IT Magazin atFERCHAU 2015/01

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DAS IT-MAGAZIN VON FERCHAU ENGINEERING < atFERCHAU #14 > <06> < DEEP WEB > Abtauchen in den dunklen Seiten des Webs <18> CYBERCOPS // Wie Digitalforensiker ermitteln <30> DIAMANTEN AUS DER MIKROWELLE // Der Stoff für neue Prozessoren

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D A S I T - M A G A Z I N V O N F E R C H A U E N G I N E E R I N G

<atFERCHAU #14>

<06 >

< DEEP WEB >

Abtauchen in den dunklen Seiten des Webs

<18> CYBERCOPS // Wie Digitalforensiker ermitteln

<30> DIAMANTEN AUS DER MIKROWELLE // Der Stoff für neue Prozessoren

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<02>

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impressum ihr weg zu uns

atFERCHAU

Ausgabe 01 | 2015

Auflage: 22.000

7. Jahrgang

Das richtige TimingLiebe Leserinnen, liebe Leser,

heutzutage ist keine Branche mehr vor dem Einfluss der IT »sicher«. Die Digitalisierung

sorgt für Disruption, das haben beispielsweise die Taxifahrer durch die App »Uber«

zu spüren bekommen. IT-gestützte Veränderungen dringen von Jahr zu Jahr tiefer in

Produktion, Produkte und Dienstleistungen etablierter Firmen ein: Antriebsstränge

übertragen Informationen an das Smartphone des Fahrers, Gasturbinen werden aus

einem anderen Kontinent heraus überwacht, und Maschinen passen sich selbständig

an Änderungen im Produktionsablauf an.

Viele Experten sprechen von »Industrie 4.0«, der vierten industriellen Revolution,

die kaum jemanden kaltlässt. Das Schlagwort sei allenfalls geeignet, um Handlungs-

druck aufzubauen und Geld für Investitionen lockerzumachen, warnen Kritiker. Schließ-

lich arbeite die Industrie schon seit Jahren vernetzt und digital – alter Wein in neuen

Schläuchen, Evolution statt Revolution. Andere wiederum argumentieren, dass hinter

Industrie 4.0 mehr stehe als ein informationstechnisches Update – die Entwicklung

führe uns direkt von einer produktzentrierten in eine serviceorientierte Wirtschaft mit

neuen Chancen und Geschäftsmodellen.

Wir wollen Sie mit einer Gegenüberstellung von »Revolution und Evolution«

im Heft dabei unterstützen, die eigene Meinung auf den Prüfstand zu stellen. Klar

ist in jedem Fall: IT ist und bleibt ein Zugpferd. Einer Studie des Branchenverbands

BITKOM zufolge sind in der Branche 953.000 Menschen beschäftigt, so viele wie nie

zuvor. Damit ist sie der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Deutschland, knapp

hinter dem Maschinenbau. FERCHAU trägt dem Trend und der Nachfrage Rechnung:

2017 haben wir mindestens 1.700 IT-Experten im Team.

Auch für unsere Kunden setzt die Digitalisierung in erster Linie neue Investitionen

voraus, die ein wirtschaftliches Risiko darstellen. Abwarten ist hingegen riskant, da die

Gefahr droht, von neuen Konkurrenten überholt und an den Rand gedrängt zu werden.

Entscheidend ist der beste Zeitpunkt, um das Thema Industrie 4.0 anzupacken. Mit

erfahrenen Fachkräften von FERCHAU gelingt es, sich rechtzeitig für den passenden

Moment der Digitalisierung zu wappnen – bei überschaubaren Investitionen und Risiken.

Gutes Timing ist immer eine Frage des unternehmerischen Geschicks, und es gibt

keine App, die uns diese Arbeit abnimmt.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

HERAUSGEBERFERCHAU

Engineering GmbH

Steinmüllerallee 2

51643 Gummersbach

Fon +49 2261 3006-0

Fax +49 2261 3006-99

[email protected]

ferchau.de

CHEFREDAKTION

(V. I. S. D. P.)

Martina Gebhardt

REDAKTIONSTEAMDirk Cornelius

Wibke Kötter

Kerstin Kraft

Patrick Mytanz

Dietmar Schönherr

Christoph Sedlmeir

GESTALTUNGMatthias Müller

Fon +49 211 63559150

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D A S I T - M A G A Z I N V O N F E R C H A U E N G I N E E R I N G

<atFERCHAU #14>

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CEBIT 2015: WILLKOMMEN

IN DER D!CONOMY

»Digitale Transformation« lautet das Motto der CeBIT 2015. FERCHAU nimmt Kunden, Bewerber und Mitarbeiter mit auf den Weg in die digitale Welt.

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< v o i c e s >

GOLDENES ZEITALTER

FÜR INGENIEURE

Warum die Stunde der Innovation häufi g nachts schlägt, erläutert Innovations-philosoph und Ex-IBM-Distinguished Engineer Gunter Dueck im Gespräch.

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< i n s i d e / e v e n t s >

GEWINNSPIEL

HMI 2015: KARRIERE UND

PERSPEKTIVEN

Die vernetzte Industrie ist Leitthema der Hannover Messe Industrie 2015. Mechanik, IT und Vernetzung ver-schmelzen. Welche Job-Skills benötigt werden, erleben Sie bei FERCHAU.

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< n u m b e r s >

< p r o j e c t s >

< c o v e r >

DAS DUNKLE WEB IN ZAHLEN

Was auf der Schattenseite desInternets los ist.

TECHNIK FÜR POWER-

VOLLE WEBSITES

Bei Smarthouse entwickelt FERCHAU Internet-Anwendungen nach Maß.

DIE MENSCHENKENNER

Wer Formulare, Apps und Portale gestaltet, sollte viel von menschlichem Verhalten verstehen. Bei Form-Solutions in Karlsruhe ist das ein Grundprinzip.

DARK WEB UND BITCOINSDer Handel auf anonymen Marktplätzen im verschlüsselten Internet boomt – trotz rabiater Strafverfolgung.

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< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >

WAS IST DRAN AN DER VIERTEN

INDUSTRIELLEN REVOLUTION?

Industrie 4.0: Für die einen ist es das nächste große Ding. Für die anderen ein Marketing-Buzzword. Eine Gegenüberstellung.

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SHERLOCK CYBERCOPWenn Straftaten auf Computern oder im Internet begangen werden, ist das ein Fall für Digitalforensiker.

VOM VERTEILER ZUR COMMUNITY

Die Kommunikation in Unternehmen kann nur schwer mit aktuellen Anforderungen mithalten. Sind soziale Netze die Alternative?

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MASCHINEN MIT SEELE

Steampunk ist Retro und Moderne in einem – eine alternative Mischung aus Hightech und Dampfmaschine.

HÄRTE 10 IM RECHNERAn der Uni Duisburg-Essen wird an dem passenden Prozessormaterial geforscht: Diamanten.

DIGITALE NOMADEN

Moderne Tools machen das Arbeiten von überall zu jeder Zeit möglich.

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BAUM DER ERKENNTNIS

Wie hoch ist dein Nerd-Faktor?16

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DIE DATENMENGE DES

DEEP WEB SOLL ETWA

400- BIS 550-MAL GRÖSSER SEIN ALS DIE DES SURFACE-WEB.

1

Quellen: torproject.org, Wikipedia, thehiddenwiki.org, bitcoin.de

1A20KV36Y1616Z987BL162368795ZDIE IDENTITÄT EINES GESCHÄFTSPARTNERS IST AUF HIDDEN MARKETS NICHT ZU ERMITTELN, MAN SIEHT NUR ADRESSEN, DIE AUS 27 – 34 ALPHANUMERISCHEN ZEICHEN BESTEHEN UND MIT 1 ODER 3 BEGINNEN:

AUF DEM HIDDEN MARKET SILK ROAD GAB ES BIS ZU

USER

TÄGL

ICH.

DAS WAR 2013. MAN KANN DAVON AUSGEHEN, DASS ES HEUTE MEHR SIND.

60.000WELTWEIT AKZEPTIEREN MEHR ALS

75.000 FIRMEN BITCOINS. VOR EINEM JAHR WAREN ES NOCH

8.000.

1 Nach einer Studie der Firma BrightPlanet. Da BrightPlanet mit

DQM2 eine kommerzielle Suchhilfe anbietet, ist die (möglicherweise überschätzte)

Größenangabe mit Vorsicht zu genießen.

WEBSEITEN AUS DEM DEEP WEB HABEN DURCHSCHNITTLICH

ALS WEBSEITEN AUS DEM SURFACE-WEB.

MEHR ZUGRIFFE PRO MONAT50 %

<05>< n u m b e r s >

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Der Datenverkehr im verschlüsselten

Internet boomt – trotz rabiater

Strafverfolgung. Eine Expedition auf die dunkle

Seite des Netzes.

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 D as FBI ließ sich nicht lumpen. Mitte No-

vember 2014 fuhren etliche Einsatzwa-

gen vor dem Haus des 26-Jährigen in

San Francisco vor. Dutzende Polizisten

schlichen sich an, stürmten die Wohnung.

Während die einen den Verdächtigen

überwältigten und zu Boden drückten, rannten die anderen

zu seinem Computer – in Angst, dieser könnte nicht mehr

entsperrt werden, sobald er geschlossen wäre. Das war es

dann mit »Defcon«. Das ist der Nom de Guerre von Blake B.

Wahrscheinlich war er der Betreiber des geheimen Netz-

Handelsplatzes Silk Road 2.0. 150.000 User tummelten

sich da, jeden Tag gingen mehrere Tausend Deals über den

Tisch: Dinge wie alte Computerprogramme, Comic-Samm-

lungen oder IT-Krempel, Dinge aus der rechtlichen Grau-

zone wie Radarfallenwarner oder Geräte zum Abhören von

Polizeifunk. Aber eben auch alles, was man etwa auf Ama-

zon nicht kaufen kann, weil es illegal ist.

An jeder Transaktion verdiente der Administrator

Blake B. mit. Wie viel, wird im Prozess geklärt werden. B. ist

eines dieser typisch kalifornischen Gewächse: groß gewor-

den im Internet und blitzgescheit. Zuletzt arbeitete er bei

dem Raumfahrtunternehmen SpaceX. Typisch kalifornisch

auch seine Konsumgewohnheiten: B. kaufte sich ein Elek-

troauto der Marke Tesla – und leistete die 70.000 Dollar An-

zahlung in der elektronischen Internetwährung Bitcoin.

B. wusste, dass der Staat einen Marktplatz, der nicht

zu überwachen ist, nicht dulden kann und wird. Jahrelang

agierte er vorsichtig, verwischte seine Spuren, so gut es

ging. Doch irgendwann wurde er nachlässig. Er ahnte

nicht, dass der Kapuzenpulli-Typ, der genauso locker-

kalifornisch daherkam wie er und ihm die Mitarbeit an ↘

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Silk Road 2.0 anbot, in Wirklichkeit

ein Lockvogel des FBI war. Noch am

Tag seiner Verhaftung wurde Blake B.

dem Haftrichter vorgeführt. Für die

ihm vorgeworfenen Vergehen kann

er lebenslänglich ins Gefängnis kom-

men. Experten rechnen damit, dass die

Staatsanwälte alles daransetzen wer-

den, dieses Strafmaß auszuschöpfen.

Denn nichts ließ die Verfolgungsbehör-

den in den letzten Jahren so blöd ausse-

hen wie die wild wuchernden Schwarz-

märkte im Darknet.

DAS SCHATTENREICHDas »Darknet« oder auch »Deep Web« ist

das, wovor sich alle fürchten, denen das

Internet in seiner Unübersichtlichkeit so-

wieso schon suspekt ist. Dabei wird der

Begriff unsauber gebraucht. Deshalb eine

kleine Einführung: Suchmaschinen wie

Google können nur einen kleinen Teil des

Internets durchstöbern – Schätzungen

zufolge zwischen einem Viertel und einem

Fünftel. Beim Rest handelt es sich um

Seiten, zu denen man nur unter be-

stimmten Voraussetzungen Zugang hat.

Zum Beispiel solche, die nicht mit einem

Index versehen sind – dann finden nur

jene diese Seiten, die deren genaue

Adressen kennen. Dabei handelt es sich

meist um unspektakuläre Datenbanken.

Eine Stufe geheimer sind die ver-

schlüsselten oder zugangsbeschränk-

ten Seiten – etwa die riesigen Daten-

sätze von Unternehmen oder von Orga-

nisationen wie der NASA. Aber auch

Google speichert seine geheimen Algo-

rithmen im Netz, so gut geschützt, dass

selbst Meisterhacker sich daran die

Zähne ausbeißen.

