Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der...

16
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 Vorwort 12 Entdeckungen ohne Teleskop Die sieben Planeten 18 Wandelnde Sterne Sterne und Sternbilder 22 Unsere Verbindung zur Eiszeit Die Milchstraße 26 Weg der Götter, Seelen und Pilger Die Form der Erde 30 Eine abgeplattete Kugel Die Sternbilder des Südens 36 Die Erdneigung macht verborgene Sterne sichtbar Die Sonne 42 Im Zentrum des Sonnensystems Entdeckungen im Sonnensystem Kometen 50 Katastrophen, Sonnenstreifer und der Damenkomet Die Jupitermonde 54 Galilei zerschmettert die Kristallsphären Die Venusphasen 58 Das kopernikanische Weltbild wird sichtbar Uranus 62 William Herschel entdeckt den ersten neuen Planeten Neptun 66 Ein Planet wird am Schreibtisch entdeckt Asteroiden 70 Überreste des frühen Sonnensystems Pluto 74 Ein eifrig gesuchter Planet, der keiner ist Der Kuipergürtel 78 Die Grenze des Sonnensystems Meteore und Meteoriten 82 Der Himmel stürzt herab! Meteorströme 86 Inmitten der Nacht regnete es Sterne Die Magnetosphäre der Erde 90 Unser Schutzschild gegen die Sonne Kometen 96 Sandbänke oder schmutzige Schneebälle? Erdklima, Jahreszeiten, Wetter 100 Astronoische Zyklen Asteroiden stürzen auf die Erde 104 Barringer, Tilghman und die Erdgeschichte Die Entstehung des Mondes 110 Entstand der Mond aus oder mit der Erde? Merkur 118 Das Große Bombardement Der Treibhauseffekt 122 Erde und Venus Mars 126 Der sterbende Planet Wasser auf Mars und Europa 130 Anzeichen für extraterrestrisches Leben? Vulkane auf Io 136 Eine Zufalls entdeckung Saturn und die Gasriesen 140 Der Herr der Ringe Entdeckungen im dynamischen Universum Helium 146 Das kosmische Element Gravitation 150 Determinismus und Chaos Relativitätstheorie 154 Das Wesen von Raum und Zeit Radiowellen 158 Ein neues Fenster ins All Röntgenstrahlen aus dem All 162 Das energetische Universum Veränderliche Sterne 166 Die Entdeckung von Sternsystemen Inhalt

Transcript of Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der...

Page 1: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

Nichts beweist mir die Einheit der Gottheit so überzeugend wie diese

rein geistigen Konzepte der mathemati-schen Wissenschaft, die dem Menschen nach und nach zuteil wurden. Mary Somerville

Der aufregendste Satz, der in der Wissenschaft zu

hören ist, der Satz, der neue Entdeckungen ankündigt, ist nicht »Heureka«, sondern »Das ist ja seltsam …« Isaac Asimov

In Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von

tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik eines Einzelnen.Galileo Galilei

Aus diesem winzigen Globus wage ich mich hinaus. In

die Weiten jenseits der Grenzen der sternenübersäten Nacht. Und lasse hinter mir, was andere in der Ferne zu sehen hoffen. Giordano Bruno

Vorwort 12

Entdeckungen ohne Teleskop

Die sieben Planeten 18 Wandelnde Sterne

Sterne und Sternbilder 22 Unsere Verbindung zur Eiszeit

Die Milchstraße 26 Weg der Götter, Seelen und Pilger

Die Form der Erde 30 Eine abgeplattete Kugel

Die Sternbilder des Südens 36 Die Erdneigung macht verborgene Sterne sichtbar

Die Sonne 42 Im Zentrum des Sonnensystems

Entdeckungen im Sonnensystem

Kometen 50 Katastrophen, Sonnenstreifer und der Damenkomet

Die Jupitermonde 54 Galilei zerschmettert die Kristallsphären

Die Venusphasen 58 Das kopernikanische Weltbild wird sichtbar

Uranus 62 William Herschel entdeckt den ersten neuen Planeten

Neptun 66 Ein Planet wird am Schreibtisch entdeckt

Asteroiden 70 Überreste des frühen Sonnensystems

Pluto 74 Ein eifrig gesuchter Planet, der keiner ist

Der Kuipergürtel 78 Die Grenze des Sonnensystems

Meteore und Meteoriten 82 Der Himmel stürzt herab!

Meteorströme 86 Inmitten der Nacht regnete es Sterne

Die Magnetosphäre der Erde 90 Unser Schutzschild gegen die Sonne

Kometen 96 Sandbänke oder schmutzige Schneebälle?

Erdklima, Jahreszeiten, Wetter 100 Astronoische Zyklen

Asteroiden stürzen auf die Erde 104 Barringer, Tilghman und die Erdgeschichte

Die Entstehung des Mondes 110 Entstand der Mond aus oder mit der Erde?

Merkur 118 Das Große Bombardement

Der Treibhauseffekt 122 Erde und Venus

Mars 126 Der sterbende Planet

Wasser auf Mars und Europa 130 Anzeichen für extraterrestrisches Leben?

Vulkane auf Io 136 Eine Zufalls entdeckung

Saturn und die Gasriesen 140 Der Herr der Ringe

Entdeckungen im dynamischen Universum

Helium 146 Das kosmische Element

Gravitation 150 Determinismus und Chaos

Relativitätstheorie 154 Das Wesen von Raum und Zeit

Radiowellen 158 Ein neues Fenster ins All

Röntgenstrahlen aus dem All 162 Das energetische Universum

Veränderliche Sterne 166 Die Entdeckung von Sternsystemen

Inhalt

Die großen Entdeckungen

Ich glaube fest an den unbegrenzten Einfallsreichtum der Natur, der die

kühnste Phantasie des Menschen so oft weit hinter sich lässt. Bruno Rossi

D-10_Timeline_Univers_deutsch.indd 1D-10_Timeline_Univers_deutsch.indd 1 10.06.09 18:4910.06.09 18:49

Page 2: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

61

62

63

64

65

Entdeckungen im Universum und seinen Galaxien

Wasserstoff 252 Das häufigste Element des Universums

Galaxien 256 Ellipsoide, Spiralen und Zusammenschlüsse

Magellanische Wolken 262 Unsere Nachbargalaxien

Quasare 266 Aktive Galaxien

Supermassive Schwarze Löcher 272 Monster im Zentrum von Galaxien

Das Schwarze Loch in der Milchstraße 276 Ein schlafendes Monster

Gammastrahlenausbrüche 280 Die größten Explosionen seit dem Urknall

Die Evolution des Universums 284 Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Die kosmische Hintergrundstrahlung 288 Der Nachhall des Urknalls

Die Dunkelheit der Nacht 292 Fehlende Galaxien

Zukünftige Entdeckungen

Dunkle Materie 298 Ein finsteres Geheimnis

Dunkle Energie 302 An der Schwelle einer bahnbrechenden Entdeckung

Gravitationswellen 306 Das Geflüster von Neutronensternen

Leben im Universum 310 Sind wir allein?

