Interview with Cate Blanchett for Sueddeutsche Zeitung

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DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de von Antje Wewer SZ: Mrs. Blanchett, Sie hatten gerade Geburtstag. Wie haben Sie gefeiert, so fernab der Heimat? Cate Blanchett: Ach, völlig unspektaku- lär. Ich bin gerade mit meiner Theater- kompanie auf Europa-Tournee, meine Familie hat mich den größten Teil be- gleitet. Kurz vor meinem Geburtstag musste mein Mann dann zurück nach Sydney. Das fand ich aber nicht weiter tragisch . . . Nein? Ehrlich gesagt – seit ich jenseits der 40 bin, ist mir mein Geburtstag herzlich egal. Ich bin mit meinen Jungs alleine durch Wien geflippt: ausgedehnter Spielplatzbesuch, Eis, Stippvisite im Museum, wieder Eis. Am Abend stand ich dann auf der Bühne. Sie touren mit ,Groß und Klein‘ von Botho Strauß. Warum musste es für Sie die Rolle der Lotte-Kotte aus Rem- scheid-Lennep sein? Botho Strauß hat mit dieser Lotte eine Frauenfigur geschaffen, die heute mo- derner denn je ist. Lotte ist Mitte drei- ßig, hat keinen Mann, keine Kinder, kei- nen Job, sie taumelt durchs Leben. Sie will nichts lieber als ein Teil der Gesell- schaft sein, ist aber zu schrill, zu di- rekt, zu nervig oder einfach nur zu ehr- lich dazu. Sie ist von allem zu viel, und doch ist es immer zu wenig . . . ein komi- sches, rührendes Drama. Überhaupt, der ganze Theatertrip macht irre Spaß. Sie werden ja auch allerorten abgefeiert. Warten wir erst mal ab, wie das Stück bei den Ruhrfestspielen in Recklinghau- sen ankommt; in dem Land, in dem Botho Strauß zu Hause ist. Vermutlich klingt das jetzt ziemlich unglaubwür- dig, weil in der Inszenierung der Fokus so stark auf mir liegt, aber es geht nicht um mich, sondern um den Gesamtauf- tritt unserer Kompanie, der Sydney Theatre Company. Australien ist zwar riesengroß, die Theaterszene aber über- schaubar. Für uns ist es also eine ziemli- che große Sache, gerade mit diesem Stück durch Old Europe zu touren. Seit 15 Jahren verheiratet, drei Kinder, Hollywoodstar, Theater-Chefin: Privat sind Sie eher die Anti-Lotte, oder? Stimmt, ich gehöre zu den Menschen, die Kraft und Kreativität daraus schöp- fen, dass sie in geordneten Verhältnis- sen leben. Meine Familie ist mein Fix- punkt, um den kreise ich. Und meine Mutter hat mich schon früh darauf ge- trimmt, das Leben nicht komplizierter zu machen, als es sowieso schon ist. Anders als die meisten Künstler züch- ten Sie also nicht ein paar schöne Neu- rosen? Ganz und gar nicht. Die engen ein, ma- chen nicht einen Deut kreativer und ge- hören übrigens nicht automatisch zum er- füllten Künstlerleben dazu. Ohne sie ist man jedenfalls keineswegs langweilig. Sie kommen wie eine recht geradlinige Person rüber. Trifft das zu? Vielleicht sind Sie auch nur überrascht, dass ich, die ach so berühmte Schauspie- lerin, kein allzugroßes Star-Gewese um mich mache? Mein Mann und ich lieben Privatsein. Durch unsere öffentlichen Posten stehen wir mehr im Mittelpunkt, als uns lieb ist; hier ein Statement, da ei- ne Meinung bitte, und dann noch eine kreative Einschätzung. Mach’ ich alles gerne, aber ich bin immer in Sorge, dass es eitel wirken könnte. Als bekannt wurde, dass Sie mit Ihrem Mann, dem Dramatiker Andrew Upton, die Sydney Theatre Company überneh- men würden, hieß es sogar: Oh nein, jetzt droht ein Hollywood-Fix . . . Solche Stimmen gab es, ja. Was genau ist ein Hollywood-Fix? Hatte man Angst vor einem Drift ins Seichte? Die Leute waren eher besorgt, dass ich nur als Galionsfigur diene und die Ar- beit anderen überlasse. Aber solche Be- merkungen konnten mich nicht tangie- ren, weil Andrew und ich aus vollstem Herzen Theater-Geeks sind. Wir hatten nach mehreren Jahren in London sowie- so vorgehabt, nach Australien zurück- zukehren. Da kam dann dieses Ange- bot, und wir konnten uns sofort nichts Reizvolleres vorstellen, als an das Haus zurückzukehren, an dem wir beide un- sere Karrieren gestartet haben. Ein bisschen mehr Glamour hielt dann doch Einzug, nicht? Sie