Im Fokus der Aufmerksamkeit vie-

ler Ermittlungsbehörden ist der Teil

des Internets, den man über den soge-

nannten Tor-Browser betreten kann:

Von jedermann leicht zu installieren,

zerlegt er die Netz-Kommunikation in

viele kleine Pakete und schickt diese

über etliche Knotenpunkte um die Welt

– was anscheinend nicht zu überwachen

ist. Das Web im Tor-Modus hat mit den

bunten und freundlichen Seiten, an die

wir uns gewöhnt haben, nichts zu tun: Es

sieht aus und ist so langsam wie Yahoo

im Jahre 1995. Google hilft hier nicht

weiter, auch gibt es statt griffiger URLs

kryptische Adresszeilen. Tor macht kei-

nen Spaß, man surft nicht einfach so

herum. Man muss genau wissen, was

man möchte und wo man es bekommt.

Das Tor-Netzwerk ist so etwas wie

ein Internet im Flüstermodus, wo sich

verschiedene Arten von Nutzern finden

lassen. Zum Beispiel all jene, die tatsäch-

lich verfolgt werden und darum nicht of-

fen kommunizieren können. Hochgradig

verschlüsselte Mailprogramme wie

»Bitmessage« sind alles andere als be-

quem zu bedienen – sind aber auch nicht

abhörbar. Dissidenten in Syrien, Iran

und China verständigen sich darüber,

das »Independent Media Center« will

kritische Berichterstattung zur aktuel-

len Politik zur Verfügung stellen. Über

»Secure Drop« können Journalisten mit

ihren Informanten sicher in Kontakt tre-

ten. Die wohl wichtigste Seite dieser Art

ist »WikiLeaks«, die ebenfalls über das

Tor-Netzwerk angesteuert werden kann.

Die Seiten mit den meisten Aufrufen sind

Filesharing-Pages, auf denen Daten ge-

tauscht werden, legale wie illegale.

Und dann sind da noch die gehei-

men Marktplätze. Um im Deep Web zu

shoppen, braucht man Bitcoins. Die

Netzwährung erlaubt einen weitge-

hend anonymisierten Zahlungsverkehr.

Das Geld wechselt von einer digitalen

Geldbörse, einem Wallet, in die andere,

und es ist so gut wie unmöglich, die-

sen Geldbörsen Personen zuzuordnen.

Ein netzbasierter Markt, bei dem ver-

botene Güter gehandelt werden oder

die Handeltreibenden nicht erkannt

werden wollen, entstand deshalb, weil

alle Marktteilnehmer sicher sein konn-

ten, nicht über Kreditkartennummern

identifiziert zu werden. Der erste Black

Market im Darknet war Silk Road 1.0,

das im Jahr 2011 online ging. Innerhalb

weniger Monate schossen die User-

Zahlen in die Zehntausende.

Aktuell scheinen Bitcoins jedoch

nicht nur für anonyme Geschäfte inter-

essant zu sein. Gerade die günstigen

Transaktionskosten und die Geschwin-

digkeit machen das Zahlungsmittel für

Einzelhändler immer interessanter.

Bekannte Akzeptanzstellen, deren Zahl

rapide steigt, sind unter anderem das

Reiseportal Expedia oder Wikipedia,

auch Ebay denkt über Bitcoins als zu-

lässiges Zahlungsmittel nach.

RADIKALE MARKTWIRTSCHAFTNun könnte man denken, den Marktbe-

treibern im Darknet ginge es nur ums

Geld. Das ist sicher auch der Fall – und

doch steckt mehr dahinter. Die Vorden-

ker des Darknets, beispielsweise der

Silk-Road-1.0-Betreiber Ross Ulbricht,

verstehen sich als libertär, als radikale

Marktwirtschaftler. Sie beziehen sich

Zentrales Element ist die tiefe Skepsis gegenüber dem

abhörenden, bevormundenden, besteuernden,

verbietenden, aber auch umsorgenden Staat.

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etwa auf den Ökonomen Murray

Rothbard, einen Vertreter der radikal-

liberalen »Österreichischen Schule der

Nationalökonomie«. Er war, wie viele

andere Ökonomen, der Ansicht, dass

der Staat Menschen nicht einschränken

dürfe. Und dass zu ihrer Freiheit eben

auch das Recht gehöre, Handel zu trei-

ben, mit wem und mit welchen Gütern

sie wollten – solange dabei kein Dritter

geschädigt werde.

Zentrales Element ist die tiefe Skep-

sis gegenüber dem abhörenden, bevor-

mundenden, besteuernden, verbieten-

den, aber auch umsorgenden Staat.

Demgegenüber setzen die Vertreter

des Darknets auf die spontane, quasi

natürliche Handelsgemeinschaft, auf

den kleinen Markt, der nur von Angebot

und Nachfrage geregelt wird und nicht

von staatlich sanktionierten Größen wie

Zöllen, Geldmengen oder Leitzinsen ge-

prägt ist. Hier ist schwer zu unterschei-

den, wo und wann gesunde Skepsis in

krankhafte Paranoia, freies Denken in

fahrlässige Geheimnistuerei umschlägt.

THE EMPIRE STRIKES BACKMan braucht nicht viel Phantasie, um sich

vorzustellen, dass dieser Staat mit allen

Mitteln gegen die Hidden Marketplaces

und deren Architekten und Betreiber vor-

geht. So forderten die demokratischen

US-Senatoren Charles Schumer und Joe

Manchin die Verfolgungsbehörden schon

vor Jahren auf, Silk Road zu schließen

und auch gleich die Bitcoins zu verbie-

ten – was geneigte Richter sicher getan

hätten, wenn es denn technisch möglich

gewesen wäre. Wie vorher Blake B.,

ging auch Ross Ulbricht im letzten Fe-

bruar dem FBI ins Netz, ebenfalls über

einen Lockvogel.

Das alles erklärt, wieso die Betreiber

von Darknet-Märkten so gar nicht er-

picht darauf sind, ans Licht der Öffent-

lichkeit zu treten. Einer, der sich selbst

Mr. Peace nennt, wagt es trotzdem. Er

meldet sich mit einer Mail-Adresse, die

aus etwa 30 Ziffern und Zahlen besteht.

»Schauen Sie sich meine E-Mail an. Die

habe ich extra für Sie entworfen. Es ist

sinnlos, mir Fragen nach meiner Person

zu stellen.« Der Anonymus ist einer der

Initiatoren des »Outlaw Market«, des

einzigen Markts, der auf Deutsch be-

trieben wird. Ob er damit reich wird,

verrät er nicht, ihm gehe es vor allem

um Politik. Wofür Outlaw steht: »Eigen-

verantwortung, freie Marktwirtschaft,

Aufklärung. Wir sind frei und lassen uns

von niemandem was sagen!«

Alle Arten von Geschäften dürfen

über Outlaw laufen. Die Seite ist be-

dacht auf äußerste Transparenz – soweit

das unter anonymen Marktteilnehmern

möglich ist. Käufer und Verkäufer haben

die Möglichkeit, sich zu bewerten, Admi-

nistratoren schlichten in Streitfällen.

KATZ UND MAUSDie Schwarzmärkte machen das Katz-

und-Maus-Spiel im Netz deutlich. Es

stehen sich zwei technisch hochge-

rüstete Seiten gegenüber – wobei die

Marktbetreiber, kalifornische Hacker

und Digital Natives wie Ross Ulbricht

und Blake B., bisher immer die Nase vor-

ne hatten. Das könnte sich ändern. Der

New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara

verkündete angesichts der Verhaftung

von Blake B. stolz: »Wir werden sooft es

notwendig ist zurückkommen, um diese

schädlichen kriminellen Online-Basare

abzuschalten. Wir werden nicht müde.«

Auch gibt es in der Szene schon länger

Gerüchte, dass das Tor-Netz gehackt

sein könnte. Das FBI hält sich dazu be-

deckt. Anonymus lässt sich davon nicht

beeindrucken: »90 Prozent der polizei-

lichen Erfolge kommen daher, dass sie

einen schnappen und der singt dann.

Bei Outlaw kann das nicht passieren.

Die Administratoren kommunizieren

ausnahmslos verschlüsselt miteinan-

der und kennen sich nicht. Alles andere

wäre unprofessionell.«

Noch erinnert die Darknet-Szene

an das mythologische Ungetüm Hydra:

Für jeden Kopf, der abgeschlagen wird,

wachsen mehrere Häupter nach. Woran

das liegt? Zu viele Leute haben von der

verbotenen Frucht gekostet. Die Nach-

frage nach Hidden Marketplaces wird

nicht verschwinden. Und damit auch

nicht das Angebot. Das ist das Gesetz

des Markts. //

BITCOIN

Auf Hidden Markets zahlt man mit der

Internet-Währung Bitcoin. Die Netz-

währung wird zunehmend auch von

knapp 6.000 legalen Stellen akzep-

tiert – vom Online-Händler bis hin zu

Coffee-Shops (Stand: 11/2014). Das

Geld wechselt von einem Wallet, einer

digitalen Geldbörse, in ein anderes,

was in der Regel innerhalb von fünf

Minuten geschieht. Die Identität des

Geschäftspartners ist dabei nicht zu

ermitteln, man sieht nur Adressen, die

aus 27 – 34 alphanumerischen Zeichen

bestehen und mit 1 oder 3 beginnen.

TOR-BROWSER

Der Tor-Browser erlaubt anonymes

Surfen. Der Name steht für »The Onion

Routing« – was daher rührt, dass die

Kommunikation in kleine Teile zerlegt

wird, die dann, wie in Zwiebelschichten,

einzeln verschickt und am Ziel

wieder zusammengesetzt werden.

Im Tor-Modus kommt man ins Dark

oder Deep Web.

DEEP-WEB-SUCHMASCHINEN 

» WorldWideScience

» DeepDyve

» ScienceResearch

» Biznar

» DuckDuckGo

Zu viele Leute haben von der

verbotenen Frucht gekostet.

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Smarthouse: Technologie für powervolle Websites

WEBENTWICKLUNG FÜR DIE FINANZBRANCHE

NACH MASS

Experte für datenbasierte Funktionen: Diplominformatiker Stefan Geiger,IT-Consultant von FERCHAU Karlsruhe

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Page 11: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Durch die Verwendung eines eigenen CMS (Content-Management-System)

ist die Smarthouse Media GmbH in der Lage, Webauftritte und -applikationen

auch mit umfangreichen Wertpapierinformationen sehr schnell und

professionell umzusetzen. Diplominformatiker Stefan Geiger, IT-Consultant

von FERCHAU Karlsruhe, erläutert, wie Kunden und Entwickler von dem

innovativen Ansatz profi tieren.

1991 stellte Tim Berners-Lee, Erfi nder des WWW, seine erste Website online. Was sind, mehr als 20 Jahre nach der Erfi ndung, die Herausforderungen bei der Entwick-lung von Webanwendungen?

Zu den Kunden von Smarthouse ge-

hören größtenteils international agierende

Banken, Online-Broker, Medien-Portale,

Fondsgesellschaften und Finanzdienst-

leister. Hier in Karlsruhe entstehen sehr

kundenspezifische Websites und Finanz-

applikationen, auf die zum Teil 50 Millio-

nen User pro Monat zugreifen. Die großen

Herausforderungen liegen also in drei Be-

reichen: zunächst einmal Anwendungen

zu entwickeln, welche die Belange der

Kunden exakt erfüllen, die hochperfor-

mant, rund um die Uhr verfügbar und dar-

über hinaus sicher sind. Zweitens müssen

wir in der Lage sein, die Vorgaben der Kun-

den innerhalb kürzester Zeit umzusetzen

und ihnen eine Anwendung an die Hand zu

geben, die sie selbst gut pflegen können.

Der dritte Bereich ist die zentrale Verwal-

tung aller statischen und dynamischen In-

formationen des Kunden zur internen und

externen Weitergabe über alle Medien.

Für die Webentwicklung haben sich eine Reihe von Content-Management-Systemen etabliert. Vielen Unternehmen reichen diese »Lösungen von der Stange«. Reicht das auch Banken? Für eine Vielzahl von Homepages und

Anwendungen mag das genügen. Smart-

house geht allerdings einen Schritt weiter

und bietet eine außergewöhnliche, inno-

vative Architektur eines Enterprise-Con-

tent-Management-Systems (ECMS) an,

das quasi zwei Systeme in einem vereint

und damit den Spagat zwischen individu-

eller Lösung und Standardkomponenten

meistert.

Können Sie das bitte genauer erklären?Das Framework ist hoch skalierbar,

für große Nutzerzahlen ausgelegt und

läuft auf eigenen Serverlandschaften. Es

umfasst Mehrsprachigkeit und stellt eine

Vielzahl von Importschnittstellen bereit,

die Kunden später selber ändern können.

Die Interfaces sind nötig, um unterneh-

mensinterne Daten zu importieren, etwa

Derivate oder andere Finanzprodukte, um

eigene Video- oder Bilddateien und exter-

ne Informationsquellen wie Börsenticker

zu integrieren. Versuchen Sie das mal mit

einem System von der Stange.

Was genau verstehen Sie unter zwei Systemen in einem?