Glossar 318 Literatur 326 Danksagung des Autors 330 Bildnachweis 331 Register 334

Sirius B und Weiße Zwerge 170 Die Entdeckung stellarer Asche

Neutronensterne und Pulsare 174 Leuchttürme im Kosmos

Schwarze Löcher 178 Eine Lösung sucht ihr Problem

Entdeckungen in unserer Galaxis

Entfernungen von Sternen 184 Ein Leuchten aus der Vergangenheit

Die Erforschung der Galaxis 188 Eine Sterneninsel im All

Interstellare Nebel 192 Sterne, Moleküle, Staub und Gas

Sternhaufen 196 Aufgelöste Nebel

Supernovae 200 Sternstaub, aus dem wir gemacht sind

Supernova 1987A 206 Flüstern und Leuchten

Cepheiden 210 Herzschlag von Sternen – Maß des Universums

Exoplaneten 214 Andere Welten

Die Energie der Sonne 220 Die Entdeckung der Kernfusion

Die Entstehung der Elemente 224

Der Stoff, aus dem die Sterne sind

Das Innere der Sonne 228 Geflüster und Glockenklang

Der Krebsnebel 234 Ein Supernovarelikt

Planetarische Nebel 238 Ein Blick ins Verborgene

Entstehung der Sterne und Planeten 244 Der Sonnennebel und die Prolyden

Interstellarer Staub 248 Vorhänge aus Diamanten und Graphit

D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:11D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:11 10.06.09 18:4710.06.09 18:47

Page 3: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

Vorwort

Astronomische Entdeckungen sind eine Herausforde-

rung für unsere Grundvorstellungen über das Univer-

sum. Sie modifi zieren unsere Begriffe von Materie, Zeit

und Raum, verändern unsere Sicht der Geschichte und

der Zukunft des Menschen. Sprachen die Astronomen

der Antike noch von Fixsternen, so sprechen wir von

wirbelnden Galaxien, vom Tod und von der Geburt von

Sternen in Supernovae. Galt einst die Erde als Mittel-

punkt des Universums, so ist sie für uns Heutige ein

kleiner Planet unter Millionen von Sonnensystemen,

von denen einige wenige Leben hervorgebracht haben

könnten. Diese radikal neuen Sehweisen verdanken sich

tausenden von Sternstunden der Forschung, in denen

ein Wissenschaftler erkannte, dass ein Baustein des

Universums – ein winziges Teilchen oder eine riesige

Masse – anders ist, als man zuvor gedacht hatte. In

jeder dieser Sternstunden wurde eines der unzähligen

Geheimnisse des Universums gelüftet.

Das Anglo-Australische Observatorium liegt in Neusüd-

wales in den Warrumbungle-Bergen am Rande des Natio-

nalparks, hinter dem sich die weiten Ebenen des Outback

nach Westen erstrecken. Davor erheben sich Vulkane,

Rücken und Kegel mit pittoresken Namen wie Brotmesser,

Belougery-Spitze oder Kraterkliff. Die mit Eukalyptusbäu-

men bewachsenen Hänge bieten Kängurus, Koalas und

bunten Vögeln Lebensraum. Die Anlage liegt in einer vor

Lichtverschmutzung geschützten Zone, am Nachthimmel

glitzert eine Unzahl von Sternen, vor allem im Winter, wenn

sich im Zenit das Zentrum der Milchstraße wölbt.

1975 hatte ich das Glück, im ersten Team des Observato-

riums mitzuarbeiten. Sein Vier-Meter-Teleskop war damals

das größte der Südhalbkugel. Es entsprach sehr speziellen

Anforderungen, und seine hochempfi ndlichen, computer-

gesteuerten elektronischen Detektoren entsprachen dem

neuesten Stand der Technik. Wohin man es auch richtete, es

ermöglichte eine astronomische Entdeckung.

In den folgenden drei Jahren verbrachte ich etwa 150

Nächte am Teleskop. Mitarbeiter, die in Großbritannien

geblieben waren, und Kollegen in aller Welt übersandten

mir Vorschläge für meine Forschungstätigkeit. In dieser Zeit

arbeitete ich an etwa 150 Veröffentlichungen mit, deren

jede die jeweils aktuellste Entdeckung behandelte.

An eine meiner Entdeckungen erinnere ich mich beson-

ders gut. Ich hatte mich die ganze Nacht über mit der Iden-

tifi zierung einer Röntgenquelle beschäftigt, d. h. ich hatte

versucht, den Stern zu fi nden, der die von einem Satelliten

registrierte Röntgenstrahlung aussandte. Nach zwölfstün-

diger Suche fand ich ihn: Es handelte sich um den Überrest

einer Supernova, die vor etwa 3000 Jahren explodiert war.

Seine Entfernung schätzte ich auf etwa 2000 Lichtjahre.

Bei Tagesanbruch half ich, das Teleskop abzustellen, dann

machte ich mich auf den Weg zur Wohneinheit, um zu Bett

zu gehen. Im goldenen Licht der aufgehenden Sonne been-

deten Kängurus und Wallabys ihre nächtliche Mahlzeit,

Kookaburras begrüßten den Morgen mit irrem Gelächter,

auf den Gummibäumen waren die Currawongs erwacht und

ließen ihr melodiöses Trällern ertönen. Ich war müde, aber

es war ein herrlicher Morgen, und niemand wusste über

diesen Stern, was ich wusste.

12

D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:12D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:12 10.06.09 18:4710.06.09 18:47

Page 4: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

Unterwegs schoss mir ein aufregender Gedanke durch

den Kopf. Das von der Supernova ausgesandte Licht war nur

für Beobachter sichtbar, die sich in einem kugelförmigen

Raum mit einem Radius von 5000 Lichtjahren befanden.