haben Philip Seymour Hoffman, Liv Ullmann, sogar Giorgio Armani ans Haus geholt . . . Es wäre ja auch blöd gewesen, meine Kontakte aus der Filmbranche nicht zu nutzen. Die Zuschauer kommen ein- mal, um ein prominentes Gesicht zu se- hen. Danach nur noch, wenn die Quali- tät kontinuierlich stimmt. Viel entschei- dender ist letztlich, dass das Haus wie- der schwarze Zahlen schreibt. Warum haben Sie Ihren Vertrag eigent- lich nicht verlängert, wenn alles so prächtig läuft? Zum einen war schon immer der Plan, 2013 zu gehen. Wir sind eine junge Fami- lie mit drei kleinen Kindern. Das Thea- ter ist ein anspruchsvoller Fulltime- Job. Und es gibt doch diesen schlauen Spruch, man soll immer dann gehen, wenn die Party am schönsten ist. Oder haben Sie am Ende doch Sehn- sucht nach Hollywood? Also, Hollywood kann ich nicht vermis- sen, weil ich nie dort gelebt habe. Wenn also überhaupt, dann das Filmen, aber kann man etwas vermissen, wenn man erfüllt ist? Nicht wirklich, oder? Sie haben schon vieles ausprobiert; in ,I’m Not There‘ einen Mann, nämlich Bob Dylan, gespielt, gleich zweimal Queen Elizabeth, einmal jung, dann alt. Wie sieben Sie das Passende für sich raus? Nach dem Lustprinzip. Ein Beispiel, das bestimmt zehn Jahre zurückliegt, aber exemplarisch ist: Ich bekam das Drehbuch für den Film ,Schiffsmeldun- gen‘ auf den Tisch und entschied mich, die Rolle der exzentrischen Petal zu übernehmen. Meine Agentin rief: ,Cate, die Frau stirbt auf Seite neun!‘ War mir aber egal. Rumexperimentieren geht oft sogar besser, wenn man nicht im Spotlight agiert. Mich nervt es kolos- sal, wenn Erfolg mit Geld verdienen gleichgesetzt wird. Sagt sich das nicht sehr leicht, wenn man zu den Bestbezahlten gehört? Ginge es mir um Gagen, würde ich gar kein Theater spielen. Im letzten Jahr stand ich gerade mal zehn Tage für ,Der kleine Hobbit‘ vor der Kamera. Mehr ging beim besten Willen nicht, für län- gere Drehs bin ich zu eingebunden. Gleichzeitig würde ich behaupten, dass ich am Theater mit Stücken wie ,Onkel Wanja‘ oder ,Endstation Sehnsucht‘ die interessantesten Erfahrungen mei- ner Karriere gemacht habe . . . Neulich stieg ich nach der Vorstellung in ein Taxi, und der Fahrer fragte mich, was ich von Beruf sei: Schauspielerin, aha – wo er mich denn mal im Fernsehen se- hen könnte? Als ich ihm erzählte, dass ich am Theater bin, erntete ich nur mit- leidige Blicke. Offenbar kein ,Herr der Ringe‘-Fan. Nee, aber das ist ja egal. Die meisten nehmen an, dass Schauspieler berühmt und auf der Straße erkannt werden wol- len. Dabei ist genau das nur ein Neben- produkt. Mir geht es um gute Arbeit, egal wo sie stattfindet. Eine andere Sache, die Ihnen am Her- zen liegt, ist der Umweltschutz. Genau, wir haben 2010 auf dem Dach der Theatre Company eine der größten Solaranlagen Australiens installieren lassen. Das war eine der besten Investi- tionen überhaupt. Wenn Theater sich nur auf der Bühne mit großen Themen beschäftigt, besteht die Gefahr, dass es irgendwann irrelevant wird. Gleichzeitig haben Sie sich öffentlich für die in Australien unpopuläre Co 2 -Steuer starkgemacht. Auch da hieß es, dass es für eine Multimillionärin verdammt einfach wäre. Ach, die Medien wollten jemanden an den Pranger stellen und haben sich die prominenteste Person herausgepickt. Vermutlich hat es nicht geholfen, dass Sie Ihr Haus für 1,5 Millionen Dollar umweltfreundlich umbauen ließen? Besser als den Keller in einen Wellness- bereich zu verwandeln, oder? Nein, im Ernst: Uns ist extrem wichtig, dass keine Ressourcen verschwendet wer- den und dass unsere Söhne mit einem ausgeprägten Sinn für ihre Umwelt aufwachsen. Wir haben zu Hause Solar- anlagen, Wasserstopp-Systeme und Kompostieren mit Würmern. Mir ist be- wusst, dass sich viele Menschen grüne Technologien noch nicht leisten kön- nen, aber je mehr es tun, desto niedri- ger werden die Preise. Es ärgert mich übrigens, dass Schauspielerinnen a pri- ori für ignorant gehalten werden. Als ob wir uns alle nur für Red-Carpet-Ro- ben interessieren würden und