierung kurzer Erwerbsbiografien durchdas Sozialversicherungssystem erklären. Bei nied-rigen Rentenanwartschaften passiv Versichertersind dafür die rentenrechtlichen Wartezeiten ver-antwortlich.

Anhand der Rentendaten ist es jedoch nicht mög-lich, die Einkommenssituation passiv Versicherternäher einzuschätzen, deren Erwerbsbiografien nurteilweise von sozialversicherungspflichtiger Be-schäftigung geprägt sind (Radl 2006: 654f.). Him-melreicher und Frommert (2006) können jedoch an-hand der Studie „Alterssicherung in Deutschland

Jonas Radl: Individuelle Determinanten des Renteneintrittsalters 55

Abb. 4 Kaplan-Meier-Sur-vivorfunktion nach Entgelt-punktquintilen bei Renten-beginn, Männer, Alters-rentenzugänge 2004

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2003“17 zeigen, dass Männer aus den alten Bundes-ländern mit Altersrenten im untersten Entgeltpunkt-quintil überdurchschnittlich hohe Alterseinkommenaus anderen Quellen beziehen. Sozialpolitisch pro-blematischer ist die Situation in den neuen Bundes-ländern, wo selten zusätzliche Alterseinkommen zurKompensation geringer Rentenbeträge zu Ver-fügung stehen.18 Da zunehmend Kohorten mit ver-gleichbar unstetigen Erwerbsbiografien das Renten-alter erreichen und im Gegenzug die Altersgrenzensteigen, droht der zwangsweise aufgeschobene Ren-teneintritt einen wachsenden Teil der Erwerbstä-tigen mit geringem Einkommen zu betreffen(Schmähl/Viebrok 2001). In Abschnitt 2.2 wurdevorgeschlagen, mangelnde individuelle Kontrolleals den theoretischen Kern von Push-Argumentenzu betrachten. Anders als Arbeitslosigkeit und Ge-sundheitsprobleme befördert der hier aufgedeckteZwangsmechanismus des Sozialversicherungssys-tems jedoch nicht die Frühausgliederung, sondernverlängert tendenziell die Übergangszeit zwischenBerufsaustritt und Renteneintritt.

Auch die konkurrierende Hypothese eines negati-ven Zusammenhangs der Einkommenshöhe mitdem Renteneintrittsrisiko trifft begrenzt zu. Inso-fern sich die Einkommenshöhe vor dem Ren-tenzugang letztlich unter Kontrolle strukturellerHandlungsrestriktionen für die Bestimmung desRentenalters als signifikant erweist, kann auch die-se These nicht zurückgewiesen werden, obwohl ihreReichweite relativiert werden muss. Nur Gutverdie-ner, die im späten Erwerbsalter noch beschäftigtsind, schieben den Renteneintritt tendenziell auf.Zwar lässt sich der Befund, dass die Verteuerungder Freizeit durch höheres Einkommen zu einergeringeren Nachfrage führt, ohne weiteres mitdem Rational-Choice-Theorem vereinbaren. Aller-dings widerspricht die ermittelte Prävalenz des Sub-stitutionseffektes zusätzlichen Einkommens überden Einkommenseffekt dem Großteil der öko-nometrischen Forschungsergebnisse. Diese Diskre-

panz ist teilweise methodisch begründet (sieheAbschnitt 3). Im Gegensatz zum Rational Choice-Ansatz, der die Präferenzen der Akteure als exogeneGröße betrachtet, erlaubt der lebenslaufsoziologi-sche Ansatz jedoch, die Präferenzstrukturen sinn-haft zu deuten. Die höhere Arbeitsmarktaffinitätvon Besserverdienenden lässt sich zum einen auf diehöhere Zufriedenheit mit der beruflichen Tätigkeitzurückführen. Zum anderen droht Gutverdienerndurch den Eintritt in den Ruhestand der Verlust deserreichten beruflichen Status. Das Statusgefälle zwi-schen den Einkommensschichten, das im Sinne der„meritokratischen Triade“ im fortgeschrittenen Er-werbsalter fortdauert (Schulz-Nieswandt 2006:120ff.), bietet im Lichte der Datenanalyse eine guteErklärung für unterschiedlich ausprägte Erwerbs-neigungen.

