Indonesische Musik

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Indonesische Musik file:///Users/...ts/Studium/VO Musik der Welt im Überblick II/10 - Indonesische Musik/Indonesische Musik.html[24.06.10 17:40:49] INDONESISCHE MUSIK Indonesien besteht aus ca. 13000 Inseln (davon 3000 bewohnt) und ist von einer Zahl recht unterschiedlicher Völker besiedelt. Indonesien ist ein zentralistischer Staat, in dem es aufgrund von Autonomiebestrebungen in verschiedenen Teilen (Molukken, Irian Jaya, Sulawesi) mehrere Konfliktherde gibt. Das Land wird von den Javanern dominiert; auf Java lebt etwa 60% der Bevölkerung Indonesiens. Historisch lassen sich bedeutsame Einflüsse aus China, Indien und der arabischen Welt nachweisen. Vor ca. 2000 Jahren kam der Hinduismus mit indischen Händlern nach Indonesien, wo er besonders in Java Anklang fand. Im 15. Jh. breitete sich der Islam - wieder durch Händler - aus und wurde zur Hauptreligion. Lediglich in Bali fand der Islam wenig Anhänger; dort dominiert heute noch der Hinduismus. Diese Einflüsse sind auch in der indonesischen Musik präsent. Die Kolonialzeit (Indonesien war bis 1945 niederländische Kolonie) hat in der Musik hingegen lediglich in der krontjong -Musik Spuren hinterlassen. Wenn wir Europäer von indonesischer Musik sprechen, meinen wir in erster Linie die Gamelan-Musik Javas und Balis. Die Musik der anderen Inseln ist hingegen wenig bekannt und erforscht. Gamelan nennt man jene Ensembles, die sich charakteristischerweise aus Gongs (Hänge- und Liegegongs), Metallophonen, Xylophonen und Trommeln zusammensetzen. Hinzu treten vielfach noch der Gesang sowie entweder eine Spießgeige, eine Flöte oder eine Zither. Aus Kostengründen werden diverse Instrumente mitunter durch Bambusinstrumente ersetzt. Die zentralen Instrumente des Gamelan sind aber Gongs und metallene Platteninstrumente aus einer Art Bronzelegierung. Ein Gamelan-Orchester kann insgesamt bis zu 75 Instrumente umfassen. Bei den Feierlichkeiten, insbesondere in Bali, kommen in der Regel neben dem großen Gamelan auch noch kleinere mit wenigen Instrumenten, die sogenannten gamelan sekati zum Einsatz. Sie werden in den zentralen Abschnitten religiöser Zeremonien gespielt. Die schönsten Orchester befinden sich im Besitz der Kratons, d.h. der Fürstenresidenzen, und heutzutage auch bei anderen reichen Musikliebhabern. Die wichtigsten Instrumente des javanischen Gamelan 1. Gambang gansa (Xylophon) 2. Gambang kayu (Xylophon) 3. Bonang (Gongspiel) 4. Gender (Metallophon) 5. Saron barung (Metallophon) 6. Saron demung (Metallophon) 7. Saron slentem (Metallophon) 8. Ketjer (Becken) 9. Gong ageng (Hängegong) 10. Kenong (Liegegong) 11. Ketuk (Liegegong) 12. Kempul (Hängegong) 13. Tjiblon (Trommel) 14. Kendang gending (Trommel) 15. Tjlempung (Zither) 16. Suling (Flöte) 17. Rebab (Spießgeige)

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INDONESISCHE MUSIK

Indonesien besteht aus ca. 13000 Inseln (davon 3000 bewohnt) und ist von einer Zahl rechtunterschiedlicher Völker besiedelt. Indonesien ist ein zentralistischer Staat, in dem es aufgrund vonAutonomiebestrebungen in verschiedenen Teilen (Molukken, Irian Jaya, Sulawesi) mehrere Konfliktherdegibt. Das Land wird von den Javanern dominiert; auf Java lebt etwa 60% der Bevölkerung Indonesiens.

Historisch lassen sich bedeutsame Einflüsse aus China, Indien und der arabischen Welt nachweisen. Vorca. 2000 Jahren kam der Hinduismus mit indischen Händlern nach Indonesien, wo er besonders in JavaAnklang fand. Im 15. Jh. breitete sich der Islam - wieder durch Händler - aus und wurde zurHauptreligion. Lediglich in Bali fand der Islam wenig Anhänger; dort dominiert heute noch derHinduismus. Diese Einflüsse sind auch in der indonesischen Musik präsent. Die Kolonialzeit (Indonesienwar bis 1945 niederländische Kolonie) hat in der Musik hingegen lediglich in der krontjong-Musik Spurenhinterlassen.

