Interview mit Clemens Daeschle zum Thema „Management globaler Softwareentwicklung in der SAP AG“

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WI – INTERVIEW Interview mit Clemens Daeschle zum Thema „Management globaler Softwareentwicklung in der SAP AG“ Dr. Clemens Daeschle ist Vizepräsident Globalisierungsmanagement im Labs Network der SAP AG. Als Mitglied des Labs-Network-Management-Teams verantwortet er die gegenseitige Ausrichtung der Anforderungen und Ziele der lokalen Entwicklungsstandorte mit den weltweiten Zielvorgaben des Unternehmens. Vor Übernahme seines aktuellen Aufgabenbereiches leitete Dr. Daeschle ein globales Entwicklerteam, das am SAP-Produkt SAP ByDesign arbeitete und dessen Teammitglieder sowohl von Indien aus als auch von Deutschland aus arbeiteten. Vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der SAP AG im Jahr 1997 arbeitete Dr. Daeschle als Entwickler für die DCW GmbH, ein mittelständisches Softwareunternehmen. Seine Promotion legte Dr. Daeschle nach abgeschlossenem Diplomstudium im Fach Mathematik an der Universität Freiburg im Breisgau ab. DOI 10.1007/s11576-012-0316-4 Dr. Clemens Daeschle SAP AG Dietmar-Hopp-Allee 16 69190 Walldorf Deutschland [email protected] Der Interviewer Prof. Dr. Alexander Maedche ( ) Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik IV Fakultät für Betriebswirtschaftslehre Institut für Enterprise Systems (InES) Universität Mannheim 68131 Mannheim Deutschland [email protected] Online publiziert: 2012-04-28 This article is also available in Eng- lish via http://www.springerlink.com and http://www.bise-journal.org: Maedche A (2012) Interview with Clemens Daeschle on “Manage- ment of Global Software Develop- ment at SAP AG”. Bus Inf Syst Eng. doi: 10.1007/s12599-012-0209-5. © Gabler Verlag 2012 WI: Dr. Daeschle, Globalisierung kann für ein Unternehmen beides bedeuten, Risiken und Chancen. Die IT-Branche globalisierte ja sehr schnell. Wie wür- den Sie den Einfluss beschreiben, den die Globalisierung auf die Arbeitsformen innerhalb der SAP hat? Daeschle: SAP begreift Globalisierung auf jeden Fall als große Chance. Be- trachten sie beispielsweise die heutigen Kundenanforderungen. Heute verlangen Kunden einfach beides zugleich, globa- le und lokale Lösungen. Diese Anforde- rungen können wir deshalb erfüllen, weil wir diese Denkweise verinnerlicht haben. Das kommt vielleicht einfach daher, dass unser Unternehmen in Europa gegründet wurde. Hier in Deutschland startete das Team von Anfang an mit einem starken Bewusstsein für das Entwickeln von Lö- sungen, die globalen und lokalen Anfor- derungen gleichermaßen gerecht werden sollten. Als ein weiteres Feld, in dem uns die Globalisierung große Chancen eröffnet, möchte ich das enorme Potenzial von Ta- lenten erwähnen. Dank der Globalisie- rung können wir alle weltweit zusam- menarbeiten. Wir können unterschiedli- che Menschen aus den unterschiedlichs- ten Kulturkreisen für uns gewinnen mit all ihrer Leidenschaft, ihren Ideen und Träumen. Das Schlagwort „Reverse In- novation“ ist ein aktuell intensiv disku- tierter Trend: Gemeint ist das Phäno- men, wie in Schwellenländern entstande- ne Ideen ausgezeichnete Geschäftschan- cen in den reifen Märkten der hoch- entwickelten Länder generieren können. Dies ist ein aktuelles Beispiel für die- se große Chance, das weltweite Spek- trum und die Vielfalt unterschiedlichster Talente zu nutzen. WI: Die Zusammenarbeit weltweit ver- teilter Teams ist heute in Unternehmen weit verbreitet. Durch solche global ver- teilten Teams können Kosteneinsparun- gen bei transnationalen Geschäften er- reicht werden, Flexibilität und Geschwin- digkeit verbessert und somit Wettbe- werbsvorteile in internationalen Märkten erzielt werden. Wie fördert SAP heute das Konzept globaler virtueller Teams? WIRTSCHAFTSINFORMATIK 3|2012 169

