Innermolekular vernetzte Makromoleküle (Mikrogel): Synthese, Eigenschaften und Nachweis in...

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Die Makromolekulare Chemie 175, 613-639 (1974) Wissenschaftliches Hauptlaboratorium der Bayet AG, D-509 Leverkusen, BRD Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel) : Synthese, Eigenschaften und Nachweis in Gemischen MARTIN HOFFMANN (Eingangsdatum: 1. Juni 1973) *) ZUSAMMENFASSUNG: Durch Emulsionspolymerisation von Styrol mit Divinylbenzol werden kugelige Paly- styrolteilchen ziemlich einheitlicher GroBe mit Molekulargewichten von M = 5 .lo5 bis 3. lo7, verschieden starker Vernetzung und vielen Endgruppen hergestellt. Die Charakterisierung mittels Lichtstreuung, Viskosimetrie, Gelpermeation, Diffusion und Rheologie zeigt erheb- liche und z. T. nicht bekannte Wirkungen der innermolekularen Vernetzung : Fur Teilchen bestimmten Quellungsgrades ist das Produkt aus dem zweiten Virialkoeffizienten und M, Az. M, im Gegensatz zu der fur ungequollene Kugeln entwickelten Theorie proportional M. Die Durchspiilungskonstante CP steigt mit wachsender innerrnolekularer Vernetzung auf den fur Kugeln berechneten Wert, der groRer ist als der von Knaueln hearer Molekiile. Die Gel- chromatographie tastet die GroBe von Molekiilen ahnlich ab wie die Hydrodynamik, nicht aber so wie die Lichtstreuung. Bei niedrigen KonzenFationen verhalten sich Gellosungen viskosimetrisch wie Kugelsuspensionen, bei hoheren Konzentrationen wegen einer Entquel- lung der Teilchen jedoch mehr wie Losungen von Fadenmolekiilen. Die Viskositat, die Struk- turviskositat und die Schubspannung 5, im Wendepunkt der log I] gegen log r-Kurven sind aber wesentlich kleiner als bei linearen Molekiilen. Der osmotische Druck konzentrierter Losungen ist ein Quellungsdruck und hangt von der Vernetzungsdichte der Gelteilchen ab. Die Schmelzviskositat wird durch innermolekulare Vernetzung zunachst stark reduziert, bei Molekulargewichten der Kettenstiicke zwischen den Verzweigungsstellen M, < 1 5000 aber erhoht. Modul und Dichte der Glaser solcher Gele sind nahezu normal, die Bruchfestig- keit nimmt mit wachsender innermolekularer Vernetzung ab. In Gegenwart von Toluol polymerisierte Gele haben hohere Quellungsgrade und damit hohere Viskositatszahlen sowie kleinere Durchspiilungskonstanten als losungsmittelfrei po- lymerisierte Gele. Gele lassen sich nicht oder nicht vollstandig durch $edimentation abtrennen oder aus der Winkelabhangigkeit der Lichtstreuung ermitteln. MiRt man aber an Gemischen der Gele rnit linearen Molekiilen auRer Molekulargewicht und Viskositatszahl eine weitere unabhangige GroRe, z. B. die Schmelzviskositat, die Strukturviskositiit oder die Konzentrationsabhangig- keit der Viskositat, so kann man die Menge und die charakteristischen Merkmale des Gels bestimmen, wenn die Eigenschaften des linearen Polymeren bekannt sind. S U M MARY: Emulsionpolymerisation of styrene with divinylbenzene gives spherical particles of nearly uniform diameter, with molecular weights M between 5.105 and 3.107, with various degrees of crosslinking density and with many endgroups. Light scattering, viscosimetry, gelpermea- *) Vorgetragen beim XXIV. IUPAC-KongreR, Hamburg, September 1973. 613

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Die Makromolekulare Chemie 175, 613-639 (1974)

Wissenschaftliches Hauptlaboratorium der Bayet AG, D-509 Leverkusen, BRD

Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel) : Synthese, Eigenschaften und Nachweis

in Gemischen MARTIN HOFFMANN

(Eingangsdatum: 1. Juni 1973) *)

Z U S A M M E N F A S S U N G : Durch Emulsionspolymerisation von Styrol mit Divinylbenzol werden kugelige Paly-

styrolteilchen ziemlich einheitlicher GroBe mit Molekulargewichten von M = 5 .lo5 bis 3. lo7, verschieden starker Vernetzung und vielen Endgruppen hergestellt. Die Charakterisierung mittels Lichtstreuung, Viskosimetrie, Gelpermeation, Diffusion und Rheologie zeigt erheb- liche und z. T. nicht bekannte Wirkungen der innermolekularen Vernetzung : Fur Teilchen bestimmten Quellungsgrades ist das Produkt aus dem zweiten Virialkoeffizienten und M, A z . M , im Gegensatz zu der fur ungequollene Kugeln entwickelten Theorie proportional M. Die Durchspiilungskonstante CP steigt mit wachsender innerrnolekularer Vernetzung auf den fur Kugeln berechneten Wert, der groRer ist als der von Knaueln h e a r e r Molekiile. Die Gel- chromatographie tastet die GroBe von Molekiilen ahnlich ab wie die Hydrodynamik, nicht aber so wie die Lichtstreuung. Bei niedrigen KonzenFationen verhalten sich Gellosungen viskosimetrisch wie Kugelsuspensionen, bei hoheren Konzentrationen wegen einer Entquel- lung der Teilchen jedoch mehr wie Losungen von Fadenmolekiilen. Die Viskositat, die Struk- turviskositat und die Schubspannung 5, im Wendepunkt der log I] gegen log r-Kurven sind aber wesentlich kleiner als bei linearen Molekiilen. Der osmotische Druck konzentrierter Losungen ist ein Quellungsdruck und hangt von der Vernetzungsdichte der Gelteilchen ab.

Die Schmelzviskositat wird durch innermolekulare Vernetzung zunachst stark reduziert, bei Molekulargewichten der Kettenstiicke zwischen den Verzweigungsstellen M, < 1 5000 aber erhoht. Modul und Dichte der Glaser solcher Gele sind nahezu normal, die Bruchfestig- keit nimmt mit wachsender innermolekularer Vernetzung ab.

In Gegenwart von Toluol polymerisierte Gele haben hohere Quellungsgrade und damit hohere Viskositatszahlen sowie kleinere Durchspiilungskonstanten als losungsmittelfrei po- lymerisierte Gele.

Gele lassen sich nicht oder nicht vollstandig durch $edimentation abtrennen oder aus der Winkelabhangigkeit der Lichtstreuung ermitteln. MiRt man aber an Gemischen der Gele rnit linearen Molekiilen auRer Molekulargewicht und Viskositatszahl eine weitere unabhangige GroRe, z. B. die Schmelzviskositat, die Strukturviskositiit oder die Konzentrationsabhangig- keit der Viskositat, so kann man die Menge und die charakteristischen Merkmale des Gels bestimmen, wenn die Eigenschaften des linearen Polymeren bekannt sind.

S U M M A R Y : Emulsionpolymerisation of styrene with divinylbenzene gives spherical particles of nearly

uniform diameter, with molecular weights M between 5.105 and 3.107, with various degrees of crosslinking density and with many endgroups. Light scattering, viscosimetry, gelpermea-

*) Vorgetragen beim XXIV. IUPAC-KongreR, Hamburg, September 1973.

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M. HOFFMANN

tion, diffusion and rheological measurements show, that intramolecular crosslirrking has significant and partly unknown effects: particles of a definite swelliqg degree have second virial coefficients A 2 , which are nearly independent of M . This is contrary to the theory for unsolvated spheres. The Fox-FLoRY-constant CP increases with intramolecular crosslinking to the value calculated for spheres, which is larger than that for coils of linear molecules. Gel permeation measures the diameter of the particles in a similar way as hydrodynamics but different from light scattering. At low concentrations the solutions of such gels behave vis- cosimetrically like dispersions of spheres. At higher concentrations the gel particles deswell and show a concentration dependence of viscosity between that of hard spheres and linear molecules. The viscosity of the solution and its shear dependence are smaller than that of linear molecules, the shear stress 7, in the turning point of the curves log q us. log 7 being also much smaller. The osmotic pressure at high concentrations is a swelling pressure and depends on the degree of crosslinking.

Intramolecular crosslinks reduce the melt viscosity, if the molecular weight of the chain segments between branching points is M, > 15000. At very high crosslinking densities the melt viscosity is increased. Modulus and density of glassy gel polymers are nearly normal, but the stress at breaking is decreased with increasing intramolecular crosslinking.

Particles have higher swelling degrees and intrinsic viscosities as well as lower FOX-FLORY- constants, if they are polymerised in the presence of toluene.

