Innovationen kreieren und patentrechtlich schützen (Claudius R. Dietzsch)

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INNOVATIONEN KREIEREN UND PATENTRECHTLICH SCHÜTZEN Claudius R. Dietzsch +

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InnovatIonenkreIerenUnD patentrechtlIch schützen

Claudius R. Dietzsch

Wissen das eigentliche Ziel – das Vorantreiben von Inno-vationen – zu erreichen.

vdf Hochschulverlag AGan der ETH Zürich

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ISBN: 978-3-7281-3672-5

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InnovatIonenkreIerenUnD patentrechtlIch schützen

Claudius R. Dietzsch

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ISBN: 978-3-7281-3672-5 (Printausgabe)ISBN: 978-3-7281-3673-2 (E-Book)DOI: 10.3218/3673-2

© 2015, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich

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Vorwort

Den Fundus zu dieser Publikation bilden meine Vorlesungs- und Kursunterlagen, die ich über viele Jahre erarbeitet habe und die ich auch in meinen Unternehmensberatungen verwende. Bald 35 Jahre praktische Berufserfahrung spiegeln sich darin wider. Die Wur-zeln dazu liegen bereits in den Pionierleistungen meiner Vorfahren begründet.

Väterlicherseits waren dies mein Urgrossvater sowie mein Grossvater, die im Erzgebir-ge einen Textilbetrieb mit mehr als 2000 Mitarbeitenden gründeten und führten: Die E. Richard Dietzsch Strumpf- und Wirkwaren-Fabriken in Geyer gehörten zu den grossen Textilbetrieben in Deutschland in den 30er- und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Mein Vater, der bereits in dieser Firma tätig war, verselbständigte sich 1958 in der Schweiz und entwickelte in seinem kleinen Institut in Stein am Rhein innovative Werkstoffe und Baumaterialien.

Mütterlicherseits ist mein Urgrossvater Heinrich Boecker zu nennen, der mit seinem mikroskopischen Institut in Wetzlar im vorletzten Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Pionierleistungen auf dem Gebiet der Herstellung pflanzlicher und tierischer Präparate erbrachte, die er weltweit vertrieb und die internationale Hoch-achtung erfuhren. Heinrich Boecker und seine Brüder pflegten einen engen Kontakt zur Firma Ernst Leitz in Wetzlar.

Der innovative Pioniergeist lebt in mir weiter und es gibt Ansätze, die darauf hindeuten, dass dieser Genius in unseren drei Kindern eine Fortsetzung erfahren darf.

Ich widme diese Veröffentlichung meinen lieben Eltern Otto und Jutta Dietzsch-Boecker sowie meiner lieben Frau Christine und unseren drei Kindern Sonja, Patricia und Andreas.

Ein spezieller Dank geht an Angelika Rodlauer, vdf Hochschulverlag an der ETH Zürich, für ihre ausgezeichnete Lektoratsarbeit.

In Dankbarkeit auf das Vergangene sehe ich einer innovativen Zukunft mit Spannung und Freude entgegen.

Dr. Claudius R. Dietzsch im Sommer 2015

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Vorwort .............................................................................................................................. 9

1 Erfolgsfaktoren in der Technologie entwicklung .....................................................11Projektleitung .......................................................................................................................11Markt ..................................................................................................................................... 12Projektarbeit und Projektfortschritt ............................................................................... 13Bedeutung des geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP) ................................14

2 Patente: Bereits im Front End of Innovation? .........................................................17Erstens: Monitoring ............................................................................................................ 17Zweitens: Markt ..................................................................................................................18Drittens: Innovation ........................................................................................................... 19Viertens: Schutz geistigen Eigentums .............................................................................20

3 Ideen – unternehmerische Machbarkeit und industrielle Verwertung ...............21Erfassen einer komplexen Fragestellung in einem Matrix-System ........................... 21Mehrere Hierarchieebenen ...............................................................................................24Bewertungen .......................................................................................................................27Der Brückenschlag zum Quality Function Deployment ..............................................29Das zum Erfolg führende Patent ..................................................................................... 30Eine praktische Anwendung ..............................................................................................32