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Interview mit Clemens Daeschle zum Thema„Management globaler Softwareentwicklungin der SAP AG“Dr. Clemens Daeschle ist Vizepräsident Globalisierungsmanagement im Labs Network derSAP AG. Als Mitglied des Labs-Network-Management-Teams verantwortet er diegegenseitige Ausrichtung der Anforderungen und Ziele der lokalen Entwicklungsstandortemit den weltweiten Zielvorgaben des Unternehmens. Vor Übernahme seines aktuellenAufgabenbereiches leitete Dr. Daeschle ein globales Entwicklerteam, das am SAP-ProduktSAP ByDesign arbeitete und dessen Teammitglieder sowohl von Indien aus als auch vonDeutschland aus arbeiteten. Vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der SAP AG im Jahr 1997arbeitete Dr. Daeschle als Entwickler für die DCW GmbH, ein mittelständischesSoftwareunternehmen. Seine Promotion legte Dr. Daeschle nach abgeschlossenemDiplomstudium im Fach Mathematik an der Universität Freiburg im Breisgau ab.

DOI 10.1007/s11576-012-0316-4

Dr. Clemens DaeschleSAP AGDietmar-Hopp-Allee 1669190 [email protected]

Der Interviewer

Prof. Dr. Alexander Maedche (�)Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik IVFakultät für BetriebswirtschaftslehreInstitut für Enterprise Systems (InES)Universität Mannheim68131 [email protected]

Online publiziert: 2012-04-28

This article is also available in Eng-lish via http://www.springerlink.comand http://www.bise-journal.org:Maedche A (2012) Interview withClemens Daeschle on “Manage-ment of Global Software Develop-ment at SAP AG”. Bus Inf Syst Eng.doi: 10.1007/s12599-012-0209-5.

© Gabler Verlag 2012

WI: Dr. Daeschle, Globalisierung kannfür ein Unternehmen beides bedeuten,Risiken und Chancen. Die IT-Brancheglobalisierte ja sehr schnell. Wie wür-den Sie den Einfluss beschreiben, dendie Globalisierung auf die Arbeitsformeninnerhalb der SAP hat?

Daeschle: SAP begreift Globalisierungauf jeden Fall als große Chance. Be-trachten sie beispielsweise die heutigenKundenanforderungen. Heute verlangenKunden einfach beides zugleich, globa-le und lokale Lösungen. Diese Anforde-rungen können wir deshalb erfüllen, weil

wir diese Denkweise verinnerlicht haben.Das kommt vielleicht einfach daher, dassunser Unternehmen in Europa gegründetwurde. Hier in Deutschland startete dasTeam von Anfang an mit einem starkenBewusstsein für das Entwickeln von Lö-sungen, die globalen und lokalen Anfor-derungen gleichermaßen gerecht werdensollten.

Als ein weiteres Feld, in dem uns dieGlobalisierung große Chancen eröffnet,möchte ich das enorme Potenzial von Ta-lenten erwähnen. Dank der Globalisie-rung können wir alle weltweit zusam-menarbeiten. Wir können unterschiedli-che Menschen aus den unterschiedlichs-ten Kulturkreisen für uns gewinnen mitall ihrer Leidenschaft, ihren Ideen undTräumen. Das Schlagwort „Reverse In-novation“ ist ein aktuell intensiv disku-tierter Trend: Gemeint ist das Phäno-men, wie in Schwellenländern entstande-ne Ideen ausgezeichnete Geschäftschan-cen in den reifen Märkten der hoch-entwickelten Länder generieren können.Dies ist ein aktuelles Beispiel für die-se große Chance, das weltweite Spek-trum und die Vielfalt unterschiedlichsterTalente zu nutzen.