Gels cannot be separated quantitatively from linear molecules by sedimentation or by evaluating an abnormal angular dependence of scattered light. But one may calculate the amount of gel and its degree of crosslinking, if one knows the behaviour of linear molecules and measures M,, [q ] and a third independent quantity, e.g. melt viscosity, nOn-NEWTONian behaviour or the concentration dependence of the viscosity of solutions.

Einleitung

Man vermutet, daB der Gehalt an Gel und Microgel die Eigenschaften der Polymeren beeinflufit und versucht haufig, ihn durch praparative Ultrazentri- fugierung oder aus der anormalen Winkelabhangigkeit der Lichtstreuung 2 ,

zu ermitteln. Da beide Nachweismethoden verschiedene Ergebnisse liefern, ist eine Uberprufung ihrer Leistungsfahigkeit notig. Die folgende Arbeit beschreibt die Synthese definiert aufgebauter Microgele, ihre Eigenschaften und ihre Wir- kung auf die Eigenschaften von Gemischen mit linearen Molekiilen. Verbesserte Nachweismethoden werden entwickelt, da die oben genannten vollig versagen. Da sich ferner Microgelmolekule im Gegensatz zu Knaueln linearer Molekiile nicht gegenseitig durchdringen konnen, laBt sich an den Eigenschaften erken- nen, inwieweit sich Knauel linearer Molekule hohen Molgewichts tatsachlich gegenseitig durchdringen 3* 4, oder nicht ’).

Synthese definiert aufgebauter Mikrogele

Durch Emulsionspolymerisation kann man verhaltnismaoig einheitlich grol3e Polymerteilchen gewinnen, die man durch Vernetzerzusatze verschieden stark vernetzen und deren GroBe man durch Ansatzvariationen steuern kann.

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Wir verwendeten einen Grundansatz, der anormal vie1 Emulgator enthalt, um genugend kleine TeilchengroDen und damit auch kleine Molekulargewichte zu erhalten. Dabei verschwinden die sichtbaren, stark trubenden Monomer- tropfchen vollstandig, so daD die Ansatze meist schon vor der Polymerisation fast klar sind und die Kinetik besonders einfach wird, wenn man soviel Starter verwendet, daD die Polymerisation in jeder Mizelle vor sich geht.

(a) 760cm3 H 2 0 160 g Emulgator K 30 (Alkylsulfonat) 15 bis 600 cm3 Styrol und Divinylbenzol (55proz.)

(b) 4 g Na2S205 20cm3 H 2 0

(c) 4 g K z S ~ O B 0,4 g FeS04. 7 H 2 0 40cm3 H 2 0

Wir spiilten langere Zeit (2-12 h) das AnsatzgefSB und Ansatzteil (a) mit Stickstoff (Bombe) und lieBen dann bei 20°C die mit Stickstoff gespiilten Losungen (b) und eine Minute danach (c) einlaufen. Durch Reaktionswarme und/oder Heizung stieg dann die Ansatztemp. innerhalb weniger Minuten auf etwa 6OoC und wurde dort mindestens 2 h gehalten. An- schlieBend arbeiteten wir auf. Die vorgenommenen Ansatzvariationen betrafen fast stets nur die Mengen Styrol und Divinylbenzol, wobei in einigen Fallen ein groIer Teil des Styrols durch Toluol ersetzt wurde. Bei Variationen der Katalysatormengen wurden die Verhaltnisse Na/K und K/Fe konstant gehalten. Ansatz 43 enthalt nur 30 g Emulgator.

Die Dispersion wurde meist etwa 1 : 1 mit Wasser verdiinnt und 1 dm3 in etwa 5 dm3 eines Gemisches aus Methanol und Wasser (4: 1, vol.) eingeriihrt. Das rasch uber Faltenfilter ab- getrennte Polymere wurde in 4 dm3 Methanol aufgeschlammt, rasch abfiltriert und nochmals in 4 dm3 Methanol aufgeschlammt, dem etwas N H 4 0 H (25prOZ.) zugesetzt worden war. Nach schnellem (kolloidales Fe203) Abfiltrieren wurde zuerst an Luft, spater bei 50°C i. uac. hber Nacht getrocknet.

Die Toluol enthaltenden Dispersionen wurden mindestens doppelt so lange polymerisiert und mit sehr vie1 mehr Methanol gefallt. Nach dem Trocknen fanden wir trotz dieser sorg- faltigen Aufarbeitung gelegentlich noch erhebliche Mengen Emulgator oder anorganische Salze im Polymeren. Wir konnten sie durch Fraktionieren entfernen.

Tab. 1 stellt die Ansatzdaten zusammen. Aus den Analysenergebnissen (vgl. z B. Tab. 2) folgt, dal3 das Molekulargewicht der Gele zwischen etwa 5.105 und 3.10’ liegt, also die gewunschte GroDe hat und allein uber die Styrol- menge gesteuert werden kann; M ist der Monomermenge annahernd pro- portional.

Ferner zeigt Abb. 1, dal3 tatsachlich die gewiinschten kugelformigen Gel- teilchen entstanden sind. Ihre innermolekulare Vernetzung ist allerdings nicht ideal.

Wir haben die Molekulargewichtsverteilung ermittelt, wie sie in Abwesen- heit von Vernetzer entsteht. Dem Maximum der Verteilung entspricht bei einer

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M. HOFFMANN

Tab. 1. Ansatzdaten fur die Synthese definiert aufgebauter Mikrogele (Me = Molekular- gewicht der Kettenstucke zwischen Verzweigungsstellen)

Nr. cm3 cm3 cm3 g % M W " Styrol DVB a) Toluol KZS208 Ausbeute

1 2 3 4

5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

29 30 31 32 33 34 35 36

600 600 120 30

600 600 360 120 120

600 600 600 240 120 120 60 60

600 600 120 120 60 60 30 30 30 30 30

600 280 120 30 30 30 30 30

0 0 0 0

0,3 0,3 0,18 0,06 0,06

0,6 06 0,6 0,24 0,12 0,12 0,06 0,06

1,6 1,6 0,32 0,32 0,16 0,16 0,08 0.08 0.08 0,08 0.08

4,o 2.0 03 02 092 02 092 0.2

0 0 0 0

0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0

2 4 4 4

4 4 4 4 4

4 4 4 4 4 4 4 4

2 4 4 4 4 4 8 4 4 4 4

4 4 4 8 4 4 4 4

97 87 85 75

80 91 86 91 88

95 85 93 80 94 80 81 75

97 90 79 69 85 70 92 85 90 95 70

88 93 86 95 92 89 70 80

280000 245 000 260000 245000 250000

120 000 132000 120000 140 000 120 000 140 000 140 000 150000

44 000 42300 53 000 47 000 50000 60 000 46000 50 000 47 000 44 000 60 000

19000 18000 20 000 1 8 000 18000 19 000 24000 21 000

') DVB = ,,Divinylbenzol", 55prOZ.

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Partikeln ist Dsov = 0,038 pm, der- jenige, der M, entspricht, ist D(M,)

= 0,034 pm*) -

Tab. 1. (Fortsetzung)

Nr. cm3 cm3 cm3 g % Mc,l;*n Styrol DVB" Toluol K2S208 Ausbeute

37 580 20 0 4 89 3 600 38 120 4 0 4 98 3 400 39 30 1,6 0 8 92 2 400 40 30 1 0 8 98 3 400 41 30 1 0 4 70 4 800 42 30 1 0 4 70 4 800

43 500 100 44 500 100 0 4 86 780 45 100 20 0 4 88 760 46 50 10 0 4 80 840 47 30 7,6 0 8 98 560

48 49 50 51 52 53 54 55

120 120 120 120 120 120 100 30

0,13 0,13 0,32 0,32 098 4,O

20 1

480 480 480 480 480 480 480 570

48 86 48 84 82 50 71 23

230000 130000 88 000 50000 20500 6 700

950 14500

') DVB = ,,Divinylbenzol", 55 proz.

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M. HOFFMANN

Styrolmenge von 120 cm3 ein Molekulargewicht Mo = 55000. In Gegenwart von Vernetzer entstehen jedoch Molekiile mit M = 1,7.106. Das bedeutet, dafi durchschnittlich 1,7.1O6/5,5.1O4 = 31 Radikale zum Aufbau eines vernetzten Teilchens beitragen. Die Gelteilchen enthalten also 62 Endgruppen, und man kann mit einem guten Netzwerk erst dann rechnen, wenn der Divinylbenzol- gehalt so hoch ist, dab fur Mo = 5,5 .lo4 das M , < 2.104 ist. Bei Polymerisation von 600 cm3 Styrol sind M und Mo fiinfmal groDer, die Endgruppenzahl also dieselbe.

