Interview H1N1

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8 WOCHENPOST 9. Januar 2011 DAS INTERVIEW Wochenpost-Interview mit Johannes Maas - „Presse sollte auf sachlicher Ebene berichten“ „Den Experten vertrauen“ Thema „H1N1“ Die Schweinegrippe ist zurück. Nach den ersten Todesfällen durch den H1N1-Erreger taucht das Virus wieder in den Medien auf. Grund zur Panik? Gibt es Möglichkeiten, wie man sich schützen kann? Zahlreiche Fragen und Verunsicherungen tauchen im Zusammenhang mit der Schweinegrippe auf. Im Interview mit Wochenpost-Redak- teurin Silke Sandkötter klärt der hausärz- tliche Internist Johannes Maas (Gladbeck) auf: Herr Maas, die Schweinegrippe war an- geblich verschwunden. Nun sind mehrere Menschen in England und Deutschland an dem Virus gestorben. Ist das Virus H1N1 wirklich überraschend zurückgekehrt? Johannes Maas: Nicht überraschend, es war zu erwarten, dass es in der kalten Jahreszeit zu erneuten Infektionen kommen würde. Der- zeit ist eine ansteigende Anzahl an Influenza- infektionen zu verzeichnen - auch in NRW - wobei der Verlauf der Erkrankung und die Altersstruktur der Erkrankten an eine H1N1- Infektion denken lassen. Im nationalen Refe- renzzentrum für Influenza(NRZ) waren in der 51. und 52. Kalenderwoche im vergangenen Jahr 67 Prozent der eingesandten positiven Proben H1N1-Infektionen. Hat sich das Virus verändert? Maas: Es gibt mittlerweile Mutationen, im Wesentlichen haben sich zwei Gruppen ent- wickelt, gegen beide ist der aktuelle saisonale Grippeimpfstoff wirksam. Die krankmachenden Eigenschaften und die Übertragbarkeit haben sich nicht wesentlich geändert. Ist die Impfung noch aktuell, wenn man im vergangenen Jahr bereits gegen H1N1 geimpft wurde? Maas: Ja, eine erneute Impfung mit dem saisonalen Impfstoff wird aber trotz vorhe- riger Impfung empfohlen, da im saisonalen Impfstoff noch zwei weitere Virustypen enthalten sind. Eine solche Impfung scha- det nicht, erhöht sogar eher die Immunität gegen H1N1. Wer sollte sich impfen lassen? Maas: Die ständige Impfkommision emp- fiehlt die Impfung für alle Personen über 60 Jahre, Personen mit Grunderkrankungen (Herz- oder Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, Personen mit Immundefekten z.B. HIV etc), Schwangere ab dem zweiten Drit- tel der Schwangerschaft und Personen, die im medizinischen Bereich tätig sind bzw. Personen mit viel Publikumsverkehr. Im Ein- zelfall sollte man mit dem Hausarzt über eine Impfung sprechen. Gibt es Tipps, wie man sich vor der Grippe schützen kann? Maas: Vitaminreiche, ausgewogene Ernäh- rung, größere Menschenansammlungen meiden, häufiges Händewaschen, vor allem nach Kontakt mit möglicherweise Erkrank- ten oder Kontakt mit Oberflächen (Treppen- geländer, Türklinken in der Öffentlichkeit). Wie beurteilen Sie die Diskussion, die es im vergangenen Jahr um die Schweine- grippe in Deutschland gegeben hat? Maas: Die Diskussion wurde ja sehr kontro- vers geführt. Letztendlich haben die Leute Recht behalten, die die ergriffenen Maß- nahmen und die öffentliche Diskussion für übertrieben gehalten haben. Dadurch hat sich aber auch gezeigt, dass der Verlauf einer Pandemie sehr schwierig vorauszusagen ist. Es sollte eine sachliche Diskussion geführt werden, wobei man den Experten vertrauen sollte. Schreckensmel- dungen bezüglich der Nebenwirkungen der Impfung und dem Verlauf der Erkrankung (verglichen mit normalen Ausbreitung der Grippe), wie wir sie im Verlauf der H1N1 Ausbreitung erlebt haben, sind nicht einge- treten. Es gibt Stimmen, die behaupten, der Auf- ruf zu Massenimpfungen im Vorjahr war ein Testlauf für Impfstoffe. Würden Sie diesen Leuten zustimmen? Maas: Nein, wobei sicherlich ungewollt ei- nige Lehren gezogen werden konnten. Das öffentliche Gesundheitswesen hat gesehen, dass es organisatorischen Verbesserungsbe- darf im Pandemiefall gibt. Die Pharmazieindustrie hat gelernt, wie man schnell viele Impfstoffdosen herstellt und die Verteilungswege sind gebahnt. Auch in den einzelnen Praxen, die geimpft haben, hat sich eine Organisationsstruktur entwi- ckelt, nicht nur bei der Impfung sondern auch im Umgang mit möglicherweise infi- zierten Patienten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Begriff Pandemie basierend auf den Da- ten der H1N1-Ausbreitung neu definiert. Auch die Presse sollte ihre Lehren ziehen und auf sachlicher Ebene berichten, was hoffentlich mit diesem Interview gelungen ist. Auf der Homepage der Wochenpost gibt es zudem noch eine Umfrage zum Thema. Wir haben mit Passanten auf dem Wochenmarkt in Gescher über die Schweinegrippe gespro- chen. www.wochenpostonline.de Weitere Informationen und viele nütz- liche Links gibt es auf der Seite des rki (Ro- bert-Koch-Instituts). www.rki.de. Zwei Fläschchen mit dem Grippe- Impfstoff Pandemrix (links) und mit dem dazugehörigen Wirk- stoffverstärker. Foto: dapd Der hausärztliche Internist Johannes Maas (Gladbeck) beantwortet Im Wochenpost- Interview Fragen zum Thema „Schweine- grippe“. Foto: Sandkötter