WI: Die Zusammenarbeit weltweit ver-teilter Teams ist heute in Unternehmenweit verbreitet. Durch solche global ver-teilten Teams können Kosteneinsparun-gen bei transnationalen Geschäften er-reicht werden, Flexibilität und Geschwin-digkeit verbessert und somit Wettbe-werbsvorteile in internationalen Märktenerzielt werden. Wie fördert SAP heute dasKonzept globaler virtueller Teams?

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Daeschle: Meiner Meinung nach ist dierichtige Standortstrategie eine Hauptvor-aussetzung, um globale virtuelle Teamserfolgreich zu machen. Wir glauben festan globale strategische Partnerschaften.Unser übergeordnetes Ziel ist es, in fol-genden fünf zusammenhängenden Be-reichen unsere globale Leistung zu ver-bessern: Kostensenkung, Innovation, Zu-gang zu neuen Märkten, Umsatzwachs-tum, und Erreichbarkeit von neuen Ta-lenten. Für ein Unternehmen, welchesdiesen Ansatz verfolgt, kann Globalisie-rung natürlich nur dann funktionieren,wenn sie Hand in Hand geht mit Inves-titionen in seine Mitarbeiter. Und einesist sicher, diese Investition ist kostspieligund ist weit mehr als nur eine Initiativezur Kostensenkung.

Für SAP bedeutet Investition in Men-schen, den Prinzipien des Lean Manage-ments zu folgen. Ein ganz elementarerSchritt dabei ist der Aufbau kleinster Ent-wicklungseinheiten. Die Grundidee die-ser kleinsten Entwicklungseinheiten istdie Zusammensetzung eines Teams voncirca zehn Mitgliedern, die Expertenwis-sen aus unterschiedlichen Funktionsbe-reichen mitbringen. Funktionsübergrei-fende Teams in der Softwareproduktent-wicklung setzen sich aus Spezialisten ausden Bereichen Entwicklung, Produktma-nagement, Qualitätsmanagement, Doku-mentation und Benutzerschnittstellenge-staltung zusammen. Diese leistungsstar-ken, multi-disziplinären kleinen Einhei-ten arbeiten gemeinsam am selben Ent-wicklungsstandort, damit die Spezialis-ten eben nicht isoliert sind, sonderneng zusammenarbeiten können. Dannerst können mehrere kleine funktions-übergreifende Teams in größerem Maß-stab miteinander kooperieren, entwederzur Bearbeitung umfassenderer Aufga-benstellungen oder auf globaler Ebene.In der SAP gibt es eine Faustregel, diebesagt, dass es pro Entwicklungsstandortmindestens drei funktionsübergreifendeTeams geben sollte.

Um diesen wichtigen Gedankengangzusammenzufassen: Das Hauptziel vonSAP ist es, vollständige Aufgabenstellun-gen, die komplette Verantwortung dafürsowie das notwendige funktionsübergrei-fende Expertenwissen an einem Entwick-lungsstandort zu bündeln. Nur wennes um umfassendere Problemstellungengeht, arbeiten Teams aus verschiedenenEntwicklungsstandorten virtuell zusam-men am selben Produkt. Wenn die Ent-wicklungsarbeit in sehr komplexen Auf-gabenstellungen große virtuelle Teams

erfordert, die über räumlich getrenn-te Organisationseinheiten hinweg zusam-menarbeiten, bedarf die Aufgabenvertei-lung größter Sorgfalt. Sie erfolgt unterBerücksichtigung der jeweils besten Eig-nung im jeweiligen Thema oder der spe-ziellen lokalen Fähigkeiten, besonderenErfahrungen mit der jeweiligen Brancheoder dem Markt. Und natürlich spielenauch die jeweiligen Stärken der lokalenNachwuchskräfte eine Rolle. Wenn meh-rere funktionsübergreifende Teams glo-bal zusammenarbeiten, investiert die SAPsignifikant, um reale oder lebensnahe di-rekte Interaktion zu ermöglichen. Einevertrauensvolle Arbeitsbeziehung kannnur durch persönliche Interaktion aufge-baut werden.