Man kann sich das wie ein CMS inner-

halb eines CMS vorstellen. Ein »großes«,

das außen herum läuft, und ein integrier-

tes für die definierten Controls. Basis

für diese Entkopplung ist die Technolo-

gie »Model View Controller System«

(MVCS) von Microsoft, welche die Mög-

lichkeit bietet, innerhalb eines Frame-

works unterschiedliche Datenschichten

zu abstrahieren. Smarthouse hat damit

die Entwicklung der Frontend-Controls

vollständig von der Entwicklung der Per-

formance des Systems und der Hinter-

grund-Funktionen entzerrt.

Worin bestehen die Vorteile dieser Architektur?

Vorteile hat das für uns Entwickler

und für den Kunden gleichermaßen. Wir

können Projekte binnen kurzer Projekt-

laufzeiten umsetzen. Als Frontend-Ent-

wickler muss ich mich dank der Trennung

um serverseitige Themen wie Lastver-

teilung und Performance-Management

nicht kümmern. Die Abstraktion der Da-

ten ist in der Datenbank gekapselt, wo-

durch ein Modell entsteht, das die Daten

auf der Website nur abbildet. Für das

Frontend ergibt sich der Vorteil, eigene

User-Controls nach User-Vorgaben an-

zufertigen. Auch der Kunde profitiert von

der Architektur: Er kann beispielsweise

seine Inhalte per Drag and drop beliebig

auf seinen Seiten platzieren.

Was genau ist Ihre Aufgabe bei Smarthouse?

Ich bin in ein Team eingebunden, das

eine Webapplikation für das Derivatege-

schäft einer italienischen Großbank ent-

wickelt. Meine Arbeit ist sehr abwechs-

lungsreich, das kommt mir als Generalist

entgegen. In der ersten Phase des Pro-

jekts stand die Entwicklung der auf der

Website sichtbaren Controls im Vorder-

grund. Damit erhält der Kunde bereits

vor dem Going-live der Website einen ↘

<11>< p r o j e c t s >

Page 12: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Tim Berners-Lee gilt als Vater des World

Wide Web. Am 12. März 1989 schlug

er seinem Arbeitgeber, dem Schweizer

Forschungszentrum CERN, ein Projekt

vor, das auf dem Prinzip des Hypertexts

beruhte und den weltweiten Austausch

sowie die Aktualisierung von Informationen

zwischen Wissenschaftlern vereinfachen

sollte. HTML war geboren. 1993 wurde das

Internet für die Öff entlichkeit freigegeben.

Die Zahl der Websites weltweit beläuft sich

auf rund eine Milliarde (Stand: Ende 2014).

Laut Angaben des Info-Portals Statista

laufen 37 Prozent der Websites auf dem

Apache Server, gefolgt von IIS von Microsoft

(33 Prozent), Nginx mit 15 Prozent und

GWS von Google mit rund zwei Prozent.

Der Rest verteilt sich auf eine Vielzahl

anderer Server-Typen.

Die erste Website:

bit.ly/19uEIk0

GESCHICHTE DER WEBENTWICKLUNG

über smarthouse

Die Smarthouse Media GmbH ist ein weltweit

tätiger, führender Full-Service-Anbieter für

Online-Finanzapplikationen. Das Unterneh-

men aus Karlsruhe ist ein Tochterunternehmen

der Axel Springer SE und vereint Kompetenzen

in Beratung, Kreation und Technologie – es

unterstützt seine Kunden bei Provider- und

Datenmanagement sowie bei Konzeption,

Gestaltung, Erstellung,Weiterentwicklung

und Hosting innovativer Online-Lösungen.

// smarthouse.de

mehr informationen

RALF BRAUNSenior Account Manager IT

FERCHAU Karlsruhe

[email protected]

ferchau.de/go/karlsruhe

Visual Studio 2013, SQL Server 2010, AngularJS, HTML, CSS

methoden und tools

ersten Eindruck, wie sich die Site »an-

fühlt«. Inzwischen arbeite ich hauptsäch-

lich an datenbasierten Funktionen, etwa

dem Export der Daten in Excel oder der

Filterung der Daten nach verschiedenen

Kriterien auf der Website.

Sie sprachen eingangs innovative Tech-nologien an, die Smarthouse einsetzt – welche sind das?

Neben der ausgefeilten Architektur

sind das beispielsweise JavaScript-ba-

sierte Frameworks wie »AngularJS«, ein

Open-Source-Framework von Google,

mit dem man in HTML und JavaScript

Webanwendungen erstellen kann. Dar-

über erfolgt ebenfalls die asynchrone

Datenanbindung. Der Vorteil: Wenn der

User einen Button drückt, wird nichts

neu geladen, sondern direkt vom Ser-

ver angefordert. Die Seite wird neu ge-

filtert, um Postbacks zu vermeiden, und

die Produktlisten lassen sich perfor-

mant anbinden, so dass sie zur Laufzeit

ständig aktuell ist. Ganz grundsätzlich

gefällt mir bei Smarthouse, dass keine

Technologien und Tools ausgeschlossen

werden, nur weil sie neu sind. Das ist für

mich Innovation pur.

Sie arbeiten in einem Team, das über meh-rere Standorte in Deutschland verteilt ist. Wie organisieren Sie die Zusammenarbeit?

Wir nutzen die ganze Bandbreite der

Kooperationsmöglichkeiten: von persön-

lichen Meetings mit dem Team in Karls-

ruhe über Videokonferenzen bis hin zu

Telefonbesprechungen vom Homeoffice

aus. Unsere Projektvorgehensweise ist

eine Mischung aus der agilen, iterativen

Methodik Scrum und dem linearen Was-

serfallmodell. Diese Mischung aus in-

tensivem Dialog bei Scrum und der Mög-

lichkeit, sich ganz in Ruhe in Themen zu

vertiefen, ist aus meiner Sicht ideal.

Herr Geiger, vielen Dank für das Gespräch. //

»Innovation pur ist, wenn man keine Techno-logien und Tools ausschließt, nur weil sie neu sind«, Diplominformatiker Stefan Geiger, IT-Consultant von FERCHAU Karlsruhe

1993

2014

Freigabe des Internetsfür die Öff entlichkeit

Zahl der Websites weltweit:rund eine Milliarde

1989Tim Berners-Lee entwickelte HTML

<html>

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Page 13: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Form-Solutions: intelligente Formulare

DIE MENSCHENKENNERWer Formulare, Apps und Portale für knapp 81 Millionen Anwender

entwickelt, sollte vor allem viel von menschlichem Verhalten verstehen.

Bei Form-Solutions in Karlsruhe ist das das Grundprinzip, um behördliche

Kundenformulare und Hosting-Lösungen anzubieten.

Daniel Putsch: Diplominformatiker mit den Schwerpunkten »Kognitive Systeme« und »Anthropomatik«

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Page 14: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

 H aben Sie vor kurzem ein

Auto angemeldet oder

stillgelegt? Möchten Sie

heiraten oder wollen Sie

sich gerade scheiden

lassen? Sind Sie inner-

halb der letzten Jahre umgezogen? Zahlen

Sie Steuern? Wenn Sie auch nur eine der

Fragen mit »Ja« beantworten, sollten Sie

jetzt weiterlesen. Denn mit hoher Wahr-

scheinlichkeit haben Sie Formulare oder

Anträge ausgefüllt, die fast jeden be-

hördlichen Akt begleiten. Heute geht das

schon vielfach recht bequem per Internet-

Zugang oder via App.

Über 3.300 Formulare und Apps nebst

Online-Assistenten hat Form-Solutions

e. K. mittlerweile entwickelt. Die Karlsru-

her Softwareschmiede hat ein E-Govern-

ment-Framework auf dem Markt etabliert,

das über 1.700 behördliche Kunden einset-

zen. Außer dass Online-PDF-Formulare

und intelligente HTML-Ausfüllassistenten

mit umfangreichen Funktionen für ein bür-

gerorientiertes Antragsmanagement be-

reitgestellt werden, stehen den Behörden

zahlreiche Schnittstellen zur Verfügung.

So können elektronische Formulare auch

direkt bezahlt und digital unterschrieben

werden. Der Vorteil: Eingereichte Daten

lassen sich direkt an das entsprechende

Fachverfahren innerhalb der Verwaltung

übermitteln und dort verarbeiten.

Nun hat behördlicher Papierkrieg nicht

unbedingt den Ruf, benutzerfreundlich zu

sein. »Von der Wiege bis zur Bahre: For-

mulare, Formulare!«, unkt der Volksmund.

Die größten Hürden: Form und Formulie-

rungen. Was muss ich ausfüllen, was der

Sachbearbeiter oder Berater? Wozu sind

diese unterschiedlichen Kästen und Num-

mern da? Habe ich alles richtig gemacht?

Form-Solutions tritt mit seinen Lö-

sungen den Gegenbeweis an und greift

dazu auf Kenntnisse über das Verhalten

von Menschen zurück. Ein Gebiet, auf dem

Diplominformatiker Daniel Putsch zu

Hause ist. Der 29-jährige IT-Consultant

von FERCHAU Karlsruhe verstärkt das

Entwicklerteam von Form-Solutions und

bringt durch seine Studienschwerpunkte

»Kognitive Systeme« und »Anthropoma-

tik« ideale Voraussetzungen mit.

»Anthropomatik« ist ein von Karlsruher

Professoren entwickeltes Kunstwort, das

sich aus »Anthropologie« (die Wissenschaft

vom Menschen) und »Mathematik« zusam-

mensetzt. Wie kann man Systeme, An-

wendungen oder Prozesse so gestalten,

dass sie für den Menschen einen Vorteil

bringen? »Was ist dabei Aufgabe des Men-

schen, was die Aufgabe der Maschine,

und wie kombiniert man beides so, dass

ein Optimum für die Bedienung heraus-

kommt?«, lautet die Fragestellung von

Daniel Putsch. Das Ziel dieser Wissen-

schaft ist gleichzeitig seine Aufgabe.

Formulare, die auf diese Art entste-

hen, sind aktuell und für den Bürger so

aufbereitet, dass nur die für ihn relevanten

Felder angezeigt werden. Den Rest macht

»die Maschine«, schmunzelt Putsch. Oder

der Sachbearbeiter in der Behörde. Schon

bei der Menüführung achtet das Team

darauf, dass nur wenige Eingaben nötig

sind beziehungsweise zusammengehö-

rige in einem Schritt erfolgen. Beamten-

deutsch übersetzen, hilfreiche Beispiele

und Zusatzinformationen einblenden sind

weitere Gestaltungsmerkmale.

Im Tagesgeschäft von Daniel Putsch

»ist Vielfalt angesagt«. Das reicht von

Absprachen mit dem Vertrieb über die

Unterstützung des Content-Bereichs, um

neue Regeln für die Formularassistenten

in Java zu entwickeln, bis hin zur Gestal-

tung von Schnittstellen mit abschließen-

den Tests. »Formulare müssen perma-

nent aktualisiert werden, und sie sind

vielfältig«, führt IT-Experte Putsch aus.

Gesetzliche Rahmenbedingungen sind

dabei ein Treiber. Anforderungen, die der

Vertrieb von den behördlichen Kunden

mitbringt, ein weiterer. »Gemeinden ha-

ben ihre eigenen Abläufe und bieten bei-

spielsweise je nach Region oder Formu-

lar unterschiedliche Bezahlverfahren an.

Die müssen integriert werden«. Putsch

und seine Kollegen analysieren die Work-

flows und legen fest, welche Teile der

bestehenden Lösungen zu ergänzen oder

neu zu entwickeln sind. Mit »Metaform«

hat Form-Solutions ferner eine Lösung im

Portfolio, mit der sich Gemeinden Formu-

lare selbst gestalten können.

Im 21. Jahrhundert ist auch der Fort-

schritt in puncto E-Government eine Trieb-

feder für Projekte: So entstand bei den

Karlsruhern im Herbst des vergangenen

Jahres ein eigenes Portal »i-Kfz«, worüber

Fahrzeughalter seit Januar 2015 ihr Fahr-

zeug via Internet stilllegen können. »Unser

Team erstellte die komplexe Anwendung in-

klusive der medienbruchfreien Anbindung

an das Kraftfahrt-Bundesamt«, beschreibt

Putsch. Bürger authentifizieren sich mit

ihrem neuen Personalausweis, dessen

»Was ist Aufgabe des Menschen,

was die Aufgabe der Maschine,

und wie kombiniert man beides so,

dass ein Optimum für die Bedienung

herauskommt?«

Antizipiert das Verhalten der Nutzer und entwickelt menschengerechte Systeme:

Daniel Putsch, IT-Consultant von FERCHAU

< p r o j e c t s ><14>

Page 15: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Lesegerätanbindung er mitentwickelt hat.

Bequem bezahlen lässt sich über die inte-

grierten Bezahlverfahren S-Internetkasse,

ELBe, PayPal oder andere nach Absprache.

»Ein schlankes Formular, um mit we-

nigen Schritten zum Ziel zu kommen«

lautet der Anspruch von Form-Solutions.