Außerhalb davon existierte es noch nicht. 5000 Lichtjahre

– das klingt nach einer riesigen Entfernung, im Vergleich

zu den Dimensionen unserer Galaxis ist es aber wenig, und

in dem beschriebenen Raum ist nur einen Bruchteil ihrer

Sterne enthalten. Gibt es in dieser Kugel nur einen einzigen

bewohnten Planeten mit einer astronomisch interessierte-

nen Zivilisation, nämlich den unseren, so war ich nicht nur

der einzige Mensch der Erde, der über den Stern Bescheid

wusste, sondern der einzige der Galaxis oder sogar des Uni-

versums. Beglückt legte ich mich mit meinem Geheimnis zur

Ruhe und schlief tief und fest.

Es freute mich, bei den Recherchen für dieses Buch zu

erfahren, dass andere nach einer Entdeckung das gleiche

Hochgefühl empfanden. Henry Norris Russell erinnerte

sich an die Freude, zu den Privilegierten zu zählen, die in ein

Geheimnis eingeweiht waren: »In diesem Moment waren

Pickering, Mrs. Fleming und ich die Einzigen auf der Welt, die

von Weißen Zwergen wussten« (34). Einsteins Zweifel über

seine Allgemeine Relativitätstheorie waren beseitigt, als er

die Ursache einer Veränderung der Merkurbahn entdeckte

und »vor Freude völlig aus dem Häuschen« war (30). William

Crabtree stand 1639 bei der Beobachtung des Venustransits

»eine Weile regungslos da und traute vor Freude kaum sei-

nen Sinnen« (06).

Meine Entdeckungen entsprachen den in der Astrono-

mie üblichen kleinen Schritten, über die alljährlich mehr als

50 000 Seiten publiziert werden. In diesem Buch hingegen

geht es um wissenschaftliche Großtaten, um die Aufde-

ckung der großen Geheimnisse des Universums. Daran

waren interessante Menschen beteiligt, deren Geschichten

zeigen, wie die Astronomie als Wissenschaft funktioniert.

Wissenschaft ist ein zyklischer Prozess, der zwischen

der Realität (Beobachtung, Experiment) und ihrem Bild im

Kopf des Wissenschaftlers (Theorie) hin und her schwingt.

Eine wissenschaftliche Entdeckung kann sich als konkreter

Beweis in der realen Welt äußern (als Laborversuch oder

kosmische Entdeckung) oder als Vorstellung im Kopf eines

Menschen, die allgemein als Illustration einer realen Gege-

benheit akzeptiert wird. Galilei konnte Berge auf dem Mond

ausmachen, Kopernikus erkannte, dass die Sonne Mittel-

punkt des Sonnensystems ist. Beides waren Entdeckungen,

die eine glückte durch Beobachtung, die andere war Theorie.

Für den Normalbürger hat der Begriff »Theorie« oft einen

negativen Beigeschmack, auf »eine bloße Theorie« kann

man sich nicht verlassen. Für den Wissenschaftler kann er

etwas bezeichnen, das ebenso fest ist wie der Stuhl, auf dem

er sitzt, und eindeutig als Entdeckung zu werten ist. Eine

Theorie stellt einen bis dahin nicht erkannten Zusammen-

hang zwischen Phänomenen her, der so klar formuliert ist,

dass alle davon überzeugt sind. Sie kann auch ein Phänomen

vorhersagen, das noch niemand gesehen hat, das sich aber

nach entsprechender Suche als existent erweist.

Manche astronomische Entdeckungen sind ein glück-

licher Zufall, sie verdanken sich dem rechten Mann am

rechten Ort zur rechten Zeit. Tycho Brahe war nach einem

Abendessen auf dem Heimweg, als eine Supernova am Him-

13

D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:13D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:13 10.06.09 18:4710.06.09 18:47

Page 5: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

mel erschien (41). 400 Jahre später richtete Ian Shelton sein

Teleskop zufällig auf die Position der Supernova 1978A (42).

Entscheidend war, dass beiden bewusst wurde, was sie da

sahen. Andere Entdeckungen sind unerwartete Nebenpro-

dukte von Projekten mit ganz anderer Zielsetzung. Gursky

und Giacconi hatten eine Rakete gestartet, die den Mond

untersuchen sollte. Die von ihrem Detektor aufgespürte

Röntgenquelle lag jedoch hinter dem Mond (32). Jocelyn Bell

entdeckte bei der Beobachtung von Quasaren als Quelle

eines »Geräuschs« mehrere Pulsare (35). In beiden Fällen

bewiesen die Wissenschaftler große Beharrlichkeit bei ihrer

Suche nach der Ursache der »merkwürdigen Erscheinung«.

Im Begriff »Entdeckung« schwingt »Überraschung« mit,

aber viele davon wurden erst durch technische Fortschritte

möglich. Galilei lernte zuerst, wie man ein Fernrohr baut,

ehe er ein solches auf den Himmel richtete. Was er entdeckte

– die Jupitermonde (08), die Venusphasen (09) und die Stern-

haufen (40) –, bestätigte, dass die Sonne und nicht die Erde

den Mittelpunkt des Sonnensystems bildet, dass die Erde im

Universum keine Sonderstellung hat und nur ein Teil davon

ist. Wilhelm Herschel baute Teleskope, die das Fenster zum

Universum langsam öffneten (10, 38), das Hubble-Teleskop

schlug die Tore auf. Im 20. Jahrhundert ermöglichten uns

Radioastronomie (31), Röntgenastronomie (32) und Infra-

rotastronomie (53), optisch nicht sichtbare Objekte wahrzu-

nehmen. In der Radioastronomie ermöglichte Martin Ryles

Technik der Interferometrie und der Synthetischen Apertur

die Erforschung von Radiogalaxien, wobei sich zeigte, dass

das Universum einen eigenständigen Beginn hatte (59). Ein

völlig neues Bild des Universums werden uns hochempfi nd-

liche Gravitationswellendetektoren bescheren (64). Seit

1957 hat die Möglichkeit, Teleskope in entfernte Regionen

des Sonnensystems zu transportieren, neue Perspektiven

der Planetenbeobachtung eröffnet.