WI: Bei der Suche nach unternehmens-kritischen Erfolgsfaktoren von globalenvirtuellen Teams haben viele Wissen-schaftler betont, dass das Überbrückennationaler und kultureller Barrieren zwi-schen global verstreuten und kultu-rell unterschiedlichen Mitgliedern vongroßer Bedeutung für die Teamleistungist. Welches sind Ihrer Erfahrung nachdie wichtigsten Erfolgsfaktoren beim er-folgreichen Management von globalenvirtuellen Teams? Wie wichtig ist es IhrerMeinung nach, auf kulturelle Aspekte zuachten?

Daeschle: Die richtige Unternehmens-kultur ist das Rückgrat eines Unterneh-mens und die Basis für Vertrauen. Dasgilt vor allem für multinationale Kon-zerne, in denen Menschen mit unter-schiedlichstem kulturellem Hintergrundzusammenarbeiten. Eine Unternehmens-kultur sollte auf Werten wie Integri-tät, Offenheit und dem Streben nachExzellenz gründen.

Basierend auf diesen Werten kann einUnternehmen wachsen und sich wie eineglobale Heimat für seine Mitarbeiter an-fühlen, sodass diese sich an jedem Stand-ort zu Hause fühlen. Was mich betrifft, sohabe ich dieses Gefühl immer mit Freu-de in vielen Standorten der SAP empfun-den. Es ist sofort da, wenn ich ein Gebäu-de der SAP betrete, egal, ob ich in Banga-lore, Palo Alto, Tel Aviv oder an irgendei-nem anderen Ort bin: Ich fühle mich so-fort zu Hause. Die Gebäude ähneln sich,ohne gleich auszusehen. Schon die erstenLeute, denen man begegnet, sind höflichund hilfsbereit. Ich kann in eine Cafeteriagehen und mich einfach direkt mit denLeuten dort unterhalten über meinen Be-such, unsere Kunden, Produkte oder allesMögliche. Und dann, während dieser Un-terhaltung, nehme ich Details der jewei-ligen Kultur auf. Ich stelle zum Beispiel

fest, dass mich die Cafeteria an die imSAP-Hauptquartier in Walldorf erinnert,aber gleichzeitig ist sie etwas anders. Viel-leicht ist der Grundriss offener gestaltet,der Kaffee dort schmeckt ein bisschen an-ders oder die Poster an der Wand, die sogut in das lokale Umfeld passen, sind neufür mich. Schließlich sprechen wir überdieselben Themen wie in Walldorf, nurauf leicht unterschiedliche Weise, manch-mal lebhafter, mal ruhiger aber immermit Begeisterung und Enthusiasmus.

Also, die richtige Mischung aus einerstarken Unternehmenskultur in Kombi-nation mit einer großen Vielfalt loka-ler Kulturen, lokaler Stärken und Kultur-merkmale ist die Basis unseres anhalten-den Erfolgs. Mitarbeiter, die sich mit un-serer Unternehmenskultur identifizierenund gleichzeitig bestrebt sind, die lokaleKultur wirklich zu verstehen, führen unszum Erfolg.

WI: Globale virtuelle Teams machenintensiven Gebrauch von Informations-und Kommunikationstechnologien(IKT). Seit neuestem werden die syn-chronen und asynchronen Kerntechno-logien wie Telefon und E-Mail durchWeb 2.0-basierte Ansätze wie beispiels-weise Wikis erweitert. Welche die-ser Informations- und Kommunika-tionstechnologien werden in globalenvirtuellen Teams der SAP besonderseingesetzt?

Daeschle: Es gibt ein breites Spektruman relevanten IKT, welche die Arbeit invirtuellen Teams unterstützen. Angefan-gen von E-Mail, Telefon, Smartphones,Videokonferenzräume und Telepresence-Systemen. Telepresence-Systeme sindsehr kostspielig, bieten jedoch ein im-mersives Erlebnis, welches dem einerechten Besprechung sehr nahe kommt.Statt über die heute umfassenden techno-logischen Möglichkeiten zu diskutieren,würde ich lieber von einer Begebenheitberichten, die beispielhaft dafür ist, wiebereits einfache IKT-Lösungen die virtu-elle Arbeitsweise erfolgreich unterstützenkönnen. Die Begebenheit fand in mei-nem Team statt, als ein deutscher undein indischer Entwickler gemeinsam aneinem komplexen Thema arbeiteten. DerAnsatz, wie IKT bei diese Art der Zusam-menarbeit helfen könnte, war folgender:Beide Kollegen verabredeten sich zu ei-nem immer um dieselbe Zeit stattfinden-den Gespräch unter Verwendung einerWebcam. Dieser „Webcam Call“, wie siees nannten, sollte täglich stattfinden, un-abhängig davon, ob es offene Fragen zu

