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FOTO: BERT BOSTELMANN M orgens halb sieben in Köln. Durch den Haupt- bahnhof schieben sich die Pendler, mit dicken Jacken gegen die Kälte geschützt. In den Händen halten sie Kaffeebecher und Papiertüten mit belegten Bröt- chen und süßem Gebäck. Frühstück für unterwegs. Viele Tüten tragen Schriftzüge von Bäckern wie Kamps oder Backwerk. Doch auch in der 220 Quadratmeter kleinen Filiale des Convenience-For- mats Rewe to go herrscht reger Be- trieb. Ein Dutzend Kunden sucht noch nach dem richtigen Produkt, ei- ne Handvoll steht schon an den Kas- sen. Kaffee für einen Euro – das ist im Kölner Hauptbahnhof nicht zu schla- gen, genauso wenig wie ein Schoko- Croissant für 1,20 Euro. Dem Vernehmen nach läuft der 2012 eröffnete Markt schon lange pro- fitabel. Doch im bundesweiten Bahn- hofsgeschäft ist der Handelsriese Re- we mit nur sieben Filialen ein Zwerg geblieben. Das Segment folgt ganz ei- genen Regeln oder, wie es aus der Re- we-Zentrale heißt: „Die Anforderun- gen an den Lebensmitteleinzelhandel im Bahnhof sind speziell: Die Reisen- den haben es eilig, das Sortiment ist auf Reise- und Direktverzehr zuge- schnitten.“ Außerdem sind im Bahn- hof Handelsflächen knapp. Also hat sich Rewe auf Tankstellen verlegt und rollt sein To-go-Konzept bei Aral aus. Dort sind es schon rund 250 Märkte. Dabei sind Bahnhöfe als stetig wachsende, hochfrequente Verkehrs- knotenpunkte äußerst attraktiv für den Lebensmittelhandel. Allein durch die elf meistbesuchten Bahnhöfe Deutschlands strömten im vergange- nen Jahr geschätzte 1,2 Milliarden Menschen und gaben 350 Millionen Euro für den Sofortverzehr aus (siehe Grafik Seite 30 ). Die Gesellschaft Handel am Zug Das Lebensmittel- und Convenience-Geschäft im Bahnhof verheißt Händlern attraktive Wachstumsperspektiven. Doch die Bahn baut ihren Einfluss aus.| Mathias Himberg wird mobiler, die Fahrgastzahlen wachsen, in den vergangenen Jahren waren es je 6 bis 15 Prozent. Doch der Handel ist spät zur Party gekommen. Spezialisten haben das Terrain schon abgesteckt – darunter nicht zuletzt die Bahn und ihre Töchter. Auch Bäcker sind eine Macht am Bahnhof. Allein Le Crobag betreibt 108 Filialen, 80 sind es bei Ditsch, es folgen Heberer und Backwerk. Hinzu kommen Systemgastronomen wie McDonald’s, Burger King, Starbucks und Asia-Gourmet, ganz zu schwei- Fortsetzung auf Seite 30 Babyprodukte 37 Kampf um den Brei: Discounter bauen ihr Sortiment mit Marken- Gläschenkost aus. Sie wollen Dro- gerie- und Supermärkten die jun- gen Familien abspenstig machen, die attraktive Kunden sind. Evolution im Norden 35 E-Center: In Rostock zeigt das Management der Edeka Nord, wie es sich die Zukunft der Großfläche vorstellt. Der Name Marktkauf spielt dabei offensichtlich keine Rolle mehr. LZ 49 7. Dezember 2018 Lebensmittel Zeitung 29 JOURNAL

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Morgens halb sieben inKöln. Durch den Haupt-bahnhof schieben sichdie Pendler, mit dicken

Jacken gegen die Kälte geschützt. Inden Händen halten sie Kaffeebecherund Papiertüten mit belegten Bröt-chen und süßem Gebäck. Frühstückfür unterwegs.

Viele Tüten tragen Schriftzüge vonBäckern wie Kamps oder Backwerk.Doch auch in der 220 Quadratmeterkleinen Filiale des Convenience-For-mats Rewe to go herrscht reger Be-trieb. Ein Dutzend Kunden suchtnoch nach dem richtigen Produkt, ei-

ne Handvoll steht schon an den Kas-sen. Kaffee für einen Euro – das ist imKölner Hauptbahnhof nicht zu schla-gen, genauso wenig wie ein Schoko-Croissant für 1,20 Euro.