einen narzisstischen Hau hätten! Hat Ihr Mann nicht vorsorglich erklärt, er würde sich scheiden lassen, wenn Sie sich je botoxen ließen? Andrew überspitzt die Dinge hin und wieder etwas. Er sieht einfach gerne gelebtes Leben. Genauso wie ich. Natür- lich zeichnen drei Schwangerschaften den Körper, alles andere wäre un- menschlich. Wer sich aus Angst vor dem Älterwerden operieren lässt, dem wird genau diese Angst anschließend immer noch in den Augen flackern. Kol- leginnen wie Judi Dench, Meryl Streep oder Frances McDormand sind trotz ihrer Falten bestens im Geschäft. Und interessanterweise sind diejenigen, die sich für Schönheitsoperationen entschieden haben, hinterher eher selte- ner zu sehen. Sie haben sich 2004 getraut, die große Katharine Hepburn in Martin Scor- seses ,Aviator‘ zu verkörpern. Geben Sie es ruhig zu: Auf den Oscar für die Rolle sind Sie stolz, oder? Es beweist, dass es nicht immer die gro- ßen, tragenden Rollen sein müssen! Noch viel stolzer bin ich aber auf meine Söhne. Ich gehöre zu der Sorte Müt- tern, die gerne über ihre Kinder redet. Ich weiß, wie nervtötend langweilig das insbesondere für Nicht-Eltern ist, aber ich kann irgendwie nicht anders. Hatten Sie nie die 0815-Sorge, dass eine Familie die Karriere behindern könnte? Nein, was unsere Familienplanung angeht, lebe ich nicht strategisch, son- dern organisch. Was passiert, passiert. Alle meine Kinder sind Lovebabies, richtig geplant hatten wir keines. Ich ha- be jeweils nicht bis zum Ende durch- dacht, was ein weiteres Kind für uns be- deuten könnte. Vermutlich hätte ich heute sonst keine drei, plus zwei Hunde. Sie scheinen mühelos fast alles erreicht zu haben. Gab es denn auch in Ihrem Leben mal ein großes Drama? Ja, früh. Das war der überraschende Tod meines Vaters, er starb mit 40 Jah- ren an einem Herzinfarkt. Damals war ich zehn Jahre alt. Mein letzter Moment mit ihm: Ich saß am Klavier und winkte ihm unbekümmert hinterher, während er das Haus verließ. Seitdem versäume ich es nie, mich richtig von meinen Lie- ben zu verabschieden, am besten mit fester Umarmung. Und einem Kuss. Cate Blanchett wurde am 14. Mai 1969 in Melbourne geboren, als Tochter einer Immobilienmaklerin und eines Werbe- fachmanns. Sie studierte Wirtschaft und Kunst an der University of Melbourne, ging auf Reisen, kehrte nach Australien zurück und absolvierte noch ein Schau- spielstudium. Internationale Aufmerk- samkeit erlangte Blanchett 1998 durch ihre Rolle der Königin „Elizabeth“ in Shekhar Kapurs gleichnamigem Kinodra- ma. Seither manövriert sie gekonnt zwi- schen Blockbustern wie „Herr der Rin- ge“ (2001) oder „Indiana Jones“ (2008) und Art-House-Filmen wie „Babel“ (2005), „Tagebuch eines Skandals“ (2006) und „Wer ist Hanna?“ (2011). Blan- chett und ihr Mann Andrew Upton über- nahmen 2008 die künstlerische Leitung und Geschäftsführung der Sydney Thea- tre Company. Auf der Bühne war Blanchett dort in mehreren Produktio- nen zu sehen. Das Paar hat drei kleine Söhne und lebt in Sydney. Blanchett ist vom 26. Mai bis einschließlich 2. Juni in „Groß und Klein“ bei den Ruhrfest- spielen in Recklinghausen zu sehen. Wien, Museumsquartier. Obwohl Cate Blanchett in der letzten Ecke des Cafés sitzt, kommt ein Mann und fragt, ob sie tatsächlich die Elbenkönigin Galadriel aus „Herr der Ringe“ sei. Von Nahem wirkt sie übrigens gar nicht ätherisch, eher wie eine Frau, die zu wenig geschlafen hat. Sie trinkt Kokoswasser und spricht mit einer Stimme, die einen in die Knie zwingt. Rau, tief und unglaublich angenehm. Foto: Agentur Focus Seite V2/8 WOCHENENDE INTERVIEW Pfingsten, 26./27./28. Mai 2012 Süddeutsche Zeitung Nr. 121 „Kann man etwas vermissen, wenn man erfüllt ist? Nicht wirklich.“ Cate Blanchett über Theater „Ich habe nie überlegt, was ein weiteres Kind bedeuten könnte.“ „Als ob wir uns alle nur für Red-Carpet-Roben interessieren würden!“ www.sz-archiv.de X <V2/7 DEU BAY V2/9> V2/10BE4> R<< << 26.05. 2012 >> >>R A4 ? DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de dima001 SZ20120526S1573566