Die multivariaten Schätzergebnisse erlauben somiteine analytische Dekomposition des auf deskripti-ver Ebene entdeckten invers U-förmigen Zusam-menhangs von ökonomischer Wohlstandspositionund Renteneintrittsrisiko. Während am unterenRand der Einkommensverteilung die diskriminato-rische Wirkung der Wartezeitregelungen späte Ren-teneintritte verursacht, ist im mittleren und höherenBereich des Einkommensspektrums ein negativerZusammenhang von Einkommenshöhe und Ren-teneintrittsrisiko vorherrschend. Letzterer hängt so-wohl mit den weiteren Handlungsspielräumen imoberen Einkommenssegment, als auch mit der hö-heren Erwerbsneigung der Besserverdienenden zu-sammen.

Das Bildungsniveau stellt sich hinsichtlich des Ren-teneintrittsalters als signifikantes Einflussmerkmalheraus. Im Vergleich zur Referenzkategorie „Hoch-schulabschluss“ bringt jeder niedrigere Bildungs-abschluss ein höheres Renteneintrittsrisiko mit sich.Lediglich bei Personen, deren höchster Bildungstitellaut Arbeitgebermeldung das Abitur ist, unterschei-det sich die Übergangsrate nicht signifikant von je-ner der Akademiker. Während Personen mit höhe-rer Bildung am spätesten in Rente gehen, tragenFacharbeiter und Ungelernte das höchste Frühver-rentungsrisiko. Im Einfluss der Bildung zeigt sichzwar kein strikt hierarchischer Zusammenhang. In-sofern sich die Analyseergebnisse jedoch einem ste-tigen negativen Zusammenhang weiter annähern,sobald für den letzten Versichertenstatus kontrol-liert wird, kann die zweite Hypothese, die bei höhe-rer Bildung ein sinkendes Renteneintrittsrisiko pos-tuliert, nicht verworfen werden.

Der belegte Bildungseffekt bei der Wahl des Ren-teneintrittszeitpunktes stimmt mit unterschiedli-chen theoretischen Prämissen überein. Anhand der

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17 Bei der ASID 2003 handelt es sich um eine repräsentati-ve Erhebung unter der in Deutschland wohnenden Bevöl-kerung über 65 Jahren mit eigener gesetzlicher Rente (oh-ne Heimbewohner).18 Frauen in beiden Langesteilen sind im Alter stärker ar-mutsgefährdet als Männer, insbesondere wenn keine Wit-wenrenten vorliegen. Schätzungen auf der Individualebeneergaben, dass „10% der Frauen in den neuen Bundeslän-dern und sogar knapp 26% der Frauen in den alten Bun-desländern eine geringe eigene GRV-Rente von wenigerals 500 Euro und lediglich weitere eigene Einkünfte vonbis zu 100 Euro“ haben (Himmelreicher/Frommert 2006:126).

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Tabelle 1 Multivariate Schätzergebnisse zu den Determinanten des Renteneintrittsrisikos, Piecewise Constant Exponen-tial Model, Altersrenten, Männer, 2004

Kovariate Spezifikation 1 Spezifikation 2 Spezifikation 3

Hazardrate

Wohnort in neuen Bundesländern 1,213*** 1,282*** 1,019Familienstand: verheiratet 0,994 0,997 1,046***letzter Rentenbeitrag vor 1985 0,555*** 0,620*** 1,178***Vertrauensschutz 1,667*** 1,501*** 1,526***Rehabilitation in letzten 5 Jahren 1,457*** 1,372*** 1,132***Anrechnungszeit wg. Krankheit 1,006*** 1,004** 1,004**Anrechnungszeit wg. Arbeitslosigkeit 1,008*** 1,009*** 1,000Entgeltpunkte 1,010*** 1,010*** 1,011***Bruttotageentgelt (in 10 E) – 0,997 0,956***Bildung (höchster Abschluss)