Dem Vernehmen nach läuft der2012 eröffnete Markt schon lange pro-fitabel. Doch im bundesweiten Bahn-hofsgeschäft ist der Handelsriese Re-we mit nur sieben Filialen ein Zwerggeblieben. Das Segment folgt ganz ei-genen Regeln oder, wie es aus der Re-we-Zentrale heißt: „Die Anforderun-gen an den Lebensmitteleinzelhandelim Bahnhof sind speziell: Die Reisen-den haben es eilig, das Sortiment ist

auf Reise- und Direktverzehr zuge-schnitten.“ Außerdem sind im Bahn-hof Handelsflächen knapp. Also hatsich Rewe auf Tankstellen verlegt undrollt sein To-go-Konzept bei Aral aus.Dort sind es schon rund 250 Märkte.

Dabei sind Bahnhöfe als stetigwachsende, hochfrequente Verkehrs-knotenpunkte äußerst attraktiv fürden Lebensmittelhandel. Allein durchdie elf meistbesuchten BahnhöfeDeutschlands strömten im vergange-nen Jahr geschätzte 1,2 MilliardenMenschen und gaben 350 MillionenEuro für den Sofortverzehr aus (sieheGrafik Seite 30 ). Die Gesellschaft

Handel am Zug

Das Lebensmittel- und Convenience-Geschäft im Bahnhof verheißt Händlern attraktiveWachstumsperspektiven. Doch die Bahn baut ihren Einfluss aus.| Mathias Himberg

wird mobiler, die Fahrgastzahlenwachsen, in den vergangenen Jahrenwaren es je 6 bis 15 Prozent. Doch derHandel ist spät zur Party gekommen.Spezialisten haben das Terrain schonabgesteckt – darunter nicht zuletzt dieBahn und ihre Töchter.

Auch Bäcker sind eine Macht amBahnhof. Allein Le Crobag betreibt108 Filialen, 80 sind es bei Ditsch, esfolgen Heberer und Backwerk. Hinzukommen Systemgastronomen wieMcDonald’s, Burger King, Starbucksund Asia-Gourmet, ganz zu schwei-

Fortsetzung auf Seite 30

Babyprodukte 37Kampf um den Brei: Discounterbauen ihr Sortiment mit Marken-Gläschenkost aus. Sie wollen Dro-gerie- und Supermärkten die jun-gen Familien abspenstig machen,die attraktive Kunden sind.

Evolution im Norden 35E-Center: In Rostock zeigt dasManagement der Edeka Nord, wiees sich die Zukunft der Großflächevorstellt. Der Name Marktkaufspielt dabei offensichtlich keineRolle mehr.

LZ 49 7. Dezember 2018 Lebensmittel Zeitung 29J O U R N A L

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WACHSENDER HUNGERFoodservice-Umsatz in den elf meistbesuchten Bahnhöfen Deutschlands*

LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIKQUELLE: DB STATION & SERVICE

*Angaben in Mio. Euro netto **Fast-Food-Krise, Umbau in München und Stuttgart Hbf

300

350

311

305**

329

334

349

20172016201520142013

HOCHFREQUENZ AM GLEIS

Tägliche Anzahl von Reisenden

in den elf meistbesuchten

Bahnhöfen Deutschlands

QUELLE: DB STATION & SERVICE LZ GRAFIK

318 000

469 000

542 000

Hauptbahnhof:

313 000Ostbahnhof:

77 000

379 000

313 000

283 000

279 000

199 000

64 000

gen von unabhängigen Imbissbudenund Restaurants. Sie alle konkurrie-ren mit dem Handel um den „Share ofstomach“, den Anteil am Magen desKunden. Denn wer sich am Bäcker-Brötchen satt ist, kauft keine Rewe-Frikadelle mehr.

Wohl dem, der ein klares Allein-stellungsmerkmal hat. So wie dieTchibo-Filiale, die in Köln nicht nurKaffee ausschenkt, sondern vor allemNonfood anbietet. Geschützt vor dermorgendlichen Kälte und umsäuseltvon Gute-Laune-Musik, stöbern zehnKunden nach Schmuck und Geschen-ken. Acht Flächen betreibt Tchibo indeutschen Großbahnhöfen. Das Kon-zept geht offenbar auf.