4 Technologietransfer: Eine Chance für die Industrie ...................................................................................33

Horizontaler und vertikaler Technologietransfer..........................................................33Beherrschung und Bewältigung von Schnittstellen .................................................... 34Technologietransfer durch Personentransfer ................................................................35Beschaffung von Information ...........................................................................................37Technologietransfer in der Unternehmensberatung ................................................... 38Hemmschwellen im Technologietransfer ......................................................................39

5 Mit Qualitätskontrollen den Produktpiraten an den Kragen............................... 41Produktpiraterie im Maschinenbau .................................................................................42Qualitätskontrollen in Eigenschaftsklassen ..................................................................42Qualitätsprüfungsmodule ................................................................................................42Beispiel: Einsatz in der Maschine .................................................................................... 43Hoher Qualitätsstandard ..................................................................................................45Ein Brückenschlag zum Entwicklungsprozess ................................................................45Produktpiraten werden es schwerer haben ...................................................................47

Inhaltsverzeichnis

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6 Entwicklungsprojekte – erfolgreich durchgeführt ................................................49PLANUNG ........................................................................................................................... 49Auftrag und Entwicklungsziel .......................................................................................... 49Stand der Technik ...............................................................................................................50Theoretische Vorbereitungen ...........................................................................................50Entwicklungsplan ................................................................................................................ 51Vorbereitung von Versuchen im Projekt .........................................................................54DURCHFÜHRUNG .............................................................................................................54AUSWERTUNG ...................................................................................................................57Resultate ..............................................................................................................................57Wirtschaftlichkeit ...............................................................................................................57Bewertung ............................................................................................................................57Berichterstattung ...............................................................................................................58INFORMATIONSRÜCKFÜHRUNG ..................................................................................59SCHUTZ GEISTIGEN EIGENTUMS ..................................................................................59

7 Konstruktionsmethodik für den Praktiker ...............................................................61Ausarbeitung einer Anforderungsliste ............................................................................ 61Bestimmung der Funktionsstruktur ................................................................................63Bestimmung des Konzepts ............................................................................................... 64

Schritt 1: Wirkprinzipien und Funktionsträgerklassen ........................................... 64Schritt 2: Funktionsträger kombinieren und deren Beziehungen untereinander prüfen ................................................................................. 64Schritt 3: Grundanordnungen bestimmen ................................................................65Schritt 4: Bewertung der Konzeptvarianten .............................................................65

Bestimmung des Vorentwurfs ......................................................................................... 66Eindimensionale Bewertung ............................................................................................ 66Mehrdimensionale Bewertung .........................................................................................69Bestimmung des Entwurfs ................................................................................................70Detaillieren, Ausarbeiten ................................................................................................... 71QFD: Das Haus der Qualität ............................................................................................. 71

8 Patente – ein effizientes Werkzeug für Entwicklungsfachleute und Produktmanager ................................................................................................ 73Zur Idee des Patents ...........................................................................................................73Von der Idee zum Prototyp: Der Ablauf eines Entwicklungsprojekts ....................... 74Patente unterstützen drei Ziele .......................................................................................76Ermittlung des Standes der Technik über eine Patentrecherche ...............................76Gedanken zur Anmeldung eines Patents ........................................................................78

9 Entwicklungscoaching mit Patenten....................................................................... 81Schritt 1: Patentrecherche ................................................................................................81

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Schritt 2: Patentdokumente gruppieren, Schutzbereiche identifizieren ................. 83Schritt 3: Ermittlung der Freiräume durch Merkmalsanalyse ................................... 84Schritt 4: Konzepterarbeitung ..........................................................................................85Schritt 5: Mehrdimensionale Bewertung ...................................................................... 86Schritt 6: Quality Function Deployment (QFD). Kundenwünsche in Relation zu Zielforderungen ....................................... 89Schritt 7: Patentanmeldung ............................................................................................. 90

