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Volker Graf Informationssysteme im humanitären Projektmanagement Informationssysteme im humanitären Projektmanagement Diplomarbeit im Fach Informatik an der Fakultät für Informatik der Universität Ulm vorgelegt von: Volker-Alexander Graf 1. Gutachter: Prof. Dr. Dr. Franz Schweiggert, Universität Ulm 2. Gutachter: Prof. Dr. Andreas Meier, Universität Fribourg 2000 1

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Volker Graf Informationssysteme im humanitären Projektmanagement

Informationssysteme im humanitären Projektmanagement

Diplomarbeit im Fach Informatikan der Fakultät für Informatik der Universität Ulm

vorgelegt von:

Volker−Alexander Graf

1. Gutachter: Prof. Dr. Dr. Franz Schweiggert, Universität Ulm2. Gutachter: Prof. Dr. Andreas Meier, Universität Fribourg

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Inhaltsverzeichnis1 Vorwort...............................................................................................................................42 Einleitung............................................................................................................................5

2.1 Problemstellung...........................................................................................................52.2 Zielsetzung..................................................................................................................52.3 Vorgehensweise..........................................................................................................6

3 Das Phänomen Hilfsorganisation.........................................................................................73.1 Hilfsorganisationen und ihre Ziele.................................................................................7

3.1.1 Die Hilfsorganisation als Non−Profit−Unternehmen ..............................................93.1.2 Unterschiede zu Profitunternehmen und öffentlichen Einrichtungen....................113.1.3 Auswirkungen auf den Nonprofit−Bereich...........................................................133.1.4 Das Mandat von Hilfsorganisationen...................................................................16

3.2 Hilfsorganisationen im Rahmen dieser Diplomarbeit...................................................173.2.1 ADRA Albania....................................................................................................203.2.2 Caritas Schweiz.................................................................................................21

3.3 Zwischen Ideal und Wirklichkeit.................................................................................234 Projektmanagement bei Hilfsorganisationen.......................................................................28

4.1 Über Projekte.............................................................................................................284.2 Institutionale Selbstentwicklung durch Projektarbeit....................................................304.3 Das Management von Projekten................................................................................324.4 Die Organisation von Projekten..................................................................................344.5 Humanitäre Projektplanung bei Hilfsorganisationen....................................................374.6 Der Projektzyklus.......................................................................................................38

4.6.1 Die Entwurfphase...............................................................................................414.6.2 Die Planungsphase............................................................................................424.6.3 Die Implementierungsphase...............................................................................434.6.4 Die Terminierungsphase....................................................................................44

5 Informationssysteme im humanitären Projektmanagement.................................................455.1 Informationsbedarf in der Entwicklungszusammenarbeit.............................................45

5.1.1 Software im Projektmanagement bei Spenderbüros............................................475.1.2 Software im Projektmanagement bei Koordinationsbüros....................................52

5.2 Erfolg verwendeter Software in Bezug auf Informationsbedarf....................................576 Vorschläge für eine effektivere Informationsverwertung......................................................62

6.1 Projekterfahrungssysteme..........................................................................................636.2 Shared Institutional Memory System..........................................................................65

7 Zusammenfassung............................................................................................................77Glossar..................................................................................................................................79

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1 Vorwort

Die vorliegende Diplomarbeit ist formal für den Informatik−Studiengang an der Universität Ulmverfasst worden, wurde aber de facto in der Schweiz an der Universität Fribourg geschrieben.Die beiden Hauptgründe für diese Entscheidung waren zum einen die Thematik (grobumschrieben Informatik und Hilfsorganisationen), die in dieser Form unter den in Fragekommenden Universitäten nur an der Universität Fribourg vorzufinden war. Zum anderenerschien es als sinnvoll, die Arbeit gewissermassen vor Ort durchzuführen, da neben Betreuernmit entsprechender Erfahrung in diesem Bereich ebenfalls bessere Möglichkeiten bestanden,um mit Hilfsorganisationen in Kontakt zu treten.

An dieser Stelle möchte ich den zahlreichen engagierten Mitarbeitern von Hilfsorganisationenund Entwicklungshilfe− sowie Informatik−Unternehmen danken, ohne welche die Diplomarbeitdiesen Umfang nicht hätte erreichen können. Ich hoffe, auch ihnen durch das Zusammentragender enthaltenen Informationen einen nützlichen Dienst erwiesen zu haben.

Als kleine Formalität am Rande möchte ich noch darauf hinweisen, dass bei der Bezeichnungvon Stellen (wie z.B. Projektleiter) grammatikalisch durchgängig die maskuline Form verwendetwird. Dies bezieht sich aber generell auf die Funktion der Arbeitsposition und schliesst somiteine Besetzung dieser Stelle weder durch eine weibliche, noch durch eine männliche Personaus. Ich bin der Überzeugung, dass beide Geschlechter jeweils ihre eigenen Vorzüge habenund diese ergänzend im humanitären Arbeitsfeld mit Erfolg einsetzen können.

Fribourg, im Dezember 2000

___________________Volker Graf

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2 Einleitung

2.1 Problemstellung

In den letzten Jahren hat sich sowohl bei Naturkatastrophen als auch bei bewaffnetenKonflikten ein stetiger Zuwachs bei der Anzahl der betroffenen Zivilisten abgezeichnet. Diegrössere Dimension und dadurch zunehmende Komplexität von derartigen Krisensituationenhat viele humanitäre Hilfsorganisationen vor neue Probleme gestellt, die hauptsächlich in Formvon Organisations− und Koordinationsschwierigkeiten, mangelnder Effizienz und hohemVerwaltungsaufwand in Erscheinung getreten sind.Da humanitäre Hilfsarbeit insbesondere im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit undKatastrophenvorbereitung meist projektbasiert abläuft und in der profitorientierten Wirtschaftbereits seit einigen Jahrzehnten Computersysteme die Durchführung von Projekten unter−stützen, stellt sich die Frage, inwieweit humanitäre Organisationen heutzutage Gebrauch vondieser Technologie machen, und ob sie diese mit dem gleichen Erfolg einsetzen.

2.2 Zielsetzung

Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll ein Einblick in den aktuellen Einsatz von computerbasiertenSystemen in der Projektarbeit humanitärer Organisationen gewonnen werden. Dabei wird keinevollständig detaillierte Marktanalyse, die innerhalb des für die Diplomarbeit vorgesehenenZeitrahmens auch nicht durchführbar gewesen wäre, sondern vielmehr eine grober Überblicküber die allgemeine Lage bei einigen etablierten national und international tätigen Hilfswerkenund etwaige Komplikationen angestrebt. Mit dieser Arbeit soll es Mitarbeitern bei sowohlHilfsorganisationen als auch auf den humanitären Bereich spezialisierten Informatik−Unter−nehmen sowie sonstigen Interessierten erleichtert werden, einen Überblick über die Arbeits−weise im humanitären Projektmanagement zu bekommen.Diese Diplomarbeit ist in zwei Bereiche gegliedert. Der erste Bereich behandelt theoretischeAspekte wie die Unterschiede zwischen Profitunternehmen und humanitären Hilfsorganisa−tionen (Kapitel 3) und nimmt eine Beleuchtung des Projektmanagements unter humanitärenGesichtspunkten (Kapitel 4) vor. Der zweite Bereich beschreibt die aktuelle Situation desEinsatzes von Informationssystemen im humanitären Projektmanagement in der Praxis anhandvon Fallbeispielen (Kapitel 5) und wartet mit der Modellierung eines Lösungsvorschlags fürbeobachtete Probleme auf (Kapitel 6). In diesen vier Abschnitten werden jeweils die folgendenFragestellungen behandelt:

1. Wodurch unterscheiden sich Hilfsorganisationen von Profit−Unternehmen und öffentlichenEinrichtungen?Diese Frage soll ein grundlegendes Verständnis sowohl über die wirtschaftlichen, politischenund sozialen Aspekte, als auch die Ziele, Funktionsweisen und Konzepte von Hilfsorganisa−tionen verschaffen.

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2. Wie wird Projektmanagement im humanitären Bereich durchgeführt?Hier soll der Informationsbedarf erarbeitet werden, der im humanitären Projektmanagementzum Tragen kommt. Dies ist wichtig für die nachfolgenden Überlegungen zum Einsatz vonInformationssystemen in diesem Bereich.

3. In welchem Umfang und mit welchem Erfolg werden Informationssysteme im humanitärenProjektmanagement eingesetzt?Mit dieser Frage soll untersucht werden, ob Hilfsorganisationen heutzutage aus computer−gestützter Informationstechnologie den gleichen Nutzen ziehen wie Profitunternehmen, undwenn nicht, warum dies so ist. Wegen der zeitlichen Begrenzung der Arbeit konnte hierkeine vollständige Marktanalyse vorgenommen werden. Es werden daher ein paar typischeHilfsorganisationen als Fallbeispiele analysiert.

4. In welchen Bereichen des humanitären Projektmanagements lässt sich der Einsatz vonInformationssystemen noch gezielt verbessern?Dieser Abschnitt enthält Gedanken zu häufig angetroffenen Problemen im computerge−stützten humanitären Projektmanagement, sowie einige Lösungsvorschläge.

2.3 Vorgehensweise

Der Inhalt für den theoretischen Teil der Diplomarbeit wurde hauptsächlich durch Literaturstu−dium und Internet−Recherche erarbeitet. Während es im Wirtschaftsbereich ein umfangreichesAngebot an Literatur sowohl zur Disziplin des Projektmanagements als auch zu den Unter−schieden von Profitunternehmen und Nonprofitorganisationen gibt, war es eher schwierig,nachhaltige Werke in Bezug auf humanitäre Hilfsorganisationen und ihre spezifischen Bedürf−nisse und Eigenschaften zu finden.Aus diesem Grund war es unerlässlich, insbesondere im praktischen Teil, ausgewählte Hilfsor−ganisationen direkt anzugehen und durch Interviews mit Experten (Informatik−Fachleuten vonHilfsorganisationen und relatierten Software−Unternehmen sowie Leitern humanitärer Projekte)die benötigten Informationen zu sammeln. In einigen Fällen liess sich dies wegen der Entfer−nung nur telefonisch oder per E−Mail bewerkstelligen, in anderen Fällen war es möglich, unmit−telbar vor Ort Einblick in die alltägliche Arbeitsweise mit Informationssystemen zu bekommen.

Darüber hinaus greift der Autor ausserdem auf seinen Erfahrungsschatz zurück, den er alsFreiwilliger im Sommer/Herbst 1999 bei einem dreimonatigen humanitären Einsatz in Albanienvollzogen hat, und wo er die Gelegenheit hatte, in Tirana bei verschiedenen Hilfsorganisationeneinen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

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3 Das Phänomen Hilfsorganisation

In den letzten Jahrzehnten sind aufgrund der ansteigenden Berichterstattung aus Katastro−phen− und Krisengebieten durch Presse, Radio und Fernsehen nicht nur die Täter und Opferstärker ins Rampenlicht der Nachrichten gerückt, sondern auch diejenigen Institutionen, dieversuchen, das Leid der Betroffenen zu lindern. Die zunehmende Anzahl von Naturkatastro−phen und die steigende Brutalität gegenüber Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten stelltimmer höhere Anforderungen an Hilfswerke und humanitäre Organisationen.Bevor genauer darauf eingegangen wird, in welchem Ausmass computergestützte Informati−onssysteme bei Projekten in Hilfsorganisationen eingesetzt werden, sollen kurz die Ziele vonHilfsorganisationen aufgezeigt, ihre Unterschiede im Vergleich zu anderen Institutionen undUnternehmen verdeutlicht und ihre aktuelle Stellung in der Gesellschaft beschrieben werden.

3.1 Hilfsorganisationen und ihre Ziele

Humanitäre Organisationen oder auch Hilfsorganisationen (diese beiden Begriffe werden imFolgenden synonym verwendet) sind private Dienstleistungsunternehmen, deren Ziel es ist,nicht die Gewinne der Mitarbeiter zu maximieren, sondern ausschliesslich ihre selbst gewählteAufgabe zu erfüllen. Diese besteht in der Regel darin, bedürftigen Bevölkerungsgruppen zuhelfen. Sie können sowohl national als auch international aktiv sein. Auf internationaler Ebenelassen sich ihre Tätigkeiten in folgende zwei Gruppen einteilen:

• Humanitäre Soforthilfe

• Entwicklungszusammenarbeit

Humanitäre Soforthilfe (disaster response) wird, wie der Name andeutet, kurzfristig geleistetund hilft Opfern von sowohl Naturkatastrophen (Überschwemmungen, Erdbeben, Wirbelstürmeetc.) als auch bewaffneter Konflikte, sowohl national als auch international. Diese Art von Hilfezielt primär darauf ab, das Überleben der Betroffenen zu sichern.Entwicklungszusammenarbeit (development cooperation) hingegen ist ausschliesslich interna−tional und wird langfristig, in der Regel über mehrere Jahre hinweg, geleistet. Häufig wird sienach einer Krise durchgeführt, um Kapazitäten zu schaffen, damit die Hilfswerke des betrof−fenen Landes einer erneuten Krise der gleichen Art besser gewachsen sind. Sie dient aberauch dazu, die Lebensbedingungen von Notleidenden und in Armut lebenden Menschen zuverbessern.Allein schon durch die verschiedenen Zeitrahmen, in denen sich die Soforthilfe und dieEntwicklungszusammenarbeit bewegen, ist Anlass zu zahlreichen Unterschieden. Im Krisenfallgilt es, einen akut entstandenen Bedarf von teilweise immensem Ausmass (mehrere Hundert−tausend Menschen) möglichst schnell zu decken, um das Hinzukommen weiterer Opfer einzu−schränken. Humanitäre Soforthilfe ist sehr stark von Unsicherheit, Unabsehbarkeit und Verän−derlichkeit geprägt. Es dauert seine Zeit, bis man genügend Informationen für einen Überblicküber die Situation gesammelt hat. Wenn man Menschenleben retten oder grösseres Leidenvermeiden will, kann man in der Regel aber nicht lange warten. In bewaffneten Konfliktenkommt die politische Instabilität noch als zusätzliches Hindernis hinzu.

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Die Entwicklungszusammenarbeit unterliegt diesem Zeitdruck nicht. Sie wird erst durchgeführt,wenn akute Krisen beendet sind und wenn eine gewisse Stabilität eingetreten ist, die es erlaubt,die langfristigen Bedürfnisse einer Bevölkerungsgruppe zu erkennen und mit dieser Bevölke−rungsgruppe daran zu arbeiten. Auf nationaler Ebene unterscheiden sich die Tätigkeitsfelder von humanitären Hilfsorganisa−tionen zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen. In beiden Fällen kommt hinzu,dass Hilfsorganisationen zusätzlich Aufgaben im Sozial− und Gesundheitsbereich übernehmen(medizinische Untersuchungen und Vorsorge, Pflegedienste, Impfungen, Blutspenden etc.).Während jedoch in Entwicklungsländern die Entwicklungszusammenarbeit von Hilfsorganisa−tionen durchgeführt wird, haben ihre Vertretungen in den (als entwickelt geltenden) Industriena−tionen die Aufgabe, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, um Spendengelder zu erwirtschaften, diewiederum die Entwicklungszusammenarbeit finanzieren.

Die Organisationsstrukturen von humanitären Organisationen lassen sich national und interna−tional betrachten. In Mitteleuropa findet sich meist ein Drei−Stufen−Modell, bestehend aus:

� lokalen Einheiten auf Bezirks−/Kreisebene� landesweiten/kantonalen Stellen� einer bundesweiten/nationalen Dachorganisation

Typische Beispiele für eine derartige Struktur in vielen europäischen Ländern sind die Caritasund das Rote Kreuz (die Ortsstelle des Roten Kreuzes in Neu−Ulm gehört zum BayerischenRoten Kreuz, das wiederum dem Dachverband Deutsches Rotes Kreuz angehört). Die Aufglie−derung in dezentrale Einheiten dient einer besseren Klientennähe und Flächendeckung. Aller−dings erfordert dieses Drei−Stufen−Modell auch eine sinnvolle Aufteilung der Aufgaben undVerantwortlichkeiten, damit die übergeordnete Gesamtkoordination gewährleistet ist ([NPO1999], S. 26).Auf internationaler Ebene findet sich bei weltweit tätigen Hilfsorganisationen ebenfalls ein Drei−Stufen−Modell, in dem

� nationale Landesgesellschaften� regionale Koordinationsbüros � eine weltweite Zentrale

vorkommen. Zum Beispiel ist ADRA Albania dem Koordinationsbüro "Trans European Region"zugeordnet, das zahlreiche Länder Osteuropas und des Nahen Ostens umfasst. Weltweit sindalle ADRA Landesgesellschaften dem ADRA International Headquarters untergeordnet ([ADRA1998], S. C−10ff). Das International Committee of the Red Cross (ICRC) ist ähnlich organisiert.Eine derartige Struktur gibt zwar eine hierarchische Ordnung wieder, in der Praxis arbeiten dieStellen auf den mittleren und unteren Stufe jedoch weitgehend autonom und unabhängig. DieGrundsätze, das Mandat und die Gesamtstrategie der Organisation wird von der Zentralevorgegeben. Die Finanzierung der nationalen Aktivitäten (Zuweisung von Spendengeldern) imBereich der Entwicklungszusammenarbeit wird auf regionaler Ebene koordiniert. Die Landes−gesellschaften übernehmen die Spendensammlung (in den Industrienationen) oder die Durch−führung der Aktivitäten.

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3.1.1 Die Hilfsorganisation als Non−Profit−Unternehmen

Wirtschaftlich gesehen sind humanitäre Organisationen eine Unterkategorie der Non−Profit−Organisationen (NPO) und somit dem sogenannten "Dritten Sektor" zugeordnet. Während dererste Sektor die privatwirtschaftlichen und profitorientierten Unternehmen und Firmen umfasst,deckt der zweite Sektor alle staatlichen Stellen und öffentlichen Behörden ab. Letztere geltenan sich auch nicht als profitorientiert (im Sinne des Einkommens der Mitarbeiter), sonderndienen dem Staat bzw. der Gesellschaft als Ganzes. Zum dritten Sektor schliesslich zählen allenicht−profit−orientierten Dienstleistungsunternehmen und Organisationen wie z.B. Vereine,Verbände, Kammern, Wohlfahrtseinrichtungen (im Gesundheits− und Sozialbereich), Kirchen,Parteien, Clubs und eben auch karitative Organisationen ([NPO 1999], S. 19ff).Das Verbands−Management−Institut (VMI) der Universität Fribourg betrachtet formal alsNonprofit−Organisationen alle wirtschaftlich zwischen dem Staat und erwerbswirtschaftlichenUnternehmungen angesiedelten Institutionen, die

� von Privatpersonen in der juristischen Form als Verein, Stiftung oder Selbstverwaltungskör−perschaft getragen werden

� als Auftrag die Erbringung spezifischer Leistungen zur Deckung eines bestimmten Bedarfshaben

� Leistungen entweder an ihre Mitglieder in Form von Selbsthilfe oder an Dritte in Form vonHilfe, Unterstützung oder Förderung aufgrund eines ethisch begründeten Auftrages geben

� Interessen ihrer Mitglieder oder Klienten anderen Organisationen gegenüber vertreten� Wirkungen und Vorteile für einzelne Personen und ganze Bevölkerungsgruppen erzeugen� ehrenamtlich geführt werden und in vielen Fällen Teile ihrer Leistung durch Freiwilligenarbeit

erbringen.

Für das Entstehen und die Durchsetzung von Nonprofit−Organisationen in bestimmten wirt−schaftlichen Bereichen werden im Allgemeinen drei Ursachen verantwortlich gemacht:

1. das Marktversagen2. das Politikversagen3. die Mitarbeiterselektion

In traditionellen Märkten geht man davon aus, dass die Qualität eines Produkts vom Kundenbeurteilt werden kann, der sowohl die Ware bezahlt und sie danach auch verwendet ([OSTER1995], S. 18). Somit wirkt sich die Qualität des Produkts direkt auf die Behauptung desselbigenauf dem Markt aus. Nonprofit−Organisationen (und Hilfsorganisationen in diesem Zusammen−hang ganz besonders) erbringen Leistungen, die entweder nur schwierig zu bewerten sind oderganz anderen Menschen zu Gute kommen als denjenigen, die dafür bezahlt haben. EinHersteller könnte in einer solchen Situation ein Produkt verkaufen, dessen tatsächlicher Wertunter dem angegebenen Betrag liegt um seinen Profit zu maximieren, ohne dass der Kundedies merkt. Durch diesen Betrug würde der Hersteller seiner Pflicht im Rahmen des Kaufver−trags nicht gerecht werden (contract failure), was in Bereichen, wo die Bewertung vonProdukten oder Leistungen ohnehin kompliziert oder gar unmöglich ist, zwangsläufig zu Miss−trauen seitens des Kunden führt. Der Kunde sucht sich daher andere Möglichkeiten um sicher−zustellen, dass der Handelspartner seinen Verpflichtungen im Rahmen des Kaufvertrags nach−kommt. Wegen des Ausschlusses der Selbstbereicherung durch oben genannte Verfügungs−einschränkung (nondistribution constraint) geniessen Nonprofit−Organisationen ein höheres

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Ansehen und Vertrauen, und können sich dadurch in entsprechend kritischen Marktbereichenbesser behaupten:

"Contract failure theories emphasize the development of nonprofits in sectors in whichtrust and reputations are important." ([OSTER 1995], S. 19)

Auch der öffentliche Sektor (der Staat) übernimmt die Erbringung von schwer zu bewertendenLeistungen und stellt somit eine Alternative zu Nonprofit−Organisationen dar. Der Staat finan−ziert sich mit Steuern und Abgaben und setzt auf das Vertrauen des Bürgers in die Ideologieder Regierung, während Nonprofit−Organisationen im weitesten Sinne sich aus Spendengel−dern finanzieren und durch ihre Mitarbeiter und Statuten Vertrauen schaffen. In neuerer Zeitzeigt sich jedoch, dass Nonprofit−Organisation Produkte und Dienstleistungen des öffentlichenSektors zunehmend ergänzen oder vollständig ersetzen. Dies geschieht bevorzugt in Berei−chen, wo der Bürger den Bedarf durch die Aktivitäten des Staates nicht gedeckt sieht (publicfailure). Während der Staat Dienstleistungen in einem Grad erbringt, wie sie vom "durchschnitt−lichen" Wähler gefordert werden, befasst sich der Nonprofit−Bereich mit den speziellen Bedürf−nissen der Bevölkerung oder von Teilen der Bevölkerung (vgl. [LUNG 1999], S. 44). Dadurchhat der Nonprofit−Bereich zusätzlich eine politisch stabilisierende Rolle. Durch geringerenVerwaltungsaufwand und niedrigere Arbeitskosten (nicht zuletzt wegen des Einsatzes von Frei−willigenarbeit) haben Nonprofit−Organisationen die Möglichkeit, die gleiche Leistung wie öffent−liche Einrichtungen zu einem niedrigeren Preis anzubieten und somit attraktiver und wettbe−werbsfähiger.Ein dritter Grund für die Entstehung des Dritten Sektors liegt in der Lebenseinstellung seinerArbeitskräfte. Hier findet quasi eine natürliche Selektion statt (worker sorting). Menschen, dieauf materiellen und wirtschaftlichen Gewinn aus sind, bewegen sich beruflich hauptsächlich imProfitbereich, da dieser ihnen bessere Chancen bietet, ihre Bedürfnisse zu decken ([OSTER1995], S. 20). Deren Hauptkriterien − wirtschaftliche Interessen, Karriereziele, Weiterkommen,Egoismus, Leistungsdenken und Erfolg − stehen in den helfenden Berufen (wie Lung siebezeichnet) jene von Sinnsuche, stillem Protest an der Technokratie, Menschlichkeit und wenigFortschrittsgläubigkeit gegenüber ([LUNG 1999], S. 13). Andererseits bieten offensichtlich auchstaatliche und öffentliche Einrichtungen mit ihren bürokratischen Strukturen nicht diegewünschten Möglichkeiten wie es die Nonprofit−Organisationen tun, um die verschiedenenBedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu decken. An dieser Stelle sei es dahingestellt, inwieweit nebeneinem guten Mass an Idealismus und Selbstaufopferung zusätzlich noch Selbstzufriedenheitund Narzissmus dazugehören, wie Lung behauptet, um einen helfenden Beruf zu ergreifen.Ebenso lässt sich über die mangelnde Fortschrittsgläubigkeit streiten: wäre kein Glaube anFortschritt vorhanden, wäre jeder Versuch überflüssig, durch persönliches Mitwirken eineVerbesserung im sozialen Bereich herbeizuführen − Fortschritt muss nicht zwangsläufig techni−scher Natur sein.

Unbestritten ist jedoch die Tatsache, dass der Nonprofit−Bereich zwangsläufig eine andereideologische Einstellung haben muss als der Profitbereich. Nur so kann er diejenigen in seinemsozialen Netz auffangen, die aus der Leistungsgesellschaft herausgefallen sind, weil sie (nachder in ihr herrschenden Vorstellung) keinen produktiven Beitrag leisten und keine Profiteerhöhen. Durch die Verkörperung gewisser Ideale zieht der Nonprofit−Bereich einenbestimmten Kreis von Menschen an. Das sind diejenigen, die sich mit diesen Idealen identifi−zieren und deshalb für Aufgaben in diesem Bereich besonders motiviert sind. Für solche Mitar−beiter ist ihre Tätigkeit oft eher Berufung als Beruf.

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3.1.2 Unterschiede zu Profitunternehmen und öffentlichen Einrichtungen

Mit ihrer Zugehörigkeit zum Dritten Sektor gehen für humanitäre Organisationen einige wirt−schaftliche Eigenschaften einher, die sie deutlich vom Profit−Bereich einerseits, aber auch vomÖffentlichen Sektor andererseits abgrenzen. Um einen groben Überblick zu geben sind diewesentlichen Unterschiede zwischen den drei Marktsektoren vereinfacht in Tabelle 3.1 darge−stellt (in Anlehnung an [NPO 1999], S. 25):

Sektor Marktwirtschaft (1) Öffentlicher Sektor (2) Dritter Sektor (3)

Institutionen PrivatwirtschaftlicheUnternehmen

Staatliche Einrichtungen Nonprofit−Organisationen

Steuerung Markt Politik Träger/Organe, Nicht−Markt

Ziel Profit Gemeinwohl Hilfe, Förderung

Leistung individuell,gegen Bezahlung

kollektiv,gegen Pflichterfüllung

individuell und kollektiv,teils kostenlos und an Dritte

Finanzierung Umsatz, Preisfinanzierung Steuern, Abgaben Beiträge, Spenden,Subventionen

Alternativen Konkurrenz (Qualität, Preis) Monopol, Nutzungszwang oft Nutzungszwang,teils Konkurrenz (Qualität)

Tabelle 3.1: Wesentliche Unterschiede der drei Wirtschaftssektoren

Das wichtigste Kriterium für den Profit−Bereich ist sicherlich die Marktsituation: ein Kundenimmt eine Leistung (z.B. in Form eines Produkts oder eines Dienstes) in Anspruch, die voneinem Wirtschaftsunternehmen persönlich für ihn erbracht wird (Individualgut) und die er miteiner Gegenleistung − in der Regel mit Geld − bezahlt. Privatwirtschaftliche Unternehmenunterliegen somit der Steuerung durch den Markt ([NPO 1999], S. 23ff).Die Situation im öffentlichen Bereich unterscheidet sich dahingehend, dass die Leistung zumeinen nicht individuell sondern für die gesamte Bevölkerung erbracht wird (Kollektivgut), dafüraber auch von allen − meist in der Form von Steuern und Abgaben − finanziert wird. ÖffentlicheEinrichtungen unterliegen der Steuerung durch die Politik. Der Bürger hat in diesem Fall nursehr eingeschränkt die Möglichkeit, die Leistung auszuwählen, die er finanziell unterstützenmöchte.Nonprofit−Organisationen nehmen eine Sonderposition ein: sie erbringen sowohl individuelle alsauch kollektive Leistungen, tun dies aber unter Steuerung durch ihre Träger und Organe sowieunter dem Einfluss des Nicht−Marktes. Dessen Kriterien sind die

1. unentgeltliche oder nicht−kostendeckende Erbringung von Leistungen2. Nicht−Identität zwischen Leistungsfinanzierer und Leistungsempfänger3. Produktion von Kollektivgütern, die einer Bevölkerungsgruppe zugute kommen, aber nicht

von allen Nutzniessern in dieser Bevölkerungsgruppe mitfinanziert werden.

Der zweite Punkt gilt besonders im humanitären Bereich, wo Leistungsfinanzierer (Spender)und Leistungsempfänger (Bedürftige) ganz offensichtlich nicht die gleichen sind. Klingebielbeschreibt dieses Phänomen im karitativen Marktsegment als Leistungsbezogenes Dreiecks−

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verhältnis. Die Beziehung zwischen den involvierten Parteien ist in Figur 3.1 skizziert (in Anleh−nung an [NPO 2000], S. 160):

Figur 3.1: Leistungsbezogenes Dreiecksverhältnis in karitativen Nonprofit−Organisationen

Wirtschaftlich gesehen lassen sich Profitunternehmen und Nonprofit−Organisationen darüberhinaus durch ihr Finanzierungsverhalten trennen. In den meisten Ländern sind Hilfsorganisa−tionen steuerlich begünstigt. Dafür werden ihnen aber auch gewisse Einschränkungen aufer−legt, was die Verwendung ihrer finanziellen Mittel anbelangt. Im Rahmen von Tätigkeitenerworbene finanzielle Überschüsse dürfen somit nicht an Führungskräfte oder Mitarbeiter derOrganisation verteilt werden (nondistribution constraint), was natürlich genau den finanziellenAnreiz, persönliche Profite zu erwirtschaften, ausser Kraft setzen soll ([OSTER 1995], S. 4ff).Ausserdem haben sie das Privileg, Spendengelder zu erwerben (fundraising) und damit einenTeil ihres Gesamtbudgets zu decken. Nonprofit−Organisationen haben auch noch andereEinnahmequellen in Form von staatlichen Subventionen oder Mitgliedsbeiträgen.Zusätzlich erwirtschaften sie ihr Einkommen teilweise durch mindestens kostendeckendenVerkauf von Produkten und Leistungen. Beispielsweise gibt es mittlerweile zahlreiche Online−Shops im Internet, bei denen man T−Shirts und Geschenkartikel (ADRA International) oderGrusskarten und Kalender (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF) kaufen kann.Daran wird deutlich, wie fliessend in der Realität die Grenzen der einzelnen Hilfsorganisationenin Bezug auf ihre wirtschaftliche Kategorisierung sein können. Häufig wirken unterschiedlicheSteuerungsmechanismen aus verschiedenen Sektoren gleichzeitig ([NPO 1999], S. 26).Nonprofit−Organisationen können aus diesem Grund ähnlich wie Profit−Unternehmen derökonomischen Steuerung durch Preisentwicklung und gegebenenfalls Marktversagen unter−worfen sein (vgl. [NPO 2000], S. 36ff).

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Leistungszusage

EinrichtungsträgerLeistungserbringer

Private Leistungs−/KostenträgerSpender, ehrenamtlicheMitarbeiter

ÖffentlicheKostenträgerStaatlicheSubventionierung

KlientenLeistungsempfänger

LeistungsbereitstellungMotivation zur Unterstützung

Leistungsfinanzierung

Leistungsnachfrage

Leistungswirtschaftlichkeit

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3.1.3 Auswirkungen auf den Nonprofit−Bereich

Nicht nur die wirtschaftlichen Steuerungsmechanismen sind ausschlaggebend für die Entwick−lung von Unternehmen und Organisationen, sondern auch die Elemente, aus denen sie letzt−endlich bestehen − ihre Mitarbeiter. Deren Motivation und damit ihre Bereitschaft zurLeistungsfähigkeit ist für Lung ein entscheidender Faktor für den Erfolg und die Überlebensfä−higkeit von Unternehmen und Organisationen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es im Profit−bereich und im Nonprofit−Bereich nicht nur Unterschiede, sondern sogar eine gegenläufigeEntwicklung gibt.Im Profitbereich ist der rein materielle Anreiz und die Aussicht auf Karriere sowie die unmittel−bare Abhängigkeit des unternehmerischen Erfolgs vom Einsatz des Einzelnen ausreichend, umbei den Mitarbeitern ein gewisses Leistungsdenken hervorzurufen ([LUNG 1999], S. 17). Imöffentlichen und im Nonprofit−Bereich ist dafür nicht die gleiche Grundlage geschaffen, da dieMitarbeiter die konkreten Erfolge ihrer Arbeit äusserlich nur schwer sehen können. Es handeltsich teilweise um langfristige Entwicklungsprozesse oder generell schwer zu beurteilendeZustände. Deshalb müssen die Mitarbeiter sich ständig selbst von innen heraus motivieren. Esfehlen ihnen äussere wirtschaftliche und menschliche Anreize, um die eigene Leistung zu stei−gern.Im öffentlichen Bereich kommt noch das Phänomen der Verbeamtung hinzu, begründet in derwirtschaftlichen Absicherung der Beamten, um das Risiko ihrer Bestechlichkeit in der Ausfüh−rung des hoheitlichen oder staatlichen Amtes zu verringern ([LUNG 1999], S. 16). All dies sindFaktoren, welche die Motivation beeinträchtigen und dadurch eine Entwicklung zu grössererEffektivität und Effizienz hemmen.