Referenz: Hochschulabschluss

Fachhochschulabschluss – 1,336*** 1,202***Abitur und Berufsausbildung – 1,399*** 1,270***Abitur – 1,138 1,290**Berufsausbildung – 1,751*** 1,459***Mittlere Reife/Hauptschulabschluss – 1,715*** 1,320***Keine Angabe in DEÜV – 1,425*** 1,241***Keine Arbeitgebermeldung – 1,276*** 1,691***Versichertenstatus (letzte 3 Jahre):

Referenz: sozialvers.pfl. beschäftigt

Altersteilzeit – – 3,629***Leistungsbezug nach SGB III – – 2,859***Krankengeld, Verletztengeld u. a. – – 2,293***Geringfügig beschäftigt – – 0,842***Freiwillig versichert – – 0,460***Anrechnungszeit – – 2,543***Sonstige Pflichtversicherung – – 0,698***Sonstige Meldung – – 1,039Status unbekannt – – 0,289***Analysezeitintervalle:

Referenz τ1 (60 J. bis 60 J. + 1 M.)

τ2 (60 J. + 2 M. bis 61 J. + 6 M.) 0,041*** 0,041*** 0,053***τ3 (61 J. + 7 M. bis 62 J. + 1 M.) 0,072*** 0,072*** 0,077***τ4 (62 J. + 2 M. bis 62 J. + 11 M). 0,061*** 0,061*** 0,063***τ5 (63 J. bis 63 J. + 1 M.) 1,064*** 1,080*** 0,988τ6 (63 J. + 2 M. bis 63 J. + 7 M.) 0,111*** 0,114*** 0,113***τ7 (63 J. + 8 M. bis 63 J. + 11 M.) 0,371*** 0,383*** 0,422***τ8 (64 J. bis 64 J. + 11 M.) 0,078*** 0,081*** 0,095***τ9 (65 J. bis 65 J. + 1 M.) 7,650*** 7,977*** 9,279***τ10 (65 J. + 2 M. bis 69 J. + 11 M.) 0,500*** 0,525*** 0,757***τ11 (70 J. und älter) 0,188*** 0,203*** 0,256***

Log-Likelihood Nullmodell –50.855,05

Log-Likelihood –5.681,45 –5.348,88 +2.955,14

n = 30.737; Signifikanzniveau: *** 1%, ** 5%, * 10%

Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN04MVSRL, eigene Berechnungen.

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vorliegenden Daten lässt sich der empirische Gehaltder beiden konkurrierenden Kausalerklärungennicht eindeutig ermitteln. Der Bildungszusammen-hang kann, wie dargelegt, zum einen mithilfe desHumankapitalansatzes auf unterschiedliche Be-schäftigungschancen zurückgeführt werden. Da dasvolle Modell simultan für das letzte Erwerbsein-kommen und die jüngere Erwerbshistorie kontrol-liert, ist es aber plausibel, dass der spätere Renten-eintritt der höher Qualifizierten in der normativenVerpflichtung zu einer langen Produktivitätsphaseim Lebenslauf wurzelt. Über das niedrigere Arbeits-losigkeitsrisiko von Hochqualifizierten und ihresteilere Lohnkurve hinaus weist der spätere Renten-eintritt von Akademikern darauf hin, dass die insti-tutionalisierten Normen des Lebenslaufs nach derErosion der Regelaltersgrenze des Ruhestands ver-stärkt an der Dauer der Lebensarbeitszeit ansetzen.