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beantworten gab oder nicht. Die bei-den begrüßten sich also täglich, sprachenein wenig und konnten sich dabei ebenauch sehen. Auf diese Weise gelang esihnen, sich aufeinander einzustimmen.Es dauerte immer nur wenige Minutenund danach ging jeder für sich wieder anseine Arbeit. Das Beeindruckende dabeiwar – und das war für uns alle eine Über-raschung, wie gut ihre Arbeitsbeziehungdadurch mit der Zeit wurde. Diese Bezie-hung war sogar besser als die zwischenmanch anderen Kollegen, die direkt inpersönlichem Kontakt miteinander zu-sammenarbeiteten. Die beiden schaff-ten es auf diese Art, ein ausgezeichnetesErgebnis vorzuweisen.

IKT-Lösungen helfen globalen virtuel-len Teams sicherlich bei ihrer Arbeit. DieSAP hat jedoch verstanden, dass bei ei-ner längerfristigen Zusammenarbeit nurreale soziale Interaktionen und gegen-seitige Besuche helfen, eine nachhaltigeVertrauensbasis aufzubauen.

WI: Wie forciert man in der SAP dieEinführung neuer Konzepte an Entwick-lungsstandorten? Können Sie uns von Ih-ren bewährten Methoden und Erfahrun-gen berichten?

Daeschle: Bei SAP halten wir zwei Fak-toren für unabdingbar, um neue Konzep-te erfolgreich einzuführen: Man brauchtglobale Standards und lokal verankertesfunktionsübergreifendes Wissen.

Für größere Veränderungen gibt esStandardprozesse, um bewährte Prakti-ken und Erfahrungen unternehmensweitmiteinander zu teilen. Dieser Wissens-austausch kann durch Online-Trainingserreicht werden, den SAP Demo Store,praxisorientierte Workshops und Trai-nings oder, auf intensiverem Level, diesogenannten Bootcamps. Bootcamp-Sessions sind Weiterbildungsveranstal-tungen, die am jeweiligen Entwicklungs-standort stattfinden und drei Tage dau-ern. Ein erfolgreicher Austausch von be-währtem Technologie- und Methoden-wissen funktioniert nur dann, wenn derjeweilige Entwicklungsstandort auch inder Lage ist, die Informationen zu verar-beiten. Aus diesem Grund verlassen wiruns stark auf lokale Teams mit funkti-onsübergreifendem Expertenwissen undausgeprägter Kompetenz in Softwarear-chitektur. Außerdem bietet diese Vorge-hensweise den Vorteil, dass sie skalierbarist. So können dann lokale Softwarear-chitekten direkt selbst die Schulung ihrerTeams vor Ort durchführen.

WI: Die Mission Ihrer Organisationist es, sicherzustellen, dass lokale Anfor-derungen und Ziele der Entwicklungs-standorte in Einklang mit den globalenZielen der SAP gebracht werden. Ein gu-tes Zusammenspiel zwischen global undlokal zu meistern, ist nicht trivial; Siehaben wahrscheinlich im Laufe der Zeitverschiedene Herangehensweisen getes-tet. Was sind aus Ihrer Sicht die we-sentlichen Faktoren für ein erfolgreichesZusammenspiel?

Daeschle: Drei Faktoren sind es, die beider Bewältigung dieser Herausforderun-gen maßgebend waren:

Erstens: SAP hat die sogenannten SAPLabs als Entwicklungsstandorte einge-führt, welche etwa 80 Prozent der kon-zernweiten Entwicklungsressourcen dar-stellen. Jeder Entwicklungsstandort wirdvor Ort von einem Geschäftsführer ge-leitet, der aus dem jeweiligen Standortstammen muss. Er oder sie verantwor-tet die Exzellenz des operativen Geschäftsund erstellt die strategische Planung fürseinen Entwicklungsstandort.