Dabei hat der Dritte Sektor in den letzten Jahrzehnten ein grösseres Wachstum vollzogen alsder privatwirtschaftliche Bereich ([NPO 2000], S. 15ff). Die Beschäftigung im Nonprofit−Bereichist in Ländern wie Belgien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Holland, Israel, Japanundden Vereinigten Staaten ist im Zeitraum von 1990−1995 etwa viermal so stark gestiegen wie inden übrigen Wirtschaftsbereichen. Die grössten Beschäftigungszuwächse innerhalb des DrittenSektors verzeichnen das Gesundheitswesen (40%) sowie die Sozialen Dienste (31%). Anheierbegründet dies zum einen mit der demographischen Entwicklung (u.a. Baby−Boom bei gleich−zeitig steigender Erwerbsquote der Frauen als Anlass für erhöhte Nachfrage an soziale Dienstewie z.B. Ganztagskindergärten), aber auch mit einer verstärkten Privatisierung staatlicherInstanzen. Die im Zuge technischen Fortschritts entstehenden neuen Märkte im Bereich Infor−mationswirtschaft, Kommunikationswesen, Finanzkapital, berufliche Weiterbildung, Gesundheitund im Sozialbereich haben ebenso zu diesem Wachstum beigetragen wie die zunehmendeMarktdurchdringung / Ökonomisierung des Dritten Sektors. Letztere wird durch den mit 58%relativ hohen Anteil belegt, den die von Nonprofit−Organisationen erhobenen Gebühren undLeistungsentgelte an der Finanzierung des Wachstums ausmachen ([NPO 2000], S. 20). Deröffentliche Sektor ist mit 34% beteiligt, was als die genannte Übertragung staatlicher Aufgaben−bereiche auf den Dritten Sektor interpretiert wird, während das Spendenaufkommen in diesemZeitraum für etwa 8% des Aufschwungs verantwortlich gemacht wird.Anheier folgert, dass der Dritte Sektor zwar wirtschaftlich gewachsen ist und an politischerBedeutung gewonnen hat, im Gegenzug jedoch an sozialer Einbettung und Milieugebundenheitverloren hat ([NPO 2000], S. 23). Dies belegen die stagnierenden Zahlen bei der Ehrenamtlich−keit und dem Spendenaufkommen, die beide Ursachen sind für den ständig steigenden finan−ziellen Druck, dem sich der Nonprofit−Bereich stellen muss (vgl. [LUNG 1999], S. 22).

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Durch die Expansion des Dritten Sektors hat auch die Politik sein Leistungspotential in Wirt−schaft und Gesellschaft erkannt und versucht deshalb, ihn für ihre Zwecke einzusetzen. Badeltgibt in ([NPO 2000], S. 31ff) einen Überblick über die verschiedenen wirtschafts− und sozialpo−litischen Ansprüche, welche Regierungen an Nonprofit−Organisationen stellen. Er kommt zudem Schluss, dass einige davon in sich widersprüchlich sind und somit die Gefahr in sichbergen, zu einem Dilemma für den Dritten Sektor werden. Im folgenden wird einige dieserAnsprüche kurz erwähnt.Sozialpolitisch gesehen nehmen Nonprofit−Organisationen immer häufiger die Interessen vonsonst nicht in politischen Strukturen vertretenen sozialen Gruppen wahr. Sie sollen ebenfallseine wesentliche Rolle in der sozialen Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen errei−chen, um deren soziale Ausgrenzung zu vermeiden ([NPO 2000], S. 47ff). Im Bereich der Wirtschaftspolitik nennt Badelt unter anderem die Übernahme staatlicherAufgaben, die Effizienzsteigerung im Nonprofit−Bereich und die Schaffung von Arbeitsplätzen([NPO 2000], S. 38ff). Diese Erwartungen an den Dritten Sektor verfolgen Ziele wie Privatisie−rung ohne Kommerzialisierung unter Beibehaltung der sozialen, kulturellen und politischenInteressen oder eine scheinbare Rationalisierung des Staatsapparates. Wenn Nonprofit−Orga−nisationen in weiten Bereichen Aufgaben vom öffentlichen Bereich übernehmen, geht es jedochhäufig eher um eine Ergänzung des staatlichen Engagements, als um einen Ersatz. Sieerhalten den Auftrag vom Staat, als implementierende Kraft zu wirken und werden dafür finan−ziell subventioniert ([OSTER 1995], S. 20).Abhängig von ihrem Ausmass unterwirft diese Subventionierung das Nonprofit−Unternehmenmehr oder weniger stark der staatlichen Kontrolle. Eine Vorgabe, welche die Politik auf dieserGrundlage macht, ist die der Effizienzsteigerung. Realisiert durch die Forderung nach neuenAufgaben bei gleichzeitig kleinerem oder kaum wachsendem Budget, sorgt dies bei Nonprofit−Organisationen für die Herausforderung, betriebswirtschaftliche Managementprinzipien zuübernehmen, um sparsamer wirtschaften zu können ([NPO 2000], S. 41).Zudem gibt es die Forderung nach einer Verbesserung der inner− und ausserbetrieblichenKontrolle von Nonprofit−Organisationen, um das vielerorts vorgeworfene Kontrollversagen undden damit verbundenen Verlust finanzieller Mittel in den Griff zu bekommen. Diese Forderungist kaum verwunderlich, wenn man die Tatsache bedenkt, dass Erfolge im sozialen Bereichmeist sehr schwierig zu messen sind. Letzteres wirkt sich nicht nur auf die Motivation derMitarbeiter aus, sondern erschwert es den Nonprofit−Organisationen auch, in der Gesellschaftakzeptiert zu werden. Der Dritte Sektor schafft es laut Lung nicht, seine Fähigkeiten und seinPotential in Bezug auf Kostenvermeidung (gerade auch im Gesundheitssektor) in der Gesell−schaft richtig darzustellen ([LUNG 1999], S. 31). Beide Eigenschaften, das Akzeptanzproblemund die Motivationsschwierigkeiten, wirken jedoch in der gleichen Richtung. Ersteres ist eineder Ursachen für die Kosteneinsparung und Kürzung der Mittel, wie sie in den letzten Jahrenzunehmend aufgetreten ist. Was nur Kosten verursacht und keinen sichtbaren Nutzen bringt istscheinbar nutzlos und fällt somit als erstes dem Rotstift zum Opfer. Fehlt den Mitarbeiternandererseits die Motivation, kann man nicht erwarten, dass sie sich für die geforderten Ratio−nalisierungen und Leistungssteigerungen einsetzen werden. International tätige Hilfsorganisa−tionen tun sich in Bezug auf ihre Akzeptanz möglicherweise noch schwerer, da es um interna−tionale und globale Zusammenhänge geht und die Wechselwirkungen zwischen Entwicklungs−ländern und Industrienationen noch komplexer und schwieriger nachzuvollziehen sind. Nichts−destotrotz werden an sie die gleichen Forderungen gestellt, wirtschaftlicher und effizienter zuarbeiten.Laut Lung haben sich die sozialen Berufe die mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft zueinem guten Teil selbst zuzuschreiben, da sie kein öffentlichkeitswirksames Marketing

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betreiben und sich nicht genügend profilieren. Wenn die Gesellschaft durch Steuern undAbgaben (öffentlicher Bereich) bzw. Spenden (humanitäre Hilfe) Einrichtungen und Organisa−tionen finanziert, hat sie ein Recht darauf zu erfahren, warum welche Methoden angewandt undwie erfolgreich ihre Gelder eingesetzt werden. Mehr Transparenz ist demnach in der öffentli−chen Verwaltung wie auch bei sozialen Einrichtungen und Hilfswerken angebracht (vgl. [LUNG1999], S. 46ff).

Als Lösungsvorschlag für die beiden genannten Hauptprobleme nennt Lung ein verbessertesMarketing, das zum einen den Bedürfnissen der eigenen Mitarbeiter besser gerecht werden sollum ihre Motivation zu erhöhen, und das es zum anderen den Nonprofit−Organisationen ermög−licht, in der Gesellschaft deutlicher Farbe zu bekennen:

"Sie müssen lernen zu sagen, was sie leisten, für wen sie leisten, wo ihre Vorteile liegenund wo ihre spezifischen Qualifikationen liegen." ([LUNG 1999], S. 52)

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Marketings ist die Kundennähe, bestehend aus sowohleiner Befragung und Erforschung des Kunden einerseits, als auch einer Anpassung deseigenen Angebots und der eigenen organisatorischen Struktur an die Wünsche und Bedürfnissedes Kunden andererseits ([LUNG 1999], S. 40). Diese Situation ist nicht ohne weiteres auf denNonprofit−Bereich (und insbesondere humanitäre Organisationen) zu übertragen, da häufigLeistungen für Dritte erbracht werden und der Kunde sowohl als Spender (Leistungsfinanzierer)als auch als Klient (Leistungsempfänger) auftreten kann. Trotzdem gibt es Anzeichen dafür,dass der Bedarf eines besseren Marketings in den letzten Jahren verstärkt wahrgenommenwird. Das zunehmende Informationsangebot diverser Hilfsorganisationen im World Wide Web(WWW) unterstreicht dies. Ein Beispiel im humanitären Bereich liefert die International Federa−tion of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC) in ihrem strategischen Konzept "Strategy2010" für die nächsten 10 Jahre. Folgende relevante Zielsetzungen erscheinen dort für Ziel−gruppen und die Öffentlichkeit ([IFRC 2000], S. 30):

"Beneficiaries: Quality criteria and more customer−focused quality assurance mecha−nisms in all core areas."

"Civil society/general public: Better understanding of what the Red Cross/Red Crescentdoes and how one can support it."

Ähnlich wie der Kunde im Profitbereich nur bereit ist, sich zu beteiligen, wenn er dadurch seineBedürfnisse decken kann, werden sich Menschen im Nonprofit−Bereich nur dann nachhaltigengagieren, wenn ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Nonprofit−Organisationen und ebenfallshumanitären Hilfsorganisationen wird dadurch eine Marketingorientierung abverlangt, die für sieneu ist ([LUNG 1999], S. 50).Auch wenn sie ursprünglich ausserhalb des Marktes eingeordnet wurden, sind sie somit mittler−weile marktähnlichen Situationen ausgesetzt und müssen deshalb marktkonform handeln, umihre Überlebensfähigkeit in einer Zeit verschärfter Konkurrenz um (vor allem staatliche) finan−zielle Mittel zu sichern. Als zentrales Element für das Signalisieren der Ideologien und Zieleeiner Nonprofit−Organisation nach innen und aussen dient dazu ihr Mandat oder Statut(mission statement). Es beschreibt den ethisch begründeten Auftrag, dessen Erfüllung letzt−endlich das Ziel hinter jeder Aktivität der Organisation ist.

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3.1.4 Das Mandat von Hilfsorganisationen

Die Mission einer Nonprofit−Organisation ergibt sich laut Oster aus dem Marktbereich, in demsie operiert ([OSTER 1995], S. 21). Im Mandat oder Statut der Nonprofit−Organisation genaubeschrieben, wirkt sie sich auf die gesamte Strategie und Struktur der Organisation aus. Siebetrifft somit alle Interessenvertreter (stakeholder), die sich grob abstrahiert aus den Gruppender Mitarbeiter, Spender und Klienten zusammensetzt:

"Mission statements serve functions for each of the constituencies of the nonprofit orga−nization − the staff, the donors and volunteers, and the service users. In designing andrevising the mission statement, all constituencies must be kept in mind." ([OSTER 1995],S. 25)

Eine genaue und eindeutige Formulierung des Mandats ist aus folgenden Gründen wichtig:

1. Eingrenzung der Zielsetzung2. Motivation von Mitarbeitern und Spendern3. Hilfe bei der Evaluation der Organisation

Die oben genannten Eigenschaften des Wirtschaftsbereichs, in dem Nonprofit−Organisationentätig sind, machen es schwer, den Nutzen einer Leistung vorherzubestimmen. Das Mandaterleichtert es in diesem Fall zu entscheiden, ob ein Vorhaben rentabel (im Sinne von "mit derMission der Organisation konform") ist oder nicht. Ebenso dient es zur Klärung von Entschei−dungs− und Kompetenzkonflikten innerhalb der Organisation, die wegen mangelnder Besitzde−finitionen entstehen können ([OSTER 1995], S. 21ff). Ein Statut ist somit in der Lage, dieMeinungen der verschiedenen Interessenvertreter auf einen Punkt zu bringen und somit ihreZusammenarbeit auf ein gemeinsames Ziel hin zu fördern. In der Verlängerung davon ist eineklare, eindeutige Formulierung der Mission wichtig, um Menschen mit der entsprechendenEinstellung anzuziehen, welche die Nonprofit−Organisation einerseits mit Spendengeldern,andererseits mit freiwilliger oder hauptberuflicher Mitarbeit unterstützen.Der inhaltliche Umfang des Mandats hängt von der Situation und dem Umfeld der Organisationab. Während ein weit gefasstes Statut neue Betätigungsfelder für eine Nonprofit−Organisationerschliessen kann, neigen eng gefasste Mandate dazu, die Meinungsverschiedenheiten derInteressenvertreter zu verringern und die Evaluation von Aktivitäten zu erleichtern ([OSTER1995], S. 27).

Als Beispiel für ein Mandat sei hier das von der Adventist Development and Relief Agency(ADRA) genannt ([ADRA 1998], S. B−2ff). Die darin enthaltenen Grundsätze bestehen insge−samt aus drei Komponenten:

1. den Glaubensgrundsätze (belief statement)2. dem Mandat (mission statement)3. den Vorgehensprinzipien (operating principles)

Da es sich, wie der Name schon andeutet, bei ADRA um eine Hilfsorganisation handelt, dieeiner Kirche (Seventh−Day Adventist Church) angegliedert ist, kann das Statut teilweise religiösformuliert sein:

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"1. Reflect the character of God through humanitarian and developmental activities"([ADRA 1998], S. B−4)

Dies dient jedoch der oben genannten Attraktion der entsprechenden Unterstützung (Spenderund ehrenamtliche Helfer) und schränkt keineswegs die Hilfeleistung an bedürftigen Bevölke−rungsgruppen (etwa aufgrund ihres Glaubens) ein:

"5. ADRA undertakes humanitarian and developmental assistance, avoiding discrimina−tion based on race, ethnicity, gender, political or religious affiliation." ([ADRA 1998],S. B−6)

Während die Glaubensgrundsätze die zentralen Werte und Ideale beinhaltet, welche die philo−sophische und religiöse Grundlage bilden, umfasst das Mandat die Pflichten von ADRA undgewissermassen ihre Existenzberechtigung. Hier ist festgehalten, was ADRA aufgrund derSichtweise ihrer eigenen Position zu tun hat. Die Vorgehensprinzipien beschreiben auf nochkonkretere Weise, wie die einzelnen Aufgaben angegangen werden.

3.2 Hilfsorganisationen im Rahmen dieser Diplomarbeit

Die im Rahmen dieser Diplomarbeit behandelten humanitären Hilfsorganisationen werden meistauch als Nicht−Regierungs−Organisationen (NRO) oder Non Governmental Organisations(NGOs) bezeichnet, um sie deutlicher von staatlichen Einrichtungen abzugrenzen. Diese lassensich in zwei Kategorien aufteilen:

1. Regierungsnahe Hilfsorganisationen2. Private Hilfsorganisationen

Regierungsnahe Hilfsorganisationen sind vom Staat an private Trägerschaften (oft Genossen−schaften) ausgelagerte Aufgaben im Bereich der Entwicklungspolitik (z.B. bei der deutschenGesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ). Aus Privatinitiative entstandene, weltweitoder national−regional tätige humanitäre Organisationen kommen juristisch in Form vonVerbänden oder Vereinen vor ([NPO 1999], S. 20), wie z.B. Caritas Schweiz, ADRA Deutsch−land e.V., Balkan Sunflowers e.V. (BSF).Diese beiden Varianten von NGOs unterscheiden sich häufig auch in ihrer Funktion bei derEntwicklungszusammenarbeit. Staatlich beauftragte Organisationen sind hauptsächlich für diefinanzielle Unterstützung, Wissenstransfer und Überwachung der Tätigkeiten und des Einsatzesder Mittel zuständig. Organisationen wie die amerikanische United States Agency for Interna−tional Development (USAID) oder die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit(GTZ) beispielsweise gehören zu solchen regierungsnahen Hilfsorganisationen, und werdendadurch überwiegend mit staatlichen Mitteln finanziert (dies dokumentieren unter anderemderen Jahresberichte, vgl. [USAID 2000], S. 51 sowie [GTZ 2000], S. 43). Sie dienen meist alsVermittler zwischen der jeweiligen Staatsregierung und der Zielgruppe vor Ort, wie es imfolgenden Diagramm der GTZ in Figur 3.2 verdeutlicht wird ([ZOPP 1997], S. 4ff). Häufigbezeichnet man sie deshalb auch als bilaterale Entwicklungsorganisationen, da sie zwischen

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der jeweiligen Staatsregierung einerseits und der Gruppe der Betroffenen im Entwicklungslandandererseits vermitteln.

Figur 3.2: Drei−Stufen−Modell der Entwicklungszusammenarbeit

Private Hilfsorganisationen beziehen ihr Einkommen überwiegend aus privatem Spendenauf−kommen. In weltweit tätigen privaten Hilfsorganisationen erfolgt die Entwicklungszusammenar−beit intern meist so ab, dass Spenderbüros (supporting offices: Vertretungen der Hilfsorganisa−tion in einer oder mehreren Industrienationen) für die Finanzierung aufkommen und Koordinati−onsbüros (implementing offices: Vertretung im Entwicklungsland) für die Durchführungzuständig sind (z.B. ADRA, Caritas). Bei ihnen spricht man auch oft von multilateralen Organi−sationen, da sie die Verbindung zwischen vielen unterschiedlichen Spendern einerseits und denZielgruppen andererseits herstellen. Sowohl regierungsnahe als auch private Hilfsorganisationen arbeiten vor Ort mit anderenHilfsorganisationen und auch Profitunternehmen zusammen, um die Entwicklungszusammen−arbeit zu realisieren. Private Hilfsorganisationen haben dabei einen grösseren Schwerpunkt beider Umsetzung und Durchführung als regierungsnahe.

Der Fokus dieser Diplomarbeit richtet sich primär auf private Hilfsorganisationen, die interna−tional tätig sind. Der Schwerpunkt soll vorwiegend bei der Entwicklungszusammenarbeit liegen,auch wenn die gemachten Beobachtungen teilweise auch für anderen Tätigkeitsfeldern (natio−nale Gesundheitsversorgung, humanitäre Soforthilfe) relevant sein können.Die in Tabelle 3.2 aufgeführte Kategorisierung der vier Haupttätigkeiten von NGOs bietet einenguten Überblick und verdeutlicht den Unterschied zwischen Wohlfahrts− und Entwicklungshilfe−aktivitäten ([ADRA 1998], S. A−10):

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Handeln der Zielgruppe(Selbsthilfe)

Projekt der Partnerorganisation

Leistungen derEntwicklungszusammenarbeit

Entwicklungsprozess

Ausgangssituation Entwicklungsziel

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FOUR GENERATIONS OF NGO ACTIVITY

Welfareand Relief

CommunityDevelopment

Sustainable SystemsDevelopment

People’sMovements

ProblemDefinition

Shortage Local inertia Institutional andpolicy constraints

Inadequatemobilizing vision

Time Frame Immediate Project life 10 − 20 years Indefinite future

Scope Individual or family Neighborhood or village Region or nation National or global

Chief Actors NGO Communitytogether with NGO

All relevant publicand private institutions

Loosely definednetworks − peopleand organizations

NGO role Doer Mobilizer Catalyst Activist / educator

ManagementOrientation

Logisticsmanagement

Project management Strategicmanagement

Coalescing & energizingself−managing network

DevelopmentEducation

Starving children Community self−help Constraining policiesand institutions

Spaceship earth

Tabelle 3.2: Aktivitäten humanitärer NGOs

Während die erste Spalte (Wohlfahrt und Soforthilfe) die Aufgaben von NGOs in den Industri−enationen abdeckt, umfassen die übrigen drei Spalten die Aktivitäten der internationalenEntwicklungszusammenarbeit. Da sich diese Diplomarbeit mit Informationssystemen imProjektmanagement bei Hilfsorganisationen beschäftigt, sind automatisch NGOs von zentralemInteresse, die besonders Aktivitäten der zweiten Spalte (Gemeinschaftsentwicklung) verfolgen.Im Vorfeld wurden verschiedene Organisationen kontaktiert. Als Fallbeispiele wurden letztend−lich jedoch die herausgegriffen, bei denen die relevanten Informationen im gewünschtenUmfang zu erhalten waren und deren Situation im Rahmen dieser Arbeit als repräsentativanzusehen ist. Es sind dies

1. ADRA Albania2. Caritas Schweiz

Im Laufe der Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass bei Hilfsorganisationen, die wie inKapitel 3.1, S. 7 strukturiert sind (dies betrifft alle oben genannten Kandidaten), auf internatio−naler Ebene nur für die Konzeption der humanitären Arbeit Richtlinien oder Vorschriftenvorliegen. Den einzelnen Spender− und Koordinationsbüros wird für die praktische Umsetzungmehr oder weniger freie Hand gelassen. Dies macht es in manchen Bereichen schwierig,konkrete Aussagen zu treffen, die für die gesamte Hilfsorganisation als solche gelten. Ausdiesem Grund können die im Rahmen dieser Diplomarbeit erarbeiteten Ergebnisse keinenAnspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, sondern allenfalls eine Zustandsbeschreibung einerTeilmenge der Hilfsorganisationen darstellen. Der Autor hat sich trotzdem bemüht, diejenigenPunkte herauszuarbeiten, die für weite Bereiche der humanitären Entwicklungszusammenarbeittypisch zu sein scheinen.

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3.2.1 ADRA Albania

Die frühen Anfänge von ADRA finden sich um 1890 in den Elendsvierteln von Chicago, wo dieSeventh−day Adventist Church (SDA) eine medizinische Missionsgemeinschaft gründete undWohltätigkeitsprogramme startete ([ADRA 1998], S. B−11ff). Ursprünglich mit den Gewinnenaus der medizinischen Arbeit und später durch signifikante Spendengelder aus der Kirchenmit−gliedschaft finanziert, unterhielt die Gemeinschaft unter anderem ein Obdachlosenheim, eineEssens− und Kleiderausgabe, ein Gesundheits− und Erholungszentrum für (alleinerziehende)Mütter und Kinder sowie eine Arbeitsvermittlung für Ex−Häftlinge. Nachdem sich diese Idee bisAnfang des letzten Jahrhunderts auf 24 Städte in drei Ländern ausgeweitet hatte, brachten diebeiden Weltkriege eine sowohl inhaltliche als auch geographische Expansion der Tätigkeiten. InÜbersee wurden Schulen, Kliniken und Krankenhäuser eingerichtet, und das Hauptaugenmerkder Aktivitäten richtete sich auf humanitäre Soforthilfe. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte sichdie Anzahl der mit Hilfsgütern belieferten Länder auf 41 erhöht.1956 wurde die Organisation offiziell unter dem Namen Seventh−day Adventist WelfareService, Inc. (SAWS) gegründet. Anfang der 1960er Jahre umfassten die Hilfslieferungen einenWert von 2.3 Millionen US$ und gingen unter anderem in Staaten Südamerikas und des NahenOstens sowie in Katastrophengebiete. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der neu errich−teten United States Agency for International Development (USAID) war es bis 1969 möglich,die Anzahl der Länder, in denen die Organisation tätig war, zu verdoppeln und die Mengeverteilter Nahrungsmittel zu vervierfachen. Nach wie vor war humanitäre Soforthilfe die Haupt−aufgabe, insbesondere in Ländern Südamerikas.Nach einer Namensänderung im Jahre 1973 in Seventh−day Adventist World Service, Inc. umdem inzwischen weltweiten Engagement der Organisation besser Rechnung zu tragen, wurde1976 die Mission von der Soforthilfe auf langfristige Entwicklungsprogramme ausgeweitet.Hauptschauplatz der Entwicklungsaktivitäten Anfang der 1980er Jahre war der afrikanischeKontinent. Eine zunehmend engere Zusammenarbeit mit USAID und daraus resultierende gesi−cherte Finanzierung führte schliesslich dazu, dass die Gemeinschaftsentwicklung zur primärenAufgabe wurde.Um den Wechsel von der reinen Soforthilfe−Organisation zu einer Sofort− und Entwicklungs−hilfe−Organisation zu verdeutlichen, und um diese beiden Programme besser koordinieren undfördern zu können, wurde 1983 der SAWS und das Committee for Institutional Development zurAdventist Development and Relief Agency (ADRA) zusammengeschlossen.Heutzutage besteht das weltweite Netzwerk von ADRA aus einem internationalen Hauptquartier(ADRA International, in den Vereinigten Staaten), 12 Regionalbüros und zahlreichen Landes−büros (country offices) in derzeit 143 Ländern. Während ADRA International die zentrale Koor−dination des wachsenden Netzwerks vornimmt, überschauen die Regionalbüros die Arbeit vonADRA in den Landesbüros (vgl. [ADRA 1998], S. C−6ff). Die Regionalbüros und Landesbüroswerden in unterstützende Büros (supporting offices: diejenigen, die Spendengelder erwirt−schaften; in dieser Diplomarbeit als Spenderbüros bezeichnet) und implementierende Büros(implementing offices: diejenigen, welche die Entwicklungszusammenarbeit umsetzen; in dieserDiplomarbeit als Koordinationsbüros bezeichnet) unterteilt. 1995 umfassten die humanitärenAktivitäten von ADRA weltweit einen Wert von mehr als 120 Millionen US$.

ADRA Albania ist eines der implementierenden Koordinationsbüros und wurde 1991 errichtet. Inseinem Hauptsitz in Tirana sowie drei weiteren Lokalbüros arbeiteten zum Zeitpunkt der Befra−gung (November 2000) 42 Angestellte, von denen 3 international (expatriates) sind und 39 ausder Lokalbevölkerung stammen. Zusätzlich werden sie von 4 Freiwilligen (volunteers) unter−

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stützt. Während der Flüchtlingskrise aus dem benachbarten Kosovo wurde im Frühjahr undSommer 1999 primär humanitäre Soforthilfe geleistet. Im Rahmen der Entwicklungszusam−menarbeit nimmt ADRA Albania derzeit vorwiegend Aufgaben in den Bereichen:

� Nahrungssicherung (food security)� Medizinische Grundversorgung und Erziehung (primary health / health education)� Restaurierung von Gemeinschaftsgebäuden (rehabilitation of community buildings)� Landwirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (agricultural development)� Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (economic development)� Krisenreaktion (disaster response)

wahr. Das Finanzvolumen aller Aktivitäten betrug 1998 etwa 220.000 US$, während es 1999(bedingt durch die Flüchtlingskrise aus dem benachbarten Kosovo) knapp 9 Mio. US$ waren.Für das Jahr 2000 hat das Budget eine Höhe von rund 1 Mio. US$.

3.2.2 Caritas Schweiz

Ebenfalls aus christlichen Motiven heraus ist der Wohlfahrtsverband Caritas entstanden. Derlateinische Begriff "caritas" erscheint in der Bibel im Neuen Testament und bezeichnet − soVictor Conzemius in seinem Festvortrag vor der Generalversammlung zur 75−Jahr−Feier derCaritas Schweiz − "die Liebe Gottes zur Welt, die Liebe zu Gott, die Bruder− und Nächsten−liebe, die zwischen den Christen und gegenüber allen Menschen in Gesinnung und Tat verwirk−licht wird und Kennzeichen der Gemeinde Christi ist".Der schweizerische Caritas−Verband wurde 1901, vier Jahre nach der Entstehung seinesDeutschen Schwester−Verbandes, unter dem Protektorat des Schweizerischen Katholikenver−eins durch Pater Rufin Steimer in Beckenried gegründet. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhun−derts organisierte er vor allem Kongresse. 1912 wurden seine Aufgaben neu definiert, und erwar zunehmend an der Gründung und Reorganisation von Heimen und Sanatorien beteiligt.Im Jahre 1919 wurde erstmals eine hauptamtliche Geschäftsstelle in Beckenried eingerichtetund die erste Auslandhilfe−Aktion durchgeführt (die Wiener−Kinder−Aktion: Ferienplätze fürerholungsbedürftige Kinder aus Kriegsländern). 1921 erfolgte eine Erweiterung der CaritasSchweiz um Sektionen in Basel−Stadt, Fribourg, St. Gallen und Zürich. Ende der 1920er bisAnfang der 1930er Jahre bildeten sich verschiedene Fachgruppen innerhalb der Caritas, diesich zu eigenständigen Verbänden entwickelten (z.B. Anstaltenverband, Institut für Heilpäd−agogik). Im Verlauf der Wirtschaftskrise traten zunehmend Hilfsmassnahmen für die Familieund Arbeitslosenhilfe in den Vordergrund.Während des Zweiten Weltkriegs nahm sich die Caritas Schweiz etwa 3000 Flüchtlingen anund unterlag einem grossen personellen und finanziellen Wachstum (240.000 SchweizerFranken (CHF) und weniger als 10 hauptamtliche Mitarbeiter 1940 im Vergleich zu 7.363.000CHF und an die 100 hauptamtliche Mitarbeiter im Jahre 1946). 1945 erfolgte zudem der Umzugder Caritas−Zentrale nach Luzern in den heutigen Hauptsitz. In den Nachkriegsjahren war dieCaritas an umfassenden Hilfsaktionen beteiligt (Wiederaufbau von Kinderzimmern, Liebes−gaben−Paket−Aktion von über 13 Mio. CHF, Ansiedlung von 3000 Donauschwaben in Brasi−lien).Nachdem es Anfang der 1950er Jahre zu einigen internen personellen Konflikten gekommenwar, wurde die Caritas Schweiz in den 1960er Jahren zunehmend im Ausland tätig (Italienhilfe,

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Ausbildung von Laienhelfern in Entwicklungsländern, Katastrophenhilfe z.B. nach Erdbeben inder Türkei und Peru oder Überschwemmungen in Rumänien), wobei die Inlandhilfe etwas inden Hintergrund geriet und 1971 vorläufig total abgebrochen wurde.Nach einer Umstrukturierung und Statutenrevision im darauffolgenden Jahr kam 1974 zu denbeiden Abteilungen der Caritas−Zentrale (Verwaltung und Auslandhilfe) erneut eine dritte fürInlandhilfe hinzu. Im Zuge der Genehmigung des ersten Inlandhilfe−Konzeptes erfolgte derAufbau eines flächendeckenden Systems von regionalen Caritas−Stellen.1982 wurde das erste Auslandhilfe−Konzept verabschiedet und 1990 wurde das Leitbild und dieverbandspolitischen Grundsätze der Caritas Schweiz verfasst, so wie sie noch immer in Kraftsind.

Heutzutage sind die drei Hauptaufgabenbereiche der Caritas Schweiz:

� Internationale Zusammenarbeit (untergliedert in fünf Teilbereiche: Afrika, Asien/MittlererOsten/Nordafrika, Lateinamerika, Europa/Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Katastro−phenhilfe Ausland)

� Soziale Aufgaben Schweiz (Soziale Projekte und Einsätze, Katastrophenhilfe Schweiz)� Migration (Asylbetreuung, Unterbringung, Anwaltschaft, Integration von Flüchtlingen)

Neben dem Unterhalt einer Kleiderzentrale unterstützt die Caritas auch den sogenannten Fair−ness−Handel, der es Landwirten in Entwicklungsländern ermöglichen soll, trotz der Konkur−renzsituation auf dem Weltmarkt ihre Produkte (z.B. Honig aus Südamerika) anzubieten undsomit finanziell überleben zu können.1998 betrug der Gesamtumsatz der Caritas Schweiz etwa 129 Mio. CHF. 1999 waren es sogarknapp 178 Mio. CHF, wovon etwa 56 Mio. CHF für die Internationale Zusammenarbeit (Kata−strophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit), knapp über 5 Mio. CHF für die SozialenAufgaben Schweiz und an die 74 Mio. CHF für die Migration aufgewendet wurden. DieHerkunftsverteilung der finanziellen Mittel für sämtliche Caritas−Aktivitäten ist in Figur 3.3dargestellt (entnommen dem Jahresbericht 1999 der Caritas Schweiz).

