IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und...
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Diplomarbeit
Eingereicht von: Bastian, Binder
Studiengang: Betriebswirtschaftslehre
Referent: Prof. Dr. Michael Amberg
Betreuer: Inke Thiessen
Bearbeitungszeit: von 11. Dezember 2007
bis 11. Juni 2008 (6 Monate)
Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Wirtschaftsinformatik III
Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, www.wi3.uni-erlangen.de
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Abstract
I Abstract
IP-basierte Netze stehen als neue Plattform für die Übertragung von Bewegtbildern
und von weiteren interaktiven Diensten zur Verfügung. Fernsehsender können da-
durch ihr Portfolio erweitern und innovative Inhalte anbieten sowie ihre Distribution
auf eine breitere Basis stellen. Neue Geschäftsmodelle werden durch IPTV und In-
ternetfernsehen ermöglicht. Müssen deshalb die Regeln der Fernsehproduktion neu
geschrieben werden?
Diese Arbeit untersucht Veränderungen der Produktionsprozesse und -systeme. Um
diese zu identifizieren, werden bestehende Geschäftsmodelle und Produktionspro-
zesse in die Wertschöpfungskette der TV-Branche eingeordnet und die momentanen
Technologien analysiert. Experteninterviews und aktuelle Studien zeigen auf, dass
werbefinanzierte Geschäftsmodelle, insbesondere mit neuen Werbeformen wie per-
sonalisierter Werbung, sich gegenüber Bezahlmodellen durchsetzen werden. Pro-
duktionsprozesse verändern sich nur grundlegend, wenn direkt für das Abruffernse-
hen produziert wird. Die größten Herausforderungen für die IT-Unterstützung sind die
Verknüpfung der Inhalte, die Integration von Interaktionsmechanismen und das Ma-
nagement von Kundendaten für individualisierte Angebote und zielgerichtete Wer-
bung.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Inhaltsverzeichnis
II Inhaltsverzeichnis
I Abstract ...............................................................................................................2
II Inhaltsverzeichnis...............................................................................................3
III Abbildungsverzeichnis.......................................................................................6
IV Tabellenverzeichnis............................................................................................7
V Abkürzungsverzeichnis......................................................................................8
1 Einführung.........................................................................................................10
1.1 Problemstellung..........................................................................................10
1.2 Zielsetzung .................................................................................................11
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit .....................................................12
2 Fernsehlandschaft im Umbruch ......................................................................14
2.1 Intermediärsfunktion der Fernsehsender ....................................................14
2.2 Struktur des Fernsehmarktes .....................................................................15
2.3 Digital Switchover – von anlog zu digital ....................................................15
2.4 Interaktives Fernsehen ...............................................................................16
2.5 IPTV und seine Ausprägungen...................................................................18
2.5.1 Geschlossene IPTV-Systeme.................................................................18
2.5.2 Offene IPTV-Systeme ............................................................................20
3 State of the Art in der TV-Produktion..............................................................23
3.1 TV-Wertschöpfungskette ............................................................................23
3.1.1 Besonderheiten der TV-Wertschöpfungskette........................................24
3.1.2 Stufen der TV-Wertschöpfungskette ......................................................26
3.2 Geschäftsmodelle von Fernsehsendern .....................................................29
3.2.1 Kundennutzen ........................................................................................30
3.2.2 Wertschöpfung und Leistungserstellung ................................................30
3.2.3 Erlösmodelle von Fernsehsendern.........................................................31
3.3 TV-Produktionsprozesse ............................................................................34
3.3.1 Inhaltliche Produktionsprozesse.............................................................38
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Inhaltsverzeichnis
3.3.2 Technische Produktionsprozesse...........................................................38
3.4 IT-Unterstützung der TV-Produktion...........................................................39
3.4.1 Einspielprogramme ................................................................................39
3.4.2 Systeme zur Dateiverwaltung.................................................................39
3.4.3 Programme zur Bearbeitung ..................................................................40
3.4.4 Sendesteuerungs- und Ausspielsysteme ...............................................40
3.4.5 Betriebswirtschaftliche Unternehmenssoftware......................................40
3.4.6 Redaktionssysteme ................................................................................41
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen .............................................42
4.1 Vorgehensweise .........................................................................................42
4.1.1 Experteninterview als Forschungsmethode............................................42
4.1.2 Auswahl der Gesprächspartner ..............................................................43
4.1.3 Durchführung der Befragung ..................................................................44
4.1.4 Auswertung der Befragung.....................................................................45
4.2 Neue Geschäftsmodelle durch IPTV ..........................................................46
4.2.1 Zusätzlicher Kundennutzen....................................................................46
4.2.2 Wertschöpfung und Leistungserstellung ................................................48
4.2.3 Erlösmodelle...........................................................................................50
4.3 Einfluss von IPTV auf die Produktionsprozesse .........................................56
4.3.1 Veränderte inhaltliche Produktionsprozesse ..........................................57
4.3.2 Veränderte technische Produktionsprozesse .........................................58
4.4 Einfluss von IPTV auf die Produktionssysteme ..........................................60
4.4.1 IT-Integration ..........................................................................................60
4.4.2 Interoperabilität.......................................................................................61
4.4.3 Interaktionsmechanismen.......................................................................62
4.4.4 Bevorratung und Evaluation des Programmangebots ............................64
4.4.5 Zuschaueranalyse und -individualisierung .............................................64
4.4.6 Zielgerichtete Werbung ..........................................................................65
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Inhaltsverzeichnis
5 Ausblick .............................................................................................................67
VI Literaturverzeichnis ..........................................................................................69
VII Anhang...............................................................................................................76
Prozessmodell Fernsehen mit ausgewählten Sub-Prozessen ............................77
Prozessmodell Fernsehen mit ausgewählten Sub-Prozessen ............................77
Interviewleitfaden ................................................................................................78
Gesprächsprotokoll 1: Christian Olbrich [Olbr2008] ............................................81
Gesprächsprotokoll 2: Robert Amlung [Aml2008] ...............................................95
Gesprächsprotokoll 3: John de Jong [Jong2008] ..............................................102
Auswertung der Interviews................................................................................108
VIII Erklärung .........................................................................................................119
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Abbildungsverzeichnis Seite 6
III Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit..................................................................................13
Abbildung 2: Fernsehsender als Intermediär.............................................................14
Abbildung 3: Peer-to-peer-Distribution am Beispiel von „Joost“ ................................22
Abbildung 4: Aufbau des dritten Kapitels...................................................................23
Abbildung 5: Wertschöpfungskette nach Porter ........................................................24
Abbildung 6: Dreiecksverhältnis beim Free-TV .........................................................25
Abbildung 7: Wertkette der TV-Wirtschaft .................................................................28
Abbildung 8: Wertschöpfungskette von TV-Unternehmen.........................................28
Abbildung 9: Systematik der Erlösformen in der Medienbranche ..............................32
Abbildung 10: Prozesslandkarte Fernsehen..............................................................35
Abbildung 11: Wertschöpfungskettendiagramm Produktion Fernsehen....................35
Abbildung 12: Fernsehprozesse................................................................................37
Abbildung 13: Aufbau des vierten Kapitels ................................................................42
Abbildung 14: Beispiel eines nutzerfinanzierten Geschäftsmodells...........................51
Abbildung 15: Erlösmodell mit „Red-Button“-Funktionalität .......................................54
Abbildung 16: TV-Geschäftsmodell mit personalisierter Werbung ............................55
Abbildung 17: Anleitung zu Googles neuem Angebot „TV Ads“ ................................66
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Tabellenverzeichnis Seite 7
IV Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Literaturvergleich zur TV-Wertschöpfungskette........................................27
Tabelle 2: Auswahl der Befragten .............................................................................44
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Abkürzungsverzeichnis Seite 8
V Abkürzungsverzeichnis
ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland
BBC British Broadcasting Corporation
BMF Broadcast Metadata Exchange Format
DVB Digital Video Broadcasting
DVB-C Digital Video Broadcasting – Cable
DVB-H Digital Video Broadcasting – Handhelds,
DVB-IPI Digital Video Broadcasting – Internet Protocol Infrastructure
DVB-S Digital Video Broadcasting – Satellite
DVB-T Digital Video Broadcasting – Terrestrial
EPG Electronic Program Guide (Elektronischer Programmführer)
ERP Enterprise Resource Planning
HD High Definition
HDTV High Definition Television (Hochauflösendes Fernsehen)
IDTV Integrated Digital Television
IP Internet Protocol
IT Information Technology (Informationstechnik)
MAZ Magnetische Aufzeichnung
MOS Media Object Server Protocol
MXF Material Exchange Format
NGN Next generation network
P2P Peer-to-Peer (Rechner-zu-Rechner-Verbindung)
PC Personal Computer (stationärer Einzelplatzrechner)
PR Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit)
RTL Radio Télé Luxembourg
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
Abkürzungsverzeichnis Seite 9
SMS Short Message Service
TV Television
vgl. vergleiche
VoD Video-on-Demand (Videoabruf)
XML Extensible Markup Language (erweiterbare Auszeichnungssprache)
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
1 Einführung Seite 10
1 Einführung
1.1 Problemstellung
„Die Regeln des Fernsehens mischen sich mit den Regeln des Internets“, meint Ro-
bert Amlung, Hauptredaktionsleiter Neue Medien beim Zweiten Deutschen Fernse-
hen (vgl. [Tvpl2007]). Mehr als 20 Jahre ist es her, seit die ersten Privatsender in
Deutschland eingeführt wurden und so die TV-Landschaft ein neues Gesicht erhielt.
Nun steht die deutsche Fernsehlandschaft erneut vor einem Umbruch. Das Fernse-
hen wird digital – die technischen Entwicklungen der letzten Jahre begründen einen
grundlegenden Transformationsprozess des kompletten Fernsehmarktes. Das Medi-
um Fernsehen ist dem Wohnzimmer entwachsen und ist jetzt ubiquitär vertreten, da
selbst Mobiltelefone zu tragbaren Empfangsgeräten werden. Hochaufgelöste Be-
wegtbilder in „High Definition“ faszinieren die Zuschauer und animieren zum Kauf
neuer digitaler Fernseher.
Bislang erfolgte die TV-Übertragung als Broadcast vom TV-Sender zum Konsumen-
ten über drei Wege: Terrestrische Antenne, (Koaxial-)Kabel und Satellit. Mit der ra-
santen Verbreitung des Internets und dem kontinuierlichen Ausbau der Versorgung
mit breitbandigen Datennetzen steht heute neben den klassischen Wegen auch
Fernsehen über das Internet Protocol (IP) zur Verfügung. IP-basiertes Fernsehen
stellt kein neues Medium dar, sondern lediglich einen neuen Übertragungsweg (vgl.
[Koll2007]). Im Gegensatz zu den bisherigen Verfahren ist hier die Technologie un-
abhängig vom Übertragungsmedium.
Erfolgt die Übertragung über einen normalen Internetanschluss, so spricht man von
Internetfernsehen, Internet-TV oder auch Web-TV. Beim sogenannten IPTV (Internet
Protocol Television) kommt das Fernsehsignal durch ein geschlossenes Breitband-
Netz, über einen Router und eine Set-Top-Box auf das Fernsehgerät des Konsumen-
ten. In diesem Fall ist eine direkte und gewohnte Nutzung vom Sofa aus möglich. Da
beide Systeme eine bidirektional nutzbare Leitung aufweisen, können auch Daten
vom Nutzer zurückgeschickt werden. Durch diesen Rückkanal werden eine interakti-
ve Kommunikation und spezielle zusätzliche Dienste wie Video on Demand – das
spontane Abrufen von Filmen – ermöglicht (vgl. [Delo2007] S. 9).
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
1 Einführung Seite 11
Da nun auf einmal praktisch unbegrenzte Sendekapazitäten zur Verfügung stehen,
bieten IPTV und Internet-Fernsehen auch Chancen für neue Marktteilnehmer. Eine
Bedrohung durch IP-basiertes Fernsehen als disruptive Technologie ist allerdings
nicht ernsthaft gegeben. Zwar steigt die Konvergenz von Fernsehen und Internet,
doch mit einer schlagartigen Substituierung des klassischen Fernsehens durch die
IPTV-Nutzung ist wohl nicht zu rechnen. Für IPTV wird das Marktvolumen in
Deutschland bis 2010 auf lediglich 450 Mio. Euro geschätzt (vgl. [Henn2006]).
IP-basiertes Fernsehen ist dennoch auf dem Vormarsch, denn es bietet auch für die
bestehenden Fernsehsender die Möglichkeit ihr Portfolio zu erweitern, ihre Distributi-
on auf eine breitere Basis zu stellen und innovative Inhalte anzubieten (vgl.
[Delo2007] S. 7). Dafür sind neue Geschäftsmodelle nötig, und die Produktionspro-
zesse der Sender müssen deshalb an die Bedürfnisse der Technologie angepasst
werden.
Denn neben der richtigen Senderstrategie, dem Erfolg am Zuschauermarkt und der
Verteilung der Werbeinvestitionen ist besonders die Effizienz der Operations aus-
schlaggebend für den Erfolg eines Fernsehsenders (vgl. [GuMü2007] S. 5). Um effi-
zient und kostengünstig arbeiten zu können, benötigen die Sender zukünftig Soft-
waresysteme, die sich an den neuen Anforderungen der Infrastruktur orientieren. Sie
bilden das Fundament für eine reibungslose Produktion und die Basis für zukünftige
Gewinne.
1.2 Zielsetzung
Diese Arbeit möchte drei Fragen beantworten. Erstens, welche neuen Geschäftsmo-
delle durch IP-basiertes Fernsehen ermöglicht werden. Zweitens, wie die Produkti-
onsprozesse ausgehend von den neuen Modellen und der Besonderheiten des IP-
basierten Fernsehens sich ändern. Und schließlich drittens, welche neuen Anforde-
rungen sich daraus an die Produktionssysteme ergeben.
Diese Diplomarbeit soll einen Überblick über den aktuellen Status der Branche ge-
ben und aktuelle Entwicklungen beispielhaft beleuchten. Die folgenden Seiten kön-
nen den Herstellern von Softwareprodukten für die TV-Produktion eine Orientierung
geben, welche Art von Unterstützung die Fernsehsender in Zukunft benötigen. Mitar-
beitern von Fernsehsendern kann die Arbeit Gedankenanstöße geben, welche eige-
nen Prozesse überdacht und bei Bedarf neu modelliert werden müssen.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
1 Einführung Seite 12
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
Basis für die Untersuchung waren eine intensive Literaturrecherche, die Beobach-
tung der Branche in den letzten Monaten und einige Gespräche mit Vertretern dieses
Fachgebietes. Drei strukturierte Interviews mit Experten aus dem Bereich der Fern-
sehproduktion rundeten das erworbene Bild ab, unterstrichen die Bedeutsamkeit ein-
zelner Punkte und brachten neue Aspekte ans Licht.
Diese Arbeit gliedert sich nach dem ersten einführenden Kapitel in drei Hauptteile die
die Kapitel zwei bis vier füllen, sowie einen abschließenden Ausblick im fünften Kapi-
tel. Im ersten Abschnitt des Hauptteils – dem zweiten Kapitel – werden einleitend die
Stellung der Fernsehsender in der Gesellschaft und die Struktur des Fernsehmarktes
beschrieben. Um die Arbeit sowohl im technischen als auch im wirtschaftlichen Kon-
text richtig einordnen zu können, beschreibt dieses Kapitel im weiteren Verlauf die
zunehmende Digitalisierung des Fernsehens und den Trend zur Interaktivität der An-
gebote. Zum Ende des zweiten Kapitels werden die Begriffe Internetfernsehen und
IPTV voneinander abgegrenzt und auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei-
der Konzepte eingegangen.
Das dritte Kapitel bildet inhaltlich den zweiten großen Teil und dient dem grundle-
genden Verständnis der Funktionsweise eines Fernsehsenders. Dieser Abschnitt
analysiert den aktuellen Stand der Fernsehproduktion und bildet gleichzeitig ein Ras-
ter, anhand dessen die zukünftigen Veränderungen untersucht werden können.
Das erste Augenmerk liegt hier auf der Wertschöpfungskette. Durch den Vergleich
unterschiedlicher Abhandlungen über die TV-Wertschöpfungskette werden die für
einen Fernsehsender typischen Glieder der Kette herausgefiltert. Im weiteren Verlauf
des Kapitels wird das helfen, die bestehenden Geschäftsmodelle und Prozessschritte
ins Gesamtbild der Branche einzuordnen. Es folgt eine Vorstellung eben jener Ge-
schäftsmodelle.
Da sich die weitere Untersuchung mit den Produktionsprozessen befasst, müssen
zuerst all die Prozesse identifiziert werden, die überhaupt zur TV-Produktion gehören
und auch relevant im Sinne dieser Arbeit sind. Das Ende des dritten Kapitels be-
schreibt, inwiefern die Fernsehproduktion bereits IT-technisch abgebildet ist.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
1 Einführung Seite 13
Den dritten Hauptabschnitt und Kern der Arbeit stellt das vierte Kapitel dar. In diesem
Abschnitt werden zuerst die Forschungsmethode des Experteninterviews und das
genaue Vorgehen bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Inter-
views genauer behandelt. Im weiteren Verlauf orientiert sich die Struktur des Kapitels
am vorherigen dritten Kapitel. Analog werden zuerst die Geschäftsmodelle, dann die
Produktionsprozesse und abschließend die Produktionssysteme beleuchtet. Alle drei
Unterkapitel werden diesmal jedoch hinsichtlich der Veränderungen aufgrund einer
Produktion für IP-basiertes Fernsehen betrachtet. Die folgende Abbildung zeigt zur
besseren Übersicht die Struktur der Arbeit, insbesondere die der Teilbereiche des
dritten und des vierten Kapitels:
1. Kapitel: Einführung
Problemstellung, Zielsetzung, Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
2. Kapitel: Fernsehlandschaft im Umbruch
Gesellschaftliche Stellung, Marktstruktur, Trends und Technologien
3. Kapitel: State of the Art in der Fernsehproduktion
TV-Wertschöpfungsprozesse
4. Kapitel: Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen
Experteninterviews und Literaturrecherche
5. Kapitel: Ausblick
IT-Unterstützung
Veränderte Anforderungen an IT-Unterstützung
Geschäftsmodelle
Veränderte Geschäftsmodelle
Produktionsprozesse
VeränderteProduktionsprozesse
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 14
2 Fernsehlandschaft im Umbruch
Um die Transformationsprozesse in den Fernsehsendern im weiteren Verlauf der
Arbeit besser zu verdeutlichen, wird in diesem Kapitel zunächst das gesellschaftliche
und marktwirtschaftliche Umfeld der Sender behandelt. Außerdem werden die aktuel-
len technischen und soziologischen Entwicklungen vorgestellt, die eine Vielzahl neu-
er Chancen, aber auch Herausforderungen und gewisse Risiken für die etablierten
Fernsehsender bedeuten. Den Abschluss dieses Kapitels bildet die Vorstellung der
unterschiedlichen Ansätze offener und geschlossener IPTV-Systeme.
2.1 Intermediärsfunktion der Fernsehsender
Will man das Wesen eines Fernsehsenders verstehen, ist zunächst seine Rolle in
der Gesellschaft zu betrachten: Fernsehen gilt heute noch als das Leitmedium, auch
wenn nach und nach das Internet diese Rolle einnimmt. Die Fernsehzuschauer ha-
ben in Bezug auf das Medium Fernsehen zwei grundlegende Bedürfnisse: zum ei-
nen, sich zu informieren, und zum anderen, sich zu unterhalten (vgl.
[Pill2007] S. 153).
Um diese Nachfrage zu bedienen, agieren verschiedene Unternehmen am TV-Markt:
technische Dienstleister, Infrastrukturbetreiber, Gerätehersteller und Verlage mit
Fernsehzeitschriften im Angebot. Die wichtigste Rolle spielen allerdings die Sende-
anstalten. Denn sie dienen als Vermittler zwischen den Contentrezipienten, also den
Zuschauern, und den Contentproduzenten wie z. B. den Produktionsgesellschaften.
(vgl. [WiHe2007] S. 872). In dieser Intermediärsfunktion führen die Unternehmen be-
stimmte Funktionen aus, die allesamt einen Beitrag zur Bedürfnisbefriedigung der
Konsumenten leisten. (vgl. [HeWa2006] S. 5–7).
Abbildung 2: Fernsehsender als Intermediär
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 15
2.2 Struktur des Fernsehmarktes
Die Marktform des TV-Marktes ist ein Angebotsoligopol, bei dem wenige Fernseh-
sender einer millionenstarken Masse von Konsumenten gegenüberstehen. Die Fern-
sehlandschaft in Deutschland ist durch ihr duales System gekennzeichnet. Dabei
teilen sich öffentlich-rechtliche Sender die Einschaltquoten mit privaten Sendern.
Nach dem zweiten Weltkrieg führten die Westalliierten in ihren Besatzungszonen ei-
nen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein. Als Vorbild für die neu geschaffenen, gebüh-
renfinanzierten Anstalten wählte man die Britische BBC. Private Sendeanstalten tra-
ten erst mit der allmählichen Liberalisierung des Marktes ab 1984 auf.
Private Sender können im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen nicht auf Rund-
funkgebühren zur Deckung ihrer Kosten zurückgreifen. Sie finanzieren sich deshalb
entweder aus Zuschauer-Abonnements (Pay-TV) oder, wie am häufigsten der Fall,
durch Werbeeinnahmen (Free-TV).