Um dem gerecht zu werden, nimmt An-

thropomatiker Putsch immer auch die per-

sönliche Perspektive ein: »Ich antizipiere

das Verhalten der Nutzer, versuche es zu

verstehen und entwickle gemeinsam mit

meinen Kollegen schlüssige Konzepte.«

Bei knapp 81 Millionen Anwendern sicher

ein Job mit Zukunft. //

weitblick

IT im E-Government Bund, Länder und Kommunen gaben

laut Branchenverband BITKOM 2013 rund

20 Milliarden Euro für IT aus. Mit Abstand

am meisten Geld zahlt die öffentliche

Hand für IT-Dienstleistungen, also für

Beratung, Implementierung und Service:

rund 9,4 Milliarden Euro. Die öff entliche

Verwaltung steht für rund ein Fünftel des

Business-Marktes in der ITK-Branche.

Was ist Anthropomatik? Ziel dieses Forschungsgebiets ist die

Erforschung und Entwicklung menschen-

gerechter Systeme mit Mitteln der

Informatik. Voraussetzung dafür ist ein

grundlegendes Verständnis des Men-

schen, seiner Anatomie, seiner Motorik,

seiner Wahrnehmung und Informations-

verarbeitung sowie seines Verhaltens.

Entwicklungs-/Scriptsprache: Java, JavaScript, PHP, HTML/CSS

Tools: Eclipse (Entwicklungsumgebung),

Git (Sourcecodeverwaltung), Gradle

(Build-Management-Automatisierungs-

Tool), Jenkins (kontinuierliche Integration

in Softwareprojekten), Agilefant

(agiles Projekt- und Produktmanagement

zur Pfl ege von Anforderungen/Bugs),

JBoss AS 7 (Applikationsserver)

Datenbanken: MySQL (relationale Datenbank),

MongoDB (dokumentenbasierte Datenbank)

Frameworks: JUnit, Spring Framework, Wicket,

Thymeleaf

Entwicklungsmethodik: Scrum (agiler Softwareentwicklungs-

prozess)

methoden und tools

Form-Solutions e. K. wurde im Jahr 2000

von Matthias Eisenblätter gegründet und hat

seinen Sitz in Karlsruhe. Das Unternehmen

bietet über 1.700 Kunden in Deutschland ein

E-Government-Framework, mit dem sich

das Formular-Management optimieren lässt.

// form-solutions.de

über form-solutions

mehr informationen

KERSTIN KRAFTBusiness Manager IT

FERCHAU Karlsruhe

ferchau.de/go/karlsruhe

[email protected]

<15>< p r o j e c t s >

Page 16: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Baum der Erkenntnis

BIN ICH EIN NERD?

ARBEITEST DU OFT VON UNTERWEGS?

WO MACHST DUDIR NOTIZEN? Ja

Ja

Ja

Ja

JaNein

Nein

Nein

Nein Ja

Nein

Nein

Nein

BIST DU IM BESITZ EINES SOLAR- LADEGERÄTS?

TABLET

WIE OFT ISTDEIN AKKU LEER?

NOTIZBUCH HANDINNENFLÄCHE

STÄNDIG NIE

TÜFTELST DU HEIMLICH AM NEUEN NAPSTER/

FACEBOOK/WINDOWS?

WUNDERST DU DICH MANCHMAL, WER DIESER

JAY PECK AUF DEINENFOTOS IST?

RUFEN FREUNDE DICH AN, WENN SIE EIN PROBLEM

MIT »COMPUTERN« HABEN?

KENNST DU DIE TELEFONNUMMER DES

PIZZALIEFERANTEN AUSWENDIG?

Dein Nerd-Faktor

ist gleich null!

DU HAST EIN PROBLEM MIT DER FIREWALL.WAS MACHST DU?

2

112 WÄHLEN NEUSTART

BIST DU ETWASOFTWAREENTWICKLER?

SEI BITTEEHRLICH!

WAS IST DAS?

HAST DU KENNTNISSE IN C, C++

UND LINUX?

Dein Nerd-Faktor

ist gleich null!

< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><16>

Page 17: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Inhalt: Heike Kottmann, München

Wie alt ist dein Smartphone?

1–12 MONATE

Ja

Ja

Ja

Ja

Nein

Ja Nein

Nein

Nein

ÄLTER ALS EIN JAHR

ÄLTER ALS DREI JAHRE?

GEHST DU DAMITINS INTERNET?

WIE VIELE APPS NUTZT DU

IM ALLTAG?

Du bistkein Nerd.

Du siehst bloß so aus!Glück-

wunsch! Du bist ein echter

Nerd!

WAS MACHST DU AM WOCHENENDE LIEBER? TV ZAPPEN

FREUNDE TREFFEN

COUNTER-STRIKE ZOCKEN

20

267

TRAGT IHR T-SHIRTS MIT SPRÜCHEN, DIE KEINER

AUSSER EUCH VERSTEHT?

HAST DU EIN FAIBLE FÜR SCIENCE-FICTION?

WELCHE IST DEINELIEBLINGSSENDUNG?

BREAKINGBAD

THESIMPSONS

INFORMATIKBWL

KLAR!

GAME OFTHRONES

WAS HASTDU STUDIERT?

TRÄGST DUEINE BRILLE MIT

DICKEM RAHMEN?

< b r a n c h e n g e f l ü s t e r > <17>

Page 18: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Erhielt 2014 den Sächsischen Lehrpreis: Prof. Dr. Dirk Labudde,

Forensiker und Bio-Informatiker

Datendiebstahl und illegale Geldtransfers – Cybercrime

ist ein weites Feld. Wenn Straftaten auf Computern

oder im Internet begangen werden, ist das ein Fall

für Digitalforensiker. Inzwischen gibt es

auch Studiengänge für das

Berufsbild.

WIE DIGITAL- FORENSIKER ERMITTELN

Die Cybercops

< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><18>

Page 19: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

 Im September 2014 war die Klatschpresse in heller

Aufregung: Celebritys waren massenweise private

Fotos gestohlen und diese waren sekundenschnell

im Netz verbreitet worden – doch eigentlich kann

so etwas jedem passieren, der einen Cloud-

Service nutzt. Im Januar 2014 wurde bekannt,

dass Millionen E-Mail-Adressen samt Passwörtern gestohlen

wurden – wer hat heute keine E-Mail mehr? In solchen Fällen

werden Digitalforensiker gebraucht. Diese Kriminologen sind

auf den Tatort Cyberspace spezialisiert, sie arbeiten bei der

Polizei, der Steuerfahndung oder bei Zollbehörden. Sie verfol-

gen jene Spuren bis zur Quelle, die ein Verbrechen auf digi-

talen Geräten oder im Internet hinterlässt. Und sie sichern

mögliche Beweismittel so, dass sie gerichtstauglich sind. Im

Beispiel der entwendeten Fotos: Digitalforensiker prüfen, ob es

in dem Cloud-Dienst eine Lücke gab, und sie können anhand

von störenden Pixeln – dem Bildrauschen – feststellen, ob die

geleakten Aufnahmen überhaupt echt sind.

Wo lohnt sich die Suche?Helmut Sauro, Senior Consultant bei der Datenrettungsfir-

ma Kroll Ontrack in Böblingen, und seine Kollegen im forensi-

schen Labor haben es oft mit dem Verdacht auf Datendiebstahl

in Unternehmen zu tun. Die Computer-Fachmänner bestimmen

dann zunächst, wo sich die Suche nach Indizien lohnt – auf

bestimmten Laptops, Servern oder Festplatten. Danach gilt es,

alle dort liegenden Daten zu kopieren. Bit für Bit. Auch die nicht

aktiv belegten Bereiche einer Festplatte, denn »dort schwirren

teilweise überschriebene oder gelöschte Daten umher«, sagt

Sauro. Die Original-Festplatte kann nach erfolgreicher Kopie

am Ort verbleiben.

Bei der Datensicherung wird jeder Schritt samt techni-

schen Details protokolliert, um eine lückenlose Beweiskette zu

gewährleisten. »Denn wenn ein >rauchender Colt< gefunden

wird – eine relevante E-Mail zum Beispiel –, muss man schlüssig

zeigen können, wer zu welchem Zeitpunkt vor Ort war und die

Arbeit durchgeführt hat«, sagt Sauro. Über die forensische

Kopie wird zudem ein digitaler Fingerabdruck gelegt, damit

die Daten nicht nachträglich manipuliert werden können. Das

Ergebnis der forensischen Analyse erhält der Auftraggeber.

Wühlen im digitalen MüllManchmal kommt es auch vor, dass Computer-Forensiker

verdeckt arbeiten und nachts ausrücken, etwa dann, wenn ein

mutmaßlicher Täter noch für das Unternehmen arbeitet. Das

kann eine Herausforderung sein, denn viele Mitarbeiter haben

Laptops. »Uns ist es schon passiert, dass wir vor Ort waren, und

es war kein Rechner da«, sagt Sauro.

Die Computer-Forensiker wissen, was ein Computer so alles

über seine Nutzer verrät: Auf der forensischen Kopie prüfen sie

die Dateizugriffe; sie untersuchen den Browser-Verlauf; sie sehen

in den Log-Files nach, ob und wann externe Geräte wie etwa ein

USB-Stick angeschlossen wurden. Besondere Aufmerksamkeit

schenken die Forensiker dabei dem nicht vom Betriebssystem

verwalteten Bereich einer Festplatte. Sauro vergleicht ihn mit

einer Tonne im Hof: Solange die Müllabfuhr noch nicht da war,

lässt sich im Abfall nach Beweisstücken suchen. »Einiges ist

bestimmt bereits angefault oder gar zersetzt, und dann wird es

schwierig«, sagt er, »doch auch Fragmente können auf etwas

hindeuten. Wir erstellen dann eine Indizienkette, um noch Nach-

weise zu führen.«

Computer-Forensiker sind darauf spezialisiert, gelöschte

Daten wiederherzustellen. Denn die werden nicht vollständig

beseitigt. Außer sie werden professionell überschrieben. »Aber

wenn ich eine Festplatte professionell überschreibe, ist das ja

schon ein Indiz, dass ich etwas verbergen will«, sagt Sauro.

Verlorene Daten zurückholenMittlerweile werden Computer-Forensiker auch umfassend

ausgebildet. »Es geht den Tätern nicht mehr nur um Materiel-

les – sie wollen an Ihre Identität«, sagt Prof. Dr. Dirk Labudde,

der den Bachelor-Studiengang Allgemeine und Digitale Foren-

sik verantwortet. Auch das Bundeskriminalamt hebt in seinem

jüngsten Cybercrime-Bericht den Identitätsdiebstahl hervor. In

Mittweida stehen deshalb Hacking, soziale Netzwerke, Video-

analyse und die digitale Gesichtsrekonstruktion auf dem Lehr-

plan – die Studenten üben praxisnah anhand von Aufgaben wie

»Prüfen Sie die Echtheit dieses Fotos« oder »Stellen Sie fest, ob

die Person auf diesen zwei Pässen dieselbe ist«.

Außerdem helfen die wissenschaftlichen Mitarbeiter in Mitt-

weida dabei, echte Fälle zu lösen. »Wir haben hier zwei Terabyte an

zu untersuchenden Daten vorliegen«, sagt Labudde. Gerade bear-

beiten sie ein Handy, das im Zusammenhang mit einem Verdacht

auf Drogenhandel beschlagnahmt wurde. Rund 40.000 SMS haben

die Forensiker schon automatisch ausgewertet – etwa 30 davon

halten sie für beweiskräftig. Der Studiengang orientiert sich am

Locard‘schen Prinzip. Es besagt, dass jeder Täter unweigerlich

eine Spur hinterlässt – auch auf einem Rechner, auch im Netz.

Ein rechtsfreier Raum ist der Cyberspace also keines-

wegs. Selbst wenn sich ein Nutzer seinen Rechner mit Malware

infiziert, die ihm eine Straftat unterjubeln will, gibt es immer

noch die Möglichkeit, anhand des Browser-Verlaufs festzustel-

len, wann der Trojaner eingedrungen ist. Selbst ein gelöschter

Verlauf lässt sich wieder rekonstruieren – außer er wurde schon

etliche Male überschrieben. Das ist eine Gemeinsamkeit, die

die digitalen Verbrechen mit denen in der analogen Welt haben,

sagt Labudde: »Je länger eine Straftat zurückliegt, desto

schwieriger wird die Beweisführung.« / /

WARUM DIGITALFORENSIKER BEVORZUGT

IM »MÜLLEIMER« WÜHLEN.

Interview mit Helmut Sauro von der Datenrettungsfirma

Kroll Ontrack.

ferchau.de/read/it151a

web-special

<19>< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >

Page 20: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

A ls Lead Advisor des

Analystenhauses Experton

Group bin ich davon über-

zeugt, dass Industrie 4.0

extrem wichtig ist für

die deutsche Wirtschaft

im globalen Wettbewerb und dass ICT

(Information & Communication Techno-

logy) dazu wertvolle Bausteine liefert.

Eine Untersuchung der Experton Group

bei mehr als 360 Unternehmen stützt

diese These.