10 Abstraktion und Morphologie – ein Weg zum Patent ......................................... 91Die Analyse ........................................................................................................................ 91Wirkprinzipien und Funktionsträger im morphoplogischen Kasten .......................92Innovative Lösungen ........................................................................................................95Schutz des geistigen Eigentums durch eine Patentanmeldung................................95

11 Wie lese ich ein Patent? ...........................................................................................99Aufbau eines Patentdokuments .....................................................................................99

Bibliografische Angaben ...............................................................................................99Beschreibung ................................................................................................................ 101Patentansprüche ..........................................................................................................105Zeichnungen .................................................................................................................106

Status eines Patentdokuments ....................................................................................107Tipps zum Studium eines Patentdokuments .............................................................107«Wissen, was es gibt» ...................................................................................................107«Abklärung des Schutzes» ........................................................................................... 108

12 Wie hoch ist der Wert eines Patents? ................................................................. 109Erfindung ...........................................................................................................................111Patentschutz .....................................................................................................................111Markt ................................................................................................................................. 112Konkurrenz ....................................................................................................................... 112Strategie ........................................................................................................................... 113Bewertung ........................................................................................................................ 114

13 Leistungsindikatoren zur Beurteilung von Patentportfolios ............................119Patentportfolio eines Unternehmens ......................................................................... 119Differenzierte Auswertungen innerhalb der Firma ...................................................120Fünf Kennzahlen.............................................................................................................. 121Analyse in vier Dimensionen ........................................................................................125Nachhaltige Entwicklungstätigkeit ............................................................................. 127

14 Die Patentstabstelle im Industrie unternehmen ............................................... 129Identifikation schützenswerter Erfindungen .............................................................130Stand der Technik: Bedeutung und Ermittlung ......................................................... 131

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Abgrenzung der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik ..............................................................................................................................132Vorbereitung einer Patentanmeldung ........................................................................132Einbinden einer Patentanwaltskanzlei ........................................................................133Dokumentation ...............................................................................................................135Schulung der Fachspezialisten und Produktmanager ..............................................135Kostentransparenz und Budgetierung ........................................................................136

Der Autor ....................................................................................................................... 137

Anhang ........................................................................................................................... 139Patentämter ......................................................................................................................139Patentdatenbanken im Internet ....................................................................................139Dienstleister für Patentrecherchen, Literatur- und Wissensdatenbanken ............................................................................ 140Weiterführende Literatur ............................................................................................... 140

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1 Erfolgsfaktoren in der Technologie­entwicklung

Auf die richtige Karte bei der Technologieentwicklung zu setzen, kann für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend sein. Langfristiges Vorausschauen ist mit Chancen, Risiken und Unsicherheiten verbunden. Hier beleuchten wir nur ein paar Aspekte, die für ein Gelingen bei Prozessen in der Technologieentwicklung mitverantwortlich sind.

Projektleitung

Selbstverständlich werden sehr hohe Anforderungen an einen Projektleiter gestellt. Nachdiplomstudien und Kurse bieten zuhauf Schulungsmöglichkeiten an. In der Praxis lassen sich die Kenntnisse ergänzen und führen zum ersehnten Erfahrungsschatz. Zum erworbenen Wissen und Können gehören heutzutage international ausgerichtete Fähig-keiten: Nebst Sprachkenntnissen wird eine weltweite interdisziplinäre Zusammenarbeit mit und in Teams gefordert. Die Akzeptanz fremder Kulturen und ein Verständnis für unterschiedliche Arbeitsphilosophien bilden wichtige Voraussetzungen.