Entdeckungen mit neuen Geräten können unerwartet

kommen, sind aber in gewisser Weise geplant, da die Geräte

hergestellt und eingesetzt werden müssen. Man muss die

richtige Idee haben, die nötigen Mittel zusammenbringen

und die Geräte für einen bestimmten Zweck einsetzen. Wil-

helm Herschel baute ein neues Teleskop und durchmusterte

damit den Himmel. Er fand den Planeten Uranus (10), seine

Schwester Caroline entdeckte ihren Kometen mit derselben

Methode (07). Heute müssen die Geräte gekauft werden,

was hohe Kosten verursacht. Der Astronom muss einen

detaillierten Antrag auf Finanzierung stellen und darle-

gen, was mit dem teuren Teleskop oder Satelliten entdeckt

werden soll. Sagt er einfach die Wahrheit, nämlich dass das

Universum eine Fülle faszinierender Dinge bietet und jeder

technische Fortschritt eine interessante Neuentdeckung

ermöglicht, so wird der Antrag abgelehnt. Wer ernst genom-

men werden will, muss zumindest einen Rahmen für seine

Entdeckungen abstecken.

Es kommt natürlich vor, dass Wissenschaftler von Haus

aus nach einer ganz spezifi schen Erscheinung suchen.

Urbain Le Verrier entdeckte den Planeten Neptun »am Ende

seines Bleistifts« und »bestimmte ihn allein durch Berech-

nungen« (11). Barringer war besessen von der Idee, der Coon-

Butte-Krater in Arizona sei durch einen Meteoriteneinschlag

entstanden, wobei ihn die Hoffnung befl ügelte, eine gewinn-

bringende Eisen- und Nickelmasse zu fi nden (20). Chandra-

sekhar berechnete auf einer Schiffsreise zum Zeitvertreib die

Struktur von Weißen Zwergen (34) und entdeckte die Ursa-

che Schwarzer Löcher. Raymond Davis suchte mehr als zehn

Jahre nach Neutrinos aus dem Sonneninneren (47). Seine

Entdeckung führte zur Entwicklung eines neuen Bereichs

der Physik, was ihm den Nobelpreis einbrachte.

Die Computermodellierung hat auf bereits bekannte

Phänomene ein neues Licht geworfen und überraschende

14

D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:14D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:14 10.06.09 18:4710.06.09 18:47

Page 6: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

Vorwort

Erkenntnisse ermöglicht. Alle Welt kennt den Satz »Wo

man Mist hineintut, kann auch nur Mist herauskommen«;

genauso könnte man sagen: »Gib eine bekannte Wahrheit

ein, dann kommt eine bekannte Wahrheit heraus.« Bei gro-

ßen Datenmengen oder komplexen Berechnungen können

Computer jedoch unerwartete oder bis dahin unbemerkte

Merkmale des realen Universums aufzeigen. Computer-

simulationen der Wechselwirkungen von Asteroiden und

Kometen führten zu unserem heutigen Verständnis der

Oortwolke und des Kuipergürtels (14). Für Satelliten ist

es schwierig, die Magnetosphäre der Erde zu erforschen

(17). Sie ist derart groß, dass sie nur Teile davon absuchen

können – gleich der Fabel, nach der ein Mensch nur Füße,

Stoßzähne, Schwanz und Rüssel des Elefanten erkennt, sich

aber nicht das vollständige Tier vorstellen kann. Computer

hingegen können aus Fragmenten ein Gesamtbild erstellen.

Das Universum lässt sich schwer untersuchen, weil man es

nicht mit anderen vergleichen oder in Kontrast setzen kann,

aber die Millennium-Simulation modelliert Welten mit einer

anderen Struktur, sodass man abschätzen kann, wie viel

Dunkle Materie und Dunkle Energie in unserem Universum

vorhanden sind (62, 63).

1854 bemerkte Louis Pasteur bei einer Vorlesung in Lille:

»Auf dem Gebiet der Beobachtung begünstigt das Glück nur

den vorbereiteten Geist«. In der Astronomie gilt das für den

multidisziplinären Geist. Astronomie ist die Untersuchung

von allem, was im Raum existiert. Physik, Mathematik, Che-

mie, Computeranwendung, Gerätekonstruktion, Statistik –

all diese Wissenschaften und mehr werden von Astronomen

eingesetzt, um das Gesehene zu verstehen und kosmische

Geheimnisse aufzudecken.

Einige der bedeutendsten Entdeckungen verdanken

sich Forschungen, die viele Wissenschaftler über mehrere

Generationen durchführten, meist fi ndet sich jedoch ein

15

großer Geist, der alles verbindet. Die Gesetze der Planeten-

bewegung beschäftigten eine Schar genialer Denker, lange

bevor der sprichwörtliche Apfel Newton dazu verhalf, die

universelle Schwerkraft zu entdecken (29). »Wenn mein

Blick weiter reichte«, schrieb er, »so deshalb, weil ich auf den

Schultern von Giganten stand.«

Die Entdeckung des Treibhauseffekts in der Atmosphäre

von Venus und Erde (23) erforderte 150 Jahre und verdankt

sich dutzenden Wissenschaftlern und nicht einer Einzel-

person. Inzwischen hat man erkannt, dass vom Verständnis

dieses Problems das Überleben der Menschheit abhängen

könnte. Die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie

(30) hingegen ist das Werk eines Individuums, Albert Ein-

steins, der daran nur einige Jahre arbeitete.

Science-Fiction-Autoren wie Isaac Asimov beschrieben

als wichtigstes Merkmal einer wissenschaftlichen Entde-

ckung die Aufgeschlossenheit und Neugier des Forschen-

den: »Der aufregendste Satz, der in der Wissenschaft zu

hören ist, der Satz, der neue Entdeckungen ankündigt, ist

nicht ›Heureka‹, sondern ›Das ist ja seltsam …‹«. Ich versuche

in diesem Buch zu schildern, was einigen der großen astrono-

mischen Entdeckungen zugrunde liegt, den Ablauf der Ereig-

nisse und die Entwicklung der Ideen, die Wissenschaftler

dazu brachten, »Heureka« oder »Das ist ja seltsam« zu rufen.