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Figur 3.3: Mittelherkunft für sämtliche Aktivitäten der Caritas Schweiz

Die Spenden setzen sich aus privaten Zuwendungen und Unterstützungen durch kirchlicheInstitutionen zusammen, während die Beiträge Dritter aus Zuschüssen der Spendensamm−lungen der schweizerischen Glückskette und Beteiligungen anderer Hilfswerke umfassen. DieAnderen Erträge werden im Rahmen des Fairness−Handels, der Kleiderhilfe und andererDienstleistungen sowie durch Zinserträge erwirtschaftet. Die Öffentlichen Beiträge sind dieZahlungen des schweizerischen Bundes für die Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfesowie die Asyl− und Flüchtlingshilfe, welche zu 98% vom Staat und nur zu 2% aus Spenden,Beiträgen Dritter und anderen Erträgen finanziert wird. Die Mittel für die Auslandsprojektehingegen setzen sich zum grössten Teil aus Beiträgen Dritter (60%) und Spenden (26%)zusammen, während die öffentlichen Beitrage hier nur 14% betragen.

3.3 Zwischen Ideal und Wirklichkeit

Mit der Arbeit von Nonprofit−Organisationen und insbesondere Hilfsorganisationen wird sehrviel Idealismus in Verbindung gebracht, was oft dazu führt, dass völlig unrealistische Erwar−tungen an sie gestellt werden. In solchen Organisationen arbeiten, wie überall woanders auch,Menschen mit den verschiedensten Eigenschaften, Charakteren und unterschiedlichsterBelastbarkeit. Solange Führungskräfte es schaffen, ihre Mitarbeiter richtig zu motivieren, kanneine Hilfsorganisation gut funktionieren und erstaunliche Ergebnisse erzielen.Leider sind in der Realität dafür nicht immer die Gegebenheiten geschaffen. Überwältigendebürokratische Strukturen (wie sie bei persönlichen Erfahrungen mit grossen Hilfsorganisationenin Albanien zu Tage getreten sind) oder mangelnde Richtlinien, Anweisungen und AbklärungZuständigkeiten verhindern oft eine effiziente Ausführung der humanitären Arbeit (vgl. [STOD−DART 1998], S. 136 und S. 172). Ein interner Evaluationsreport des Einsatzes des Flüchtlings−hilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in der Kosovo−Flüchtlingskrise im Jahr 1999 gibteine detaillierte Schilderung solcher Probleme wieder ([UNHCR 2000], S. 41ff).

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Öffentliche Beiträge53% (93,0 Mio. CHF)

Beiträge Dritter26% (46,8 Mio. CHF)

Spenden17% (30,8 Mio. CHF)

Andere Erträge4% (7,3 Mio. CHF)

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Tatsächlich ist die Tätigkeit von Hilfsorganisationen viel komplexeren und sensibleren Situa−tionen ausgesetzt und schwieriger auf den Klienten abzustimmen als die von Profitunter−nehmen. Die Aktivitäten hängen von zahlreichen Einflussfaktoren ab, beispielsweise von Politik,Staat, Zollbehörden und nicht zuletzt von Spendern. Ebenfalls schwierig ist es für humanitäreHilfsarbeiter, dem Klienten zu dienen, wenn dieser nicht das notwendige Vertrauen in dieLeistungserbringer besitzen, um ihnen ein entspanntes Arbeitsfeld zu gewähren. Ein typischesBeispiel, was auch in Albanien beobachtet werden konnte, ist die Verteilung von Gütern wieNahrungsmitteln, Medikamenten oder ähnlichem an eine notleidende Bevölkerung. Der Bedarfan diesen Gütern korreliert oft mit der Aggressivität der Notleidenden, sich den Teil, der ihnenzusteht (und gegebenenfalls noch mehr) zu nehmen. Irgendwo ist es verständlich, wenn dieKlienten Angst haben, dass sie zu kurz kommen. Diese Angst schafft jedoch ein Spannungs−feld, in dem des auch den Hilfsarbeitern sehr schwer gemacht wird, ihre Arbeit zu verrichten.Eine zusätzliche Belastung stellt es dar, wenn von vornherein klar ist, dass die Versorgungnicht für alle Bedürftigen ausreicht, was gerade in Krisensituationen häufig der Fall ist.Die Hilfsorganisation ist im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit häufig der einzigerettende Strohhalm für die Betroffenen. Bei einer solchen Aufgabe ergibt sich daraus für dieHilfsarbeiter einerseits eine höhere Verantwortung, andererseits herrscht eine andere Erwar−tungshaltung bei den Betroffenen. Im Profitbereich hingegen hat der Kunde hat immer dieAutorität, ein Produkt zu kaufen oder nicht zu kaufen. Der Hersteller kann durch entspre−chendes Marketing auch für qualitativ minderwertige Produkte Abnehmer finden und hat oft dieMöglichkeit, unprofitable Produkte mit den Überschüssen aus profitableren Produkten zusubventionieren. Notfalls kann er bei ausbleibendem Erfolg immer noch das Produkt wiedervom Markt nehmen, ohne dabei unbedingt grosse Verluste hinnehmen zu müssen. Profitunter−nehmen sind in den meisten Fällen einer stärkeren Konkurrenz ausgesetzt als eine Hilfsorgani−sation, und eben dies fördert ihre Leistungsorientierung (vgl. [LUNG 1999], S. 48).Im Profitbereich dreht es sich auch häufig um Massenproduktion von Produkten, d.h. es mussein gemeinsamer Nenner gefunden werden, der so viele Kunden wie möglich zufriedenstellenkann (mit den notwendigen Kompromissen). Um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Produk−tions− bzw. Entwicklungskosten gering zu halten, einigt man sich auf eine Standardlösung undstartet eine Serienproduktion. Im humanitären Bereich hingegen dreht es sich eigentlich immerum "massgeschneiderte" Individuallösungen, die im Laufe der Implementierung ständig über−prüft und angepasst werden müssen, wenn man ernsthaft den Bedürfnissen der Klienten undultimativ seinen ethischen Grundsätzen gerecht werden will. Die aus dem Profitbereichbekannte Devise "You get what you pay for", interpretiert in der Richtung, dass man als Kunde,wenn man einen günstigen Preis haben will, gefälligst auch entsprechende Qualitätseinbussenin Kauf nehmen muss, ist ethisch nicht vertretbar und lässt sich somit nicht in den humanitärenBereich übertragen.Die Tatsache, dass Hilfsorganisationen meist Leistungen an Dritte erbringen, kann erheblicheAuswirkungen auf das Verhalten der Zielgruppe und die Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisa−tion haben. Dies wurde ebenfalls beim humanitären Einsatz in Albanien deutlich. Einerseitsversuchen Betroffene, für sich persönlich so viel wie möglich herauszuholen. Andererseits kanndie Motivation der Betroffenen zur Teilnahme an der Planung und Umsetzung des Projekts aberauch eingeschränkt sein. Warum soll man sich gross engagieren, wenn auf jeden Fall fürAbhilfe gesorgt ist und die Entwicklungshelfer sowieso viel besser wissen, was getan werdenmuss? Eine derartige Einstellung findet man bei Bevölkerungsgruppen, die so lange oderintensiv traumatisiert sind, dass sie den Glauben daran, Herr ihrer eigenen Lage zu sein, undjede Hoffnung, dass es jemals wieder besser werden könnte, aufgegeben haben. In einersolchen Situation ist es schwierig für Hilfsorganisationen, die Betroffenen derart zu involvieren,dass ein dauerhafter Selbsthilfeprozess einsetzen kann. Allerdings versucht man mittlerweile in

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einigen Bereichen, diesem Phlegma damit zu begegnen, dass man den Betroffenen eineGegenleistung abverlangt und ihnen somit ihre Eigenverantwortung wieder bewusst macht. AlsBeispiel sind hier die food−for−work Programme zu nennen, bei denen arbeitsfähige Familien−mitglieder der Zielgruppe als Gegenleistung für Nahrungsmittelversorgung körperliche Arbeit ineinem ethisch vertretbaren Rahmen verrichten.

Darüber hinaus machen sich es die Hilfsorganisationen untereinander auch nicht gerade leicht.Der bereits erwähnten wirtschaftlichen Entwicklung mit abnehmendem Spendenaufkommenund verminderter Freiwilligentätigkeit steht eine erhöhte Nachfrage an humanitären Leistungensowohl in der Soforthilfe als auch in der Entwicklungszusammenarbeit gegenüber. DieserBedarf begründet sich einerseits in der seit 1989 zunehmenden Anzahl bewaffneter Konfliktesowie deren zunehmender Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung. Aufgrund zunehmenderVerstädterung kommt es andererseits bei Naturkatastrophen zu einer steigenden Anzahl vonBetroffenen ([NPO 2000], S. 277ff). Auf diesem Hintergrund sind in den letzten Jahren immermehr (insbesondere kleine) NGOs entstanden, die ähnliche Aufgaben in gleichen Regionenwahrnehmen und deshalb um die stagnierenden Spendengelder konkurrieren ([STODDART1998], S. 2ff). Besonders deutlich geworden ist dieser Sachverhalt im Kosovo im Herbst 1999,wo sich über 250 verschiedene Hilfsorganisationen um diejenigen Flüchtlinge gekümmerthaben, die nach der Beendigung der NATO−Luftangriffe wieder in ihre Heimat zurückgekehrtwaren (die meisten der insgesamt über 700.000 Flüchtlinge, vgl. [UNHCR 2000], S. 6 undS. 117). Berichten von NGO−Mitarbeitern aus dem Kosovo zufolge war die Situation offen−sichtlich so, dass Hilfswerke teilweise eher daran interessiert waren, Bedürftige für die eigenenProjekte zu finden als mit anderen Partnerorganisationen sinnvoll zusammenzuarbeiten.Auch Oster beobachtet eine steigende Konkurrenz zwischen Nonprofit−Organisationen undbefürwortet diese bis zu einem gewissen Grad, da sie ein Mittel ist, um die Sensibilität für dietatsächlichen Bedürfnisse der Klienten zu erhöhen, Innovation zu fördern und Ineffizienz zubekämpfen ([OSTER 1995], S. 63).Andererseits hat auch die Kooperation zwischen Nonprofit−Organisationen viele Vorteile,ermöglicht sie doch beispielsweise die gemeinsame Nutzung von Ressourcen, verbessertesMonitoring durch gegenseitige Überwachung, Erfahrungsaustausch und eine erhöhte Glaub−würdigkeit in der Öffentlichkeit (vgl. [OSTER 1995], S. 59). Gerade wenn es um humanitäreSoforthilfe und Entwicklungszusammenarbeit geht (wie das im Kosovo der Fall war), solltensich die Hilfsorganisationen ihre ethischen und ideologischen Grundsätze ins Bewusstseinrufen, damit diejenigen, denen eigentlich geholfen werden soll, nach der Krise nicht auch nochein "Hilfstrauma" erleiden. Dass es inmitten von Brutalität, Unmenschlichkeit und Elend jedochschwer fallen kann, ethische Werte hochzuhalten und nach ihrer Umsetzung zu streben, istunbestritten. Dies ist somit ein weiterer Punkt, an dem die Wichtigkeit und Schwierigkeit derMotivation im humanitären Bereich deutlich wird.

Motivation kann, auch wenn sie sicher nicht das einzige ausschlaggebende Kriterium für daseffektive Funktionieren einer Hilfsorganisation ist, immerhin sehr viel bewirken. Bei der Zusam−menarbeit des Autors in Albanien mit Balkan Sunflowers (www.balkansunflowers.org),einer kleinen, seit dem Frühjahr 1999 tätigen Privat−Initiative von internationalen Freiwilligen,die über das Internet zusammengefunden haben, ist das sehr deutlich geworden. Der Grossteilder Teilnehmer war zwischen 20 und 30 Jahren alt und sicherlich die wenigsten von ihnen (denAutor selbst mit einbezogen) waren für einen solchen humanitären Einsatz beruflich qualifiziertgewesen. Das Spektrum der menschlichen und fachlichen Fähigkeiten war mindestens sogross wie das der vertretenen Nationalitäten, oder die Dauer ihrer Aufenthalte.

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Was die Menschen jedoch letztendlich miteinander verbunden hat, war die Motivation, für einegemeinsame Sache zu arbeiten (etwas, woran alle geglaubt haben). Es war dies der Beitragzur sozialen Rekonstruktion in Albanien nach den Jahrzehnten der internationalen Isolationunter dem Hoxha−Regime, den bürgerkriegsähnlichen Unruhen von 1997 und vor allem demEinfluss der Kosovo−Krise im Frühjahr und Sommer 1999. Die Arbeit mit denjenigenMenschen, die am stärksten betroffen und gleichzeitig am wenigsten schuld waren, nämlichden Kindern, stand dabei im Mittelpunkt der Aktivitäten. Balkan Sunflowers ist in Deutschlandein eingetragener Verein und somit wirtschaftlich gesehen eine vollwertige Nonprofit−Organisa−tion wie andere Hilfsorganisationen auch. Der hohe Anteil an Freiwilligen zum Zeitpunkt desAufenthalts (100%) bestätigt das.Die Unterschiede tauchten im operationalen Bereich auf. Das fehlende Fachwissen im Bereichvon Management und Sozialarbeit, sowie der ständige, unregelmässige Wechsel der Beleg−schaft machten ein ernst zu nehmendes, effizientes Funktionieren im Sinne einer echtenHilfsorganisationen nahezu unmöglich. Andererseits hatte die mangelnde Organisation undKoordination auch ihre Vorteile: scheinbar nirgends lassen sich kurzfristige Entscheidungen soleicht fällen wie in einer Organisation, wo quasi keine Verwaltungsstruktur existiert. Fairerweisemuss man dazu sagen, dass dies nur in der Entstehungsphase der Fall war. Zum Zeitpunkt derRückkehr des Autors aus Albanien Ende November 1999 waren bereits zahlreiche Bestre−bungen im Gange, um diesem Manko Abhilfe zu schaffen.Der eigentliche Haken jedoch lag und liegt nach wie vor in der mangelnden Verfügbarkeit finan−zieller Mittel, um die vielen sinnvollen Ideen für Projekte auch nachhaltig umzusetzen. Für eineunbekannte, nicht etablierte Hilfsorganisation ist es sehr schwer, ein angemessenes Spenden−volumen zu erreichen. Darüber hinaus ist sie ausschliesslich auf Privatspenden angewiesen, dasie als Organisation dieser Grössenordnung nicht mit finanzieller Unterstützung einer Regierungrechnen kann. Balkan Sunflowers ist damit ein typisches Beispiel für das oben beschriebeneAkzeptanzproblem mancher Nonprofit−Organisationen in der Öffentlichkeit. Sie ist ebenso einBeispiel für eine der zahlreichen kleinen NGOs, die sich im humanitären Bereich um dieprivaten Spendengelder gegenseitig Konkurrenz machen.

Die Konkurrenz um finanzielle Mittel macht nicht einmal vor den eigenen Reihen halt. DieTatsache, dass verschiedene Stellen, Büros oder Landesgesellschaften der gleichen Dachor−ganisation angehören, spielt manchmal überhaupt keine Rolle, wenn es um finanzielle Absiche−rung der eigenen Projekte geht. Bei Hilfsorganisationen trifft man zuweilen auf ein ähnlichesPhänomen, wie es bei öffentlichen Einrichtungen (beispielsweise Abteilungen in Universitäten,oder dem Bundesverteidigungsministerium) zu beobachten ist. Es wird versucht, gegen Endedes Haushaltsjahres nicht verwendete Gelder noch irgendwie zu investieren, damit ihr Bedarfnachgewiesen werden kann und für das nächste Haushaltsjahr wieder Anträge in entspre−chender Höhe gerechtfertigt sind. Alternativ könnten tatsächlich nicht verwendete Gelder wiederdem Fiskus (respektive dem Gesamtbudget der Hilfsorganisation) zugeführt werden, damit sieanderweitig sinnvoll eingesetzt werden können. Dies wird in der Realität jedoch häufig nichtgemacht. Solange eine solche Mentalität vorhanden ist, braucht man sich nicht zu wundern,dass Einsparungsmassnahmen verordnet werden, sei es in Form von Haushaltskürzungen odergeringerem Spendenaufkommen aufgrund Vertrauensverlusts durch mangelhafte Effizienz.

Und dann gibt es leider auch − genau wie im öffentlichen Sektor, der ja eigentlich ebensowenigprofitorientiert sein sollte wie der Dritte Sektor − hin und wieder Fälle von Korruption bei Hilfsor−ganisationen. Diese Tatsache an sich ist nicht verwunderlich, "schwache Gemüter" oder"schwarze Schafe" gibt es bekanntlich immer und überall und müssen allein schon deswegenstatistisch gesehen auch im humanitären Umfeld vorkommen. Das tragische an diesem

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Umstand ist jedoch die Auswirkung auf den Gesamtbereich. Als Beispiel neuerer Zeit bietet sichdie Bestechlichkeit und Untreue von Managern des zum Bayerischen Roten Kreuz (BRK)gehörenden Blutspendedienstes ([DIE WELT 2000]). Wenn solche Fälle in den Medien öffent−lich hochgespielt werden, verlieren die Spender − völlig zu Recht − das Vertrauen. Das dadurchbeeinträchtigte Spendenvolumen trifft jedoch alle Mitarbeiter und nicht nur die Übeltäter. Dieletztendlich am stärksten Betroffenen sind allerdings wie immer die schwächsten Glieder in derKette: die eigentlichen Empfänger der humanitären Hilfe. Sie werden in der allgemeinen Empö−rung über den Missbrauch von Spendengeldern oft schnell vergessen, weil sie ja auch keineMöglichkeit haben, sich zu Wort zu melden. Der durch den Imageverlust entstandene Schadendurch verringertes Spendenvolumen übersteigt häufig den Betrag der veruntreuten Gelder.

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4 Projektmanagement bei Hilfsorganisationen

Die Disziplin des Projektmanagements entstand bereits Mitte des 20. Jahrhunderts, als diedurch die fortlaufende Industrialisierung und Spezialisierung immer komplexer werdendenEntwicklungsprozesse von Produkten und Diensten einen ständig wachsenden Organisations−aufwand bedeuteten. Laut Cleland ist das Projektmanagement nicht das Werk einer einzelnenPerson, sondern es hat sich im Laufe der Zeit bei verschiedenen Unternehmen parallel entwik−kelt ([CLELAND 1999], S. 6). Wie bei vielen anderen Technologien im letzten Jahrhundert hatauch hier der Bedarf des Militärs (in diesem Fall nach einer Management−Philosophie fürkomplexe Systeme) eine katalysierende Wirkung auf die Entwicklung des Projektmanagementsgehabt.Da es auch bei Hilfsorganisationen Projekte verschiedenster Art geben kann und eine umfas−sende Untersuchung all jener den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen würde, sollen hierhumanitäre Projekte im Mittelpunkt stehen. Dies sind Projekte, die in Krisengebieten undEntwicklungsländern durchgeführt werden, um die Lebensverhältnisse von bedürftigenMenschen zu verbessern. Primär ist der Fokus demnach auf Projekte im Bereich der Entwick−lungszusammenarbeit gerichtet, obwohl einiges von dem, was hier erwähnt wird, auch für dieKatastrophenhilfe bzw. Humanitären Soforthilfe relevant ist.Nichtsdestotrotz sind die nachfolgenden Kapitel als eine Einführung in Projekte und Projektma−nagement formuliert, da sie allgemeine Sachverhalte beschreiben und somit nicht nur speziellfür humanitäre Projekte zutreffen.

4.1 Über Projekte

Der Begriff Projekt an sich ist sehr genereller Natur. Projekte können in der Entwicklung einerneuen Technologie, eines neuen Produkts, der Einführung einer neuen Dienstleistung, der hier−archischen Umstrukturierung eines Konzerns, der Wiederaufforstung eines durch Brandzerstörten Waldstücks oder gar dem Bau eines Kulturdenkmals bestehen. Die Gemeinsamkeitdieser unterschiedlichen Arten von Projekten liegt darin, dass jedes Projekt ein bestimmtes Zielhat und dieses durch eine Anzahl einzelner Aktivitäten innerhalb eines vorgegebenen Zeitrah−mens zu erreichen sucht. Cleland formuliert es mit den Worten

"A project consists of a combination of organizational resources pulled together to createsomething that did not previously exist and that will provide a performance capability inthe design and execution of organizational strategies. Projects have a distinct life cycle ,starting with an idea and progressing through design, engineering, and manufacturing orconstruction, through use by a project owner." ([CLELAND 1999], S. 5)

überwiegend im Hinblick auf Firmen, aber wenn man Planung und Implementierung an Stellevon "engineering, and manufacturing or construction" setzt, erhält man eine Beschreibung desProjekt−Begriffs, die durchaus auch auf Hilfsorganisationen anwendbar ist.Eine generelle und deshalb etwas komplizierte, aber ebenfalls auf den humanitären Bereichübertragbare Definition liefert Jenny in seinem Buch zum Projektmanagement in der Wirt−schaftsinformatik:

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"Projekte sind in sich geschlossene, komplexe Aufträge, deren Erfüllung eine Organisa−tion bedingt, die für die Umsetzung der Tätigkeiten eine Methode anwendet, mit der alleanfallenden Arbeiten geplant, gesteuert, durchgeführt und kontrolliert werden können."([JENNY 1997], S. 58)

Im Kontext dieser Diplomarbeit wäre eine Ersetzung von "Organisation" mit "Organisierung"hilfreich, um der Verwirrung mit der institutionalen Bedeutung des Begriffs vorzubeugen.Bereits vor über 40 Jahren hat Gaddis in einem Artikel im Harvard Business Review (AusgabeMai−Juni 1959) einige Aussagen über Projekte gemacht, die bis heute ihre Gültigkeit nichtverloren haben. Eine von diesen lautet:

"A project is an organizational unit dedicated to delivering a development project ontime, within budget, and within predetermined technical performance specifications."([CLELAND 1999], S. 18)

Neben dem Aspekt der Zeitplanung und der zu erbringenden Leistung kommt hier noch derKostenfaktor ins Spiel, der natürlich für Hilfsorganisationen genauso relevant ist wie für profito−rientierte Unternehmen. Eine etwas allgemeiner formulierte Darstellung der Zusammenhängedieser drei Faktoren findet sich bei Jenny. Er bezeichnet die drei Bestimmungsgrössen vonProjekten als Aufgaben, Aufwände und Termine. Ihre Dreiecksbeziehung ist in Figur 4.1 skiz−ziert (vgl. [JENNY 1997], S. 59−60).

Figur 4.1: Bestimmungsgrössen von Projekten

Aus den durch die gewünschten Ergebnisse bzw. die Projektaufgabe definierten Leistungszieleergeben sich die Aufwände (zur Durchführung benötigte finanzielle, materielle und personelleMittel) und aufgrund des vorgegebenen Zeitrahmens ebenfalls die einzuhaltenden Termine. DieBestimmungsgrössen sind stark voneinander abhängig: eine Veränderung eines Faktoren hatEinfluss auf mindestens einen der beiden anderen.

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Zeitrahmen

Bestimmungsgrössenvon Projekten

Ergebnisse / Aufgaben

AufwändeTermine

LeistungszieleRes

sour

cen

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Die drei genannten grundlegenden Zielsetzungen eines Projekts (termingerechte Durchführung,Erreichen der zu erbringenden Leistung, Einhaltung des Kostenrahmens) sollten ständig inZusammenhang mit den operationalen (kurzfristigen) und strategischen (langfristigen)Vorgaben der durchführenden Organisation überprüft und beurteilt werden. Ein Grund dafür istnicht zuletzt die notwendige Wirtschaftlichkeit, ohne die ein profitorientiertes Unternehmengenausowenig wie eine nicht−profitorientierte Organisation auf Dauer überleben könnte. Wenndie unternommenen Aktivitäten nicht dem eigentlichen Gesamtziel dienen, entbehren sie jegli−cher Rechtfertigung zur Finanzierung.In der Regel haben Projekte unter den Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens oder einerOrganisation immer einen Sonderstatus. Ein Projekt entsteht dann, wenn eine Aufgabe zubewältigen ist, die nicht im Rahmen der Alltagsarbeit erledigt werden kann. Dies kann daranliegen, dass die Aufgabe zu komplex ist, weil sie beispielsweise eine grosse Anzahl von Mitar−beitern mit einbezieht, weil bestehende Organisationsprozesse oder −strukturen verändertwerden sollen, oder weil sie ein hohes Mass an Interdisziplinarität erfordert. Letzteres führtzwangsläufig dazu, dass Fachleute aus verschiedenen Bereichen auf ein gemeinsames Ziel hinzusammenarbeiten sollen, die sonst bei ihrer alltäglichen Funktion nur wenig oder gar nichtsmiteinander zu tun haben. Dies ist bei vielen Forschungsprojekten ebenso der Fall wie bei denDelegationen diverser Hilfsorganisationen, die in Krisengebieten zum Einsatz kommen. WeitereKriterien für die Durchführung eines Projekts können einerseits der Bedarf an besonderenRessourcen wie Know−how, Personal, Werkzeugen oder finanziellen Mitteln sein, aber auchandererseits das Bestehen finanzieller, personeller, fachlicher oder terminlicher Risiken ([SRK1999], S. 10). Alle diese Eigenschaften, durch die sich Projekte von der Routinearbeit einerOrganisation abheben, erfordern besondere Vorgehensweisen, damit die Projekte erfolgreichumgesetzt werden können.

4.2 Institutionale Selbstentwicklung durch Projektarbeit

Im Profitbereich dienen Projekte nicht nur dazu, neue Produkte zu entwickeln, sondern auch umfirmeninterne Strukturen und Prozesse zu überarbeiten und zu verbessern. Letzteres lässt sichauch auf den Nonprofitbereich und damit humanitäre Organisationen übertragen.Für Lung zielen Projekte primär darauf ab, organisatorische Leistungen und Strukturen zuverbessern, was der Organisation schliesslich dazu dient, wettbewerbsfähig zu sein und zubleiben. Sie dienen damit als Hilfsmittel, der im Profitbereich unter dem japanische BegriffKaizen bekannt gewordenen Unternehmensphilosophie, einer ständigen Selbstüberprüfung undSelbstverbesserung nachzukommen. Durch den zunehmenden Konkurrenzdruck der letztenJahrzehnte hat sich diese Arbeitsweise im Profitbereich schnell verbreiten können, wohingegensie sich im Verwaltungs− und Dienstleistungsbereich noch nicht voll durchgesetzt hat ([LUNG1999], S. 171ff). Bei nationalen sozialen Einrichtungen (wie z.B. Krankenhäusern) liegt dieNotwendigkeit für eine solche interne Entwicklungsarbeit jedoch ebenso auf der Hand wie beiinternational tätigen Hilfsorganisationen: für die einen sind es Kürzungen im staatlichen Sozial−haushalt, für die anderen ist es der stetig wachsende Bedarf an humanitärer Intervention beigleichzeitig sinkenden Spendengeldern. Wie bereits erwähnt hat die steigende Anzahl betrof−fener Personen bei Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten in den letzten Jahren zueinem Anstieg von insbesondere kleinen Hilfsorganisationen geführt. Da diese sich alle im glei−chen Tätigkeitsfeld befinden, wird ein wachsender Wettbewerb um die Spendengeldergeschaffen ([STODDART 1998], Kap. 1). Diese hingegen sinken bereits seit 1991/92 in vielen

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Bereichen, und befanden sich 1999 erneut auf einem Rekordtief beispielsweise im Gesund−heitssektor und bei der Trinkwasseraufbereitung / sanitären Versorgung ([WDR 2000], Kap. 7).Laut Lung gibt es jedoch Beispiele, die belegen, dass auch im Non−Profit−Bereich Projekt−gruppen aktiv sind, die konkrete Verbesserungen bewirken können. Defizite oder Problemelassen sich demnach in allen Bereichen (auch bei sozialen Einrichtungen und karitativen Insti−tutionen) mit Hilfe von Projekten beheben und dadurch sowohl der Effekt als auch die Effizienzihrer Arbeit verbessern. Voraussetzung dafür ist jedoch die Überzeugung jedes einzelnenMitarbeiters, dass diese Arbeit immer verbessert werden kann. Eine Arbeitsauffassung, wo aufProbleme und Schwierigkeiten erst dann reagiert wird, wenn es schon gar nicht mehr andersgeht, macht es für eine Organisation viel schwieriger (wenn nicht gar unmöglich), sich positiv zuentwickeln und auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Mentalität hat sich bekann−termassen in den letzten Jahrzehnten in vielen öffentlichen Bereichen und insbesondereBehörden breit gemacht, nicht zuletzt weil wegen der gesicherten staatlichen Finanzierung keinWettbewerbsdruck existierte. Erst im Zuge der jüngsten Einsparungen und des damit verbun−denen Stellenabbaus scheint in diesen Bereichen die Notwendigkeit zur Verbesserung und Effi−zienzsteigerung erkannt zu werden.

"Wer nur soviel tut, dass seine Organisation gerade ’erhalten’ bleibt, wird über kurz oderlang den Anschluss verpassen. Unternehmen und Organisationen sind daher gezwungen,sich aktiv zu engagieren, sich ständig zu verbessern und sich ständig zu verändern. <...>Profitorganisationen haben dies erkannt. Nonprofitorganisationen sind gefordert, dies zuerkennen." ([LUNG 1999], S. 175)

Mittlerweile werden sich auch humanitäre Organisationen der Dringlichkeit dieser Entwicklung inden letzten Jahren bewusst. Anzeichen dafür gibt es beispielsweise beim ICRC, das am 30.April 1998 den Aktionsplan für das Avenir−Projekt verabschiedet hat. Bis Ende des erstenQuartals 2001 sollen etwa 130 verschiedene Massnahmen unter anderem zur Verbesserungder humanitären Arbeit, des Dialogs zwischen den Beteiligten, und zur Steigerung der Effizienzinnerhalb des ICRC implementiert werden. Letzterer Punkt ist ein wesentliches Ziel desProjekts und umfasst mehr als ein Drittel aller geplanten Änderungen. Hier geht es hauptsäch−lich um Personalmanagement, einen Ausbau der Spendenquellen und eine Verbesserung derinternen Kommunikation ([AVENIR 1998]).Ähnliches findet sich im Strategieplan für die nächsten 10 Jahre von USAID, der 1997 verfasstwurde. Dort geht es unter anderem ebenfalls um eine Verbesserung der Qualität (Effektivitätund Effizienz) von Informationsprodukten und −diensten, und bei der Unterstützung von Opera−tionen und Projekten durch Informationstechnologie ([USAID 1997], S. 25). Als ein Bestandteildes generellen Management−Ziels von USAID, eine führende Entwicklungshilfeorganisation zubleiben, finden sich die konkreten Punkte hierzu unter dem Teilziel "Erweiterung der techni−schen und managementbezogenen Kapazitäten von USAID". Darunter fällt zum einen dieVerbesserung des Ergebnisberichts− und Finanzmanagementsystems (results reporting andfinancial management systems), und zum anderen die Überarbeitung des "New ManagementSystems" ([USAID 1997], S. 36), zu dem in Kapitel 5, S. 45 noch näheres erwähnt wird.

Der Kern der Kaizen−Philosophie, die laut Lung die Einstellung verdeutlicht, dass alles verbes−serbar und nichts beständig ist, ist von den Grundsätzen humanitärer Hilfsarbeit gar nicht weitentfernt. Wäre der Glaube nicht vorhanden, dass etwas in dieser Welt mit den bereits vorhan−denen Mitteln verbessert werden könne, gäbe es keine humanitäre Hilfsarbeit. Sie existiertjedoch offensichtlich, und dass sie funktioniert belegen die Millionen von Freiwilligen und beruf−

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lichen humanitären Helfern, die tagtäglich unter zum Teil widrigen Bedingungen ihren Beitragdazu leisten. In den letzten Jahren wurden allerdings zunehmend Bereiche deutlich, in denensie nicht optimal funktioniert, und wie bereits erwähnt ist einer der verbesserungsbedürftigenSchwerpunkte die Planung, Koordination und Überwachung von humanitären Projekten.