Erfolgreiche Projektleiter identifizieren sich stark mit der ihr gestellten Aufgabe. Eine überaus intensive Auseinandersetzung mit sämtlichen damit verbundenen Belangen gehört zu seinen Kerninteressen. Wie die Praxis lehrt, muss um den Erfolg oft mit hoher Selbstdisziplin und Systematik, sowie mit Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen ge-rungen werden. Der beste Projektleiter steht allein da, wenn das oder die Teams nicht mitspielen. Auch an die Teammitglieder stellen sich hohe Anforderungen, insbesondere fachlicher Natur und auf eine kooperative Zusammenarbeit hin ausgerichtet, aber auch interdisziplinär und zu einem gewissen Grad auch interkulturell.

Projektleiter verfügen über eine hohe Überzeugungskraft gegenüber dem Auftraggeber, der je nach Situation ein betriebsinterner Vorgesetzter oder ein externer Kunde sein kann. Exzellente Projektleiter stellen ihren Auftraggeber nicht nur zufrieden, sondern informieren ihn regelmässig über den Projektfortschritt, die wichtigsten Zwischenergeb-nisse in prägnanter Form und wecken in ihm eine Begeisterung für die Findung weiterer nachhaltiger Innovationsideen.

Ich erinnere mich gut an einen top ausgebildeten Mitarbeiter, der ein Maschinenbau- und ein Elektrotechnikstudium absolviert hatte. Ihm mangelte es allerdings an der Fähigkeit, die eigentlichen Probleme zu erkennen. Unter grossem Einsatz arbeitete er stets an peripheren Fragestellungen und verlor damit das eigentliche Projektziel aus den Augen. Wissen allein genügt nicht, es will und muss umgesetzt werden können.

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12 Erfolgsfaktoren in der Technologie entwicklung

Markt

Ist der Markt überhaupt bereit, die neue Technologie aufzunehmen? Zur Eigenart einer Innovation gehört, dass sie erst dann eine ist, wenn sie vom Markt aufgenommen wurde. Die beste Idee mündet nicht in eine Innovation, wenn sie nicht absetzbar ist!

Ein eindrückliches Beispiel ist die Entwicklung des Airbags. So stammt beispielsweise die Idee für einen Airbag im Automobil zur Erhöhung der Sicherheit bei Verkehrsunfällen aus dem Jahr 1951 (Bild 1.1 ): In der deutschen Patentschrift Nr. 896 312, in der als Erfinder ein Walter Linderer genannt wird, heisst es schlicht im Hauptanspruch: «Einrichtung zum Schutze von in Fahrzeugen befindlichen Personen gegen Verletzungen bei Zusammenstös-sen, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Fahrzeug ein aufblasbarer, wenig oder gar nicht luftdurchlässiger, vorzugsweise elastischer Behälter derart in der Nähe der zu schützenden Person angebracht ist, dass er, durch eine Vorrichtung aufgeblasen, sich vor den Oberkörper der zu schützenden Person legt.» Die ersten Patente hingegen, die eine wirtschaftliche Nutzung des Airbags ermöglichten, folgten erst 20 Jahre später! Der Markt war also im Jahre 1951 für diese nutzbringende Idee noch gar nicht reif.

Bild 1.1: Prinzip des Airbags nach der deutschen Patentschrift Nr. 896 312 von 1951 (Zeich-nung gemäss Original): «Einrichtung zum Schutze von in Fahrzeugen befindlichen Personen gegen Verletzungen bei Zusammenstössen, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Fahrzeug ein aufblasbarer, wenig oder gar nicht luftdurchlässiger, vorzugsweise elastischer Behälter derart in der Nähe der zu schützenden Person angebracht ist, dass er, durch eine Vorrichtung aufgeblasen, sich vor den Oberkörper der zu schützenden Person legt.»

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Der profunde Projektleiter muss von sich selbst abverlangen, dass er sich auch um Marktaspekte kümmert. Bei Dienstleistungen kann der Markt ein betriebsinterner oder ein externer, sprich Kunde, sein. Marktstudien sind ein Muss. Mit der schnellen Ver-änderungsrate der Marktbedürfnisse sind rasche Reaktionen gefragt. Entsprechende Bedingungen, die sich aus marktspezifischen Randbedingungen ergeben, wie der Eintritt in einen Pioniermarkt oder in einen Verdrängungsmarkt, beeinflussen den Entwick-lungsprozess stark, ebenso ein zu erwartendes Marktvolumen und ein abzuschätzendes Marktpotenzial.