Deshalb geht es zumeist um Wissenschaftsgeschichte – um

meine Hitliste kosmischer Entdeckungen. Es geht aber auch

um Ausblicke auf zukünftige Forschungsarbeit – über Dunkle

Materie (62), Dunkle Energie (63), Gravitationswellen (64)

und außerirdisches Leben (65) – wobei es natürlich sein kann,

dass wir nicht fi nden, was wir erwarten. Diesen Geheimnis-

sen auf den Grund zu gehen wird die Herausforderung für die

nächste Generation von Astronomen sein. Mit ihnen teile ich

die Hoffnung, dass ihre Aufdeckung bald gelingt.

Paul Murdin

D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:15D-00_Frontpage_Unviers_deutsch.indd Sec1:15 10.06.09 18:4710.06.09 18:47

Page 7: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

Das Innere der SonneGefl üster und Glockenklang

47.

Ein direkter Blick ins Sonneninnere ist uns zwar verwehrt,

aber dank raffi nierter Techniken wissen wir, was darin vorgeht.

Zunächst gelang es, Neutrinos einzufangen, winzige in der

Sonne erzeugte Teilchen. Dazu wurden große Mengen eines

Trockenreinigungsmittels in einer Goldmine gelagert. Analysen

von Sonnenbeben gaben Aufschluss über die Struktur der Sonne

und zeigten, dass sie wie eine gigantische Glocke tönt.

1

D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:228D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:228 10.06.09 18:5610.06.09 18:56

Page 8: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

Chapter

Astronomen, die die Vorgänge im Inneren der Sonne verste-

hen wollten, waren mit einem Problem konfrontiert: Durch

die Opazität der Sonne ist keiner dieser Vorgänge sichtbar.

Durch direkte Beobachtung konnten nur Oberfl ächenmerk-

male und allgemeine Kennwerte wie Durchmesser und

abgestrahlte Energiemenge bestimmt werden. Dass man

heute auch die Abläufe im Sonneninneren kennt, verdankt

sich drei Gebieten der astronomischen Forschung. Komplexe

mathematische Berechnungen ergaben ein theoretisches

Modell des Sonneninneren. Verifi ziert wurde dieses Modell

durch die nach enormen Anstrengungen geglückte Detek-

tion einer winzigen Anzahl von der Sonne erzeugter Neutri-

nos und später durch die Messung der von den Bewegungen

im Sonneninneren erzeugten Schallwellen.

Unser Verständnis der Vorgänge im Sonneninneren ist das

Ergebnis einer Glanzleistung der modernen Mathematik. Die

physikalischen Bedingungen im Sonneninneren waren den

Astronomen schon in den 1920er-Jahren durch Berechnun-

gen bekannt, in den 1930er-Jahren zeigte sich, dass die Son-

nenenergie durch Kernreaktionen erzeugt wird (45). Nach

1950 begann man durch vergleichende Beobachtung von

1 Sonnenprotuberanzen (rot) sind am leichtesten zu beobachten, da sie

über den Rand der granulierten Sonnenoberfl äche hinausragen.

2 SOHO-Aufnahme Auf über Sonnenfl ecken gewölbten Magnetfeldern

bewegen sich gigantische Sonnenprotuberanzen. Die Felder werden durch

unterschiedlich rotierende innere Schichten erzeugt.

3 Sonnenaktivität Bilder des Satelliten SOHO zeigen die Turbulenzen

der Sonnenoberfl äche, die durch aufgewölbte Schleifen verbundenen

Sonnenfl ecken und die Magnetschlieren der Sonnenatmosphäre.

2

3

Das Innere der Sonne 229

Sternhaufen die Entwicklung der Sterne zu verstehen (40). Die

zunehmende Genauigkeit der Berechnungen und die Tatsache,

dass ihre Ergebnisse mit den Beobachtungen übereinstimmten,

verstärkten das Vertrauen der Astronomen in ihr theoretisches

Wissen über das Sonneninnere. Physiker betrachteten die Sonne

als sprudelnde Neutrinoquelle. Neutrinos sind winzige Teilchen,

deren Existenz der aus Wien stammende Schweizer Physiker

Wolfgang Pauli bereits 1930 angenommen hatte, um bestimmte

Vorgänge bei Kernreaktionen zu erklären. Experimentell wurden

sie erstmals 1956 nachgewiesen.

Neutrinos entstehen bei Kernreaktionen im Sonneninneren.

Sie transportieren kleine Energiemengen. Die Zahl der aus der

D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:229D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:229 10.06.09 18:5610.06.09 18:56

Page 9: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

Neutrino

Zwei Protonen

vereinigen sich

Eines davon wird

durch Emission

eines Neutrinos und

eines Positrons zum

Neutron.

Ein weiteres

Proton stößt

hinzu, wodurch ein

Heliumkern aus zwei

Protonen und einem

Neutron entsteht.

Zwei ähnliche

Heliumkerne

kollidieren, wobei

zwei Protonen

ausgestoßen

werden, sodass ein

Heliumkern aus

zwei Protonen und

zwei Neutronen

zurückbleibt.

Positron

4

Entdeckungen in unserer Galaxie230

4 Proton-Proton-Kette Das Diagramm zeigt die Entstehung von Neutrinos

bei Kernreaktionen im Sonneninneren. Als Endergebnis dieser Kette ist, aus

vier Protonen (orange) ein Heliumkern entstanden. Bei jedem Schritt wird

Energie freigesetzt, beim ersten ein Teil davon in Form eines Neutrinos.

Wenn dieses Neutrino auf der Erde eingefangen wird, stellt es einen

direkten Beweis für eine solare Kernreaktion dar.

5 Raymond Davis Jr. beim Baden über dem in der Homestake Mine

installierten Chemie-Tank (1971). Nahezu 1,5 Millionen Liter Wasser

schirmten den Detektor gegen Hintergrundstrahlung ab. In der Bruthitze,

die die Wissenschaftler in ihren 12-Stunden-Schichten im Bergwerk

ertragen mussten, boten sie eine willkommene Abkühlung.

Sonne entweichenden Neutrinos ist enorm – pro Sekunde

durchqueren etwa 10 Milliarden davon jeden Quadratzen-

timeter der Erde. Diese Fluten können 10 Billionen Kilometer

(ein Lichtjahr) Materie durchdringen, ohne mit ihr zu inter-

agieren. Da sie mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind,

erreichen sie die Erde nach acht Minuten. Einige wenige die-

ser Sonnenneutrinos lassen sich trotz ihrer Geschwindigkeit

und Unfassbarkeit mit Detektoren einfangen.