„Die Standorte sind profitabel,trotz langer Öffnungszeiten und ho-her Mieten“, sagt Wibke Bachor,Direktorin aller deutschen Filialen.

Noch wichtiger ist ihr jedoch derImagegewinn. „Es ergibt strategischSinn, dass wir an großen Bahnhöfenvertreten sind, denn das verschafftuns eine unschätzbare Markenprä-senz.“ Hunderttausende von Kundennähmen die Marke dort täglich wahr.

Tatsächlich strömen allein durchden Kölner Hauptbahnhof 318 000Menschen – mehr als alle Einwohnervon Karlsruhe zusammen. In dieTchibo-Filialen kommen je nachStandort 1000 bis 6 000 Reisende.„Damit sind die Filialen für uns auchein Experimentierfeld“, erklärt Ba-chor. „Neue Sortimente können wirdort wegen der hohen Frequenzschnell testen.“

Tchibo wäre gern in den 20 größ-ten Bahnhöfen vertreten – mindes-tens. Doch das dauert, denn Flächensind rar und selten frei. Schon jetztplatzen die Bahnhöfe aus allen Näh-ten. „Die meisten sind sehr alt und

nicht für den Einzelhandel gedacht“,so Bachor. „Da werden Läden in dieabenteuerlichsten Ecken gequetscht“.

Was das heißt, zeigt sich am Re-formhaus Bacher, das in Köln mit sei-nem Format Betterlife direkt nebenTchibo liegt. Die schmale Front setztsich weit nach hinten fort, Breite undHöhe der Räume variieren. Auch Ba-cher, mit 100 Filialen größter Reform-hausbetreiber Deutschlands, hat seineNische gefunden: Backwaren undSnacks in Bioqualität. „Es läuft profi-tabel“, freut sich Geschäftsführer Pe-ter Schürmann. Obwohl sich die Bahndie Standorte „sehr gut bezahlen“ las-se. Und obwohl die Personalkostenfür den Zweischichtbetrieb bei langenÖffnungszeiten viel höher seien als inInnenstadtlagen.

Auch für Schürmann ist die Ex-pansion nicht einfach. „Wir braucheneinen großen Durchlauf, weil sich nurein Teil der Reisenden für uns interes-siert“, erklärt er. „Ab einer Frequenzvon 60 000 Fahrgästen am Tag würdenwir uns um neue Standorte bemü-hen.“ Doch solche Lagen sind um-kämpft. Für weniger frequentierteStandorte sucht die Bahn zwar drin-gend Mieter, aber sie wären nichts fürSchürmann. Denn der Durchschnitts-bon liegt in seinen Bahnhofstandor-ten 40 Prozent unter der Norm, rund10 statt 17 Euro. Wenn da die Fre-quenz ausbleibt, lohnt sich das Ge-schäft nicht.

Das geht auch den Großen so.Zum Beispiel dm-Chef Erich Harsch,dessen Unternehmen zehn Drogerie-märkte in Bahnhöfen betreibt. „DerUmsatz dieser Märkte sollte deutlichüber dem einer Durchschnittsfilialeliegen, um die Mehrkosten durch lan-ge Öffnungszeiten, Sonn- und Feier-

tagszuschläge auszugleichen“, erklärter. Die Mieten seien so hoch wie inTop-Citylagen. „Dadurch reduziertsich die Anzahl der in Frage kommen-den Standorte. Und gute Lagen sindsehr begehrt.“

Konkurrent Rossmann ist da mit23 Express-Filialen in Bahnhöfenschon weiter. Wie der Drogeriekon-zern sich die Zukunft des Formatsvorstellt, zeigt er im Mainzer Haupt-bahnhof, mit dem Zug eine Stundeund 20 Minuten von Köln entfernt.Das Sortiment ist lebensmittellastig,auf die Bedürfnisse von Reisenden ab-gestimmt und vor allem preiswert(siehe Seite 32 ). „Wir planen, in die-sem Bereich zu wachsen“, sagt Cate-gory-Manager Dieter Achtzehn.