Wie, wann und wie stark geworben werden darf, wird durch nationale oder EU-
Werberichtlinien vorgeschrieben. So sind zum Beispiel die Anzahl der Werbeunter-
brechungen und der Werberaum geregelt (vgl. [GuMü2007] S. 5). Heute gibt es in
Deutschland über 150 lizenzierte und privatwirtschaftlich betriebene Programmanbie-
ter (vgl. [Komm2007]). Die Zahl wächst laufend, denn die neuen Technologien öffnen
den Fernsehmarkt auch für kleine Anbieter. Über das Internet kann nun praktisch
jeder mit nur wenig Aufwand Bewegtbilder ausstrahlen. Diese Neueintritte führen
langfristig zu einer Verspartung des Marktes, aber auch zu einer Demokratisierung.
2.3 Digital Switchover – von anlog zu digital
Fernsehen wird heute schon weitgehend digital verbreitet. Anders als bei den analo-
gen, wellenförmigen Signalen werden die Daten in der digitalen Welt in Nullen und
Einsen zerlegt und dann kettenförmig versendet. Empfangsgeräte und Übertra-
gungsstrecken werden momentan sukzessive daran angepasst. Das alte analoge
Sendeverfahren geht nun langsam seinem Ende entgegen und soll in der Bundesre-
publik Deutschland bis zum Jahr 2010 eingestellt sein (vgl. [Dire2007] S. 6). Danach
wird auf allen Verbreitungswegen nur noch digital nach den „Digital Video Broad-
casting“-Standard (DVB) gesendet. Die technischen Unterarten für die einzelnen
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 16
Übertragungswege – terrestrisch (DVB-T), per Satellit (DVB-S), mobil (DVB-H), per
Kabel (DVB-C) oder über IP-basierte Netze (DVB-IPI) – unterscheiden sich im Modu-
lationsverfahren, das für die jeweilige Nutzung optimiert wurde.
Die Digitalisierung bringt eine bessere technische Übertragungsleistung und eine
dadurch weitaus höhere mögliche Bildqualität mit sich. In Kombination mit dem
Rückkanal, der durch IPTV ermöglicht wird, bildet das digitale Fernsehen auch die
Basis für vielfältige unterstützende Services und Geschäftsmodelle.
2.4 Interaktives Fernsehen
Neben den technologischen Megatrends der Digitalisierung und der Mobilität spielt
Interaktivität eine immer größere Rolle. Die Konsumenten werden anspruchsvoller.
Sie wünschen sich mehr zeitliche und inhaltliche Souveränität sowie mehr Mitbe-
stimmung und Individualisierung in den Auswahloptionen.
Interaktivität erfordert laut den gängigen Definitionen Eingriffs- und Steuerungsmög-
lichkeiten des Benutzers. Dadurch entstehen Kommunikation und ein temporärer
Rollentausch zwischen Sender und Empfänger. Bedingung dafür ist ein Rückkanal,
auf dem der Verbraucher Informationen aussenden kann.
Als interaktives Fernsehen bezeichneten sich erstmals Ende der 80er-Jahre Angebo-
te US-amerikanischer Sender, später auch Programme hier in Deutschland. Als
Rückkanal für die Teilnahme an Spielen oder Abstimmungen z. B. über Programm-
wünsche diente dafür damals das Telefon. Ein bekanntes Beispiel ist die im Jahr
1994 in Deutschland gestartete Sendung „Hugo – Die interaktive Gameshow“. In die-
ser Show konnten die Zuschauer mit dem Ziffernblock ihres Tastentelefons den
computeranimierten Troll und Namensgeber der Sendung – Hugo – durch verschie-
dene Telespiele steuern.
Aus heutiger Sicht bezeichnet man diese Erscheinungsformen nicht mehr als interak-
tives Fernsehen, sondern man spricht vielmehr von einer Zuschauerbeteiligung. In-
teraktives Fernsehen ist nämlich erst dann gegeben, „wenn anstelle des linearen
Rundfunkprogramms digital übertragene Inhalte durch einen permanenten Rückka-
nal gesteuert oder beeinflusst werden können“ (vgl. [VoHe1998] S. 35) – dann also,
wenn der Zuschauer selbst zum Programmdirektor wird und imstande ist, sich Filme
auch „on Demand“, also auf Abruf, anzusehen. Je höher allerdings der Grad an In-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 17
teraktivität ist, desto mehr büßt das Fernsehen aber auch seinen Charakter als Mas-
senmedium ein. Dieser Zielkonflikt ist insbesondere für die Werbewirtschaft ein Di-
lemma.
Die herkömmliche Art und Weise des Fernsehkonsums entspricht einer Nutzung als
Entspannungsmedium zum Abschalten vom Alltag (vgl. [Knap2003] S. 47). Diese
passive und eher selektive Mediennutzung des klassischen, linearen Fernsehens
wird anhand der Haltung des Zuschauers auf dem Sofa oder Fernsehsessel als „lean
back“ bezeichnet. Interaktive Angebote entsprechen dagegen mehr dem Konzept
des „lean-forward“. Der Name rührt von einer sitzenden, vorwärts geneigten Haltung
am PC her. Denn für diese Art der Anwendung ist eine aktive Beteiligung des Zu-
schauers nötig, in etwa wie beim Surfen im Internet. Der PC ist auf eine interaktive
Nutzung zugeschnitten. Die meisten interaktiven Angebote finden sich deshalb heute
im Bereich des Internet-Fernsehens.
Der gewöhnliche Fernsehbildschirm und auch das Steuerungsgerät, die Fernbedie-
nung, sind dagegen eher für eine passive Nutzerrolle konzipiert. Dies mag auch der
Grund sein, weshalb die interaktive Fernbedienung „Betty“, mit der man sich bei-
spielsweise an Quizsendungen im laufenden Programm direkt beteiligen kann, sich
bisher nicht am Markt durchsetzen konnte.
IP-basiertes Fernsehen bietet dem Zuschauer die Möglichkeit zu mehr als nur einer
bloßen Beteiligung durch Abstimmung per SMS oder einem Knopfdruck auf der
Fernbedienung. Der Rückkanal bietet echte Interaktivität. Das geht so weit, dass der
Mensch am Bildschirm sich nicht nur unterhalten lassen kann. Er ist in der Lage,
selbst Inhalte zum Programm beizusteuern, zum Beispiel in Form von selbst gedreh-
ten Videos, die dann als sogenannter „user-generated-content“ auf Video-Portale
hochgeladen werden können. Aus einem Konsument wird so ein „Prosument“, der
sowohl Unterhaltung produziert als auch selbige konsumiert. Jeder publikationsfreu-
dige Nutzer hat so in Zukunft wie von Andy Warhol prognostiziert die Chance, selbst
einmal für 15 Minuten oder länger berühmt zu werden, sofern er durch sein Video
versteht, die Aufmerksamkeit der Massen zu erregen.
Dieses geänderte Rollenverhalten kann für die Medienbranche zum einen eine
Chance sein, da die Verbraucher ihre Inhalte meist kostenlos zur Verfügung stellen
und diese nur noch vermarktet werden müssen, zum anderen sehen einige Unter-
nehmen darin jedoch auch eine Bedrohung. Besonders deutsche Unternehmen füh-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 18
len sich laut einer Studie von Accenture durch Inhalte bedroht, die die Nutzer selbst
ins Internet stellen. „57 Prozent sehen eine große Gefahr in Inhalten, die von Nutzern
eingestellt werden und einen neuen Wettbewerb eröffnen.“ (vgl. [EdRo2007] S. 2)
2.5 IPTV und seine Ausprägungen
IPTV und Internetfernsehen, auch Web-TV genannt, werden oft in einem Atemzug
genannt oder synonym behandelt. Sie stellen jedoch zwei unterschiedliche Konzepte
dar. Für beide Systeme gelten ähnliche Gesetzmäßigkeiten, und sie sind deshalb
beide auch Teil der weiteren Untersuchung. Denn die Fernsehsender sind daran in-
teressiert, ihr Programm möglichst auf allen Kanälen zu verbreiten. In diesem Kapitel
werden beide Bereiche voneinander abgegrenzt und Gemeinsamkeiten und Unter-
schiede herausgestellt. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Einfachheit halber der
Begriff IPTV, sofern nicht anderweitig vermerkt, für beide Ausprägungen des IP-
basierten Fernsehens verwendet.
2.5.1 Geschlossene IPTV-Systeme
Obwohl beide eben beschriebenen Methoden für sich jeweils sowohl „TV“ sind als
auch auf IP-Technologie basieren, wird die Abkürzung IPTV im engeren Sinne nur
für Angebote in geschlossenen Netzwerken verwendet. Die Internationale Fernmel-
deunion, ein Zusammenschluss von Telekommunikationsunternehmen, hat den Beg-
riff schon früh definiert und so für sich vereinnahmt. Laut Definition wird für IPTV ein
benötigtes Maß an Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit, die sogenannte „Quality
of Service“, gefordert. Diesen Ansprüchen wird das Internet pauschal nicht gerecht,
da hier die Daten nur weitergeleitet werden, solange noch freie Übertragungskapazi-
täten zur Verfügung stehen. Dabei ist auch die fehlerfreie und vollständige Übermitt-
lung nicht garantiert. Bewegtbilder in hoher Güte garantieren bislang nur besondere
„closed service“-Angebote der Netzbetreiber. Da sich in deren Systemen nur eine
begrenzte Anzahl an Vertragsanbietern präsentiert und die Netzbetreiber dadurch
einen geschlossenen Angebotsraum schaffen können, spricht man hierbei von „Wal-
led Gardens“ (vgl. [StTe2006]). Neben der Qualität gelten als weitere wesentliche
Merkmale die Rückkanalfähigkeit sowie die Verwendung eines paketvermittelnden
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 19
Netzwerks1. Vorteil für den Benutzer ist gegenüber dem Internetfernsehen vor allem
die gewohnte Bedienung mittels Fernbedienung vom Sofa aus.
Für den IPTV-Empfang am Fernsehgerät wird ein Beistellgerät, die sogenannte Set-
Top-Box, benötigt. Dadurch entstehen dem Zuschauer meist zusätzliche Kosten.
Dieses Gerät decodiert die digitalen Signale für eine Ausgabe an analogen Emp-
fangsgeräten und stellt umgekehrt den Rückkanal her. Einige neuere TV-Geräte oh-
ne analoge Bildröhre sind in der Lage, die digitalen Eingangssignale direkt weiterzu-
verarbeiten. Diese IDTV-Fernseher (engl. Integrated Digital Television) benötigen
daher zum Decodieren nicht unbedingt eine Set-Top-Box. Auf der Box oder in der
integrierten Einheit im IDTV-Gerät läuft das Betriebssystem für die Navigation durch
die Programme und Zusatzdienste. Dies können Portale oder Elektronische Pro-
grammführer, kurz EPGs (Electronic Program Guide), sein. Sie erlauben es dem Be-
nutzer, seine gewünschten Sendungen und Dienste schneller oder überhaupt erst zu
finden. Zudem ermöglichen die Beistellgeräte interaktive Zusatzdienste wie zeitver-
setztes Fernsehen oder einen persönlichen netzwerkbasierten Online-Videorecorder
(vgl. [Delo2007]). Hochwertige Set-Top-Boxen dienen dank einer eingebauten Fest-
platte selbst als digitaler Recorder.
Das digitale Fernsehen gestattet eine verbesserte Verschlüsselung und Abrechnung
der Inhalte. Dadurch eröffnen sich für die Netzbetreiber neue Möglichkeiten. Sie ha-
ben die Möglichkeit, ihr traditionelles Leistungsspektrum zu erweitern und sich von
ihrer reinen Durchleitfunktion zu Vermarktern zu entwickeln (vgl. [Zerv2003] S. 83).
Die Zuschauer können aus einer Reihe von sogenannten Bouquets auswählen. Ein
solches Bouquet besteht dabei aus einem Bündel von Sendern. In der Regel be-
kommt der Zuschauer schon mehrere solcher Angebotsbündel mit seinem An-
schlusspreis geliefert. Dazu gehört das lineare Free-TV bestehend aus den gängigen
Privatsendern den beiden Bouquets ARD Digital und ZDF Vision. Letztere beinhalten
alle öffentlich-rechtlichen Haupt- und Spartensender. Gegen eine zusätzliche Gebühr
oder durch das Abonnieren von Bezahl-Sendern kann der Kunde dann weitere Spar-
tensender oder ausländische Sender zusätzlich empfangen. Um die Bezahl-Inhalte
1 Sog. „Next generation networks“: (NGN) Kommunikationsnetz entstehend aus der Konvergenz her-
kömmlicher Netze (Telefonnetze, Mobilfunknetze etc.) mit IP-basierten Netzen.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 20
frei zu schalten, muss der Zuschauer ein zusätzliches Modul oder eine Smartcard –
eine Scheckkarte mit Computerchip – in seine Set-Top-Box einsetzen.
IPTV ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch nicht sehr weit ver-
breitet. Das erste IPTV-Angebot gab es erst im Oktober 2006. Seither haben die drei
großen Angebote „T-Home Entertain“, „Alice Home TV“ und „Arcor Digital TV“ erst
etwas über 200 000 Abonnenten (vgl. [Pric2008] S. 23). Eine aktuelle Studie stellt
fest, dass lediglich 12 % der Befragten überhaupt etwas mit dem Begriff IPTV anfan-
gen konnten (vgl. [Pric2008] S. 42). Die Deutsche Telekom möchte mit ihrem IPTV-
Angebot allerdings rasch den Massenmarkt erschließen. Für 2008 hat man sich zum
Ziel gesetzt, das Hochgeschwindigkeitsnetz weiter auszubauen und bis Ende des
Jahres die Marke von 500.000 Abonnenten zu erreichen (vgl. [Hött2008]).
2.5.2 Offene IPTV-Systeme
Viel weiter verbreitet sind offene IPTV-Systeme, die Internetfernsehen bzw. Web-TV
auch übers Internet anbieten. Durch freie Verfügbarkeit und meist ohne Vertragsbin-
dung fällt es diesen IP-basierten Fernsehformen wesentlich leichter, eine kritische
Masse zu erreichen. Offene IPTV-Systeme werden nicht von einem einzigen Anbie-
ter kontrolliert. Es ist lediglich ein herkömmlicher PC mit schnellem Internetanschluss
für den Empfang nötig. Das Internet ist das bisher am schnellsten gewachsene Me-
dium überhaupt, weshalb über 60 % der Bevölkerung über einen Internetanschluss
verfügen (vgl. [Brosz2007]). Mehr als 15 Millionen Haushalte verfügen derzeit bereits
über einen Breitbandanschluss, der für das Fernsehen übers Internet benötigt wird.
Eine ebenso große Zahl nutzt ihren Online-Zugang bereits auch, um sich Videos an-
zusehen (vgl. [WiRa2007] S. 17, [KaSi2008] S. 9)
Die Qualität der für das Internet aufbereiteten Bewegtbilder bleibt hinter der von Wal-
led-Garden Angeboten zurück und ist oft sogar schlechter als das herkömmliche
Fernsehbild. Ein störungsfreier Empfang ist ebenfalls nicht gewährleistet, da ja wie
bereits erläutert Datenpakete nur übertragen werden können, solange im Netz noch
freie Übertragungskapazität vorhanden sind. Einzelne Portale wie das mangels Refi-
nanzierbarkeit geschlossene Portal Stage6.com haben allerdings bereits gezeigt, wie
viel mehr Qualität bereits technisch machbar ist. Das Angebot des Technologieun-
ternehmens DivX zeigte, dass durchaus schon im großen Stil und ohne lange Lade-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 21
zeiten Filme in High-Definition-Auflösung und im Streaming-Verfahren angeboten
werden können.
Mehrere klassische Fernsehsender haben bereits eigene Internetportale aufgebaut,
auf denen sie einzelne Sendungen als Live-Streaming bzw. eine Auswahl aus dem
bereits gesendeten Programm als On-Demand-Streaming anbieten. Die Sender ver-
suchen, Zuschauer zu binden, indem sie eine intensivere Endkundenbeziehung auf-
bauen (vgl. [Delo2007] S. 14). Außerdem sollen durch kostenpflichtige On-Demand-
Streams Zusatzerlöse generiert werden. Die Sendergruppe ProSiebenSat1 hat für
Pay-TV im Internet mit „Maxdome“ eine getrennte Plattform geschaffen, die derzeit
das erfolgreichste Angebot dieser Art im europäischen Raum darstellt.
Zu den etablierten Sendern gesellen sich inzwischen allein in Deutschland weit über
500 kleine Spartenkanäle die oft nur übers Internet empfangen werden können. Die
Programme im Internet laufen meist nur in einem kleinen Fenster ab, und die Naviga-
tion ist nur für eine Nutzung am PC bestimmt. Man geht jedoch nach und nach dazu
über, die Oberflächen der Video-Portale so anzupassen, dass sie auch komfortabel
auf einem Fernsehbildschirm angezeigt werden können. Für diese „Lean-Back“-Nut-
zung muss die Benutzeroberfläche an die eingeschränkten Möglichkeiten auf dem
Fernseher angepasst werden. Die Navigation muss mit den Knöpfen einer Fernbe-
dienung gesteuert werden können, und eingeblendeter Text muss groß genug sein,
damit er aus mehreren Metern Entfernung noch gelesen werden kann. Die ZDF-
Mediathek beispielsweise ist bereits für diese Form der Nutzung optimiert.
Microsoft bietet für seine Betriebssysteme Windows XP und Vista das Programm
„MediaCenter“ an, in dem man das Abspielprogramm auf eine Darstellung mit für
Fernseher optimierten Schriftgrößen und Formatierungen umschalten kann. Damit
kann der PC einfacher zusammen mit dem Fernseher benutzt werden. Diese gleich-
zeitige Nutzung von PC und Fernseher wird auch „Hybrid TV“ genannt. Einzelne
Sender nutzen diese Plattform bereits für ihr interaktives Programm. Der Nachrich-
tensender n-tv bietet beispielsweise eine eigenes MediaCenter-Plug-In-Software für
sein Angebot „n-tv plus“.
Einer Umfrage nach können sich 53 % der Befragten grundsätzlich auch vorstellen,
sich Internet-Videos am TV-Gerät anzusehen (vgl. [KaSi2008] S. 29). Diese Zahlen
lassen darauf schließen, dass die bisher getrennten Welten von Web-TV und IPTV
nach und nach immer mehr verschmelzen werden.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
2 Fernsehlandschaft im Umbruch Seite 22
Ein viel versprechendes neues Konzept bei den offenen IPTV-Systemen bieten Peer-
to-peer-Netzwerke (P2P) an, bei denen jeder Teilnehmer das eben erhaltene Pro-
gramm nicht nur empfängt, sondern auch weitersendet und somit zur schnelleren
Verteilung beiträgt (siehe Abbildung 3). Um die P2P-Technologie nutzen zu können,
benötigen die Zuschauer ein eigenes Abspielprogramm. Zu den bekanntesten Distri-
butoren dieser Art gehören Joost, Babelgum, veohTV und der Schweizer Anbieter
Zattoo. Dieser hat seit April 2008 40 deutsche Sender zur Auswahl, darunter das ge-
samte bundesdeutsche öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm mit 24 Sendern. Zat-
too ist dabei nicht das einzige System, auf dem die öffentlich-rechtlichen sich versu-
chen. Seit November 2007 betreibt das ZDF auf dem Videoportal YouTube einen
eigenen Unterkanal, auf dem der Mainzer Sender Wiederholungen aus dem Fernse-
hen zeigt.
Abbildung 3: Peer-to-peer-Distribution am Beispiel von „Joost“2
2 Quelle: http://www.medialess.com.br/wp-content/uploads/2007/04/joost-hybrid-p2p.jpg
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 23
3 State of the Art in der TV-Produktion
Dieses Kapitel untersucht als Grundlage für die weitere Arbeit die Fernsehproduktion
als solche. Insbesondere werden die technologischen Neuerungen beleuchtet und
dargestellt, welche Auswirkungen sie auf die zukünftige Entwicklung haben. Nach
einer vorausgehenden Betrachtung der TV-Wertschöpfungsprozesse wird versucht,
die bestehenden Geschäftsmodelle in die Wertschöpfungskette einzuordnen sowie
festzustellen, welche Prozesse auf dem Weg zu den Bildschirmen der Kunden durch-
laufen werden müssen. Es folgt eine Bestandsaufnahme der Software-Programme,
die für die Gesamtproduktion benötigt werden.
Abbildung 4: Aufbau des dritten Kapitels
3.1 TV-Wertschöpfungskette
Um Prozesse und Strukturen von Unternehmen zu analysieren, neu zu gestalten und
zu verbessern, dient das Modell der Wertschöpfungskette. Dabei werden verschie-
dene wertschöpfende Aktivitäten eines Unternehmens als Glieder einer Kette zwi-
schen der Lieferantenseite und der Nachfrageseite gesehen. Um die Prozesse eines
einzelnen Fernsehsenders untersuchen zu können, analysieren wir nun zunächst die
Wertschöpfungskette der gesamten TV-Wirtschaft. Aus ihr lassen sich sowohl ein-
zelne Prozesse als auch mögliche Geschäftsmodelle ableiten.