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DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, MünchenJegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

von Antje Wewer

SZ: Mrs. Blanchett, Sie hatten geradeGeburtstag. Wie haben Sie gefeiert, sofernab der Heimat?Cate Blanchett: Ach, völlig unspektaku-lär. Ich bin gerade mit meiner Theater-kompanie auf Europa-Tournee, meineFamilie hat mich den größten Teil be-gleitet. Kurz vor meinem Geburtstagmusste mein Mann dann zurück nachSydney. Das fand ich aber nicht weitertragisch . . .Nein?Ehrlich gesagt – seit ich jenseits der 40bin, ist mir mein Geburtstag herzlichegal. Ich bin mit meinen Jungs alleinedurch Wien geflippt: ausgedehnterSpielplatzbesuch, Eis, Stippvisite imMuseum, wieder Eis. Am Abend standich dann auf der Bühne.

Sie touren mit ,Groß und Klein‘ vonBotho Strauß. Warum musste es für Siedie Rolle der Lotte-Kotte aus Rem-scheid-Lennep sein?Botho Strauß hat mit dieser Lotte eineFrauenfigur geschaffen, die heute mo-derner denn je ist. Lotte ist Mitte drei-ßig, hat keinen Mann, keine Kinder, kei-nen Job, sie taumelt durchs Leben. Siewill nichts lieber als ein Teil der Gesell-schaft sein, ist aber zu schrill, zu di-rekt, zu nervig oder einfach nur zu ehr-lich dazu. Sie ist von allem zu viel, unddoch ist es immer zu wenig . . . ein komi-sches, rührendes Drama. Überhaupt,der ganze Theatertrip macht irre Spaß.Sie werden ja auch allerorten abgefeiert.Warten wir erst mal ab, wie das Stückbei den Ruhrfestspielen in Recklinghau-sen ankommt; in dem Land, in demBotho Strauß zu Hause ist. Vermutlichklingt das jetzt ziemlich unglaubwür-dig, weil in der Inszenierung der Fokusso stark auf mir liegt, aber es geht nicht