Ferner sind einige Polymerisationen unter Einsatz von 80 % Toluol und 20 % Styrol ausgefiihrt worden. Durch diese MaBnahme wird in Abwesenheit von Divinylbenzol das Molekulargewicht Mo auf etwa die Halfte reduziert, die Unvollkommenheit der Netzwerke also vergroBert. Diese Unvollkommenheit des Netzwerkes ist bei kleinen Vernetzerkonzentrationen so grol3, daD nicht mehr alle Primarmolekiile (mit M o ) einer Mizelle zu einem Molekiil vernetzt werden. Dann ist die Molekulargewichtsverteilung breiter als normal, so daB man durch eine Fallungsfraktionierung Fraktionen mit engerer Verteilung erstellen muB. Gelchromatographische Verteilungen (Abb. 2) zeigen die erwar- tete verschiedene Breite der Verteilungen und den Erfolg der Fraktionierung.

I

1 6 14 12 10 8 6 4 16 14 12 10 8 6 4 VE in c o u n t s V E in c o u n t s

An

16 14 12 10 8 6 4 VE in c o u n t s

I 6 14 12 10 8 6 4 VE in counts

Abb. 2 . Gelpermeationschromatogramme von durch anionische Polymerisation hergestellten Polystyrolen (Uneinheitlichkeit U < 0,lO) (Fig. (a)) und von verschiedenen Polystyrol- Mikrogelen (Fig. (b) und (c)). Fig. (d) zeigt das Ergebnis einer Fallungsfraktionierung des Mikrogels Nr. 52. (Die Zahlen in den Abb. (b) und (c) bedeuten die Nr. des Mikrogels, gem. Tab. 1 ; M, = Molekulargewicht der Kettenstiicke zwischen Verzweigungsstellen; An: Bre-

chungsindexunterschied: V,: Elutionsvolumen in counts, 1 count = 5 cm3)

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Innerrnolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

SchlieBlich haben wir wahrend des Druckes dieser Arbeit Gele ahnlicher Art mit tert-Butylhydroperoxid bei 65 "C hergestellt. Wir erhielten ahnliche M- Verteilungen (oft UM < 0,5) und fast dieselben Eigenschaften wie bei den hier beschriebenen Gelen.

Eigenschaften innermolekular vernetzter Molekiile in verdiinnten Losungen

Die mit Peroxidisulfat hergestellten Polymerisate enthalten Sulfogruppen, die zu einem anormalen Loseverhalten fuhren. So assoziieren dialysierte Gele in Toluollosungen bei Raumtemperatur unter Gelierung oder Verdickung. Oberhalb etwa 70°C verschwindet dieser Efftkt zwar, stort aber die Unter- suchungen bei Raumtemperatur so stark, da13 wir zu salzhaltigem N,N-Di- methylformamid (DMF) als Losungsmittel iibergehen muBten. Wir verwen- deten einen Salzgehalt von 3 g NaNO, pro Liter.

Molekulargewicht und MolekulgroJe aus der Lichtstreuung

Bei vollstandiger Vernetzung ist das molare Teilchengewicht gleich dem Molekulargewicht. Wir bestimmten dieses aus der Streuung von grunem pola- risiertem Licht mit an/& = 0,174, wobei wir auf c = o und den Streuwinkel 9 = o extrapolierten. Als Standard verwendeten wir Benzol mit Z,,,,, = 22,5

Die Losungen wurden 1 h im groaen Schwenkbecherrotor einer Spinco- L-Ultrazentrifuge bei etwa 35 OOOfacher Erdbeschleunigung zentrifugiert, ohne daB sich dabei in der Regel sichtbare Men$en Gel absetzten. Abb. 3 zeigt einige Streudiagramme. Aus ihnen errechnet man das Gewichtsmittel M , des Molgewichts und den Unsymmetriefaktor

Aus P,, kann man unter der Annahme einer Kugelform den Durchmesser DK der Kugeln berechnen und mit dem halben Fadenendenabstand der Netz- bogen (Mc aus Tab. 1) vergleichen. hMc/2 ist rpeist kleiner als D45, die unver- netzte Schale eines Teilchens also dunner als sein vernetzter Kern, zumindest bei genugend hohen Molekulargewichten.

Die zweiten Virialkoeffizienten A 2 berechnet man aus der Beziehung (A2,Licht. = Az,osm./RT):

K . c 1 1 R$ M M

-. P$ = - t 2 A z . c = - (1 f 2 A z M - c )

Bei Mikrogelen sind die A2 so klein, daB man hohe Konzentrationen unter- suchen muB, dann aber wegen der Extinktion der Losungen verfalschte Werte A; bestimmt. Die notwendige Korrektur 1aBt sich leicht ableiten.

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M. HOFFMANN K'. c RJ 0,0141 (a)

0,008 p Mc = 19000 M, = 13- lo6

Mc = 780 M, = 1 1,8. lo6

0,0080 3 0,5 180 1*5

s in2 9 2 Abb. 3. Lichtstreuungsdiagramme von DMF-Losungen der Polystyrol-Mikrogele Nr. 29, Fr. 2 (Fig. (a)), Nr. 37, Fr. 2 (Fig. (b)) und Nr. 44, Fr. 2 (Fig. (c)), unkorrigiert, vgl. Text. o : c= 0,6 g/dm3, 0 : c = 0,15 g/dm3, A : c = 0,05 g/dm3; c = 0. Die verschiedenen Moleku- largewichte der Kettenstiicke zwischen den Verzweigungsstellen (MJ und die Gewichtsmittel

des Molekulargewichts (M,) sind in der Abb. angegeben

Fur polarisiertes Licht und eine nur geringe Winkelabhangigkeit der Streuung gilt

Bei einer Lichtstrahllange von 3 3 cm ist

8x

3 1 + 2AL.M.c = 1 + 2Az.M.c + 3 , s . ~ R90 (4)

2A2M.c == 2A;.M.~-336,5.R90 ( 5 )

Bei Beriicksichtigung der Sekundarstreuung, die in einem etwa siebenmal grol3eren Volumen wirkt als das normale Streuvolumen betragt, mu0 man das Korrekturglied mit 0,93 multi- plizieren. Tab. 2 stellt derart gewonnene A,-Werte zusammen (vgl. auch Abb. 4).

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Tab. 2. Strukturparameter und Eigenschaften von Mikrogelen. Molekulargewichte M,, zweite Virialkoeffizienten A z in cm3 mol g-', Unsymmetriefaktoren Pg0 der Lichtstreuung, Schmelzviskositaten q fur die Schubspannung z = 0 und 190"C, Viskositatszahlen [ q ] , Kon- zentrationsabhangigkeiten K1 der Viskositat (s. GI. (8)), Elutionsvolumina V, in counts

(1 count = 5 cm3) und Diffusionskoeffizienten Doiff in Losungen

Frak- ~Og10~19o [rtl V, ~ ~ ~ ~ ~ . 1 0 ~ Nr. tion') Mw.10-6 AZ.M.10-3 --1 7 + O dl/g K1 counts cm2s-1

Poise p90

2 13 -

1 1,4 1 0,9

- -

- 1 0,17 - 1 0,044

1 2 3,2 2 4 0,58 3 2 2,77

3 0,71 5 0,089 4 0,13

5 u 0,95 6 u 1,54

1 5,1 2 1,9

7 u 2,3 1 15

8 u 0,39 1 1,73

9 u 5,4

10 u 4,4 11 u 4,9 12 u 4,1

1 6 4 13 u 3,1

1 499 14 u 1,5 15 u 1,73

1 2,62 2 0,13

16 u 1,7 1 1,97

17 u 1,87 1 395

a) u: unfraktioniert.