4.3 Das Management von Projekten

"Routineabläufe sind in der Regel organisatorisch strukturiert und erfordern keinengrossen planerischen Aufwand durch die Mitarbeiter mehr. Projekte hingegen haben einengrossen innovativen Anteil, behandeln neuartige Aufgabenstellungen; sowohl Vorgehenals auch Ergebnisse müssen sich von der Routine unterscheiden. Daher kann bei Projek−tarbeit oft auf keine vorhandene Planung zurückgegriffen werden und sie müssen sorg−fältig geplant werden." ([LUNG 1999], S. 176)

Die besonderen Umstände, unter denen ein Projekt im Kontrast zur Alltagsarbeit durchgeführtwird, erfordern spezielle Techniken und Methoden, um letztendlich die gewünschten Ziele zuerreichen. Diese speziellen Techniken und Methoden werden im folgenden unter dem BegriffProjektmanagement zusammengefasst.Das Project Management Institute (PMI) in Newtown Square/Pennsylvania ist eine derführenden professionellen, nicht−profitorientierten Organisationen, die sich mit dem Bereich desProjektmanagements beschäftigen. Über 30.000 Mitglieder, die sich auch beruflich mit Projekt−management befassen, wirken durch lokal abgehaltene Seminare, Workshops und Programmean der Forschung und Entwicklung des Projektmanagements mit, deren Resultate in regelmäs−sigen Publikationen zugänglich sind. Die offizielle Definition des Begriffs Projektmanagementbeim PMI lautet:

"Project management is the art of directing and coordinating human and materialresources throughout the life of a project by using modern management techniques toachieve predetermined objectives of scope, cost, time, quality and participant satisfac−tion." ([CLELAND 1999], S. 7)

Die Arbeit des PMI basiert auf dem Guide to the Project Management Body of Knowledge(PMBOK), einer umfassenden Beschreibung der Konzepte, Prozesse und Techniken die zumManagement eines Projekts benötigt werden. Dieses Referenzdokument, von Praktikern undAkademikern verfasst, die Projektmanagement einsetzen und vorantreiben, enthält die grundle−genden Standards für die Anwendung von Projektmanagement und kommt somit allen Projekt−teilnehmern, Managern, Beratern und Ausbildungskräften zugute.Im PMBOK ist unter anderem ein Modell beschrieben, welches das Projektmanagement inmehrere Teilbereiche untergliedert, die ihrerseits wiederum Management−Disziplinendarstellen. Diese Bereiche beschreiben die Prozesse, die notwendig sind, um das Ziel desjeweiligen Bereichs im Rahmen des Projekts zu erreichen:

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Teilbereich Ziel

Zeitmanagement Termingerechte Durchführung des Projekts

Kostenmanagement Einhaltung des Projekt−Budgets

Qualitätsmanagement Erbringen der gewünschten Leistung

Personalmanagement Effektiver und effizienter Einsatz von Arbeitskräften

Kommunikationsmanagement Informationsbeschaffung/−verarbeitung und −austausch

Risikomanagement Risikoeinschätzung und Risikobeurteilung des Projekts

Beschaffungsmanagement Logistik, Erwerb von Gütern für den Einsatz im Projekt

Integrationsmanagement Koordination von Planung, Durchführung und Kontrolle

Rahmenmanagement Durchführung aller nötigen Aktivitäten für den Projekterfolg

Tabelle 4.1: Teilbereiche des Projektmanagements und ihre Aufgaben

Damit ein Projekt erfolgreich sein kann, muss man es zunächst in seiner Gesamtstrukturverstehen. Erst dann kann man − ähnlich dem Divide−and−conquer−Prinzip in der Informatik −die Teilaufgaben herausarbeiten um diese dann zu lösen. Die in Tabelle 4.1 beschriebeneEinteilung in verschiedene Managementaspekte kann hilfreich sein, um die grundlegendenZusammenhänge der einzelnen Ziele zu erkennen.Die Herausforderung bei der Durchführung von Projekten besteht nun darin, dass sich dieseverschiedenen Bereiche des Projektmanagements alles andere als "kooperativ" zueinanderverhalten. Zielkonflikte sind immer vorhanden, beispielsweise wenn man die Teilziele Leistung,Kosten und Zeit miteinander kombinieren möchte. Je mehr die Leistung verbessert werden soll,desto grösser werden die Kosten und/oder der Zeitaufwand, um dies zu erreichen. Um einakzeptables Ergebnis zu erzielen ist es daher notwendig, die im Laufe des Projekts erreichtenZwischenergebnisse auf alle involvierten Teilziele hin zu überprüfen. Bislang besteht diegängige Vorgehensweise meist darin, die Teilziele nach Prioritäten zu ordnen und sich nur aufdie primären Ziele zu konzentrieren, während die sekundären Ziele weitgehend vernachlässigtwerden ([LUNG 1999], S. 178).Erfahrungen beim Freiwilligeneinsatz in Albanien haben beispielsweise gezeigt, dass geradeauch bei etablierten Hilfsorganisationen mit entsprechend hohem Spendenvolumen die Gefahrbesteht, die Leistungserbringung als primäres Ziel zu betrachten und dabei das Kostenziel zuverfehlen. Natürlich ist es an sich nichts negatives, wenn man sich dafür einsetzt, qualitativhochwertige Ergebnisse zu erzielen. Das Problem bei Nichtbeachtung des Budgetrahmens istnur, dass einem entweder irgendwann das Geld ausgeht und man das Projekt nicht so wieursprünglich geplant zu Ende führen kann, oder − falls man zusätzliche Gelder bewilligtbekommt − dass sich dies langfristig negativ auf die Effizienzanalyse der Hilfsorganisationauswirkt. Gerade kleinere Hilfsorganisationen, die mehr oder weniger um finanzielle Unterstüt−zung für ihre Projekte ringen müssen, können sich selbst auf diese Weise schnell in Schwierig−keiten bringen. Aber auch das Gegenteil war zu beobachten: es wurden auch Projekte durch−geführt, bei denen das Kostenziel das Leistungsziel determiniert hat. Ein Projekt zur Einrichtungeines Gemeindezentrums in einem Stadtteil Tiranas, an dem der Autor teilgenommen hat, istnach drei Monaten wegen mangelnder finanzieller Unterstützung gescheitert. Dies mag zwar invielen Fällen keine besonders schwerwiegenden Konsequenzen für die Hilfsorganisation haben− letztendlich war dies nur ein Projekt von vielen − aber die Zielgruppe, die ursprünglich langfri−stigen Nutzen davon haben sollte, ist natürlich am stärksten davon betroffen. Dies alles hättedurch nachhaltigere Planung vermieden werden können.

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Lung unterteilt den Begriff Projektmanagement in zwei Bereiche:

� Institutionales Management� Funktionales Management

Der Bereich des Institutionalen Managements umfasst im wesentlichen die Projektorganisation.Dazu gehört die Definition der strukturellen Komponenten eines Projekts, die Zuordnung derAufgaben sowie der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Das Funktionale Managementandererseits beschäftigt sich mit der Projektleitung, die aus der Planung, Kontrolle und Steue−rung des Projekts besteht. Darüber hinaus umfasst es die Projektführung, die sich mehr mit denpsychologischen Aspekten der Teamarbeit, Kooperation und Mitarbeiterführung innerhalb einesProjekts beschäftigt und Themen wie Kommunikation, Information, Motivation und Konfliktbear−beitung behandelt ([LUNG 1999], S. 177). Dieser letztgenannte Bereich ist für die erfolgreicheDurchführung eines Projektes sicherlich mindestens genauso wichtig wie die Projektorganisa−tion und Projektleitung, befindet sich aber ausserhalb des Rahmens dieser Diplomarbeit. Inter−essierte Leser finden zu diesem Thema nähere Informationen in ([LUNG 1999], S. 141−170,S. 192−230) und anderer, auf Kommunikation spezialisierter Literatur (z.B. [QUBEIN 1997]).

4.4 Die Organisation von Projekten

Projekte unterscheiden sich grundlegend vom gewöhnlichen Alltag innerhalb einer Organisa−tion. Dadurch, dass sie sich auf spezielle Aufgaben konzentrieren und zur Bewerkstelligungdieser Aufgaben Ressourcen und Fachkräfte aus den verschiedensten Bereichen innerhalb undgegebenenfalls ausserhalb einer Organisation zusammengezogen werden, entsteht gewisser−massen ein Bruch mit der traditionellen Organisationsstruktur ([CLELAND 1999], S. 39ff). Dieshat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Zu den Vorteilen gehört sicherlich, dass auf diese WeiseKräfte (in Form von Wissen und Kompetenzen) zusammengeführt werden können, die inKombination überhaupt erst die Durchführung der geplanten Aufgabe ermöglichen. Ein weitererVorteil ist die Tatsache, dass durch die Selbständigkeit des Projekts der Arbeitsprozess kataly−siert werden kann. Dies geschieht dann, wenn die Projektmitarbeiter quasi freie Hand in derAusführung haben und sich nicht an bürokratische Strukturen und Richtlinien halten müssen,wie sie das sonst im regulären Alltag machen müssten (vgl. [CLELAND 1999], S. 80). Umge−kehrt kann dies jedoch auch in Chaos ausarten, wenn zu wenige Vorgaben existieren und dieMitarbeiter Problemstellungen mehr oder weniger nach eigenem Ermessen lösen müssen. Einweiterer Nachteil, der durch mangelnde Definition der Aufgabenbereiche entsteht, ist die Gefahrdes Konkurrenzkampfs. Gerade bei Projektbeginn, wo Fachkräfte aus verschiedenen Bereichenzum Lösen einer gemeinsamen Aufgabe zusammenkommen und noch kein eingespieltes Teambilden, ist es notwendig, die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter festzustellen und dieTeilaufgaben und Verantwortlichkeiten eindeutig zu verteilen.

Die am häufigsten verwendete Organisationsform im Management der obengenannten Hierar−chie−Situation ist die sogenannte Matrix−Organisation (vgl. [SRK 1999], S. 15−16). Sie gilt alsMischform aus reiner Projektorganisation, bei welcher der Projektleiter sowohl die fachlicheProjektverantwortung als auch die personelle Führungsverantworung besitzt, und Projektkoor−dination (auch als Stab−Linien−Projektorganisation bezeichnet), die sich durch eine Koordinati−onsaufgabe ohne Weisungsbefugnis und deshalb geringerer Verantwortung für den Projektleiter

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auszeichnet. Bei der Matrix−Projektorganisation wird im allgemeinen die Struktur (oder Teilbe−reiche der Struktur) einer Organisation zusätzlich mit projektbezogenen Weisungsbefugnissenüberlagert. Das Projektteam wird quasi als eigenständige, integrale Einheit (vergleichbar miteiner zusätzlichen Abteilung) innerhalb der Organisation gehandhabt ([CLELAND 1999],S. 218ff). Während in der reinen Projektorganisation eine eigene Hierarchie−Struktur für dasProjekt geschaffen wird und im Gegensatz dazu bei der Projektkoordination keine strukturelleVeränderung stattfindet, wird bei der Matrix−Organisation für die Dauer des Projekts ein Mehr−linien−System aufgebaut, was meistens als Matrix visualisiert wird (daher auch der BegriffMatrix−Organisation). In der Organisationsmatrix spiegeln sich die formalen Autoritäten,Verantwortlichkeiten und Berichterstattungsbeziehungen zwischen den einzelnen Projektteil−nehmern wider. Sie dient somit dem generellen Überblick über das Projekt als Ganzes. Die amProjekt beteiligten Mitarbeiter sind zwei Arbeitsfeldern zugeteilt: ihrer ursprünglichen Tätigkeitund dem Projekt. Dadurch ergibt sich aus der Sicht der Unternehmensleitung eine optimaleKapazitätsauslastung der Mitarbeiter, obwohl diese zwei verschiedenen Führungsinstanzenunterstellt sind und daraus resultierenden Kompetenzkonflikten unterworfen sein können([JENNY 1997], S. 108ff). Auch wenn die Matrix−Organisation erhöhte Anforderungen an dieMitarbeiter stellt (Teamgeist, Fairness, bessere Kommunikation, mehr Selbständigkeit, Disziplinund Motivation durch Doppelunterstellung), so sorgen ihre Vorteile (bessere Kapazitätsausla−stung, höheres Verantwortungsgefühl, geringe Umstellungskosten wegen unveränderterGrundstruktur) offensichtlich dafür, dass sie heutzutage bevorzugt eingesetzt wird.

In der einschlägigen Literatur zur Organisation von Projekten gibt es eine Vielfalt von Möglich−keiten, wie Projekte strukturell organisiert sein können. Im folgenden soll eine Struktur behan−delt werden, die man wohl als die Essenz des humanitären Projektmanagements bezeichnenkann, weil man sie in der nonprofit−orientierten Managementliteratur häufig antrifft und sie auchin der Praxis bei den meisten Hilfsorganisationen zum Einsatz zu kommen scheint. Demnachbesteht ein Projekt personell aus drei Kernkomponenten ([LUNG 1999], S. 179):

� der Projektgruppe, � der Projektleitung� dem Projektauftraggeber

Die Projektgruppe besteht aus den Fachkräften, welche durch die Erfüllung ihrer Teilaufgabenversuchen, gemeinsam das Ziel zu erreichen. Die Projektleitung übernimmt in den meistenFällen der Projektmanager. Er führt die Projektgruppe und koordiniert Teilaufgaben sowieVerantwortlichkeiten. Der Projektauftraggeber gibt die globale Zielsetzung vor und hat die ulti−mative Entscheidungskraft.Abhängig von seinen Ausmassen bzw. Auswirkungen wird ein Projekt einer bestimmten Hierar−chieebene innerhalb der Hilfsorganisation zugeordnet. Somit entscheidet sich auch derAuftraggeber und die Zusammensetzung der Projektgruppe (vgl. [SRK 1999], S. 11). EinProjekt, im Rahmen dessen beispielsweise die bedürftigen Einwohner eines Bergdorfs in Alba−nien den Winter über mit Lebensmitteln versorgt werden sollen, wird typischerweise von derKoordinationsbüro einer Hilfsorganisation vor Ort (z.B. ADRA Albania) in Auftrag gegeben undvon Teilen ihrer Belegschaft durchgeführt. Grössere Kriseneinsätze wie beispielsweise imKosovo, die mehrere Nationen betreffen und die Kapazitäten einer Landesgesellschaft über−steigen, werden häufig von Regionalbüros oder anderen unterstützenden Landesgesellschaftenbeauftragt und koordiniert. Ein typisches Beispiel für Projektgruppen in diesem Zusammenhangsind die Delegationen verschiedener Hilfsorganisationen (z.B. unterstützender Rotkreuz−Orga−

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nisationen oder Caritas−Verbände). Tiefgreifende strukturelle Veränderungen innerhalb einerweltweit tätigen Hilfsorganisation wie dem ICRC, welche die gesamte Organisation als solchebetreffen, werden von der Zentrale (in diesem Fall dem Komitee in Genf, am Beispiel Avenir−Projekt, vgl. [AVENIR 1998]) beauftragt und von allen betroffenen Mitarbeitern der Organisationweltweit umgesetzt.

Zu den Aufgaben des Projektauftraggebers gehört die übergreifende Koordination des Projekts,mit dem Ziel, Kompetenzstreitigkeiten unter den Projektteilnehmern zu lösen und politischeEntscheidungen zu treffen, die den Verantwortungsbereich der Projektmitglieder übersteigen(generelle Projektorganisation, Projektpriorität, Entscheidungsbefugnisse). Entweder wählt derProjektauftraggeber (nach Lungs Terminologie der Lenkungsausschuss) die einzelnen Projekt−gruppenmitglieder sowie den Projektleiter aus und legt dessen Handlungs− und Kompetenz−spielraum fest, oder er hat zumindest Mitbestimmungsrecht bei dieser Auswahl (vgl. [LUNG1999], S. 181 und [SRK 1999], S. 15). Meistens definiert der Auftraggeber auch die soge−nannten Meilensteine. Das sind die Termine, die wesentliche Abschnitte eines Projekts kenn−zeichnen (Start, Ende, Erreichen von Teilzielen) und zu denen über die bis dahin erzieltenErgebnisse Bericht erstattet werden soll. Der Projektleiter übernimmt die Funktion des organisatorischen Koordinators innerhalb derProjektgruppe und arbeitet eng mit ihr zusammen. Seine Hauptaufgabe ist das Zusammen−führen der verschiedenen Komponenten eines Projekts, damit diese im Zusammenspiel dasgemeinsame Ziel erreichen können:

"The ever−present complexity of project management’s tasks also requires a high level ofintegration between what are considered by line managers to be separate functional areas.The project manager, especially in matrixed organizations, plays a major role as inte−grator of resources, schedules, and technical capabilities to achieve the project’s objec−tives." ([ROMAN 1986], S. 170)

Er ist für die Formulierung und Dokumentation der Teilziele zuständig, hilft bei der Unterteilungder Projektgruppe sowie der Aufgaben− und Verantwortlichkeitszuteilung, erstellt Detailpläneund Termine, überwacht den Ablauf der Projektarbeit, sorgt für die Einhaltung der Teilziele(Termine, Kosten, Leistung) und sichert den Informationsfluss innerhalb und ausserhalb derProjektgruppe. Seine Verantwortung umfasst ebenfalls das Hinzuziehen von externen Fach−kräften oder die Fortbildung von Projektteilnehmern im Falle unzureichender Qualifikationen. Zuden schwierigeren Aufgaben gehört auch die Moderation von Konflikten und Problemsituationeninnerhalb der Gruppe. Folglich benötigt er dazu sowohl soziale als auch fachliche Qualifika−tionen im Bereich des Projektmanagements. Seine Aufgabe kann er nur dann sinnvoll erfüllen,wenn er die uneingeschränkte Unterstützung seiner Vorgesetzten erfährt ([LUNG 1999], S. 184und [SRK 1999], S. 35):

"The project manager manages a high proportion of professionals organized on a teambasis. The superior/subordinate relationship is modified, resulting in a unique set ofauthority, responsibility, and accountability relationships.<...> A clear delineation ofauthority and responsibility is essential." ([CLELAND 1999], S. 18)

Die Projektgruppe schliesslich übernimmt die Ausführung der eigentlichen Projektarbeit undbringt die dafür notwendigen Voraussetzungen mit. Die einzelnen Mitglieder nehmen jeweils die

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ihrem Fachbereich zugeordneten Teilaufgaben wahr und versuchen, diese innerhalb der vorge−gebenen (beispielsweise qualitativen, zeitlichen, finanziellen) Rahmenbedingungen zu erle−digen. Sie sorgen selbständig für das Einholen der zur Erfüllung ihrer Projektaufgaben rele−vanten Informationen und erhalten einen effizienten Informationsaustausch innerhalb derProjektgruppe aufrecht. Auch wenn oder gerade weil die fachlichen Kompetenzen divergieren,liegt der Schwerpunkt auf Teamarbeit.

Ebenso wichtig wie die Ausführung der Aufgaben ist die ausführliche Dokumentation dererzielten Ergebnisse. Die Erfahrung zeigt leider, dass die Ausarbeitung inhaltlich wertvollerDokumentation nicht nur sinnvoll und notwendig, sondern auch sehr zeitaufwendig ist,deswegen häufig als lästig empfunden wird und folglich ungern und unzureichend durchgeführtwird. Dieses Phänomen ist sicherlich nicht nur bei Hilfsorganisationen zu finden sondern trifftbekanntermassen wohl generell auf die meisten Bereiche des Lebens zu. Nichtsdestotrotz istDokumentation unerlässlich für die Fortschrittskontrolle eines Projekts, für den Nachweiserzielter Ergebnisse (beides sowohl für den internen Gebrauch zur Kontrolle als auch zumexternen Nachweis beispielsweise gegenüber Spendern) sowie zur Selbstüberprüfung undSelbstverbesserung (vgl. Kapitel 4.2, S. 30). Berichte über Anforderungen, Situationsbeschrei−bungen, Entscheidungen und Prozesse machen es nicht nur möglich, retrospektiv Zusammen−hänge und Entwicklungen zu erkennen und den Verlauf eines Projekts zu rekapitulieren (z.B.zur finanziellen Verifikation). Sie können neben der Informierung Aussenstehender auch dazubeitragen, den Wissensschatz der Organisation zu erweitern. Nachfolgende Projektteamskönnen somit aus den Erfahrungen ihrer Vorgänger lernen ([LUNG 1999], S. 186). Der Vorteilund die Wichtigkeit eines solchen Organisationswissens (institutional memory) wurden früherhäufig unterschätzt und erst in den letzten Jahren in zunehmendem Masse erkannt(vgl. [STODDART 1998], S. 32 und S. 190).

Zusätzlich zu den drei oben genannten Projektparteien (Auftraggeber, Projektleiter und Projekt−gruppe) ist noch eine vierte erwähnenswert, die optional involviert sein kann. Dies ist dieGruppe der Berater. Es kann sich dabei um einen organisations−internen Beratungsausschusshandeln, der sich aus Mitgliedern der beteiligten Abteilungen zusammensetzt und die Projekt−gruppe hauptsächlich in der Überprüfung fachlicher Lösungsvorschläge und Entscheidungsfin−dung unterstützt. Ebenso können dies auch externe Berater sein, die einerseits den Vorteileiner grösseren Unabhängigkeit mit sich bringen, andererseits jedoch oftmals nicht dennotwendigen Einblick in die Projektsituation besitzen oder sich diesen erst mühsam erarbeitenmüssen ([LUNG 1999], S. 182ff). Bei Hilfsorganisationen finden sich solche Berater beispiels−weise intern in Form von Senior Managers, was man etwas unkompliziert wohl mit derBezeichnung "Krisenveteranen" umschreiben könnte, die nicht mehr aktiv an humanitärenEinsätzen teilnehmen, aber mit ihrem Rat und ihrer Erfahrung mündlich bzw. schriftlich zurSeite stehen.

4.5 Humanitäre Projektplanung bei Hilfsorganisationen

Humanitäre Soforthilfe, wie sie bei Naturkatastrophen oder auch bewaffneten Konflikten benö−tigt wird, kann nur schwer vorausgeplant werden. Die Dauer einer Intervention und der Kosten−umfang sind anfänglich nur schlecht absehbar. Erfolgreiche Projektplanung erfordert sowohlkorrekte und relevante Informationen als auch Zeit, und beides ist im Krisenfall meist nur unzu−

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reichend vorhanden. Zum einen existiert ein grosser Zeitdruck, wenn durch eine naturbedingteoder von Menschenhand geschaffene Katastrophe eine grosse Anzahl von Menschenobdachlos geworden ist und Nahrung und medizinische Versorgung nur sehr begrenzt zurVerfügung stehen. Die Menschen sterben buchstäblich weg, wenn nicht rechtzeitig Hilfsmass−nahmen eingeleitet werden. Zum anderen treffen solche Katastrophen meist unvorhergesehenein, und bevor sinnvolle Hilfsaktionen gestartet werden können, muss man sich erst ein Bild vonder Situation und den tatsächlichen Bedürfnissen der Betroffenen verschaffen. Dies erweist sichim akuten Krisenfall als besonders schwierig, weil Chaos und Panik herrschen und Informa−tionen nicht nur unbeabsichtigt, sondern wie beispielsweise im Fall eines bewaffneten Konflikts,häufig auch absichtlich unvollständig oder verfälscht weitergegeben werden.Um bei einer akuten Katastrophe mehr Zeit zum Handeln haben, erarbeiten viele Hilfsorganisa−tionen Krisenreaktionspläne (disaster response plans) im Rahmen der Krisenvorbereitung(disaster preparedness). In der Praxis bestehen diese Pläne aus einer Analyse der möglichenKatastrophen für eine Region oder ein Land, einer Schätzung der Wahrscheinlichkeit ihresEintreffens und ihres Ausmasses sowie einer Skizzierung der notwendigen Aktivitäten. ImPrinzip spielt man gewissermassen die verschiedenen Szenarios auf dem Papier durch. ImFalle ihres Eintritts ist dann bereits die Vorgehensweise zur Einleitung von Hilfsmassnahmenbekannt, und man kann somit schneller reagieren und zur eigentlichen Durchführung über−gehen. Diese Vorausplanung kann letztendlich jedoch nicht den tatsächlichen Informationsbe−darf im Krisenfall verringern. Sie ermöglicht es lediglich, von vornherein gezielt die benötigtenInformationen zu beschaffen. Man hat sich die Aufgabe dadurch etwas erleichtert, dass manbereits die notwendigen Informationen identifiziert hat und also weiss, wonach man sucht. DieKomplexität, Unübersichtlichkeit und Veränderlichkeit der Krisensituation ist aber damit aberkeinesfalls verringert. Es ist nach wie vor kompliziert, schnell und zuverlässig an die richtigenInformationen zu kommen.Diese Schwierigkeiten sind bei der langfristigen Entwicklungshilfezusammenarbeit in viel gerin−gerem Ausmass vorhanden. Die Lage im entsprechenden Land oder der Region ist in der Regelviel stabiler als in einer akuten Krise, und selbst wenn komplexe und unübersichtliche Verhält−nisse herrschen, hat man die Zeit, um sich einen Überblick zu verschaffen und die notwendigenInformationen für eine nachhaltige Planung einer Intervention zu erarbeiten und zu prüfen.

4.6 Der Projektzyklus

Wie bereits erwähnt laufen Projekte in einem vorgegebenen Zeitrahmen ab, der im allgemeinenals Projektzyklus (project life cycle) bezeichnet wird. Vergleicht man die unterschiedlichen Vari−anten in der Fachliteratur, in denen Projekte in einzelne Abschnitte unterteilt werden, stellt manfest, dass es im allgemeinen immer vier verschiedene Phasen im Ablauf eines Projekts gibt:

1. Die Entwurfphase2. Die Planungsphase3. Die Implementierungsphase4. Die Terminierungsphase

Man findet häufig eine feinere Unterteilung, und natürlich auch andere Bezeichnungen für dieeinzelnen Phasen. Als Arbeitsdefinition für die folgenden Abschnitte wurde die erwähnteZusammensetzung gewählt, da die Anzahl von vier Phasen einerseits gerade gross genug ist,

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um die essentiellen Abschnitte von einander zu unterscheiden, aber andererseits auch kleingenug, um den Überblick zu wahren. Die Namen sind in Anlehnung an verschiedene Quellender Projektmanagement−Literatur selbst ausgedacht und in dieser Konstellation gewählt, da siein diesem Zusammenhang eindeutig und einprägsam erscheinen. Der Begriff Entwurf (Phase 1)soll zwar die anfängliche Planung, aber im Gegensatz zur genauen Planung (Phase 2) diegrobe Skizzierung und mangelnde Tiefe bzw. Genauigkeit verdeutlichen. Implementierung(Phase 3) ist hier eigentlich ein Synonym für "Operation", wurde aber deshalb gewählt, weil derBegriff "implementation" im englisch−sprachigen humanitären Bereich für die Umsetzung vonProjekten gebräuchlich ist. Die Tatsache, dass dieser Begriff auch in der Informatik Verwen−dung findet, ist in diesem Fall ein unbeabsichtigter Nebeneffekt und soll nicht weiter stören. Amschwierigsten war es, eine treffende Bezeichnung für Phase 4 zu finden. In der Fachliteraturwerden mit dieser Begriffe wie "Evaluation" oder "divestment" in Verbindung gebracht, aberdiese beiden Begriffe decken jeweils nur einen Teilaspekt der in Phase 4 vorgenommenenAktivitäten ab. Auch der Begriff "Nachbearbeitung" ist unzureichend, da er beispielsweise denAbzug von temporär zur Verfügung gestellten Einsatzkräften nicht berücksichtigt. Der BegriffTerminierung erscheint als umfassend genug, ist aber dafür so allgemein, dass er einergenaueren Beschreibung bedarf (die weiter unten folgt), bevor wirklich klar ist, was damitgemeint ist. Gewissermassen ist die Terminologie auf diesem Gebiet unzureichend. Offensicht−lich scheint es keine Standardbegriffe dafür zu geben, da jeder Autor mehr oder weniger seineeigenen Bezeichnungen verwendet.Der personelle, materielle und finanzielle Aufwand im Laufe der vier Projektphasen ist in Figur4.2 dargestellt (in Anlehnung an [CLELAND 1999], S. 292).

Figur 4.2: Die vier Phasen eines humanitären Projekts

Diese dient jedoch nur zur Veranschaulichung. Der Zusammenhang zwischen Zeit undAufwand wird in der Praxis durch die aufgabenabhängige unterschiedliche Dauer der einzelnenPhasen und die variierende Arbeitsintensivität in den wenigsten Fällen so symmetrischaussehen. Im folgenden wird die Zuordnung der Aktivitäten zu jeder Phase erläutert und derBezug zu anderen in der Fachliteratur anzutreffenden Projektzyklen verdeutlicht.

Die hier vorgestellte Unterteilung des Projektzyklus orientiert sich im wesentlichen am ProjectCycle Management (PCM)−Modell der GTZ, weil dieses im grossen und ganzen alle notwen−

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Aufwand

Zeit

Phase I Phase II Phase III Phase IV

Entwurf Planung Implementierung Terminierung

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digen Phasen zur Durchführung eines Projekts im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeitabdeckt. Bereits in den 70er Jahren wurde die GTZ vom deutschen Bundesministerium fürZusammenarbeit (BMZ) beauftragt, den damals international angewandten sogenanntenLogical Framework Approach zu evaluieren. Dieses umfassende Management−Instrument fürPlanung, Implementierung und Evaluierung hat die GTZ Anfang 1980/81 zur Methode der ZielOrientierten Projekt Planung (ZOPP) weiterentwickelt. Hinzugefügt wurden unter anderemBeteiligten−, Problem− und Zielanalyse. Bis Ende der 80er Jahre wurden innerhalb der GTZalle Instrumente des Managements auf die ZOPP−Basis umgestellt. Der internationale Erfolgdieser Entwicklung wurde durch die weite Verbreitung bei verschiedenen anderen Organisa−tionen, u.a. der Norwegian Agency for Development Cooperation (NORAD), der Danish Inter−national Development Assistance (DANIDA), der Europäischen Union und der schweizerischenDirektion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (DEH), sowie der Integration indie Lehrpläne der Fächer mit Entwicklungshilfe−Bezug an vielen Hochschulen belegt. Anfangder 90er Jahre wurden jedoch Defizite dieser Methode immer deutlicher. Unter anderem hattesich die Vorgehensweise beim Einsatz der ZOPP−Methode als zu schematisch und wenigflexibel erwiesen und war deshalb auf immer grösseren Widerstand bei Projektteilnehmern,−partnern und −betroffenen gestossen. Nach einer eingehenden Revision des Konzepts durchdie GTZ von 1992−1995 wurde ZOPP 1998 schliesslich zum Managementrahmen PCM weiter−entwickelt ([ZOPP 1997], S. 32ff).

Was im PCM−Modell nicht erscheint, jedoch nach Meinung des Autors sehr hilfreich (wennnicht gar notwendig) ist und in vielen humanitären Projekten ebenfalls eine wichtige Rolle spielt,ist die Nachbereitung des Projekts, hier unter dem Begriff Terminierungsphase als vierterAbschnitt hinzugefügt.Die Unterteilung des Projektzyklus in die vier obengenannten Abschnitte (gegebenenfalls miteiner leicht abgeänderten Terminologie) hat sich in den letzten Jahrzehnten schon im Profitbe−reich auf breiter Front durchgesetzt ([ROMAN 1986], S. 10 und [CLELAND 1999], S. 292) undlässt sich auf einer höheren Abstraktionsebene gut auf den humanitären Bereich übertragen. ImDetail gibt es bei den Teilaufgaben der einzelnen Abschnitte zwangsläufig grosse Unterschiede,weil humanitäre Organisationen von Natur aus andere Aufgaben wahrnehmen als profitorien−tierte Unternehmen (vgl. Kapitel 3, S. 7ff). Man stösst jedoch zuweilen auch auf andere Vari−anten mit einer grösseren Anzahl von Abschnitten, wie beispielsweise beim SchweizerischenRoten Kreuz (SRK), das seinen Projektzyklus in sechs Phasen (Idee, Vorprojekt, Grobprojekt,Detailprojekt, Realisierung und Nutzung/Evaluation) untergliedert ([SRK 1999], S. 29). Beigenauerem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass die Phasen 2−4 (Vorprojekt, Grobprojekt undDetailprojekt) durchaus zusammengefasst werden können, da sie sich alle mit der Projektpla−nung beschäftigen. Zwar wird diese von Phase zu Phase zunehmend verfeinert und speziali−siert, aber dies ändert nichts an der Tatsache, dass es sich nach wie vor um Planung handelt,die deswegen auch unter diesem Begriff zusammengefasst werden kann. Andererseits könnteman genauso gut eine Stufe weiter abstrahieren und die Entwurfphase ebenfalls in diePlanungsphase integrieren. Dann gerät jedoch der Unterschied dieser beiden Phasen, nämlichdie ursprüngliche, quasi unscharfe Ideenentwicklung durch Brainstorming einerseits und diekonkrete Detailplanung andererseits zu sehr in den Hintergrund. Deshalb fiel die Entscheidungauf das oben genannte Vier−Phasen−Modell, welches im folgenden ausführlicher beschriebenwerden soll.