Projektarbeit und Projektfortschritt

Entwicklungsprozesse fordern von allen Involvierten eine Weitsicht, die sich auf das Wesentliche fokussieren lässt. Die Kunst dabei ist, das richtige Mass an Weitsicht zu finden. Eine streng fokussierte Projektarbeit lässt Chancen verpassen. Wird das Feld zu weit gesteckt, leidet die Zielorientierung. Ein cleverer Kompromiss kann erstaunliche Innovationen hervorrufen und gleichzeitig den Projektfortschritt unterstützen. Hier lohnt sich ein Denken in Szenarien: Genaues Durchdenken mehrerer möglicher Wege, objektive Bewertung und Entscheidfällung für die nächsten Schritte. Jeder Schritt muss die Projekt-arbeit weiterbringen, beziehungsweise nach der Vollendung betrachtet, weitergebracht haben. Dazu gehört das proaktive Voraussehen zu erwartender Ergebnisse. Experimente und Versuche sollen erst begonnen werden, wenn Kausalzusammenhänge qualitativ im Voraus überlegt worden sind. Messungen führen dann entweder zu einer Bestätigung oder zu nicht erwarteten Resultaten. Im zweiten Falle muss ein höheres Verständnis für das Zusammenspiel verschiedener Faktoren erarbeitet werden, bevor weitergemessen oder die Projektarbeit fortgesetzt wird.

Stets muss sich auch die Frage gestellt werden: Was passiert mit den erarbeiteten Ergeb-nissen? Welches sind die Konsequenzen? Was macht der Auftraggeber mit dem neuen Wissen und bis wann tut er dies? Es ist absolut sinnlos, Projektarbeit zu leisten, die in keiner Art und Weise zu irgendwelchen Konsequenzen führt.

Projektfortschritt ist nicht gleich Projektfortschritt: Beim Form- und Abpackprozess von blockartigen Butterstücken können schichtenartige Strukturen in der Butter entstehen, die zum Auseinanderfallen von geschnittenen Butterscheiben führen. Französische Kunden bemängelten dies und forderten Abhilfe. Dieses Problem war lösbar. Entsprechende Mass-nahmen liessen hingegen an der Oberfläche des Butterstücks ringförmige Strukturen er-kennen. Dies störte den Kunden aus Frankreich nicht – ein Fortschritt wurde erzielt –, wohl aber denjenigen aus Norwegen! Ein Fortschritt in Frankreich kann also einen Rückschritt in Norwegen bedeuten. Dem einen sein Uhl ist dem anderen sein Nachtigall, wie ein altes Sprichwort sagt …

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14 Erfolgsfaktoren in der Technologie entwicklung

Positive Überraschungen beleben ein Technologieentwicklungsprojekt. Nutzen wir also die verschiedenen bekannten Kreativitätsmethoden und -techniken, um ein Klima zu schaffen, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit einzigartige Innovationen hervorgerufen werden können.

Bedeutung des geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP)

Projektleiter sollten nicht nur über Basiskenntnisse im Patentwesen verfügen, sondern vor allem die Bedeutung der Patente als «Werkzeuge für Entwicklungsingenieure und Produktmanager» kennengelernt haben. Patente bieten ein grosses Potenzial für die Generierung von Ideen und für eine zielgerichtete Lösungsfindung. Dieses Potenzial wird noch viel zu wenig ausgenutzt.