7 3 1,64 1,25 0,45 0,19

0,43 1,32 9,5 3,24 0,11 0,19 0,93 0,26 1,02 3,35 0,17 0,40 1,16 0,036 0,025 0,29 0,061 0,06 0,37

0,07 0,IO

0,28 0,41 0,12

1,04

0,835

0,08 0,315 0,18 0,82

0,09 0,05 0,04 0,12 0,07 0,05

0,05 0,04 0,07

0,02 0,03 0,09

0,25

0,45 0,177 0,228

0, l l 0,14

0,11 0,12 0,12 0,14

7 3 0,76 0,87 1,73

8,3 0,90 0,77 1,Ol 0,38 0,94 0,37

8,6 0,79 8,2 0,75

0,8 1 8,5 1,05 7,4 0,53

0,655 0,51

7,6 0,48 0,58 0,32

7,6 0,52 8,O 0,52 7,6 0,36 8,4 0,428

-0,143

-0,148 -0,144 -0,147 -0,143

-0,15

-0,08 -0,14 -0,09 -0,12

-0,054

-0,085

-0,024 -0,007 -0,028

-0,028 -0,023

-0,062

-0,028 -0,017 -0,035 -0,103 -0,029 -0,023 -0,028 -0,05 1

12,7

8 8 8 2 8,3 2.2 883 8,6 0,9 8,5 8,2

8,7 1,s 892

8,7 12,4 899 8,7 8,6 1,1

62 1

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M. HOFFMANN

Tab. 2. (Fortsetzung) ~~ ~

Frak- l0g10ll190 [ill v, ~ ~ ~ ~ ~ . 1 0 7 Nr. tion") AZ.M.10-3 --1 T + O dl/g K , counts cm2s-'

Poise p90

18 u 10 2 14

19 u 9,3 20 u 4,3 21 u 1 3 5 22 u 1,73

1 2,56 2 0,84

23 u 0,99 24 u 2,9

1 593

25 u 0,73 26 u 1,55

2 2,55 27 u 5,1

1 6 5 28 u 0,59

29 u 9,5

30 u 6,2 31 u 1,68 32 u 3,5

2 13

33 u 1,4 1 2,25 2 1,23

34 u 235 1 4,35

35 u 1,30 36 u 0,78

37 u 10,6 2 11,4

38 u 1,70 39 u 0,80

2 1,27 40 u 1,0

2 1,58 41 u 0,77 42 u 0,91

a) u: unfraktioniert.

0,05 0,09 0,07

0,02 0,03 0,05

0.02

0,05 0,05 0,12

0,09

0,09 0,03

0,21

0,07

0,03 0,09 0,02 0,008

0,05 0,09 0,015

0,03 0,015 0.01

0,19 9,o 0,25 0,16 8,5 0,13 82

0,065 6,6 0,09 82 0.07

0,08 7,o

0,064 0,06 6 3 0,085 8,5 0,055 6,8 0,07 0,075 8,l 0,I 1 8 2 0,18 8,5 0,037 5,8

0,13 895 0,155 0,105 8,2 0,065 6,7 0,05 793 0,05 0,068 0,047 6,3 0,064 7,3 0,08 0,04 6 5 0,04

0,08 >I3 0,095 0,037 >8

> 10 0,07

0,068 0,053 6,7 0,037 6,8

0,40 0,335 0,405 0,305 0,3 13 0,278 0,325 0,351

0,375 0,13 0,121 0,244 0,lO 0,322 0,33 0,241 0.14

0,244 0,205 0,224 0,231 0,22 0,14 0,19 0,29 0,204 0,24 0,19 0,217

0,082 0,081

0,088 0,087 0,099 0,115 0,11 0,12

0,12

+0,027 +0,23 +0,09 +0,036 +0,022 090

+0,055 -0,O 1 7

090 -0,046 +0,183 -0,046

-0,043

+0,057 -0,40

+0,03 -0,16

+0,032

-0,005

-0,Ol +0,03

+0,58 +0,58 +0,10 -0,055 +0,21 4,05 +0,086 +0,018 +0,067

8,3 8 4 8,4 1,9 8 s 8,8 2,4 8,8 3,O 9 8 10,3

9,7 3,O 8,7 8,7

89 83 8S 8,4

10,3 2,6

14,7 8,O

8,4 1,5 8,6 8,4 9,l 2,6 9

11 10 11 8,6 8,4

11,l 4,O 1 1

8,8 1,l 8,9 10,3 2,6 12,6

. 12,8 12 12 3 9 4

12,3 4,6

622

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Tab. 2. (Fortsetzung)

Frak- 1og10~190 [ql vE Nr. tion=) Mw.10-6 AZ.M.10-3 --1 z + O dl/g K 1 counts cmZs-'

Poise p9 0

43 44

45

46

47

48

49 50

51 52

53 54 55

u 28 u 12 2 11,8 u 1,65 2 191 u 1,9 1 2,16 2 0,99 u 2,6

u 0,43 1 1,28 2 0,75 u 0,92 1 291 2 1,63 u 0,83

2 1,63 4 0,62 7 0,098 u 1,06 u 2,55 u 0,18

1 1,9

0,13 0,06 0,lO

0,Ol

0,02

0,14 0,15

0,19 0,12 0,04 0,13 0,07

0,Ol 0,005

0,06 0,088 0,04 > 14 0,018

> 14 0,075 0,022

-13

6 9 0,396 0,18

0,33 0,18 0,16 7 3 0,265 0,232 0,070 >13 0,045 0,068 0,088 >14

7 3

8,7

0,069 +0,27 0,065 0,071 +0,40 0,059 +0,30 0,056 +0,24 0,066 +0,26 0,052 +0,39 0,060 +0,27 0,065 +0,23

0,58 -0,18 1,23 -0,15 0,80 -0,20 0,66 -0,116 1,06 -0,12 0,76 -0,081 0,446 -0,136 0,739 -0,lO 0,664 -0,104 0,396 -0,05 0,172 +0,04 0,22 0,o 0,091 +0,24 0,097 -0,18

9,9 1,4 997

12,5 12,8 12,9 12,2 12,8 14,6

8,6 8,6 9,3 8,6 8,7 993 8,7 8,4 8,55

10 14,4 10,7 12,2 14,7

a) u: unfraktioniert.

Abb. 4 zeigt, daB die korrigierten A , .M,-Werte der Gele vom Molekular- gewicht abhangen, obschon die Theorie fur Kugeln ohne dissoziierte Grup- pen6) eine Konstanz von A 2 . M voraussagt. Bei Gelen, die mit tert-Butyl- hydroperoxid hergestellt waren, stieg A 2 . M vie1 schwacher mit M an; z. B. A 2 - M . 1 0 - 3 = 0,033 bei M = 2.106 ([q] = 44 em3/g) und 0,065 bei M = 1 .lo7 ([q] = 46) und M, = 44000. Bei diesen Teilchen wird A , ahnlich wie bei Knaueln6) vor allem durch den Ladungszustand der Teilchen und durch [ q ] / M festgelegt. A2 ist wegen der geringeren Quellung kleiner als bei Knauein hea re r Molekiile.

Abb. 5 zeigt die Abhangigkeit der Tragheitsradien F2 = const. ( l / P g 0 - 1) vom Molekulargewicht M,. Die kugelformigen, stark verzweigten und ver- netzten Gele haben kleinere Durchmesser al$ die Knauel hea re r Molekiile. Ferner ist bei ihnen erwartungsgemao r2 proportional M2I3, wahrend man bei Knaueln eher r2 - M'*l findet.

623

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M. HOFFMANN

0,005 1

- 10

-I$ 1

0,5

0,1 0,05

0,o 1 0,005

r

0,001 - lo5 lo6 lo7

M W

Abb. 4

0,001 - lo4 lo5 lo6 lo7

Abb. 5

Abb. 4. Zweiter Virialkoeffizient der Lichtstreuung (korrigiert wegen Extinktion) in Abhln- gigkeit vom Molekulargewicht fur Polymere mit dem Molekulargewicht der Kettenstucke zwischen den Verzweigungsstellen M, = a, (B) und M, = 19000 (0); 8 : in Gegenwart von

Toluol polymerisierte Proben mit M, = 19000

Abb. 5. Mittlere Teilchenradienquadrate r z als Funktion des Molekulargewichts M , fur lineare Polymere (0) und fur vernetzte Polymere rnit Molekulargewichten der Kettenstucke zwischen den Verzweigungsstellen M, = 220000 ( O ) , M, = 120000(U), M, = 48000 (E),

M, = 19000 (A), M, = 3800 (A) und M, = 780 (v)

Die Streudiagramme zeigen, da13 die Polymerisate keine anormal grol3en Teilchen enthalten, die GelgroDe also nicht sehr uneinheitlich ist. Ahnliche Aussagen lieferten die Abb. 1 und 2.

Dirusionskonstanten und Sedimentationsverhalten

In einem Gerat nach ANTWEILER (ZeiD) wurden die Diffusionskoeffizienten in salzhaltigem DMF bei 25°C fur mehrere Zeiten und in einigen Fallen bei mehreren Konzentrationen (< 1 %) gemessen. Tab. 2 enthalt auch die auf c = o extrapolierten Diffusionskoeffizienten D. Die Viskositat des Losungs- mittels betrug q1 = 0,0080 Poise (= 0,80 Millipascalsekunden (mPa.s)). Die Extrapolation auf c = o erfolgte durch Auftragung von D.qLsg. uber c zu ,Do -0,0080. Bei Poly,meren mit M, > 20000 war die Konzentrationsabhangig- keit erheblich. Durch Ultrazentrifugierung bei 35 OOOfacher Erdbeschleunigung konnten wir aus Losungen in 1 h nur dann Gel abscheiden, wenn wir besonders hochmolekulare (A4 > lo7) oder sehr stark vernetzte Gele untersuchten. Die sedimentierten Anteile hatten dann nahezu dieselbe Viskositatszahl wie das unfraktionierte Polymerisat.