um mich, sondern um den Gesamtauf-tritt unserer Kompanie, der SydneyTheatre Company. Australien ist zwarriesengroß, die Theaterszene aber über-schaubar. Für uns ist es also eine ziemli-che große Sache, gerade mit diesemStück durch Old Europe zu touren.Seit 15 Jahren verheiratet, drei Kinder,Hollywoodstar, Theater-Chefin: Privatsind Sie eher die Anti-Lotte, oder?Stimmt, ich gehöre zu den Menschen,die Kraft und Kreativität daraus schöp-fen, dass sie in geordneten Verhältnis-sen leben. Meine Familie ist mein Fix-punkt, um den kreise ich. Und meineMutter hat mich schon früh darauf ge-trimmt, das Leben nicht komplizierterzu machen, als es sowieso schon ist.Anders als die meisten Künstler züch-ten Sie also nicht ein paar schöne Neu-rosen?Ganz und gar nicht. Die engen ein, ma-chen nicht einen Deut kreativer und ge-hören übrigens nicht automatisch zum er-füllten Künstlerleben dazu. Ohne sie istman jedenfalls keineswegs langweilig.Sie kommen wie eine recht geradlinigePerson rüber. Trifft das zu?Vielleicht sind Sie auch nur überrascht,dass ich, die ach so berühmte Schauspie-lerin, kein allzugroßes Star-Gewese ummich mache? Mein Mann und ich liebenPrivatsein. Durch unsere öffentlichenPosten stehen wir mehr im Mittelpunkt,als uns lieb ist; hier ein Statement, da ei-ne Meinung bitte, und dann noch einekreative Einschätzung. Mach’ ich allesgerne, aber ich bin immer in Sorge, dasses eitel wirken könnte.Als bekannt wurde, dass Sie mit IhremMann, dem Dramatiker Andrew Upton,die Sydney Theatre Company überneh-men würden, hieß es sogar: Oh nein,jetzt droht ein Hollywood-Fix . . .Solche Stimmen gab es, ja.Was genau ist ein Hollywood-Fix? Hatteman Angst vor einem Drift ins Seichte?Die Leute waren eher besorgt, dass ichnur als Galionsfigur diene und die Ar-beit anderen überlasse. Aber solche Be-merkungen konnten mich nicht tangie-ren, weil Andrew und ich aus vollstemHerzen Theater-Geeks sind. Wir hattennach mehreren Jahren in London sowie-so vorgehabt, nach Australien zurück-zukehren. Da kam dann dieses Ange-

bot, und wir konnten uns sofort nichtsReizvolleres vorstellen, als an das Hauszurückzukehren, an dem wir beide un-sere Karrieren gestartet haben.Ein bisschen mehr Glamour hielt danndoch Einzug, nicht? Sie haben PhilipSeymour Hoffman, Liv Ullmann, sogarGiorgio Armani ans Haus geholt . . .Es wäre ja auch blöd gewesen, meineKontakte aus der Filmbranche nicht zunutzen. Die Zuschauer kommen ein-mal, um ein prominentes Gesicht zu se-hen. Danach nur noch, wenn die Quali-tät kontinuierlich stimmt. Viel entschei-dender ist letztlich, dass das Haus wie-der schwarze Zahlen schreibt.Warum haben Sie Ihren Vertrag eigent-lich nicht verlängert, wenn alles soprächtig läuft?Zum einen war schon immer der Plan,2013 zu gehen. Wir sind eine junge Fami-lie mit drei kleinen Kindern. Das Thea-ter ist ein anspruchsvoller Fulltime-Job. Und es gibt doch diesen schlauenSpruch, man soll immer dann gehen,wenn die Party am schönsten ist.Oder haben Sie am Ende doch Sehn-sucht nach Hollywood?Also, Hollywood kann ich nicht vermis-sen, weil ich nie dort gelebt habe. Wennalso überhaupt, dann das Filmen, aberkann man etwas vermissen, wenn manerfüllt ist? Nicht wirklich, oder?Sie haben schon vieles ausprobiert; in,I’m Not There‘ einen Mann, nämlichBob Dylan, gespielt, gleich zweimalQueen Elizabeth, einmal jung, dannalt. Wie sieben Sie das Passende fürsich raus?Nach dem Lustprinzip. Ein Beispiel,das bestimmt zehn Jahre zurückliegt,aber exemplarisch ist: Ich bekam dasDrehbuch für den Film ,Schiffsmeldun-gen‘ auf den Tisch und entschied mich,die Rolle der exzentrischen Petal zuübernehmen. Meine Agentin rief: ,Cate,die Frau stirbt auf Seite neun!‘ War miraber egal. Rumexperimentieren gehtoft sogar besser, wenn man nicht imSpotlight agiert. Mich nervt es kolos-sal, wenn Erfolg mit Geld verdienengleichgesetzt wird.Sagt sich das nicht sehr leicht, wennman zu den Bestbezahlten gehört?Ginge es mir um Gagen, würde ich garkein Theater spielen. Im letzten Jahr