Wie weit man damit kommenkann, lässt sich im Erdgeschoss be-sichtigen. Dort steht eine von mittler-weile 60 Filialen des Convenience-Spezialisten Yorma’s, der dieses Jahrrund 85 Millionen Euro umsetzen will– bei einer Umsatzrendite von rund3,5 Prozent. „Übernächstes Jahr wol-len wir an der 100-Millionen-Euro-Marke kratzen“, sagt Gründer KarlKraft. Damit ist sein Unternehmen ei-nes der großen im Bahnhofsgeschäft.Der Erfolg lässt auch die großen Le-bensmittelhändler aufhorchen. „Wirwerden immer wieder von großenHändlern gefragt, ob wir verkaufenmöchten“, sagt Kraft. „Aber dafürmacht uns das Geschäft zu viel Spaß.“

Und das Geheimnis des Erfolges?„Die aus Kundensicht optimale Preis-Leistung“, antwortet Kraft. Es gebezwar billigere Anbieter, aber bei de-nen sei auch die Qualität niedriger.Yorma’s hingegen achte bei der Eigen-

Klarer Fokus: Rewe

to go konzentriert

sich im Bahnhof

auf den eiligen

Esser. Doch das

große Geschäft

machen andere.

DIE BAHN FÄHRT VORFilialzahl von Convenience-, Lebensmittel- und Drogerie-

formaten an deutschen Bahnhöfen

LZ GRAFIK

140

108

80

60

50

23

10

8

7

6

Service Store DB

Le Crobag

Brezelbäckerei Ditsch

Yorma‘s

Spar Express

Rossmann Express

dm

Tchibo

Rewe to go

Lidl

QUELLE: UNTERNEHMEN

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Fortsetzung von Seite 29

Fortsetzung auf Seite 32

30 Lebensmittel Zeitung LZ 49 7. Dezember 2018J O U R N A L

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32 Lebensmittel Zeitung LZ 49 7. Dezember 2018J O U R N A L LZ 49 7. Dezember 2018 Lebensmittel Zeitung 33J O U R N A L

produktion auf gute Zutaten und lassesich den Rest von Lekkerland liefern.Die 30 bis 50 Quadratmeter kleinenFilialen konzentrieren sich mit Kaf-fee, Getränken, belegten Backwaren,Salaten und Süßwaren ganz auf denhungrigen Reisenden. „Wir bieten nurProdukte, die der Kunde in kurzerZeit verbrauchen kann.“ Darum gehees im Bahnhof – das müssten Anbieterwie Rewe, die noch zu viele Super-markt-Artikel anböten, erst lernen.

Die wahre Macht zeigt sich jedochin kleinen Einheiten wie der S-Bahn-

Station Römisches Theater, eine Hal-testelle vom Mainzer Hauptbahnhofentfernt: Service Store DB. Ähnlichwie bei Yorma’s sind die bislang140Filialen klein und bieten vor allemLebensmittel zum Sofortverzehr, da-zu Tabakwaren und Zeitschriften, zu-weilen auch Fahrkarten. Der Unter-schied: Hinter dem Format steht keinFamilienbetrieb, sondern die Deut-sche Bahn. Und die hat mit dem Ser-vice Store einiges vor.

„Bis 2019 wollen wir 200 Filialenbetreiben“, sagt Leiterin MartinaKöppl, die das Format jetzt an Groß-bahnhöfe bringen möchte. Nach

Dresden und Essen sollen bald Nürn-berg, Düsseldorf und Berlin folgen.2021 sollen es dann schon 250 Filia-len sein, 2030 mindestens 300. „Dasist ein sportliches Ziel“, räumt Köpplein, „wir müssen pro Jahr mindestens30 neue Standorte eröffnen.“ DerUmsatz soll mitwachsen, jährlich umetwa 5 Prozent, von rund 64 Milli-onen Euro dieses Jahr auf 74 Milli-onen in vier Jahren. Auch den Durch-schnittsbon will Köppl von derzeit2,80 Euro auf bis zu 4 Euro steigern.