624

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Innermolekular vernetzte Makromolekule (Mikrogel)

Viskositatszahl, Knauelgrope, Quellungsgrad, Vernetzungsdichte und Molekiilform

Die Bestimmung von Viskositatszahlen [q ] in salzhaltigem ( 3 g NaN0,/dm3) Dimethylformamid bereitet keine Schwierigkeiten, weil die verdunnten Lo- sungen der Mikrogele nicht strukturviskos sind. Wir brachten Dichtekorrek- turen und HAGENBACH-KOrrektUren an. Abb. 6 zeigt die Beziehungen zwischen [q ] und M , fur verschiedene Vernetzungsdichten. Bei hohem M wird [q] nahezu unabhangig von M , wie man das fur Gelstuckchen bestimmten Quel- lungsgrades erwarten sollte. In diesem Bereich der TeilchengroBen ist d a m offenbar auch die storende Wirkung der aul3eren Bezirke, der Schale, vernach- lassigbar gering.

10

1

0,01- 104 105 lo6 lo7

M W

Abb. 6. Viskositatszahlen [q] (Losungsmit- tel: salzhaltiges DMF, 25'C) als Funktion des Molekulargewichts M,,, fur die Poly- meren der Abb. 5. Die Symbole entspre-

chen denen in Abb. 5

Als Quellungsgrad Q kann man die GroBe [q]/0,027 betrachten, wobei man voraussetzt, daB die Durchspulungskonstante Q, bei allen betrachteten Gelen gleich groB ist. cD kann gemal3

M . [q] = @ . (t2)3'2 (6)

ermittelt werden. Verwenden wir Mittelwerte der i 2 bzw. (l/P9,, - 1 ) und der [q ] , wie man sie aus den Abb. 5 und 6 fur M = 1 .lo6 und M = 6.106 ablesen kann, so liefert G1. ( 6 ) die GV der vernetzten bzw. vermeigten Molekule, die man mit denen der linearen Molekule (Q,,) ahnlichen Molekulargewichts und geringer Uneinheitlichkeit vergleichen kann. Wir haben diese Werte nicht wegen der Uneinheitlichkeit korrigiert, da Fraktionen und unfraktionierte Gele sehr ahnliche r2 und [q] bei gleichem M , haben. Abb. 7 zeigt, daB cDv/cDl mit wachsender Verzweigung (abnehmendes [q]J [ q ] , ) ansteigt und zumindest bei den stark vernetzten Mikrogelen einem Grenzwert zustrebt, der dem entspricht,

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M. HOFFMANN

3 -

1 -

0,5

0 -

\ \

a . \ Abb. 7 . Verhaltnis der Durchspii- lungskonstanten von verzweigten und vernetzten Molekiilen @jV zu de- nen von linearen Molekiilen als Funktion der Verzweigung, ausge- driickt durch [q] , / [q] l . 0: Gel mit M , = 6.106 und dem Molekularge- wicht der Kettenstiicke zwischen den Verzweigungsstellen M, = 240000. Die MeBpunkte rnit Symbolen wie

5-. 5. E \\m,

v \r, \\ y 0 T \ \ r n

\x \ T\ \

+\\

-

I

*) Literatur unter Zitat ').

den man fur kompakte oder gequollene Kugeln erwartet, namlich rund 3. Die Bedeutung dieses Befundes fur die analytische Bestimmung der Verzweigung ist in einer anderen Arbeit be~chrieben~).

Im Bereiche @" M QK, also bei groDen M , kann man an den Gelen die fur gequollene Netzwerke abgeleitete Beziehung ') zwischen dem Quellungsgrad Q und M, prufen.

ist das Molvolumen des Losungsmittels, us, das spezifische Volumen des Polymeren und x1 ein Wechselwirkungsparameter. Abb. 8 bestatigt die theo- retische Funktion bei M = 6.106 und nicht zu starker Vernetzung, wobei man x1 M 0,39 findet.

Wahrend also in verdunnten Losungen A 2 und ein damit formal verknupf- bares x1 von M und M , abhangen, trifft das fur den aus Quellungsmessungen ermittelten X1-Wert nicht zu. Letzterer hat auch einen anderen numerischen Wert als der aus A2 berechnete. Eine Erklarung liefert die statistisch-thermo- dynamische Beriicksichtigung der Verhakung langer Molekule g ) .

Abweichungen von GI. (7) treten auf, wenn Gele unvollstandig vernetzt sind, also zu kleine M o / M c aufweisen. Man erhalt ferner ein anderes xl , wenn die Gele in Gegenwart von 80 % Losungsmittel polymerisiert wurden. Die Gele haben dann, verglichen mit ihrem M,, etwa doppelt so grolje [~I-Werte

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Innerrnolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Abb. 8. Priifung der Theorie der Quellung lo3 lo4 lo5 (GI. (7)) an Mikrogelen mit M = 2,5 .lo6.

Symbole der MeRpunkte vgl. Abb. 5

10-’1 ’ MG

I - - M 2 MG

bzw. Quellungsgrade. Vermutlich hat sich der Frontfaktor der Elastizitats- gleichung’O) geandert, was man formal auch als Veranderung von M, durch die Gegenwart von Losungsmittel wahrend der Vernetzung auffassen kann. Die anormal hohen Viskositatszahlen der in Gegenwart von Losungsmittel vernetzten Gele zeigen, daI3 bei Molekiilen mit innermolekularen Ringschliis- sen, die ein Netzwerk bilden, nicht allein die Anzahl der Vernetzungspunkte pro Molekiil, sondern auch die Geometrie ihrer Anordnung die Wirkung der Vernetzung beeinfluI3t l4 15). Ferner beobachtet man, daB diese Molekiile kleinere Durchspiilungskonstanten haben als diejenigen der ohne Losungsmittel her- gestellten Gele. Diese Beobachtungen sind fur die analytische Bestimmung der Verzweigung wichtig. Bei innermolekularer Vernetzung kann man aus [qIv/ [?I1 allein nicht auf M, schlie13en7). Die A2,v /A2,1 scheinen bei allen Gelarten den [ q ] v / [ q ] l proportional zu sein.

Untersucht man, wie die Gelchromatographie die GroDe der Molekiile ab- tastet, so erkennt man nach Abb. 9, daD diese nicht P 2 = const. M . [q]/Q,, sondern eher r 2 . @ = const. . M . [q] mi&. Das steht in Ubereinstimmung mit der Literatur’ und mit unserer Beobachtung, daI3 Sternmolekiile ein Elutions- volumen zeigen, das auf der M . [ql-Kurve fur lineare Molekiile liegt, obschon ihr Q, sich vergroDert hat ( s . Abb. 7). Die Gelchromatographie miI3t also einen ahnlichen Durchmesser der Teilchen wie die Hydrodynamik, nicht aber den Durchmesser, den die Lichtstreuung miDt und der die Segmente in den AuDen- bezirken des Knauels besonders stark wiegt. Es ist sicherlich aber auch nur naherungsweise richtig, daI3 gelchromatographischer und hydrodynamischer Durchmesser gleich sind. Bei stark ellipsoidischen Knaueln darf man damit nicht mehr rechnen. Die mit einer besser trennenden GPC-Apparatur gewon-

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10

1

0,5

0,1

0,05

0,o 1

OJoo18

M. HOFFMANN

b 0'0018 9 10 11 12 13 14 15 16 10 1'1 1; 1'3 1; 15 116 9

1

0,5

\ 0'01

Abb. 9. Elutionsverhalten von linearen Molekulen und Mikrogelen in der Gelchromatogra- phie. Zeichen wie in Abb. 5. V, = Elutionsvolumen (1 count = 5 cm3)

nenen MeDpunkte fur Gele, die mit tert-Butylhydroperoxid hergestellt wurden, liegen noch besser auf der [VIM- V,-Kurve fur lineare Molekule.

Konzentrationsabhangigkeit der Viskositat

Zumindest bei relativen Viskositaten qr = q/ql (q = Losungsmittelviskosi- tat), die nicht vie1 groDer als 1 sind, kann man die Konzentrationsabhangigkeit der Viskositat bei kleinen Schubspannungen stets beschreiben durch

c ist die in g/100 cm3 gemessene Polymerkonzentration. Knauel der linearen Polystyrole sind in der Lage, sich zu durchdringen. Bei ihnen hat K1 nahezu unabhangig von [q] in DMF einen Wert um -0,147 (s. Tab. 2). Fur harte, gleich grol3e Kugeln sollte K, eine solche GroBe haben, daB die Viskositat der Dispersion bei c = 74 g/100 cm3 wegen des Aufbaus einer dichtesten Kugel- packung sehr groB wird.