Der erste Neutrinodetektor wurde von Raymond Davis

Jr. vom Brookhaven National Laboratory gebaut. Er stützte

sich auf technische Vorschläge des berüchtigten, aus Italien

stammenden Physikers Bruno Pontecorvo und des US-

Physikers Luis Alvarez. Drei amerikanische Astrophysiker –

William Fowler, Alastair Cameron und John Bahcall – hatten

die Möglichkeit postuliert, Neutrinos einzufangen. Aufgrund

der riesigen Menge musste es gelingen, wenigstens einiger

davon habhaft zu werden. Abgeschirmt gegen die kosmische

Strahlung installierte Davis in den Tiefen der Homestake-

Goldmine in Lead, Süddakota, einen Tank mit 615 Tonnen

Tetrachlormethan, einem sonst für Trockenreinigung ver-

wendeten Lösungsmittel. Die Chloratome fi ngen einige

solare Neutrinos ein, wodurch Argonatome entstanden.

Diese wurden alle zwei Monate aus dem Tank ausgewaschen

und gezählt.

Schätzungen zufolge ging man von nicht mehr als 17 Argo-

natome pro Extraktio aus. Nach dem ersten, sechs Monate

dauernden Versuch musste man 1968 feststellen, dass es

sogar noch weniger waren. Als Davis das Experiment mit

einer verbesserten Anlage wiederholte, kam die Frage nach

den fehlenden Neutrinos auf, das so genannte »Sonnenneu-

trino-Rätsel«. 1989 bestätigte der japanische Astrophysiker

Masatoshi Koshiba mittels seines selbstgebauten Neutri-

nodetektors Kamiokande, dass Davis solare Neutrinos ent-

deckt hatte. Anders als Davis’ Tank in der Goldmine konnte

Kamiokande erkennen, woher die Neutrinos stammten: Kos-

hiba konnte nachweisen, dass die Neutrinos tatsächlich von

der Sonne kamen und große Mengen davon fehlten.

Einige Physiker dachten zunächst, die Diskrepanz zwi-

schen der Theorie und den von Davis erzielten Resultaten

sei auf Fehler bei den Berechnungen der Astronomen über

das Sonneninnere zurückzuführen. Sie beruhten auf ihrem

Wissen über Dichte, Zusammensetzung und Temperatur des

Sonneninneren – Parameter, die sie eben nicht genau kann-

ten. Die Astronomen wiesen diese Erklärung zurück, unter

anderem, weil sie eine Methode gefunden hatten, ins Son-

neninnere zu blicken, ihre Theorien über seine Struktur zu

D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:230D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:230 10.06.09 18:5610.06.09 18:56

Page 10: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

5

6

5

7

Das Innere der Sonne

6 Sonnenneutrinos (außerhalb der Abbildung oben links) dringen in

die Atmosphäre ein. Die meisten rasen durch die Erde hindurch in den

Weltraum. Im Neutrinodetektor Kamiokande interagieren einige mit

Wasser und erzeugen ein »Tscherenkow-Licht«. Der Lichtblitz wird von

einigen der 1000 Photovervielfacher an den Wänden des Wassertanks

aufgezeichnet, sodass Energie und Richtung der eintreffenden Neutrinos

gemessen werden.

7 Computergenerierte Darstellung der Sonne Sie zeigt eine sich im

Sonneninneren ausbreitende Schallwelle. In den roten und blauen Zonen

hebt und senkt sich die Sonnenoberfl äche. Jede dieser Schwankungen

dauert 340,613 Sekunden (etwas mehr als 5 Minuten). Sie ermöglicht eine

erstaunlich genaue Messung der Geschwindigkeiten, mit der Schall die

Sonne durchquert.

überprüfen und das Rätsel der fehlenden Neutrinos zu lösen.

Es war die »Helioseismologie«. Dieser Begriff kennzeichnet

die Erforschung der Oszillationen des Sonnenkörpers, die an

die von Seismologen untersuchten Erdbeben erinnern. Im

Chaos der sich in ihrem Inneren bewegenden heißen Materie

erzeugt die Sonne Schallwellen, die sich im Sonnenkörper

ausbreiten und die Oberfl äche vibrieren lassen. Die Sonne

gleicht einer ruhig tönenden Glocke, die durch einen Sand-

körnerregen zum Klingen gebracht wird.

Die Oszillation der Sonnenoberfl äche wurde 1960 von dem

Physiker Robert Leighton entdeckt. Er bestimmte ihre Peri-

ode auf etwa fünf Minuten. In den 1970er-Jahren erklärte der

Physiker Roger Ulrich von der Universität Kalifornien LA, dass

Dauer, Frequenz und Klang dieser Oszillationen Schlüsse auf

die Zusammensetzung des Sonneninneren ermöglichten.

Ulrich wies darauf hin, dass die Frequenzen der Sonnentöne

D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:231D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:231 10.06.09 18:5610.06.09 18:56

Page 11: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

232

8

Entdeckungen in unserer Galaxie

Korona

Photosphäre

Konvektionszone

Strahlungszone

Kern

Bogenprotuberanz

9

D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:232D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:232 10.06.09 18:5610.06.09 18:56

Page 12: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

233

10

8 Sonnenoberfläche Die Außenschicht der Sonne ist opak, es gelang aber,

die von ihr abgestrahlte Wärme in Relation zu ihrer Größe zu interpretieren

und daraus Rückschlüsse auf ihr Innenleben zu ziehen.

9 Sonneninneres Die Abbildung zeigt den Sonnenkern und die ihn

umgebenden Schichten einschließlich der Oberfl äche (Photosphäre)

und der Atmosphäre (Korona).

10 Magnetsturm Die durch die Reibung zwischen den inneren Schichten

erzeugten Magnetfelder durchbrechen explosionsartig die Oberfl äche,

drängen die Gase zur Seite und transportieren Oberfl ächenmaterie in die

Sonnenatmosphäre.

von der Zeit abhingen, die der Schall braucht, um die Sonne

zu durchqueren. Diese wiederum hängt von Zusammenset-

zung, Temperatur und Dichtestruktur des Sonneninneren ab.