Allerdings stehen die Befunde unter dem Vorbehalt,dass die Erhebung der Bildungsvariablen anhandder Arbeitgebermeldung zur Sozialversicherung so-wohl einen hohen Anteil fehlender Werte, als auchsystematische Falschklassifikationen mit sich bringt(Fitzensberger et al. 2005: 6). Abweichungen zeigensich nun auch an den Hazardraten der beiden Mis-singkategorien, die im Vergleich zu den Nicht-Mis-sings unterdurchschnittlich sind. Bezüglich der feh-lenden Angabe des Ausbildungsniveaus in derArbeitgebermeldung erscheint ein Zusammenhangmit der Betriebsgröße wahrscheinlich. Kleinere Be-triebe, die weniger Frühverrentung hervorbringen,haben weniger Routine im Umgang mit der Arbeit-gebermeldung. Personen mit Berufsausbildungweisen umgekehrt auch deshalb eine hohe Frühver-rentungsrate auf, weil Großbetriebe, die viele Fach-arbeiter beschäftigen, häufiger betriebliche Frühver-rentungsprogramme besitzen.

Gesundheitliche Probleme führen auch bei Alters-renten zu einem niedrigen Rentenalter. Die dritteHypothese wird überraschend deutlich untermau-ert, denn das Frühverrentungsrisiko ist sowohl nacheiner Rehabilitationsmaßnahme, als auch bei Vor-liegen von Anrechnungszeiten wegen Krankheit sig-nifikant erhöht. Ein weiterer deutlicher Indikatorist die hohe Renteneintrittsneigung von Personen,die vor Rentenbeginn etwa Krankengeld beziehen.Es bestätigt sich mithin einmal mehr die ausschlag-gebende Rolle der Gesundheit für die Erwerbsfähig-keit. Weiterhin zeigt sich, dass das Invaliditätsrisikoin der gesetzlichen Rentenversicherung nicht restlosdurch Erwerbsminderungsrenten abgedeckt wird.Insbesondere in der Altersrente für schwerbehinder-te Menschen besteht ein äquivalenter institutionali-sierter Pfad in den Ruhestand.

Die Ergebnisse zu Anrechnungszeiten demonstrie-ren, dass Unterbrechungen der Erwerbsbiografiewegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit das Renten-eintrittsrisiko erhöhen, d. h. Versicherte mit steti-gem Erwerbsverlauf gehen später in Rente. Im Fallder zahlenmäßig bedeutsameren Anrechnungszeitenwegen Arbeitslosigkeit zeigt sich, dass ihr Einflussschwerpunktmäßig auf Beschäftigungslosigkeit un-mittelbar vor dem Rentenzugang zurückgeht.

Hypothese 4, die einen starken Einfluss des letztenErwerbsstatus auf die Renteneintrittsentscheidungbehauptet, findet Bestätigung. Der Einfluss allerStatusvariablen ist hoch signifikant, und die statisti-sche Aussagekraft des Modells steigt durch ihrenEinbezug erheblich. Im Einzelnen lassen sich klareKorrespondenzen zwischen dem letzten Versicher-tenstatus und dem Renteneintrittsalter ablesen, an-hand derer sich typische Renteneintrittspfade he-rauskristallisieren.

Wenn Männer bis zum Rentenzugang versiche-rungspflichtig beschäftigt sind, haben sie ein nied-riges Frühverrentungsrisiko. Nach vorheriger Ar-beitslosigkeit ist das Renteneintrittsrisiko beinahedreimal so hoch. Arbeitslose mit niedrigen Renten-anwartschaften gehen vermutlich unfreiwillig inden Frühruhestand. Sie finden sich sowohl unterden Leistungsempfängern nach SGB III als auch un-ter den Versicherten in Anrechnungszeit. Die Ar-beitsmarktlage lässt ihnen keine Alternative zumvorzeitigen Renteneintritt und zwingt sie, sich im Al-ter mit den bis dato erworbenen Rentenanwartschaf-ten zu bescheiden. Auch wenn der Rentenzugang ausgeringfügiger Beschäftigung erfolgt, gibt es deutlicheHinweise auf ökonomische Zwangsmomente imÜbergang in den Ruhestand. Einschränkend ist zuvermerken, dass die Zahl derjenigen, bei denen aufÜbergangsperioden mit geringen (Transfer-)Ein-kommen der Eintritt in einen finanziell schlechtausgestatteten Ruhestand folgt, in den betrachtetenKohorten relativ klein ist.