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Bei geniigend stark vernetzten Mikrogelen finden wir tatsachlich K1 [q] w 0,013, wahrend schwacher (Mc > 50000), unvollstandig (M/M, zu klein) oder in Gegenwart von Losungsmittel vernetzte Gele negativere K1 [q] aufweisen (s. Abb. 10 und Tab. 2).

- Z! I I , , I I I I I

4 6 8 10 1520 40 60 loA Konzentration in VO~.-'/~

u

Abb. 10. Konzentrationsabhangigkeit der Losungsviskositat qr+o in Poise bei mittleren und hohen Konzentrationen in DMF bei 25°C. Die Zahlen an den Kurven bedeuten die Nr. der Gele (vgl.

Tab. 2) (Tg = Glastemperatur)

Die Steigung der an Gelen gemessenen Kmven wird jedoch im Gegensatz zum Verhalten harter Kugeln mit zunehmender Konzentration negativer und erreicht bei In qr M 1,5 Werte, wie sie auch bei unverzweigten Fadenmolekulen gefunden werden. In diesem Konzentrationsbereich, also bei In qr w 1 hat man Konzentrationen c M 1 / [q], d. h. vollstandige Erfullung des Losungsvolumens mit gequollenen Teilchen. Dann beruhren sich die Teilchen und durchdringen sich in ihren AuBenbezirken. Bei weiterer Konzentrierung der Losung geht die Durchdringung zunachst noch etwas weiter. Oie Gelteilchen verhalten sich bei diesen Konzentrationen viskosimetrisch wie die zu vie1 weitergehender Durch- dringung befahigten Knauel der linearen Molekiile. Ausnahmen scheinen nur die sehr stark vernetzten und sehr hochmolaren Gele zu machen. Bei ihnen ist die Randzone im Vergleich zum undurchdringlichen Kern besonders dunn, aber vielleicht auch ihr Ladungszustand oder ihre Form anormal (zu hohe A , nach Tab. 2).

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M. HOFFMANN

Eigenschaften von Mikrogelen in konzentrierten Losungen, Schmelzen und Glasern

Osmotischer Druck konzentrierter Losungen

Der osmotische Druck von konzentrierten Losungen (c > 50 g/l) hangt wegen des Verhakungsnetzwerks 9, bei linearen Molekiilen nicht vom Mole- kulargewicht ab. Er ist eher ein Quellungsdruck und nahezu proportional c2. Mikrogele haben wegen ihres vernetzten Kerns und der elastischen Riickstell- krafte dieses gequollenen Netzwerks kleinere osmotische Drucke aber noch immer naherungsweise eine Abhangigkeit von c 2 . Bei einer Konzentration von 100 g/1 finden wir bei 25°C in salzhaltigem Dimethylformamid die in Tab. 3 angegebenen Drucke in cm Losungsmittelhohe fur M = 2,5-106.

Tab. 3. Osmotische Drucke posm einiger Polymerisate (vgl. Tab. 1 ).

M, = Molekulargewicht der Netzbogen

Polymerisat Fraktion P0.m MC cm

3 2 55 m

26 2 32 50000 40 2 24 3 300 5 1 2 5 1 (50000)

Die in Gegenwart von Losungsmittel hergestellten Gele haben einen anor- ma1 hohen osmotischen Druck (s. Polymerisat 51). Der scheinbare zweite Virialkoeffizient bzw. der HUGGINS-Parameter x1 hangen also nicht nur von der Anzahl Verzweigungspunkte ab, sondern auch noch von der Geometrie ihrer Anordnung im Molekiil.

Sind die Gelteilchen zu so hohen Konzentrationen gelost, daB sie bei weitem nicht den in verdunnten Losungen gemessenen maximalen Quellungsgrad haben, so miDt man osmotisch einen Quellungsdruck, der teilweise vom Ver- hakungsnetzwerk (MC,") und teilweise vom Hauptvalenznetzwerk ( M c , H ) her- riihrt. 1st Mc,H < &Ic,", so ist er vorwiegend eine Wirkung des Hauptvalenz- netzwerks. Gegenuber dem Quellungsdruck eines kompakten Gelstiickes ist er dann noch durch anisotrope Verformung und anisotrope Quellung der dicht gepackten Teilchen etwas verfalscht.

Viskositaten konzentrierter Losungen und Schmelzen

Bei Konzentrierung der Losung unterscheiden sich die Konzentrations- abhangigkeiten der Viskositat von linearen und vernetzten Molekiilen, weil

630

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

die Gelteilchen sich dann im Gegensatz zu Knaueln nicht mehr durchdringen konnen, sondern der Durchdringung durch Entquellung ausweichen miissen. So folgen Mikrogele in konzentrierten Losungen nicht mehr dem fur alle unverzweigten Molekule weicher Polymerer geniigend hohen Molekulargewichts gemessenen Gesetz")

1111 = const. .P (10)

Man kann das im vorliegenden Fall allerdings erst richtig erkennen, wenn man beriick- sichtigt, daB die Viskositaten konzentrierter Losungen von Polystyrol in D M F durch die mittlere Einfriertemperatur Tg der Systeme verfalscht sind. Tg ist eine Funktion der Konzen- tration und oft nicht mehr sehr viel tiefer als die MeRtemperatur T (= 25°C). Als Folge davon gehorchen auch lineare Polystyrole in D M F bei sehr hohen Konzentrationen nicht dem c4- Gesetz, obschon sie das bei hohen Temperaturen tun. Aus Messungen mit linearen Polysty- rolen kann man deshalb einen Faktor F bestimmen, um den die bei 25°C gemessenen Viskosi- taten der Losungen verfalscht sind.

Korrigiert man damit die Viskositaten von Mikrogel-Losungen, so erhalt man eine Kon- zentrationsabhangigkeit, die eine andere Form als das c4-Gesetz hat, aber naherungsweise durch ein analoges Gesetz mit einem Exponenten K > 4 beschrieben werden kann (zwischen z.B. 25 und 40 g/100 cm3): vgl. Abb. 10.

Die Konzentrationsabhangigkeit der Viskositat von Mikrogelen ist also starker als die von linearen Molekulen. Sie streben bis zu hohen Konzentra- tionen ein Verhalten wie Dispersoide an. Physikalisch bedeutet das, daB Mikro- gele sich im Gegensatz zu den Knaueln linearer Molekiile nicht durchdringen und sich dem Verhalten harter Kugeln nahern. Sie weichen vom Verhalten harter Kugeln um so mehr ab, je starker sie in verdiinnter Losung gequollen sind, weil sie dann entquellen konnen, um der Unbeweglichkeit einer dichtesten Kugelpackung zu entgehen.

Weitere Besonderheiten des FlieBverhaltens von Mikrogelen zeigt die Unter- suchung der Strukturviskositat. Wir bezeichnen") als kritische Schubspan- nungen z, die Schubspannung im Wendepunkt der Kurven log q gegen log z.

Abb. 11 zeigt, daB diese kritischen Schubspannungen durch eine innermole- kulare Vernetzung der Knauelmolekule stadk herabgesetzt werden. Die Gele verhaken nur noch in Randzonen, so daB die Zahl der bei einer Scherung beanspruchten losbaren Verhakungen in der Volumeneinheit viel kleiner ist als bei unverzweigten Molekulen. Diese Verhakungen losen sich auch schneller als die linearer Molekiile gleichen Molgewichts.

Schmelzuiskositat

FlieBkurven von linearen Polymeren und yon Mikrogelen wurden nach bla- senfreiem Pressen im Vakuum bei 150°C in einem HAAKE-Konsistometer mit direkt temperierter Kapillare (4 mm Durchmesser, 10 cm Lange) bei 190°C

63 1

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M. HOFFMANN

1 0 6

5

2

c x 'D .

lo5

104

1 o3

4 n 2

Abb. 11. Schubspannung T~ des Wendepunk- tes der FlieBkurven log q iiber log 5 als Funk- tion der Konzentration, ausgedriickt als Vo- lumenbruch (p2 des Gelosten. Zeichen wie in

Abb. 5 I..,

0 , O l 0,1 1 ,o 902

in etwa 1-2 h gemessen und als unkorrigierte scheinbare Viskositat in Poise (1 Poise = 0,l Pa s) uber der Schubspannung in dyn/cm2 ( 1 dyn/cm2 = bar) aufgetragen.