Wertschöpfende Aktivitäten von Unternehmen sind nach Porter all die physisch und
technologisch unterscheidbaren Aktivitäten, die als Bausteine eines für den Abneh-
mer Nutzen stiftenden Produkts betrachtet werden können (vgl. [Port1986] S. 64).
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 24
Porters Wertkette, wie sie in Abbildung 5 zu sehen ist, wird als Grundmodell angese-
hen, das sich an jedes betrachtete Unternehmen angleichen lässt (vgl.
[FrJe2006] S. 23f.).
Abbildung 5: Wertschöpfungskette nach Porter (vgl. [Port1986] S. 62)
3.1.1 Besonderheiten der TV-Wertschöpfungskette
Bei der Übertragung auf ein Medienunternehmen wie einen Fernsehsender gibt es
allerdings verschiedene Punkte zu beachten. Eine Besonderheit ist beispielsweise
die grundsätzliche Unterscheidung im Medienbereich zwischen einer technischen
Produktion und der vorhergehenden Produktion und Aggregation von Inhalten. Es ist
nicht sinnvoll, diese beiden Produktionsformen in einer Stufe zusammenzufassen.
Deshalb werden auch später in dieser Arbeit die inhaltliche und die technische Pro-
duktion separat dargestellt. Da das produzierte TV-Programm bei der Übermittlung
nicht wie etwa bei einer Zeitung an ein materielles Trägermedium gebunden ist, fällt
die technische Produktion beim Fernsehen mit der Distribution zusammen (vgl.
[Wirt2006] S. 52).
Die Rundfunkbranche unterscheidet sich auch in weiteren Punkten von anderen
Wirtschaftsbereichen. Das liegt zum einen daran, dass die produzierten und gehan-
delten Güter – Information und Unterhaltung – immaterielle Güter sind. Zum anderen
liegt es an der Art der Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern. Normalerweise
wird der Leistungshersteller vom Endverbraucher für die erbrachte Mehrleistung auf
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 25
geradem und direktem Wege entlohnt. Beim Rundfunk treffen jedoch zwei Märkte
aufeinander und bilden ein Dreiecksverhältnis zwischen Zuschauern, Inhaltsprodu-
zenten und werbenden Unternehmen (siehe Abbildung 6). Die Fernsehsender be-
kommen den Großteil ihrer Einnahmen nicht von den Zuschauern. Trotzdem gelten
die Zuschauer als Kunden, da sie ja auch das Endprodukt geliefert bekommen. Bei
der Kundenbeziehung handelt es sich um keine direkte, sondern um eine „anonyme,
durch Publikumsforschung vermittelte“ Kundenbeziehung (vgl. [Zerdi1999] S. 55).
Die gemessene Aufmerksamkeit dient dann als Bemessungsgrundlage für den Erfolg
des Senders und die Preise der Werbezeiten. Die Zuschauer finanzieren die Pro-
grammproduktion, abgesehen von den Rundfunkgebühren im Fall von öffentlich-
rechtlichen Sendern, also nur indirekt über den Kauf der beworbenen Artikel aus der
Produktwirtschaft. Diese beauftragt über Agenturen die Werbewirtschaft, Werbung in
den Programmen der Sender zu schalten. Porters Wertkette wird also für die TV-
Wirtschaft erweitert durch indirekte Erlösströme aus dem Rezipientenmarkt (vgl.
[FrJe2006] S. 26).
Abbildung 6: Dreiecksverhältnis beim Free-TV
Durch die bisher meist anonyme Beziehung zum Zuschauer spielt die primäre Aktivi-
tät Kundendienst aus Porters Modell eher eine untergeordnete Rolle. Die Stufe Ein-
gangslogistik kann weitgehend mit der Programm- und Werbeplanung sowie mit der
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 26
Akquisition von Inhalten gleichgesetzt werden. Unter den Punkt Operationen fallen
die Inhalteproduktion und der Rechtehandel. Die Aktivität Marketing spielt eine be-
sondere Rolle für Privatsender, um sich am Zuschauermarkt zu positionieren. Die
Ausgangslogistik findet ihre Entsprechung in der technischen Produktion und Distri-
bution (vgl. [Gläs2006b] S. 109)
3.1.2 Stufen der TV-Wertschöpfungskette
Mehrere wissenschaftliche Autoren haben sich genauer der TV- und Medienwert-
schöpfungskette gewidmet und sind bei der Festlegung der Wertschöpfungsstufen zu
verschiedenen Ergebnissen gekommen. Es werden jeweils fünf bis sieben Stufen der
Wertkette genannt. In der folgenden Tabelle werden einige Modelle miteinander ver-
glichen:
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 27
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Schritt in Kette
Programmwirtschaft (Identifikation)
X X
Konzeption (Programmplanung)
X X X
Auswahl X X
Beschaffung (Akquisition, Informationssammlung)
X X X X X
Pre-Production X
Programmproduktion X X X X X X X X
Post-Produktion (Transformation)
X X
Programmhandel X
Systematisierung X
Aggregation X X X X
Programm X
Programmgestaltung (Packaging, Auswahl, Bündelung)
X X X X
Vermarktung X
Customer Management X
Plattform X
Sendeabwicklung (Reproduktion)
X X
Technische Produktion (Programmdistribution, Verteilung, Sendung)
X X X X X X X X X
Abo-Management X
Endgeräte (Präsentation)
X X X
Rezeption (Nutzung, Zuschauer)
X X X X X
Archivierung X
Finanzierung X
Tabelle 1: Literaturvergleich zur TV-Wertschöpfungskette
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 28
Es ist erkennbar, dass die vier Stufen Beschaffung, Produktion, Programmgestaltung
und technische Distribution besonders häufig genannt werden. Bei den weiteren Stu-
fen ist sich die Literatur uneinig. Die Gesamtmenge der Variationen ermöglicht es
uns allerdings, im Folgenden ein genaueres Bild von den Prozessen eines TV-
Senders zu bekommen.
Die Unsicherheit über eine genaue Festlegung der einzelnen Glieder der Wertkette
zeigt das Beispiel der Wertkette der TV-Wirtschaft von Bernd Wirtz. Aufbauend auf
Porter entwickelte er eine Wertkette für Medienunternehmen, die als Basismodell für
alle Medienbranchen dient. Angepasst an den TV-Markt ergibt sich die Kette aus Ab-
bildung 7:
Abbildung 7: Wertkette der TV-Wirtschaft (vgl. [Wirt2006] S. 356)
Als fünfter Schritt ist an dieser Stelle neben den vier häufig genannten der Pro-
grammhandel getreten. Im gleichen Jahr veröffentlichte Wirtz allerdings auch einen
Artikel mit Richard Pelz, in dem stattdessen der Punkt Marketing als fünftes Glied der
Kette gewählt wurde (Abbildung 8).
Abbildung 8: Wertschöpfungskette von TV-Unternehmen (vgl. [WiPe2006] S. 13)
Offenbar sind je nach Sichtweise auf die Branche unterschiedliche Stufen der Leis-
tungserstellung von besonderer Bedeutung. Beim digitalen Bezahlfernsehen ist zum
Beispiel das Abo-Management besonders entscheidend (vgl. [FrJe2006] S. 27).
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 29
Nach [RaSc1995] können parallel zur physischen Wertschöpfungskette Porters auch
virtuelle Wertschöpfungsstufen unterschieden werden. Virtuell deshalb, weil hier im-
materielle Subjekte, nämlich Informationen, die Glieder der Wertschöpfungskette
durchlaufen. Diese Stufen sind die Sammlung von Informationen sowie deren Sys-
tematisierung, Auswahl, Aggregation und Verteilung (vgl. [FrJe2006] S. 28).
Die neuesten Quellen, wie die Studie von Goetzpartners [Goet2007], berücksichtigen
bei ihrer Betrachtung des Fernsehens bereits IPTV. Deshalb werden zusätzlich Akti-
vitäten wie Vermarktung und Customer Management verwendet. Dies weist bereits
auf veränderte Beziehungen zu Kunden und Vertragspartnern hin. Die zusätzlich ge-
nannten Aktivitäten Plattform und Endgeräte tragen ebenso den neuen technischen
Möglichkeiten Rechnung.
3.2 Geschäftsmodelle von Fernsehsendern
Um einen einfachen Überblick über die wesentlichen relevanten Aspekte der be-
triebswirtschaftlichen Teildisziplinen einer Organisation zu erlangen, können die Ge-
schäftsaktivitäten in aggregierter und komprimierter Form in einem Geschäftsmodell
abgebildet werden (vgl. [Wirt2001] S. 211).
Ein Geschäftsmodell beschreibt in abstrahierter Form die ordentliche Geschäftstätig-
keit einer Organisationseinheit. Die Abstraktion kann darin bestehen, dass zum Bei-
spiel die beteiligten Organisationseinheiten mit den dazugehörigen Transferflüssen
dargestellt werden (vgl. [ScDe2003] S. 22). Damit trifft ein Geschäftsmodell Aussa-
gen darüber, welche Produktionsfaktoren ein Unternehmen kombiniert, um seine Un-
ternehmensstrategie umzusetzen, und welche Funktionen den beteiligten Akteuren
dabei zukommen (vgl. [Wirt2006] S. 67).
Geschäftsmodelle beantworten grundsätzlich drei Fragen: Welchen Nutzen stiftet
das Unternehmen? In welchen Konfigurationen wird die Leistung erstellt? Wodurch
wird Geld verdient? Im Modell wird also der Kundennutzen dargestellt, wie die Leis-
tung erbracht wird und aus welchen Quellen die Erlöse kommen (vgl.
[Stäh2002] S. 41f.) Die folgenden Unterkapitel widmen sich diesen Punkten nun aus-
führlicher:
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 30
3.2.1 Kundennutzen
Die beiden großen Kundenbedürfnisse sind wie bereits erwähnt Information und Un-
terhaltung. Ein Unternehmen am TV-Markt sollte also seinen Teil dazu betragen, die-
se bestmöglich zu befriedigen, egal, ob es Inhalte produziert, aggregiert oder distri-
buiert, oder ob es die erforderliche Hard- und Software bereitstellt.
Neue Geschäftsmodelle müssen dem Kunden einen Mehrwert bieten, um als nützlich
wahrgenommen und im Alltag angenommen zu werden. Fernsehsender in Deutsch-
land sollten diesen Punkt besonders beachten, denn hierzulande gibt es bereits sehr
viele Sender. Die Nachfrage nach einem weiteren Fernsehsender ist deshalb nicht
sehr hoch. Ein Marktneueintritt muss dem Kunden deshalb einen besonderen Zu-
satznutzen stiften, wie beispielsweise eine bestimmte Sparte zuerst bedienen, wie
Anfang der 80er-Jahre in den Vereinigten Staaten der Musiksender MTV, der als ers-
ter Sender ausschließlich Musikvideos zeigte. Für ein neues Geschäftsmodell ist
stets auch die Erstellung eines eigenen Markt- und Wettbewerbsmodells sinnvoll
(vgl. [Wirt2006] S. 68).
3.2.2 Wertschöpfung und Leistungserstellung
Alle Geschäftsmodelle am TV-Markt decken eine oder mehrere Stufen der im vorigen
Kapitel besprochenen Wertschöpfungskette in ihrer Unternehmensarchitektur ab. Sie
lassen sich ihrer Art nach anhand ihrer Position in der Kette unterscheiden. Dabei
lassen sich mehrere Ebenen erkennen (vgl. [Hebe1999] S. 99, [Zerdi1999] S. 56):
Beschaffung
Erzeugung von Inhalten
Bündelung von Inhalten
Distribution
Endgeräte
Auf der Ebene der Beschaffung sind beispielsweise Unternehmen, die mit Rechten
handeln, und Casting-Agenturen angesiedelt. Inhalte werden von Produktionsfirmen
oder von selbstständigen Journalisten und Künstlern produziert. Außerdem werden
auf dieser Stufe verschiedene technische Dienstleistungen und Ausrüstungen zur
Produktion benötigt. Auf der nächsten Stufe kommen Firmen wie Agenturen zur Me-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 31
diaforschung zum Zuge, die helfen, das richtige Programm zusammenzustellen. Für
die Distribution sorgen Netzbetreiber, und auf der Ebene der Endgeräte finden sich
der Markt für Fernsehgeräte und Empfangsantennen sowie die Handwerker, die die-
se Geräte installieren.
Das Kerngeschäft der Fernsehsender, mit denen sich diese Arbeit beschäftigt, liegt
klassischerweise in der Programmerstellung, also in der Planung von Sendungen
und in deren Ausstrahlung als lineares, vorstrukturiertes Fernsehprogramm. Je nach
wirtschaftlicher Größe des Fernsehsenders werden zusätzlich zur Aggregation die
Stufen der Erzeugung von Inhalten in Form von Eigenproduktionen und die Beschaf-
fung mit in das jeweilige Geschäftsmodell des Senders integriert. Auch die nachgela-
gerten Stufen spielen im Modell der Fernsehsender eine Rolle. So nehmen bei-
spielsweise die Sender auch hier Einfluss, indem sie Verträge mit bestimmten Netz-
betreibern oder Geräteherstellern abschließen. Die Fernsehsender sind in ihrer
Struktur sehr unterschiedlich. Deshalb verfügen sie auch alle über andere Beschaf-
fungs-, Leistungserstellungs- und Distributionsmodelle (vgl. [Wirt2006] S. 68).
Betrachtet man die Kostenstruktur eines TV-Senders, so wird deutlich, mit welcher
Gewichtung die Stufen der Wertkette die Struktur des Unternehmens bestimmen.
Das Beispiel beschreibt die Kosten eines Senders mit einer exemplarischen Ergeb-
nismarge von 10 %. Der größte Teil der zu deckenden Kosten dieses TV-Senders,
nämlich ca. 65 % des Umsatzes, fallen bei der Beschaffung von Inhalten und Lizen-
zen sowie bei der Erstellung, das heißt, bei der Content-Produktion, an. Für die Bün-
delung und Vermarktung sowie für den Betrieb des Senders werden nur ca. 18 %
verwendet. Die restlichen 7 % des Umsatzes macht die Distribution aus (vgl. [Gu-
Mü2007] S. 5). Diese Rechnung zeigt, dass der Bereich der Produktion den größten
und wichtigsten Teil des Fernsehsenders ausmacht.
3.2.3 Erlösmodelle von Fernsehsendern
Bei der Finanzierung des Fernsehens lassen sich die Erlösmodelle in die gleichen
Ebenen wie die Leistungserstellungsmodelle in Kapitel 3.2.2. einteilen. Dabei reicht
das Spektrum vom Verkauf von Lizenzen bei der Produktion und Beschaffung bis hin
zu Durchleitungsentgelten von Satellitenbetreibern. Die möglichen Erlösformen von
Medienunternehmen lassen sich nach der Systematik der Erlösformen von Bernd
Wirtz in vier Säulen einteilen: Staat, Rechtemärkte, Rezipientenmärkte und Werbe-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 32
märkte (vgl. [Wirt2006] S. 71). Die Abbildung 9 liefert einen Überblick über die Erlös-
formen:
Abbildung 9: Systematik der Erlösformen in der Medienbranche (vgl. [Wirt2006], S. 71)
Je nach Geschäftsmodell der einzelnen Fernsehsender ergeben sich diskrete Kapi-
talmodelle zur Refinanzierung ihres Angebots. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern
machen systembedingt die Rundfunkgebühren und staatliche Beihilfen den größten
Teil aus. Beim privaten Bezahlfernsehen sind es die Entgelte für Zugang und Nut-
zung. Letztere können zusätzlich in ihrer Art unterschieden werden nach transakti-
onsabhängigen Entgelten für eine konkrete Nutzung und transaktionsunabhängigen
Entgelten wie Abonnements. Spezielle Shopping- und Gewinnspielsender generieren
ihre Erlöse aus Produktverkäufen bzw. Provisionen oder den Verbindungsentgelten
der anrufenden Zuschauer.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 33
Für die Masse der privaten Sender sind es allerdings die Werbeerlöse, die die Erträ-
ge erbringen. „Die herkömmliche Form der Rundfunkwerbung ist die Spotwerbung.
Darunter versteht man die entgeltliche Überlassung von Sendezeit an werbetreiben-
de Unternehmen, Verbände oder Organisationen zur Ausstrahlung kurzer Werbefil-
me im Fernsehen“ (vgl. [Pete2002] S. 26).
Doch die Fernsehsender entwickeln und testen seit einiger Zeit neue Werbeformen.
Ein Anlass dafür sind die neuen technischen Möglichkeiten wie digitale Videorecor-
der, die in der Lage sind, beim zeitversetzten Fernsehkonsum die Werbeblöcke in
den Aufzeichnungen herauszufiltern und zu überspringen. Weitere Gründe sind die
allgemein niedrige Aufmerksamkeit in den Werbepausen und die Tatsache, dass
Werbung im Programm als störend empfunden wird und zum Umschalten verleitet.
Sonderwerbeformen wie Werbespots in geteilten Bildschirmen oder das Einblenden
von Werbehinweisen anstelle des Senderlogos soll den Bedürfnissen der Zuschauer
eher gerecht werden und eine möglichst hohe „lean-backward“-Anwendung bieten,
um zu entspannen (vgl. [Knap2003] S. 47). Gern wird zu Beginn oder am Ende einer
Sendung auf Sponsoren hingewiesen, die direkt oder indirekt zu deren Finanzierung
beigetragen haben. Besonders interessant ist diese Form der Werbung auch für öf-
fentlich-rechtliche Sender, da sie nicht deren Werbeverbot nach 20 Uhr berührt.
Mithilfe der sogenannten virtuellen Werbung können beispielsweise bei Sportveran-
staltungen Werbesprüche, Produkte oder Markennamen an Stellen eingefügt wer-
den, an denen sie in der Realität gar nicht vorhanden sind oder im Moment der Film-
aufnahme nicht waren. Dabei ergeben sich zusätzliche Differenzierungsmöglichkei-
ten auf dem Werbemarkt. Bandenwerbungen in Fußballstadien können je nach Über-
tragungsregion anders belegt werden. Als interessantes frühes Beispiel der virtuellen
Werbung wird immer wieder der Spielfilm „Demolition Man“ von 1993 genannt, bei
dem alle im Film zu sehenden Logos der PepsiCo-Marke „Taco Bell“ aufgrund der
mangelnden Bekanntheit in der Version für den europäischen Markt durch „Pizza
Hut“ ersetzt wurden. Wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Trennung von Wer-
bung und Programm bewegen sich solche Werbeformen teils an der Grenze der Le-
galität. Auch die als Infomercials oder Storymercials bezeichneten Filme, bei denen
bestimmte Produkte in redaktionell bearbeiteten Sendungen vorgestellt werden, be-
wegen sich auf dieser Ebene.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 34
3.3 TV-Produktionsprozesse
Um festzustellen, inwieweit IPTV und Internetfernsehen die Produktionsprozesse
beeinflusst, wird in diesem Kapitel untersucht, welche Prozesse in Fernsehsendern
bei der Leistungserstellung durchlaufen werden und welche Prozesse zu den Pro-
duktionsprozessen gehören.
In den meisten TV-Sendern beschäftigt man sich erst seit wenigen Jahren genauer
mit der Ablauforganisation. Die Prozesse sind deshalb oft gar nicht oder nur unzu-
länglich dokumentiert. Erst durch die umfassenden Digitalisierungsbestrebungen der
letzten Jahre, die es ermöglichen würden, viele Workflows zu automatisieren, besteht
ein Anreiz für die Sender, ihre Abläufe zu analysieren und das latent in den Abteilun-
gen vorhandene Wissen über die Prozesse aufzuzeichnen. Mangels eines beste-
henden allgemeinen Prozessmodells wird deshalb in diesem Kapitel ein eigenes Ba-
sis-Modell entwickelt, um daran spätere Veränderungen zu betrachten. Ausgangsba-
sis für das zu schaffende Modell bildet die generische Prozesslandkarte aus
[NoRo2007], die in Abbildung 10 zu sehen ist.
Eine Prozesslandkarte bildet im Prozessmanagement die oberste Abstraktionshie-
rarchie der Prozessarchitektur und gibt einen groben Überblick über die Abläufe im
Unternehmen. In der betrachteten Prozesslandkarte werden die Prozesse nach ihrer
Art einem bestimmten Typus zugeordnet. Unterschieden wird in Anlehnung an
[GrSi2001] und [AhKn2006] zwischen Management-, Kern- und Unterstützungspro-
zessen. Managementprozesse dienen der Koordination, Planung, Steuerung und
Kontrolle des Unternehmens. Ebenso wie die Unterstützungsprozesse schaffen sie
die Rahmenbedingungen für die eigentliche Leistungserstellung (vgl. [Nohr2007b]).
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 35
Abbildung 10: Prozesslandkarte Fernsehen (vgl. [NoRo2007], S. 20)
Für die weitere Betrachtung soll allerdings der Detailgrad eine Stufe feiner sein. Die
eigentlichen Geschäftsprozesse und ihre Schnittstellen müssen sichtbar werden. Bei
der Darstellung werden auch die grobe zeitliche Abfolge und die Beziehungen der
Vorgänge untereinander berücksichtigt. Dabei orientiert sich das Modell bei der Pro-
zessabfolge der Produktion am Wertschöpfungskettendiagramm aus [Nohr2007b].