Zweitens: SAP verfügt über einen glo-balen Produktportfolioprozess, in demweltweit agierende Manager die globa-le Produktstrategie festlegen. Diese glo-balen Vorgaben werden von den lokalenGeschäftsführern überprüft, schrittwei-se verfeinert und verbessert. Die lokalenGeschäftsführer verfügen über ein tief-greifendes Verständnis der lokalen Gege-benheiten, Anforderungen, Ökosystemeund Talente.

Drittens: Dieses Zusammenspiel zwi-schen globalen und lokalen Einheitenwird noch verstärkt durch die drit-te Säule unseres Ansatzes zur Erfül-lung dieser Herausforderungen: das SAPLabs Network (SLN), also der Zusam-menschluss aller Entwicklungsstandortein einem Netzwerk. Die Hauptaufgabedes SAP Labs Network ist es sicherzu-stellen, dass globale Initiativen synchro-nisiert werden können, indem man überalle Entwicklungsstandorte hinweg Zu-gang zu denselben Kenntnissen bewähr-ter Methoden verschafft. Globale Initiati-ven könnten eine wichtige Rolle in ver-schiedenen Strategien der SAP spielen:Sicherlich in der Entwicklungsstandort-strategie aber wohl auch in einem Ma-nagementansatz, der auf relativ autono-me und stark in Entscheidungen ein-gebundene Mitarbeiter setzt. Ebenso inden globalen operationalen Initiativen,

der Aufgabendisposition, dem Wissens-management und auch dem Aufbau vonProdukten und Dienstleistungen gemäßLean-Development-Prinzipien und vie-lem mehr. Die Art und Weise, wie LeanDevelopment in verschiedenen Entwick-lungsstandorten durchgeführt wird, istein gutes Beispiel dafür, wie man Me-thodenwissen und das Wissen über Er-fahrungen nutzbringend teilt. Das SAPLabs Network stellt auch sicher, dass spe-zifische lokale Anforderungen gebündelt,klar verstanden und nicht nur allen Be-teiligten des Netzwerks zur Verfügung ge-stellt werden, sondern auch umgekehrtwieder hoch in die globalen Initiativentransponiert werden, damit auch diesevon diesem Wissen profitieren können.

WI: Wie schätzen Sie die zukünfti-ge Entwicklung globaler virtueller Teamsbei der SAP ein? Was sehen Sie alsdie kritischsten Herausforderungen derZukunft?

Daeschle: Die kleinsten Einheiten, ausdenen globale virtuelle Teams bestehen,sollten, wie schon gesagt, Teams sein, dieinnerhalb derselben Entwicklungsstand-orte zusammenarbeiten und in denen dasgesamte Spektrum an erforderlicher Ex-pertise vertreten ist, inklusive Experten-wissen in Entwicklungsarchitektur. Wirsind überzeugt vom Konzept des LeanDevelopment.

Diese starken Teams werden weltweitund auf virtueller Basis bei der Arbeitan Softwareprodukten der SAP kooperie-ren. Diese Kooperation wird auf starkenUnternehmensleitlinien, Lean Develop-ment Prinzipien sowie virtueller und per-sönlicher Interaktion basieren. Wir kön-nen nur dann Produkte für den glo-balen Markt liefern und nur dann einwirklich innovatives Unternehmen sein,wenn wir die Kraft des globalen Kon-zerns nutzen und sie mit der Stärke einesjeden einzelnen Entwicklungsstandorteskombinieren.

Diese Interaktion durch ein starkesNetzwerk zu fördern, bleibt unsere zu-künftige Herausforderung. Zusammen-fassend ist der größte Vorteil dieses An-satzes das, was schon vor fast 2500 Jah-ren in einem Zitat von Aristoteles zumAusdruck gebracht wurde: „Das Ganze istgrößer als die Summe seiner Teile“. Unddieses Zitat beschreibt die Mission desglobalen SAP Labs Network.

WI: Dr. Daeschle, vielen Dank für IhreZeit und für das Interview.

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