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4.6.1 Die Entwurfphase

In der englischsprachigen Fachliteratur meist als "Conceptual Phase" bezeichnet, und im PCM−Modell unter dem Begriff "Identifizierungsphase" zu finden, beinhaltet die Entwurfphasezunächst einmal die ursprüngliche Idee zum Projekt. Diese kann aus den verschiedenstenGründen aufgetaucht sein, im humanitären Zusammenhang entsteht sie wohl meistens imRahmen eines Brainstormings angesichts einer Ausgangssituation im weitesten Sinne. Dieskann im Rahmen der humanitären Soforthilfe eine kurzfristig entstandene Krisensituation sein,wie zum Beispiel der bewaffnete Konflikt im Kosovo im Frühjahr 1999, oder eine Naturkata−strophe wie das Erdbeben in der Türkei im Sommer 1999. In der Entwicklungszusammenarbeitwäre dies beispielsweise eine jahrelang anhaltende Notstandssituation, wie etwa eine erhöhteSterblichkeitsrate wegen infizierten Trinkwassers in einer bestimmten Region. In allen Fällen giltes, zuerst die grundlegenden Fragen nach

� der Zielgruppe (Wer kann unterstützt werden?)� ihren Bedürfnissen (Worin kann unterstützt werden?)� der Absicht (Was soll insgesamt erreicht werden?)

grob zu skizzieren. Diese drei Punkte könnte man mit unter der Aktion "Ausgangslage klären",wie sie im PCM−Modell erscheint, vereinen (vgl. [PCM 1998], S. 5).Im humanitären Alltag werden die dafür notwendigen Informationen aus verschiedenen Quellengesammelt. Demographische, geographische, politische, ökonomische, soziale und andereHintergrundinformationen sind in der Regel öffentlich von den Medien bzw. Nachrichtenagen−turen verfügbar. Darüber hinaus werden Statistiken von Landesregierungen oder von unabhän−gigen Instituten geführt und WWW−Sites von anderen Partnerorganisationen unterhalten, wiez.B. ReliefWeb (www.reliefweb.int) vom United Nations Office for Coordination of Huma−nitarian Affairs (OCHA). Das United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) bietetseine Informationen nicht nur auf dem WWW an (www.unhcr.ch), sondern stellt sie auch inForm der CD−ROM namens RefWorld zur Verfügung. Während humanitäre Organisationen wiedie beiden letztgenannten versuchen, ihre Informationen durch mehrere unabhängige Quellenzu bestätigen, kann man sich bei Informationen, die von Landesregierungen oder Konfliktpar−teien angegeben werden, nicht uneingeschränkt auf deren Korrektheit verlassen. Gerade wasStatistiken anbetrifft, so sind die verfügbaren Ergebnisse wegen zahlreicher Unsicherheitsfak−toren (wie unter anderem die bislang fehlende Systematisierung und Standardisierung bei derSammlung der Rohdaten) nur bedingt für die Planung zu gebrauchen ([WDR 1999], S. 132).Die Hintergrundinformationen zu einer Situation oder einem Gebiet decken jedoch nur einenTeil des gesamten Informationsbedarfs in der Entwurfphase eines Projekts ab und umfassen inder Regel nur allgemeine Gegebenheiten. Der eigentlich wichtigere Teil, nämlich die Bedarfsa−nalyse (needs assessment), welche die detaillierten Informationen über die Zielgruppe und ihreBedürfnisse liefert, muss unmittelbar vor Ort erhoben werden, wenn ein möglichst realitätsnaherEinblick in die Lage gewonnen werden soll. Die gängigen Methoden für diese Wissenserfas−sung bestehen meist aus Interviews mit Informanden oder Schlüsselpersonen (z.B. einemRepräsentanten, Bürgermeister o.ä.), Diskussionsrunden (focus groups), Umfragen (surveys)und Gutachten durch eigene Beobachtungen ([ADRA 1998], S. D−13ff; vgl. auch [STODDART1998], S. 189 sowie [FOG 1998], S. II−4ff und [ZOPP 1997], S. 15ff). Anhand der gesammeltenInformationen wird der Bedarfsbereich identifiziert, in dem die Intervention im Rahmen humani−tärer Zusammenarbeit stattfinden soll.

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Ist das Tätigkeitsfeld in diesem Sinne erst einmal abgesteckt, wird als nächstes eine Problem−beschreibung verfasst und eine Reihe von möglichen Lösungsansätzen erarbeitet, in denen

� die Realisierbarkeit (Was kann umgesetzt werden?)� die Notwendigkeit (Was muss umgesetzt werden?)� der Ressourcenbedarf (Was wird zur Umsetzung benötigt?)� die Nachweisbarkeit (Wie kann der Nutzen der Umsetzung überprüft werden?)

untersucht wird (im PCM−Modell entspricht dies in etwa der Bestimmung des Zielsystems).Sodann wird unter Berücksichtigung der strategischen Ziele der Hilfsorganisation und vor allemder Kooperationsbereitschaft der Zielgruppe einen Ansatz ausgewählt und dieser zumLösungsvorschlag ernannt ([ADRA 1998], S. D−24).

4.6.2 Die Planungsphase

Ziel der Planungsphase ("Konzipierungsphase" in der PCM−Terminologie, vgl. [PCM 1998],S. 5) ist die Detailplanung des Projekts und die Erstellung des Projektantrags (project proposal).Mit dessen Annahme durch den Projektauftraggeber geht meist entweder die Beantragung oderdie Bewilligung von Mitteln durch eine Spenderorganisation (funding agency / donor agency)einher. Insofern passiert es im Bereich humanitärer Entwicklungszusammenarbeit häufig, dassnicht a priori von vorgesetzten Ebenen innerhalb der Organisation Projektaufträge erteiltwerden, sondern dass von Sachbearbeitern Projektanträge ausgearbeitet werden, denen vonder höheren Ebene stattgegeben wird. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass auchim humanitären Bereich insbesondere seitens externer Spender (z.B. European CommunityHumanitarian Office (ECHO), diverse Staatsregierungen) Projekte ausgeschrieben werden undsomit Aufträge erteilt werden.Der nächste Planungsschritt ist die Ausarbeitung des Gesamtziels (goal) und der Teilziele(objectives). Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden besteht darin, dass letzteregenauer spezifiziert und besser messbar sind. Bereits in der Planungsphase muss überlegtwerden, wie der Erfolg des Projekts verifiziert werden kann. Dies ist nicht nur später wichtig imHinblick auf die Nachweisbarkeit der tatsächlich erreichten Ergebnisse, sondern dient auchwährend des Projektablaufs zur Überwachung (monitoring) und gegebenenfalls korrigierendemEingriff (controlling). Auf der nächsten Stufe werden noch höhere Anforderungen an nachvoll−ziehbare Messgrössen oder Indikatoren (indicators) gestellt, wo die konkreten Aktivitäten (acti−vities) zum Erreichen der Teilziele inklusive einem genauen Zeitplan (schedule) spezifiziertwerden. Die sorgfältige Auswahl und Definition von Indikatoren ist nicht nur eine der wichtigstenund sensibelsten, sondern im humanitären Umfeld zugleich auch eine der schwierigstenAufgaben des Projektentwurfs (vgl. [ZOPP 1997], S. 19). Eine mangelnde Investition an Zeitund Gedanken birgt hierbei das Risiko einer Verfehlung eines oder mehrerer Ziele des Projektsim späteren Verlauf.Anhand der ausgearbeiteten Aktivitätenliste lassen sich die materiellen, finanziellen und perso−nellen Mittel bis ins Detail kalkulieren und ein vorläufiges Budget erstellen ([ADRA 1998], S. D−30ff). Darüber hinaus werden die Vorgehensweisen für die Überwachung und die Bewertung(evaluation) des Projekts definiert. Die für das Monitoring notwendigen Aktivitäten und Indika−toren wurden bereits im vorigen Schritt spezifiziert, und es erfolgt somit hier nur noch einegenauere Ausführung dessen, in welcher Weise die Rohdaten gesammelt und bearbeitet

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werden, um den Effekt des Projekts zu messen. Die Angaben zur Evaluation umfassen indiesem Fall die Art und Häufigkeit der Berichterstattung, und durch wen diese zu erfolgen hat.Sind schliesslich alle diese Informationen zusammengetragen und ist somit die Ausarbeitungdes Projektkonzepts ([PCM 1998], S. 5) abgeschlossen, wird der eigentliche Projektantragverfasst. Mit dem Einreichen bei der nächsthöheren Stelle innerhalb der Organisation wird derEntscheidungsprozess initiiert, von dessen Ausgang es letztendlich abhängt, ob der Auftrag zurDurchführung des Projekts in der vorgestellten Form erteilt wird oder nicht. Im Falle einerZusage muss als nächstes die Finanzierung abgesichert werden. Dies kann teilweise schon vonder beauftragenden Stelle geregelt worden sein, bevor der Antrag genehmigt wurde (beispiels−weise Caritas Schweiz), kann aber auch erst nach der Auftragserteilung in Form eines (inhalt−lich dem Projektantrag sehr ähnlichem) Finanzierungsantrags an eine interne oder externeSpenderorganisation geschehen.Im Falle einer Ablehnung des Projektantrags kann dieser entweder erneut überarbeitet werden,um den geforderten Kriterien besser zu entsprechen, oder er kann komplett verworfen werden.Letzteres muss nicht notwendigerweise bedeuten, dass alle Arbeit vergeblich verrichtet wurde.Die im Rahmen der Situations− und Bedarfsanalyse gesammelten Informationen und Erfah−rungen können, wenn sie sinnvoll dokumentiert worden sind, in anderen Zusammenhängen(Statistiken, weiteren Projekten) weiterverwendet werden. Deswegen wäre es Verschwendung,diese gesammelten Daten nach Ablehnung des Projektantrags zu verwerfen.

4.6.3 Die Implementierungsphase

Nachdem der Projektantrag genehmigt (respektive der Projektauftrag erteilt) wurde und dieFinanzierung des Projektes sichergestellt ist, kann die Implementierung beginnen. Falls diesnoch nicht geschehen ist, wird nun die Projektgruppe zusammengestellt und die Aufgaben,Verantwortungs− und Zuständigkeitsbereiche den einzelnen Mitgliedern und dem Projektleiterzugeteilt. Für den Fall, dass die Projektgruppe in dieser Konstellation zum ersten Mal zusam−menarbeitet, ist es Aufgabe des Projektleiters, Techniken und Methoden anzuwenden um dieeinzelnen Mitglieder einander näher zu bringen, damit sich rasch eine effiziente Teamarbeitentwickeln kann (vgl. Kapitel 4.4, S. 34). Sobald die Projektgruppe aufgestellt und die Aufgabenzugeteilt sind, beginnt die eigentliche Umsetzung der Projektaktivitäten ("Planung operationali−sieren" im PCM−Modell, vgl. [PCM 1998], S. 5).Vom Standpunkt der Informationsverarbeitung betrachtet fallen Daten in dieser operativenPhase neben der Finanzbuchhaltung (Abrechnung diverser Ausgaben: Anschaffungen, Lohn,Miete, Unterhaltszahlungen etc.) hauptsächlich im Bereich der Logistik (typisches BeispielNahrungsmitteldistribution) sowie beim Monitoring (in Form von Statusberichten) an. Letzteresumfasst neben der Sammlung der spezifischen Messdaten die Evaluierung des Status Quo inBezug auf den geplanten Zeitrahmen, Kosten− und Leistungsumfang. Falls die Abweichungzwischen Soll− und Ist−Zustand zu gross ist und das Projekt die gesetzten Ziele nicht zu errei−chen droht, ist hier ebenfalls das Controlling enthalten (im PCM−Modell mit "Planung durch−führen, anpassen und fortschreiben" angegeben, vgl. [PCM 1998], S. 5). Die hierbei erstelltenReports werden an die Stellen gesandt, bei denen eine Berichterstattungspflicht besteht (in derRegel Projektauftraggeber sowie Spenderorganisationen),Die Aktivitäten der Implementierungsphase (Umsetzung, Kontrolle, Anpassung) setzen sich fortbis der offizielle Schlusstermin und das Projektziel erreicht ist. Bei Projekten, in denen neueKapazitäten (wie z.B. ein Gemeindezentrum, oder eine Trinkwasseraufbereitungsanlage)

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geschaffen wurden, welche nach der Intervention durch die Hilfsorganisation von der Zielgruppeübernommen und selbständig weitergeführt werden, gehört zur Implementierungsphase eben−falls die Schaffung dieser Kapazitäten sowie die Ausbildung des zum Betreiben benötigtenPersonals innerhalb der Zielgruppe.

4.6.4 Die Terminierungsphase

In der Terminierungsphase werden diverse Abschluss− und Aufräumarbeiten verrichtet und dasProjekt planmässig beendet. Im Zusammenhang mit dem im vorigen Abschnitt beschriebenenProjekt zur Kapazitätenerweiterung durch beispielsweise ein Gemeindezentrum wäre die offizi−elle Übergabe der geschaffenen Einrichtung an die Zielgruppe hier als Abschlussaktivität einzu−ordnen.Weitere Aktivitäten der Terminierungsphase wären unter anderem der Abzug von temporär fürdie Intervention hinzugezogenen Einsatzkräften und die Rückgabe der Verantwortung wiederan die lokale Instanz. Beispielsweise ist die Rotkreuz−Bewegung so strukturiert, dass kleinerehumanitäre Einsätze von der jeweiligen Landesgesellschaft übernommen werden, und diese imFalle der Überforderung durch eine Krise grossen Ausmasses zusätzlich von den Rotkreuz−Gesellschaften anderer Länder unterstützt wird. Mit der Entsendung von Sachgütern, Einsatz−personal und finanziellen Mitteln in entsprechender Menge ist es jedoch nicht getan. Bei einerunvorhergesehenen Krisensituation wie der auf dem Balkan im Frühjahr 1999, wo innerhalbkürzester Zeit Hunderttausende von Flüchtlingen aus dem Kosovo ins benachbarte Albanienflohen, wäre das Albanische Rote Kreuz schon allein mit der Koordination der verschiedenenRotkreuz−Organisationen überfordert gewesen.Schliesslich und endlich beinhaltet die Terminierungsphase die gesamte Nachbearbeitung desProjekts, angefangen vom Abschlussbericht an den Projektauftraggeber und die Spenderorga−nisationen, über die Dokumentation von bewährten Methoden (best practices) der Planungs−und Implementierungsphase, bis zum Vergleich von eingangs gesammelten mit selbst erarbei−teten Hintergrundinformationen. Die interne Evaluierung der durchgeführten Aktivitäten gehörtebenso dazu wie die Verfassung von Erfahrungsberichten (lessons learned), die sowohl inBezug auf die angewandten Methoden als auch auf das soziale Umfeld, in dem das Projektausgetragen wurde, wertvolle Informationen für spätere Projekte in ähnlichem Kontext enthaltenkönnen. Gerade diese Nachbearbeitung des Projekts ist mit einem gewissen Arbeitsaufwandverbunden und erfordert viel Selbstdisziplin. Wie man im eigenen Umfeld auch beobachtenkann, tritt häufig das ein, was Gaddis 1959 bereits festgestellt hat:

"Project teams will begin to break up when the members sense the project has started toend." ([CLELAND 1999], S. 18)

Mit anderen Worten, wenn die Projektaufgabe erledigt zu sein scheint, widmen sich die Teil−nehmer oft sehr schnell neuen Tätigkeiten, und da kommt ihnen die mit der Nachbereitung desabgeschlossenen Projekts verbundene Schreibarbeit häufig ungelegen. Unmittelbar scheint sieauch nur "für die Schublade" produziert zu werden und keinen Nutzen zu bringen. Dass eherdas Gegenteil der Fall ist, wird offensichtlich von vielen noch nicht ganz akzeptiert. Tatsache istjedoch, dass diese Nachbereitung genau dann wichtig ist, wenn man die eigene Effizienzverbessern will. Die Notwendigkeit dafür wurde in Kapitel 4.2, S. 30ff verdeutlicht.

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5 Informationssysteme im humanitären Projektmanagement

Aufgrund ihres Wesens und ihrer Funktionsweise, wie sie in den vorigen Kapiteln beschriebenwurde, ergibt sich für Hilfsorganisationen ein spezieller Informationsbedarf, der wiederum vonihrer Mission, ihren konkreten Projekten und ihrer geographischen Lage (Entwicklungsland oderIndustrienation) abhängt. Die wesentlichen Grundzüge dieses Informationsbedarfs werden inAbschnitt 5.1 beschrieben. Die Abschnitte 5.1.1 und 5.1.2 behandeln jeweils verschiedeneBeispiele für den Einsatz von Informationssystemen in der Entwicklungszusammenarbeit, imFall der Unterstützung einerseits und bei der Implementierung andererseits.

5.1 Informationsbedarf in der Entwicklungszusammenarbeit

Da in dieser Diplomarbeit der Fokus auf die Entwicklungszusammenarbeit gerichtet ist, stehtfolglich der Informationsbedarf in diesem Bereich humanitärer Arbeit im Vordergrund. Die imFall der humanitären Soforthilfe oder Krisenreaktion benötigten Informationen sind in [STOD−DART 1998] am Beispiel des IFRC detailliert herausgearbeitet.Der Bedarf an Informationen hängt bei den einzelnen Hilfsorganisationen zwangsläufig vonihrem Einsatzgebiet ab. Das Spenderbüro in einer Industrienation nimmt andere Aufgaben wahrals das Koordinationsbüro in einem Entwicklungsland. Ohne allzusehr auf die Unterschiedeeinzugehen, die sich aufgrund der strukturellen Ordnung ergeben, werden hier die typischenInformationsbedürfnisse für die beiden Typen von Büros verdeutlicht. Diese Gegenüberstellungergibt sich aus einer Zusammenfassung der Informationen aus verschiedenen Quellen (Lite−ratur, Interviews mit Mitarbeitern, persönliche Erfahrung). In der Praxis kommt es sicherlichhäufig zu Verschiebungen bzw. Überschneidungen der einzelnen Aufgaben, aber im "klassi−schen Fall" − sofern von einem solchen die Rede sein kann − ist die Verteilung im grossen undganzen wie in Tabelle 5.1.

Spenderbüro (meist in Industrienation) Koordinationsbüro (im Entwicklungsland)

� Spendenerwerb, Öffentlichkeitsarbeit

� Spendenbuchhaltung

� Projektauftrag, teilweise Koordination

� Risikoeinschätzung

� Planung, Bedarfsanalyse, Scheduling

� Projektbuchhaltung

� Verwaltung von Personal und Material

� Logistik

� Monitoring / Evaluation / Controlling

� Berichterstattung

Tabelle 5.1: Aufgaben der Büros international tätiger Hilfsorganisationen in derEntwicklungszusammenarbeit

Einer der wesentlichen Unterschiede liegt sicherlich in der Nähe des Spenderbüros zumSpender respektive die Nähe des Koordinationsbüros zum Klienten. Die in Kapitel 3.1.2erwähnte Nicht−Identität zwischen Leistungsfinanzierer und Leistungsempfänger tritt hier ganzdeutlich zu Tage und wirkt sich intern für die beiden Instanzen der Hilfsorganisation erheblich

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auf ihre Aufgaben und damit ihren diesbezüglichen Informationsbedarf aus: Während dasKoordinationsbüro vor Ort die Situationsanalyse durchführt, die Bedürfnisse bei der Zielgruppeerhebt und das Projekt plant, ist das Spenderbüro hingegen mit Öffentlichkeitsarbeit zumErwerb der notwendigen finanziellen Mittel und Rekrutierung spezialisierter Arbeitskräftebeschäftigt.

Generell ist es bei den meisten der befragten international tätigen Hilfsorganisationen der Fall,dass keine festen Richtlinien für den Einsatz von Software im Projektmanagement existieren.Dadurch, dass ihnen im weitesten Sinne freie Hand gelassen wird, hat sich ein vielseitigesSpektrum von Lösungsansätzen für die verschiedenen Problemstellungen des Projektmanage−ments herausgebildet. Bei den einzelnen Büros unterliegen diese im allgemeinen folgendenEinflussfaktoren:

� Budget für Informationstechnologie (Hardware und Software) des jeweiligen Büros� Know−How der technischen Fachkräfte� Technische Infrastruktur des Einsatzgebiets (Elektrizitätsversorgung, Telekommunikation)� Fähigkeiten und Computerverständnis der Mitarbeiter

Interviews mit einschlägigem Fachpersonal bei verschiedenen Hilfsorganisationen sowie eigeneErfahrungen haben gezeigt, dass gerade beim Einsatz von Computertechnologie in der huma−nitären Arbeit der Unterschied zwischen Industrienationen und den Entwicklungsländernbesonders deutlich zu spüren ist.Das Problem liegt weniger in der Finanzierung und Installation von entsprechenden Systemen,da diese beiden Punkte genügend von den Spenderbüros bzw. den Industrienationen durchSpendengelder und die Entsendung von spezialisierten Delegierten unterstützt werden. Geradeder Transfer von technischem Know−How wird häufig von Profit−Unternehmen mitgetragen,weil diese sich davon auf lange Sicht die Erschliessung neuer Märkte erhoffen.Ein wesentlicher Umstand, der den effizienten Einsatz von Informationssystemen im Projekt−management (aber auch in anderen Bereichen) vor Ort im Entwicklungsland erschweren, istzum einen die mangelnde technische Infrastruktur. Es ist wenig sinnvoll, ein komplettes LocalArea Network (LAN) in einem Koordinationsbüro zu installieren, wenn dort wegen Überlastungdes Elektrizitätsnetzes nur für ein paar Stunden am Tag Strom vorhanden ist. In Albanienbeispielsweise ist dies besonders im Winter der Fall − zwar überwiegend in ländlichenRegionen, aber auch die Hauptstadt Tirana ist immer wieder von Stromausfällen betroffen.Zusätzlich zu diesen technischen Schwierigkeiten, die notfalls durch erhöhten Ressourcenauf−wand (unterbrechungsfreie Stromversorgung, eigene Stromgeneratoren) behoben werdenkönnen, kommt jedoch noch der menschliche Faktor hinzu. In Entwicklungsländern umfasst dieschulische Ausbildung den Einsatz von Computern bei weitem nicht in dem Masse, wie man ihnin der westlichen Welt gewohnt ist. Mitarbeiter, die aus der Lokalbevölkerung rekrutiert werden,tun sich daher am Rechner noch schwerer als internationale Delegierte, die sich meistens dienotwendigen Kenntnisse im Umgang mit Computern bereits angeeignet haben.

Der überwiegende Teil der Arbeit im Bereich des Projektmanagements wird vielerorts mitherkömmlichen Office−Paketen erledigt. Diese bieten eine integrierte Lösung für gängige Büro−arbeiten und beinhalten neben einer Textverarbeitung, einer Tabellenkalkulation, einemPräsentationsprogramm, einer Datenbank und einer Terminverwaltung die Möglichkeit zumAustausch von e−Mails und Verschicken von Faxen. Ohne eine solche Funktionalität ist einPersonal Computer im humanitären Projektmanagement nur sehr eingeschränkt brauchbar, und

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man kann heutzutage davon ausgehen, dass ein solches Office−Paket zur Grundausstattungeines jeden Arbeitsplatzrechners gehört. Deshalb gilt im folgenden die Verwendung einersolchen Software in jedem Fall als gegeben, und es werden nur die Programme ausdrücklicherwähnt, die zusätzlich zum Office−Paket bei der Erledigung Projektmanagement−spezifischerAufgaben Verwendung finden.

5.1.1 Software im Projektmanagement bei Spenderbüros

Folgende Hilfsorganisationen wurden nach ihrem Einsatz von Software zur Unterstützung vonProjektmanagement in ihren Spenderbüros befragt:

� Caritas Schweiz� SRK (Schweizerisches Rotes Kreuz)� ICRC (International Committee of the Red Cross)� DEZA (Schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit)� USAID (United States Agency for International Development)

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gehören die ersten drei der multilateralen Kate−gorie an, die letzten beiden der bilateralen.Der am stärksten mit spezialisierten Informationssystemen unterstützte Bereich des humani−tären Projektmanagements in Industrienationen ist die Finanzbuchhaltung. Die meisten derbefragten Organisationen nannten als Einsatz von Software zur Unterstützung von Projektma−nagement−Aufgaben die Verwendung eines kommerziellen Buchhaltungsprogramms zurReduzierung des Verwaltungsaufwands.Es scheint sich jedoch kein Standardprodukt dieser Kategorie auf breiter Front durchgesetzt zuhaben, da fast jede der genannten Hilfsorganisationen ein anderes Softwarepaket verwendet.Diese Tatsache ist sicherlich nicht zuletzt darin begründet, dass jede Hilfsorganisation im Detailspezielle Anforderungen hat, die entweder individuelle Anpassung der Software oder dieAuswahl einer entsprechenden Standardlösung erfordern, welche die gewünschte Funktionalitätbeinhaltet.Eine grobe Übersicht über die bei den genannten Spenderbüros für Projektmanagement−Aufgaben verwendete Software ist in Tabelle 5.2 abgebildet. Kursive Einträge kennzeichnenProgramme, die von einzelnen Mitarbeitern bevorzugt, aber nicht standardmässig in dergesamten Organisation eingesetzt werden. Wie man dieser Tabelle entnehmen kann, ist dieVielfalt der verwendeten Software gross. Eine detaillierte Analyse jedes einzelnen Pakets wirdin dieser Diplomarbeit nicht angestrebt, jedoch sollen einige herausragende Beispiele hervorge−hoben werden.

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NGO Software Typ / Aufgabenbereich

CaritasCAPROMA

SextANT

Individual−Software für Projektmanagement (bis 01/2002)

Individual−Software für Finanzbuchhaltung / Projektmanagement

SRKAccountPro Standardsoftware für Finanzbuchhaltung (shareware)

Scitor Project Scheduler Standardsoftware für Projektmanagement

ICRC

PeopleSoft Standardsoftware für Finanzbuchhaltung / Projektmanagement

Lotus Notes Standardsoftware für Gruppenanwendungen

Microsoft Project Standardsoftware für Projektmanagement

DEZA SAP R/3 Standardsoftware für Finanzbuchhaltung / Projektmanagement

USAIDNew Management System Individual−Software für Finanzbuchhaltung / Projektmanagement

Phoenix Individual−Software für Finanzbuchhaltung (in Entwicklung)

Tabelle 5.2: Projektmanagement−bezogene Software in Spenderbüros verschiedener Hilfsorganisationen (nicht regulär verwendete Software ist kursiv)

Die verwendeten Softwarepakete lassen sich in drei Kategorien einteilen. Abhängig vomSpezialisierungsgrad, der Anpassung des jeweiligen Programms an die Bedürfnisse dereinzelnen Hilfsorganisation, der Einarbeitungsanforderung an die Anwender und letztendlichauch vom Preis kann Projektmanagement mit Hilfe von

1. allgemeiner Standardsoftware2. allgemeiner Projektmanagement−Software3. individueller Projektmanagement−Software

durchgeführt werden. Eine Zuordnung der in Tabelle 5.2 aufgeführten Softwarepakete zudiesen drei Gruppen ist in Tabelle 5.3 vollzogen. Nach wie vor gilt, dass Office−Pakete alsStandard vorausgesetzt werden und somit nicht gesondert aufgeführt werden.In die erste Kategorie fallen die Lösungsansätze, die über Office−Anwendungen hinaus allge−meine Buchhaltungsprogramme (z.B. AccountPro) oder Gruppenarbeits−Software (groupware,z.B. Lotus Notes) verwenden, um Teilaufgaben des Projektmanagements wie das Finanzma−nagement oder die Kommunikation und Dokumentation zu erleichtern. Abhängig von dengewählten Programmen lässt sich schon mit relativ geringem Einsatz finanzieller Mittel eineerhebliche Reduzierung des Verwaltungsaufwands erreichen (etwa in der Buchhaltung durchVerwendung eines Shareware−Programms wie AccountPro).Durch das Hinzuziehen spezieller Projektmanagement−Software lassen sich über das Finanz−management hinaus noch zusätzliche Aufgabenbereiche unterstützen. Im Profit−Bereichexistiert zu diesem Zweck eine Vielzahl von Software−Paketen, die jedoch häufig auf dieAnwendung in Industrieunternehmen zugeschnitten sind und nur bedingt sinnvoll im Nonprofit−Bereich eingesetzt werden können. Nichtsdestotrotz finden sie auch teilweise im NGO−BereichVerwendung. Sie gibt es zum einen in Form einer allgemeinen Lösung für Einzelplatzrechner,die theoretisch im Versand bestellt und nach Installation unmittelbar eingesetzt werden kann(z.B. Microsoft Office). Zum anderen gibt es sie als individuelle Lösung, die häufig auch Netz−werk−basiert ist und vom Hersteller nach der Installation auf die Arbeitsumgebung und diespeziellen Bedürfnisse der Hilfsorganisation angepasst werden muss (z.B. PeopleSoft). Nebendem reinen Finanzmanagement von Projekten unterstützen sie Aspekte wie beispielsweise

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Planung und Kontrolle, Analyse und Berichterstattung sowie Aktivitäten− und Ressourcen−Monitoring.

NGOAllgemeine

StandardsoftwareAllgemeine

Projektmanagement−SoftwareIndividuelle

Projektmanagement−Software

CaritasCAPROMA

SextANT

SRKAccountPro

Scitor Project Scheduler

ICRC

PeopleSoft

Lotus Notes

Microsoft Project

DEZA SAP R/3

USAIDNew Management System

Phoenix

Tabelle 5.3: Kategorien der bei Spenderbüros zum Projektmanagement verwendeten Software

Die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) hat in diesemZusammenhang eine gewisse Sonderrolle. Mit ihrem Auftrag, die Entwicklungszusammenarbeitder schweizerischen Bundesregierung umzusetzen und zu koordinieren, hat sie die Möglichkeit,die bestehende technische Infrastruktur der Bundesverwaltung mit zu benutzen. Dadurch ergibtsich für die DEZA die Nutzung des Projektmanagement−Systems SAP R/3, die in einemBundesratentscheid 1994 für alle Verwaltungsstellen in der Schweiz vorgeschrieben wurde.Laut einer Anfrage bei der Firma SAP Schweiz gibt es sonst im Bereich humanitärer Organisa−tionen keine Kunden von R/3. Als Gründe hierfür ist laut diverser Interviews zum einen die hoheKomplexität der Software, zum anderen die relativ hohen Kosten im Vergleich zu anderenProjektmanagement−Systemen für die Einführung und Instandhaltung eines solchen Systemszu nennen. SAP R/3 ist modular aufgebaut und deckt viele verschiedene Unternehmensmana−gement−relevante Bereich ab. Die Komponenten, die bei der DEZA hauptsächlich zum Einsatzkommen sind das Projektsystem (PS) zur Koordinierung und Steuerung aller Phasen einesProjektes, das Finanzwesen (FI) für Buchhaltungsrelevante Datenverarbeitung und Rech−nungslegung, Human Resources (HR) zur Personalverwaltung und das Controlling (CO) zurPlanung, Steuerung, Koordination und Berichterstattung. Mit diesen Modulen steht den Sach−bearbeitern eine integrierte Lösung zur Projektverwaltung, Terminverwaltung, Finanzplanung,dem Budgetting, der Abrechnung und zum Management der Verantwortlichkeiten zur Verfü−gung.Ein Interview mit einem für den SAP−Support zuständigen Mitarbeiter bei der DEZA ergab,dass der hohe Komplexitätsgrad und die daraus resultierenden Kosten für die Schulung derMitarbeiter bei der DEZA keine grosse Rolle spielen. Entsprechende finanzielle Mittel sindvorhanden, und des weiteren muss die Wartung des Systems nicht von der DEZA selbstvorgenommen werden. Sie greift mit ihren Arbeitsstationen über eine Netzwerkverbindung aufden Server zu, der von der Bundesverwaltung unterhalten wird, und ist deshalb nur für die indi−viduelle Anpassung der R/3−Plattform an die hausinternen Bedürfnisse zuständig.

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Das SAP R/3−System wird bei der DEZA laufend intern weiterentwickelt. Neben ständigenProzessoptimierungen und Vereinfachungen soll bis Ende 2001 die Aussenanbindung derDEZA−Koordinationsbüros in den verschiedenen Entwicklungsländern an die Zentrale in derSchweiz abgeschlossen sein. Mitarbeiter können somit auch vor Ort von der Verfügbarkeit vonSAP R/3 profitieren und haben die Möglichkeit, auf die Daten der Zentrale in Bern zuzugreifen.Darüber hinaus ist die Einführung eines von der GTZ entwickelten Moduls namens Esprit zurVertragsverwaltung geplant. Leider konnten dazu keine näheren Informationen eingeholtwerden, da mehrere Anfragen bei der GTZ diesbezüglich unbeantwortet blieben.

Die dritte Kategorie umfasst die speziell gemäss den Kundenwünschen entwickelten Projekt−management−Systeme. Von den genannten Beispielen sind dies das New ManagementSystem (NMS) bei USAID und das CAPROMA (Caritas Projekt Management) der CaritasSchweiz.Individuell erstellte Software hat im Allgemeinen zwar den Vorteil, dass sie genauestens an dieBedürfnisse der jeweiligen Hilfsorganisation angepasst werden kann, jedoch ist die eigeneSoftwareentwicklung mit einem enormen finanziellen Aufwand verbunden, der keineswegsErfolg garantieren muss, wie das anhand des Beispiels USAID deutlich wird.