Der allgemeine Charakter der FlieBkurven von weichen Gelen und derjenigen von linearen Molekulen unterscheiden sich nicht wesentlich. Gele haben etwas kleinere z, als lineare Molekule und zeigen eine geringere Strangquellung (die swell) beim Spritzen. Harte Gele ( M , = 780) zeigten nur bei sehr hohen Schub- spannungen (z > 5.105) ein FlieBen.

Zur quantitativen Betrachtung tragen wir die Schmelzviskositat uber dem Molekulargewicht M , auf: Abb. 12.

Weiche Mikrogele haben erheblich kleinere Viskositaten bei bestimmtem Molekulargewicht als lineare Polymere. Die Schmelzviskositat wachst jedoch wieder, wenn man die Vernetzung so weit verstarkt, daI3 M , unter etwa 15000 sinkt. Das gilt auch fur Gele, die mit tevt-Butylhydroperoxid hergestellt wurden und auch mehr Stabilisator enthielten.

Beim FlieBen weicher Gele miissen sich die Verhakungen der Randzonen losen und wieder kniipfen. Die Lange der Kettenteile in den Randzonen be- tragt Mc/2 und ist kleiner als bei linearen Molekulen, wo sie M / 2 betragt. Die Verhakungen losen sich also im Randzonenbereich der Gele schneller. AuBer- dem ist die Konzentration enthakungsfahiger Verhakungen geringer, weil im Inneren der Gele keine oder vie1 geringere Umordnungsprozesse wirksam sind. Es ist danach plausibel, daI3 weiche Gele bei bestimmter Beanspruchung leichter flieJ3en als lineare Polymere. Sie ahneln damit dem Verhalten strauchartig ver-

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Abb. 12. Schmelzviskositaten q190 o

von linearen Polystyrolen und Mi- krogelen in Abhangigkeit vom Mo- lekulargewicht M,. Zeichen wie in

Abb. 5

zweigter Molekiile 2 , 3). Wenn eine Verzweigung oder innermolekulare Ver- netzung das FlieBen erleichtert, konnen lineare Molekiile nicht als zusammen- gefallene Knoten s, vorliegen. Sie nehmen also groBere Fadenendenabstande an3) und miissen sich dann (wegen p = 1) durchdringen.

Bei sehr harten Gelen ist der zu deformierende Gelkern harter als das Verhakungsnetzwerk linearer Molekiile ( M , M 15000). In dem MaBe, wie die Vernetzungsdichte der Gele steigt, widerstreben sie der zum FlieBen notigen Deformation. Eine Deformation ist notig, weil sonst eine dichteste Kugel- packung nicht flieBen wiirde. Im unverdunnten Gel sind die an sich kugeligen Teilchen bereits in bestimmter Weise deformiert, um den Raum besser zu ful- len, denn die Dichte der gepreBten Gele ist bis auf einige Zehntelprozente die- selbe wie die von linearem Polystyrol. Man kann so verstehen, warum bei Vernetzungen mit M, 5 3800 kaum noch FlieDen beobachtet wird.

Besonders stark macht sich die Vernetzung der Gele bemerkbar, wenn man die Schmelzviskositat iiber der Viskositatszahl [q] auftragt. Die Vernetzung erniedrigt [q] starker als q. Gemessen an ihrer Yiskositatszahl haben vernetzte Molekule vie1 zu hohe Schmelzviskositaten, wenn man das Verhalten linearer Molekiile zugrunde legt.

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M. HOFFMANN

Dichte und Bruchfestigkeit der glasig erstarrten Gele

Die Dichten der unter Druck glasartig erstarrten und dann ohne Druck getemperten Gele sind um wenige Zehntel Prozente groBer als die der linearen Molekule. Die Bruchfestigkeiten beim Biegebruch so vorbehandelter Proben sind bei schwacher Vernetzung nur wenig kleiner als bei linearen Molekulen, bei starker Vernetzung und bei auflerordentlicher Sprodigkeit jedoch sehr ge- ring. Der Oberflachenglanz der PreBkorper nimmt beim Tempern (160 "C) ab.

Wirkungen in Gemischen mit linearen Molekulen, Nachweismoglichkeiten

Die Eigenschaften der Mikrogele unterscheiden sich von denen linearer Molekule erheblich. Auch die Eigenschaften von Mischungen konnen von denen der reinen linearen Polymeren so weit abweichen, daB sie zu einer Bestim- mung des Gelgehaltes ausgenutzt werden konnen. Jedoch ist es notwendig, daI3 man auch noch zwischen einer Eigenschaftsanderung als Folge eines Mikrogel- gehaltes und einer solchen als Folge einer Verzweigung aller Molekule unter- scheidet. Da eine Verzweigung aller Molekule oft zu ahnlichen Wirkungen wie ein Gelzusatz fuhrt, muB man die Eigenschaften der Mischungen sehr ein- gehend untersuchen, um noch Unterschiede zu finden. Das Problem entspricht damit einer Bestimmung der Verzweigungsverteilung.

Nachweis des Gelgehaltes aus nur einer MePgroJe

Eine direkte Bestimmung des Gelgehalts gelingt nicht durch praparative Sedimentation, weil hier unter ublichen Bedingungen (40000fache Erdbeschleu- nigung, 1 h) lineare Molekule und Gele gemeinsam sedimentiert werden, wenn sie Molekulargewichte oberhalb etwa lo7 besitzen, und kleinere Gelteilchen nicht oder nicht vollstandig abgetrennt werden. Ebenso versagt die Beobach- tung der Diffusion, weil Gelteilchen nur etwas schneller diffundieren als lineare Molekule gleichen Molgewichts. Mittels Gelchromatographie kann man Gel- teilchen neben linearen Molekulen nur an der Gesamtverzweigung erkennen und nur in gunstigen Fallen als Sonderpolymerisat erkennen.

Auch eine anormal starke Winkelabhangigkeit der Lichtstreuung 1aBt sich zum Nachweis von Mikrogel mit M < lo7 nicht verwenden. Sie liefert den Anteil anormal groBer linearer und verzweigter Molekiile, also nur in beson- deren Fallen den Gelanteil. Die Rontgenkleinwinkelstreuung der unverdunnten Gemische aus linearen Molekulen und Mikrogel lie13 das Mikrogel nicht erken- nen, weil der Unterschied der Elektronendichten zu gering ist.

Auch die Viskositatszahl oder die Konzentrationsabhangigkeit der Visko- sitat lassen geringe Gelgehalte nicht ohne weitere MeBwerte erkennen. Dagegen

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

wird die Strukturviskositat durch Gel verandert. Die kritische Schubspannung z, im Wendepunkt der FlieDkurven log 4 gegen log z ist kleiner als in Ab- wesenheit von Gel.

1st der Wert zw,l der unverzweigten, genugend hochmolekularen Molekule bei der bestimmten Konzentration c bekannt, so erkennt man den Volumen- bruch qz des Gels im Polymerengemisch aus dem dann gemessenen z, nach der Beziehung

rw = rw,l . (1 - VZ)’ (11)

Die Schmelzviskositat la& ohne weitere MeBwerte den Gelgehalt nicht erken- nen. Weiche Gele vergroDern die Strukturviskositat. Die Bruchfestigkeit nimmt mit wachsendem Gelgehalt ab, ohne daD Molgewicht oder Vernetzungsgrad des Gels dies stark beeinflussen. Diese Methode ist aber noch nicht zu einer analytischen Methode ausgebaut.

Bestimmung uon Gel durch Vergleich mehrerer MeJwerte

Man kann zwischen einer Gesamtverzweigung und einer Anwesenheit von Gel unterscheiden, wenn man mehrere MeDwerte bzw. Eigenschaften der Mischungen vergleicht. Das wird quantitativ formulierbar, wenn man die Mischungsgesetze der MeDgroBen betrachtet. Im folgenden sind pl und qz die Volumenbruche des linearen Polymeren und des Gels im Polymerengemisch

M,,, sind die Gewichtsmittel der Molekulargewichte, [4] die gemessenen und [q], die fur eine lineare Struktur berechneten Viskositatszahlen (also [q], =

Mw = M w i . ~ i + Mwaqz (12)

(VI + Pz = 1).

[411,1)

Nach GI. (13) ist [q] von [q l lq l nur wenig verschieden, wenn [qI2 und q2 klein sind.

Ferner kann man das Korrekturglied im Nenner der G1. (8) fur geniigend kleine Konzentrationen additiv schreiben.