Das geistige Eigentum, insbesondere in Form publizierter Patentliteratur, begleitet einen Technologieentwicklungsprozess am besten von Beginn an. Die Patentliteratur offenbart den grössten Teil des Standes der Technik, also technisches Wissen, welches der Öffent-lichkeit zugänglich ist. Kostenlose Datenbanken im Internet, wie das www.espacenet.ch, erlauben jedermann den Zugang. Nebst in anderer Weise aufbereitbarer Informationen, wie beispielsweise über Fachliteraturrecherchen, wissenschaftliche Studien, Lieferan-tenkataloge, Prospektmaterial etc., erhält man zusammen mit Patentrecherchen das notwendige Basiswissen für einen gut vorbereiteten Einstieg ins Projekt.

Patentliteratur zeigt auf, woran die Mitbewerberschaft arbeitet und was sie zu schützen gedenkt. Eine Patentanmeldung wird 18 Monate nach Anmeldedatum publiziert. Obwohl Patente in der Regel erst nach einigen Jahren zur Erteilung gelangen, erlangt man über die veröffentlichten Anmeldungen Kenntnis über den technischen Gehalt. Dies regt zum Denken an und fördert die Findung neuer Lösungsansätze. Beim Studieren von Patent-literatur ergibt sich eine Katalysatorwirkung, die gute Ideen hervorrufen kann.

Analysen von Patentrecherchen lassen technologische Stossrichtungen erkennen. Dass Erfindungen zu gewissen Funktionen in technischen Systemen bevorzugt zum Schutz angemeldet werden, deutet auf deren Aktualität hin. Die Kenntnis dieser Tatsache liefert wertvolle Hinweise, in welche Richtung die zu entwickelnde Technologie genialerweise getrieben werden soll.

Die Länderabdeckung des Patentschutzes ist ein Indiz für die Märkte. Macht ein Unter-nehmen in einem bestimmten Land Patentrechte geltend, ist dies damit verbunden, dass die Firma in diesem Land herstellen und/oder vertreiben möchte, oder aber, dass ein Mitbewerber dort seinen Sitz hat. Patente und deren Anzahl in bestimmten Ländern lassen Rückschlüsse auf die dortige Marktsituation zu.

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Die weit geläufigere Funktion von Patenten ist deren Schutzfunktion. Patente schützen Erfindungen, die neu sind und auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Mit der Errichtung von Patenten lässt sich ein wirtschaftliches Monopol auf bestimmte Zeit, maximal 20 Jahre beziehungsweise 21 Jahre inklusive Prioritätsjahr, begründen. Das heisst, die Verwendung einer Erfindung unter Ausschluss Dritter bleibt in diesem Zeitraum dem Patentinhaber vorbehalten. Ein eigenes Patent blockiert die Mitbewerberschaft, die gleiche Erfindung wirtschaftlich nutzen zu können. Patente können verkauft oder verlizenziert werden. Eine Lizenz, in Form einer Einzel- oder einer Exklusivlizenz, lässt sich auch nur auf einen Teil des gesamten Schutzumfangs beschränken, zum Beispiel auf ausgewählte Anwendungen in ganz bestimmten Märkten und Ländern. Es können Zulieferanten Nutzungsmöglichkeiten an einem Patent eingeräumt werden, um sicherzustellen, dass nach diesem Patent herge-stellte Zulieferprodukte ausschliesslich dem Patentinhaber zustehen. Eigene Schutzrechte verbessern meist schwierige Situationen bei Patentstreitigkeiten. Man gewinnt dadurch Handlungsspielraum und hat etwas hinsichtlich einer möglichen gütlichen Einigung in der Hand, bevor es vor Gericht geht: Crosslizensing ist eine Alternative.

Der Besitz von Patenten erhöht den Wert einer Unternehmung. Dabei stellt sich natürlich die Frage: Wie hoch ist der Wert eines Patents? Diesbezüglich sei auf Kapitel 12 verwiesen.

Nebst der Errichtung von Patenten gehören auch andere Schutzrechtsmechanismen in die Schutzstrategie einer Firma, an die gedacht werden müssen, wie beispielsweise der Markenschutz, der Designschutz, die Geheimhaltung und der Umgang mit Know-how.