Wenn wir Europäer von indonesischer Musik sprechen, meinen wir in erster Linie die Gamelan-MusikJavas und Balis. Die Musik der anderen Inseln ist hingegen wenig bekannt und erforscht. Gamelannennt man jene Ensembles, die sich charakteristischerweise aus Gongs (Hänge- und Liegegongs),Metallophonen, Xylophonen und Trommeln zusammensetzen. Hinzu treten vielfach noch der Gesangsowie entweder eine Spießgeige, eine Flöte oder eine Zither. Aus Kostengründen werden diverseInstrumente mitunter durch Bambusinstrumente ersetzt. Die zentralen Instrumente des Gamelan sindaber Gongs und metallene Platteninstrumente aus einer Art Bronzelegierung.

Ein Gamelan-Orchester kann insgesamt bis zu 75 Instrumente umfassen. Bei den Feierlichkeiten,insbesondere in Bali, kommen in der Regel neben dem großen Gamelan auch noch kleinere mit wenigenInstrumenten, die sogenannten gamelan sekati zum Einsatz. Sie werden in den zentralen Abschnittenreligiöser Zeremonien gespielt. Die schönsten Orchester befinden sich im Besitz der Kratons, d.h. derFürstenresidenzen, und heutzutage auch bei anderen reichen Musikliebhabern.

Die wichtigsten Instrumente des javanischen Gamelan

1. Gambang gansa (Xylophon)2. Gambang kayu (Xylophon)3. Bonang (Gongspiel)4. Gender (Metallophon)5. Saron barung (Metallophon)6. Saron demung (Metallophon)7. Saron slentem (Metallophon)8. Ketjer (Becken)9. Gong ageng (Hängegong)10. Kenong (Liegegong)11. Ketuk (Liegegong)12. Kempul (Hängegong)13. Tjiblon (Trommel)14. Kendang gending (Trommel)15. Tjlempung (Zither)16. Suling (Flöte)17. Rebab (Spießgeige)

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Funktion der einzelnen Instrumente

Kernmelodieträger: saron-Instrumente (saron barung, saron demung, saron slentem), das sindMetallophone mit Tasten, die auf einem Holztrog liegen. Diese Instrumente spielen die Kernmelodie imUnisono oder im Oktavabstand. Die bonang (auf Schnüren in einem hölzernen Rahmen ruhende Reihenkleiner Klangkessel) spielen ebenfalls die Kernmelodie, aber meist mit einzelnen Zwischentönenzwischen den Melodietönen. Zu den paraphrasierenden Instrumenten (also jenen, die die Kernmelodieausschmücken) zählen gender (Metallophone, deren Platten über abgestimmten Klangröhren aufgehängtsind), gambang (Xylophon) und tjlempung (Wölbbrettzither). Diese Instrumente sind relativ frei, siekönnen weitgehend improvisieren.

Neben diesen Instrumenten, die die Kernmelodie spielen oder diese ausschmücken, oder Akzentesetzen, gibt es Instrumente, die das Ende einer Phrase markieren (interpunktierende Funktion). JedeKernmelodie wird nämlich in Phrasen unterteilt, wobei die längsten Perioden durch einen Schlag auf dengong ageng (großer Hängegong) beendet werden. Jeder dieser Gongabschnitte ist unterteilt in eineAnzahl kürzerer Phrasen, die jeweils durch einen Schlag auf den heller klingenden kenong abgeschlossenwerden. Jeder kenong-Abschnitt wird sodann unterteilt durch Schläge auf den ketuk, ein Liegegong wieder kenong, aber etwas kleiner als dieser. Eine ähnliche Funktion wie der ketuk hat der kempul, einkleiner Hängegong. Mitunter wechseln sich ketuk und kempul ab.

Wären nur die bislang erwähnten Instrumente am Spiel beteiligt, könnteman von einer heterophonen Mehrstimmigkeit sprechen (Heterophonie:mehrere Musiker spielen das Gleiche, aber mit individuellenAbweichungen). Die folgenden Instrumente aber lassen die Gamelan-Musikzu einem polyphonen Gebilde werden: Die zweisaitige Spießgeige rebabund die Bambusflöte suling spielen eine von der Kernmelodie selbständigeMelodie. Die suling ist eine Außenspaltflöte, bei der der Luftstrom durcheinen Windkanal außerhalb des Rohres auf die Schneidekante geführt wird(siehe Abbildung). Eine Gegenmelodie zur Kernmelodie bringt auch dieSingstimme - sofern sie eingesetzt ist - zu Gehör.