Fur Polystyrol in DMF ist K,, = -0,147, wahrend fur kugelige Gele Kl2[qI2 =0,013 ist. GI. (15) bedeutet, daD die Konzentrationsabhangigkeit des Poly- merengemisches der eines linearen Polymeren gleicht, wenn qz < 1 ist. SchlieS-

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M. HOFFMANN

A $3 <F7 /

7 i

1

7

I

0,5

lich kann man noch Mischungsgesetze ahnlicher Art aufstellen fur M: .A,, fur M ( l - P g O ) und fur die Schmelzviskositat q, die durch Gel wie durch eine gleiche Menge kugeliger Fullstoff-Teilchen erhoht wird.

t] = ~1 ( 1 + 2,5 9 2 + 14,l 9; +... ) (16)

Man darf ferner im Rahmen unserer Zielsetzung folgende Vereinfachungen einfuhren:

[V12 4 tv12.1; ( I -Pz) 6 ( 1 - P Z . l ) ; '42 4 ' 42 .1 (17)

Mit diesen Gleichungen und Konstanten sowie Vereinfachungen kann man nun den Gelnachweis formulieren, wenn man noch bedenkt, daB M , und [qll, [?I1 und q usw. durch die fur lineare Polymere bekannten Beziehungen naherungsweise ineinander umgerechnet werden konnen.

Aus den Gleichungen (13), (14) und (15) unter Berucksichtigung der bei G1. (20) genannten Konstanten erhalt man

Abb. 13. Vergleich der Konzentrationsabhan- gigkeit der Viskositat, ausgedriickt durch die Konstanten K und K1, der Viskositatszahl und des Molekulargewichts (Mw + [t]],) bei Ge- mischen von linearen Molekulen und Mikro- gel. 0: lineare Polystyrole; 0 : Mikrogele; A: Gemische von Mikrogel und linearem

Polystyrol 1,O

Wahrend [q]/ [qll ein Ma13 fur die Gesamtverzweigung ist, liefert der Vergleich mit Kl/KlvI die Aussage, daB Gel vorliegt oder nicht. Die durchgezogene Kurve der Abb. 13 gilt fur reine Gele und fur verzweigte Molekule 13), wahrend - L: 1 . L

0

-1

-2

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Punktlagen links davon die Anwesenheit von Gel neben linearen Molekiilen beweisen.

Eine andere Kombination derselben Gleichungen fuhrt zu

Hieraus kann man bei Kenntnis von K 1 . [q], [q] und [qI1 (naherungsweise aus M,) die GroRe [qI2,, und aus ihr M z berechnen. Mit [q] w [qllpl erhalt man dann die GroBe q2 und damit auch pl . Aus M , berechnet man nun mit MZq2 und pl die GroBe M 1 und damit [qI1, so daB das Gemisch vollstandig bestimmt ist. Man kann die Vernachlassigungen (auch [q], = f(M,)) iiberpriifen und genauere Werte fur die Mischungspartner ermitteln. Ferner kann man das aus der Strukturviskositat nach G1. (1 1) ermittelte p2 verwenden und die Schmelz- viskositat q nach GI. (16) auf v1 korrigieren, so daR man aus q1 auf M 1 schlie- Ren kann. Mit M1pl und pz berechnet man dann aus M , die GroRe M z . Ferner liefert M 1 die Viskositatszahl [qI1 und uber [qI1p1 und q2 die Gro13e [q l2 . Auch auf diese Weise wird das Gemisch vollstandig charakterisiert.

Einen zunachst qualitativen Hinweis auf die Anwesenheit von Gel liefert auch eine Auf- tragung der Schmelzviskositaten v uber den Viskositatszahlen [ q ] . Gelanteile verringern [v] und erhohen I], so daR gelhaltige Polyrnere MeRpunkte weit links der fur lineare Polymere geltenden Kurve zeigen. Hier storen allerdings erhebliche Uneinheitlichkeiten des linearen Mischungspartners.

MeBwerte an Gemischen von Gel und linearen Molekiilen (Tab. 4, S. 638) bestatigen die Richtigkeit dieser uberlegungen.

Variationen dieser Methoden verwenden ahnliche Verkniipfungen anderer Beziehungen zwischen den iiblichen MeRgr6Ren. Fragwurdig sind Vereinfa-

SchlieRlich kann man auDer den bisher besprochenen KenngroRen sicherlich auch noch andere heranziehen, z.B. das Quellvolumen von Fallungen bei bestimmter Fallmittelkonzentration, den Fallpunkt bei der Triibungstitration oder den Gummi-Modul der Relaxation von festen Polymeren oberhalb der Glastemperatur Tg + 50°C.

chungen, wie 2.B. [112 < [ V l l , A22 < A , , , oder [vIzp2 < [ r l l l $71 .

DeJinition von Mikrogel

Die geschilderten Untersuchungen zeigen, daR man Mikrogel weder als absedimentierbaren Anteil noch als Anteil mit anormal starker Winkelabhan- gigkeit der Lichtstreuung definieren kann. Geht man davon aus, daR Mikrogel submikroskopische Teilchen eines vernetzten Polymeren sein sollen, so konnte man alle Molekiile mit Quellungsgraden unterhalb eines Schwellenwertes als

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M. HOFFMANN

Tab. 4. Vergleich der Viskositatszahlen [q] und Schmelzviskositaten q (bei verschiedenen Schubspannungen z) fur Gemische aus linearen Molekulen (Stoff 1) und Gelen (Stoff 2)

Gewichts- [q] [ V I I )IS = 2 . lo4 q r = lo6 Stoff 1") Stoff 2 bruch von dl/g aus M , K 1 in Poise b. 19OoC

Stoff 2

11-541 Gel 19

29

4

12

P St. I11 Gel 19

22

25

3

17

31

38

44

7

50

1,Ol 0,375 0,94 0,242 0,857 0,042 1,234 0,843 1,66

0,622 0,569 0,584 0,536 0,375 0,375 0,572 0,29 0,515 0,27 0,618 0,98 0,541 0,365 0,506 0,232 0,492 0,116 0,465 0,042 0,575 0,565 0,587 0,664

1,02

0,95

0,85

1,26

1,17 2,3 5,o 5,s 598 0,99

290 0,75 1,17 0,69 0,95 1 ,oo 2,11 0,99 1,97 1 ,oo 1,97

291 5,4 1,35 3,15 0,90 1,72

-0,115 +0,28 -0,126 +0,124 -0,147 +0,82 -0,127 -0,087 -0,145

-0,142 -0,142 -0,111 -0,054 +0,28 +0,28 -0,119 -0,o

-0,07 -0,141 -0,2 1 -0,138 -0,042 -0,136 +0,02 -0,136 +0,087

+0,82

-0,052 -0,138 -0,111

4 , 1 3 0

-0,142

-0,134

4,6.10' 1,4.108

1 .lo6 8,5.10'

5.105

1.107 1.106

3.106 6.105

6,5.106 8.10' 2.107

8,3.10' 1,7.107 6,5.105 3,7 .lo6 6,6.10'

2,1 .lo6

8.10'

1,5. lo4 5,7.10'

1,75 . lo4 3.104

4,2.1 O4

1,5 .lo4 2,1 .lo4

(3.104) 2,3.104

8,5.104

1,6 .lo' 1,8 .lo4

3.104 2,6.104 2,6. lo5 2,5.104 (2.105)

2,3.104 1 ,9.104

2,8.104

2,3.104

') 11-541: anionisch dargestelltes Polystyrol mit M , = 1,4.106. P St. 111: radikalisch dargestelltes Polystyrol mit breiter Molekulargewichtsverteilung.

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Innermolekular vernetzte Makromolekiile (Mikrogel)

Gel bezeichnen. Dabei liefe man Gefahr, kleine Makromolekule als Gel zu bezeichnen. Geeigneter erscheint die Definition, da5 alle Molekule als Gel bezeichnet werden, deren Viskositatszahl kleiner als 20 % der von linearen Molekulen gleichen Molgewichts ist.

Diese Definition verlangt, da5 auch stark verzweigte Molekiile als Gel ange- sehen werden, obschon sie moglicherweise nicht innermolekular vernetzt sind. Da aber die analytische Unterscheidung solcher Molekule von den innermole- kular vernetzten schwierig ist, sollte man zunachst auf eine weitere Spezifizierung der Definition verzichten. Von Gel sollte man ferner nur sprechen, wenn keine Losemafinahmen ohne Abbau zu einer Losung mit normalen Viskositatszahlen fuhren. Damit lie5e sich Gel von Assoziaten unterscheiden. Die praparativ absedimentierbaren Anteile und die Anteile mit anormal starker Winkel- abhangigkeit der Lichtstreuung sollten nur dann als Gel bezeichnet werden, wenn sie der obigen Definition G1. (20) folgen. Da sie mit gro5er Wahrschein- lichkeit nicht der gesamten Gelmenge entsprechen, sollte man aber dann die Nachweismethode als Index angeben, z. B. % Gel,,.

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