Der wichtigste Grund: Industrie 4.0

ist primär ein wettbewerbsdifferenzie-

render Business-Trend, der die Erfolge

deutscher und westeuropäischer Unter-

nehmen sicherstellen und ausbauen

kann. Deutsche Unternehmen gewinnen

und halten Kunden in Zukunft nicht (nur)

durch herausragende Qualität, Innova-

tion oder gar Preisvorteile, sondern vor

allem durch Alleinstellungsmerkmale

bei kundenorientierter Produktion und

immer mehr durch Serviceinnovatio-

nen. Dabei werden dann anstelle von

»Produkten mit ergänzenden Services«

zunehmend »Services auf Basis von

Produkten« erfolgreich vermarktet.

Spezif ische Gründe, die für Industrie 4.0sprechen:

Die hohe WettbewerbsstärkeAls international führende Industrie-

nation mit enormem Potential auf dem

Gebiet der »Embedded Systems« kann

Deutschland den Wandel zu Industrie

4.0 auf der Produktionsseite aktiv voran-

bringen und begleiten. Die stärkere

Vernetzung von Produkten und Maschi-

nen fördert die Effizienz der in Deutsch-

land produzierenden Unternehmen und

festigt den Erfolg weltweit.

Die f lexible Fertigung

Zeitnahe Reaktionen auf sich immer

schneller verändernde Produktionsbe-

dingungen erfordern Produktionsprozes-

se, die einfach und standortübergreifend

optimiert werden können. Industrie 4.0

kann das leisten.

Eine stark individualisierte ProduktionMit Hilfe von Industrie 4.0 ist die schnelle

Reaktion auf sich kurzfristig ändernde,

individuelle kundenspezifische Anforde-

rungen und Wünsche möglich. Dadurch

kann sogar die Produktion von Einzelstü-

cken und Kleinstmengen rentabel werden.

Innovative GeschäftsmodelleDie intelligenten Objekte sammeln viel-

fältige Daten. Auf deren Basis lassen sich

innovative Services und Angebote entwi-

ckeln. Es entstehen so Anknüpfungspunk-

te für neue Geschäftsmodelle und Dienst-

leistungen.

Neue ArbeitsmodelleProzess- und Arbeitsabläufe lassen sich

genau auf die Möglichkeiten der Beleg-

schaft abstimmen. Zugleich lässt sich

Arbeit damit künftig auch in der Industrie

flexibler gestalten. Das Wort Work-Life-

Balance erhält dadurch eine völlig neue

Bedeutung.

Aus meiner Sicht kommen wir mit

Industrie 4.0 an einen Punkt, an dem

die ICT die Industriegesellschaft massiv

weiterentwickelt. Anders als bei der

dritten industriellen Revolution und zu

Zeiten des Computer-integrated Manu-

facturing (CIM) sind die Basistechnolo-

gien (Netze, CPU-Performance, Mobile

Devices, Storage, …) jetzt so weit, dass

der Einsatz wirtschaftlich sinnvoll wird.

Einen nachhaltigen Wettbewerbsvor-

teil gegenüber den sehr schnell »lernen-

den« Industrien in China oder Indien

kann man nur erzielen, wenn man einige

Dinge »komplett anders« macht. Dazu

gehört auch eine Refokussierung von dem

Produkt selbst hin zu »produktbezoge-

nen Services« (Beispiele: Kompressoren,

Automobile, Landwirtschaft, Logistik). Die

Ausrichtung einer kompletten Firma auf

das Produkt unter Einbeziehung bislang

ausgegrenzter Bereiche in Verbindung

mit der Business-IT sowie die Konver-

genz aus intelligenter und vernetzter

Produktion mit neuen Services

sind dabei das »revolutionäre«

Element.

Zögern und Zaudern ist

angesichts des Standes der

Technik, der Chancen,

aber auch des Wett-

bewerbsdrucks nicht

angesagt. //

Kommentar von Andreas Zilch, Lead Advisor und Vorstand Experton Group AG

Revolution

»Der wichtigste ICT-

Trend in Deutschland«INDUST

< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><20>

Page 21: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

I  n d u s t r i e

4.0 bedeu-

tet Umwäl-

z u n g u n d

Fortschritt.

Keine Frage, dass sich die

Wirtschaft in den kommen-

den Jahren verändert. Durch

die Digitalisierung werden iso-

lierte Produktionsmittel zu einem

»intelligenten« Verbund verknüpft,

bei dem das Ergebnis größer werden

soll als die Summe seiner Teile. Für die

Produktion heißt das: Anlagen steuern

sich selbst, und Werkstücke wissen,

wohin sie transportiert und wozu sie

weiterverarbeitet werden. Die Produkti-

on soll flexibler werden, ohne ihre Effi-

zienz einzubüßen. Und künftig steht der

Service im Mittelpunkt, das Produkt ist

nur noch Mittel zum Zweck.

Statt von einer Revolution spreche

ich allerdings bei Industrie 4.0 lieber

von einer Evolution, denn die deutsche

Wirtschaft hat die Grundlage für den

Wandel in den vergangenen Jahren

stetig ausgebaut. In der klassischen

Automatisierung sprach man von SPS

und Leittechnik – in der neuen Welt

Industrie 4.0 verschmelzen die klassi-

sche IT, die Automatisierungstechnik

und die Fertigungstechnik! Transponder

und Automatisierung gibt es schon sehr

lange – aber die Komplexität der Auto-

matisierung ändert sich.

Was mir beim Thema Industrie 4.0

oft zu kurz kommt, sind die Mitarbeiter.

Es reicht nicht aus, Maschinen zu vernet-

zen, um eine intelligente und automa-

tisierte Produktion zu bekommen. Es

reicht nicht aus, eine Software program-

mieren zu lassen, damit der Laden die

nächsten Jahre läuft. Es reicht nicht aus,

auf Services zu setzen und zu hoffen,

dass die Kunden das Produkt selbst

weiterentwickeln. Wir brauchen künftig

Ingenieure, Entwickler und Techniker,

die über den Tellerrand hinausschauen

können. Wir brauchen Netzwerkexper-

ten, Softwareentwickler, Datenbankarchi-

tekten, Data-Warehouse-Spezialisten,

Big-Data-Analysten, Elektrotechniker,

Automatisierungsexperten und Ferti-

gungstechniker, die gemeinsam eine

Idee zu einer erfolgreichen Innovation

veredeln. »Industrie 4.0 bedeutet nicht,

den Menschen abzuschaffen«, heißt es

beim Branchenverband BITKOM. Viel-

mehr würden künftig Facharbeiter und

Ingenieure mit höheren Qualifikatio-

nen gebraucht, diese müssten stärker

systemisch denken. Das unterschreibe

ich. Die Natur zeigt eindrucksvoll die

Kraft der Evolution: Es ist keine sinnvol-

le Strategie für einen Fisch, an Land zu

springen, wenn er darauf nicht vorbe-

reitet ist. Jeder Unternehmer braucht

daher eine digitale Vision, die ihn die

kommenden Jahre begleitet. Er muss

verstehen, welche Gefahren und Poten-

tiale die Veränderung mit sich bringt,

um rechtzeitig zu reagieren. Er muss

bereit sein, Vorurteile abzulegen und

sich neuen Ansätzen zu öffnen. Er muss

Chancen ergreifen, die sich aus den

disruptiven Veränderungen ergeben.

Andernfalls wird ihn die digitale Welle

vom Markt spülen – egal, ob Revolution

oder Evolution. //

»Kleine Schritte statt

großer Sprünge«

Kommentar von Markus Präßl, Vertriebsleiter Nord-West FERCHAU Engineering GmbH

Evolution

RIE 4.0

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Page 22: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

KOMMUNIKATIONS-KULTUR IST KOPFSACHE

Social Enterprise 2.0 – vom Verteiler zur Community

Die traditionelle Kommunikation in Unternehmen kann nur schwer mit

aktuellen Anforderungen mithalten, E-Mail und Telefon ziehen enge Grenzen

beim Informationsaustausch. Soziale Vernetzung erweitert den Horizont,

doch der Wandel in den Köpfen kostet viel Zeit und Mühe.

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Page 23: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

 Wir schreiben das Jahr 2010. Für das

Kommunikationsmittel E-Mail läuten die

Totenglöckchen: zu viel Spam, zu viel

sinnlose Information, zu viele Viren, zu

unflexibel. Der kanadische Autor Don

Tapscott prägte den Begriff der »Wikino-

mics« – neue Formen der Collaboration wie freiwillige Zusam-

menarbeit, Offenheit, eine Kultur des Teilens sowie globales

Handeln machten die Wirtschaft der Zukunft aus. Dies lasse

sich nur mit sozialen Netzen erreichen, in denen die Men-

schen selbstbestimmt zusammenarbeiten.

Allerdings tun sich viele Unternehmen schwer, den kultu-

rellen Wandel von der asynchronen E-Mail hin zum (inter-)

aktiveren Facebook für Unternehmen einzuleiten – auch wenn

es einige illustre Beispiele wie Continental oder die Otto Group

sowie Argumente dafür gibt: effiziente Abläufe, kurze Prozes-

se, moderne IT-Lösungen. Immerhin nutzen 59 Prozent der

IT-Unternehmen Social Media sowohl für die interne als auch für

die externe Kommunikation, so der Branchenverband BITKOM.

Dabei ist das »Social Enterprise« nur zu einem kleinen Teil eine

Frage der Technik und der rechtlichen Rahmenbedingungen.

»Sie müssen die Holschuld bei Informationen stärker in

die Kommunikationskultur einbinden«, berichtet Winfried Holz,

CEO des IT-Dienstleisters Atos Deutschland. Umdenken sei

gefordert und Mitarbeiter müssten lernen, sich Informationen

aktiv zu besorgen, statt wie bislang auf einen Hinweis im Post-

fach zu warten: »Das ist der entscheidende mentale Schritt in

Richtung Enterprise 2.0.« Atos hat in den vergangenen Jahren

versucht, zumindest die interne Kommunikation weitgehend frei

von E-Mails zu gestalten. Ende 2013 war der Umstieg vollzogen –

nach langen Jahren des Lernens. Ein internes soziales Netz-

werk, Instant Messaging und Dokumenten-Management bilden

nun die Säulen des kollaborativen Arbeitens. Je nach Aufgabe

kommen Funktionen einer anderen Säule zum Zuge. Aus dem

Push-Prinzip der E-Mail, bei dem Informationen in die Postfä-

cher gedrückt werden, muss der Mitarbeiter lernen, sich die

für ihn relevanten Informationen zu besorgen (Pull-Prinzip).

Das ist nicht nur effizienter, sondern fördert auch eine neue

Kommunikationskultur, in der alle Mitarbeiter besser vernetzt

sind – transparent und persönlich.

Auch Lydia Zillmann hat den Wandel begleitet, als Projekt-

leiterin für die Einführung einer Social-Enterprise-Software bei

der Leipziger Unternehmensberatung Contas KG. »Nach einer

strategischen Neuausrichtung wirkte die interne digitale Kom-

munikation plötzlich wie ein Flaschenhals«, erinnert sich Zill-

mann. »E-Mails haben unsere Arbeitsprozesse aufgehalten und

für eine Flut nicht immer relevanter Informationen zum falschen

Zeitpunkt gesorgt.« Dokumentenzentriert, eindimensional und

unübersichtlich: »Mit der heutigen Realität eines Unterneh-

mens, das seine Arbeit in Projekten mit virtuellen und mobilen

Teams leistet, ließ sich das nicht mehr vereinen.« Zudem sollte

das Wissen der Mitarbeiter aufbereitet werden, damit alle Kolle-

gen daran partizipieren können.

Contas startete mit einer Analyse der Geschäftsprozes-

se, fasste ein Team aus Pilotanwendern zusammen und peilte

strategische Ziele an: »Neben der Ausrichtung auf den gesamt-

deutschen Markt waren Mobilität und die personenunabhängige

Entwicklung des Wissens für uns wichtig«, sagt Zillmann. Ging

es in der traditionellen elektronischen Collaboration in erster

Linie um Erreichbarkeit, Kommunikation und Dokumentenver-

waltung, greift Social Business weiter: Neben der Darstellung

der eigenen Identität stehen hier das Beziehungsmanagement

und das Informationsmanagement im Fokus.

Heute bloggen die Berater des Unternehmens in ihrer

eigenen Vertriebs-Community darüber, wie der Kundentermin

gelaufen ist, was der Kunde benötigt und welche Schritte

anstehen. Team-Mitglieder fragen gezielt nach und diskutie-

ren offene Punkte. In einem projektbezogenen Forum lassen

sich weiterführende Informationen der Kollegen zum Thema

abfragen, zusätzliche fachspezifische Hinweise stammen aus

einem Wiki. »Die Kundenstory und der Kontext stehen im Blog,

das Forum ist für die Diskussion, und im Wiki sammelt sich

das extrahierte Wissen«, erläutert Zillmann ihr Informations-

netzwerk, in dem die Kommunikation im Gegensatz zur E-Mail

nicht mehr »eindimensional« ist. Und Mitarbeiter konnten ihre

Impulse und Erfahrungen nach der Pilotphase gezielt einbrin-

gen – »Learning by Doing«.