stand ich gerade mal zehn Tage für ,Derkleine Hobbit‘ vor der Kamera. Mehrging beim besten Willen nicht, für län-gere Drehs bin ich zu eingebunden.Gleichzeitig würde ich behaupten, dassich am Theater mit Stücken wie ,OnkelWanja‘ oder ,Endstation Sehnsucht‘die interessantesten Erfahrungen mei-ner Karriere gemacht habe . . . Neulichstieg ich nach der Vorstellung in einTaxi, und der Fahrer fragte mich, wasich von Beruf sei: Schauspielerin, aha –wo er mich denn mal im Fernsehen se-hen könnte? Als ich ihm erzählte, dassich am Theater bin, erntete ich nur mit-leidige Blicke.

Offenbar kein ,Herr der Ringe‘-Fan.Nee, aber das ist ja egal. Die meistennehmen an, dass Schauspieler berühmtund auf der Straße erkannt werden wol-len. Dabei ist genau das nur ein Neben-produkt. Mir geht es um gute Arbeit,egal wo sie stattfindet.Eine andere Sache, die Ihnen am Her-zen liegt, ist der Umweltschutz.Genau, wir haben 2010 auf dem Dachder Theatre Company eine der größtenSolaranlagen Australiens installierenlassen. Das war eine der besten Investi-tionen überhaupt. Wenn Theater sichnur auf der Bühne mit großen Themenbeschäftigt, besteht die Gefahr, dass esirgendwann irrelevant wird.Gleichzeitig haben Sie sich öffentlichfür die in Australien unpopuläreCo2-Steuer starkgemacht. Auch da hießes, dass es für eine Multimillionärinverdammt einfach wäre.Ach, die Medien wollten jemanden anden Pranger stellen und haben sich dieprominenteste Person herausgepickt.Vermutlich hat es nicht geholfen, dassSie Ihr Haus für 1,5 Millionen Dollarumweltfreundlich umbauen ließen?Besser als den Keller in einen Wellness-bereich zu verwandeln, oder? Nein, im

Ernst: Uns ist extrem wichtig, dasskeine Ressourcen verschwendet wer-den und dass unsere Söhne mit einemausgeprägten Sinn für ihre Umweltaufwachsen. Wir haben zu Hause Solar-anlagen, Wasserstopp-Systeme undKompostieren mit Würmern. Mir ist be-wusst, dass sich viele Menschen grüneTechnologien noch nicht leisten kön-nen, aber je mehr es tun, desto niedri-ger werden die Preise. Es ärgert michübrigens, dass Schauspielerinnen a pri-ori für ignorant gehalten werden. Alsob wir uns alle nur für Red-Carpet-Ro-ben interessieren würden und einennarzisstischen Hau hätten!Hat Ihr Mann nicht vorsorglich erklärt,er würde sich scheiden lassen, wenn Siesich je botoxen ließen?Andrew überspitzt die Dinge hin undwieder etwas. Er sieht einfach gernegelebtes Leben. Genauso wie ich. Natür-lich zeichnen drei Schwangerschaftenden Körper, alles andere wäre un-menschlich. Wer sich aus Angst vordem Älterwerden operieren lässt, demwird genau diese Angst anschließendimmer noch in den Augen flackern. Kol-leginnen wie Judi Dench, Meryl Streepoder Frances McDormand sind trotzihrer Falten bestens im Geschäft. Undinteressanterweise sind diejenigen, diesich für Schönheitsoperationenentschieden haben, hinterher eher selte-ner zu sehen.