Die Schallwellen transportieren somit Informationen über

das Sonneninnere zur Oberfl äche, wo sie beobachtet werden

können, so wie Bodenbewegungen bei Erdbeben Aufschluss

über den Aufbau der Erde geben.

Erdgestützte Teleskope unterliegen einer wesentlichen

Einschränkung: Nach ihrem abendlichen Untergang ist die

Sonne für sie nicht mehr greifbar. Also vernetzte man die

Sonnenteleskope weltweit, um die Frequenzen der solaren

Oszillationen genauer messen zu können. Aber selbst Tele-

skopnetze mit Namen wie GONG (Global Oscillation Net-

work Group of the US National Solar Observatory), BiSON

(Birmingham Solar Oscillations Network) oder HiDHN (High

Degree Helioseismology Network) wurden bei ihren Beob-

achtungen durch Wolken gestört. Der Satellit SOHO (Solar

and Heliospheric Observatory), ein Gemeinschaftsprojekt

von ESA und NASA, unterliegt hingegen keinerlei Beeinträch-

tigungen. Seit seinem Start 1995 hat er den Blick unablässig

auf die Sonne gerichtet. Durch seine umfassenden Beobach-

tungen lieferte SOHO neue Daten über die Temperaturen im

Sonneninneren und die differenzielle Rotation. Das Innere

der Sonne rotiert langsamer als ihre äußere Hülle, wodurch

eine heiße Schicht entsteht, die letztlich die Ursache der

Flecken und Protuberanzen auf der Oberfl äche ist. SOHO

lieferte auch den Beweis dafür, dass die Berechnungen der

Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Tiefen des Sonnen-

kerns zu 99,9 % genau waren. Damit zeigte sich, dass Davis’

fehlende Neutrinos nicht auf eine falsche Berechnung der

im Sonneninneren gegebenen Bedingungen zurückgin-

gen. In der Annahme, die Astrophysiker wüssten über das

Sonneninnere Bescheid und die Kernphysiker wüssten, wie

viele Neutrinos darin entstehen, begannen die Physiker zu

vermuten, dass mit den Neutrinos nach ihrem Austritt aus

der Sonne etwas geschieht. Manche schafften es offenbar

nicht bis zur Erde. Diese Erklärung lieferte Pontecorvo 1969,

ein Jahr nachdem durch Davis’ Versuch das Sonnenneutrino-

Rätsel entstanden war.

Sonnenneutrinos kommen in drei verschiedenen Arten

vor. Auf ihrer achtminütigen Reise zur Erde kann es sein, dass

sie die Art wechseln. Davis’ Detektor war darauf ausgelegt,

die ursprünglichen Neutrinos zu entdecken, so wie sie tief im

Sonneninneren entstehen. Wenn sie die Erde erreichen, sind

viele davon durch Oszillation zu Vertretern einer anderen Art

geworden. Sie konnten von seinem Detektor nicht registriert

werden. Terrestrische experimentelle Beweise für diese

Erklärung wurden am Beginn des 21. Jahrhunderts erbracht,

in erster Linie durch den japanischen Kamiokande-Detektor.

Die Astronomen waren stolz darauf, dass ihre sorgfältigen

Arbeiten über die Sonnenaktivität zu einer neuen Entde-

ckung in der Teilchenphysik geführt hatten. Ihre Bedeutung

wurde 2002 zu Recht mit der Verleihung des Nobelpreises

an Masatoshi Koshiba und Raymond Davis gewürdigt – »für

bahnbrechende Beiträge zur Astrophysik, insbesondere zur

Detektion kosmischer Neutrinos«.

Das Innere der Sonne

HELIOSEISMOLOGIE

Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,

Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt.

William Shakespeare, Der Kaufmann von Venedig

D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:233D-06_Secrets_Universe_ch41_47.indd Sec2:233 10.06.09 18:5610.06.09 18:56

Page 13: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

1054 beobachteten chinesische Hofastronomen und Indianer im

Südwesten der Vereinigten Staaten einen »neuen Stern«. Nahezu

tausend Jahre später erkannten Knut Lundmark und Edwin Hubble,

dass diese frühen Himmelsbeobachter Zeugen der Entstehung

des Krebsnebels wurden, eines Supernovarelikts, das seit seiner

Kartierung im 18. Jahrhundert die Neugier der Astronomen weckt.

Der KrebsnebelEin Supernovarelikt

1

48.

D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:234D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:234 10.06.09 18:5310.06.09 18:53

Page 14: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

Wie der Planet Uranus wurde auch der Krebsnebel bei

einer systematischen Musterung des Himmels entdeckt.

Sie wurde im 18. Jahrhundert von John Bevis durchgeführt,

einem Arzt, der in der Nähe von London eine Sternwarte

unterhielt. 1745 fasste er seine Beobachtungen in einem Atlas

zusammen, der Uranographia Britannica. Die Herstellung der

Kupferstiche war teuer, und der Druckereibesitzer machte

Bankrott, noch ehe die Aufl age gedruckt war, sodass nur

wenige Exemplare existieren. Auf die Karte des Sternbilds

Stier zeichnete Bevis in der Nähe des Sterns Zeta Tauri einen

Fleck, der einen von ihm entdeckten Nebel darstellte.

Der französische Astronom Charles Messier benutzte

ein Exemplar von Bevis’ Atlas bei seiner Suche nach dem für

1758 angekündigten Halley-Kometen. Er fand einen anderen

Der Krebsnebel

Kometen, der das Sternbild Stier durchquerte und seine Auf-

merksamkeit auf den Nebel lenkte. In einem kleinen Teleskop

sehen Kometen und Nebel ziemlich ähnlich aus. Um jede

Verwechslung zu vermeiden, beschloss der als »Kometen-

jäger« bekannte Messier, eine Liste der bekannten Nebel zu

erstellen. Als ersten trug er M1 ein, den von Bevis entdeckten

Nebel, der später als Krebsnebel bekannt wurde, nachdem

er auf einer seltsamen Zeichnung »Scheren« bekommen

hatte. Diese war in den 1840er-Jahren von William Parsons

angefertigt worden, dem Earl of Rosse, der den Nebel durch

sein Sechs-Fuß-Teleskop (den »Leviathan of Parsonstown«)

in Birr Castle in Irland beobachtet hatte. Auf heutigen Bildern

hat der Nebel zumeist die Form eines ovalen Lichtscheins,

der von faserigen Spitzen umrahmt ist. Sie sind die Frag-

2 3

1 Krebsnebel Ein ellipsenförmiges Netz aus roten und orangen Filamenten

ist alles, was von einem 1054 explodierten Stern bleibt. Der in dem Ellipsoid

sichtbare weiße Lichtschein stammt von Elektronen, die ein Pulsar im

Zentrum des Supernovarelikts ausstößt.