Bei der Expansion soll der Zugangzu Standorten helfen. Denn die Flä-chen vergibt die DB Station & Service

AG, die ebenfalls zum Bahn-Konzerngehört. „Wir planen langfristig mitStandorten, von denen wir heuteschon wissen, dass sie bald frei wer-den“, erklärt Köppl. „Wenn der Miet-vertrag eines Convenience-Stores ineinem Bahnhof ausläuft, gewinnenwir den bisherigen Mieter in der Regelals Franchise-Partner.“ Und wennnicht, ist es nicht unwahrscheinlich,dass Service Store den Anschluss-Mietvertrag bekommt.

Um die Expansion zu stemmen,hat das Unternehmen neue Fran-chise-Partner gewonnen. Daruntersind ausgewiesene Reise-Spezialisten

wie Casualfood, Dr. Eckert, HBB undLagardère, die eigene Convenience-Formate betreiben. Der Deal: DiePartner zahlen als Franchisegebühr2,3 Prozent vom Umsatz und bekom-men dafür begehrte Flächen. Ihnen istklar, was Köppl ausspricht: „Bei dembegrenzten Raum im Bahnhofherrscht naturgemäß Verdrängungs-wettbewerb.“

Die Partner operieren unter derMarke Service Store, die Sortiments-bauteile sind festgelegt: Tabak, heißeund kalte Getränke, Presse, Süß- undBackwaren. „Die Ausgestaltung istaber dem Partner überlassen“, betont

Köppl, „die Lieferanten kann er freiwählen, die Preise frei gestalten.“

Der Wettbewerb sollte sich indes-sen warm anziehen. „Wir fühlen unsselbstbewusst genug, um gegen beste-hende Convenience-Formate anzutre-ten“, sagt Köppl. Das Potenzial anHauptbahnhöfen möchte sie „so um-fassend wie möglich abschöpfen“.Zusätzlich plant sie ein neues Klein-format für Bahnsteige. Anfang 2019soll der erste „Service Store Selecti-on“ in Berlin eröffnen.

Zwischenstopp im HauptbahnhofFrankfurt, mit täglich 469 000 Besu-chern Nummer zwei hinter Hamburg.Reisende kaufen hier vor Fahrtantrittnoch schnell eine Cola bei Spar Ex-press, einen Whopper bei Burger Kingoder ein Krabbenbrötchen bei Gosch.Was sie nicht wissen: Hinter all diesenFormaten steckt das UnternehmenSSP. Auch dieser Reisespezialist istmittlerweile Partner der Bahn-Toch-ter Service Store und soll für sie künf-tig 30 Standorte führen.

„Wir betreiben Bahnhofsfilialenunter bekannten Marken“, erklärtOliver Dörschuck, im internationalenSSP-Konzern Geschäftsführer fürKontinentaleuropa. Für ihn ist Ser-vice Store DB nur ein weiterer Kunde,der ihm hochfrequenten Filialen an-vertraut. Für Spar Express, ein For-mat von Edeka, betreibt SSP bereitsalle 50 Bahnhofsstandorte. 31 weiteresind es für Heberer, 17 für Kamps, 14für Burger King und 5 für Starbucks –insgesamt 137 Filialen. Zusätzliche

Große Erwartungen:

Mit neuem Design soll

der Service Store DB

die Hauptbahnhöfe

erobern. Einer der

Franchise-Partner ist

Reisespezialist SSP,

der in Bahnhöfen das

Edeka-Format Spar

Express betreibt.

DER HANDEL VERDIENT MITEntwicklung des Umsatzes mit Lebensmitteln an den

deutschen Bahnhöfen*

LZ GRAFIKQUELLE: DB STATION & SERVICE; VAL2014/STOCK.ADOBE.COM

*in Prozent gegenüber dem Vorjahr

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1

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5

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5,6

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20172016201520142013

Fortsetzung von Seite 30

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Fortsetzung auf Seite 34

Kunden aus dem Lebensmittelhandelschließt Dörschuck nicht aus.

„Im Bahnhof laufen alle Prozessesubstanziell anders: Bestellung, Lie-ferkette, Lagerung, Eigenproduktion,Verkauf“, erklärt Dörschuck. Und daskönnten Experten nun einmal besserals andere Händler. „Wir wissen, wieman mit hohen Frequenzen, langenÖffnungszeiten und kleinen Lagerflä-chen umgeht.“ Zum Beispiel müsstenHändler wissen, an welchem Standortder Kunde welche Preisstellung ak-zeptiere.