Sie haben sich 2004 getraut, die großeKatharine Hepburn in Martin Scor-seses ,Aviator‘ zu verkörpern. GebenSie es ruhig zu: Auf den Oscar für dieRolle sind Sie stolz, oder?Es beweist, dass es nicht immer die gro-ßen, tragenden Rollen sein müssen!Noch viel stolzer bin ich aber auf meineSöhne. Ich gehöre zu der Sorte Müt-tern, die gerne über ihre Kinder redet.Ich weiß, wie nervtötend langweilig

das insbesondere für Nicht-Eltern ist,aber ich kann irgendwie nicht anders.Hatten Sie nie die 0815-Sorge, dasseine Familie die Karriere behindernkönnte?Nein, was unsere Familienplanungangeht, lebe ich nicht strategisch, son-dern organisch. Was passiert, passiert.Alle meine Kinder sind Lovebabies,richtig geplant hatten wir keines. Ich ha-be jeweils nicht bis zum Ende durch-dacht, was ein weiteres Kind für uns be-deuten könnte. Vermutlich hätte ichheute sonst keine drei, plus zwei Hunde.Sie scheinen mühelos fast alles erreichtzu haben. Gab es denn auch in IhremLeben mal ein großes Drama?Ja, früh. Das war der überraschendeTod meines Vaters, er starb mit 40 Jah-ren an einem Herzinfarkt. Damals warich zehn Jahre alt. Mein letzter Momentmit ihm: Ich saß am Klavier und winkteihm unbekümmert hinterher, währender das Haus verließ. Seitdem versäumeich es nie, mich richtig von meinen Lie-ben zu verabschieden, am besten mitfester Umarmung. Und einem Kuss.

Cate Blanchett wurde am 14. Mai 1969in Melbourne geboren, als Tochter einerImmobilienmaklerin und eines Werbe-fachmanns. Sie studierte Wirtschaft undKunst an der University of Melbourne,ging auf Reisen, kehrte nach Australienzurück und absolvierte noch ein Schau-spielstudium. Internationale Aufmerk-samkeit erlangte Blanchett 1998 durchihre Rolle der Königin „Elizabeth“ inShekhar Kapurs gleichnamigem Kinodra-ma. Seither manövriert sie gekonnt zwi-schen Blockbustern wie „Herr der Rin-ge“ (2001) oder „Indiana Jones“ (2008)und Art-House-Filmen wie „Babel“(2005), „Tagebuch eines Skandals“(2006) und „Wer ist Hanna?“ (2011). Blan-chett und ihr Mann Andrew Upton über-nahmen 2008 die künstlerische Leitungund Geschäftsführung der Sydney Thea-tre Company. Auf der Bühne warBlanchett dort in mehreren Produktio-nen zu sehen. Das Paar hat drei kleineSöhne und lebt in Sydney. Blanchett istvom 26. Mai bis einschließlich 2. Juni in„Groß und Klein“ bei den Ruhrfest-spielen in Recklinghausen zu sehen.

Wien, Museumsquartier. Obwohl Cate Blanchett inder letzten Ecke des Cafés sitzt, kommt ein Mann undfragt, ob sie tatsächlich die Elbenkönigin Galadriel aus„Herr der Ringe“ sei. Von Nahem wirkt sie übrigensgar nicht ätherisch, eher wie eine Frau, die zu weniggeschlafen hat. Sie trinkt Kokoswasser und sprichtmit einer Stimme, die einen in die Knie zwingt. Rau,tief und unglaublich angenehm. Foto: Agentur Focus

Seite V2/8 WOCHENENDE INTERVIEW Pfingsten, 26./27./28. Mai 2012 Süddeutsche Zeitung Nr. 121

„Kann man etwasvermissen, wenn man erfülltist? Nicht wirklich.“

Cate Blanchettüber

Theater

„Ich habe nie überlegt,was ein weiteresKind bedeuten könnte.“

„Als ob wir uns alle nurfür Red-Carpet-Robeninteressieren würden!“

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