Klar ist: Der Weg zum Social Enterprise wird kein Sprint.

Barrieren traten vor allem bei der Anwendung der Software auf,

da alte Verhaltensmuster aufgebrochen und neue Vorgehens-

weisen trainiert werden mussten, sagt Zillmann: »Die Einfüh-

rung einer Social Software funktioniert nur, wenn die Mitarbei-

ter das System gerne anwenden und auch den Nutzen spüren.«

Vorbild sind die sozialen Netzwerke wie Facebook – in der priva-

ten Kommunikation ist die E-Mail ohnehin auf dem absteigenden

Ast, wie eine BITKOM-Studie gezeigt hat. //

Forciert Kommunikationskultur, in der alle Mitarbeiter besser vernetzt sind: Winfried Holz, CEO des IT-Dienstleisters Atos Deutschland (links)

Der Weg zum Social Enterprise wird kein Sprint: Lydia Zillmann,Projektleiterin bei der Leipziger Unternehmensberatung Contas KG (rechts)

mehr informationen

BITKOM-Untersuchung zur E-Mail-Nutzungbit.ly/1DuDYXd

Zero-E-Mail bei Atos: das Projektbit.ly/1pXxGJn

Enterprise 2.0: Fallstudiene20cases.org

Umdenken sei gefordert und

Mitarbeiter müssten lernen, sich

Informationen aktiv zu besorgen,

statt wie bislang auf einen Hinweis

im Postfach zu warten.

<23>< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >

Page 24: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Bild: CommonLense.de

< v o i c e s ><24>

Page 25: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Wie hält man es 25 Jahre als autistischer Mathematikprofessor bei IBM im Management aus, Herr Dueck?

Schüchtern war ich – sehr. Damit ist

es eine Last. Zu Beginn habe ich in den

Meetings wie beim Tennis hin und her

geschaut und mich über die andere

Streitkultur gewundert. Ich musste mich

oft zu einem »Darf ich auch mal etwas

sagen?« aufraffen.

Sie waren zu höfl ich für die Rolle eines Industriemanagers?

Nein, zu introvertiert. Ich hatte Furcht,

andere zu verletzen. Die Extrovertierten

sind viel robuster. Die Introvertierten, wie

ich einer bin oder war, haben einen ganz

anderen Benimm-Code als die Extrover-

tierten. Introvertierte unter sich grüßen

nur mit Blicken oder Kopfnicken. Gerade

noch so zart angedeutet, dass es einen

nicht aus den Gedanken wirft.

Oder aus den Träumen. Lautet eine Ihrer Thesen deshalb: »Die Stunde einer Innovation schlägt immer nachts, weil die meisten Unternehmen dann schlafen«?

Ach, die echten guten Ideen hat man

eben nicht gerade nachts, aber irgendwo,

wo der Geist ganz frei ist und schweifen

kann. Das kann bei der Gartenarbeit

sein, auf langen Rolltreppen im Flug-

hafen, beim Warten neben Umkleideka-

binen. Mein wichtiges Ergebnis in der

Mathematik ist mir am Samstag unter

der Dusche eingefallen. Mein Doktor-

vater grübelte schon jahrelang über

etwas, hatte mir gerade wieder einmal

eine mögliche Lösung beim Kaffee

erklärt – ich ging Freitag heim und hatte

am nächsten Morgen vor dem Brötchen-

holen plötzlich eine vollständig neue

Lösung im Kopf. So etwas fällt einem

nicht im Büro ein.

Innovationen sind also nicht planbar?Erfindungen? Nein. Innovationen?

Auch nicht wirklich. Viele denken, dass ei-

ne Erfindung schon die halbe Miete wäre.

Ist sie nicht. Wenn das kreative Neue auf

die alte Welt der Formen und Abläufe,

die bekannten Methoden und planbaren

Geschäftsprozesse trifft, wo es ordent-

lich und perfekt sein muss, kommt es zu

kaum vorhersehbaren Konflikten. Unter-

nehmen, die langfristig erfolgreich sein

wollen, müssen aber ihre Geschäftsmo-

delle immer wieder neu in Frage stellen,

überdenken und auch unangenehme Ent-

scheidungen fällen.

Was wäre denn eine unangenehme Entscheidung?

Unternehmen schrecken fast immer

vor Selbstkannibalisierung zurück, also

vor einem Neugeschäft, welches ihr gu-

tes altes Business verdrängt. Verlage

und E-Books, Glühlampen und LEDs, so

etwas. Da LEDs ja lebenslang in der

Lampe verbaut sind, muss sich ein

Leuchtmittelhersteller (»Ingenieur«) auch

Künstler zulegen, das ist eine Revolution

für die Psyche einer Firma, die auch

schwerfällt. Der Widerstand gegen sol-

che großen Veränderungen ist gewaltig,

so dass Unternehmen dadurch eine Art

Immunsystem gegen Störungen auf-

gebaut haben – und das Kreative und

Innovative ist eben fast immer eine

solche Störung. Deshalb sollten Innova-

toren nicht überrascht sein, wenn sie

mit Neuem fast vorhersagbar im Unter-

nehmen auf Granit beißen. Innovatoren

müssten sich mehr mit der Komplexität

des Bestehenden befassen.

Was verstehen Sie darunter?Die Infrastrukturen wandeln sich

heute sehr stark, es geht nicht allein um

»andere Produkte«. Auch die Arbeitswelt

wird komplexer, das wird ja überall ↘

DEUTSCHLANDS INGENIEUREN STEHT EIN

GOLDENES ZEITALTER BEVOR

Von Duschern, Träumern und Innovatoren

»Die Stunde einer Innovation schlägt immer nachts, weil die meisten

Unternehmen dann schlafen.« »Wir werden nicht zu professionellen Persönlichkeiten

entwickelt und werden nicht auf das Komplexe vorbereitet.« Zwei kühne Thesen

aus dem Repertoire des Innovationsphilosophen und Ex-IBM-Distinguished-Engineer

Gunter Dueck, der im Gespräch mit <atFERCHAU> seine Weltansichten erklärt.

<25>< v o i c e s >

Page 26: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

gefühlt und beklagt, weil das Einfache

schon per Computer erledigt ist oder wird.

Wir gehen nicht immer gleich zum Arzt ...

… oder wenn es zu spät ist.Ich weiß, manchmal sollte man bes-

ser gleich zum Arzt oder Anwalt gehen.

Aber faktisch tun wir das nicht, wir

gehen erst hin, wenn es für uns selbst zu

komplex geworden ist, und dann wollen

wir natürlich sofort den Superexperten.

Da das so ist, steigen die Anforderungen

an jeden Experten. Mittelmäßig geht nicht

mehr gut. Wer also nicht so gut in seinem

Job ist, wird zunehmend Schwierigkeiten

haben. Das meine ich mit Komplexität:

Wenn die Routinefälle wegfallen, bleiben

nur noch die Zweifelsfälle für die echten

Professionals.

Wie bereitet man sich auf Komplexität vor?Das müsste bereits in der Schule

beginnen. Aber in den Lehrplänen für

Mathematik zum Beispiel steckt immer

noch der alte Geist, alle Welt solle Physik

studieren oder Ingenieur werden: Das ist

Mathematik für Minderheiten, denn nicht

jeder muss Integral- oder Differential-

rechnung beherrschen. Ein BWLer braucht

keinen Sinus, Ärzte und Juristen sowieso

nicht. Diesen antiken Lehrstoff muss man

doch in Frage stellen dürfen, wenn man

die Lehrpläne der Zukunft anpassen will.

Was sollte ganz oben auf dem Lehrplan stehen?

Es geht eben nicht mehr nur um die

Hirnkapazität (»Intelligence Quotient«), son-

dern auch um den Umgang mit Menschen

(»Emotional Quotient«). Der ganze Mensch

ist gefordert. Dazu kommen Erfolgswille,

Führungsqualitäten und Durchsetzungs-

stärke, die mehr die »Biologie des Kör-

pers« betreffen. Marketing, Werbung,

Verkaufen, Kunst oder Medien verlangen

die Fähigkeit, Aufmerksamkeit auf sich zu

lenken; Wissenschaft, Entwicklung und

Innovation leben von umtriebiger Neugier

und unternehmender Veränderungsfreu-

de. Heute arbeiten wir eher nur mit dem

»Verstandesteil« des Menschen und sind

noch weit von dessen »Gesamtnutzung«

entfernt.

Was zeichnet professionelle Persönlichkeiten aus?

Typen wie der leider zu früh verstor-

bene Steve Jobs sind professionelle Men-

schen, die Gefühl, Geist, Herz und Ästhe-

tik in einem Paket liefern können. Es geht

aber nicht darum, Apples Produkte zu ko-

pieren, sondern sich vielmehr mit deren

Erschaffensweise, dem »Hervorragen-

den« auseinanderzusetzen. In vielen Un-

ternehmen wird heute mit den falschen

Vokabeln gesprochen wie: »mal den Kun-

den befragen« oder »Feedback einho-

len«. Alles nur Floskeln. Nach wie vor

torpediert die Marketing-Doktrin »Wir

müssen schnell an den Markt und Geld

verdienen!« jegliche Innovationsfreude.

Man muss halt lange ein Gefühl dafür

entwickeln, was das Vortreffliche eines

Produkts oder einer Dienstleistung ist.

Gewinnen wird der, der es in gewisser

Weise schön macht. Und das sind immer

dieselben: Google, Amazon, Apple etc.

Und der Rest der Welt bleibt auf der Strecke?Nein, da bin ich nicht ganz so negativ

eingestellt, Stichwort: Industrie 4.0. Dafür

sind die deutschen Ingenieure prädesti-

niert und offenherzig. Ich kann mir vorstel-

len, dass Deutschland vor einem goldenen

Zeitalter steht, weil das Internet jetzt in

einer Form gebraucht wird, zu der der

Deutsche Lust hat. Die heimlichen Welt-

meister in speziellen Branchen können

plötzlich groß aufspielen. Ich verspüre bei

vielen Engineering-Firmen einen Aufbruch

in die Informatik. Diese beiden Seiten haben

zwar immer noch Berührungsängste, aber

es fehlt letztlich nur noch das gemeinsame

Betriebssystem. In diesen Bereichen sind

die Deutschen wahnsinnig innovativ; da

ist noch eine Menge zu erwarten.

Die Marke »Made in Germany« zieht wieder?Ja, das glaube ich. Die USA sind eine

Consumer-Nation, deren gesamtes Brutto-

sozialprodukt vom Konsum abhängt. In

Deutschland ist es der Maschinenbau.

Jedes Land hat sein spezielles Fachgebiet,

in dem es gut ist. Wir Deutschen mögen

kein Talent für so etwas wie »Google«

haben, aber eben für Industrie 4.0 allemal.

In diesem Sinne verlangt die kommende

Zeit ganz heftig nach etwas, was in unseren

Genen steckt und auch nur sehr schwer zu

kopieren ist. Wir haben halt kein Google

erfunden, na und? Dennoch wünschte ich

mir, dass auch deutsche Unternehmen so

groß, weitsichtig und strategisch vorgin-

gen, wie wir es bei Google sehen können.

Die nächsten großen Innovationen kommen von Google?

Genau. Die bauen gerade einen Pa-

ketdienst nach, testen den bestimmt bald

mit Selbstfahrautos und Paketübergabe-

robotern. Google ist außerdem am Fahr-

dienst »Uber« beteiligt. Ist doch klar,

worauf diese Strategie hinausläuft: Uber

wird bald mit selbstfahrenden Taxis

betrieben. Solche Megaprojekte wünsche

ich mir auch von deutschen Unterneh-

men. Also, deutsche Ingenieure, ab ins

Bad zur Innovationsdusche!

Vielen Dank für das Gespräch. //

»Ach, die echten guten Ideen hat man eben nicht gerade nachts,

aber irgendwo, wo der Geist ganz frei ist und schweifen kann.«

Gunter Dueck, Jahrgang 1951, war nach

seiner Habilitation 1981 fünf Jahre Pro-

fessor für Mathematik an der Universität

Bielefeld. 1987 wechselte er an das wissen-

schaftliche Zentrum der IBM in Heidelberg.

Dort gründete er unter anderem eine große

Arbeitsgruppe zur Lösung industrieller Op-

timierungsprobleme und war maßgeblich

am Aufbau des Data-Warehouse-Service-

Geschäfts der IBM Deutschland beteiligt.

Seit August 2011 ist er als weltanschaulich-

philosophischer Redner und Autor im

aktiven Unruhestand.

über gunter dueck

omnisophie.com

link

< v o i c e s ><26>

Page 27: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

»Steampunk« nennt sich die

gesellschaftliche Bewegung, deren Mitglieder

eine alternative Welt bevölkern: Es geht um

Dampf, um Maschinen und um eine Haltung, die

Auswüchse der modernen Gestaltung ablehnt.

Steampunk entwirft eine Welt, in der »Phantasie«

nicht mit »F« geschrieben wird.