2 Eine Zeichnung als Namensgeberin Die Zeichnung, die Lord Rosse in

Irland dank seines Sechs-Fuß-Refl ektors anfertigen konnte, hat wenig

Ähnlichkeit mit dem Nebel, den wir heute auf Fotos sehen. Nur die

Maserung erinnert an seine faserige Struktur.

3 Der Leviathan von Parsonstown Das massive Sechs-Fuß-Teleskop von

Lord Rosse in Parsonstown hing an Seilen und Ketten zwischen zwei

Mauern. Wenn ein Himmelskörper durch den Meridian (genau südlich)

ging, konnte es ihm eine gewisse Zeit nachgeführt werden. Zu den

Okularen gelangte man über Leitern. In der Bildmitte Projektleiter Colonel

Harry J. Watson.

235

D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:235D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:235 10.06.09 18:5310.06.09 18:53

Page 15: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

236 Entdeckungen in unserer Galaxis

mente eines zerborstenen Sterns, das weiße Licht stammt

von Elektronen, die im Inneren des Ovals das Magnetfeld des

Sterns in Spiralen umkreisen.

Das Ereignis, bei dem der Nebel entstanden war, wurde

1931 von dem schwedischen Astronomen Knut Lundmark

identifi ziert, als er die von chinesischen Hofastronomen und

Historikern aufgezeichneten Novae aufl istete. Die chinesi-

schen Kaiser umgaben sich mit einer Schar von Astrologen,

die den Himmel beobachteten, um Prognosen über Staats-

angelegenheiten zu erstellen. Manche der von ihnen erfass-

ten Himmelszeichen waren »Gaststerne«, vorübergehende

Himmelserscheinungen wie Kometen oder Novae. Wenn der

»Gaststern« sich mehrere Tage oder Monate im Verhältnis

zu anderen Sternen nicht bewegt, so ist er wahrscheinlich

eine Nova. Nummer 31 auf Lundmarks Liste war ein

im Juli 1054 erschienener »Gaststern«. Lundmark

stellte fest, dass seine Position mit der von M1

übereinstimmte.

Von 1913 bis 1921 maßen mehrere Astronomen (Vesto

Slipher, Roscoe Sanford, Carl Lampland und John Duncan)

jeder für sich und mit verschiedenen Methoden die Expan-

sionsgeschwindigkeit des Nebels. Sie erkannten, dass er sich

sehr schnell ausdehnt. Seine Filamente bewegen sich vom

Zentrum der Explosion unablässig nach außen.

Die endgültige Identifi zierung des Nebels mit dem

»Gaststern« der chinesischen Astrologen verdankt sich dem

amerikanischen Astronomen Edwin Hubble, der entdeckte,

dass die Expansion 1054 begonnen hatte. Hubble verwies

auf die Übereinstimmungseiner Berechnungen mit dem

chinesischen Bericht, sein Hinweis wurde jedoch erst 1942

zur Kenntnis genommen, als die Astronomen Jan Oort und

Nicholas Mayall und der Orientalist Jan Duyvendak ihn auf-

griffen. In der Folge fand man Aufzeichnungen über

die Nova von 1054 in Korea, Japan und Bagdad,

aber auch in Form von Felszeichnungen in Ari-

zona und New Mexico.

4

5 6

D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:236D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:236 10.06.09 18:5310.06.09 18:53

Page 16: Inhalt Der Himmel stürzt herab! Galileo Galilei D Isaac Asimov · Isaac Asimov I n Fragen der Wissenschaft ist die Autorität von tausend nicht so viel wert wie die bescheidene Logik

237

4 Edwin Hubble Der kalifornische Astronom und Kosmologe erkannte, dass

die Supernova von 1054 den Krebsnebel hervorgebracht hatte.

5 Supernova von 1054 Die Felsmalerei eines Angehörigen der frühen

Pueblovölker im Chaco Canyon in New Mexico zeigt eine Mondsichel

und einen hellen Stern. Der Handabdruck stellt die Signatur dar. Die

Sterndarstellung gilt als Augenzeugenbericht der Supernova von 1054.

6 Hsi und Ho Illustration des Buches der Dokumente (späte Qing-Zeit): Die

legendären Brüder werden von Kaiser Yao beauftragt, den Kalender zu

organisieren und den Gestirnen Respekt zu erweisen. Der Kaiserhof ließ

sich von seinen Astronomen über drohende Gefahren und die günstigsten

Zeitpunkte für Gegenmaßnahmen beraten.

7 Krebspulsar Die Röntgenaufnahme des Chandra-Observatoriums

zeigt den Krebspulsar (Zentralstern). Aus dem Mittelpunkt der ihn

umkreisenden Materiescheibe, vermutlich in der Rotationsachse des

Pulsars, tritt ein Lichtstrahl aus.

7

Der Krebsnebel

Da sich die Helligkeit des Gaststerns von 1054 langsam

veränderte, verglichen die chinesischen Astronomen sie mit

anderen Himmelsobjekten, so auch mit Venus. Dadurch war

es möglich, eine Lichtkurve zu erstellen und auf diese Weise

zu zeigen, dass es sich um eine eine Supernova handeln

musste, eine Explosion, bei der sich ein Stern fast gänzlich

aufl öst, aber einen Rest stellarer Asche hinterlassen kann,

einen Neutronenstern (41). Als die Radioastronomen David

Staelin und Edward Reifenstein 1968 in Green Bank, West

Virginia, im Krebsnebel nach einem Sternrelikt suchten, ent-

deckten sie genau in der Mitte des Nebels einen Radiopulsar:

einen Neutronenstern, der pro Sekunde 30 Mal um seine

Achse rotiert. Es war dies eine brillante Bestätigung des von

Fritz Zwicky 30 Jahre zuvor geäußerten Gedankens, dass

Supernovae Neutronensterne (35) hervorbringen.

D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:237D-07_Secrets_Universe_ch48_51.indd Sec1:237 10.06.09 18:5310.06.09 18:53