Abbildung 11: Wertschöpfungskettendiagramm Produktion Fernsehen (vgl. [Nohr 2007b] S. 67)
Bei der Darstellung steht außerdem im Vordergrund, die Produktionsprozesse von
den übrigen Kernprozessen, sowie von den Management- und Unterstützungspro-
zessen zu trennen. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass die anderen Kernprozesse
und die Managementprozesse trotzdem stark mit den Produktionsprozessen ver-
knüpft sind und auf diese Einfluss nehmen. Für die Unterstützungsprozesse wurde
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 36
beispielhaft der Bereich Marketing/PR genauer dargestellt, da ihm schon bei der Un-
tersuchung der Wertschöpfungskette eine besondere Bedeutung beigemessen wur-
de.
Das Basis-Modell der TV-Prozesse, nach dem sich die weitere Argumentation orien-
tiert, ist in der Abbildung 12 auf der nächsten Seite zu sehen. Bei den Produktions-
prozessen wird in diesem Modell zwischen den inhaltlichen und den technischen
Produktionsprozessen unterschieden. Im Kapitel über die Wertschöpfungskette wur-
de ja bereits auf diese Besonderheit der Fernsehproduktion hingewiesen. Die Distri-
bution der Inhalte gehört demnach ebenfalls zur TV-Produktion. Auch die Werbe-
und Trailermanagementprozesse sind stark mit der Produktion verbunden, da die
Werbespots als Teil des gesendeten Programms gesehen werden können. Da die
Produktion von eigenen Trailern analog zur Produktion von redaktionellen Sendun-
gen erfolgt, wird in diesem Kapitel darauf nicht mehr näher eingegangen. Wenn im
weiteren Verlauf der Arbeit von Produktionsprozessen die Rede ist, schließt dies also
alle operativen Tätigkeiten von der Planung bis zur Ausstrahlung ein. Diesen Ablauf
wird nun genauer behandelt.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 37
Abbildung 12: Fernsehprozesse (in Anlehnung an [Nohr2007b] und [KaSc2005])
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 38
3.3.1 Inhaltliche Produktionsprozesse
Ausgehend von einem bestehenden Programmplan wird als erster Schritt im Prozess
Sendungsplanung eine Sendung konzipiert bzw. bestehende Formate mit Inhalten
gefüllt. Eine Sendung kann eine Nachrichtensendung oder ein themenbezogenes
Magazin sein. Auch fertige Spielfilme, Serien oder Dokumentationen gelten in dieser
Betrachtung als Sendung. Wird die Sendung nicht selbst produziert, folgt darauf di-
rekt der Prozess Fremdbezug. Zum Fremdbezug zählen alle nicht selbst produzierten
Inhalte, also auch Meldungen und Bewegtbilder von Agenturen oder Material von
freien Journalisten. Ist die Sendung in einzelne Beiträge gegliedert, folgt nun die Bei-
tragsplanung. Dazu gehören Einzeltätigkeiten wie die Recherche und die Erstellung
von Drehplänen und Sprechertexten. Dann folgt die Produktion im eigentlichen Sinne
mit der Erstellung des Rohmaterials, also z. B. das Drehen am Set oder die Gestal-
tung von Computergrafiken.
Sämtliche Inhalte sowie Werbespots und Trailer werden auf den Server des Fern-
sehsenders übertragen und, ins richtige Format konvertiert, in die Datenbank einge-
pflegt. Bei diesem sogenannten „Ingest“ werden unter anderem die Qualität kontrol-
liert, ein eindeutiger Identifikator zugewiesen und Metadaten vergeben. In den Meta-
daten können zum Beispiel Hinweise auf die Verwendbarkeit gegeben oder die Inhal-
te genauer beschrieben werden. Zum nun folgenden Prozess der Bearbeitung gehö-
ren beispielsweise der Schnitt und die Vertonung. Bevor die Bewegtbilder fertig zur
Distribution sind, werden noch begleitende Sendeunterlagen erstellt. Diese können
Telepromptertexte, Hintergrundgrafiken für die Rückprojektion, Bauchbinden und die
jeweils dazugehörigen Einschaltpläne beinhalten.
Die Sendeplanung, die parallel zur gesamten inhaltlichen Produktion verläuft, stellt
die detaillierte Umsetzung der Programmplanung dar. Hier werden Sendungslängen
geplant und Sendepläne erstellt. Für Notfälle müssen auch Alternativsendepläne er-
stellt werden.
3.3.2 Technische Produktionsprozesse
Aus dem Sendeplan wird im Playout-Prozess eine Playout-Liste erstellt. An dieser
Stelle wird definiert, wann welche Bewegtbilder oder Grafiken eingeblendet werden.
Bei Live-Sendungen werden Kamera, Ton und Teleprompter gesteuert. Als Doku-
mentation für eine spätere Nachverfolgung erstellt man Sendeprotokolle. In der Sen-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 39
deabwicklung werden die einzelnen Datenquellen nacheinander angesteuert und
technisch über eine sogenannte Kreuzschiene zu einem einzigen Ausgabesignal ge-
bündelt. Alle technischen Produktionsprozesse können heute zunehmend automati-
siert werden und bedürfen oft nur bei Originalübertragungen manueller Eingriffe.
3.4 IT-Unterstützung der TV-Produktion
Die technische Infrastruktur der Fernsehproduktion ist geprägt von Einzellösungen.
Das liegt zum einen daran, dass je nach Typ des Senders unterschiedliche Installati-
onen und Anforderungen bestehen, zu denen die Hardwarehersteller wie Avid oder
Sony passend zu den Geräten eigene Software anbieten. Zum anderen liegt es dar-
an, dass der Großteil der Programme jeweils nur einzelne Tätigkeiten des gesamten
Workflows abdeckt. Dies führt zu einer Vielzahl von Schnittstellen. Dieses Kapitel
stellt grob die eingesetzten Systeme und ihre spezifischen Anforderungen vor.
3.4.1 Einspielprogramme
Da beim Umgang mit Bewegtbildern große Datenmengen anfallen, stellt das Mana-
gement der Daten eine besondere Herausforderung dar. Aufgrund der technischen
Beschränkungen der Vergangenheit wurden Audio- und Videodaten hauptsächlich
als Magnetaufzeichnung (MAZ) bevorratet. Viele Sender stellen im Zuge der allge-
meinen Digitalisierung erst dieser Tage auf eine bandlose Produktion um. Für das
Einspielen des Materials sind Systeme erforderlich, sogenannte Ingest-Tools, die mit
den gängigen Datenträgern für audiovisuelle Standards umgehen können. Gegebe-
nenfalls müssen die Daten erst in ein geeignetes Format konvertiert werden. Dabei
sollen die Informationen möglichst medienneutral gespeichert sein, um eine spätere
Veröffentlichung auch auf anderen Medien zu gewährleisten.
3.4.2 Systeme zur Dateiverwaltung
Zur Verwaltung braucht man Content-Management-Programme. Im Medienbereich
spricht man von Media-Asset-Management. Jedem „Asset“, also jedem Geschäftsob-
jekt, muss ein eindeutiger Identifikator zuwiesen werden. Zusätzlich soll eine Ver-
schlagwortung möglich sein, und den Daten müssen Beschreibungen in Form von
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 40
Metadaten zugewiesen werden können. Sicherheit durch eine redundante Datenhal-
tung wird inzwischen als Standard angesehen.
Neben den Basis-Suchfunktionen werden auch Browsing-Systeme eingesetzt, um
die Daten schnell und direkt sichten zu können. Für die visuelle Suche erzeugen die-
se Programme beispielsweise eigens Vorschau-Versionen der gespeicherten Be-
wegtbilder.
3.4.3 Programme zur Bearbeitung
Bewegtbilder werden im professionellen Bereich traditionell nicht auf Standardhard-
ware, sondern an speziell für diesen Zweck entwickelten Videoschnitt- oder Misch-
systemen bearbeitet. Beim Vorliegen digitalisierter Bewegtbilder ist eine Bearbeitung
auch auf herkömmlichen PC-Systemen möglich. Weitere Programme zur Bearbei-
tung sind nötig für das Erstellen von Elementen des On-Air-Designs wie von Hinter-
grundgrafiken, Bauchbinden oder Animationssequenzen.
3.4.4 Sendesteuerungs- und Ausspielsysteme
Für die Distribution werden Playout-Systeme eingesetzt, die ein automatisiertes Aus-
spielen auf mehreren Kanälen ermöglichen. Für eine Selbstfahrerproduktion müssen
die Sendepläne automatisiert überwacht und gesteuert werden.
3.4.5 Betriebswirtschaftliche Unternehmenssoftware
Auch in der Produktion eines Fernsehsenders muss der effiziente Einsatz der vor-
handenen Ressourcen wie Budgets und Personal möglichst gut geplant werden.
Hierzu kommen für die Produktionsplanung und Steuerung in TV-Sendern auch En-
terprise-Resource-Planning-Systeme (ERP) zum Einsatz. Zwischen den Workflows
der operativen Systeme zur Leistungserbringung und den ERP-Systemen bestehen
wichtige Schnittstellen beispielsweise bei der optimierten Planung von Werbeplatzie-
rung und Werbezeiten.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
3 State of the Art in der TV-Produktion Seite 41
3.4.6 Redaktionssysteme
Für die tägliche Arbeit in den Redaktionen kommen Redaktions- und Newsroom-
Systeme zur Anwendung. Sie vereinen meist mehrere der eben beschriebenen Sys-
teme in sich. Sie schaffen eine Arbeitsplattform für die an der Produktion beteiligten
Redakteure und sonstigen Mitarbeiter und integrieren im Idealfall alle Abläufe. Dabei
beherrschen sie die Standardschnittstellen und steuern z. B. die Geräte für den Sen-
deablauf. Die Integration aller Ausführungsprozesse wird mithilfe einer serviceorien-
tierten Architektur erleichtert, bei der andere Softwarekomponenten dem System ihre
Funktionalität als Service zur Verfügung stellen. Beispielsweise kann ein Video-
schnitt-Programm eingebunden werden, mit dem die Redakteure im Nachrichtenbe-
reich selbst einfache Schnitte im Beitrag machen können. Zu den weiteren Anforde-
rungen an die Redaktionssysteme gehört neben einer Benutzerverwaltung auch die
Einbindung von synchroner und asynchroner Kommunikation zwischen den Mitarbei-
tern. Die Fernsehproduktion erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Cuttern,
Journalisten und der Redaktion. Dafür ist auch die Möglichkeit wichtig, gemeinsam
und gleichzeitig an einem Beitrag zu arbeiten. Für ein einfaches Arbeiten muss die
Software eine intuitive Benutzerführung anbieten, stabil laufen und fehlertolerant
sein.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 42
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen
In diesem Kapitel wird untersucht, welche neuen Geschäftsmodelle durch IPTV und
Internetfernsehen grundsätzlich möglich sind und ob diese sinnvoll angewendet wer-
den können. In einem weiteren Schritt soll dann betrachtet werden, welchen Einfluss
IP-basiertes Fernsehen und die neuen Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozes-
se haben. Anschließend folgt eine genauere Untersuchung der veränderten Anforde-
rungen an die IT-Unterstützung.
Abbildung 13: Aufbau des vierten Kapitels
4.1 Vorgehensweise
Die weitere Untersuchung bedient sich zweier Quellen: zum einen einer intensiven
Literaturrecherche, zum anderen dreier qualitativer Interviews mit Experten aus der
Branche, die die theoretischen Überlegungen aus Praxissicht untermauern. Der An-
satz zur Entwicklung der Thesen ist für beide Quellen ein induktiver. Aus der Summe
der Aussagen der Fachliteratur sowie der Expertenmeinung werden allgemeingültige
Aussagen über die zukünftige Entwicklung im Sinne der Fragestellung der Arbeit ge-
troffen.
4.1.1 Experteninterview als Forschungsmethode
Als eine Methode der Informationsgewinnung dient für diese Arbeit das Expertenin-
terview. Nach der Systematik der Interviewformen von Lamneck, der zwischen infor-
matorischem, analytischem und diagnostischem Interview unterscheidet, lässt es
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 43
sich in die Gruppe der informatorischen Interviews einordnen, denn es erfasst Tatsa-
chen aus den Wissensbeständen der Befragten (vgl. [Lamn2005] S. 338f.)
Das Experteninterview ist ein qualitatives Forschungsverfahren zur Erschließung
komplexen Wissens über das zu untersuchende Thema. Da nur wenige Menschen in
entsprechenden Positionen am Fernsehmarkt über diese Kenntnisse verfügen,
kommen quantitative Methoden dafür eher nicht in Betracht.
Experteninterviews sind meist narrative, nicht standardisierte Interviews, bei denen
der Experte erzählend seine Sicht der Dinge darlegt. „Dabei bilden die Gesamtper-
son des Experten und sein Lebenszusammenhang nicht den Gegenstand der Analy-
se, sondern das Interesse gilt ihm als Funktionsträger innerhalb seines organisatori-
schen Kontexts“ (vgl. [MeNa1991] S. 442).
Ein Gesprächsleitfaden liefert für die spätere Auswertung eine vergleichbare Struk-
tur, und durch die Ordnung können die einzelnen Themen miteinander verglichen
und interpretiert werden. Die Vorbereitung des Leitfadens ermöglicht eine lockere
Gesprächsführung, denn er dient als Gedächtnisstütze, und bereits behandelte The-
men können ausgestrichen werden. Er sollte offen sein und nicht als zwingendes
Ablaufmodell verstanden werden. Denn folgt der Leitfaden nicht der Sprache und
den Denkstrukturen des Experten, riskiert man ein Zusammenbrechen der Ge-
sprächssituation und letztendlich das Misslingen des gesamten Interviews. Flexibilität
führt eher zu neuen Erkenntnischancen, da der Befragte sich im Laufe des Ge-
sprächs frei entfalten kann. Durch den offenen Leitfaden wird man dem Status des
Befragten als Experte gerecht und ermöglicht gleichzeitig eine Eingrenzung des Ge-
sprächsverlaufs auf die für die Forschungsfrage interessanten Themen. Die Angaben
der Befragten können am Ende zwar nur bedingt miteinander verglichen werden,
man erhält aber „ein geschlossenes, abgerundetes ganzheitliches Bild vom Befrag-
ten“ (vgl. [Lamn2005] S. 341).
4.1.2 Auswahl der Gesprächspartner
Die intrinsische Eigenschaft eines Experteninterviews ist, dass die Befragten Fach-
leute und Spezialisten auf ihrem Gebiet sind. Für diese Arbeit ist es deshalb wichtig,
Menschen zu befragen, die über langjährige Erfahrungen auf dem Fernsehmarkt und
über fundiertes branchenspezifisches Wissen verfügen. Sie sollen in ihrem Bereich
Verantwortung für die untersuchte Fragestellung tragen und einen „privilegierten Zu-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 44
gang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse“ haben
(vgl. [Bogn2005] S. 103). Abhängig von der Position ihres Zuständigkeitsbereichs in
der Wertschöpfungskette sind Aussagen aus unterschiedlichen Perspektiven zu er-
warten.
Für diese Arbeit wurden drei Experten befragt, die jeweils eine mittlere Führungspo-
sition in ihrem Unternehmen besetzen und in deren Aufgabenbereich sich die Pro-
duktion oder die Distribution von Bewegtbildern über IP-basierte Netze befindet.
Auch die Art der Unternehmen bildet ein gewisses Spektrum unterschiedlicher Teil-
nehmer auf dem Markt ab: ein privater Rundfunksender, ein öffentlich-rechtlicher
Sender und die Tochterfirma eines großen Zeitungsunternehmens, die als neuer Ak-
teur am TV-Markt für mehrere verschiedene Medien Internetfernsehen produziert
und bereitstellt.
Befragter Position im Unternehmen Unternehmen
Robert Amlung Hauptredaktionsleiter Neue Medien Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)
John de Jong Manager Distribution & Business
Development
RTL Nederland
Christian Olbrich Produktionsleiter Axel Springer Digital TV GmbH
Tabelle 2: Auswahl der Befragten
4.1.3 Durchführung der Befragung
Die Interviews fanden am Arbeitsplatz der Befragten und somit in ihrer gewohnten
Umgebung statt. Dadurch wird eine möglichst natürliche Umgebung hergestellt, um
authentische Informationen zu erhalten. Die deutschen Interviewpartner wurden per-
sönlich besucht. Das Gespräch mit RTL Nederland fand aufgrund der Entfernung
telefonisch statt. Die Befragten erhielten eine Woche vor dem Gesprächstermin
schriftlich die Themen, um sich vorzubereiten. Mit einer Aufzeichnung der Konversa-
tion waren alle drei einverstanden. Die Gesprächsprotokolle finden sich in voller Län-
ge im Anhang dieser Arbeit.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 45
4.1.4 Auswertung der Befragung
Um später valide und objektive Erkenntnisse zu erhalten, muss eine gewisse Ver-
gleichbarkeit der Aussagen gegeben sein, um zwischen ihnen überindividuelle Ge-
meinsamkeiten festzustellen. Die Vergleichbarkeit wird zum einen durch den glei-
chen institutionell-organisatorischen Kontext gesichert, in dem sich die Befragten be-
finden, und zum anderen durch die leitfadenorientierte Interviewführung.
Basis für die weitere Betrachtung ist die wortgetreue Transkription der aufgezeichne-
ten Interviews. Da der Schwerpunkt der Untersuchung auf dem Wissen der Experten
liegt, sind Notationssysteme, die Stimmlagen, Pausen oder nonverbale Kommunika-
tion einschließen, unnötig, da diese Elemente nicht Gegenstand der Interpretation
sind.
Um die Komplexität des Interviewtextes zu reduzieren, wird der Inhalt anschließend
in Form von Paraphrasen zusammengefasst, die textgetreu das Gesagte wiederge-
ben. Zur weiteren Verdichtung des Materials werden Aussagen, die inhaltlich zu-
sammengehören, mit Überschriften versehen. Diese thematischen Einheiten werden
dann einander gegenübergestellt. Schließlich werden die Gemeinsamkeiten heraus-
gearbeitet, und es wird versucht, von den Einzelfällen auf die Allgemeinheit zu
schließen. Die Gewinnung von Erkenntnissen erfolgt also induktiv (vgl. [Lamn2005]
S.403). Die Aussagen in diesem Kapitel beziehen sowohl die Interviewergebnisse als
auch Ergebnisse aus der Literaturrecherche ein.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 46
4.2 Neue Geschäftsmodelle durch IPTV
Durch die verbesserten technischen Möglichkeiten eröffnen sich zweifellos neue
Welten für das Fernsehen. Doch nicht alles, was technisch möglich wird, lässt sich
auch wirtschaftlich umsetzen. Grundsätzlich gelten für alle neuen Geschäftsmodelle
die gleichen Kriterien wie für die bestehenden. Aus diesem Grund folgen die Darstel-
lungen dieses Unterkapitels dem gleichen Muster wie in Kapitel 3. Im Weiteren be-
trachtet werden folglich der Nutzen, die jeweilige Wertschöpfungsarchitektur und die
Erlösmodelle.
4.2.1 Zusätzlicher Kundennutzen
Die Fernsehzuschauer sind vom klassischen Angebot ein relativ hochwertiges Pro-
gramm mit großer Auswahl gewohnt. Deshalb werden sie nur bereit sein, für ein bes-
seres Fernsehen mehr Geld zu bezahlen. Gewünscht sind vor allem Flexibilität und
mehr Kontrolle über den Fernsehkonsum. Neue Geschäftsmodelle stehen deshalb
der Herausforderung gegenüber, die Kunden in den Mittelpunkt stellen und genau
auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Zeitsouveränität stellt ein häufig unbefriedigtes Kundenbedürfnis dar. Angesichts der
technischen Beschränkungen war das TV-Publikum bisher genötigt, dem Zeitraster
der Ausstrahlung zu folgen, weshalb des Öfteren die eine oder andere Sendung ver-
passt wurde oder die private Terminplanung sich am Fernsehprogramm orientieren
musste, um die geliebte Serie sehen zu können. On-Demand-Inhalte bilden deshalb
die Basis für die meisten IP-basierten Angebote. Dazu kommen im Bereich des ge-
schlossenen IPTV Funktionen wie Time-Shifting und Just-Missed-Funktionalitäten.
Den Überblick über die Masse der Angebote bieten elektronische Programmführer.
Ein zweites Kriterium, um vom Kunden als besseres Fernsehen wahrgenommen zu
werden, sind attraktive Inhalte mit hoher Qualität. Ist z. B. eine Fernsehserie span-
nend genug, so bietet sie dem Zuschauer einen Anreiz, einen kostenpflichtigen VoD-
Download zu nutzen, um im Voraus zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht.
Neben der inhaltlichen spielt für bestimmte Zielgruppen auch die technische Qualität
eine Rolle, falls sie beispielsweise bereits ein High-Definition-(HD-)Empfangsgerät
besitzen und nun deshalb auch Bewegtbilder in hoher Auflösung beziehen möchten.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 47
Ein weiterer Trend ist das Verlangen nach individuellen und auf die persönlichen In-
teressen zugeschnittenen Angeboten. Der analoge Fernsehmarkt war bislang durch
einen Kapazitätsengpass bei der Distribution der Fernsehprogramme gekennzeich-
net. Den Engpass, auch Bottleneck genannt, stellte die begrenzte Anzahl an Sende-
frequenzen dar (vgl. [Knap2003] S. 37, 43). Dadurch war auch das Angebot einge-
schränkt und auf ein breites Publikum zugeschnitten. Mit der Digitalisierung und
durch die Nutzung von Kompressionsverfahren stellen die Netzbetreiber viele neue
Sendeplätze zur Verfügung. Durch das sogenannte Multiplex-Verfahren können so-
gar mehrere Fernsehprogramme parallel auf einem Kanal, der als Datencontainer
fungiert, übertragen werden. Die Verfügbarkeit von Kanälen ermöglicht es auch, be-
sondere Interessen mit eigenen Programmen zu bedienen. Der Markt öffnet sich nun
für zusätzliche Wettbewerber. Dies sind zum einen etablierte Fernsehsender aus
dem Ausland, aber auch neue Special-Interest-Sender, die Programme für bestimm-
te Zielgruppen anbieten. Die heimischen Sender reagieren auf die neuen Wettbe-
werber durch eigene Sparten-Angebote. So bietet beispielsweise der Sender RTL die
zusätzlichen digitalen Programme RTL Living, RTL Crime und Passion an.