Ein Projektleiter sollte eine Schlüsselfigur sein. Mit dem in diesem Abschnitt skizzierten Zusatzwissen und entsprechenden zusätzlichen Fähigkeiten kann er seinen spannenden Beruf zu seiner persönlichen Berufung ausweiten, die ihn einerseits mit Tatkraft ausstat-tet, mit Begeisterung erfüllt und anderseits der Wirtschaft zu nachhaltigen Innovationen verhilft (Bild 1.2).

Bild 1.2: Technologieentwicklung – ein Schlüssel zum Erfolg

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2 Patente: Bereits im Front End of Innovation?

Eine proaktive Schutzrechtsstrategie bildet sich bereits im Front End eines Innovations-prozesses ab (Bild 2.1). In dieser frühen Zeitspanne von der Entdeckung einer Marktchance bis zum fertigen Ideenkonzept liegt ein grosses Potenzial begründet für einen erfolgreichen Innovationsprozess sowie für die Sicherung patentrechtlicher Schutzrechte im Vorfeld der Entwicklung.

Bild 2.1: Front End of Innovation

Der Einbezug von Patentliteratur bildet dabei von Beginn an einen wesentlichen Mosa-ikstein, der sich am Schluss als massgeblicher Faktor für den Erfolg erweisen kann, näm-lich gerade dann, wenn entsprechende Schutzrechtsmassnahmen bereits in einem sehr frühen Stadium getroffen werden. Wir betrachten und analysieren dazu vier Teilaspekte:

Erstens: Monitoring

Für die Bestimmung des Suchfeldes steht nebst verschiedenen Quellen auch die Pa-tentliteratur zur Verfügung. Weit über 80 % des technischen Wissens liegen in Form von Patentdokumenten vor. Unter Patentdokumenten versteht man publizierte Patent-anmeldungen und erteilte Patente.

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18 Patente: Bereits im Front End of Innovation?

Nachforschungen in diesem Informationsfundus lohnen sich und regen zu Denkanstössen an. Es geht hierbei vorerst um die Sammlung technischer Aspekte und noch keineswegs um Schutzrechtsabklärungen. Mehr als 90 % aller Patente sind ohne Schutz und können frei genutzt werden: Spätestens nach 20 Jahren sind sie abgelaufen, und viele gelangten gar nie bis zur Erteilung. Wieder andere wurden aus diversen Gründen fallengelassen und eine weitere Anzahl wurde zwar erteilt, ist aber aufgrund später aufgetauchten älteren Standes der Technik nicht durchsetzbar. In diesem Stadium dient die Patentliteratur als technische Information und zur Unterstützung bei der Absteckung des Suchfeldes.

Recherchen lassen sich auf verschiedene Technologiefelder fokussieren. In Sach-, Pa-tentklassen- und Namensrecherchen finden sich effizient wesentliche Informationen, die die eigentliche Entwicklung massgeblich befruchten. Als ein Ergebnis dieser Arbeiten kristallisieren sich auch die Patentportfolios der Mitbewerberschaft heraus, zumindest in einer ersten Übersicht. Patentdatenbanken bilden einen Teil der Quellen. Fachliteratur und Internet bieten weitere Möglichkeiten, um das Monitoring abzurunden.

Zweitens: Markt

Wo liegen die Kundeninteressen? Die Ergebnisse der ersten Vorphase liefern bei entspre-chender Analyse wertvolle Impulse: Patentdokumente zeigen auf, welche Techniken oder Technologien in welchen Bereichen zur Anwendung kommen und in welche Richtungen Neu- und Weiterentwicklungen wirtschaftlich interessant sein könnten.

Wenn eine Firma in einem bestimmten Land Patentrechte geltend macht, ist dies damit verbunden, dass das Unternehmen in diesem Land entsprechende Produkte anbieten, herstellen und/oder verkaufen möchte. Bestimmte geschützte Produkte oder Verfahren in bestimmten Ländern lassen auf Marktpotenziale schliessen.