Arbeitslosigkeit im Alter ist dennoch nicht immerunfreiwillig. Die „59er-Regelung“ steht für das Ge-genmodell einer vorsätzlichen Zweckentfremdungder sozialrechtlichen Schutzmechanismen durch ei-ne Interessenkoalition aus Betrieben und Beschäf-tigten (Ebbinghaus 2001; Mares 2003). Währenddas Arbeitslosigkeitsrisiko im Allgemeinen bei Ge-ringverdienern höher ist, zählen die Nutzer der„59er-Regelung“ im Gegenteil zu den Gutverdie-nern. Die Gründe für die Nutzung des Arbeitslosig-keitspfades in den Ruhestand sind heterogen (Kohli1993).

Für Altersteilzeitbeschäftigte liegt das Verrentungs-risiko sogar dreieinhalb mal so hoch wie für sons-

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tige sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. BeiArbeitnehmern im Altersteilzeitmodell kann davonausgegangen werden, dass sie sich weitestgehendaus freien Stücken und mit guter finanzieller Abfe-derung aus dem Berufsleben verabschieden. Alters-teilzeit ist deshalb aus theoretischer Sicht ähnlichzu bewerten wie die „59er-Regelung“. Die bislangvon diesen generösen Arrangements profitierendenBeschäftigten werden durch die Rentenabschlägekünftig stärker an den Kosten der Frühverrentungbeteiligt.

Der übergreifende Modellvergleich lässt den hohenStellenwert eines Arbeitsplatzes für den Übergangin den Ruhestand akzentuiert hervortreten. Dergroße Sprung der realisierten maximalen Log-Like-lihood der Modellschätzung in der dritten Spezifi-kation, unterstreicht die zentrale Bedeutung derErwerbssituation bei der Bestimmung des Renten-alters. Der sozialrechtliche Versichertenstatus er-weist sich als guter Indikator zur Unterscheidungverschiedener sozialer Gruppen hinsichtlich derHandlungsmuster im Übergang in den Ruhestand.Die hohen Erklärungswerte des letzten Versicher-tenstatus untermauern zudem die These der institu-tionalisierten Pfade in den Ruhestand (Kohli/Rein1991). Das statistische Modell erfüllt die Gütekrite-rien der Ereignisanalyse.19

Insgesamt fällt die Wirkungsintensität der öko-nomischen Anreizvariablen merklich hinter die derVariablen zum Versichertenstatus zurück, welchemit den Handlungsspielräumen der Akteure in Be-ziehung stehen. Die präsentierten Befunde lassendeshalb darauf schließen, dass das Ausmaß der in-dividuellen Kontrolle für das Timing der Rentenein-tritte im Deutschland des Jahres 2004 wichtiger istals die individuelle Arbeitsangebotsentscheidung.Hierfür sprechen auch die Ergebnisse zum Gesund-heitszustand. Rationale intentionale Entscheidun-gen finden im Alter zwischen 60 und 65 häufignicht statt, weil die Akteure – entsprechend demPush-Argument – häufig keine hinreichende Kon-trolle über ihren Renteneintritt ausüben können.

9. Schlussfolgerungen

Anhand der ereignisanalytischen Modellierung desRenteneintrittsprozess konnten divergierendeHandlungsmuster der Akteure im Übergang in denRuhestand aufgezeigt werden. Die Bilanz zur theo-retischen Kontroverse zwischen Pull- und Push-Ar-gumenten fällt ambivalent aus. Sowohl rationaleAbwägungen der finanziellen Anreize einer Früh-verrentung durch die Akteure, als auch die restrikti-ven Auswirkungen betrieblicher Ausgliederungenund gesundheitlicher Probleme kommen im Ren-tenzugang von Männern zum Tragen. Insgesamthaben Push-Faktoren im Lichte der Daten aber dasgrößere Gewicht. Die Anreizwirkung der ökonomi-schen Indikatoren ist den ereignisanalytischen Mo-dellschätzungen zufolge moderater als der prägendeEinfluss des durchlaufenen formalen Erwerbsstatus,in dem sich die Handlungsspielräume der Akteureim Übergang in den Ruhestand ausdrücken.