Rhythmische Motive spielen die Trommeln. Es gibt zahlreiche

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Suling

Anschlagsarten, die jeweils ihren Namen haben, aber auch zahlreicheSchlagmuster, ebenfalls mit den dazugehörigen Bezeichnungen. Diekendang gending (eine Doppelkonustrommel) ist das Instrument desOrchesterleiters. Gewisse Spielfiguren werden von denOrchestermitgliedern als Spielanweisungen verstanden. Das Orchester wird also nicht visuell, wie daseuropäische Orchester, dirigiert, sondern auditiv. Die Orchesterleitung kann auch der Rebabspielerinnehaben.

Für den Gamelan wurden seit dem Ende des 19. Jh. diverse Notenschriften erfunden. Dabei geht esaber lediglich darum, das Wesentliche eines Stückes der Nachwelt zu überliefern. Nie wird nach Notengespielt.

Pelog und Slendro

Ein Gamelanorchester ist entweder auf slendro oder auf pelog gestimmt. Wir finden also pelog- undslendro-Gamelans. Große Orchester vereinigen in sich pelog und slendro. Die Melodieinstrumente sind indiesem Fall doppelt vertreten: in pelog- und in slendro-Stimmung. Pelog und slendro bestimmen nichtbloß das Tonsystem des Gamelan; sie haben für die Musik Javas, Balis und Sumatras allgemeinGültigkeit, abgesehen von den neueren und an westlichen Vorbildern orientierten Formen.

Beim slendro wird die Oktav in fünf gleich große Intervalle (240 Cent) geteilt. Wir bezeichnendies als äquipentatonik. Frequenzmessungen haben jedoch ergeben, dass die fünf Tonschritte nieganz gleich groß sind; man findet in der Regel zwei etwas größere und drei etwas kleinereIntervalle.

Hörbeispiel: Kleines Gamelan in slendro-Stimmung. Instrumente: Metallophone, 1 Xylophon, 2Trommeln, Liegegongs, Hängegong, 2 Fideln und Gesang. Quelle: Schallplatte Music from Sunda,Seite A, Nr. 2.

Die Materialleiter des pelog ist zwar eine siebenstufige, verwendet werden jedoch von den siebenstets nur fünf Töne. übertragen in die europäische Notenschrift haben wir es ungefähr mitfolgender Skala zu tun: a-b-c'-e'-f'-a' (somit eine Pentatonik mit Halbtönen). Im pelog kann jededer 5 Stufen Grundton eines pentatonischen Modus sein, sodass sich verschiedene Modi mitunterschiedlichem Charakter ergeben.

Hörbeispiel: Kleines Ensemble aus Sunda (Westjava) mit einer Flöte suling und zwei Zithernkacapi. Quelle: Schallplatte Sunda - Musique et chants traditionnels, Seite A, Nr. 1.

Die indonesischen Skalen im Vergleich mit der europäischen temperierten Skala:

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Wayang kulit

Wayang golek

Makrostruktur

Ein ganzes Gamelanstück (gending) unterteilt sich in die Einleitung (bebuka) und die eigentlicheKomposition (gending). In der Einleitung tritt eines der Instrumente besonders in den Vordergrund, unddanach wird die Einleitung auch benannt: bebuka bonang, bebuka kendang, bebuka rebab, bebukagender usw.). Die Einleitung führt in die Sphäre, Stimmung des nachfolgenden Stückes ein. Sie schließtmit einem Schlag auf den gong ageng; unmittelbar darauf folgt der gending. Der gending ist zweigeteiltin Vorder- und Nachsatz. Gegen Ende des Stückes steigt das Tempo des Spiels, kurz vor Schluss aberwird es stark zurückgenommen und das Stück endet mit einem Gongschlag.

Wayang

Die javanische wayang-Tradition umfasst Schattenfiguren-Aufführungen(wayang kulit), Stabpuppen-Aufführungen (wayang golek) und dasgetanzte Schauspiel mit Masken (wayang wong). Das Wort wayang hatdrei Bedeutungen: Geist, Schatten und Ahne. Die Geister der Ahnen,mythologische Helden, Götter und Dämonen werden gewissermaßen alsSchatten für das Publikum sichtbar.