Neue Geschäftsmodelle tragen oftmals dem Wunsch der Kunden nach Individualität
Rechnung. IPTV und Web-TV bieten mit ihrem Rückkanal die Basis für viele interak-
tive Zusatzfunktionen, die den Zuschauer aktiv ins Fernsehgeschehen einbinden.
Dazu gehören Abstimmungs- und Bestellfunktionen sowie die Teilnahme an Quiz-
sendungen oder Spielen. Mitunter kommunizieren die Benutzer untereinander in Fo-
ren und bilden Communitys oder bringen sich inhaltlich ein, indem sie kommentieren
und gegebenenfalls sogar eigene Inhalte beisteuern.
Auf den ersten Blick erscheinen diese Zusatzfunktionen einen zusätzlichen Nutzen
zu stiften, ganz einfach weil sie für das Fernsehen neu und vorher nicht in dieser
Form da gewesen sind. Doch ist langfristig unklar, ob die Zuschauer ihre Fernseh-
gewohnheiten überhaupt ändern möchten. Das wird sich daran zeigen, ob sie diese
Funktionen annehmen und intensiv nutzen werden. Ein Dienst wird auch nur dann
erfolgreich sein, wenn der Nutzer schnell, einfach und ohne hohe Kosten seine Be-
dürfnisse und Interessen erreichen kann (vgl. [StTe2006]).
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 48
4.2.2 Wertschöpfung und Leistungserstellung
IP-basiertes Fernsehen verändert die TV-Wertschöpfungskette. Für alle Marktteil-
nehmer entlang der Wertschöpfungskette entstehen neue Einnahmequellen (vgl.
[Pric2008] S. 28). Unternehmen, die normalerweise auf anderen Stufen der Wert-
schöpfungskette agieren, können andere Geschäftsbereiche vereinfacht vorwärts
oder rückwärts integrieren. Für Fernsehsender entstehen dadurch auch neue Kon-
kurrenten. So ist beispielsweise ein Bestreben der Betreiber von geschlossenen Net-
zen zu beobachten, eigene Werbeerträge zu erzielen oder Inhalte zu erzeugen. Auch
Contentproduzenten wie beispielsweise „National Geographic“ sind in der IPTV-
Landschaft mit einem eigenen Sender vertreten und bedürfen so nicht mehr der
Vermarktungsfunktion der bereits bestehenden Sender. Da die Teilnehmer am Markt
ihre neuen Tätigkeitsbereiche unterschiedlich definieren, verwischen die Grenzen
sich zusehends, und die Wertschöpfungskette entwickelt sich mehr und mehr weg
von einer linearen Abfolge der Teilnehmer hin zu einem Netzwerk.
Auch für die Fernsehsender bietet IPTV die Chance, die bestehende Wertschöp-
fungsarchitektur aufzubrechen und neue wertschöpfende Aktivitäten wirtschaftlich zu
nutzen. Mit einer Veröffentlichung ihres Programms über ihr eigenes Internetportal
übernehmen die Sender größere Teile der Distribution selbst, und kein TV-Netz-
betreiber hält für eine Weiterleitung die Hand auf.
Durch den Betrieb eines aufwendigen proprietären Internetportals fügen die Sender
ihrem Leistungserstellungsmodell eine neue Wertschöpfungsstufe hinzu, die im obi-
gen Kapitel „Plattform“ genannt wurde. Sie übernehmen damit auch Aufgaben tech-
nischer Dienstleister und müssen sich intensiver mit Aufgaben wie der Gestaltung
von Navigationsmöglichkeiten, Suchfunktionen und Interaktionsmechanismen befas-
sen.
Auch hat man erkannt, dass Videoplattformen wie YouTube als neue Akteure am
Markt die Spielregeln mit ihren nutzergenerierten Inhalten neu schreiben. Sie beset-
zen mit ihren Portalen die Wertschöpfungsstufen Plattform und Bündelung. Da die
Aggregation von Inhalten eine Kernkompetenz der Sender darstellt, liegt der Gedan-
ke nahe, sich auch auf diesem Feld zu betätigen. Die beiden großen privaten Sen-
derfamilien RTL und ProSiebenSat1 haben deshalb jeweils eigene Pendants in ihr
Portfolio aufgenommen. RTL mit seinem Clipfish und ProsiebenSat1 mit myVideo
sind in Deutschland beim Bekanntheitsgrad fast auf Augenhöhe. Eine tatsächliche
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 49
Gefahr durch Videoplattformen ist für Fernsehsender allerdings nicht gegeben, denn
das Surfen in diesen Portalen geht nicht zulasten des Fernsehens. Im Gegenteil:
Nutzer von Videoportalen verbringen in der Regeln überdurchschnittlich viel Zeit mit
audiovisuellen Medien, auch mit Fernsehen (vgl. [KaSi2008] S. 8).
Die privaten Anbieter, vor allem die von Bezahlfernsehen, ergänzen ihre Wertschöp-
fungsarchitektur um die Stufe des Customer Management und bauen ihr Marketing
stärker aus. Da ihr Programm nun über unterschiedliche Wege bezogen wird, ist der
Sender heute mehr als eine Taste auf der Fernbedienung. Der einzelne Fernsehsen-
der muss stärker als Unternehmen hervortreten und zur Marke werden. IP-basiertes
Fernsehen ermöglicht es den Fernsehanstalten, eine stärkere Beziehung zu ihren
Kunden aufzubauen. Dabei können sie Kommunikationsmittel wie Foren oder Bewer-
tungsfunktionen nutzen, um Rückmeldungen der Zuschauer zu den Inhalten zu be-
kommen. Auch genaue Statistiken über die Häufigkeit der Zugriffe auf eine Sendung
stellen keine Aufgabe für Marktforschungsinstitute mehr dar, sondern können selbst
erstellt werden.
Nur wer seine Kunden kennt, kann ihnen auch ein attraktiveres Programm anbieten.
Da nun jeder Zuschauer über seine IP-Adresse identifiziert werden kann, besteht
Gelegenheit, das Nutzungsverhalten zu protokollieren, ein Kundenprofil zu erstellen
und dem Benutzer seinen Neigungen entsprechend Programmvorschläge zu ma-
chen. Agentensysteme übernehmen automatisch mittels vergleichender Algorithmen
diese Aufgabe. Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des Zuschauers zur Spei-
cherung der Daten. Der Plattformbetreiber und Video-Distributor „veoh“ zum Beispiel
lässt seinen Usern bei der Installation seines Peer-to-peer-Players die Wahl, ob sie
bei der weiteren Nutzung individuelle Empfehlungen erhalten möchten oder nicht.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 50
4.2.3 Erlösmodelle
Die öffentlich-rechtlichen Sender sind bisher bei der Finanzierung ihrer Online-
Angebote durch einen Rundfunk-Staatsvertrag gesetzlich auf Rundfunkgebühren
beschränkt. Bei der Bezugsquelle ihrer Einnahmen haben die anderen Marktteilneh-
mer eine größere Auswahl. Je nach Art ihrer Angebote setzen sie deshalb unter-
schiedliche Schwerpunkte.
Für IP-basiertes Fernsehen eignen sich generell auch die konventionellen Ertrags-
modelle. Durch eine erweiterte Auswahl an Inhalten und durch die Möglichkeit, weite-
re Services anzubieten, ergeben sich allerdings auch neue Erlösströme. Neben ih-
nen widmet dieses Unterkapitel sich auch der Rolle der konventionellen Ertragsmo-
delle in der neuen Fernsehwelt.
4.2.3.1 Nutzerfinanzierte Erlösmodelle
Die IPTV-Netzbetreiber konzentrieren sich bislang vornehmlich auf den Rezipien-
tenmarkt (vgl. [Pric2008] S. 38). Entscheidende Finanzierungsquelle für ihre ge-
schlossenen Netzwerke ist der Verkauf von Senderbouquets als Abonnement. Dabei
wird dem Zuschauer gegen eine Grundgebühr das digitale Basis-TV-Angebot offe-
riert, zu dem er Premium-Bouquets gegen Aufpreis zuschalten kann. Meist wird das
Fernsehprogramm in Kombination als sogenanntes „Triple-Play“-Angebot verkauft,
das aus den drei Komponenten Fernsehprogramm, Telefonanschluss und Internet-
zugang besteht.
Die Abonnements werden ergänzt um gebrauchsgesteuerte Erlöse. Bei allen wirt-
schaftlichen Transaktionen, die der Nutzer direkt über das Fernsehgerät ausführt,
spricht man von T-Commerce. Dazu gehören Entgelte für zusätzliche Dienstleistun-
gen wie z. B. Spiele oder Partnerbörsen sowie auch Premium-Inhalte. Sowohl in den
geschlossenen als auch in den offenen Netzen werden qualitativ hochwertige On-
Demand-Videos als Pay-per-View-Leistung abgerechnet und dadurch gegenfinan-
ziert. Die Grenzkosten für Video-on-Demand sind nämlich im Vergleich zum her-
kömmlichen Fernsehen sehr hoch (vgl. [Knap2003] S. 48). Neben den Lizenzgebüh-
ren fallen auch für das Streaming des Videos hohe Kosten an, da für jeden Benutzer
ein eigener Datenstrom bereitgestellt werden muss. An dieser Stelle ist zur Finanzie-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 51
rung auch ein individuelles Sponsoring denkbar, das zu einer Entgeltbefreiung für
den Zuschauer führt, da „der Werbetreibende anbietet, den Zuschauer von dem Ent-
gelt für die jeweilige Sendung zu befreien, wenn er sich die Werbung des Sponsors
ansieht“ (vgl. [Pete2002]). Dieses Beispiel wird in der folgenden Abbildung illustriert:
Sender
Verrechnung der gesehenen Sendungen
Anwender
Sendungsarchiv
Kostenpflichtiges Video on Demand
Subskription, Anfrage nach ausgewählter Sendung
Auswahl an Sendungen
€ Pay per Use
Kundenkonto
Werbepartner
„Pay for
Eyeballs“
€
Anwender konsumiert Werbung für kostenloses oder günstigeres VoD
Werbezeit
und -stelle
Abbildung 14: Beispiel eines nutzerfinanzierten Geschäftsmodells
4.2.3.2 Werbefinanzierte Erlösmodelle
Im Gegensatz zu den Betreibern geschlossener Netzwerke setzen die großen Fern-
sehsender mit ihren Abrufangeboten, Videoportale und kleine Internetsender auf die
Werbewirtschaft als Hauptfinanzierungsquelle (vgl. [Pric2008] S. 38). Fernsehen war
bisher in Deutschland schon alles andere als kostenfrei. Zu den Rundfunkgebühren,
die nun auch für neuartige Rundfunkgeräte wie Internet-PCs erhoben werden, kom-
men oft noch Kabelgebühren hinzu. Die Bereitschaft, zusätzlich für Bewegtbilder im
Internet Geld auszugeben, ist deshalb in Deutschland nicht sehr hoch. Verstärkt wird
diese Haltung durch das große Angebot an kostenlos verfügbaren Inhalten (vgl.
[Olbr2008]).
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 52
Werbung hingegen wird im Internet weitgehend als systembedingt nötig angesehen
und deshalb gebilligt. Drei Viertel der Besucher von Videoportalen würden laut einer
Umfrage Sponsorenwerbung vor oder nach einem Spot hinnehmen, wohingegen nur
9 % bereit wären, eine Gebühr zu zahlen, um die Seiten werbefrei zu halten (vgl.
[KaSi2008] S. 27). Trotz der allgemeinen Akzeptanz kann Fernsehwerbung für nicht-
lineare Angebote nicht eins zu eins übernommen werden. Auch für das strukturierte
Programm werden sich über kurz oder lang die Regeln ändern.
4.2.3.3 Entwicklung neuer Formate
Die Konsumenten wollen nicht überhäuft werden von der Fernsehwerbung. Sie soll
mehr Angebot sein als Angriff. Und die Konsumenten wollen gefragt werden. Sie
möchten der Werbung selbst zustimmen oder sie ablehnen. So wird die Werbung
zum Service und zu einer Informationsdienstleistung (vgl. [FrJe2006]). Um diesen
Ansprüchen gerecht zu werden, wird es zur Herausforderung, die alte Werbung
durch innovativere Konzepte zu ersetzen. Diese neuen Werbeformen müssen aller-
dings erst noch entwickelt werden (vgl. [GoZe1999]). Zur Diskussion stehen bei-
spielsweise eigene Werbeunterkanäle oder sogenannte Info- bzw. Storymercials.
Hierbei versucht man, interessante Inhalte und Unterhaltung mit Werbung zu mi-
schen. Volkswagen hat mit seiner viralen Kampagne mit dem Komiker Hape Kerke-
ling in der Rolle als alternder Führerscheinkandidat „Horst Schlämmer“ gezeigt, dass
Werbung dies durchaus leisten kann. Ist die Werbung gut genug gemacht, sehen die
Kunden sie sich gern auch freiwillig an. Firmen wie Mediamarkt machen ihre Werbe-
spots zusätzlich auf ihren Webseiten verfügbar, wo interessierte Kunden sie sich
noch einmal ansehen oder Bekannten empfehlen können.
4.2.3.4 Auswirkungen auf die klassische Spotwerbung
Die klassische Spotwerbung wird weiterhin bestehen, denn sie ist bekannt und wird
akzeptiert. Doch sie wird sich an die neuen Begebenheiten anpassen müssen. Lange
Werbeunterbrechungen, die der Kunde beim zeitversetzten Fernsehen einfach über-
springen kann, verlieren an Wirkung. Kurze Unterbrechungen, bei denen der weitere
Fortlauf des Programms absehbar ist, verleiten weniger dazu, sich in den Werbepau-
sen anderweitig zu beschäftigen. Plattformen wie Zattoo oder Joost nutzen die tech-
nisch bedingte Zeit während des Kanalwechsels, um einen einzelnen Spot zu zeigen.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 53
Die kurzen Werbeunterbrechungen können beim Abruffernsehen noch stärker Bezug
auf den Film nehmen, mit dem sie ausgestrahlt werden, und ermöglichen es den
Werbetreibenden so, ihre Zielgruppen noch besser zu erreichen. Je nach inhaltlicher
Beschreibung könnten die Filme durch semantische Verknüpfungen mit passenden
Werbespots verbunden werden. Ähnlich wie bei Googles „AdWords“- und „AdSen-
se“-Technologie könnten die Werbespots nach der genauen Anzahl der Zuschauer
abgerechnet werden. Die Anzahl der verknüpften Signalwörter und ein vorher ge-
setztes Werbebudget würden dann über die Häufigkeit der Einblendungen entschei-
den. Eine Umfrage von Accenture unter führenden Werbern bestätigt, dass 79 % der
Meinung sind, Fernsehwerbung würde in Zukunft stärker leistungsabhängig abge-
rechnet werden (vgl. [Acce2007] S.13).
4.2.3.5 Interaktive Werbung
Die gleiche Umfrage ergab, dass 97 % der Befragten der Meinung sind, die traditio-
nelle einseitige Kommunikation mit dem Zuschauer werde durch neue interaktive
Werbeformen ersetzt, die eine intensivere Kundenbeziehung herstellen (vgl.
[Acce2007] S. 16). IPTV macht die Realisierung von Interaktionsmechanismen tech-
nologisch deutlich einfacher, und „durch diese Übermittlungstechnologie können erst
bestimmte interaktive Applikationen realisiert werden“ (vgl. [StTe2006]). In Großbri-
tannien wurde bereits mit dialogorientierter Fernsehwerbung experimentiert. Dabei
konnten die Zuschauer, wie in der nächsten Abbildung zu sehen ist, nachdem sie die
Werbung gesehen hatten, einen roten Knopf drücken, um auf weitere Zusatzdienste
des werbenden Unternehmens zuzugreifen. 49 % der Benutzer drückten den Knopf,
der online zu weiteren Angeboten führte (vgl. [StTe2006])
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 54
AnwenderProgramm
Sender
Zuschauer erteilt per Knopfdruck Erlaubnis für Werbung und
Zusatzinformationen
WerbepartnerProduktinformationen, Angebot
Werbung
Annahme
Transaktion
€ Transaktionsprovision
Entgeld für Werbung
Werbezeit und -stelle
Kundenkontakt
Abbildung 15: Erlösmodell mit „Red-Button“-Funktionalität
Die interaktive Werbung kann in Form eines „Telescoping Advertisement“ präsentiert
werden, bei dem zunächst ein kurzer Trailer gezeigt wird, zu dem man nach Knopf-
druck eine erweiterte Version sehen und mehr über das Produkt erfahren kann (vgl.
[Webe2007] S. 27). Aus der Werbung heraus kann aber auch der Rückkanal genutzt
werden, um nach Eingabe der Kundendaten an Spielen teilzunehmen, Produktpro-
ben anzufordern oder das beworbene Produkt gleich zu bestellen. Spontankäufe
werden durch das Fehlen von Medienbrüchen nach Kaufangebot und Kaufentschei-
dung erleichtert. Vorteile für den Werbepartner sind daneben die erhöhte Aufmerk-
samkeit der Zuschauer und eine direkte Erfolgskontrolle.
Da im Bereich des Web-TV viele Bewegtbildangebote noch nicht in Vollbildgröße
laufen, ermöglicht dies, auch die Flächen am Bildschirmrand für interaktive Werbe-
formen zu verwenden. Dazu werden bevorzugt Rich-Media-Werbeformen auf Basis
von „Adobe Flash“ verwendet.
4.2.3.6 Personalisierte Werbung
Wünschenswert wäre für die werbenden Unternehmen eine Zielgruppengenaue und
persönliche Ansprache der Kunden, um Streuverluste zu minimieren (vgl.
[FaBa2006]). Studien belegen, dass Firmen bereit sind, 10 bis 20 % Mehrkosten zu
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 55
tragen, wenn sie die Möglichkeit bekommen, die Kunden gezielter anzusprechen
(vgl. [StTe2006]). Man hofft, dass die Zuschauer für diese Werbung offener und auf-
merksamer sind. Personalisierte Spots erfordern nach dem Rückgriff auf die IP-
Adresse eine exakte Datenerhebung über das Zuschauerverhalten. Dazu ist die Zu-
stimmung des Kunden erforderlich. Die folgende Abbildung zeigt ein Geschäftsmo-
dell, das auf personalisierter Werbung und Free-VoD beruht.
Sender
Metadaten
Anwender
Sendungsarchiv
Free Video on Demand
Anfrage nach ausgewählter Sendung
Auswahl an Sendungen
Bewertung, Präferenzen, Nutzungsverhalten
Personalisierte Werbung
Interessens-abgleich
Kundenprofile Werbearchiv
Werbepartner
€ Werbe-
entgeld
Werbezeit
und -stelle
Abbildung 16: TV-Geschäftsmodell mit personalisierter Werbung
Ältere Menschen reagieren oft skeptisch auf eine Datensammlung in einem Benut-
zerprofil. Jüngere Menschen hingegen sind dafür aufgeschlossener und sind es oft
bereits aus dem Internet gewohnt, Informationen über sich preiszugeben, um auf ihre
Interessen zugeschnittene Informationen zu bekommen. 87 % der von Accenture
befragten Experten glauben, dass die Branche in den kommenden Jahren über diese
Daten verfügen wird (vgl. [Acce2007]).
Über das angelegte Benutzerprofil können außer der Werbung auch individuelle Zu-
satzfunktionen angeboten werden (vgl. [Hart2007]). Ein Problem bei allen personali-
sierten Offerten ist jedoch, dass die Komplexität der Umsetzung mit dem Grad der
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 56
Individualisierung steigt. Außerdem nimmt bei gleichem Werbebudget die Reichweite
ab. Deshalb muss bei jeder Aktion genau geprüft werden, ob die bessere Response-
quote bei persönlicher Ansprache die höheren Kosten und den Verlust an Reichweite
überkompensiert.
4.2.3.7 Sonstige Erlösquellen
Neben Nutzungsgebühren und Werbung bietet das Fernsehen über IP noch weitere
Erlösquellen. Haben die Zuschauer neben der Speicherung der Daten auch einer
weiteren Verwendung zu Marketingzwecken zugestimmt, können diese genauen
Kundendaten mittels Data-Mining aufbereitet und Geschäftspartnern zur Verfügung
gestellt werden.
Des Weiteren verhelfen Verträge mit Distributionspartnern zu weiteren Einnahmen.