<27>< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >

Page 28: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

 Glatt, gebürstet und

genormt? Moderne

Geräte – allen voran

Tablets und Smart-

phones – weisen kaum

noch Ecken und Kan-

ten auf, ein einziger verbliebener Knopf

gilt als das Mantra kontemporären De-

signs: Die Form ist austauschbar, und

statt der Seele des einzelnen Geräts

zählt einzig der Markenname. Kein Wun-

der, dass sich auch Widerstand gegen

diese Ausprägung der Ästhetik regt:

Das Genre des »Steampunk« bietet eine

alternative Mischung aus Knöpfen und

Rädchen, aus Holz und Messing, aus

Elektronik und Mechanik, aus Hightech

und Dampfmaschine.

Steampunk steht für Mode, Life-

style, Literatur, Film und Artefakte, die

einer Art »Parallelwelt« entsprungen

sein könnten, in der die Stromlinienform

noch nicht erfunden war: Kapitän Nemo

und Dr. Frankenstein treffen Queen Vic-

toria in einem stählernen Zeppelin. Da-

mals waren Dampf und Mechanik »State

of the Art«, heute sind es Smartphone-

Apps. »Retro-Futurismus« lautet der

entscheidende Begriff, und der Sprung

zurück führt direkt in die zweite Hälfte

des 19. Jahrhunderts sowie zur Frage:

»Wie würde wohl ein dampfbetriebener

Computer aussehen?« Zur damaligen

Zeit gingen Innovationen nicht von glo-

balen Konzernen aus, sondern von Er-

findern – das macht Steampunk heute so

interessant für Tüftler, Bastler und Indi-

vidualisten. Die deutsche Szene umfasst

grob geschätzt rund 5.000 Menschen,

von denen allerdings nur ein kleiner Teil

künstlerisch Hand an die Technik anlegt.

Alexander Schlesier ist so ein

»Steampunker«, zumindest in seiner

Freizeit: Beruflich arbeitet er als CAD-Mo-

delleur und Designer für ein Unternehmen

aus dem Automotive-Bereich in Ingolstadt.

Nebenberuflich ist er Künstler für Steam-

punk-Artwork. »Das Genre bietet mir die

einzigartige Möglichkeit, meine Phan-

tasie auszuleben und meine Kreativität

zu materialisieren«, sagt Schlesier, der

über Gothic-Festivals auf die Bewegung

aufmerksam wurde. In erster Linie gehe

es ihm ums Schaffen, Grübeln, Tüfteln und

Computer-Arbeitsplatz bestehend aus Tastatur, Bildschirm,

Maus, Webcam, Plasma-Röhren, Beleuchtung, einer

Nixie-Röhren-Uhr und diversen Gadgets. Handarbeit aus

Eisen, Stahl, Holz, Messing, Glas und Leder.

< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><28>

Page 29: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Website von Alexander Schlesiersteampunker.de

Steampunker Jake von Slatt aus den USAsteampunkworkshop.com

Steampunk meets PColdtimecomputer.com

Online-Magazin zum Thema Steampunkclockworker.de

Auf unserer Homepage stellen wir aus-

gesuchte Objekte des Steampunk-Künst-

lers Alexander Schlesier im Detail vor.

ferchau.de/read/it151b

web-special

mehr informationenums Lösen von technischen oder gestal-

terischen Problemen. »Bauen hat für mich

etwas Meditatives, und da ich primär keine

kommerziellen Interessen verfolge, bin

ich völlig frei in meinen Entwürfen.«

Gelernt hat er das Handwerk von der

Pike auf: »Ich bin ein Kind des Ostens und

habe mir Spielsachen selbst gebastelt,

war viel draußen und auf Schrottplätzen

unterwegs.« Neugier trieb ihn dazu, alles

auseinanderzubauen und die Funktions-

weise zu ergründen. »Heute versuche

ich, mich möglichst mit Dingen zu um-

geben, die eine Seele haben, die hand-

gefertigt wurden, in denen Liebe und au-

thentische Materialien stecken.« In der

Haltung steckt auch Kritik an Dingen des

modernen Alltags, an der Konsum- und

an der Wegwerfgesellschaft. Alles sei

austauschbar, sagt Schlesier, und kaum

etwas habe mehr einen individuellen Cha-

rakter. »Der Gedanke der Reparatur, der

Qualitätsanspruch und die Handwerks-

kunst gehen verloren, weil der Wert von

Ideen, Kreativität und Arbeit schwindet.«

In den vergangenen Jahren hat der

Steampunk-Künstler Hunderte Geräte

gebaut, von der Pistole für Geisterjäger

über Zeitmaschinen für das Handgelenk,

Sichthilfen und Lampen bis zu einem

Computer einschließlich der passenden

Maus. Teils handelt es sich um Requisi-

ten für Foto- und Filmaufnahmen, teils

funktionieren die Geräte tadellos. Eines

seiner nächsten größeren Ziele ist ein

Steampunk-Auto, für das er auf der Su-

che nach Projektpartnern ist.

Wer einen einfacheren Start in das

Thema bevorzugt und sich nicht am Löt-

kolben die Finger verbrennen will, sollte

die »LEGO Master Builder Academy« be-

suchen. Hier gibt es für 80 Dollar ein Set,

mit dem man sich typische Geräte der

Steampunk-Ära bauen kann: Dampfflug-

zeuge und Zeitmaschinen sind immer ein

guter Anfang. Für Alexander Schlesier

ist das allerdings ein Paradoxon: »Bei

aller Liebe zu LEGO – Kunststoff und uni-

forme Steine passen einfach nicht in die

Welt von Steampunk.« //

Oben links: Voll funktionsfähige Funkmaus, bestehend aus alten Messingteilen. Unten links: USB-Sticks aus aufgesägten CO2-Patronen mit verschie-

denen feinmechanischen Elementen und LED-Beleuchtung. Oben rechts: Eine Uhr aus Nixie-Röhren. Die sehen zwar aus wie Steampunk, sind aber

aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Unten rechts: Herren-Armbanduhr aus Metall, Messing und altem Leder. Mit mechanischem

Handaufzugswerk und abnehmbarer Lupe. Bilder: Alexander Schlesier

<29>< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >

Page 30: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

PROZESSOR AUS DER MIKROWELLE

Bringen Diamanten Quantencomputer zum Funkeln?

Die nächste IT-Revolution beginnt mit dem Quantencomputer:

Er arbeitet schneller und sicherer als bisherige Systeme. Doch welches Material

schaff t es, die Quantenbits zu speichern und zu verarbeiten? Die Hoff nung liegt

auf Diamanten – die man in der Mikrowelle herstellt.

< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><30>

Page 31: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

r ist hart und rein, einfach brillant. Er ist unzer-

brechlich und unvergänglich. Er funkelt in allen

Farben. Er ist das Symbol für ewige Liebe, ein

Stein der Begierde: der Diamant. »Er ist emotio-

nal aufgeladen«, sagt der Physiker Nicolas Wöhrl.

Auch der nüchterne Wissenschaftler ist dem Edel-

stein verfallen.

Wöhrl, 40, arbeitet als Materialwissenschaftler am Zen-

trum für Nanoenergietechnik der Universität Duisburg-Essen.

Er analysiert die Materialien nicht nur, sondern stellt sie

auch her. Seit mehr als einem Jahrzehnt widmet er seine For-

schungszeit insbesondere dem Diamanten, dem »Weltmeister

unter den Materialien«, weil er härter ist

als alle anderen, chemisch resistent,

biokompatibel und wärmeleitend.

Eigenschaften, die einen Physiker

schwach werden lassen. Wöhrl

kennt seinen Liebling bis aufs kleins-

te Nanoteilchen und prophezeit ihm eine

glorreiche Zukunft. Der Diamant werde

aus der Romantikernische auf die Bühne des

Weltgeschehens treten: Er könnte die nächste

IT-Revolution bedingen. Sie beginnt mit dem Quan-

tencomputer.

Das klassische Rechnersystem sei nahezu ausge-

reizt. Wöhrl ist überzeugt: Das Moore´sche Gesetz, nach dem

sich die Leistung von Computern alle zwei Jahre verdoppelt,

stoße etwa im Jahr 2020 an seine Grenzen. Die Informations-

technologie muss, um leistungsfähigere Rechner zu entwickeln,

neue Wege beschreiten, beispielsweise mit dem Quantencom-

puter. Er arbeitet schneller und sicherer als bisherige Systeme.

Während Bits, die kleinste Recheneinheit klassischer Computer,

nur den Wert 1 oder 0 annehmen, kann ein Quantenbit beides

gleichzeitig sein und Werte dazwischen annehmen. Das erhöht

die Leistung gigantisch, insbesondere wenn parallele Rechen-

schritte nötig sind.

Doch die Forscher stehen vor einem Problem: Welches Ma-

terial schafft es, die Quantenbits, die Informationseinheiten, zu

speichern und zu verarbeiten? Quantenbits erhalten ihre wert-

vollen Quantenzustände nur, wenn sie ungestört von äußeren

Einflüssen arbeiten; keine Vibration, kein elektromagnetisches

Feld, keine Temperaturänderung darf sie stören. Das Arbeiten

mit Quantencomputern gelang Forschern bislang nur unter

extremen Bedingungen: in Magnetfeldern und bei tiefen Tempe-

raturen. Eine Technik, die auf keinen Schreibtisch passt. Deswe-

gen sucht man nach Materialien, in denen Quantenbits ebenfalls

ihren wertvollen Quantenzustand erhalten können. Die Hoffnung

liegt auf Diamanten.

»Kristalle sind wie Menschen, erst ihre Fehler machen sie so

interessant«, sagt Wöhrl und zitiert damit den britischen Physi-

ker Colin Humphreys. Wie Ruß oder Graphit bestehen Diaman-

ten aus Kohlenstoffatomen, sie sind gitterförmig angeordnet,

nebeneinander und übereinander, was die robusten Eigenschaf-

ten bedingt. An manchen Stellen allerdings haben sie Fehler,

ein Kohlenstoffatom ist durch ein Stickstoffatom ersetzt, und

direkt daneben liegt eine Leerstelle; die Fachwelt nennt das

NV-Zentrum, nitrogen-vacancy center.

In dieses Vakuum soll die IT-Revolution passen: Hier

könnten die Quantenbits ihren ungestörten Raum finden, in dem

sie vernünftig arbeiten können. Kaum etwas könnte sie besser

schützen als ein Diamant. Aus diesem Grund stellt Wöhrl im

Labor Diamanten her.

Dem Physiker liegt nicht nur das Forschen, sondern auch

das Vermitteln von wissenschaftlichen Inhalten am Herzen;

deswegen tritt er regelmäßig auf Science-Slams auf. Jeder

könne Diamanten herstellen, sagt er dort scherzhaft. Das Re-

zept dafür verrät er ebenfalls: Man nehme

eine Mikrowelle, 2,45 Gigahertz, zünde

darin ein Plasma und erhalte so

eine Temperatur von 800 Grad

Celsius. Nun greife man zu einem

Staubsauger und befestige den

Schlauch an der Mikrowelle, das er-

zeuge den nötigen Unterdruck. Man füge

Wasserstoff und Methan, dessen Kohlenstoff

das Kristallgitter bilden wird, hinzu und lege

Diamantschmuck in die Mikrowelle; denn Diamant

wächst am besten auf Diamant. Nach einer Zeit

zwischen fünf Stunden und fünf Tagen entnehme man den

selbstgemachten Edelstein, er ist zwischen einem halben und

drei Millimeter hoch.

Die Arbeit von Wöhrl und seinem Team läuft im Labor natür-

lich professioneller ab, basiert aber auf denselben Zutaten.

Wichtig sind nun die Defekte: Hierfür schießt der Wissenschaft-

ler mit einer Ionenpistole Stickstoff in die Edelsteinschichten und

schiebt sie in einen 700 Grad heißen Ofen. Dort organisieren sich

die Atome zu Diamanten mit NV-Zentren, Raum für Quantenbits.

Bis der Diamant als Prozessor serienreif ist, wird es aller-

dings noch dauern. Die Forscher und Entwickler tüfteln über

vielen Fragen, beispielsweise wie sie die Quantenbits in stabilere

Zustände und in die richtigen Abstände zueinander bringen. Im

Prinzip geht das Konzept aber bereits auf. Im April 2012 testete

man den ersten Quantencomputer mit diamond inside: Er rech-

nete mit zwei Quantenbits. Wöhrl erwartet, dass es in etwa zehn

Jahren die ersten einsatzfähigen Quantencomputer gibt. //

»Kristalle sind wie

Menschen, erst ihre Fehler

machen sie so

interessant.«

mehr informationen

Nicolas Wöhrl auf der re:publica 14 bit.ly/1wCDA7K

Science-Slam, westdeutsches Finale 2012 bit.ly/1zIW23a

Zentrum für Nanoenergietechnik der Universität Duisburg-Essen bit.ly/1p0Kcgi

<31>< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >

Page 32: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Neue Arbeitswelt

BIETE BÜROPLATZ – SUCHE WLAN

AM MEER

Neue Arbeitswelt

Marcus Meurer mit seiner Freundin Felicia

an seinem Arbeitsplatz in Belize

< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><32>

Page 33: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

 Wenn Marcus Meurer

arbeitet, zieht er am

liebsten die Schuhe

aus. Der Sand kitzelt

dann zwischen den

Zehen. »Work is no

longer a place! Arbeit ist dort, wo du bist!«

heißt ein Motto von Meurer, der gerne bar-

fuß am Meer sitzt, um Geld zu verdienen;

beispielsweise im Fischerdorf El Nido auf

der Insel Palawan im Westen der Philip-

pinen oder im Coworking-Camp »The Surf

Office« auf Gran Canaria. Alles, was er

braucht, sind WLAN und sein MacBook Air.