Die vergleichende Forschung hat wesentliche Fort-schritte im theoretischen Verständnis der institutio-nellen Wechselwirkungen zwischen Wohlfahrtsstaa-ten, Arbeitsmärkten und industriellen Beziehungenhinsichtlich der Beeinflussung von Erwerbsaus-trittsprozessen erzielt (Kohli/Rein 1991, de Vroom2004, Ebbinghaus 2006). Die Ergebnisse der Unter-suchung untermauern die Exklusivität der Renten-eintrittspfade im deutschen Altersübergangsregime.Aufgrund der seriellen Struktur der Pfade in denRuhestand korrespondieren die verschiedenen Be-rufsaustiegswege jeweils mit bestimmten Altersren-tenarten. Die Analyse des Rentenzugangs weist da-mit auf die Bedingungen des Berufsaustritts zurück.Der beim Verlassen des Arbeitsmarktes eingeschla-gene Pfad führt die angehenden Rentner mit großerBestimmtheit in die entsprechenden Altersrenten-arten.

In den betretenen Ruhestandspfaden reflektierensich nicht nur Handlungsbeschränkungen, sondernauch die unterschiedlichen Präferenzen der Akteu-re. Beschäftigungslosigkeit wird zum Teil im Rah-men der „59er-Regelung“ willentlich in Kauf ge-nommen, und das Altersteilzeitmodell bietet nachwie vor eine beliebte Möglichkeit zum vorgezoge-nen Ruhestand. Auf der anderen Seite zeigt die Mo-mentaufnahme des aktuellen Prozesses der Anhe-bung der Altersgrenzen, dass im Jahr 2004 ein Teilder Versicherten ihren Renteneintritt aufschiebt,um Rentenminderungen zu vermeiden. Vor allemArbeitnehmer mit höherem Bildungstand und gu-tem Einkommen ziehen es häufig sogar vor, bis zurkonventionellen Altersgrenze von 65 Jahren zu ar-beiten. Mit ihrer Neigung zum späten Rentenein-

Jonas Radl: Individuelle Determinanten des Renteneintrittsalters 59

19 Der Likelihood Ratio-Test weist die Nullhypothese ein-deutig zurück. Die Cox-Snell Residuen zeugen von einerguten Modellanpassung. Eine demografisch bedingte Se-lektionsverzerrung konnte ausgeschlossen werden. ZumStichprobencharakter des SUF Versichertenrentenzugangvgl. Radl (im Erscheinen).

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tritt zeigen sie sich teilweise resistent gegenüber fi-nanziellen Frühverrentungsanreizen. Angesichts derBefunde ist davon auszugehen, dass der Prestigever-lust im Falle der Verrentung für Akademiker höherist als bei niedriger Qualifizierten.

Die lebenslauftheoretische Perspektive kann zur Er-klärung heterogener ruhestandsbezogener Präferen-zen herangezogen werden. Eine höhere Zufrieden-heit mit der beruflichen Tätigkeit und eine stärkereIdentifikation mit der ausgeübten Arbeit förderndie Erwerbsneigung. Neben der Bedeutung des be-ruflichen Status für die Übergangsentscheidungstützen die Ergebnisse die These von der Hand-lungsrelevanz lebenslaufbezogener Normen. Dienormative Verpflichtung zu einer langen Erwerbs-phase im Lebenslauf impliziert ein überdurch-schnittliches Renteneintrittsalter der Hochqualifi-zierten, da höhere Bildungsabschlüsse mit einemspäten Arbeitsmarkteintritt verbunden sind.