Die Stoffe sind entweder der indischen oder der altjavanaischenSagenwelt entnommen. Die indischen Inhalte sind hauptsächlich dengroßen Heldengedichten Mahabharata und Ramayana entlehnt oder vonihnen inspiriert, die altjavanaischen haben gewöhnlich die Abenteuerdes Helden Pandji zum Inhalt.

Das Mahabharata entstand wie das Ramayana zwischen 300 v. Chr.und 200 n. Chr. in Indien und gelangte von dort nach Hinterindien undIndonesien, wo es seit dem 5. Jh. bekannt ist und den Stoff fürTheateraufführungen und den plastischen Schmuck an Profan- undKultbauten bildet. Den historischen Hintergrund bilden dievernichtenden Kämpfe um die Vormachtstellung zwischen zwei Zweigender indischen Bharata-Dynastie etwa im 9. Jahrhundert v. Chr. Es gehtum die Nachfolge auf dem Thron eines Königreiches. Unter denNachkommen des Königs Bharata entstehen Eifersucht und Kämpfe.Eine der zentralen Figuren ist Arjuna, ein Frauenliebling, der vergiftet,aber von den Göttern gerettet wird. Die Geschichte geht gut aus, dasBöse wird besiegt, die Liebenden finden sich. Das Mahabharata ist wiedas Ramayana ein vielschichtiges Werk, hinter dessen vordergründigemSchlachtgetümmel religiöse Botschaften stehen.

Ramayana, das überall in Südostasien populäre indische Nationalepos,basiert in einigen wesentlichen Teilen auf historischen Vorgängen des12. bis 10. Jahrhunderts v. Chr. Das Geschehen dreht sich um Intrigenam Königshof des Kosala-Stammes. Rama - eine Inkarnation desGottes Vishnu - sollte der neue König werden. Aber sein Stiefbruder

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Wayang wong

Bharata wird aufgrund einer Intrige zum König gekrönt. Rama geht mitseiner schönen Frau Sita zu Einsiedlern in den Wald. Von dort wird Sitanach Sri Lanka entführt. Ein Affenheer hilft Rama bei der Suche seinerFrau; er kann sie schließlich finden. Aber es ist nicht mehr wie vorher:Rama glaubt ihr nicht, dass sie sich ihrem Entführer nicht hingegebenhatte. Sita wird verbannt. Rama kehrt schließlich als Vishnu wieder inden Götterhimmel zurück.

Wayang kulit-Aufführungen finden zur Feier einer Geburt, einerHochzeit, zu Tempelfeiern, Festen der Danksagung oder der Reinigung,oder auch einfach zur Unterhaltung statt. Sie können die ganze Nachtdauern. Viele der hier erklingenden Stücke sind Repertoirestücke, diedem Publikum allgemein bekannt sind. Es gibt Stücke, denen mannachsagt, dass sie in die Zeit vor der Islamisierung (ab dem 14. Jh.)zurückreichen. Das in ganz Südostasien verbreitete Schattenspiel istvermutlich chinesischen Ursprungs.

Wörtlich übersetzt bedeutet wayang kulit "Schatten aus Leder". Dieflachen Figuren, deren Schatten auf der Leinwand zu sehen sind,werden aus Büffelhaut gefertigt und farbig bemalt. Ein gabelartiger Stab aus Horn oder Bambus verleihtihnen ihre aufrechte Haltung. Die Gesichter und Füße werden im Profil dargestellt, während der Körperfrontal gedreht ist. Schulter- und Ellenbogengelenk machen die Arme beweglich.

Als Bühne dient ein liegender Bananenstamm, in den der dahinter sitzende Spieler die Figuren, diegerade nicht gespielt werden, einsteckt. Die Leinwand ist ca. 2x1 m groß, erhellt vom Flackerscheineiner Kokosöl-Leuchte. Die Puppen sind 35-50 cm hoch und hinterlassen als Schatten einen bizarrenUmriss. Sie gehören dem Vorführer, dem dalang. Er bewegt nicht nur die Puppen, sondern rezitiertzudem die Geschichte. Zu den Geschicklichkeiten eines Schattenspielers zählen stimmlicheModulationsfähigkeit (ein guter dalang kann bis zu 200 unterschiedliche Stimmen klanglich darstellen),gute und sichere Figurenführung und sein Talent als Erzähler. Er ist eine Respektperson im Dorf, die beidiversen Problemen zu Rate gezogen werden kann. Der dalang kann bis zu 7 oder 8 Figuren gleichzeitigauftreten lassen; zwei Helfer stehen ihm zur Seite.