Dabei gibt es die beiden verschiedenen Konzepte Reselling und Revenue Sharing
(vgl. [Zerv2003]). Beim Reselling bezieht der Netzbetreiber Programminhalte von den
Sendern und verkauft sie dann als Pay-TV-Inhalte weiter an seine Kunden. Revenue
Sharing hingegen stellt eine Finanzielle Beteiligung der Sender an der Endkunden-
beziehung der Distributoren dar, die Einnahmen aus Cross- und Up-Selling erzielen
können (vgl. [Pric2008] S. 38, [Delo2007] S. 11). Es ist noch fraglich wie die Erlöse
sich zukünftig zwischen Fernsehsendern und Plattformbetreibern aufteilen werden.
4.3 Einfluss von IPTV auf die Produktionsprozesse
Inwieweit die Produktionsprozesse für IP-basiertes Fernsehen sich ändern, hängt
von den bisherigen Produktionsmethoden und vom Verständnis der Sender von ihren
neuen Angeboten ab. Wurde im Sender vorher noch vornehmlich analog produziert,
setzen die digitale Produktion und der digitale Workflow für IPTV anders als bei Sen-
dern, die schon digital arbeiten, ein Redesign der Geschäftsprozesse voraus. Auch
die Frage, für welchen Ausspielkanal produziert wird, spielt eine wichtige Rolle. Die
heutige Produktion für IPTV besteht noch weitgehend darin, bestehende Inhalte für
Video on Demand aufzubereiten, um sie dann als Live-Streaming oder On-demand-
Streaming im Internet zur Verfügung zu stellen. Außer der anderen Ausspieltechnik
ergeben sich in diesem Fall keine Neuerungen. Verschiedene Rahmenbedingungen
führen also zu unterschiedlich stark gewichteten Prozessen (vgl. [NoRo2007] S. 19).
Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird deshalb jeweils unterschieden zwischen
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 57
Produktionsprozessen für ein lineares Programm und der Herstellung von Video-on-
Demand. Dabei folgt die Untersuchung wieder wie im Kapitel 3.3 dem Weg über die
Produktionsschritte von der Planung bis zum Konsum beim Empfänger.
4.3.1 Veränderte inhaltliche Produktionsprozesse
Bei der Planung einer Sendung für das lineare IPTV-Programm ergeben sich nur ge-
ringe Änderungen. Interessant ist allerdings, dass durch den Rückkanal und neue
Kommunikationsmöglichkeiten mit den Zuschauern die Wünsche der Endverbrau-
cher schon in der Planungsphase viel besser berücksichtigt werden können. Selbst
konkrete Vorschläge von Endverbrauchern können bei der redaktionellen Auswahl
integriert werden. Denkbar ist auch eine Einflussnahme der Zuschauer auf den Plot
von Seifenopern oder Telenovelas (vgl. [Rogg2007]).
Produziert der Fernsehsender lediglich für VoD, fällt die Stufe der Sendungsplanung
unter Umständen sogar ganz weg, und der Prozess der Beitragsplanung wird stärker
gewichtet. Grund dafür ist ein grundsätzlich anderer Ansatz in der redaktionellen
Produktion schon während der Planung. Es werden weniger komplette Sendungen,
sondern nur noch Einzelbeiträge produziert, die dann in verschiedenen Versionen
auf verschiedenen Medien ausgegeben werden können. Die Digitalisierung beein-
flusst so auch die Organisationsstruktur, die bisher eher auf das lineare Programm
zugeschnitten war. Die Redaktionen werden sich langfristig umstrukturieren und klei-
nere Teams bilden, die sich weniger um das Arrangement einer Sendung kümmern
müssen, sondern sich auf einzelne Inhalte konzentrieren können (vgl. [Amlu2008]).
Beim Prozessschritt „Fremdbezug“, also bei der Beschaffung externer Inhalte, ist für
alle VoD-Maßnahmen eine intensivere Verknüpfung des Workflows mit dem eigenen
Rechtemanagement nötig. Denn VoD als neue Nutzungsform setzt eine genaue Prü-
fung des Urheberrechts voraus. In Deutschland werden an der Produktion beteiligte
Personen automatisch mit zu Urhebern. Die Rechte werden meist in Klauseln im Ar-
beitsvertrag abgetreten. Dies gilt allerdings nicht für bei der Unterzeichnung noch
unbekannte Nutzungsarten. Aus diesem Grund können TV-Sender ihre alten Eigen-
produktionen meist nicht als Video-on-Demand anbieten.
Nutzergenerierte Inhalte können dank des Rückkanals als günstige Quelle dienen.
Problem ist hier jedoch meist die mangelnde Qualität, wobei jedoch im Nachrichten-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 58
bereich die Zuschauer problemlos auch niedrige Auflösungen akzeptieren, sofern die
Inhalte spektakulär genug sind (vgl. [Olbr2008]).
Bei der selbstständigen Erstellung von Rohmaterial spielt besonders die Anreiche-
rung der Audio- und Videodaten mit Metainformationen eine Rolle. Die durchgehen-
de Verwendung von Metadaten über die gesamte Produktionskette erlaubt eine kos-
tengünstige und schnelle Produktion. Aufnahmen können schnell wieder gefunden
werden, denn detaillierte Metadaten garantieren bessere Effizienz in der Suche und
eine höhere Qualität der Ergebnisse. Ein konsequentes Metadatenmanagement gilt
auch als Voraussetzung für personalisierte Zuschauerangebote und ermöglicht dem
Zuschauer neue Navigationsmöglichkeiten auf den Plattformen der Sender. Bei-
spielsweise könnten aus TV-Beiträgen heraus Zusatzinformationen aus dem Internet
geladen oder zu thematisch verwandten Bewegtbildern gesprungen werden, um
mehr über ein Thema zu erfahren (vgl. [Hart2007]). Um dies zu ermöglichen müssen
alle Beteiligten wie Videojournalisten, Kameraleute und Redakteure schon bei der
Erstellung, später beim Einspielen der Dateien in die Datenbank und schließlich bei
der Bearbeitung detaillierte Beschreibungen des Materials mit anlegen.
Der Schritt Produktion der Sendeunterlagen ist beim IP-basierten Fernsehen insoweit
betroffen, als in Zukunft vor allem im Informationsbereich je nach späterer Verwen-
dungsart vermehrt Beiträge in verschiedenen Versionen produziert und gemanagt
werden müssen. Für den Web-TV-Bereich sind beispielsweise aufgrund der geringe-
ren Verweildauer im Internet kürzere Beitragslängen sinnvoller. Einschaltpläne und
Moderationstexte fallen dagegen für die On-Demand-Nutzung weg, da der Zuschau-
er die Zeit der Ausstrahlung selbst bestimmt und einer Hinführung zum Thema nicht
bedarf. Ebenso hinfällig wird der gesamte Prozessschritt der Sendeplanung, wenn
ausschließlich für das Abruffernsehen produziert wird. Eine Sendeliste und die Sen-
deautomation werden lediglich für das lineare Programm benötigt. Hierfür bleibt die
Sendeplanung unverändert.
4.3.2 Veränderte technische Produktionsprozesse
Die Tätigkeit der alternativen Ausspielung, wie sie bereits im Modell des klassischen
Fernsehens vorhanden war, bekommt bei der Produktion für IPTV eine neue Bedeu-
tung. Im klassischen Modell war mit alternativer Ausspielung z. B. eine Verwendung
von Daten für den Videotext oder die Erstellung von Mitschnitten für den Verkauf auf
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 59
Videokassetten und DVDs gemeint. Sieht man IP-basiertes Fernsehen als alternative
Ausspieltechnologie, so deckt der eben genannte Prozessschritt nun die komplette
technische Produktion des On-Demand-Programms ab. Beim linearen IPTV bleiben
die Prozesse „Playout“ und „Sendeabwicklung“ unverändert bestehen und werden
deshalb hier auch nicht weiter behandelt.
Für VoD fällt wie bereits besprochen eine schrittweise abzuarbeitende Ausspielliste
weg. Vielmehr muss eine Datenbank mit fertigen Sendungen angelegt werden. Dies
stellt den Sender vor neue Herausforderungen, denn nun wird die Zurverfügungstel-
lung einer Benutzeroberfläche mit Navigationsmöglichkeiten zur neuen Kernaufgabe.
Denn man wünscht sich, dass die Zuschauer themenbezogen „zappen“ können. Al-
lerdings sollen sie, wenn sie diesem Bedürfnis nachgehen, nicht den Sender wech-
seln müssen, sondern sich weiter auf dem Angebot des eigenen Senders bewegen.
Die Wertschöpfungsstufe der Programmgestaltung und des Packaging ragt an dieser
Stelle weit in die Prozesse der technischen Produktion hinein.
Der Prozess der Sendeabwicklung entspricht beim Abruffernsehen am ehesten der
Bereitstellung von Servern und dem Erzeugen von Streamings, also kontinuierlichen
Datenströmen für die Endbenutzer. Diese Aufgabe können auch Distributionspartner
übernehmen. Beim Einsatz von Peer-to-Peer-Technologie übernimmt sogar der Zu-
schauer selbst Teile der Distribution und ist so meist unbewusst in die Sendeprozes-
se involviert.
Bei bezahlten On-Demand-Videos können auch technische Probleme auftreten. Da-
durch treten neu zu modellierende Prozesse auf, denn Porters primäre Wer-
schöpfungsaktivität „Kundendienst“ wird nun auch für diese Sender relevant. Hierfür
müssen neue Prozesse sowie Schnittstellen zwischen Zuschauerservice und Tech-
nikern geschaffen werden.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 60
4.4 Einfluss von IPTV auf die Produktionssysteme
Mit den aktuellen Entwicklungen im TV-Bereich sind auch die Anforderungen an die
Fernsehproduktion gestiegen. In allen Bereichen werden verstärkt Computer- und
Netzwerktechnologien eingesetzt. Die neuen Geschäftsmodelle durch IPTV und die
veränderten Produktionsprozesse stellen neue Herausforderungen an die IT-Unter-
stützung. Hinzu kommen die verbesserten technischen Möglichkeiten wie die höhere
Bildqualität durch HDTV-fähige Endgeräte oder Verschlüsselungsverfahren für die
Kontrolle von Rechten. Die Sender benötigen deshalb noch ausgeklügeltere Lösun-
gen und durchdachtere Workflows. Dieses Kapitel zeigt die wichtigsten Anforderun-
gen an IPTV-Produktionssysteme auf.
4.4.1 IT-Integration
Bislang waren die Systeme komplex und unflexibel, da sie stark auf bestehende
Hardware verschiedener verwendeter Komponenten aufbauten. Die Sender arbeiten
heute oft noch mit einem Mix aus Hard- und Software verschiedener Hersteller. Die
zunehmende allgemeine Digitalisierung veranlasst viele Sender dazu, einen ersten
Schritt weg von technikgetriebenen hin zu softwaregetriebenen Lösungen zu tun. Die
schnelle Verbreitung von IP-basierten Programmen erhöht den Druck zur Verände-
rung.
Der Markt fordert immer mehr Angebote und neue Kanäle zu immer niedrigeren Kos-
ten. Dabei soll die Qualität bei höherer Effizienz möglichst gleich bleiben, um weiter-
hin Erfolg sicherzustellen. Um dies zu gewährleisten, muss die Produktion verein-
facht und stärker automatisiert werden. Insellösungen müssen besser in die Netz-
werke integriert werden.
Hierfür bedarf die TV-Produktion eines zweiten Entwicklungsschrittes weg von prop-
rietären Lösungen einzelner Hersteller hin zu offenen Standards und Systemen, die
auf kostengünstigerer Standard-IT-Hardware laufen. Solch eine fortgeschrittene Pro-
duktion erfordert eine umfassende Neustrukturierung der Produktionstechnik und der
Arbeitsabläufe. Voraussetzung für eine Neugestaltung der Informationsprozesse im
Sender ist es, die bestehenden Prozesse aufzunehmen und zu modellieren. Viele
Sender haben diese Phase heute noch nicht durchlaufen oder sind gerade dabei,
ihre eigenen Abläufe zu analysieren. Die Prozesse können von Sender zu Sender
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 61
unterschiedlich ausgestaltet sein. Dadurch ergeben sich oft recht unterschiedliche
Anforderungen an die Infrastruktur. Moderne Systeme für IP-basiertes Fernsehen
müssen so standardisiert sein, dass sie für die Sender erschwinglich sind, und
gleichzeitig genügend Schnittstellen aufweisen, um sie an die individuellen Installati-
onen der verschiedenen Fernsehsender anzupassen (vgl. [Aml2008]). Für diese
Form der modularisierten Produktion eignet sich besonders eine serviceorientierte
Software-Architektur (vgl. [Lehm2005]).
IPTV-Produktionssysteme müssen die gleichen Basisfunktionalitäten aufweisen wie
die Systeme, die bereits die Workflows für das lineare Programm abbilden. Dabei
müssen sie sicher sein, schnell und einfach in der Handhabung. Die am Produkti-
onsprozess beteiligten Mitarbeiter und Redakteure sollen sich möglichst auf einer
einheitlichen Benutzeroberfläche bewegen können, aus der sie alle Tätigkeiten und
alle anderen Systeme steuern können (vgl. [Olbr2008]). Hierfür wurden bereits Tech-
nologien geschaffen wie zum Beispiel das „Media Object Server Protocol“ (MOS), mit
dem aufbauend auf der Beschreibungssprache XML über Dokumente die Server und
Geräte in einem Fernsehstudio gesteuert werden können.
Neue Geschäftsmodelle sind nur mit einer IT-Integration wirtschaftlich realisierbar. Je
größer der Sender ist, desto umfangreicher ist der Integrationsbedarf. Da es weltweit
nur wenige sehr große Fernsehsender gibt, die solche Systeme nachfragen, sind die
Kosten dafür relativ hoch. Die Fernsehsender stehen deshalb heute vor der Ent-
scheidung, ob sie sich einen Integrator suchen, der ihnen ein teures Gesamtsystem
verkauft, oder ob sie lieber unabhängig bleiben wollen und sich selbst Kompetenzen
in diesem Bereich aneignen.
4.4.2 Interoperabilität
Neben der IT-Integration sind für neue Geschäftsmodelle auch Technologien not-
wendig, die eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Systemen und Organi-
sationen gewährleisten. Diese Interoperabilität erfordert in der Regel die Einhaltung
gemeinsamer Standards. Dies gilt für die internen Prozesse, aber auch über die
Grenzen der eigenen Organisation hinaus. Man denke da nur etwa an einen bandlo-
sen Programmaustausch zwischen zwei Sendern einer Sendergruppe mit Datei-
orientierten Produktionssystemen. Als Beispiel für einen Standard sei an dieser Stel-
le das „Material Exchange Format“ (MXF) genannt, bei dem neben den Audio- und
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 62
Videodaten einer Sendung auch viele zusätzliche Informationen ausgetauscht wer-
den können.
Das IP-basierte Fernsehen schlägt eine Brücke zwischen dem klassischen Broad-
cast und den Internettechnologien. Moderne Produktionssysteme müssen mit beiden
Welten umzugehen wissen. Zukünftige Systeme sollen beispielsweise die Funktiona-
litäten der TV-Redaktionssysteme mit den Vorteilen moderner Content-Management-
Systeme, wie sie im Internet Verwendung finden, verbinden (vgl. [Amlu2008]).
Metadaten spielen eine wichtige Rolle für Erstellung, Lieferung und Austausch mul-
timedialer Assets und ihre spätere Archivierung sowie für das Content-Management.
Auch für eine spätere Ausgabe von Bewegtbildern auf unterschiedlichen Systemen
sind sie bedeutend. Um Redundanzen in der Archivierung zu vermeiden und den
Überblick über die rechtliche Verwendungssituation nicht zu verlieren, sind Metada-
ten schon für einzelne „Filmschnipsel“ auf Ebene von Schnitten und Kameraeinstel-
lungen nötig (vgl. [Amlu2008]). Dabei sollten die Strukturen der Metadaten nicht rigi-
de, sondern flexibel sein, um bestehende Lösungen erweitern zu können, ohne de-
ren Strukturen ändern zu müssen.
Ein durchgängiger Metadatenfluss erzwingt eine Integration der Anwendungen im
Sinne des Kapitels 4.4.1. (vgl. [Lehm2005] S. 111). Zum Austausch von Metadaten in
einem einheitlichen Format bietet sich beispielsweise das Broadcast Metadata Ex-
change Format (BMF) an. Dieses Datenmodell berücksichtigt die Aufnahme von In-
formationen aus allen Schritten der Produktionskette bzw. des Objektlebenszyklus.
4.4.3 Interaktionsmechanismen
Laut einer aktuellen Studie von Accenture meinen nur 13 % der befragten IPTV-Ex-
perten, dass die Branche technologisch auf die Anforderungen im Bereich Kundenin-
teraktivität vorbereitet ist. Dieser Bereich stellt deshalb offensichtlich eine besondere
Herausforderung dar (vgl. [Acc2007]).
Da beim IP-basierten Fernsehen generell gleichzeitig ein Internetanschluss verfügbar
ist, können zwar die bekannten Internettechnologien genutzt werden; die Schwierig-
keit ist allerdings, erst einmal zu erkennen, welche Interaktionsmöglichkeiten über-
haupt gerade für den Benutzer sinnvoll sind. Die vorgeschlagenen Auswahlmöglich-
keiten müssen an die jeweilige Anwendung und die aktuellen Inhalte angepasst wer-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 63
den. Auch müssen entsprechende Verknüpfungen zwischen den Inhalten im Be-
wegtbild und den zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten oder internetbasierten
Zusatzinformationen geschaffen werden. Bislang fehlen diese Verbindungen jedoch
noch (vgl. [Amlu2008]).
Um den Zuschauern zu ermöglichen, aus dem Programm heraus zu inhaltlich ver-
wandten Themen im Internet oder zu anderen Programmangeboten zu springen, wä-
ren semantische Verlinkungen zwischen den Beiträgen sinnvoll. Moderationstexte
oder vorhandene Beschreibungen könnten eine Basis für eine automatisierte Aus-
zeichnung sein.
Ähnlich dem Web-2.0-Ansatz, wonach sich Internetbenutzer in entscheidendem Ma-
ße selbst an der Erstellung von Inhalten beteiligen, könnten auch die Zuschauer
selbst dazu gebracht werden, Filme mit Stichwörtern zu versehen und so die hyper-
mediale Vernetzung weiter auszubauen. Idealerweise wurden bereits im Produkti-
onsprozess genügend Metainformationen zu den Inhalten angelegt.
Außer einem schnelleren Produktionsablauf oder der Zuschauernavigation können
Verlinkungen zwischen Inhalten von Bewegtbildern und Zusatzinformationen im In-
ternet auch wirtschaftlich für Werbezwecke eingesetzt werden. Eine Technologie des
Internet-Unternehmens „overlay.tv“ ermöglicht es beispielsweise seinen Kunden,
Produkte in Internet-Videos zu markieren und im Bewegtbild anklickbar zu machen.
So können zum Beispiel Kleidungsstücke der Schauspieler direkt aus der Sendung
heraus bestellt werden.
Neben der Frage nach der Existenz von Zusatzinformationen ist auch interessant, ob
die vorgeschlagenen Zusatzinformationen überhaupt auf dem Endgerät des Zu-
schauers dargestellt werden können. So ist beispielsweise ein großes Schaubild auf
dem kleinen Display eines mobilen Endgeräts nicht sinnvoll, wohingegen ein solches
auf einem großen Flachbildschirm durchaus gewünscht wird. Um also nutzungsrele-
vante Inhalte passgenau anzubieten, sind eine genaue Identifikation der Endgeräte
und eine bessere Integration der Geräte in den gesamten Bereitstellungsprozess
wünschenswert (vgl. [Amlu2008]).
Eine wirtschaftlich äußerst interessante Interaktionsmöglichkeit sind Empfehlungs-
funktionen, mit denen die Zuschauer ihren Bekannten interessante Videos vorschla-
gen können. Eine Studie über das Navigationsverhalten auf Video-Plattformen hat
ergeben, dass zu 82 % die persönliche Empfehlung von Freunden dazu führt, ein
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 64
Video anzusehen (vgl. [KaSi2008] S. 22). Videoplattformen im Internet bieten diesen
Service bereits erfolgreich an, diese Funktionalität sollte deshalb auf keiner IPTV-
Plattform fehlen.
4.4.4 Bevorratung und Evaluation des Programmangebots
Bisher dienten die Datenbanken der Sender hauptsächlich der Archivierung von ak-
tuellen unfertigen Sendungen vor der Ausstrahlung sowie der Archivierung nach der
Sendung für spätere Recherchen. Stellt das Medienunternehmen nun in einer Media-
thek wie beim ZDF eine große Menge an Filmen zum Abruf bereit, muss auch das IT-
System der Datenbank an diese geänderte Nutzung angepasst werden. Die Server
müssen mit einer großen Zahl an gleichzeitigen Anfragen umgehen und die Zu-
schauer auch in ausreichender Geschwindigkeit mit Datenströmen bedienen können.
Zudem wird die bevorratete Datenmenge täglich in hohem Umfang steigen.
Dank der direkten Verbindung zum Zuschauer lässt sich die genaue Erfolgsmessung
vom Sender selbst vornehmen. Die Datenerhebung der eigenen Konsum- und Rezi-
pientenforschung kann nun über das eigene IT-System erfolgen. Da bei On-Demand-
Videos im Internetfernsehen jeder Zuschauer einen eigenen Datenstrom anfordert,
lassen sich die Zugriffe sehr einfach quantifizieren. Auch in geschlossenen IPTV-
Angeboten wird jedes Umschalten des Endkunden beim Netzbetreiber registriert, da
nun ein neuer Datenstrom zur Verfügung gestellt werden muss. Um diese Daten für
eine weitere Analyse nutzen zu können, müssen entsprechende Schnittstellen zwi-
schen dem IPTV-Provider und dem Produktionssystem des Senders geschaffen
werden, um rückwirkend den Erfolg des eigenen Programms zu bewerten. Anhand
der Daten ließe sich zum Beispiel feststellen, an welcher Stelle der laufenden Sen-
dungen die Zuschauer den Sender wechseln.