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8 WOCHENPOST 9. Januar 2011D A S I N T E R V I E W

Wochenpost-Interview mit Johannes Maas - „Presse sollte auf sachlicher Ebene berichten“

„Den Experten vertrauen“Thema „H1N1“

Die Schweinegrippe ist zurück. Nach den ersten Todesfällen durch den H1N1-Erreger taucht das Virus wieder in den Medien auf. Grund zur Panik? Gibt es Möglichkeiten, wie man sich schützen kann? Zahlreiche Fragen und Verunsicherungen tauchen im Zusammenhang mit der Schweinegrippe auf. Im Interview mit Wochenpost-Redak-teurin Silke Sandkötter klärt der hausärz-tliche Internist Johannes Maas (Gladbeck) auf:

Herr Maas, die Schweinegrippe war an-geblich verschwunden. Nun sind mehrere Menschen in England und Deutschland an dem Virus gestorben. Ist das Virus H1N1 wirklich überraschend zurückgekehrt?

Johannes Maas: Nicht überraschend, es war zu erwarten, dass es in der kalten Jahreszeit zu erneuten Infektionen kommen würde. Der-zeit ist eine ansteigende Anzahl an Influenza-infektionen zu verzeichnen - auch in NRW - wobei der Verlauf der Erkrankung und die Altersstruktur der Erkrankten an eine H1N1-Infektion denken lassen. Im nationalen Refe-renzzentrum für Influenza(NRZ) waren in der 51. und 52. Kalenderwoche im vergangenen Jahr 67 Prozent der eingesandten positiven Proben H1N1-Infektionen.

Hat sich das Virus verändert?

Maas: Es gibt mittlerweile Mutationen, im Wesentlichen haben sich zwei Gruppen ent-wickelt, gegen beide ist der aktuelle saisonale Grippeimpfstoff wirksam. Die krankmachenden

Eigenschaften und die Übertragbarkeit haben sich nicht wesentlich geändert.

Ist die Impfung noch aktuell, wenn man im vergangenen Jahr bereits gegen H1N1 geimpft wurde?