Trotz bestehender Handlungsspielräume zeugt dergroße Anteil von Frühverrentungen unter den Ge-ringverdienern von dem prävalenten Einfluss derArbeitsmarktbedingungen auf das Renteneintritts-alter. Insofern der Entscheidungscharakter des Ren-teneintritts dadurch häufig eingeschränkt ist, gebenin erster Linie die Erwerbschancen älterer Arbeit-nehmer den Ausschlag für das Timing des Renten-übergangs, während das Nutzenkalkül der Akteureerst in zweiter Linie ins Gewicht fällt. Der Über-gang in den Ruhestand ist derweil nur in Extremfäl-len vollständig selbst- oder fremdbestimmt. ZurVermeidung eines Dualismus von Voluntarismusund Determinismus sind Renteneintritte nach demAusmaß der individuellen Kontrolle zu unterschei-den. Für unterschiedliche soziale Gruppen variiertder Grad der Übereinstimmung zwischen Plänenund realisiertem Verlauf des Eintritts in den Ruhe-stand.

Die Restriktion der individuellen Handlungsspiel-räume durch die Zugangskriterien der Rentenver-sicherung ist eine bislang zu wenig beachtete De-

terminante des Renteneintrittsalters. Der späteRenteneintritt der passiv Versicherten, welche aus-schließlich Anspruch auf Regelaltersrente besitzen,verdeutlicht das große Sanktionspotential des ren-tenrechtlichen Regelapparats. Im Zusammenwir-ken von Wartezeiten und Altersgrenzen entsteht einrigider zeitlicher Rahmen für den Vollzug der Über-gangsentscheidung. Durch die Anhebung der Al-tersgrenzen für die vorzeitige Inanspruchnahmevon Altersrenten droht daher einerseits eine „tran-sitorische Versorgungslücke“ zwischen der Beendi-gung der Erwerbsarbeit und dem Eintritt in den Al-tersrentenbezug, während andererseits steigendeRentenminderungen im Zusammenhang mit einemgesenkten Rentenniveau und mit Einbußen durchdie nachgelagerte Besteuerung die bislang lebensstan-dardsichernde und armutsvermeidende Wirkungder Rentenversicherung schmälern. Da Frauen imDurchschnitt kürzere Erwerbsbiografien aufweisenund über weniger alternative Einkommensquellenverfügen, bestehen für sie vermutlich noch stärkereressourcenbedingte Handlungsbeschränkungen imÜbergang in den Rentenbezug als für Männer.

Der vorliegende Beitrag untersuchte das Timing desEintritts in Altersrenten. Der Renteneintritt legiti-miert die Beendigung des Erwerbslebens, er ermög-licht einen angemessenen Lebensstandard im Alterund schließt den Übergang in den Ruhestand ab.Das deutsche Rentensystem steht noch am Beginneiner voraussichtlich 40 Jahre (von 1996 bis 2035)währenden stetigen Anhebung der Altergrenzen. Ei-ne substanzielle Einschränkung der allgemeinenZugänglichkeit des wichtigsten Alterssicherungs-systems stellt die moderne Konzeption des Ruhe-stands als Kernelement der gesellschaftlichen Mo-ralökonomie in Frage. Angesichts dessen müssendie Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmerzügig steigen, um eine Prekarisierung des Über-gangs in den Ruhestand bei Geringverdienern undPersonen mit unstetigen Erwerbsbiografien zu ver-meiden.

60 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 36, Heft 1, Februar 2007, S. 43–64

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Anhang

Jonas Radl: Individuelle Determinanten des Renteneintrittsalters 61

Tabelle A1 Modellierung der Analysezeitintervalle und die Wirksamkeit von Altersgrenzen im Rentenzugangsjahr 2004

Intervallgrenzen* Erreichte Altersgrenze undRenteneintrittskonditionen

Dummy

Alter am Beginn Alter am Ende Analysezeit inMonaten

(Nach der erstmaligen Erfüllung derAnspruchsvoraussetzungen einer Rentenartkann diese Rente auch jederzeit späterbeansprucht werden)

J M J M _t0 _t1 Altersrentenart Rentenabschläge

60 0 60 1 0 1 Altersrente wegenArbeitslosigkeit odernach Altersteilzeit

Altersrente für schwer-behinderte Menschen

–18%

–3,9 bis –10,8%

τ1

60 2 61 6 1 19 – – τ2

61 7 62 1 19 25 Altersrente für schwer-behinderte Menschen

abschlagsfrei(Juli bis Dez1942 geb.)