Marcus Meurer ist ein deutscher On-

line-Unternehmer und zählt zu einer welt-

weit wachsenden Anzahl von Freiberuf-

lern, die sich digitale Nomaden nennen:

Sie sind Online-Marketer, Webdesigner,

Texter, Programmierer oder auch Über-

setzer, arbeiten unabhängig von einem

bestimmten Ort, organisieren sich mithilfe

von Webtools und vermarkten ihre Ideen

über soziale Netzwerke. Sie arbeiten je-

derzeit und überall – in Internetcafés, an

Flughäfen, in Coworking-Spaces, Parks,

Appartements, Hostels oder an Stränden.

Sie sagen, sie leben ihren Traum – und

den von anderen. »Der Lifestyle vereint

die Sehnsüchte vieler Menschen: frei und

selbstbestimmt zu leben und die tollsten

Orte der Welt zu sehen.«

Die Zahl der Freiberufler steigt in

Deutschland seit Jahren an, besagt eine

Studie des Instituts für Freie Berufe

Nürnberg. Im Jahr 2014 erreichte sie mit

1,2 Millionen einen neuen Höchststand.

Am stärksten wächst die Zahl der Frei-

berufler im naturwissenschaftlich-tech-

nischen Bereich an. Nicht alle von ihnen

werden zu digitalen Nomaden, aber si-

cherlich träumen einige davon, Arbeiten

und Abenteuer zu verlinken, dank neuer

Tools und Technologien. Bis 2030 könnten

30 Prozent der deutschen Arbeitnehmer

digital und ortsunabhängig arbeiten, pro-

gnostiziert das Institut für Trend- und Zu-

kunftsforschung (ITZ) in Heidelberg.

»Wir sind mitten in der digitalen Re-

volution. Nie waren die Chancen besser,

ortsungebunden zu arbeiten«, sagt Meu-

rer. Er hat aus diesen Gründen im Früh-

jahr 2014 zum ersten Mal die »Digitale

Nomaden Konferenz« (DNX) in Berlin ver-

anstaltet. Die Tickets waren nach drei

Tagen ausverkauft, knapp 200 Besucher

kamen. In diesem Jahr geht die DNX in

die dritte Runde.

Zwei Jahre ist es her, dass Meurer

seinen Nine-to-five-Job in einem Büro am

Berliner Ku’damm gekündigt hat. Er stieg

mit seiner Freundin in einen Flieger nach

Bangkok und reiste mit ihr für sechs Mo-

nate durch Asien. Sie schrieben den Rei-

seblog Travelicia, der für Freunde gedacht

war und heute 50.000 Besucher monatlich

zählt. Zudem gründeten sie das Unter-

nehmen Force M, das Online-Dienstleis-

tungen und -Marketing anbietet. Seither

passt Meurers Leben in einen Backpack,

neun Kilo schwer.

Was hip und abenteuerlich klingt,

ist vor allem herausfordernd und risi-

koreich. Digitale Nomaden verkauften

ihren Lebensstil als Heilsversprechen,

sagen Kritiker der Szene. Hitzige Debat-

ten werden im Netz geführt.

Tim Chimoy, Autor von »Handbuch für

ortsunabhängiges Arbeiten«, zitiert auf

seinem Blog einen Leser: »Vor zwei Mo-

naten habe ich meinen Job gekündigt, um

auch frei zu sein. Nur leider finde ich jetzt

nichts, womit ich Geld verdienen kann.«

Chimoy schreibt: »Lass uns über Selbst-

ständigkeit sprechen. Über viel Arbeit

und Eigenverantwortung. Über die Ein-

samkeit unterwegs und die Disziplin, an

einem neuen Ort jederzeit voll in deine

Arbeit einsteigen zu können.« Er will sei-

ne Leser desillusionieren.

»Es gibt viele falsche Vorstellungen

von unserem Lifestyle«, sagt Meurer;

die DNX veranstaltet er auch, um damit

aufzuräumen. Wer ortsungebunden und

selbständig arbeiten will, brauche Fo-

kus und Disziplin, unternehmerisches

Geschick und smarte Ideen. Digitale No-

maden kämpfen mit anderen Herausfor-

derungen als Festangestellte. Nicht jeder

hält Flexibilität und Mobilität täglich aus.

In einem Interview mit der Industrie-

und Handelskammer rät der Wirtschafts-

journalist Markus Albers Arbeitgebern

dazu, sich auf den flexiblen Arbeitnehmer

der Zukunft einzustellen. Das Büro müs-

se sich zu einem Ort der freiwilligen Kom-

munikation entwickeln, Festangestellte

würden zu Freiangestellten, die mobil und

flexibel arbeiten. »Unternehmen, die sich

darauf einlassen, tun sich beim Recrui-

ting qualifizierter Fachkräfte wesentlich

leichter. Sonst machen sich die Digital

Natives selbständig.« Ist das in großen

Unternehmen umsetzbar: die Leute alleine

laufen lassen, Kontrolle abgeben?

Microsoft macht’s vor: Das Unter-

nehmen hat in seinem Münchner Büro

die Anwesenheitspflicht abgeschafft, die

Mitarbeiter kommen nur noch zu Mee-

tings. Eine Idee für viele? Vielleicht ja.

48 Prozent der deutschen Unternehmen

sehen einen direkten Zusammenhang

zwischen flexiblem Arbeiten und Umsatz-

steigerungen, das zeigt eine Studie des

Bürodienstleisters Regus. 59 Prozent der

Firmen stellten eine höhere Produktivität

bei ihren Mitarbeitern fest – dank flexibler

Arbeitszeitmodelle.

Marcus Meurer ist auf Reisen so pro-

duktiv wie nie zuvor, anfangs sei er »beina-

he geplatzt vor Tatendrang und Ideen«. Für

ihn und viele andere seiner Generation geht

es um mehr Freiheit und um Selbstbestim-

mung. Oder einfach darum, dass Sand

zwischen den Zehen so schön kitzelt. //

links

»Digitale Nomaden Konferenz«dnx-berlin.de

Website von Marcus Meurer marcusmeurer.de

Blogeintrag von Tim Chimoy: »Digitale Nomaden – Der Weg zum ultimativen Glück?«bit.ly/1tgPrbN

Das

ortsunabhängige

Arbeiten macht Karriere.

Aber wie selbstbestimmt

und frei ist das Leben der

digitalen Nomaden

wirklich?

Marcus MeurerGründer der »Digitalen Nomaden Konferenz«

<33>< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >

Page 34: IT Magazin atFERCHAU 2015/01

Big Data, Cloud-Computing, Mobile sowie

Social und Security greifen immer weiter

ineinander und wirken gleichermaßen auf

Wirtschaft und Gesellschaft ein. Letzt-

endlich sind es das Internet der Dinge und

die allumfassende Vernetzung, die die

Entwicklung von Geschäftsmodellen, Fer-

tigungsprozessen und Produkten unab-

lässig vorantreiben – in allen Wirtschafts-

zweigen. Industrie 4.0 ist der Megatrend,

der Motor für zahlreiche Innovationen.

In der Industrie werden Produktions-

anlagen immer wandlungsfähiger. Zum Teil

können sie sogar schon, dank IT-basierter

Programme, eigenmächtig auf Verände-

rungen reagieren: Alle beteiligten Kom-

ponenten – vom Werkstück über die Ma-

schinen bis hin zu den Transportsystemen

– sind über ein Netzwerk verbunden und

kommunizieren miteinander. Zusammen-

arbeit über Bereichsgrenzen und Ingeni-

eurdisziplinen hinweg ist daher angesagt.

Auf der CeBIT 2015 erfahren Sie, wie

unsere IT-Consultants ins Detail gehen.

Lernen Sie uns und unsere Projekte ken-

nen, die wir bereits heute im Umfeld von

Industrie 4.0 realisieren: Beispielswei-

se haben wir die Fertigungsstraße ei-

nes Automobilzulieferers so umgebaut,

dass er auf dieser Linie verschiedene

Teile produzieren kann. Dazu haben wir

IT, Mechanik und Kommunikationstech-

nik miteinander verzahnt.

Für die wenigsten ist es »nur« ein Mobil-

telefon. Für die meisten ist es das Smart-

phone schlechthin. Und für Fans ist es

ein Must-have, ein It-Phone, ein Lebens-

gefühl. Das iPhone 6. Das schreibt Apple:

»Das iPhone 6 ist einfach in allem besser.

Länger und breiter, aber deutlich dünner.

Leistungsstärker, aber unglaublich ener-

gieeffizient. Seine glatte Oberfläche aus

Metall schließt nahtlos an unser neues

Retina HD Display an.«

Und was ist es für Sie? Wenn Sie es

gewinnen wollen, dann loggen Sie sich

ein unter: ferchau.de/go/it-gewinnspiel

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Wie viele Online-Formulare nebst On-

line-Assistenten hat unser Kunde Form-

Solutions mittlerweile entwickelt?

Tipp: Aufmerksam die Seite 14 lesen.

Einsendeschluss ist der 27.03.2015. Viel

Glück!

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der letzten Ausgabe ist: Herr Dr. Paschalis

Grammenoudis von der Technip Germany

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erfasst alle Lebensbereiche: das Privatleben, den Job, die Fabrikhallen und damit

auch Engineering-Prozesse. Wie FERCHAU Engineering seine Kunden, Bewerber

und Mitarbeiter auf dem Weg zur Digitalisierung mitnimmt und begleitet, erleben

Sie vom 16. bis 20. März 2015 in Halle 9, Stand G 40.

UNSER CEBIT-ERLEBNIS-PROGRAMM

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»Integrated Industry – Join the Network!«

steht dafür, dass die wesentlichen Her-

ausforderungen von Industrie 4.0 – wie

etwa allgemeingültige Standards für die

Machine-to-Machine-Kommunikation, die

Frage der Datensicherheit oder die Suche

nach dem Geschäftsmodell der Zukunft –

nur im Netzwerk zu bewältigen sind.

Den daraus resultierenden Technolo-

giesprung macht die HMI erlebbar. Digital

vernetzte Fertigungsanlagen, innovative

Produktionsverfahren und neuartige In-

dustrieroboter werden zu sehen sein: Ro-

boter mit ausgefeilter Sensorik, die ohne

Schutzzaun und Sicherheitsabstand direkt

mit dem Menschen zusammenarbeiten.

Oder auch IT-gestützte Automationslö-

sungen, die sämtliche Organisationsab-

läufe einer Fabrik verändern werden.

Welchen Einfluss hat die zunehmen-

de Digitalisierung auf klassische Engi-

neering-Disziplinen, welche Job-Skills

sind künftig gefragt und wie kommt man

an interessante Projekte und kompetente

Experten? Wie verleihen Sie Ihrer Karriere

den richtigen Schub? Lieber als Freelan-

cer oder lieber in Festanstellung? Antwor-

ten bekommen Sie von unseren Enginee-

ring-Experten aus sieben Fachbereichen:

IT, Anlagenbau, Maschinenbau, Luft-

und Raumfahrttechnik, Fahrzeugtechnik,

Schiffbau und Meerestechnik sowie Elek-

trotechnik. Unsere Augmented Reality

App sowie unsere Job App machen die

sieben Fachbereiche erlebbar.

hannover messe industrie 2015

13.–17.04.2015

Besuchen Sie uns in

HALLE 2,

STAND C 47 UND C 40

DAS NETZ IST DIE INDUSTRIE

FERCHAU auf der Hannover Messe Industrie 2015

AUGMENTED

REALITY APP 2.0

Macht Details unserer

7 Fachbereiche erlebbar

JOB-APP-TERMINALS

Für die gezielte Suche

nach passenden

Stellenausschreibungen

FREELANCEWALL

Interessante Projekt-

angebote für Freiberufler

Die Hannover Messe Industrie (HMI) widmet sich 2015 dem Thema der vernetzten In-

dustrie. Schwerpunkte sind Industrieautomation & IT, Energie & Umwelttechnologien,

Antriebs- und Fluidtechnik, industrielle Zulieferung & Produktionstechnologien sowie

Forschung und Entwicklung. FERCHAU Engineering schlägt vom 13. bis 17. April 2015

in Halle 2, Stand C 40, unter dem Motto »Karriere und Perspektiven« seinen Stand auf.

UNSER HMI-ERLEBNIS-PROGRAMM

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