Die ursprüngliche Idee für das NMS entstand bei USAID bereits Mitte der 1990er Jahre, als derBedarf für eine gewisse Standardisierung und Integration der Datenverarbeitung unter rundeinem Dutzend verschiedener verwendeter Softwaresysteme im Finanzmanagement−Bereicherkannt wurde. 1995 wurden umfangreiche Umstrukturierungen des gesamten Managementsverabschiedet, was sich im darauffolgenden Jahr unter anderem in der Einführung des NMS zureffizienteren Informationsverarbeitung innerhalb der Organisation ausgewirkt hat. Das indivi−duell für USAID erstellte System sollte ursprünglich der Verwaltung von Buchhaltung, Beschaf−fungen, Finanzmanagement und Programmaktivitäten sowie der Berichterstattung dienen.Wie man dem Bericht des Büros des Generalinspekteurs (Office of Inspector General), denUSAID halbjährlich dem amerikanischen Kongress erstatten muss, in seiner Ausgabe vomFrühjahr 2000 entnehmen kann, zählt das NMS aktuell zu den "materiellen Schwachpunkten"(material weaknesses) von USAID, an deren Behebung die Organisation derzeit arbeitet(vgl. [USAID 2000], S. 40ff und [OIG 2000], S. 10ff). Aus den gegebenen Informationen kannman schliessen, dass die Einführung dieses Informationssystems mit grosser Wahrscheinlich−keit nicht unter Projektmanagement−Gesichtspunkten durchgeführt worden ist. Als Ursache fürdie Probleme erkennt der Bericht im allgemeinen Schwierigkeiten bei der Implementierung desSystems, die dazu geführt haben, dass USAID Manager die benötigten Daten nicht zuverlässigund nicht rechtzeitig erhalten konnten, um ihre Informationsbedürfnisse innerhalb des Manage−ments zu decken. Gewissermassen ist vieles schon von Anfang an schief gelaufen, da dasSystem im Jahre 1996 bereits zu einem Zeitpunkt eingeführt wurde, als es noch weitgehendungetestet und effektiv noch nicht einsatzbereit war. Es fehlten standardisierte Prozesse für dieEntwicklung, den Datenaustausch und die Kosteneffektivität von Investitionen. Die eigentlich fürdiese Standardisierung verantwortliche Stelle (die Information Resources Management Divi−sion) hatte nicht die notwendige Autorität, um entsprechende Standardisierungsbemühungen inallen Bereichen von USAID durchzusetzen.In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Versuche unternommen, um das NMS durchdiverse Bemühungen (Fehlerbeseitigung zum Erreichen besserer Softwarestabilität, Schliessenvon Sicherheitslücken, Jahr−2000−Kompatibilität) noch in einen gebrauchsfähigen Zustand zuversetzen. Auch diese konnten letztendlich jedoch nicht das Millionenprojekt vor dem Scheiternbewahren. Das NMS, welches ursprünglich seine Vorgängersysteme (legacy systems) ersetzensollte, hat dieses Ziel wegen technischer Instabilität und daraus resultierender Unbrauchbarkeit

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nicht erreichen können. Mittlerweile ist auch für das NMS eine Ablösung geplant, die haupt−sächlich auf kommerziellen Softwarepaketen basieren soll und somit keine Individuallösungmehr im oben genannten Sinne ist. Der Abschluss dieser Umstellung ist für das Jahr 2002geplant ([OIG 2000], S. 10).

Als positives Beispiel einer Individuallösung für Aufgaben im Bereich des Projektmanagementsbei Spenderbüros sei die bei der Caritas Schweiz verwendete Kombination von CAPROMA undSextANT genannt. Beide Softwarepakete sind anhand eines Pflichtenhefts individuell für undmit Caritas Schweiz erstellt worden.Das Projektmanagement−System CAPROMA wurde von der GGC AG (www.ggc.ch) entwik−kelt und besteht aus fünf Modulen, die der Reihe nach von 1990 bis 1995 eingeführt wurden.Dies sind

1. Grunddaten2. Beschluss3. Finanzierung4. Betreuung5. Programm

Die Grunddaten umfassen die Basisinformationen eines Projekts: Projektnummer, Typ, quanti−tative/qualitative Beschreibung, Partner, Zuordnung in der Abteilungsstruktur sowie projektspe−zifische Formulare und Deckblätter. Das Beschluss−Modul enthält Informationen über dieProjektgenehmigung, Art und Umfang der Beteiligung von Caritas Schweiz sowie den Projekt−vorstand, während das Modul Finanzierung Daten zum Gesamtbudget, Zuweisungen,Zahlungen (Termine und Zahlungsweisen), Konti, Liquidationsplanung und Rückfinanzierungumfasst. In der Betreuung finden sich Reporte über Projekt−Status, Risikobeurteilungen sowieTermine (Meilensteine, Ereignisse wie Dienstreisen, Besuche, Korrespondenz etc.). DasProgramm−Modul schliesslich gibt Überblick über verschiedene zusammenhängende Projekteund deren Kredite.Heutzutage arbeiten alle Sachbearbeiter (etwa 35−50) der Caritas Schweiz mit CAPROMA. DieEinführung war nicht ganz leicht, da viele anfangs noch eine Hemmschwelle gegenüber derArbeit mit dem Computer hatten und sich an die Offenlegung ihrer Arbeit durch das Computer−netzwerk gewöhnen mussten. Der Arbeitsaufwand liess sich aber durch die Einführung diesescomputergestützten Informationssystems stark reduzieren. Vorher war alles manuell gemachtworden und es musste viel Zeit aufgewendet werden, um die Projektfinanzierung zu bearbeiten.Heute kann durch die Vernetzung der Computer der Ist−Bestand jederzeit abgefragt werden(Zugriffsrechte werden individuell vergeben). Die Planung wird dadurch wesentlich erleichtert,auch wenn die Benutzer des Systems ihre Arbeitsweise etwas umstellen mussten. Heute habensie vorwiegend administrative Tätigkeiten und brauchen deshalb mehr Überblick. Darin werdensie jedoch durch dieses System unterstützt.Nicht zuletzt wegen seiner hohe Zuverlässigkeit und Stabilität kann man CAPROMA als erfolg−reiches Projektmanagement−System bezeichnen. Es gibt jedoch ein paar Merkmale, welche dieCaritas dazu bewogen hat, CAPROMA bis 2002 abzulösen. Der wichtigste Grund dafür ist wohldie mangelnde Integration zu anderer Software. Da CAPROMA keine direkte Verbindung zumverwendeten Buchhaltungssystem hat, müssen nach wie vor Buchungsbelege erstellt werden,die von Hand im anderen System eingegeben werden müssen. Darüber hinaus unterstütztCAPROMA kein Monitoring und keine Evaluation. Indikatoren können deshalb mit diesemSystem nicht verwaltet werden.

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Aus diesen Gründen ist die Caritas Schweiz derzeit dabei, in Zusammenarbeit mit demHersteller des Softwarepakets SextANT, der Basler Firma ANT Informatik (www.ant−infor−matik.ch), die gesamte Funktionalität von CAPROMA zuzüglich der genannten Bedürfnisse inBezug auf Monitoring/Evaluation in einem eigenen Projektmanagement−Modul für SextANT zuimplementieren. Das Pflichtenheft dafür ist derzeit am Entstehen, die Implementierung undEinführung soll bis Anfang 2002 abgeschlossen sein.SextANT selbst ist primär für das Finanzmanagement bei Non−Profit−Organisationen erstelltworden. Auch wenn es bei verschiedenen schweizerischen Organisationen zum Einsatz kommtund an jede Non−Profit−Organisation auf Wunsch angepasst wird, war die Caritas Schweiz ander ursprünglichen Entwicklung in einem Masse beteiligt, dass man dieses Informationssystemohne weiteres als speziell für die Caritas entwickelte Individuallösung bezeichnen kann.SextANT besteht im wesentlichen aus den drei Modulen

1. Fundraising2. Finanz Controlling3. Projekt Management

wobei letzteres sich, wie erwähnt, noch in der Entwicklungsphase befindet. Die anderen sindbereits seit Anfang 1997 bei der Caritas in Verwendung. Während man ein Modul wie dasFinanz Controlling, das die Bereiche Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung, Debitoren undKreditoren abdeckt, in ähnlicher Weise bei vielen anderen Buchhaltungssystemen vorfindet,hebt SextANT sich durch sein Fundraising−Modul von vergleichbaren Softwarepaketen ab.Dieses Modul konzentriert sich insbesondere auf die Mittelbeschaffung im Spendenbereich. Esermöglicht die Erstellung von Spenderprofilen, anhand derer die Caritas gezielte Werbung fürihre Projekte machen und Spender in einer persönlicheren Form kontaktieren kann. DieVerwaltung von speziellen Veranstaltungen zum Spendenerwerb ist damit ebenso möglich wieder Verkauf von Produkten (Beispiel von spezieller Relevanz bei der Caritas Schweiz: Fair−ness−Handel). SextANT ist demnach in der Lage, das Marketing der Caritas Schweiz zu unter−stützen und bietet somit einen Lösungsansatz für den in Kapitel 3.1.3, S. 15 genannten Bedarfnach einem verbesserten Marketing und intensiverer Öffentlichkeitsarbeit. Auch SextANT wirdbei der Caritas Schweiz mit grossem Erfolg eingesetzt. Daraus resultiert letztendlich auch derWunsch, die Funktionalität von CAPROMA zusätzlich in SextANT zu integrieren, damit einzusammenhängendes Informationssystem die verschiedenen Aufgaben der humanitärenManagementarbeit unterstützen kann.

5.1.2 Software im Projektmanagement bei Koordinationsbüros

Bei der Planung, Durchführung und Kontrolle von Projekten in Entwicklungsländern ergibt sichin Bezug auf die Verwendung von computergestützten Informationssystemen ein deutlichanderes Bild. Die Hauptursachen dafür liegen teils in der oft mangelhaften Infrastruktur undVerfügbarkeit entsprechender Hardware und Software, teils in der fehlenden Ausbildung derlokalen Mitarbeiter im Umgang mit dem Computer. Der Unterschied zwischen Industrienationenund Entwicklungsländern tritt hier besonders deutlich zu Tage. In den Schulen der Industriena−tionen sind Computerkurse schon fast überall in den Lehrplan integriert. Während Staatsregie−rungen sich bemühen, jedem Bürger Zugang zum Internet zu ermöglichen, ist es in Entwick−lungsländern häufig Luxus, wenn an Schulen überhaupt ein einziger Computer oder gar

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Taschenrechner vorhanden ist (Erfahrungsbeispiel Albanien). Diese Entwicklung wird in dennächsten Jahren sicherlich noch weiter auseinander gehen, weil der technologische Fortschrittin den Industrienationen durch die ständige Konkurrenz sich immer stärker beschleunigt. DieEntwicklungsländer hingegen haben kaum Geld, um ihren Ausbildungsapparat auszubauen.Da es im Rahmen der Recherchen generell schwierig war, Kontakte zu Koordinationsbüros inEntwicklungsländern herzustellen, ist die Anzahl der befragten Stellen nicht so umfangreich wiebei den Spenderbüros im vorigen Kapitel. Die gewählten Beispiele scheinen jedoch die allge−meine Lage bei NGOs in Entwicklungsländern recht gut zu repräsentieren, wie Interviews mitverschiedenen Fachleuten auf diesem Gebiet ergaben. Die zur Lage in den Koordinationsbürosbefragten Stellen sind:

� ADRA Albania und ADRA Kosovo (beide selbst Koordinationsbüros)� Caritas Schweiz (zur Situation in Koordinationsbüros und bei Delegationen)� SRK (zur Situation bei Delegationen)� DEZA (zur Situation in Koordinationsbüros im allgemeinen)

Hier gehören wiederum der ersten vier Hilfsorganisationen der multilateralen und die fünfte derbilateralen Kategorie an. Die ersten beiden sind selbst Koordinationsbüros. Die dritte kann manals einem Koordinationsbüro zugeordnet betrachten, da sie in der Regel als Verstärkungentsandt werden. Wegen fehlendem direkten Kontakt zu Koordinationsbüros der Caritas inweiteren Entwicklungsländern wurden Mitarbeiter der Caritas Schweiz befragt, die regelmässigdiese Länder bereisen und daher die Lage vor Ort kennen.Ein Überblick über die erlangten Informationen zu der bei den einzelnen Koordinationsbüros fürdas Projektmanagement verwendeten Software ist in Tabelle 5.4 abgebildet. Auch hier giltwieder die Voraussetzung, dass ein Office−Paket grundsätzlich immer vorhanden ist. Dadurch,dass bei Koordinationsbüros häufig ein Grossteil der Management−Arbeit mit Office−Paketenerledigt wird, fällt die Liste der verwendeten Zusatzsoftware weniger umfangreich aus als beiden Spenderbüros.

NGO Software Typ / Aufgabenbereich

ADRAAAA

Project Tracking System

Individual−Software für Finanzbuchhaltung

Individual−Software für Projektmanagement

CaritasSESAM Standardsoftware für Finanzbuchhaltung

Microsoft Money Standardsoftware für Finanzbuchhaltung

SRK AccountPro Standardsoftware für Finanzbuchhaltung (shareware)

DEZASAP R/3 Standardsoftware für Finanzbuchhaltung / Projektmanagement

MIS Individual−Software für Vertragsverwaltung

PAHOSupply Management(SUMA)

Individual−Software für NGO−Beschaffungsmanagement

Worldbank TeamUP−PCM Standard−Software für NGO−Projektmanagement

Tabelle 5.4: Projektmanagement−bezogene Software in Koordinationsbüros verschiedenerHilfsorganisationen (in Einführung befindliche Software ist kursiv)

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Ähnlich wie bei den Spenderbüros lassen sich die verwendeten Software−Pakete wieder in diedrei Kategorien Allgemeine Standardsoftware, Allgemeine Projektmanagement−Software undIndividuelle Projektmanagement−Software einteilen. Die entsprechende Übersicht ist in Tabelle5.5 abgebildet.

NGOAllgemeine

StandardsoftwareAllgemeine

Projektmanagement−SoftwareIndividuelle

Projektmanagement−Software

ADRAADRA Accounting Application

Project Tracking System

CaritasSESAM

Microsoft Money

SRK AccountPro

DEZASAP R/3

MIS

PAHO Supply Management

Worldbank TeamUP/PCM

Tabelle 5.5: Kategorien der bei Koordinationsbüros zum Projektmanagementverwendeten Software

Trotz ihrer geographischen Nähe sind ADRA Albania und ADRA Kosovo zwei völlig getrennteKoordinationsbüros in verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeldern undsomit auch mit unterschiedlichen Einsatzschwerpunkten. Obwohl von der weltweiten ZentraleADRA International keine Vorgaben bezüglich des Einsatzes von Software für bestimmteZwecke existieren, benutzen beide Koordinationsbüros weitgehend die gleichen Programme.Viele Management−Aufgaben werden dabei mit dem Office−Paket (in diesem Fall von Microsoftmit der Textverarbeitung Word, der Tabellenkalkulation Excel und dem Terminplaner Outlook)erledigt.Zusätzlich benutzt ADRA jedoch für spezifische Projektmanagement−Aufgaben individuelleSoftware−Lösungen. Im Bereich des Finanzmanagements ist dies ein Buchhaltungsprogrammnamens AAA. Der Autor, der heute betriebswirtschaftliche Buchführung unterrichtet, hat esursprünglich als Hobby in seiner Freizeit programmiert mit dem Ziel, ein möglichst einfachesBuchhaltungsprogramm zu schreiben. Das Ergebnis mit dem amüsanten Namen Angeline’sAbsolute Accounting (AAA) hat mit seiner klaren und unkomplizierten Benutzerführung Mitar−beiter von ADRA dermassen überzeugt, dass es heute in vielen Büros der Organisation zumEinsatz kommt (z.B. Albanien und Kosovo).Für die interne Antragstellung, Finanzierungsabsprache und Berichterstattung im weltweitenADRA−Netzwerk wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Altius Solutions das Project TrackingSystem (PTS) entwickelt und 1998 eingeführt. Das PTS ist eine WWW−basierte Anwendungbestehend aus einem zentralen Server (network.adra.org), auf den nur autorisierteBenutzer zugreifen können. In der Regel sind das Projektmitarbeiter aus dem jeweiligen ADRAKoordinationsbüro, Sachbearbeiter aus dem übergeordneten ADRA Regionalbüro oder derZentrale sowie die Sachbearbeiter der finanzierenden Spenderorganisation (welche auch durchein ADRA Spenderbüro verkörpert sein kann). Mit dem PTS können Koordinationsbüros

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Projektanträge stellen, denen von ihrem jeweiligen Regionalbüro stattgegeben werden muss,damit das Projekt auch wirklich durchgeführt werden kann. Zusätzlich kann das Koordinations−büro sich auch direkt mit einer Spenderorganisation in Verbindung setzen und auf diesem Wegdie benötigten Mittel beantragen. Das PTS ist somit ein Informationssystem, in dem alle finan−zierungsrelevanten Dokumente (Anträge, Genehmigungen, Berichte und sonstige Nachrichten)eines Projekts zwischen den involvierten Stellen orts− und zeitunabhängig ausgetauschtwerden können (vgl. [PTS 1998], Kap. 00−2). Ein Interview mit dem Leiter der Abteilung fürInformationssysteme bei ADRA International ergab, dass im letzten Jahr zwischen 50 und 100unterschiedlichen Benutzern auf das PTS zugegriffen haben. Im Verhältnis zur Anzahl derMitarbeiter bei den betroffenen Stellen (mit anderen Worten den potentiellen Anwendern) istdies eine relativ geringe Zahl. Rücksprache mit Mitarbeitern von ADRA Albania ergabbeispielsweise, dass sie das PTS selbst nicht einsetzen, da die von diesem System verlangtenInformationen für andere Projektmanagement−Aufgaben sowieso im Office−Paket aufbereitetwerden müssen, es aber keine unmittelbare Möglichkeit zum Datenaustausch zwischen demPTS und den Office−Anwendungen gibt. Dies bedeute für die Mitarbeiter doppelte Arbeit in demFall, dass sie das PTS ebenfalls verwenden wollen. Solange sie die gleichen Aufgaben mit demOffice−Paket alleine erledigen können und dadurch Arbeitsaufwand einsparen, bestünde für siekein Bedarf, das PTS zu verwenden. Hinzu kommt die Tatsache, dass ein Teil der Funktiona−lität des PTS deaktiviert wurde und das System heute eigentlich nur noch zur Archivierung vonProjektbeschreibungen und Antragsdaten verwendet wird. Der Aspekt der Kommunikationser−leichterung zwischen Koordinationsbüro und Spenderorganisation tritt damit völlig in denHintergrund.

Genau wie bei den Spenderbüros besteht auch bei den Koordinationsbüros der Hauptbedarf inSoftware, die das Finanzmanagement unterstützt. Die Verwendung zahlreicher Buchhaltungs−programme bei den unterschiedlichen Koordinationsbüros der Caritas bestätigt das (hierwurden lediglich SESAM und Microsoft Money aufgeführt, weil diese im Vergleich zu anderenwohl relativ häufig anzutreffen sind).Das Schweizerische Rote Kreuz ist in diesem Zusammenhang ebenfalls wieder aufgeführt.Tatsächlich arbeitet das SRK derzeit an der Einführung des BuchhaltungsprogrammsAccountPro nicht nur in seiner Zentrale in Bern, sondern auch bei seinen Felddelegierten. Dortsoll es zur Führung der Konti dienen und schliesslich den Abgleich mit der Zentrale erleichtern.Früher wurden diese Aufgaben entweder auf dem Papier oder mit einer Tabellenkalkulation(Microsoft Excel) erledigt. Um die administrativen Abläufe zu vereinheitlichen und zu vereinfa−chen, hat man sich jetzt beim SRK für die Einführung eines Buchhaltungssystems entschieden.Die Wahl fiel dabei auf das Shareware−Programm AccountPro von AccSoft (www.accsoft−ch.com), weil dies laut Aussage eines SRK Mitarbeiters über eine sehr einfache Handhabungsowie ausreichende Mehrsprachigkeit verfügt. Der Hersteller hatte sich im übrigen dazu bereiterklärt, etwaige Wünsche des SRK nachträglich in das Programm zu integrieren.

Wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, arbeitet die DEZA an der Anbindung ihrer Koordinati−onsbüros an die Zentrale in Bern. Wenn dieser Vorgang abgeschlossen ist, können im Prinzipalle DEZA Mitarbeiter weltweit auf das SAP R/3 System zugreifen und haben keinen weiterenBedarf für spezielle Softwarelösungen im Bereich des Projektmanagements, da SAP R/3 diewichtigsten Aufgaben (mit Ausnahme des Vertragsmanagements) abdeckt. Letzteres soll inZukunft mit Esprit realisiert werden, einem Vertragsmanagement−Modul, das derzeit von derGTZ für die DEZA entwickelt wird. Man kann davon ausgehen, dass diese Komponente eben−falls bis zum Abschluss der Aussenanbindung der Koordinationsbüros Anfang 2002 in dasSystem integriert sein wird.

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Bis dahin befinden sich jedoch noch die alten (teilweise individuellen) Software−Lösungen imEinsatz. Als Beispiel wird hier das MIS genannt, ein Informationsmanagement−System das voneiner indischen Firma für das DEZA−Koordinationsbüro in Indien erstellt worden ist. Ursprüng−lich sollte dies verschiedene Aufgaben des Projektmanagements abdecken und mit SAP R/3kommunizieren können, da dessen Funktionalität in Bezug auf den Einsatz im Feld (insbeson−dere mit Hinblick auf die Vertragsverwaltung) nicht über den benötigten Detailgrad verfügte.Das MIS sollte anhand vorgegebener Eckdaten eines Projekts (Ziele, Einzelaktivitäten, Zeitpla−nung, Finanzierung) unter anderem in der Lage sein, die Verträge für die involvierten Projekt−partner auszudrucken. Leider erwies sich das MIS (ähnlich wie das NMS von USAID, wennauch von viel geringerem Umfang) ebenfalls als Misserfolg wegen mangelhafter Implementie−rung. Laut Aussage eines DEZA−Mitarbeiters funktionierte das System auf dem Entwicklungs−rechner einwandfrei, aber als es an das Computersystem der DEZA angepasst werden sollte,liefen weite Teile der Software instabil. Nachdem die Aussenanbindung der Koordinationsbürosan das SAP R/3−System und die Einführung des Vertragsverwaltungs−Moduls Esprit verab−schiedet waren, wurde kein zusätzlicher Aufwand mehr betrieben um das MIS in einen lauffä−higen Zustand zu versetzen. Es wird deshalb aktuell nur für die Vertragsverwaltung eingesetzt.

Erwähnenswert sind im Zusammenhang mit der Software bei Koordinationsbüros noch zweispezielle Programmpakete. Die befragten Hilfsorganisationen und Koordinationsbürosverwenden zwar keines der beiden, allerdings gab es bei Interviews des öfteren die Frage nacheiner Softwarelösung, die in etwa die Funktionalität dieser beiden Pakete umfasst. Sie wurdendeshalb in die Tabellen 5.4 und 5.5 mit aufgenommen unter Angabe der Organisation, welcheinfolge der recherchierten Informationen den Einsatz am meisten unterstützt (die Programmeaber nicht unbedingt selbst verwendet).Das eine ist das von der Pan American Health Organization (PAHO) entwickelte Supply Mana−gement System (SUMA), welches ausschliesslich für das Beschaffungsmanagement bei NGOsim Zusammenhang mit Katastrophenhilfe konzipiert wurde (www.disaster.info.desa−stres.net/SUMA). Es soll die Vermittlung und Verwaltung von tatsächlich benötigten Hilfsgü−tern im Katastrophenfall erleichtern, wo häufig die richtigen Mittel zur falschen Zeit (und umge−kehrt) ankommen. Ursprünglich wurde es für den Einsatz bei Naturkatastrophen im Mittel− undSüdamerikanischen Raum geschrieben und wird heutzutage dort als Standard eingesetzt.Inzwischen kommen aber auch immer mehr Anfragen nach einem solchen System aus anderenTeilen der Erde. Da SUMA nebst ausführlicher Dokumentation im WWW kostenlos und ohnegrossen Aufwand bezogen werden kann, steht einer Verbreitung dieses Systems nichts imWeg.Das andere erwähnenswerte Programmpaket ist das von der Firma Team Technologiesentwickelte TeamUP−PCM (www.teamusa.com). Es handelt sich dabei um ein speziell fürNGOs auf der ZOPP−Methode der GTZ bzw. dem Prinzip des Project Cycle Managementbasierendes Projektmanagement−System. Im Gegensatz zu SextANT und CAPROMA, diebeide mit Hinblick auf die Anwendung in Spenderbüros entwickelt wurden, konzentriert sichTeamUP−PCM hauptsächlich auf die Tätigkeiten, die beim Projektmanagement in Koordinati−onsbüros anfallen. Neben der Verwaltung von generellen Projektdaten wie Projektbeschrei−bung, Beteiligte (Partner, Spender, Mitarbeiter) und Einbindung in humanitäre Programme solldieses System alle Aufgaben zur

� Erstellung des Projektantrags (Spezifizierung der Ziele und Aktivitäten)� Umsetzung des Projekts (Arbeitszuteilung, Zeitplanung, Verantwortlichkeiten, Budget)� Projekt−Überwachung und Evaluation (Interessenvertreter, Indikatoren, Meilensteine)

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erleichtern. Wie auch SUMA hat TeamUP−PCM in diesem Zusammenhang eine gewisseSonderrolle, da die Worldbank diese Software nicht selbst einsetzt, jedoch die meisten derProjekte finanziert, in denen TeamUP−PCM laut seinem Hersteller eingesetzt wird. Trotzwiederholten Versuchen war es leider nicht möglich, Aussagen von Anwendern dieses Systemsüber seinen Einsatz in der Praxis zu erhalten. Wenn man allerdings die Länge der Referenzen−liste berücksichtigt, ist die Annahme naheliegend, dass diese Software tatsächlich einsatzfähigund brauchbar ist.

5.2 Erfolg verwendeter Software in Bezug auf Informationsbedarf

Nachdem im vorigen Kapitel zunächst der allgemeine Bedarf bei Hilfsorganisationen (sowohlSpenderbüros als auch Koordinationsbüros) beschrieben wurde, werden nun die Beobach−tungen genannt, die im Laufe der Recherchen gemacht wurden. Sie sollen Aufschluss darübergeben, mit welchem Erfolg die genannten Software−Pakete eingesetzt werden, ob sie denInformationsbedarf der NGOs tatsächlich ausreichend decken und welche Schwierigkeiten beider Verwendung der Software am häufigsten auftreten.Wie die vorangegangenen Beispiele verdeutlicht haben, verteilen sich die Ziele des Einsatzesvon Computern im humanitären Projektmanagement im wesentlichen auf folgende Bereiche:

� Verbesserung der internen Kommunikationsbeziehungen� Vereinfachung des Verwaltungsaufwands� Verbesserung des Monitoring und der Evaluation� Aufrechterhaltung des Kontakts zu den Interessenvertretern� Erfüllung der externen Informationsverpflichtungen (Spender, Öffentlichkeit)

Durch den Einsatz von computergestützten Informationssystemen im Projektmanagement(insbesondere durch die Nutzung von Computernetzwerken) haben Mitarbeiter einerseitsgleichzeitig Zugriff auf dieselben Daten, können andererseits trotzdem auch orts− undzeitunabhängig (z.B. mit Hilfe von e−Mail) zusammenarbeiten. Dokumente müssen nicht erstumständlich vervielfältigt und auf dem traditionellen Weg (Hauspost, Briefpost, Fax) transpor−tiert werden, sondern können online ausgetauscht werden. Dies kann den Zeitaufwand fürbestimmte Tätigkeiten erheblich reduzieren und die interne Kommunikation zwischen denMitarbeitern verbessern.Bei der Rechenschaftsablage gegenüber externen Geldgebern lässt sich ebenfalls eineErleichterung erreichen. Bislang hatten die verschiedenen Spenderorganisationen unterschied−liche Anforderungen in Bezug auf die Erstattung von Berichten über den Verlauf der von ihnenmitfinanzierten Projekte. Mit der Einrichtung einer entsprechenden Datenbank lassen sich dieessentiellen Informationen mit einer einheitlichen Eingabemaske erfassen. Die Einträge derDatenbank können mit verschiedenen Sichtweisen dargestellt werden, welche an die Bedürf−nisse der einzelnen Spenderorganisationen angepasst werden können. Ähnliche Bemühungenum eine Automatisierung und Standardisierung finden sich beispielsweise bei Programmen zurVertragsverwaltung (z.B. MIS bei DEZA Indien).Mit der Möglichkeit, Dokumente zentral und für mehrere Benutzer zugänglich abzulegen,verringert sich darüber hinaus auch der Verwaltungsaufwand. Daten wie Adressen oder Konto−stände können auf einem Datei−Server mit geringerem Fehlerrisiko zugegriffen werden, als

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dies bei manueller Replikation (z.B. Abschreiben von Hand) der Daten möglich ist. Übersichtenüber verfügbare Ressourcen, finanzielle Berechnungen und Statistiken können automatischerstellt und Abweichungen von definierten Sollwerten hervorgehoben werden.Ein weiterer Vorteil liegt in der höheren Transparenz der Daten, die durch eine übersichtlicheAufbereitung erreicht wird und somit das Monitoring und die Evaluation erleichtert. Hilfsorgani−sationen tun sich in diesem Punkt logischerweise deutlich schwerer als betriebswirtschaftlicheProfitunternehmen, da ihre Indikatoren vorwiegend qualitativer Natur sind und nur sehr schwerquantifiziert und messbar gemacht werden können.Durch den gewonnenen Überblick über die Projekte und ihren Fortschritt fällt es ebenfallsleichter, der Verpflichtung gegenüber Interessenvertretern nachzukommen. Ob es darum geht,das Gesamtbild einer Hilfsorganisation in der Öffentlichkeit darzustellen oder den Erfolg desEinsatzes bestimmter Spendengelder dem Geldgeber nachzuweisen: ein für den jeweiligenInteressenten zufriedenstellender Informationsaustausch findet am ehesten statt, wenn dieje−nigen Mitarbeiter, die mit der Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt sind, den gleichen Einblick in dierelevanten Daten haben wie die Leiter der Projekte. Durch die Ermittlung von Spenderprofilenbeispielsweise lassen sich die Präferenzen von Spendern erkennen und somit ein persönli−cherer Kontakt zu ihnen aufbauen.Am Rande sei hier bemerkt, dass es mittlerweile Ansätze gibt, Methoden aus dem betriebswirt−schaftlichen Bereich zur Leistungsermittlung (z.B. die sogenannte Balanced Scorecard) auf denNonprofit−Bereich und damit auch potentiell Hilfsorganisationen zu übertragen (vgl. [NPO2000], S. 169ff). Klingebiel schlägt den Einsatz dieser Methode vor, um die Erfüllung derexternen Informationserwartungen seitens der Interessenvertreter an eine Nonprofit−Organisa−tion (z.B. in Form einer Bewertung des Aufbaus und Inhalts ihrer Internet−Präsenzen) zumessen. Ob sich dieses Prinzip zur Quantifizierung von qualitativen Indikatoren auf die Evalua−tion von humanitären Projekten übertragen lässt, sei dahingestellt. Unbestritten ist auf jedenFall die Tatsache, dass eine Aufrechterhaltung der Beziehung zu den Interessenvertreterndurch glaubwürdige (im Sinne von wahrheitsgetreuer), vollständige, unverzügliche, wesentlicheund stetige Informierung erreicht werden kann und dass Informationssysteme diesen Prozessmassgeblich unterstützen können.