4.4.5 Zuschaueranalyse und -individualisierung
Um den Endkunden ein individuelles Programm anbieten zu können, das auch zu
seinen Bedürfnissen passt, bedarf es verschiedener Techniken. Die Zuschauer müs-
sen erkannt werden. Dies kann ganz einfach über die IP-Adresse des Endgeräts er-
folgen. Da diese Adresse auch Rückschlüsse auf die geografische Position zulässt,
kann allein schon diese Information als Ausschlusskriterium für bestimmte Sendun-
gen gelten, falls der Sender nur eine Ausstrahlungslizenz für ein bestimmtes Land
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 65
hat. Im weiteren Verlauf sind Datenbankprogramme nötig, welche die Aktivitäten des
Kunden protokollieren. Sie dienen als Ausgangsbasis für eine dynamische Zusam-
menstellung zu einzelnen Themen speziell für den Benutzer.
Um dem Rezipienten individuelle Programmvorschläge machen zu können, muss
das Protokoll auf Präferenzen hin analysiert und müssen andere passende Sendun-
gen identifiziert werden. Diese Aufgabe übernehmen Agenten-Programme. Eine
gängige Methode ist dabei das „collaborative filtering“, also das Filtern nach gleich
gesinnten Meinungen. Dabei werden die Profile der einzelnen Nutzer untereinander
verglichen. Benutzer mit einer ähnlichen Auswahl im Konsum gelten als Nachbarn.
Deren Titelliste dient dann als Quelle für weitere Vorschlägen und hilft dem System,
für weitere Prognosen zu erkennen, welche Filme ähnlich sind (vgl. [Runt2000] S. 2).
4.4.6 Zielgerichtete Werbung
Die Wiedergabeliste der Kunden kann auch als Datenbasis dafür dienen, Werbung
auf einzelne Nutzer zuzuschneiden und so zielgerichteter zu wirken. Dies erfordert
Systeme, welche die Kunden im Voraus nach Interessen in Kundentypen einteilen
oder bei Bedarf eine passende Auswahl an Zuschauern auswählen.
Eine andere innovative Methode der personalisierten Werbeplatzierung beruht auf
Kontextsensibilität. Dabei dienen die Suchanfragen der Zuschauer als Grundlage für
die Werbeplatzvergabe. Je nach Suchbegriff wird dem Zuschauer ein optimierter
Werbespot vorgespielt. Diese Methode verwendet das Unternehmen Google Inc. er-
folgreich in seiner Suchmaschine unter dem Namen „AdSense“. Die verfügbaren
Werbeplätze werden bei AdSense nicht wie üblich zu einem Festpreis aus den Medi-
adaten verkauft, sondern der Werbepreis wird durch ein Auktionsverfahren ermittelt.
Google plant, zukünftig ein crossmediales Werbenetzwerk aufzubauen und die
Technologie später auch für Fernsehwerbung anzubieten (vgl. [KaSi2008]).
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
4 Fernsehproduktion für IP-basiertes Fernsehen Seite 66
Abbildung 17: Anleitung zu Googles neuem Angebot „TV Ads“ (vgl. [Goog2008])
Auch wenn der Branchenriese Google momentan erst Feldversuche in diesem Be-
reich macht, so empfiehlt es sich doch für die Fernsehsender, rechtzeitig ähnliche
Kompetenzen auf diesem Feld aufzubauen, um später nicht Marktmacht im Werbe-
zeitenvertrieb zu verlieren oder Margen an Vertragspartner wie Google zu verlieren.
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
5 Ausblick Seite 67
5 Ausblick
Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Branche technologisch im Bereich IPTV
schon sehr weit ist, dass allerdings Zuschauer und Fernsehsender noch nicht ganz
bereit sind für das Fernsehen der nächsten Generation. Die klassische Fernsehnut-
zung blieb in den letzten Jahren nahezu konstant. Die tägliche Fernsehnutzung ist
von 1989 bis 2006 sogar von 144 auf 212 Minuten gestiegen. Trotz des Siegeszuges
des Internets keine Spur also von einer rückläufigen Entwicklung (vgl. [Gu-
Mü2007] S. 7).
Die Fernsehsender – gerade die öffentlich-rechtlichen – versuchen momentan, durch
den neuen Übertragungsweg und seine Möglichkeiten wieder mit der jüngeren Zu-
schauergruppe in Kontakt zu treten, die über das klassische Fernsehen nicht mehr
erreicht wird. Doch zeigen Untersuchungen, dass die Nutzung von Videos im Internet
nicht zulasten des traditionellen Fernsehens geht, da diese Zuschauer eher beson-
ders medienaffin sind. Es lässt sich auch kritisch anmerken, dass in Anbetracht der
alternden Bevölkerung eher die ältere Zielgruppe an Bedeutung gewinnt. Deshalb
erfährt das klassische lineare Programm nach wie vor eine hohe Nutzerakzeptanz.
Es wird zwar langfristig durch die Möglichkeiten von IPTV mehr und mehr verdrängt,
wird aber noch lange eine dominante Rolle spielen vgl. [Delo2007] S. 6)
Nur eine kleine Gruppe Menschen nutzt bisher die Angebote der geschlossenen
Netze. Das liegt zum einen an der Verfügbarkeit und zum anderen am Preis. Die
Zahl der Breitbandanschlüsse in Deutschland steigt zwar kontinuierlich an, eine flä-
chendeckende Versorgung ist allerdings noch nicht in Sicht. Wegen des großen An-
gebots an kostenlosen Sendern entschließen sich die wenigsten dazu, für das Fern-
sehen etwas zu bezahlen. TV-Konsum muss für den Zuschauer kostenlos bleiben.
Deshalb setzen sich auch bislang die werbefinanzierten Angebote im Web-TV ge-
genüber den Bezahlmodellen der „walled gardens“ durch. Und bezahlt wird im Inter-
net auch nur für sehr gute Qualität. Die offenen IPTV-Angebote werden immer bes-
ser. Offensichtlich werden sich Web-TV und IPTV zukünftig noch mehr annähern und
eine Unterscheidung bald nicht mehr nötig sein.
Die heutige Produktion für IP-basiertes Fernsehen besteht hauptsächlich darin, be-
stehende Inhalte für VoD aufzubereiten um sie dann als Live- oder On-Demand-
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
5 Ausblick Seite 68
Streaming zur Verfügung zu stellen. Deshalb sind bisher die inhaltlichen Produkti-
onsprozesse noch kaum vom IP-basierten Fernsehen betroffen.
Mit neuen Geschäftsmodellen und neuen Erlösformen wird erst experimentiert. Die
Versorgung der Zuschauer mit individuellen Datenströmen verursacht hohe Kosten.
Noch ist unklar, wie diese Aufwendungen gegenfinanziert werden können. Neue
Werbeformen sind noch in der Entwicklung. Die meisten Potenziale verspricht man
sich von Sonderwerbeformen und personalisierter Werbung. In Zukunft spielen eine
genaue Kenntnis der Kundeninteressen sowie der Aufbau einer intensiven Bezie-
hung zum Kunden eine immer größere Rolle. Die neuen Werbeformen basieren je-
doch auf einer Vielzahl sehr persönlicher und auch sensibler Informationen über die
Nutzungsgewohnheiten und Konsumpräferenzen der Zuschauer. Datenschutz be-
kommt so eine neue zentrale Bedeutung für die Sender.
All dies führt zu dem Schluss, dass sich die Produktionssysteme der TV-Sender nicht
schlagartig verändern werden. Sie passen sich langfristig allerdings den Eigenarten
des IP-basierten Fernsehens an. Nach einem ersten Transformationsprozess, bei
dem die Produktion voll digitalisiert und die Infrastruktur standardisiert wird, werden
einige Sender nach und nach ihre internen Strukturen besser für die Produktion von
Abrufprogrammen einrichten. Die dafür benötigten IT-Systeme müssen einfach sein
und trotzdem alle Prozesse integrieren sowie Schnittstellen offen halten. Vor allem
die Schnittstellen zu den Menschen da draußen – den Zuschauern und Kunden –
müssen besonders gut konzipiert und gepflegt werden. Denn der Kunde ist König
und die Konkurrenz auch in Zukunft nur einen Mausklick entfernt.
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5 Ausblick Seite 76
VII Anhang
Prozessmodell Fernsehen mit ausgewählten Sub-Prozessen ............................77
Interviewleitfaden ....................................................................................................78
Gesprächsprotokoll 1: Christian Olbrich [Olbr2008] ........................................81
Gesprächsprotokoll 2: Robert Amlung [Aml2008]............................................95
Gesprächsprotokoll 3: John de Jong [Jong2008]..........................................102
Auswertung der Interviews...................................................................................108
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
5 Ausblick Seite 77
Prozessmodell Fernsehen mit ausgewählten Sub-Prozessen
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IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
5 Ausblick Seite 78
Interviewleitfaden
Themenblock 1: Zukunftserwartungen der Befragten fürs Fernsehen
IPTV und Internetfernsehen bieten eine Reihe neuer Geschäftsmodelle.
Welche fallen Ihnen spontan ein?
Detailfragen:
Geschäftsmodelle:
Welche Geschäftsmodelle halten sie selbst für ein Untenehmen wie Ihres sinnvoll?
Welches dieser drei Beispielmodelle entspricht am ehesten Ihren Vorstellun-gen?
Was müsste daran angepasst werden um zukünftig sinnvoll von Ihrem Unter-nehmen eingesetzt werden zu können?
Distributionsweg:
Welchen Weg halten Sie für den Zukunftsträchtigsten: Proprietäre IPTV An-gebote wie T-Home, frei zugängliches Internetfernsehen oder hybride Ange-bote wie Windows Media Center Technologie?
Wie stehen Sie /Ihr Unternehmen zu Peer-to-Peer-Netzwerken?
Werbung:
Da es für die Kunden durch die technischen Möglichkeiten immer einfacher wird Werbeblöcke zu überspringen müssen neue Werbeformen angedacht werden: Welche neuen Angebote halten sie für die Interessantesten?
Stütze:
personalisierte Werbung virtuelle Werbung Red Button (-> führt online zu weiteren Angeboten) Werbeunterkanäle
Kundenbindung:
Welche Möglichkeiten fürs CRM-Management bzw. Kundenbindungsmaß-nahmen erscheinen Ihnen dank der Rückkanalfähigkeit am interessantesten?
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
5 Ausblick Seite 79
Themenblock 2: Veränderungen der TV-Produktion in bestimmten Bereichen
Inwiefern unterscheidet sich die Produktion für IPTV vom herkömmlichen Fernse-
hen?
Detailfragen:
Setzen Digitale Produktion und digitaler Workflow prinzipiell ein Re-Design der Geschäftsprozesse voraus?
Welche Prozesse in der TV-Produktion unterliegen Ihrer Meinung nach den stärk-sten Veränderungen im Hinblick auf IPTV und Internetfernsehen?
Welche Bereiche stellen für Sie eine besondere Herausforderung dar? Unterschiedliche Einnahmestrukturen führen zu verschiede stark gewichteten
Prozesse. Welche Prozesse spielen bei ihrem favorisierten Geschäftsmodell eine besondere Rolle?
Welchen Einfluss hat IPTV auf die Kerngeschäftsprozesse eines TV-Senders? o Rechte- und Lizenzmanagement, o Programmplanung, o Werbezeitenvertrieb;
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
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Themenblock 3: IT-Unterstützung für neue Workflows
Für neue Wertschöpfungsmodelle müssen neue Workflows geschaffen werden. Wie
sehen solche Workflows aus und welche Technologien kommen dabei zum Einsatz?
Detailfragen:
Was erwarten Sie von einem idealen IPTV Produktionssystem?
Welche Elemente und Prozesse müsste ein IPTV-Produktionssystem auf je-
den Fall abdecken?
Für welche neuen Interaktionsmechanismen mit Kunden benötigen Sie Tech-nologien?
Interaktionsmechanismen:
Video on Demand Bewertung von Sendungen Voting Suche über Metadaten Interactive TV-Spot Tracking (Messbarkeit /Log-Files) User-generated content Up-/Cross-Selling und weiteren CRM-Maßnahmen
Welche Komponenten sind für eine individualisierte Medienproduktion nötig (Customization)?
Welche Zusatzdienste und interaktive Applikationen bedürfen einer Verbesse-rung?
Zusatzdienste und interaktive Applikationen:
Navigationssysteme Single-User- und Multi-User- Spiele Anforderung Info-Material / Produktproben Gewinnspiele Internet Gateway und Kommunikation (E-Mail, SMS, MMS, Chat) Pay for Eyeballs…Zuschauer wird fürs sehen bezahlt Digital Rights Management Abrechnungssyteme
Welches ist Ihrer Meinung nach die größte technische Herausforderung auf dem Weg zum Fernsehen 2.0?
IPTV und Internet-Fernsehen – Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle auf die Produktionsprozesse und -systeme von TV-Sendern
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Auswertung der Interviews
Die Folgenden Texte sind Paraphrasen welche inhaltlich aber nicht wort-wörtlich die
Ergebnisse der Interviews wiedergeben. Die einzelnen Aussagen sind aus Gründen
der Vergleichbarkeit thematisch zusammengefasst und spiegeln nicht die tatsächli-
che Reihenfolge der Gespräche wieder. Nach jedem Gesprächsthema folgt eine kur-
ze Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und der Einzelaussagen falls die Ge-
spräche keinen Vergleich zulassen.
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Themenblock 1: Zukunftserwartungen der Befragten fürs Fernsehen Axel Springer Digital TV (asdtv) Christian Olbrich
ZDF– HR Neue Medien Robert Amlung
RTL Nederland John de Jong
Interview ca. 100 Minuten Interview ca. 40 Minuten Interview ca. 30 Minuten Werbung schlägt Bezahlmodelle (asdtv) Die einzige Möglichkeit mit IPTV und Internetfernsehen Geld zu verdienen ist mit Wer-bung. Das Niveau des linearen Fernsehens ist dabei allerdings noch nicht erreicht. Möglichkei-ten sind das einblenden von Werbung, eine Gebühr oder Sponsoring. Je nach Endgerät ergeben sich eigene Möglichkei-ten. Pay-TV ist lediglich für Be-nutzer die sich ganz bestimmte Spielfilme oder Serien ansehen möchten sinnvoll. Komplexität: Geschäftsmodelle dürfen nicht kompliziert sein. Subskriptions-modelle oder Modelle mit kom-plizierter Anmeldeprozedur oder für die man eine spezielle Soft-ware benötigt schrecken die Benutzer ab. Viele Menschen hindern schon einfache Vorgän-ge wie die Installation eines Pro-gramms oder die Bedienung eines Menüs und halten von einer Benutzung ab. Peer-to-peer Plattformen: P2P Systeme sind prinzipiell interessant. Fraglich ist der aus-zuhandelnde Verteilungsschlüs-sel der Werbeerlöse. Dabei gel-ten die gleichen marktlichen Prinzipien wie in anderen Berei-chen.
(zdf) Die Werbefinanzierung wird wie bisher im klassischen Fern-sehen den größten Teil der Erlö-se bringen. Das gilt sowohl für lineare Angebote als auch für Abrufprogramme. Als öffentlich rechtlicher Sender dürfen wir durch den Staatsver-trag von 2001 online keine Wer-bung schalten. Das ZDF wünschte sich von Anfang an einen Mix aus Gebühren und Werbung. Wir sehen auch die ZDF-Mediathek nicht als Online-angebot sondern als Fernseh-angebot. Wir nennen das „zeit-versetztes Fernsehen“. Dieses entspricht auch eher den Anfor-derungen eines Zuschauers. Außer z. B. Live-Events wie Sportsendungen möchte doch niemand bestimmte Inhalte nur dann sehen wenn der Sender das anbietet. Letzteres Nut-zungsverhalten entstand nur aus den technischen Beschränkun-gen der letzten Jahrzehnte.
(rtl) Wir bieten auch gesponser-tes Programm an. Zum Beispiel Beiträge über neue Autos die wir dann als Free-VoD anbieten. Für Inhalte mit hoher Qualität wie Spielfilme und Serien bezahlen die Zuschauer Video-on-Demand. Wir sind der Meinung, dass in Zukunft werbefinanzierte Modelle eher von Bedeutung sein werden. Prinzipiell ist auch eine Kombination mit bezahltem Video-on-demand für qualitativ hochwertige Inhalte denkbar, doch Werbung wird mehr Be-deutung haben. Auch Geschäftsmodelle mit ei-nem personalisierten Programm werden wichtig sein.
Werbefinanzierte Geschäftsmodelle mit Free-Video-on-Demand werden nach einheitlicher Mei-nung in Zukunft die IP-basierte Fernsehwelt dominieren. Pay-per-View Angebote sind parallel für bestimmte Inhalte sinnvoll.
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Zahlungsbereitschaft nur für Qualität (asdtv) Die Benutzer sind es gewohnt kostenlose Inhalte aus dem Internet zu beziehen. Des-halb ist es schwierig von den Zuschauern Geld zu verlangen. Auf den Videoportalen im Inter-net gibt es abgesehen von den Inhalten bei denen das Urheber-recht verletzt wurde schon eine Menge kostenloser Angebote mit relativ hoher Qualität. Für Spiel-filme und Serien sieht es anders aus. Hierfür gibt es allerdings schon entsprechende Portale. Die Kunden sind lediglich bereit Geld für eine Sache aus-zugeben, wenn sie von ihr über-zeugt sind und diese unbedingt haben möchten. Refinanzierung von Videoportalen: Die bestehenden Anbieter haben Probleme mit der Refinanzierung ihres Angebotes. YouTube hätte ohne die Übernahme von Google z. B. nicht mehr lange weiter operieren können. Jede Kundenanfrage kostet Geld. Diese Kosten müssen irgend-wann natürlich gegenfinanziert. Ähnliches gilt für Netzwerk-betreiber die Inhalte von Sen-dern anbieten.
(zdf) Die Bereitschaft der Nutzer Bewegtbilder über Gebühren und Abonnements zu finanzieren wird sehr gering sein. Pay-TV ist geschichtlich im deutschen Markt nicht verankert. Doch selbst in den USA, wo Entgeldmodelle sonst besser funktionieren, setzen sich diese nicht durch. Bei Entgeldmodellen verliert man an Reichweite. Die Grundsatzfrage ist, ob die Ent-gelderlöse die man bei geringer Reichweite erzielen kann höher sind, als die Werbeerlöse bei hoher Reichweite.
(rtl) Wir haben festgestellt, dass es schwierig ist für Inhalte die nicht zum Beispiel ganz be-stimmte Serien oder Spielfilme sind Geld zu verlangen. Es gibt ein großes Angebot an kostenlos verfügbaren Inhalten übers klas-sische Fernsehen und im Inter-net. Die Zuschauer sind deshalb nicht bereit für ein Standardpro-gramm zu bezahlen.
Im linearen Fernsehen und im Internet sind viele Inhalte mit hoher Qualität frei verfügbar. Da-durch besteht beim Zuschauer keine Zahlungsbereitschaft für Standard-Inhalte. Einen Kaufan-reiz bieten nur Spielfilme und spannende Serien. Die Finanzierung teurer Streams im Internet stellt ein Problem dar. Hohe Werbeerlöse können nur bei hoher Reichweite erzielt werden. Ob die Erlöse aus einem Subskriptionsmodell mit wegen des geschlossenen Angebotes einge-schränkter Reichweite höher sind ist fraglich.
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Vorsichtiger Umgang mit geschlossenen IPTV-Systemen (asdtv) Mit geschlossenen Sys-temen bei denen man sich an-melden muss und für die man zahlen muss wird der Benutzer-kreis sehr eingeengt. Die bishe-rigen Anbieter haben keinen großen Benutzerkreis. Die Inhal-te bieten im Vergleich zum Free-TV noch nicht genügend Anrei-ze. Es werden in Zukunft sowohl geschlossene als auch offene IPTV-Systeme Bestand haben. Deren jeweilige Marktanteile sind jedoch noch sehr ungewiss.
(zdf) Wir halten als öffentlich rechtlicher Sender nicht viel von „walled gardens“. Wir haben unseren Fokus im Abrufbereich auf das freie Internet gelegt. Wir verweigern uns nicht prinzipiell aber wir achten sehr darauf ob das zu uns passt. Die IPTV-Anbieter haben am Anfang selbst den Fokus sehr stark aufs lineare Fernsehen gesetzt. Wir sind in Gesprächen mit IPTV Anbietern. Das ist allerdings noch nicht spruchreif.
(rtl) In den Niederlanden gibt es zwei Provider. Sie bieten prak-tisch das gleiche lineare Pro-gramm wie die Kabelanbieter und stehen so in Konkurrenz. Bisher bieten diese Anbieter lediglich unser lineares Pro-gramm an.