Die Zuschauer können sich aussuchen, ob sie vor der Bühne sitzen möchten um die Schatten zu sehen,oder auf der Seite des dalang mit Blick auf die farbig bemalten Figuren und die Musiker. Es gibtVorstellungen, wo das Publikum nach Geschlechtern geteilt wird; die Frauen bekommen in diesen Fällendie Schatten zu Gesicht.

Die Schatten der wayang-Figuren gelten als Erscheinungen der Seelen der dargestellten Gestalten. DieAufführungen dienten ursprünglich einer Kontaktaufnahme zwischen den Lebenden und den Ahnen undGöttern, wobei dem dalang die Rolle eines Mediums zukam. Bis heute sind viele wayang kulit-Vorführungen unmittelbar in das Kultgeschehen zu Ehren der dargestellen Götter integriert. Demgemäßist die Stellung des dalang in der Dorfgemeinschaft oft mit der eines Priesters vergleichbar.

Bei Theateraufführungen - Schattenspielen ebenso wie Puppenspielen und Tanztheatern - spielt dieGamelan-Musik eine wichtige Rolle. Die Musik betont die Stimmung der Figuren und erklärt ihreAktionen. Für die einzelnen Figuren des Theaters gibt es häufig Kennmelodien, die den Charakter derFigur verdeutlichen sollen. So kann das Publikum Figuren und Aktionen im Voraus erkennen. Es gibtverschiedene Tempi der Musik, jeweils mit dem ihnen eigenen Stimmungsgehalt. Ein eigenes Genrebildet die Begleitmusik für Bühnenkämpfe, die zum wesentlichen Bestand der Schauspiele gehören.

Videobeispiel: Wayang kulit. Ausschnitt aus dem Mahabharata-Epos. Quelle: JVC Video Anthology ofWorld Music and Dance, Southeast Asia IV, vol. 9: Indonesia 2, 2. Aufnahme. [VHSv 122].

Bali

Das Gamelanorchester ist charakteristisch für Zentral- und Ostjava sowie Bali. Das javanische undbalinesische Gamelan sind vom Klang her verschieden. Das balinesische Gamelan klingt härter, dieTempi sind generell schneller. Der härtere Klang hat mit der Verwendung unbelegter hölzerner stattwattierter Schlägel (wie dies in Java der Fall ist) zu tun. Die balinesische Musik ist auch stärkerinstrumental ausgerichtet. Die Bezeichnung der Instrumente des Gamelan ist z.T. nicht dieselbe wie inJava. Auch gibt es zusätzliche Instrumente. Typisch sind Becken, die ein lärmendes Geräusch erzeugen.

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Angklung

Calonarang ist ein balinesisches Tanzdrama, das am Jahrestag des Tempels der Toten aufgeführt wird.Es soll schwarze Magie abwehren, dient aber auch der Unterhaltung. Die Geschichte, die dargestelltwird, hat einen historischen Hintergrund. Es ist die Geschichte von Rangda, der Frau eines Königs vonBali im 11. Jh., die in den Wald verbannt wird, nachdem man sie der schwarzen Magie überführt hat.Von dort aus bringt sie Krankheit und Unheil über das Land, aus Rache dafür dass niemand ihre schöneTochter heiraten will. Schließlich heiratet der Sohn des Königs die schöne Tochter und findet heraus,woher die magischen Kräfte seiner Schwiegermutter rühren: Sie rezitiert heilige Mantras rückwärts. Nunbeginnt der Kampf des königlichen Heeres gegen Rangda's Heer, das sich aus bösen Geistern undDämonen zusammensetzt. Der König, dessen Heer zu unterliegen droht, bittet Barong, einmythologisches Tier, Mischung aus Löwe und Bär, um Hilfe. Am Ende besiegt Barong (das Gute) Rangda(das Böse). Die Barong- und Rangda-Maske werden auch heute noch als sakrale Objekte betrachtet,und bevor sie eingesetzt werden, besprengt sie ein Priester mit Weihwasser.

Videobeispiel: Calonarang-Aufführung mit Gamelan-Begleitung. Quelle: JVC Video Anthology of WorldMusic and Dance, Southeast Asia IV, vol. 9: Indonesia 1, 6. Aufnahme. [VHSv 121]

Eine besondere Spezialität der Musik Balis ist der kecak-Tanz. Vor malerischer Kulisse im Fackel- undScheinwerferlicht sitzen bis zu 200 Männer in einer Runde. Der Chor imitiert die Rhytmusinstrumentedes Gamelan. Es handelt sich somit um eine Art vokalen Gamelan, wobei die Männer unter Verwendungder Silben "ke" "cak" "ke" "cak" rhythmische Pattern vortragen, die zeitlich verschoben und somitineinander verzahnt sind. Inhaltlich geht es um die choreographische Darstellung zentraler Episoden desRamayana.