In der Praxis besteht der Hauptbedarf an Computerunterstützung wie bereits erwähnt in derUnterstützung des Finanzmanagements durch Buchhaltungssoftware. Der theoretische Hinter−grund dafür (Forderung nach erhöhter Transparenz, Wirtschaftlichkeit und daraus resultie−rendem geringeren Verwaltungsaufwand wie in Kapitel 3 behandelt) wird durch die umfangrei−chen Bemühungen verschiedener Hilfsorganisationen unterstrichen, ein für sie adäquatesBuchhaltungssystem zu installieren (vgl. den Fall von USAID im vorigen Kapitel). Dort, wo Soft−warepakete nicht dem gewünschten Standard entsprechen (sei es wegen unzureichenderFunktionalität oder mangelnder Einsatzfähigkeit) werden sie durch leistungsfähigere und stabi−lere Produkte abgelöst. Dieser Bereich ist sicherlich nicht zuletzt durch die Vielfalt an kommer−zieller Software für die betriebswirtschaftliche Buchhaltung relativ gut etabliert. Es scheint dortkein wesentlicher Verbesserungsbedarf zu bestehen. Eine Ausnahme bildet sicher das vonCaritas Schweiz verwendete SextANT, was durch seine Konzeption speziell für NGOs undseinem Fundraising−Modul gerade für Spenderbüros als besonders sinnvoll angesehen werdenkann. Die Mehrzahl der humanitären Organisationen kommt jedoch auch weitgehend mit"herkömmlicher" (im Sinne von für betriebswirtschaftliche Unternehmen konzipierter) Buchhal−tungssoftware zurecht.Bei der Unterstützung von spezifischen Projektmanagement−Aufgaben werden die Unter−schiede zwischen Profit−Organisationen und Hilfsorganisationen deutlicher. HumanitäreProjekte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit weichen stark von regulären betriebs−

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wirtschaftlichen Prozessen ab. Dies hat zur Folge, dass entsprechende Standard−Software ausdem Profit−Bereich nur sehr bedingt bei NGOs eingesetzt werden kann, da sie von der Funk−tionalität her meist ungeeignet ist. Hinzu kommt in vielen Fällen die Komplexität von betriebs−wirtschaftlich orientierter Management−Software, welche Hilfsarbeiter (insbesondere lokaleAngestellte in Entwicklungsländern) oft vor unlösbare Probleme stellt. Die unzureichendeBenutzerfreundlichkeit und Intuitivität dieser Programme macht eine intensive Schulungnotwendig, bevor sie effizient eingesetzt werden können. Im Non−Profit−Bereich fehlen aberhäufig sowohl die Mittel als auch die Zeit, um dies durchzuführen. Ausserdem verlangenSysteme von entsprechendem Umfang eine Anpassung der gesamten Organisationsstruktur,was ebenfalls mit einem enormen Kosten− und Zeitaufwand verbunden sein kann (z.B.SAP R/3).Interviews mit Mitarbeitern verschiedener Hilfswerke ergaben, dass die Umstellung auf eintechnologisch ausgereiftes Projektmanagement−Informationssystem häufig nicht nur unmöglich(wegen mangelnder infrastruktureller Voraussetzung im Entwicklungsland und Bildungsstandder Mitarbeiter in Bezug auf Computerarbeit) sondern auch gar nicht notwendig zu sein scheint.Gerade in den Koordinationsbüros, aber auch in Spenderbüros ist es wohl nicht ungewöhnlich,dass Mitarbeiter die vielseitigsten Aufgaben mit herkömmlichen Textverarbeitungs− und Tabel−lenkalkulationsprogrammen erledigen, oder gar nur mit Papier und Bleistift arbeiten. DieseMethoden klingen zwar sehr rudimentär und erscheinen vom Standpunkt der technologischenEntwicklung aus betrachtet als veraltet. Andererseits haben sie aber den Vorteil, dass sie vonjedem relativ schnell erlernt werden können und (im Falle der Verwendung von Papier und Blei−stift) auch gänzlich ohne technische Voraussetzungen (Elektrizität, funktionierende Hardwareund Software) funktionieren. In einer Umgebung, in der es schwierig ist, an Ersatzteile heran−zukommen oder wo die entsprechende technische Betreuung fehlt, kann dies von essentiellerBedeutung sein.Ein weiterer wichtiger Punkt im Zusammenhang mit spezieller, das Projektmanagement unter−stützender Software, ist die Integration solcher Programmpakete in das bestehende Computer−system (insbesondere das bestehenden Office−Paket). Die Produktivität und damit der Nutzeneiner Zusatzsoftware kann erheblich vergrössert werden, wenn die Daten unkompliziert mitanderen Programmen zur weiteren Verarbeitung ausgetauscht werden können. Dies beschleu−nigt nicht nur die Verarbeitung sondern reduziert auch die Fehleranfälligkeit. Dass auf dieseFähigkeit grosser Wert gelegt wird, wird durch die Tatsache unterstrichen, dass fast alle der imvorigen Kapitel genannten Beispiele über eine Anbindung an bestehende Office−Paketeverfügen. Auf diese Weise wird der organisations−interne Datenaustausch erleichtert.Andererseits ist der externe Austausch zwischen verschiedenen Hilfsorganisationen nach wievor der Vielfalt der verwendeten Software−Pakete unterworfen (sowohl von Office−Paketen alsauch Buchhaltungs− und Projektmanagement−Software). Die damit verbundene Inkompatibilitätkommt nicht selten darin zum Ausdruck, dass in einem allgemein standardisierten Formatexportierte Dateien eines Programms in einem anderen Programm, das angeblich das gleicheFormat unterstützt, nicht fehlerfrei importiert werden können. Bei manchen Softwareherstellernist es geradezu Bestandteil der Marketing−Strategie, Informationen über verwendete Dateifor−mate geheim zu halten, damit Hersteller von Alternativprodukten keine Import− und Exportfiltererstellen können (z.B. Microsoft’s Document Format DOC und Rich Text Format RTF). Kunden,welche Dateien dieses Formats bearbeiten wollen, sind somit gezwungen das Referenzproduktder Firma zu kaufen, die das Format entwickelt hat. Um derartige Umstände beim Datenaus−tausch zwischen Hilfsorganisationen zu vermeiden, findet dieser deshalb häufig noch aufkonventionellem Weg (per Papier, Fax oder e−Mail) statt.

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Zusammenfassend kann man sagen, dass Softwarepakete für den Einsatz bei Hilfsorganisa−tionen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit desto besser geeignet sind, je stärker siedie folgenden Eigenschaften unterstützen:� hohe Robustheit und Stabilität� angemessene Benutzerfreundlichkeit� Mehrsprachigkeit (mindestens Englisch, Französisch, Spanisch und ggf. Deutsch)� sinnvolle Integration mit bestehender Software, insbesondere Office−Paketen� hohe Anpassungsfähigkeit an die organisationsspezifische Umgebung� niedrige Kosten für die Anschaffung und im laufenden Betrieb � geringe Systemanforderungen (Hardware/Software)

Die Forderung nach Robustheit und Stabilität ist nach den oben genannten Beispielen des NMSvon USAID und des MIS der DEZA Indien einleuchtend. Eine Software, die instabil läuft, bietetkeine Grundlage für eine effiziente Arbeitsweise und ist eher ein Hindernis als eine Hilfe.Unter dem Begriff angemessene Benutzerfreundlichkeit gehören Aspekte wie beispielsweiseeine für den Anwender intuitive Verständlichkeit der Funktionsweise, damit er nachvollziehenkann, welche Schritte der theoretischen Methode das Programm tatsächlich in der Praxisumgesetzt hat (z.B. bei Aufgaben des Finanz− oder Projektmanagements). Wegen der mehr−fach genannten fehlenden Qualifikationen von Hilfswerk−Mitarbeitern im Umgang mit Compu−tern ist es besonders wichtig, dass die Software einfach aufgebaut ist und über eine klareBenutzerführung sowie einfache Handhabung verfügt (die Beliebtheit des BuchhaltungssystemsAAA bei ADRA unterstreicht diesen Bedarf). Eine Beschränkung der Funktionalität auf dasWesentliche durch Maskierung ist zumindest optional wünschenswert, damit Neueinsteiger sichbesser zurechtfinden können und nicht durch überflüssige Funktionen und überladene Menüsdie Orientierung verlieren. Der erfahrene Anwender hat wiederum die Möglichkeit, vom vollenFunktionsumfang zu profitieren. Nicht zuletzt gehört zu einer guten Benutzerfreundlichkeit eineübersichtliche, gut gegliederte und ausführliche Dokumentation. Neben einer Kontext−abhän−gigen Online−Hilfe ist das Vorhandensein eines Einführungskurses (tutorial) und einer vollstän−digen Version der Handbücher in elektronischer Form (z.B. im Portable Document Format PDF)sinnvoll. Auf diese Weise ist die Dokumentation ständig dort, wo man sie braucht: bei der Soft−ware. Bei einem Einsatz im Feld mit Laptops kann man somit auf das umständliche Mitführenvon gedruckten Handbüchern verzichten. Zum anderen können die elektronischen Handbücherbei Bedarf flexibel ausgedruckt werden: in beliebiger Anzahl, in verschiedenen Grössen odernur teilweise (z.B. die notwendigen Abschnitte).Ideal wäre eine Aufbereitung der Dokumentation in einer Art und Weise, dass sich Mitarbeitermit grundlegenden Computerkenntnissen (sprich: Erfahrung mit dem Betriebssystem und demOffice−Paket) die Bedienung des Programms autodidaktisch erarbeiten können. Alternativsollte es für erfahrene Computeranwender möglich sein, vor Ort einen effektiven Einführungs−kurs für Mitarbeiter zu halten. Dies würde den Bedarf an speziellen Schulungen bei der Herstel−lerfirma der Software reduzieren und somit die Kosten für die Einführung des Programmsdrastisch senken (andererseits ist die Realisierbarkeit einer solchen Lösung fraglich, wenn mandavon ausgeht, dass das Programm von einem profitorientierten Unternehmen geschriebenwurde). Eine Bereitstellung einer solchen Software auf dem Internet im Zusammenhang mitentsprechender Mehrsprachigkeit würde den weltweiten Einsatz des Softwarepakets ermögli−chen, der sich mit entsprechend guter Dokumentation auch tatsächlich erreichen liesse. Eintypisches Beispiel für diesen Weg ist Das Supply Management System (SUMA).Des weiteren wird von der Software eine gewisse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an dievorhandene Arbeitsumgebung in der jeweiligen Hilfsorganisation verlangt. Diese hängt einer−

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seits von den komplexeren Faktoren ab (wie zum Beispiel von den verwendeten Arbeitspro−zessen und Methoden), andererseits aber auch von Formalitäten wie verwendeten Formblät−tern, Währungen und Rechnungsbelegen. Fast schon eine Grundvoraussetzung ist in diesemZusammenhang die Integration in das existierende Office−Paket, da Textverarbeitungen undTabellenkalkulationen nach wie vor für die meisten Aufgaben verwendet werden.Der Kostenaufwand und die Systemvoraussetzungen spielen vielleicht eine nicht ganz sogrosse Rolle wie die vorangegangenen Aspekte, welche hauptsächlich die Funktionalitätbetreffen. Da jedoch für Hilfsorganisationen die Ausführung ihrer sozialen Tätigkeit immer nochdie höchste Priorität hat und sie in letzter Zeit von Einsparungen und Forderungen nacherhöhter Wirtschaftlichkeit betroffen sind, ist es naheliegend, dass sie sich bei der Wahlzwischen funktional äquivalenten Softwarelösungen für diejenige entscheiden, die am kosten−günstigsten ist und die geringsten Zusatzanschaffungen erfordert.

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6 Vorschläge für eine effektivere Informationsverwertung

Auch wenn man sich mit den verfügbaren technischen Möglichkeiten heutzutage eine Vereinfa−chung des Datenaustauschs zwischen Hilfsorganisationen gut vorstellen kann, ist es die Frage,ob eine solche Standardisierung der verschiedenen NGOs untereinander politisch möglich undauch notwendig ist. Zweifelsohne wird in der Entwicklungszusammenarbeit auf bilateraler undauf multilateraler Ebene eng zusammengearbeitet − sowohl zwischen Hilfsorganisationen undihren profit−orientierten Vertragspartnern als auch zwischen Hilfsorganisationen untereinander.Bemühungen um eine Vereinfachung dieser Kooperation durch eine Erleichterung des Daten−austauschs liessen sich nicht zuletzt auch durch die steigende Forderung nach Wirtschaftlich−keit und Verringerung des Verwaltungsaufwands rechtfertigen. In einer Zeit, in der projektbezo−gene Dokumente ohnehin meist mit Computern erstellt und zunehmend auch elektronischarchiviert werden, würde eine Umstellung auf weitgehend elektronischen Datenverkehr nichtnur den Arbeitsaufwand verringern sondern auch materielle Ressourcen einsparen. Vorausset−zung für diese Umstellung ist natürlich eine entsprechende Zuverlässigkeit der verwendetenInformationssysteme − sowohl seitens der Hardware als auch der Software.Eine solche Umstellung in der NGO−Gemeinde wird sich jedoch nicht ohne weiteres durch−setzen, da vielerorts das Hauptaugenmerk nach wie vor auf den zu erbringenden sozialenDiensten und humanitären Aufgaben liegt, und weniger auf den internen Arbeitsprozessen undOrganisationsstrukturen. Interviews mit Mitarbeitern diverser Hilfsorganisationen haben dasbestätigt. Solange aus ihrer Sicht nicht die Notwendigkeit zu einer Entwicklung standardisierterKommunikationsformen oder überhaupt einer Verbesserung des Informationsaustauschs imweitesten Sinne besteht, wird diese nicht entstehen können.

Es gibt jedoch Anzeichen für eine Veränderung in diesem Bereich. Mehr und mehr Hilfsorgani−sationen erkennen, dass sie durch eine kritische Überprüfung und Anpassung der internenKommunikation (zwischen Projektauftraggebern und Projektkoordinatoren, aber auch Projektenuntereinander) und der externen Kommunikation (etwa zur Erfüllung der Rechenschaftspflichtgegenüber Spendern und anderen Interessenvertretern, wie in Kapitel 3, S. 7ff beschrieben)ihre Ressourcen effizienter einsetzen und den Verwaltungsaufwand senken können.Diese Anzeichen finden sich beispielsweise in der Einführung der im vorigen Kapitel genanntenBuchhaltungsprogramme zur Erhöhung der Kostentransparenz von Projekten. UmfangreichereProjektmanagement−Software dient darüber hinaus noch der Erleichterung der Planung,Kontrolle und Evaluation und damit letztendlich auch der projektinternen Kommunikation. Einegenerelle Schwierigkeit beim Monitoring von Projekten wird bislang noch von keinem der derzeitverwendeten Programme vollständig gelöst: die Bestimmung und Überprüfung der Mess−grössen. Projektmitarbeiter sind deshalb nach wie vor gefordert, die Zielsetzungen und Indika−toren des Projekts so zu formulieren, dass eine Interpretation der aus den Aktivitäten gewon−nenen Resultate eine sinnvolle und nachvollziehbare Beurteilung der Auswirkungen desProjekts ermöglicht. Die bislang eingesetzten Softwarepakete dienen in diesem Zusammen−hang mehr oder weniger nur zur Unterstützung der formalen Arbeit (statistische Auswertungvon numerischen Messdaten, Berichterstattung, Datenbanken).

Ein weiterer Bereich, in dem in neuerer Zeit verstärkte Bemühungen insbesondere bei älterenHilfsorganisationen (wie z.B. ADRA oder beim ICRC und IFRC) zu beobachten sind, ist dieAufbereitung der "gesammelten Werke". Dies geschieht mit dem Gedanken, das in derVergangenheit erarbeitete Organisationswissen (institutional memory) nicht nur denen zu über−lassen, die es erarbeitet haben, sondern es durch Aufbereitung und Bereitstellung allen Mitar−

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beitern zu Gute kommen zu lassen. Projektbezogene Berichte und Dokumente (meist inPapierform) sind in den letzten Jahrzehnten entweder dezentral (bei ihren Ursprungsstellen wieAbteilungen oder einzelnen Mitarbeitern) oder zentral (in einem Archiv) eingelagert worden undnur schwer verfügbar gewesen. Um auf das in diesen Dokumenten enthaltene Wissen zurück−greifen zu können, musste man bisher von ihrer Existenz, ihrem Inhalt und ihrem Aufbewah−rungsort Kenntnis haben, und selbst dann war es immer noch nicht sicher, ob das gewünschteExemplar auch tatsächlich verfügbar ist. Durch die elektronische Erfassung dieser Dokumenteauf dem Computer lässt sich das Wissen um ihre Existenz verbreiten. Mitarbeiter haben eben−falls zeit− und ortsunabhängig die Möglichkeit, an die enthaltenen Informationen zu gelangen.ADRA International setzt zu diesem Zweck in ihrer Zentrale seit etwa Anfang des Jahres 2000ein von der Firma Information Management Research (www.imrgold.com)entwickeltesSystem zur Indizierung von Dokumenten (document archival and retrieval) namens Alchemyein. Neben einer flexiblen Verwaltung der Daten in (optional ineinander verschachtelten) Daten−banken unterstützt das System die Erfassung einer Vielzahl von verschiedenen elektronischenDateiformaten. Dokumente in gedruckter Form können über ein Scan−Modul namens Scan2CDim standardisierten Tag Image File Format (TIFF) digitalisiert und deren Inhalt per OpticalCharacter Recognition (OCR) dem Volltext−Suchindex hinzugefügt werden. Bei ADRA wird zurDatenerfassung eine Alternativmethode verwendet. Die Dokumente werden mit Hilfe einesseparaten Softwarepakets namens Kofax Ascent eingescannt und über das ImportmodulDatagrabber in die Alchemy−Datenbank integriert (vgl. [IMR 2000]). Der Zugriff auf die Daten−bank letztendlich erfolgt wahlweise über einen eigenen Alchemy−Client, der sowohl den Indexdurchsuchen als auch die erfassten Dokumente anzeigen kann, oder ein WWW−Interface (wasbei ADRA zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Diplomarbeit noch nicht eingerichtet war). Fürden Einsatz bei NGOs im Feld kann die Datenbank inklusive Client auf unterschiedlichenDatenträgern (z.B. CD−ROM) gespeichert werden und somit weitgehend unabhängig von derlokalen technischen Infrastruktur zugänglich gemacht werden (wenngleich die Daten dannzwangsläufig nicht immer auf dem aktuellsten Stand sind). Derzeit wurde Alchemy bei zwei vonden insgesamt sechs Abteilungen der ADRA−Zentrale eingeführt und bislang laut Aussage derfür das System zuständigen Mitarbeiterin mit grossem Erfolg angewandt.

6.1 Projekterfahrungssysteme

Durch diese Aufbereitung des Organisationswissens wird im Prinzip genau das gefördert, wasLung als Nachholbedürfnis bei Nonprofit−Organisationen identifiziert hat: die interne Entwick−lungsarbeit (vgl. Kapitel 4.2, S. 30f). Die Notwendigkeit dafür ist bei einigen Organisationen teil−weise schon seit mehreren Jahren bekannt, wie beispielsweise beim IFRC, der DEZA, derCaritas Schweiz und dem SRK, was durch diverse Interviews sowie Veröffentlichungen bestä−tigt wurde (vgl. auch [STODDART 1998], S. 32 und S. 190):

"Managing for results requires not just performance measurement; it also requireslearning from experience through research and evaluation." ([USAID 2000], S. 26)

Während es bei den genannten Organisationen bislang jedoch weitgehend bei Überlegungen zudiesem Thema geblieben ist, betreibt USAID bereits seit 1997 das sogenannte DevelopmentExperience Clearinghouse (DEC, www.dec.org), eine Abteilung, die offiziell für die Verwaltung

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des Organisationswissens zuständig ist. Diese unterhält ein Datenbanksystem namens Deve−lopment Experience System (DEXS), das über das WWW erreicht werden kann und folgendeZiele verfolgt:

"To preserve and promote knowledge of the Agency’s performance, results, lessonslearned, and experiences in development activities throughout the world. To ensure that the Agency has access to its own development experience and that of otherinternational development organizations for use in the planning, implementation, andevaluation of the Agency’s programs and activities.

To strengthen the Agency?s use of development experience in its strategic planning,program implementation, performance measurement, and evaluation." ([DEXS 1998])

USAID−Mitarbeiter sind dazu angehalten, zahlreiche Arten von Dokumenten und projektbezo−genen Informationen dem DEC zur Verfügung zu stellen, damit sie im DEXS aufgenommenwerden können. Im Jahr 1999 wurden 325 Dokumente hinzugefügt (vgl. [USAID 2000], S. 26).Im wesentlichen dreht es sich dabei um

� Richtlinien und Konzepte für die Entwicklungszusammenarbeit� Entwicklungsbezogene Studien, Umfragen und Analysen� Berichte über von USAID mitgetragene Forschungsprojekte� Beschreibungen von Projekten, Methoden und Revisionen� Organisationsbezogene Management−Studien und Rezensionen� Vertragsorientierte Jahres− und Abschlussberichte

Von etwa 150.000 Anfragen an das System im Jahr 1998 stammten immerhin 40.000 vonUSAID−Mitarbeitern. Diese Zahlen belegen zwar keineswegs die Qualität der Ergebnisse dieserAnfragen und somit den Nutzen des Systems, jedoch kann man annehmen, dass das DEXSwohl kaum so stark frequentiert gewesen wäre, wenn die von ihm gelieferten Daten nicht aufdie eine oder andere Weise hätten verwendet werden können.Das umfangreiche Spektrum verschiedenartiger Dokumenttypen ermöglicht es Mitarbeiternebenso, persönliche Beobachtungen und Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit der NGO−Gemeindezur Verfügung zu stellen. Diese Art von Information ist insbesondere deshalb wertvoll, weil neuhinzugekommene Mitarbeiter sich auf diese Weise in Bezug auf kulturelle, politische, soziale,wirtschaftliche, geographische und ähnliche Gegebenheiten im Vorfeld kundig machen können.Diese Art von Information ist einerseits im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bei derPlanung von Projekten hilfreich, andererseits aber auch für die Katastrophenvorbereitung nütz−lich (vgl. WWW−Sites mit derartiger Hintergrundinformation wie z.B. ReliefWeb,www.reliefweb.int). Auch wenn solche Erfahrungsberichte immer subjektiv sind unddeshalb nicht verallgemeinert werden können, vermögen sie den Leser auf bestimmte Dingeaufmerksam zu machen und ihm einen differenzierten Einblick in die Lage in einem Einsatzge−biet zu gewähren.USAID hat das DEXS jedoch nicht nur für die eigenen Mitarbeiter geschaffen. Das Selbstver−ständnis geht in die Richtung einer Bereitstellung dieses Dienstes für die Öffentlichkeit, um dieintern gesammelten Erfahrungen auch anderen Mitgliedern der NGO−Gemeinde zur Verfügungzu stellen:

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"To manage for results successfully, the Agency must also effectively monitor andevaluate the performance of its programs and learn from experience. And USAID mustcommunicate, share, and apply the knowledge gained to influence the entire developmentcommunity." ([USAID 2000], S. 24)

Mit diesem Gedanken ist zumindest die Grundlage für einen Informationsaustausch in einerRichtung (von USAID nach aussen) geschaffen. Feedback, Kommentare oder die Ergänzungmit Veröffentlichungen von anderen Quellen (z.B. anderen Hilfsorganisationen) ist jedoch nichtvorgesehen. Der Tragweite dieses Erfahrungsaustausch−Systems sind somit Grenzen gesetzt.USAID als Organisation hat die notwendigen Ressourcen und Fachkräfte, um ein solchesSystem selber zu entwickeln und zu unterhalten. Es gibt jedoch zahlreiche kleinere Hilfsorgani−sationen, die ebenso den Bedarf für ein System zur Verwaltung ihres Organisationswissenshaben, sich aber dessen Entwicklung selbst nicht leisten können (z.B. Caritas Schweiz).Selbstverständlich machen Mitarbeiter von kleinen Hilfswerken ebenso wichtige Erfahrungenwie diejenigen von grossen Organisationen, sodass es durchaus relevant ist, ihre Berichteebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

6.2 Shared Institutional Memory System

An dieser Stelle setzt der folgende Vorschlag eines gemeinsamen Informationssystems zumAustausch von Projekterfahrungen an. Das Ziel eines solchen Systems ist einerseits, auch klei−neren Hilfsorganisationen ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, mit dem sie ihr Organisati−onswissen aufbereiten und ihren Mitarbeiten zugänglich machen können. Andererseits lässtsich durch die externe Veröffentlichung dieser Informationen zwischen Organisationen derErfahrungsaustausch erleichtern. Bislang erfolgte ein derartiger Austausch meist unter derHand ausserhalb der Arbeitszeit (beispielsweise auf NGO−Parties, wie Erlebnisse in Albaniengezeigt haben). In diesem Punkt scheinen sich Hilfsorganisationen nur wenig vom Profit−Bereich zu unterscheiden, wo viele wichtige Entscheidungen ebenfalls im persönlichen Kreisausserhalb der offiziellen Arbeitszeit getroffen werden.Aufgrund des knapp gefassten Zeitrahmens kann es in dieser Diplomarbeit jedoch nur bei einergroben Modellierung und Visualisierung dieses Projekterfahrungssystems bleiben. Es soll hierlediglich eine theoretische Grundlage skizziert werden, auf der eine nachfolgende Implementie−rung (nach den Regeln des Software−Engineerings) aufgebaut werden kann. Der hiergemachte Vorschlag basiert vorwiegend auf eigenen Ideen des Autors unter Berücksichtigungvon diversen, im NGO−Umfeld erhaltenen Erkenntnissen. Eine konkrete Umsetzung einessolchen Systems erfordert unter allen Umständen eine genaue Ermittlung und Spezifizierungder Bedürfnisse seitens der geplanten Anwender. Als Arbeitstitel für dieses Projekterfahrungssystem soll die Bezeichnung Shared InstitutionalMemory System (SHIMS) dienen. Damit ist zum einen der Hauptzweck angedeutet (es soll derAufbereitung des Organisationswissens dienen), zum anderen der Hinweis auf die Teilung vonRessourcen gemacht. Die Grundidee besteht darin, eine technologische Plattform zu schaffen,die von verschiedenen Hilfsorganisationen genutzt werden kann. Die Kosten an Entwicklungund Betrieb reduzieren sich dadurch für die einzelne Organisation. Mit Nutzen ist in diesemZusammenhang nicht nur der Lesezugriff gemeint, wie er beim DEXS bereits vorhanden ist,sondern ebenfalls die Möglichkeit, eigene Beiträge hinzuzufügen.

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Als mögliche Szenarios für den Einsatz eines solchen Systems wäre einerseits die interneVerwendung innerhalb einer international tätigen Hilfsorganisation denkbar (z.B. im weltweitenCaritas−Netzwerk). Etwaige, politisch begründete Meinungsverschiedenheiten zwischen denTeilnehmern (den verschiedenen Spender− und Koordinationsbüros) liessen sich somit weitge−hend vermeiden. Andererseits wäre eine Verwendung im internationalen, organisationsunab−hängigen Kontext denkbar, wo unterschiedliche Hilfsorganisationen das System jeweils für ihreZwecke verwenden. Den dadurch zwangsläufig entstehenden Konflikten könnte man auf unter−schiedliche Weise begegnen. Entweder wird das System so flexibel gestaltet, dass es an diejeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Organisation angepasst werden kann (was enormenAufwand bedeutet), oder es wird ein gemeinsamer Nenner gefunden, der für alle akzeptabel ist.Die Realisierbarkeit der letzteren Variante hängt sicherlich von der Komplexität und Funktiona−lität des Systems ab.

Folgende Anforderungen an das System, die sich notwendigerweise an den in Kapitel 5.2,S. 60 gemachten Beobachtungen orientieren, erscheinen in diesem Zusammenhang als sinn−voll und realistisch:

� geringe Zusatzanforderungen (Hardware/Software, Computerwissen)� hohe Benutzerfreundlichkeit (Übersichtlichkeit, Mehrsprachigkeit)� gute Verfügbarkeit und Aktualität (Ausfallsicherheit)� gute Integration in bestehende Software (Datenaustausch)� angemessene Datensicherheit (für organisationsinterne Dokumente)� niedrige Kosten (Anschaffung, Nutzung)

Im Rahmen der oben genannten Szenarios mit geographisch weit verteilten Anwendern bietetsich als Basistechnologie das World Wide Web (WWW) an (grundlegende Kenntnis vom WWWwird für das Verständnis der folgenden Abschnitte vorausgesetzt). Es gibt eine Reihe vonGründen, die dafür sprechen:

1. Das Internet ist mittlerweile sehr stark verbreitet und auch in den meisten Entwicklungslän−dern zugänglich. Bei Hilfsorganisationen gehören die dafür notwendige Hardware und Soft−ware in der Regel zur Standardausrüstung. Wird ein solches Projekterfahrungssystem nachdem Client−Server−Modell umgesetzt, kann man einen Grossteil der Funktionalität auf dierServer−Seite verlagern und damit den Client entlasten. Auf diese Weise lässt sich derAnpassungsaufwand auf der Client−Seite minimieren und mit den standardmässig verfüg−baren WWW−Browsern (Anzeigeprogrammen für WWW−Inhalte) arbeiten.

2. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kennen sich in der Regel neben Office−Anwendungenauch mit der Benutzung vom WWW aus. Diejenigen, bei denen das nicht der Fall ist, könnendies relativ schnell von ihren Kollegen lernen. Mit einer ergonomisch gestalteten Benut−zeroberfläche lässt sich eine einfache Handhabung erreichen. Zusätzlich unterstützen zahl−reiche WWW−Server (z.B. Apache) heutzutage Mehrsprachigkeit.

3. Die zentralistische Realisierung eines solchen Projekterfahrungssystems in Form einesWWW−Servers lässt sich mit relativ geringem Aufwand umsetzen und erleichtert den Über−blick über die zu verwaltenden Daten. Dadurch, dass die gesamte Intelligenz an einer Stelle(beim Server) liegt, lassen sich Überarbeitungen (updates) und Wartungen am Systemunkompliziert durchführen. Ausfallsicherheit und Leistungsfähigkeit lassen sich gegebenen−falls durch Replikation und Lastverteilung auf mehrere physikalische Rechner erreichen.

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4. WWW−Browser sind heutzutage eine Standardkomponente der unterschiedlichen Arbeit−sumgebungen und meist entweder in das verwendete Office−Paket (z.B. StarOffice) oderdas darunter liegende Betriebssystem integriert. Dies ermöglicht einen unkompliziertenAustausch von Daten mit dem WWW−Server. Die dafür benötigten Voraussetzungenwerden bereits seit längerem von den gängigen WWW−Browsern unterstützt. Man muss alsAnwender deshalb nicht unbedingt über die neuesten Versionen dieser Programm verfügen.Diese besitzen zwar einerseits eine grössere Funktionalität, stellen andererseits aber auchhöhere Systemanforderungen (insbesondere an den Speicherplatz).

5. Ein Punkt, der die beiden oben genannten Szenarios von einander unterscheidet, ist dieDatensicherheit. Während man sich beim organisationsinternen Ansatz lediglich vor unbe−fugten Zugriff von aussen schützen muss (was ohne grossen Aufwand mit der Verwendungeines Intranets bzw. einer Firewall erreicht werden kann), wäre beim organisations−über−greifenden Ansatz sicherlich die Hemmschwelle bei NGOs gross, Dokumente öffentlich zurVerfügung zu stellen, deren Inhalt nur für interne Mitarbeiter gedacht ist. Zu diesem Zweckliessen sich verschiedene Bereiche auf dem WWW−Server einrichten: ein öffentlicher, dervon allen gelesen werden kann, sowie für jede Organisation ein privater, per Autorisierunggeschützter Bereich, der die internen Dokumente beinhaltet. Auf diese Weise hat jedeOrganisation die Möglichkeit, das System quasi nur für sich zu benutzen, obwohl die darun−terliegende Technologieplattform nach wie vor mit den anderen geteilt wird. Die meistenWWW−Server verfügen über die dafür notwendigen Sicherheitsmechanismen.

6. Abhängig von der Funktionalität und der für den Server verwendeten Software lässt sich einSystem mit niedrigem Aufwand an laufenden Kosten erstellen. Durch Verwendungpassender Betriebssysteme (Linux oder andere Unix−Varianten) erhält man neben hoherZuverlässigkeit auch die Möglichkeit zur Fernwartung. Solange ein solches System imPrinzip nur aus einer Datenbank mit WWW−Benutzerschnittstelle besteht, entfallen somitdie Kosten für eine speziell für die Wartung zuständige Stelle. Zusätzlich könnte dieVerwendung von Werbebannern die vom Internet Service Provider (ISP) erhobenen Kostenfür die Nutzung des Internets durch den WWW−Server verringern. Eine Reihe von anderennonprofit−orientierten WWW−Servern nutzt bereits diese Möglichkeit.

In Bezug auf den Kostenaufwand für ein solches System kann man sich zwei verschiedeneAlternativen vorstellen, deren Funktionalität sich grundsätzlich unterscheidet. Die erste, kosten−günstigere Variante dient ausschliesslich zur Verwaltung elektronischer Dokumenten, d.h.Daten die beispielsweise im DOC−Format oder PDF−Format vorliegen. Der Austausch derDaten erfolgt vollkommen elektronisch: das Dokument wird per Upload von der Person oderOrganisation, die es erstellt hat, dem System hinzugefügt. Zum Wiederauffinden der Doku−mente legt das System intern einen Volltext−Index an, der bei Anfragen von Anwendern desSystems nach den angegebenen Schlüsselbegriffen durchsucht wird. Bei erfolgreicher Sucheim Index erhält der Benutzer eine Liste der Einträge zurück, welche die gewünschten Suchkri−terien erfüllen, und kann das entsprechende Dokument zum Download auswählen.Das Grundmodell für eine derartige Client−Server−Architektur ist in Figur 6.1 abgebildet. Zurbesseren Unterscheidung sind Aktivitäten zum Eintragen von Dokumenten in das System mitgestrichelten und Suchanfragen an das System mit durchgezogenen Pfeilen markiert. In dieserBasisversion besteht das Projekterfahrungssystem im wesentlichen nur aus einer Datenbankmit einer WWW−Schnittstelle, die für die Zugriffe (Eintragungen und Suchanfragen) verwendetwird. Ein solches System mit minimaler Komplexität kann, wenn es robust konzipiert und imple−mentiert wird, weitgehend selbständig mit geringem Administrationsaufwand funktionieren. DieBetriebs− und Wartungskosten sind dadurch relativ niedrig. Allerdings setzt dies auch voraus,dass die Anwender sich an die vorgegebenen Konventionen halten und keinen Missbrauch bzw.