Geschlossene IPTV-Systeme waren seit ihrem Start in Deutschland noch nicht sehr erfolgreich. Allgemein bieten sie nach wie vor hauptsächlich lineares vorstrukturiertes Programm und nut-zen die vielen Möglichkeiten von IPTV noch nicht. Dadurch ergeben sich für den Zuschauer nicht genügend Anreize. Fernsehsender sind vorsichtig im Umgang mit Anbietern von „walled gardens“. Potentiale durch personalisierte Werbung und Sonderwerbeformen. (asdtv) Als Nutzer halte ich nichts von neuen Werbeformen. Die Zuschauer werden bei übermäßiger Verwendung von allen Formen der Werbung ge-nervt sein. Die Werbung kommt dann beim Benutzer nicht mehr an, weil er sich dann inzwischen fremd beschäftigt. Werbung wirkt negativ auf die Inhalte. Die Aus-nahme bildet richtig gut produ-zierte Werbung. Als Anbieter gesagt, ist sicher die personalisierte Werbung der Trend. Das wollen im Grunde alle Anbieter. Vermarkter möch-ten ihre Kunden kennen und diese möchten Werbung die sie interessiert. Werden einem Kun-den nur Produkte gezeigt die er auch interessant findet wird er eher bereit sein Werbung zu konsumieren Durch IPTV können ganz be-stimmte Kundengruppen erreicht werden, die sonst nur sehr schwer erreicht werden können.
(zdf) Die Entwicklung neuer Werbeformen steht Deutschland noch am Anfang. Die Werbein-dustrie ist hierzulande sehr kon-servativ. Ich denke dass kürzere Werbe-spots auf Dauer funktionieren, der 30 Sekunden Spot jedoch tot ist. Eine große Wertschöpfung wird man in Zukunft aus den Son-derwerbeformen ziehen. Z.B. Kurze Spots mit der Möglichkeit für den Benutzer auf Wunsch zusätzliche Informationen zum Produkt zu erhalten. Damit kön-nen Streuverluste vermieden werden, weil die wenigen Kun-den die sich darauf einlassen auch potentielle Kunden sind die intensiver beworben werden können. Dies können dann zum Beispiel personalisierte Angebo-te oder Direktmarketing sein.
(rtl) Kundenindividualisierte Werbung wird wichtiger sein als lediglich zum Programm pas-sende Werbung.
Personalisierte und auf die Kundeninteressen zugeschnittene Werbung bieten entwicklungspo-tentiale auf dem Fernsehwerbemarkt. Zudem werden Sonderwerbeformen bei denen der Kunde immer weniger belästigt wird, und erst nach seiner Zustimmung detaillierte Informationen er-hält, den Markt verändern. User Generated Content unter Umständen sinnvoll (asdtv) Für User Generated Content gibt es bereits gut funk-tionierende Systeme. Da stellt sich die Frage warum man diese
(zdf) Auf Plattformen wie You-Tube muss sich das ZDF-Programm das dort einen eige-nen Kanal hat mit Amateurvide-
[aus Zeitgründen nicht behandelt]
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bestehenden Systeme kopieren sollte. Bei aktuellen und wirklich span-nenden Themen kann User Ge-nerated Content durchaus sinn-voll sein. Dann spielt auch eine schlechtere Qualität keine Rolle. Man erhält durch User Genera-ted Content Bilder von Ereignis-sen bei denen kein Fernsehteam vor Ort sein konnte. Allerdings wird die Produktion von User Generated Content viel zu wenig unterstützt. Endgerätehersteller, Provider und Plattformbetreiber könnten sich zusammentun und ein einfaches System anbieten mit dem der Kunde vernünftige Inhalte erstellen kann. Wir ha-ben, z. B. gemeinsam mit einem anderen Hersteller das Nokia N95 Handy dementsprechend aufgerüstet. Es ist dann mit einer Software ausgerüstet bei dem nach der Aufnahme automatisch vom Gerät ein Uploadweg ge-sucht und der Film hochgeladen wird. Die Erstellung von qualitativ hochwertigen Inhalten ist derzeit für die Benutzer sehr teuer. Ein mögliches Anreizsystem wäre die Bezahlung für tatsäch-lich verwendeten Bewegtbilder. Dabei kann es zu Preis-Konflikten mit den regulären Lieferanten von Inhalten kom-men.
os messen
Auf Videoportalen wie YouTube stehen heute bereits viele kostenlose Inhalte mit denen sich auch das Programm der Fernsehsender messen lassen muss. In manchen Fällen wie bei Nach-richten und berichten zu aktuellen Ereignissen kann es sinnvoll sein diese Inhalte als Fernseh-sender weiter z verwenden. Ist der Beitrag interessant und spannend genug, dann ist auch die Qualität der Bewegtbilder nicht mehr entscheidend.
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Zukunft des Fernsehens (asdtv) Das Fernsehen hat durch das Internet eine große Konkur-renz bekommen. Der Markt wird sich in der nächsten Zeit dem-entsprechend anpassen. Das klassische Fernsehen wird nicht verschwinden. Wie stark das klassische Fernsehen verdrängt wird stark bestimmt von der Ein-schätzung der Werbewirtschaft bezüglich des jeweiligen Poten-tials.
(zdf) Fernsehen über IPTV und Internetfernsehen sind eine zeit-gemäße Darstellung des Kern-mediums Fernsehen. Da man nicht nur lineare Inhalte sehen kann wird dadurch der Kern des Mediums „Fernsehen“ verändert. Medienkonvergenz Durch die IP-basierte Ausstrah-lung wachsen verschiedene Medien zusammen. Die Medien Radio, Fernsehen und Internet sind plötzlich alle auf einer Platt-form und mit dem Rückkanal wird Kommunikation mit den Massenmedien verbunden. Durch die Vernetzung und die geänderte Nutzung kommen wir in Konkurrenz zu den Zeitungen, was vorher nicht der Fall war.
(rtl) Die Digitalisierung wird wei-ter fortschreiten und wir werden die Inhalte besser fürs Internet aufbereiten. Das lineare Fernse-hen wird aber in Zukunft weiter-hin sehr wichtig sein. Wir haben aktuell keine Pläne für ein non-lineares Programm das nur über IP verfügbar ist.
Das klassische lineare Fernsehen wird durch die Möglichkeiten von IPTV mehr und mehr ver-drängt, wird aber noch lange eine dominante Rolle spielen. Allgemein wird sich durch die Digi-talisierung das grundsätzliche Verständnis von Fernsehen im Kern ändern und mehr mit ande-ren Medien verknüpft werden.
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Themenblock 2: Veränderungen der TV-Produktion in bestimmten Bereichen Axel Springer Digital TV Christian Olbrich
ZDF – HR Neue Medien Robert Amlung
RTL Nederland John de Jong
Produktionsmethode (asdtv) Wir produzieren Beiträge mit Inhalten aus Verschiedenen Quellen. Wir produzieren selbst oder beziehen Material aus Agenturen. Dieses Material wird bearbeitet und für den OnDe-mand vertrieb übers Internet vorbereitet und Online gestellt.
(zdf) In unserer Mediathek bün-deln wir über das gesamte Haus hinweg all die Teile die im Ab-rufbereich angeboten werden sollen.
(rtl) Nach der Ausstrahlung im linearen Programm machen wir Teile des Programms für die wir die passenden Rechte haben auf unserer Webseite im Strea-ming-Verfahren verfügbar.
Die heutige Produktion für IPTV besteht weitgehend darin bestehende Inhalte für Video on De-mand aufzubereiten um sie dann als Live-Streaming oder On-demand-Streaming im Internet zur Verfügung zu stellen. Unterschied zwischen IPTV-Produktion und herkömmlicher Produktion (asdtv) Es gibt praktisch keine Unterschiede in der Produkti-onsweise. Die Herstellungs-schritte sind die gleichen. Der Unterschied ist lediglich der Ausspielkanal. Der Personalein-satz und die Ressourcen sind annähernd gleich da man ja eine gleich gute Qualität wie im linea-ren TV bieten möchte. Macht man Abstriche bei den Produkti-onsmitteln schlägt sich das meist sofort in der Qualität nieder. Eventuell lässt sich die Anzahl der Beteiligten reduzieren. In der Ausspielung lassen sich kosten sparen da keine teuren Satelli-ten- oder Richtfunkstrecken ge-nutzt werden müssen. Die Kos-ten sind an den Erfolg des An-gebots gekoppelt. Je erfolgrei-cher desto teurer die Streaming-kosten. Verbreitungskosten: IPTV ist als Verbreitungsweg wesentlich günstiger als das klassische Fernsehen. Einzelne Beiträge statt ganze Sendung: Der große Unterschied ist, dass wir Video-on-Demand machen und nicht rund um die Uhr Pro-gramm. Zuschauer von Video-on-Demand Angeboten haben ein ganz anderes Nutzungsver-halten als beim linearen Fernse-hen. Diese Kunden möchten von einem bestimmten Thema zum
(zdf) Wenn man IPTV nur aus der Sicht betrachtet, dass man eine andere Übertragungsweise verwendet, wird sich kaum et-was ändern, betrachtet man allerdings die gesamte Digitali-sierung von der IPTV nur ein Teil ist, wird sich die gesamte Bran-che ändern. Momentan gibt es zwei Parallel-entwicklungen. Die Umstellung der Produktion auf eine komplet-te digital vernetzte Produktions-weise, sowie die Umstellung auf IP-basierte Protokolle. Das ver-ändert das, was im Medium ge-macht wird. Wir werden die Prozesse des Hauses anpassen müssen, weil wir bisher darauf ausgerichtet waren ein lineares Haupt- oder Nebenprogramm zu bedienen. Man wird mit einem Hauptpro-gramm in Zukunft nicht mehr alle Menschen erreichen, da es in der digitalen Welt nicht realis-tisch ist mit einem Fernsehkanal alle Zielgruppen abzudecken. Da wir von allen Zielgruppen Ge-bühren verlangen müssen wir das aber im Prinzip. Das Angebot muss wesentlich vielfältiger werden. Dazu benö-tigt man eine Produktionsweise die es erlaubt sich auf die Inhalte zu konzentrieren und so inhaltli-che Kompetenz aufzubauen. Die Ergebnisse sollen auf verschie-denen Plattformen nutzbar sein:
(rtl) Die Produktion für IPTV basiert hier mehr oder weniger auf eine Verwendung für Video-on-Demand. Das ist ein anderer Ansatz als fürs lineare Fernse-hen. Bei der Produktion für IPTV fällt die Programmplanung weg. Man muss das Programm ledig-lich aufbereiten, auf einen Ser-ver stellen und so verfügbar machen. Es sind hauptsächlich die technischen Prozesse der TV-Produktion wie der Ausspiel-vorgang die sich ändern. Einzelne Beiträge statt ganze Sendung: Für unser Programm RTL Travel spalten wir die Inhalte der ein-zelnen Sendungen thematisch nach Reisezielen auf. Die ein-zelnen länderspezifischen Clips stellen wir dann über eine Such-funktion zur Verfügung so dass der Zuschauer z. B. einzelne Beiträge über Südafrika aus unterschiedlichen Sendungen sehen kann.
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nächsten springen. Alle Themen darum herum sind für sie uninte-ressant. Diese Funktionalität lässt sich mit Video-on-Demand abbilden. Dabei müssen sie das Angebot eines einzelnen Fern-sehsenders nicht verlassen Bei unserer Produktionsweise muss nicht eine ganze Sendung geplant werden, sondern ledig-lich einzelne Inhalte. Durch den fehlenden Oberbau arbeiten wir in viel kleineren Teams. Diese arbeiten dann lediglich an einem bestimmten Thema und nicht mehr an einer ganzen Sendung. Beim Ausspielen für IPTV entfällt die Automation sowie eine Sen-deliste
für den Abruf, lineares Bewegt-bild, Zusatzdienste oder kombi-nierte Lösungen. z. B. Langfas-sungen für den einen Kanal und Kurzfassungen für einen ande-ren. Das führt von einem Säu-lenmodell, welches immer nur einen Kanal bedient zu einem Matrixmodell mit den Variablen inhaltliche Kompetenz und Ka-nal- bzw. Distributionskompe-tenz.
Betrachtet man die momentane Produktion für IPTV ergeben sich nur sehr wenige Änderungen zur klassischen TV-Produktion. Der größte Unterschied ist der geänderte Ausspielkanal und so ein anderes Playoutverfahren. Es entfallen Sendeliste und Sendeautomation. In der redaktionellen Produktion ergibt sich grundsätzlich ein geänderter Ansatz schon in der Planung. Es werden weniger komplette Sendungen produziert sondern Einzelbeiträge produ-ziert welche dann in Verschiedenen Versionen auf verschiedenen Medien ausgegeben werden können. Die Digitalisierung beeinflusst auch die Organisationsstrukturen welche bisher eher auf das lineare Programm zugeschnitten waren. Die Redaktionen werden sich langfristig um-strukturieren und kleinere Teams bilden die sich weniger mit dem Arrangement einer Sendung kümmern müssen sondern auf einzelne Inhalte konzentrieren können. So kann der Sender den Wünschen der Zuschauer nach themenbezogenem „zapping“ besser gerecht werden und ihn davon hindern den Sender zu wechseln.
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Metadaten auf „Schnipselebene“ (asdtv) Genau gepflegte Meta-daten bilden den Grundstein für ein gutes Archiv und für eine spätere nützliche Verwendung des Materials. Wir sind damit zwar weiter als manch anderer aber trotzdem noch am Anfang
(zdf) Wenn man den Anspruch hat, dass eingespieltes Material wieder auf verschiedenen Platt-formen ausgespielt wird stellt das ganz andere Anforderungen. Man benötigt dann so etwas wie ein zentrales Materialmanage-ment für den gesamten Workflow. Das beginnt bei einer Unique-ID, die auf Schnipsel-Ebene durch den ganzen Pro-zess hindurch erhalten bleiben muss. Dies ist nötig um die Rechtessituation und die Inhalte an jeder Stelle zu prüfen und um Redundanzen zu vermeiden. Eine Archivierung reicht, mit der verschiedene Instanzen ver-knüpft werden können. Heute haben wir viele dieser Funktio-nen noch nicht und sind nicht darauf vorbereitet: z. B. können wir in unseren Programmdaten nicht feststellen was Erstsen-dung und was Wiederholung ist. Das sind zwei Datensätze. Im bisherigen Hauptkanal haben sich viele Informationen aus dem Kontext ergeben.
(rtl) Mit Metadaten wird es einfa-cher Inhalte auf anderen Platt-formen – auch für IPTV- wieder zu verwenden. Wir überlegen gerade welches System wir für die Metadaten verwenden wer-den. Doch die Verknüpfung mit dem Datenbankmanagement und Dingen wie Kundendaten werden eine Herausforderung.
Genau gepflegte Metadaten sind wichtig für eine spätere Ausgabe auf unterschiedlichen Sys-temen. Um Redundanzen zu vermeiden und den Überblick über die rechtliche Verwendungssi-tuation nicht zu verlieren sind Metadaten schon für einzelne „Filmschnipsel“auf Ebene von Schnitten und Kameraeinstellungen nötig. Massenpersonalisierung und Kundenprofile (asdtv) Der Kunde ist König und muss auch als solcher behandelt werden. Eine genaue Kenntnis des Kunden ist für eine weitere Geschäftsbeziehung entschei-dend.
(zdf) Wir als öffentlich-rechtlicher Sender werden nicht mit Kun-denprofilen arbeiten. Alle ande-ren Anbieter sollten das tun.
(rtl) Momentan in der „linearen Welt“ wissen wir nur wenig über unsere Kunden. Es ist von äu-ßerster Wichtigkeit dass wir in Zukunft die individuellen Kunden besser kennen lernen und eine feste Kundenbeziehung aufbau-en.
In Zukunft spielt die genaue Kenntnis der Kundeninteressen und der Aufbau einer intensiven Kundenbeziehung eine immer größere Rolle
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RTL Nederland John de Jong
Interaktionsmechanismen (asdtv) Es besteht zwar durch IPTV die Möglichkeit die Benut-zer besser einzubinden, aber ob diese auch eingebunden werden wollen und diese Systeme nut-zen ist fraglich. Interaktionsme-chanismen müssen individuell auf das jeweilige Angebot ange-passt werden. Bietet man dem Benutzer Aus-wahlmöglichkeiten ist das oft mit höheren Kosten verbunden, da jede Wahlmöglichkeit in der Pro-duktion berücksichtigt werden muss. Diese Auswahlmöglichkei-ten sind nur dann sinnvoll, wenn diese auch vom Kunden ge-wünscht sind und refinanziert werden. Beteiligung der Zuschauer an der Programmgestaltung Ein Fernsehsender wird sich nicht darauf einlassen, dass die Zuschauer mitbestimmen was im Programm läuft. Die Programm-gestaltung wird nach wie vor als Kernkompetenz der Fernseh-sender gesehen und man ist lediglich bereit den Zuschauern einzelne Auswahlmöglichkeiten zwischen Alternativen zu geben
(zdf) Bisher fehlen Verknüpfun-gen zwischen Bewegtbild und den internetbasierten Zusatzin-formationen. Der Zuschauer soll das Programm anhalten können und bevor er weiter sieht diese Zusatzinformationen auf Knopf-druck bekommen. Dazu muss das Fernsehprogramm „wissen“ dass es ein Begleitprogramm hat.
(rtl) Customer-Relationship-Management wird in Zukunft wichtig sein, doch wir haben noch keine klaren Vorstellungen wie das aussehen wird.
Interaktionsmechanismen müssen an die jeweilige Anwendung angepasst werden. Dafür müs-sen entsprechende Verknüpfungen zwischen Inhalten und den zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten und Begleitenden Informationen geschaffen werden. Eine echte Interaktivi-tät im Sinne eines Eingriffs in das Programm selbst ist aufgrund der hohen Produktionskosten eher fraglich.
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Anforderungen an ein ideales IPTV Produktionssystem (asdtv) Eine einfache Handha-bung, eine schnelle Leitung und Sicherheit sind von der Produ-zentenseite aus gesehen wün-schenswert. - Sicherheit: Wird z. B. durch redundante Systeme gewährleis-tet. - Einfache Handhabung: Sowohl All-in-One Lösung als auch Sys-teme bei denen einzelne Kom-ponenten integriert werden ha-ben Vorteile und Nachteile. Es kommt immer darauf an wer damit arbeiten muss und ob entsprechende Teilsysteme schon vorhanden sind. Wichtig ist, dass es ein benutzerfreundli-ches System ist bei dem alle Funktionen aus einer Oberfläche heraus bedient werden können. Die einzelnen Systeme sollten miteinander kommunizieren können und über entsprechende Schnittstellen verfügen. Die Sys-teme sollten einfach und simpel zu bedienen sein.
(zdf) Zurzeit existieren parallel und völlig getrennt Redaktions-systeme die für Fernsehprozes-se optimiert sind und Content-Management-Systeme fürs In-ternet. Das zu verbinden ist eine Herausforderung. Es gibt einen Konflikt zwischen dem Zwang zur Standardisie-rung um bezahlbare Software produzieren zu können und der Tatsache dass die einzelnen Fernsehsender unterschiedlich sind und man nie schaffen wird eine Standardlösung zu schaffen die überall funktioniert. Es kann praktisch kein Anbieter mehr alles abdecken. Es muss entwe-der ein Integrator gesucht wer-den, oder es müssen eigene Kompetenzen dafür aufgebaut werden.
In unseren Augen ergeben sich für ein IPTV Produktionssystem die selben Anforderungen wie für die Produktion von linearem Content.
Ein ideales IPTV-Produktionssystem muss die gleichen Basis-Funktionalitäten bieten wie die Systeme welche bereits die Workflows fürs lineare Programm abbilden. Dabei müssen sie si-cher sein, schnell und so einfach in der Handhabung, dass sich die Redakteure auf einer ein-heitlichen Oberfläche bewegen können. Zukünftige Systeme sollen die Funktionalitäten der TV-Redaktionssysteme mit denen moderner Internet-Content-Management-Systemen verbinden. Sie müssen so standardisiert sein, dass sie für die Sender erschwinglich sind, und gleichzeitig genügend Schnittstellen aufweisen um sie an die individuellen Installationen der verschiede-nen Fernsehsender anzupassen. Identifikation der Endgeräte (asdtv) Inhalte müssen interes-sant sein und zum Medium pas-sen. Man ist sich noch unsicher welche Inhalte für welche Me-dien geeignet sind. So ist z. B. eine Fußballübertragung auf dem Handy nicht besonders sinnvoll. Die Endgeräte müssen einfach zu bedienen sein
(zdf) Die Distribution sollte er-kennen können, ob es das Be-gleitprogramm zum Bewegtbild auch auf dem Endgerät darge-stellt werden kann. Für einen großen Flachbildschirm oder ein mobiles Endgerät ergeben sich ganz andere Nutzungsmöglich-keiten. Der Nutzungskontext sollte erkannt werden und die Verwendungsmöglichkeiten in einem zentralen Inhaltsverzeich-nis abgelegt sein.
Endgeräte sollen zukünftig besser integriert werden. Durch Identifikation der Endgeräte könn-ten Nutzungsrelevante Inhalte passgenau angeboten werden.
VIII Erklärung
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe angefertigt und alle Abschnitte, die wörtlich oder annähernd wört-
lich aus einer Veröffentlichung entnommen sind, als solche kenntlich gemacht habe,
ferner, dass die Arbeit noch nicht veröffentlicht und auch keiner anderen Prüfungs-
behörde vorgelegt worden ist.
Nürnberg, den 13. Mai 2008
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Bastian Binder