Kundenbefragungen und Marktstudien können in Zusammenhang mit den Resultaten der vorangegangenen Recherchen gebracht werden. Manche Aussagen aus den Marketing-untersuchungen lassen sich oft bestätigen oder aber sie geben Anlass zur Hinterfragung. Die Geschäftsstrategie und die firmeneigenen Interessen haben hier grossen Einfluss.

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Drittens: Innovation

An diesem Punkt ist ingeniöses Denken gefragt. Die bisher aufbereiteten Informationen gelangen in die F & E–Abteilung (Forschung und Entwicklung). Eine geeignete Präsenta-tionsweise vor den Entwicklungsfachleuten legt einen fruchtbaren Boden, woraus neue und innovative Ideen keimen und worauf sie gedeihen können.

Eine firmeninterne Moderation behandelt beispielsweise die Frage: Welche Funktionen treten beim neu zu entwickelnden technischen System auf und welche Aspekte spielen eine Rolle?

Unter Leitung eines Moderators führt man Kärtchenabfragungen im Team durch. Das Team besteht aus Mitgliedern der Entwicklungsgruppe, verstärkt mit Fachleuten aus Mar-keting und Verkauf. Es folgen ein gemeinsames Ordnungschaffen unter den ermittelten Aspekten und Suchen entsprechender Oberbegriffe. Die Visualisierung an der Pinwand bildet die Basis für eine Strukturanalyse des später zu entwickelnden technischen Sys-tems. Es resultiert eine abstrakte Funktionsstruktur. Diese stellt Funktionalitäten und deren Relationen untereinander dar. In einer morphologischen Matrix lassen sich für einzelne Funktionalitäten Wirkprinzipien und Funktionsträger systematisch erfassen. Die durchgeführten Patentrecherchen liefern hierzu konkrete Ausführungen und Impulse für die Innovation! Eine Synthese sich eignender Funktionsträger unter der Randbedin-gung der Kompatibilität untereinander führt zu Konzeptvarianten, die schliesslich einer Bewertung unterzogen werden. Diese Methode erhöht die Chance erheblich, auch nicht naheliegende Lösungsansätze zu finden. Es resultiert eine Selektion grundsätzlicher Lösungsansätze, die es im Entwicklungsprojekt weiterzuverfolgen gilt.

Quality Function Deployment (Qualitätsfunktionendarstellung, QFD) gestattet schliess-lich, die Beziehungen zwischen Kundenwünschen und Zielforderungen darzustellen und diejenigen Funktionalitäten herauszuschälen, die bei entsprechender Optimierung einen signifikant höheren Kundennutzen herbeiführen können.

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20 Patente: Bereits im Front End of Innovation?

Viertens: Schutz geistigen Eigentums

Dabei geht es um die Besetzung strategischer Erfindungsfelder. Es sollen nicht nur konkretere Erfindungen aus Lösungskonzepten geschützt werden, sondern auch Ge-biete im Umfeld des eigentlichen zu entwickelnden Produktes mit Patentanmeldungen abgesteckt werden. Hauptzweck in dieser Vorphase ist es, mittels einer ersten Patent-anmeldung zu verhindern, dass Mitbewerber infolge eigener Anmeldungen die geplante Entwicklung blockieren könnten. Ein gewisser Systemschutz oder ein Schutz wahrschein-licher Schlüsselerfindungen ist jetzt angesagt.

Den vier skizzierten Vorphasen «Monitoring», «Markt», «Innovation» und «Schutz geistigen Eigentums» folgt der eigentliche Entwicklungsprozess, gegliedert in mehrere Arbeitsphasen (Stages), die durch Kontrollpunkte (Gates) voneinander getrennt sind. Die sorgfältigen Abklärungen in der vorgelegten Front-End-Phase unter Einbezug des riesigen Fundus der Patentdokumente bilden eine optimale Plattform für die eigentliche Ent-wicklung und die anschliessend erfolgreiche Lancierung neuer innovativer Produkte im Markt sowie eine Ankurbelung eines unsere Wirtschaft weiterbringenden Wettbewerbs.

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