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keine Fehlbedienung betreiben. Letzteres wird sich nur schwer realisieren lassen. Bewegt sichdie Anzahl der Neueintragungen in das System jedoch in einem überschaubaren Rahmen(beispielsweise 10−20 pro Tag), liesse sich der Wartungsaufwand wohl mit einer Teilzeitstelleabdecken. Dies gilt natürlich nur unter Vorbehalt für technische Probleme, die immer unvorher−sehbar auftreten können. Wird das System hingegen bei einem ISP installiert, ist dieser für dieBereitstellung und Einsatzfähigkeit der Technik (Hardware und Infrastruktur) zuständig.

Figur 6.1: Grundlegendes Client−Server−Modell für ein Projekterfahrungssystem.

Ein wesentliches Detail bei einem derartigen Informationssystem ist die ständig wachsendeMenge an enthaltener Information und die dadurch steigende Unübersichtlichkeit. Durch einmanuelles Redigieren der Dokumente vor dem Einfügen in die Datenbank wäre es zwarmöglich, die essentiellen Daten herauszufiltern und somit den Informationsgehalt auf daswesentliche zu reduzieren. Allerdings ist diese Methode einerseits mit einem enormen Aufwandverbunden, da jedes Dokument mehr oder weniger vollständig überarbeitet werden müsste,andererseits besteht die Gefahr einer Verzerrung des Gesamtbilds. Innerhalb ein und derselbenHilfsorganisation wäre es durchaus realisierbar, die verfügbaren Dokumente nach bestimmtenKriterien zu bearbeiten. Je mehr Interessenvertreter jedoch Zugang haben, desto unterschiedli−cher sind auch die jeweiligen Informationsbedürfnisse. Eine inhaltliche Beschränkung derDokumente kann somit unter Umständen auch von Nachteil sein, wenn dadurch wesentlicheDaten für eine bestimmte Zielgruppe herausgefiltert werden.

Ein Kernproblem eines solchen Systems ist die Anforderung, flexibel genug zu sein ummöglichst vielen verschiedenen Benutzern gerecht zu werden und dabei gleichzeitig von denAutoren der Dokumente so wenig zusätzlichen Arbeitsaufwand wie möglich zu verlangen. DasVerschicken eines Dokuments im Ursprungsformat (meistens das DOC−Format) oder Expor−tieren in einem Fremdformat mit anschliessendem Versenden an eine für das Projekterfah−rungssystem zuständige Stelle ist sicherlich im Rahmen dessen, was verlangt werden kann.Sobald es jedoch darüber hinaus geht und die Autoren extra für das Informationssystemzusätzliche Daten eingeben müssen (beispielsweise um eine automatische Kategorisierung zuermöglichen), entsteht durch diesen Mehraufwand eine gewisse Hemmschwelle. Je grösserdiese Hemmschwelle wird, desto geringer werden die Beiträge zu dem Projekterfahrungssy−

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SIMS

WWW−Server

UploadWWW−Client

(Autor des Dokuments)

Archivierungund

Indizierung

Auffindenund

Zurückholen

WWW−Client

(Anwender)

1. Suchanfrage 2. Download

SIMS

Datenbank

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stem ausfallen (vgl. die Probleme des PTS von ADRA in Kapitel 5.1.2). Innerhalb ein undderselben Hilfsorganisation lässt sich wohl die Beteiligung der Mitarbeiter durch entsprechendeVorschriften regulieren (vgl. das DEXS von USAID). Sobald es aber darum geht, Informationenanderen Interessenten auf freiwilliger Basis anzubieten, ohne scheinbar etwas als Gegenlei−stung zu erhalten, muss ein ganzes Stück Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit denzusätzlichen Arbeitsaufwand für den einzelnen Mitarbeiter gerechtfertigt wird.Ein Weg, dies in den Begriff zu bekommen wäre die Einrichtung einer Stelle, welche für dieentsprechende Sortierung der eingehenden Dokumente zuständig ist (Beispiel USAID). Aufdiese Weise könnte die Funktionalität und der Nutzen des Systems ebenfalls erweitert werden,etwa durch die Möglichkeit, Vorlagen in Papierform zu digitalisieren und ins System einzutragen(vgl. die Aufarbeitung der Archive bei ADRA am Anfang von Kapitel 6, S. 62).Diese Lösung könnte es in zwei Varianten geben: jeweils eine lokale Version für jede Hilfsorga−nisation oder eine zentrale Version für alle beteiligten Hilfsorganisationen, die gleichzeitig dasProjekterfahrungssystem administriert. Die Vorteile dieser beiden Alternativen sind in Tabelle6.1 gegenübergestellt.

Organisationsinterne Abteilung Organisationsübergreifende Zentralstelle

� Grösseres Vertrauen durch bessere Kontrolleüber den Datenfluss: alles bleibt "im Haus"

� Zuordnung und Finanzierung gesichert

� Entlastung des zentralen WWW−Servers durchdezentrale Ablage von Dateien

� Unabhängigkeit, dadurch bessere Möglichkeitzur Einhaltung von Standards

� Kompetenz durch Spezialisierung auf einenBereich

� Minimaler Ressourcenbedarf: nur ein WWW−Server und ggf. ein System zum Scannenvon Papierdokumenten nötig.

Tabelle 6.1: Aufbereitung der Dokumente für das Projekterfahrungssystem

Im Falle einer organisationsinternen Stelle wäre ebenfalls das lokale Speichern der archiviertenDateien denkbar. Die jeweilige Hilfsorganisation hätte somit umfassende Kontrolle über dieDaten, die sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Der zentrale WWW−Server würde dadurchstärker entlastet und würde primär der Indizierung dienen (analog zu diversen Internet−Suchmaschinen wie beispielsweise Altavista, www.av.com). Das für diese Situation ange−passte Client−Server−Modell ist in Figur 6.2 skizziert (Eintragungen in das System sind wiedermit gestrichelten und Suchanfragen mit durchgezogenen Pfeilen gekennzeichnet). Die Bereit−stellung eines verfassten Dokuments auf dem organisationsinternen WWW−Server mit Hilfeeines WWW−Clients dient nur als Beispiel. Ebenso denkbar wäre der direkte Upload in einVerzeichnis auf dem WWW−Server über ein im LAN erreichbares Netzwerk−Dateisystem (z.B.NFS, Samba) oder die Verwendung eines Netzwerk−Dienstes wie FTP (file transfer protocol).Diese Lösung gibt zwar den einzelnen Organisationen mehr Macht, verlangt dafür aber aucheinen grösseren Aufwand an Ressourcen. Jede Organisation müsste über einen eigenenWWW−Server verfügen, auf dem die zu veröffentlichenden Dokumente abgelegt sind und vomSHIMS−Server indiziert werden können.

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Figur 6.2: Verteiltes Client−Server−Modell für ein Projekterfahrungssystem.

Als Fallbeispiel für einen konkreten Lösungsvorschlag bietet sich die aktuelle Situation beivielen schweizerischen Hilfsorganisationen an. Bei ihnen besteht nachweislich ein Bedarf für einInformationssystem zur Aufarbeitung des Organisationswissens (in diversen Interviews mitentsprechenden Mitarbeitern beispielsweise der Caritas Schweiz, der DEZA und des SRKwurde dies bestätigt). Häufig stehen jedoch nicht die notwendigen Ressourcen zur Verfügung,um ein solches System selbst zu entwickeln. Gerade der letzte Punkt signalisiert, dass Kosten−minimierung ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung eines derartigen Systems ist.Es bietet sich deshalb ein Lösungsansatz an, bei dem das Teilen von Ressourcen (Anschaf−fungs− und Betriebskosten von Hard− und Software sowie Personalkosten) im Vordergrundsteht. Um den potentiellen Wunsch nach grösserer Kontrolle über den Austausch von Doku−menten seitens einzelner Teilnehmer gerecht zu werden, liesse sich eine Hybridlösung in Formeiner Kombination der beiden oben beschriebenen Varianten erstellen.Eine zentrale Stelle (als Arbeitstitel diene an dieser Stelle die Bezeichnung Shared InstitutionalMemory Agency, kurz SHIMA), tritt als Dienstleistungsinstitution auf und betreibt das Projek−terfahrungssystem. Hilfsorganisationen, die über entsprechende Mittel verfügen und eineneigenen WWW−Server besitzen, können ihre elektronischen Dokumente auf diesem bereitstellen. Vom SHIMS werden sie dort erfasst und in den Volltext−Suchindex eingetragen (vgl.Figur 6.2, S. 70). Andere Hilfsorganisationen, die einen solchen Aufwand scheuen, können ihreDateien direkt per Upload in einen entsprechenden Bereich auf dem WWW−Server des SHIMSkopieren (vgl. Figur 6.1, S. 68). Jede teilnehmende Hilfsorganisation hat einen privaten, durchAutorisierung geschützten Bereich, in dem sie sensitive Daten für den internen Gebrauchablegen kann. Auf diese Weise wird jeder Organisation quasi ein eigenes Informationssystemzur Verwaltung ihres Organisationswissens bereitgestellt. Ein öffentlicher Bereich enthält dieDokumente, die allen zur Verfügung stehen sollen. Dieser erleichtert den Austausch vonProjekterfahrungen zwischen Organisationen.Bislang kamen nur Dokumente in Betracht, die bereits in elektronischer Form vorliegen unddeshalb leicht in das Informationssystem integriert werden können. In den meisten Fällenexistiert jedoch ein umfangreiches Archiv an gedruckten Berichten, Beschreibungen undanderem projektrelevantem Material, das sich über die Jahrzehnte angesammelt hat und indem gleichfalls wertvolle Informationen enthalten sind. Diese Dokumente sollten ebenso in dasProjekterfahrungssystem übernommen werden und müssen dafür zwangsläufig digitalisiert

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SIMS

WWW−Server

Upload

WWW−Client

(Autor des Dokuments)

Indizierung Auffinden

WWW−Client

(Anwender)

1. Suchanfrage 3. Download

SIMS

Volltext−Suchindex

Lokaler

WWW−Server2. Redirection

Dokumenterfassung

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werden. Um die Kosten zu teilen, könnte das SHIMS für diesen Zweck um eine Komponenteerweitert werden, mit der in Papierform vorliegende Dokumente eingescannt werden (vgl. dieVerwendung von Alchemy bei ADRA International, Kapitel 6, S. 62ff). Dabei stellt sich sofort dieFrage, auf welchen Weg die gedruckten Dokumente von den Archiven der einzelnen Hilfsorga−nisation ins zentrale SHIMS gelangen. Das Versenden des kompletten Archivinhalts zumScannen bei der SHIMA ist, abhängig vom Umfang, ein sehr aufwendiger Prozess, zumal dieDokumente nach der Digitalisierung wieder an ihren ursprünglichen Lagerort zurückgeführtwerden müssten. Eine zentrale Einlagerung der gedruckten Dokumente aller teilnehmendenHilfsorganisationen beim SHIMA wäre wohl technisch machbar, aber finanziell und politischäusserst unrealistisch.Dieser Situation könnte man mit dem umgekehrten Ansatz beikommen: eine mobile Einheit desSHIMA (bestehend aus einem Laptop und einem Scanner) wäre in der Lage, die Akten in deneinzelnen Archiven zu erfassen und sie dem Informationssystem zuzuführen. Der Aufwand, diegesamten Dokumente einer Hilfsorganisation zu scannen ist natürlich um so grösser, jeumfangreicher ihr Archiv ist. Allerdings wird heute der weitaus überwiegende Teil von schriftli−chen Veröffentlichungen im Rahmen humanitärer Projekte auf dem Computer erstellt und istsomit in einer elektronischen Version verfügbar. Wenn es gelänge, sich für zukünftige Doku−mentation ausschliesslich auf eine elektronische Archivierung zu einigen, könnte ein weitererZuwachs des Papier−Archivs vermieden und seinen Zustand quasi "eingefroren" werden. DasScannen wäre somit ein endlicher Prozess, der dann abgeschlossen ist, wenn der gesamteInhalt des Archivs erfasst wurde. Alle neuen Dokumente würden nur noch auf dem elektroni−schen Weg dem SHIMS zugeführt werden. Derzeit erfolgt jedoch der Datenaustausch zwischenHilfsorganisationen und ihren Partnern noch immer weitgehend auf dem konventionellen Weg,d.h. per Brief oder Fax (vgl. Kapitel 5.2, S. 57ff). Da eine zügige Umstellung auf rein elektroni−schen Datenverkehr unwahrscheinlich ist, würde das Scannen von Dokumenten weiterhin einBestandteil des Erfassungsprozesses bleiben. Um das SHIMS auf dem neuesten Stand zuhalten, wäre es deshalb, in regelmässigen Abständen die in der Zwischenzeit angefallenenneuen Dokumente zu digitalisieren. Ob dies durch eine einzelne mobile Einheit realisiert werdenkann, oder ob wegen der Menge an anfallenden Dokumenten pro Hilfsorganisation jeweils eineArbeitsstation zum Scannen benötigt wird, muss im Falle einer Implementierung eines solchenSystems eingehend untersucht werden. Unter allen Umständen wird an dieser Stelle die poten−tielle Erleichterung des Arbeitsprozesses durch die Umstellung auf einen rein elektronischenDatenverkehr zwischen Kooperationspartnern im humanitären Bereich deutlich.

Ebenfalls näher untersucht werden muss im Fall einer Umsetzung die zu verwendende Soft−ware. Solange das SHIMS im wesentlichen nur aus einer Datenbank mit Zugriff über einenWWW−Server besteht, kann man beispielsweise durch die Verwendung von Linux alsBetriebssystem mit entsprechenden Applikationen zur Indizierung und Bereitstellung der Dateneine kostengünstige und zuverlässige Lösung erstellen. Wenn die Digitalisierung der Daten(Scannen und Texterfassung per OCR) vom gleichen Rechner übernommen werden soll, ist eshingegen möglich, dass man sich für eine Windows−Version entscheiden muss, da ein Soft−ware−Paket wie beispielsweise Alchemy nur für dieses Betriebssystem verfügbar ist und fürLinux noch kein vergleichbares Software−Paket existiert. Es gibt also etliche Fragen, die letzt−endlich sehr stark von der gewählten Ausführung des Systems abhängen und deshalb nur imRahmen einer Implementierung umfassend abgeklärt werden können.

Anders sieht es mit der Funktionalität der WWW−Benutzeroberfläche aus. Über diese kannman sich bereits im Vorfeld einige grundlegenden Gedanken machen, da sie weitgehend unab−

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hängig von der darunterliegenden Technologie ist (z.B. dem Betriebssystem und der für Indi−zierung und Bereitstellung der Daten verwendeten Software).Die Hauptaufgabe des SHIMS aus Sicht des Anwenders besteht im Aufsuchen und Bereit−stellen der gewünschten Dokumente. Es arbeitet somit nach einem ähnlichen Prinzip wie diemeisten Internet−Suchmaschinen (z.B. Altavista, Yahoo etc.). Bei diesen haben sich generellzwei Varianten zum Auffinden der gewünschten Informationen durchgesetzt: zum einen dieVolltext−Suche anhand eines oder mehrerer Schlüsselbegriffe, und zum anderen die Eingren−zung des Suchgebiets durch Kategorisierung. Letzteres entspricht eher dem Nachschlagen ineinem Katalog.Die Volltext−Suche kann in den meisten Fällen durch die Verwendung von Booleschen Opera−toren (logische AND−, OR− bzw. NOT−Verknüpfung von Schlüsselbegriffen) und Zusatzbedin−gungen (z.B. Vorgabe eines Zeitrahmens für die letzte Änderung des Dokuments oder derverwendeten Sprache) verfeinert werden. Im Bereich humanitärer Entwicklungszusammenar−beit erscheinen folgende Zusatzbedingungen als sinnvoll:

� Zeitrahmen für die Dokumenterstellung (Anfangsdatum − Enddatum)� Dateiformat des elektronischen Dokuments (DOC, PDF, HTML, Text etc.)� Sprache, in der das Dokument verfügbar ist (Englisch, Spanisch, Französisch etc.)� Organisation, die das Dokument erstellt hat (Caritas Schweiz, SRK etc.) � Zielgruppe (Arbeitslose, Jugendliche, Arme, Kranke, Behinderte, Alleinerziehende etc.)� Projekttyp bzw. Schwerpunkt (Gesundheit / Hygiene, Infrastruktur, Bildung, etc.)� Projektdauer (z.B. <3 Monate, 3−6 Monate, 6−12 Monate, >12 Monate)� Budget (z.B. <1.000 US$, 1.000−10.000 US$, 10.000−100.000 US$, >100.000 US$)

Eine beispielhafte Visualisierung der WWW−Seite für die Suchfunktion ist in Figur 6.3 abge−bildet. Es sei darauf hingewiesen, dass die folgenden Darstellungen lediglich die Funktionalitätder WWW−Benutzeroberfläche verdeutlichen sollen. Sie sind deshalb ohne grossen Aufwandgestaltet worden und bedürfen auf jeden Fall einer gründlichen typografischen und ergonomi−schen Überarbeitung, bevor sie im Rahmen eines Informationssystems tatsächlich zum Einsatzkommen.Die oben genannten Informationen sind alle in den jeweiligen Dokumenten enthalten undmüssen normalerweise wegen deren stark unterschiedlichen Aufbaus von Hand in die Daten−bank eingetragen werden. Derjenigen Person, die für das Herausfiltern dieser Informationenzuständig ist, kann die Aufgabe erleichtert werden, indem eine Art Header−Datei eingeführtwird, in der die oben genannten Daten zum zugehörigen Dokument gesammelt sind. EineAutomatisierung dieses Prozesses lässt sich durch Vorgabe eines festen Formats bzw. derVerwendung fester Schlüsselwörter innerhalb dieser Datei erreichen, was das Herauslesen derentsprechenden Werte mit Hilfe eines Parsers ermöglicht. Der Arbeitsaufwand für den Autordes Dokuments erscheint als eine realistische und zumutbare Lösung. Im Rahmen des Uploadsdes Dokuments auf den WWW−Server bietet sich die Erstellung eines Formulars in HTML(Hypertext Markup Language) für die Abfrage der Metainformationen zum Dokument an. Einsolches Formular ist als Beispiel in Figur 6.4 skizziert.

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Figur 6.3: HTML−Seite zur Datenbank−Suchanfrage.

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Figur 6.4: HTML−Formular zur Erfassung von Dokument−Metainformationen.

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Abschliessend soll noch kurz eine mögliche Startseite (homepage) für den WWW−Servervorgestellt werden (siehe Figur 6.5). Sie orientiert sich weitgehend an dem Modell, das diemeisten Internet−Suchmaschinen verwenden und beinhaltet somit:

� ein Textfeld für die direkte Eingabe einer einfachen Suchanfrage� eine Liste über die verfügbaren Kategorien in der obersten Hierarchiestufe� eine Navigationsleiste für den direkten Zugriff auf die verfügbaren Dienste� eine Liste über die letzten Neuigkeiten in Bezug auf die verfügbaren Dienste

Eine derartige Startseite mit einem Überblick über das Angebot des WWW−Servers wird häufigauch als Portal bezeichnet.

Figur 6.5: Beispiel einer Startseite für ein Projekterfahrungssystem.

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Das Texteingabefeld unterstützt lediglich die Suche im Volltext−Index nach den angegebenenSuchbegriffen. Eine detailliertere Suche kann über den Link "Database Search" und diedamit verbundene Eingabemaske von Figur 6.3 getätigt werden.In der Liste sind jeweils nur die Namen der obersten Kategorien dargestellt, um das Erschei−nungsbild der WWW−Seite möglichst übersichtlich zu halten. Die Unterkategorien können durchAnklicken der jeweiligen Kategorie angezeigt werden. Auf diese Weise lässt sich der Inhalt derSHIMS−Datenbank wie ein Nachschlagewerk durchblättern.Die Navigationsleiste ist nicht nur auf der Portal−Seite vorhanden, sondern auf jeder Seite desWWW−Servers. Sie soll dem Benutzer einerseits eine Orientierung geben, wo er sich geradebefindet, andererseits soll sie ihm auch zeigen, welche anderen Seiten er von diesem Punktaus erreichen kann.Die Liste der Neuigkeiten enthält nur die jeweils letzten 3−5 Einträge, ebenfalls um die Über−sichtlichkeit der Portal−Seite nicht zu beeinträchtigen. Die vollständige Liste aller Neuigkeitensowie das Archiv vergangener Meldungen kann über den Link "News" erreicht werden.Der private Bereich für die Teilnehmerorganisationen wird über eine Passwort−Abfrage erreicht,die sich hinter dem Link "Member Section" verbirgt. Dieser Sicherheitsbereich verfügt prinzi−piell über die gleiche Funktionalität wie der öffentliche Bereich, mit dem einzigen Unterschied,dass hier zusätzlich organisationsinterne Dokumente der Datenbank hinzugefügt und abgerufenwerden können.Unter dem Link "About" könnte man zusätzlich zu den gewöhnlichen Erläuterungen zumWWW−Server (Sinn und Zweck, Kontaktadressen und Erreichbarkeit des Betreibers) einenAbschnitt erstellen, der statistische Informationen über die Datenbank enthält (z.B. wievielDokumente zur Zeit in der Datenbank erfasst sind, wie häufig diese frequentiert wird etc.).

Eine andere Erweiterungsmöglichkeit besteht in der Einrichtung von Foren zu bestimmtenThemen, in denen Anwender dieses Systems und Autoren von Dokumenten die Möglichkeithaben, relevante Aspekte zu diskutieren. Dieser Teil könnte beispielsweise auf dem NetworkNews Internet−Dienst basieren, der heute ebenfalls von den meisten gängigen WWW−Browsern unterstützt wird und auch im Bereich der NGO−Forschung zum Einsatz kommt (z.B.beim Global Disaster Information Network GDIN).

Im allgemeinen ist bei der Implementierung der WWW−Benutzeroberfläche darauf zu achten,dass aus Gründen der Kompatibilität standardkonformer HTML−Code erzeugt wird, damit eineweitgehend einwandfreie Verarbeitung von allen gängigen Browsern gewährleistet ist (siehewww.w3c.org). Ebenso ist es sinnvoll, die Einbindung von Grafiken auf das nötige Minimumzu beschränken, um die Datenmenge möglichst gering und die Zugriffszeiten in einem akzepta−blen Rahmen zu halten.

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7 Zusammenfassung

In den letzten Jahren haben Computer und Informationstechnologie ihren rasanten Einzug indie verschiedenen Wirtschaftssektoren fortgesetzt. Auch vor Nonprofit−Organisationen, undinsbesondere denen, die in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, hatdiese Entwicklung nicht halt gemacht. Es zeigt sich jedoch, dass humanitäre Organisationenaufgrund ihrer Arbeitsfelder und Methoden, der Ausbildungen ihrer Mitarbeiter und ihrerSchwerpunkte für den Einsatz von Ressourcen (wie in Kapitel 3, S. 7ff behandelt) sich in eineranderen Position als profitorientierte Unternehmen befinden und deshalb einen anderen Zugangzu Informationstechnologie haben.Durch die Tendenz rückläufiger finanzieller Mittel aus Spendengeldern und öffentlicher Aufträgebei gleichzeitig steigender Nachfrage in Bezug auf ihre Dienstleistungen sind Hilfsorganisa−tionen gezwungen, ihre internen Arbeitsprozesse zu optimieren, um effizienter und effektiverhandeln zu können. Dies wirkt sich zwangsläufig auf die einzelnen Aktivitäten bei der Entwick−lungszusammenarbeit aus, die meistens in der Form von Projekten durchgeführt werden. DieEigenschaften von humanitären Projekten, und welcher Informationsbedarf sich daraus für dieHilfsorganisationen ergibt, um nach den gängigen Methoden des Projektmanagements arbeitenzu können, wurde in Kapitel 4 (S. 28ff) geschildert.Auf dieser Grundlage wurde der Einsatz von Computern im Rahmen der Durchführung humani−tärer Projekte bei einer Anzahl von international tätigen Hilfsorganisationen untersucht. Mitar−beiter wurden dabei hauptsächlich nach dem Umfang und Erfolg der für das Projektmanage−ment verwendeten Informationssysteme befragt. Dabei wurde deutlich, dass bei vielen Organi−sationen der Grossteil der Aufgaben mit Software für den allgemeinen Bürobedarf (wie Office−Paketen) erledigt wird (vgl. Kapitel 5, S. 45). Der Einsatz von spezialisierten Projektmanage−ment−Informationssystemen, wie man ihn in anderen Wirtschaftsbereichen vorfindet, ist beiHilfsorganisationen weit weniger ausgeprägt. Meist ist es die Verwaltung der finanziellen Mittel,die mit herkömmlichen Buchhaltungsprogrammen unterstützt wird. Bei einer detaillierterenBetrachtung wurde festgestellt, dass es bei den diversen Büros internationaler Hilfsorganisa−tionen der Bedarf differenzierter ist. Die Koordinationsbüros in den Entwicklungsländern beschäftigen sich hauptsächlich mit derPlanung, Koordination und Durchführung von humanitären Projekten und benötigen daher eherSoftware, welche diese Aufgaben unterstützt. Da die meisten dafür vorgesehenen Projektma−nagement−Pakete aus dem Profit−Bereich wegen zu hoher Komplexität und mangelnderAnpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse von Hilfsorganisationen ungeeignet sind, kommen hieroft standardmässig verfügbare Office−Pakete zum Einsatz. Es wurde zwar im Laufe derRecherchen mit TeamUp−PCM ein speziell für den humanitären Bereich entwickeltes Projekt−management−Softwarepaket gefunden, jedoch ist dies nicht in einem solchen Masse verbreitet,dass es als eine Standardlösung bezeichnet werden könnte.In den Industrienationen hingegen haben die Spenderbüros vorwiegend mit der Verwaltung undZuteilung der durch Spenden erhaltenen Mittel zu tun. Dadurch ergeben sich primär Aufgabenim Bereich von Finanzmanagement, Monitoring und Evaluation. Für die Berichterstattung sinddort ebenfalls Office−Pakete die erste Wahl, wohingegen die finanziellen Mittel mit unterschied−lichen Programmen zur Finanzbuchhaltung verwaltet werden (auch hier hat sich offensichtlichkeine Software als Standard etabliert). Aufgefallen ist hierbei ein Programmpaket namensSextANT, das ebenfalls speziell für Hilfsorganisationen entwickelt wurde und neben einerreinen Buchhaltung besonders das Fundraising unterstützt indem es u.a. eine persönlichereBetreuung der Spender ermöglicht.

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Unter den gemachten Beobachtungen wurden schliesslich Ansatzpunkte identifiziert, in deneneine Verbesserung der Situation durch zusätzliche Informationssysteme als möglich und sinn−voll erscheint. Einer dieser Punkte betrifft das in den verfassten Projektberichten und anderenrelevanten Dokumenten enthaltene Organisationswissen (institutional memory). Dieses existiertbei vielen Hilfsorganisationen in Form eines Aktenarchivs und ist somit für die Mitarbeiter nurschwer zugänglich. Da diverse Hilfswerke im Verlauf der Recherchen den Bedarf für einsolches Informationssystem bestätigt hatten, wurde in Kapitel 6 (S. 62ff) ein Lösungsvorschlagfür ein internet−basiertes Projekterfahrungssystem ausgearbeitet. Dieser ermöglicht durch diegemeinsame Nutzung von Ressourcen einerseits eine günstige Aufarbeitung des Organisati−onswissens und andererseits einen Austausch von Projekterfahrungen über Organisations−grenzen hinweg.Sowohl der externe als auch der interne Informationsaustausch − deren Bedeutung in Bezugauf die Effizienz und damit die Überlebensfähigkeit einer Hilfsorganisation verdeutlicht wurde −können durch einen angemessenen Einsatz von Informationssystemen verbessert werden.Zum einen wird der Verwaltungsaufwand verringert und die Produktivität erhöht, da Aufgabenschneller und fehlerfreier erledigt werden können. Zum anderen lässt sich eine höhere Tran−sparenz nach aussen hin, eine erfolgreichere Öffentlichkeitsarbeit und daraus resultierend einhöheres Spendenaufkommen erreichen. Für beide Zwecke stellt das World Wide Web einekostengünstige und effektive Plattform dar. Das Potential dieser Technologie wird von humani−tären Organisationen jedoch noch nicht voll ausgeschöpft.

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Glossar

ADRA Adventist Development and Relief Agency (USA)BMZ Bundesministerium für Zusammenarbeit (D)BRK Bayerisches Rotes Kreuz (D)DANIDA Danish International Development Assistance (DK)DEH Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (CH)DEXS Development Experience SystemDEZA Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (CH)GTZ Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (D)ICRC International Committee of the Red CrossIFRC International Federation of Red Cross and Red Crescent SocietiesIKRK Internationales Komitee des Roten KreuzesISP Internet Service ProviderLAN Local Area NetworkNGO Non Governmental OrganizationNORAD Norwegian Agency for Development Cooperation (N)OCHA Office Commissioner of Humanitarian AffairsOCR Optical Character RecognitionPAHO Pan American Health Organization (USA)PCM Project Cycle ManagementPDF Portable Document FormatPMBOK Project Management Body of KnowledgePMI Project Management Institute (USA)RTF Rich Text FormatSIMS Shared Institutional Memory SystemSRK Schweizerisches Rotes Kreuz (CH)SUMA Supply Management SystemTIFF Tag Image File FormatUNHCR United Nations High Commissioner of RefugeesUSAID United States Agency for International Development (USA)VMI Verbands−Management InstitutWWW World Wide WebZOPP Ziel Orientierte Projekt Planung

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Bibliographie

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[GTZ 2000] GTZ: Jahresbericht 1999, Eschborn 2000,www.gtz.de/home/deutsch/publikat/jahresb/pdf/1999/

[IFRC 2000] IFRC: Strategy 2010, Geneva 2000,www.ifrc.org/publicat/s2010/

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[NPO 1999] Peter Schwarz, Robert Purtschert, Charles Giroud: Das FreiburgerManagement−Modell für Nonprofit−Organisationen, Paul HauptVerlag 1999, ISBN 3−258−06110−6.

[NPO 2000] Reinbert Schauer et al.: Nonprofit−Organisationen im Wandel,Universitätsverlag Rudolf Trauner 2000, ISBN 3−85487−148−1.

[OIG 2000] USAID: Office of Inspector General: Semiannual Report to theCongress 2000/3, Washington, DC 2000,www.dec.org/pdf_docs/SemiAnnualRepCong0003.pdf

[OSTER 1995] Sharon M. Oster: Strategic Management for Nonprofit Organizations:Theory and Cases, Oxford University Press 1995, ISBN 0−19−508503−5.

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[PTS 1998] ADRA: User’s Guide For The Project Tracking System, Silver Springs,MD 1998, network.adra.org

[QUBEIN 1997] Nido R. Qubein: How to Be a Great Communicator − In Person, onPaper, and on the Podium, John Wiley & Sons, Inc. 1997, ISBN 0−471−16314−7.

[ROMAN 1986] Daniel D. Roman: Managing Projects: A Systems Approach, ElsevierScience Publishing Co. 1986, ISBN 0−444−00966−3.

[SRK 1999] Projektteam "Projektmanagement" des SRK: Projektmanagement fürdie Geschäftsstelle SRK, , 1999

[STODDART 1998] Linda Stoddart: Information Requirements for Disaster Management,University of Wales, 1998

[UNHCR 2000] Astri Suhrke et. al.: The Kosovo Refugee Crisis −, Geneva 2000,

[USAID 1997] USAID: USAID Strategic Plan 1997−2007, Washington, DC 1997,www.dec.org/pdf_docs/pnacb990.pdf

[USAID 2000] USAID: 1999 Accountability Report, Washington, DC 2000,www.dec.org/partners/1999_acct_rep.pdf

[WDR 1999] Peter Walker, Jonathan Walter: World Disasters Report 1999, IFRC1999, ISBN 92−9139−053−4.

[WDR 2000] Peter Walker, Jonathan Walter: World Disasters Report 2000, Intl.Fed. of Red Cross and Red Crescent Societies 2000, ISBN 92−9139−066−6.

[ZOPP 1997] Stefan Helming, Michael Göbel: Ziel Orientierte Projekt Planung −ZOPP, Eschborn 1997, www.gtz.de/pcm/deutsch/zopp.htm

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Name: ______________________________________ Matr.Nr.: __________________

Erklärung

Ich erkläre, dass ich die Diplomarbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angege−benen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.

Ulm, den ______________________ ___________________________________

(Unterschrift)

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