Im kecak-Tanz symbolisiert das durch Schreie und Zischen erweiterte Repertoire der Klangäußerungendas aufgeregte Durcheinander des Affenheeres, das dem Prinzen Rama bei der Befreiung seinergeraubten Frau Sita zur Seite steht. Deshalb wird der kecak-Tanz oft Tanz der Affen genannt. Danachwird noch ein legong (kunstvolle Tanzform mit exakt vorgegebener Körperhaltung und Schrittfolge) undein Trancetanz aufgeführt. Am Ende der Vorstellung bringt der Tempelpriester einige sakrale Opfer. Erbesprengt die Tänzer mit heiligem Wasser, um sie aus ihrem Trancezustand zu lösen. Der kecak-Tanzist heute insbesondere eine touristische Attraktion.

Videobeispiel: Kecak-Tanz; Beispiel aus dem Ramayana, Episode mit dem Affenkönig. Quelle: JVC VideoAnthology of World Music and Dance, Southeast Asia IV, vol. 9: Indonesia 2, 1. Aufnahme. [VHSv 122]

Sunda

Die Musikszene in Westjava (Sunda) unterscheidet sich vom übrigenJava. Sunda war bis ins 15. Jh. ein eigenständiges hinduistischesKönigreich mit einer eigenen Sprache und Kultur. Es wurde von denislamisierten Javanern unterworfen und kulturell überlagert, indem etwaan den neugeschaffenen Sultanshöfen Gamelanorchester eingesetztwurden. Aber bis heute sind Gamelans hier rar. Wir finden hingegenkleinere Ensemblebildungen.

Typisch für Sunda ist auch die Verwendung zahlreicherBambusinstrumente. Das bekannteste unter ihnen ist das angklung(lautmalerisch von "klung-klung"), ein Schüttelidiophon, das ausgestimmten Bambusröhren besteht, die in einem Bambusrahmenaufgehängt sind. Es kommt nahezu in allen Teilen des indonesischenArchipels vor und hat heute fast den Rang eines Nationalinstruments.Das angklung ist als Objekt indonesischen Kunsthandwerks auch imWesten bekannt.

Hörbeispiel: Indonesisches angklung-Ensemble, aufgenommen 1975 bei einem Festival in Frankreich.Quelle: Schallplatte Le groupe Angklung., Seite B, Nr.3.

Krontjong-Musik

Krontjong geht auf im 16. und 17. Jh. von den Portugiesen nach Java gebrachte portugiesischeVolksmusik zurück. Die kleinen krontjong-Ensembles bestehen in ihrer Grundbesetzung aus demkrontjong, das ist ein der hawaiianischen ukulele ähnliches Instrument, einer Gitarre, einem gezupftenVioloncello, Violine und Flöte. Dazu wird meist gesungen. Krontjong-Musik ist in Indonesien äußerst

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populär und nähert sich heute vielfach etwas an die Gamelanmusik an, etwa in bestimmtenGesangsphrasen, die sehr an den Gesang im Gamelan erinnern, aber auch im Tonsystem, indem ausdiatonischen Skalen fünf Töne ausgewählt werden und damit Assoziationen mit Pelog-Skalen entstehen.Durch kleine subtile Änderungen wird so ein einstmals fremder Stil allmählich an die lokale Ästhetikangepasst und letztendlich als etwas Eigenes wahrgenommen.

Hörbeispiel: "Pulan purnama" ("Vollmond"). Quelle: Schallplatte Krontjong Music from Indonesia. SeiteA, Nr.4.

Quellen

JVC Video Anthology of World Music and Dance, Southeast Asia IV, vol. 9: Indonesia 1. [VHSv 121] JVC Video Anthology of World Music and Dance, Southeast Asia IV, vol. 9: Indonesia 2. [VHSv 122] Schallplatte Music from Sunda, West Java. Philips 6586031. (UNESCO Collection Musical Sources) [SV619] Schallplatte Sunda - Musique et chants traditionnels. Ocora 558502. [SV 645] Schallplatte L'Indonesie - Le groupe Angklung. Arion ARN 33353. [SV 734] Schallplatte Krontjong Music from Indonesia. Philips 831229PY. [SV 1070]