τ3

62 2 62 11 25 36 – – τ4

63 0 63 1 36 37 Altersrente fürlangjährig Versicherte

–7,2% τ5

63 2 63 7 37 43 – – τ6

63 8 63 11 43 47 Altersrente fürlangjährig Versicherte

abschlagsfrei beiVertrauensschutz(Mai 1940 bisFeb 1941 geb.)

τ7

64 0 64 11 47 60 – – τ8

65 0 65 1 60 61 Regelaltersrente abschlagsfrei τ9

65 2 69 11 61 120 – – τ10

70 0 – – 120 – AltersbedingteArbeitsbeendigung

– τ11

* Alle Intervalle wurden aufgrund der Skalierung um einen Monat verlängert. Da der Renteneintritt normalerweise zum Monatswechselerfolgt, das Rentenzugangsalter im Datensatz jedoch monatsgenau erfasst ist, liegen die lokalen Maxima der Hazardfunktion jeweils aufdem ersten Monat nach Erreichen der Altersgrenzen.Quelle: eigene Darstellung.

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62 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 36, Heft 1, Februar 2007, S. 43–64

Tabelle A2 Verteilungsmaße der verwendeten Variablen

Variable Skala* arithm. Mittelwert Standardabweichung

Wohnort in neuen Bundesländern D 0,207 0,405

Familienstand: verheiratet D 0,822 0,383

letzter Rentenbeitrag vor 1985 D 0,126 0,332

Vertrauensschutz D 0,163 0,370

Rehabilitation in letzten 5 Jahren D 0,016 0,125

Anrechnungszeit wg. Krankheit M 0,880 2,969

Anrechnungszeit wg. Arbeitslosigkeit M 3,983 12,414

Entgeltpunkte (bei Rentenbeginn)** M 40,309 17,939

Bruttotagesentgelt (in 10 E) M 5,909 5,047

Bildung (höchster Abschluss):

Hochschulabschluss D 0,041 0,199

Fachhochschulabschluss D 0,037 0,189

Abitur und Berufsausbildung D 0,012 0,111

Abitur D 0,002 0,048

Berufsausbildung D 0,403 0,491

Mittlere Reife/Hauptschulabschluss D 0,082 0,274

Keine Angabe in DEÜV D 0,096 0,294

Keine Arbeitgebermeldung D 0,327 0,469

Versichertenstatus**

(Jahr vor dem Rentenzugang):

sozialversicherungspflichtig beschäftigt D 0,235 0,424

Altersteilzeit D 0,151 0,358

Leistungsbezug nach SGB III D 0,263 0,440

Krankengeld, Verletztengeld u. a. D 0,018 0,133

Geringfügig beschäftigt D 0,013 0,112

Freiwillig versichert D 0,039 0,195

Anrechnungszeit D 0,032 0,177

Sonstige Pflichtversicherung D 0,015 0,122

Sonstige Meldung D 0,023 0,149

Status unbekannt D 0,211 0,408

* D = dichotom, M = metrisch; ** im Modell als zeitabhängige Variable enthalten.Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN04MVSRL, eigene Berechnungen, n = 30.737.

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Autorenvorstellung: Jonas Radl, geb. 1979 in Berlin. Studium der Soziologie, Volkswirtschaft und Politikwissenschaftin Berlin und Madrid. Seit 2006 Doktorand am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz.Forschungsschwerpunkte: Lebenslaufforschung, Wohlfahrtsstaatsvergleich, Alterssicherung.Publikation: Pfade in den Ruhestand und die Heterogenität des Renteneintrittsalters. Deutsche Rentenversicherung9–10/2006: 641-660.

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