Maas: Ja, eine erneute Impfung mit dem saisonalen Impfstoff wird aber trotz vorhe-riger Impfung empfohlen, da im saisonalen Impfstoff noch zwei weitere Virustypen enthalten sind. Eine solche Impfung scha-det nicht, erhöht sogar eher die Immunität gegen H1N1.

Wer sollte sich impfen lassen?

Maas: Die ständige Impfkommision emp-fiehlt die Impfung für alle Personen über 60 Jahre, Personen mit Grunderkrankungen (Herz- oder Lungenerkrankungen, Diabetes

mellitus, Personen mit Immundefekten z.B. HIV etc), Schwangere ab dem zweiten Drit-tel der Schwangerschaft und Personen, die im medizinischen Bereich tätig sind bzw. Personen mit viel Publikumsverkehr. Im Ein-zelfall sollte man mit dem Hausarzt über eine Impfung sprechen.

Gibt es Tipps, wie man sich vor der Grippe schützen kann?

Maas: Vitaminreiche, ausgewogene Ernäh-rung, größere Menschenansammlungen meiden, häufiges Händewaschen, vor allem nach Kontakt mit möglicherweise Erkrank-ten oder Kontakt mit Oberflächen (Treppen-geländer, Türklinken in der Öffentlichkeit).

Wie beurteilen Sie die Diskussion, die es im vergangenen Jahr um die Schweine-grippe in Deutschland gegeben hat?

Maas: Die Diskussion wurde ja sehr kontro-vers geführt. Letztendlich haben die Leute Recht behalten, die die ergriffenen Maß-nahmen und die öffentliche Diskussion für übertrieben gehalten haben.

Dadurch hat sich aber auch gezeigt, dass der Verlauf einer Pandemie sehr schwierig vorauszusagen ist. Es sollte eine sachliche Diskussion geführt werden, wobei man den Experten vertrauen sollte. Schreckensmel-dungen bezüglich der Nebenwirkungen der Impfung und dem Verlauf der Erkrankung (verglichen mit normalen Ausbreitung der Grippe), wie wir sie im Verlauf der H1N1

Ausbreitung erlebt haben, sind nicht einge-treten.

Es gibt Stimmen, die behaupten, der Auf-ruf zu Massenimpfungen im Vorjahr war ein Testlauf für Impfstoffe. Würden Sie diesen Leuten zustimmen?

Maas: Nein, wobei sicherlich ungewollt ei-nige Lehren gezogen werden konnten. Das öffentliche Gesundheitswesen hat gesehen, dass es organisatorischen Verbesserungsbe-darf im Pandemiefall gibt.Die Pharmazieindustrie hat gelernt, wie man schnell viele Impfstoffdosen herstellt und die Verteilungswege sind gebahnt. Auch in den einzelnen Praxen, die geimpft haben, hat sich eine Organisationsstruktur entwi-ckelt, nicht nur bei der Impfung sondern auch im Umgang mit möglicherweise infi-zierten Patienten.Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Begriff Pandemie basierend auf den Da-ten der H1N1-Ausbreitung neu definiert.Auch die Presse sollte ihre Lehren ziehen und auf sachlicher Ebene berichten, was hoffentlich mit diesem Interview gelungen ist.

• Auf der Homepage der Wochenpost gibt es zudem noch eine Umfrage zum Thema. Wir haben mit Passanten auf dem Wochenmarkt in Gescher über die Schweinegrippe gespro-chen. www.wochenpostonline.de • Weitere Informationen und viele nütz-liche Links gibt es auf der Seite des rki (Ro-bert-Koch-Instituts). www.rki.de.

Zwei Fläschchen mit dem Grippe-Impfstoff Pandemrix (links) und mit dem dazugehörigen Wirk-stoffverstärker. Foto: dapd

Der hausärztliche Internist Johannes Maas (Gladbeck) beantwortet Im Wochenpost-Interview Fragen zum Thema „Schweine-grippe“. Foto: Sandkötter