Bei der Standortsuche rät Dör-schuck zur Vorsicht. „Das ist einkleinmargiges Geschäft, in dem manschnell Fehler machen kann. Werlangfristige Mietverträge über zehn,zwölf Jahre eingeht, muss genau wis-sen, worauf er sich einlässt.” Er weißum den Vergabeprozess, der sich anwirtschaftlichen Kennzahlen orien-tiert. „In die Entscheidung zur Flä-chenvergabe fließt der erwartete Er-trag ein. Je höher die Umsatzerwar-tung, desto geringer kann der prozen-tuale Mietsatz sein.“

Rund vier Stunden braucht derICE von Frankfurt nach Berlin Haupt-bahnhof. Dort residiert die DB Station& Service AG, die Handelsflächen inBahnhöfen vermietet. Von Bäckernund Gastronomen bekommt sie 12 bis18 Prozent vom Umsatz, Conveni-ence-Stores liegen darunter. Außer-dem ist eine Grundmiete zu entrich-

Die Antwort auf die letzteFrage im Universum lautet42, das wissen Fans desScience-Fiction-Films „Per

Anhalter durch die Galaxis“. Die Ant-wort auf den Erfolg von Rossmann inBahnhöfen heißt hingegen 49. Dennso viele Cent verlangt der Drogeriebe-treiber für die Halbliterflasche Mine-ralwasser der Eigenmarke „Genussplus“, egal ob in Hamburg, Hannoveroder Berlin. Und damit ist er konkur-renzlos günstig gegenüber all den Bä-ckern, Cafés, Convenience-Stores und

Fast-Food-Filialisten, die darauf set-zen, dass der Reisende im Bahnhofnicht so auf den Preis achtet. Dochwer aufs Geld schaut, kauft seinenReiseproviant bei Rossmannt.

Auch im Hauptbahnhof Mainz, woder Drogeriemarktbetreiber seine Ex-press-Filiale runderneuert hat, ist dasAnkerprodukt konkurrenzlos günstig.Einige Wettbewerber verlangen dortdafür rund dreimal so viel (Back-werk), andere viermal (Le Crobag)oder fünfmal so viel (Heberer). Selbstder Convenience-Store Yorma’s, der

sich gerne als Preisführer im Bahnhofdarstellt, ruft 1,30 Euro auf. Preisfüh-rer ist Rossmann auch mit der Halb-literflasche Coca-Cola für 99 Cent,der Tafel Milka-Schokolade für dengleiche Preis und der Packung Funny-frisch-Chips für 1,29 Euro. „Unser Al-leinstellungsmerkmal ist der Preis“,bestätigt Marktleiterin Pamela Dosch.Viele Kunden kämen wegen der güns-tigen Getränke und nähmen dannnoch etwas anderes mit.

Am Bahnhof, wo die meistenKunden nur eine Kleinigkeit für die

Fahrt kaufen, kann niemand auf ei-nen großen Durchschnittsbon hof-fen. Doch die Frequenz ist gewaltig,3 500 Kunden kommen täglich in dieFiliale. Mit einem geschätztenDurchschnittsbon von 4 bis 5 Eurokäme Rossmann in Mainz auf einenJahresumsatz von 6 Millionen Euro –und das auf nur rund 400 Quadrat-metern. „Unsere Bahnhofsfilialensind interessante, sehr wirtschaftli-che Flächen“, urteilt Dieter Acht-zehn, im Konzern zuständig fürs Ca-tegory-Management. „Die hohe Mie-

te wird durch hohe Umsätze wettge-macht.“

Um den Ansturm zu bewältigen,testet Rossmann in Mainz vier Self-Checkout-Kassen, so wie in zwei wei-teren Filialen in Hannover. 40 Pro-zent der Einkäufe laufen in Mainzschon über die Selbstbedienungs-Ter-minals. Marktleiterin Dosch ist be-geistert: „Es geht wirklich schnellerals an der herkömmlichen Kasse, unddie Kunden sind zufrieden.“ Die 26Mitarbeiter hätten dadurch mehrZeit, Ware nachzufüllen.

Die brauchen sie auch. RossmannExpress hat 365 Tage im Jahr geöff-net, selbst an Feiertagen. Geschlossenwird die Filiale nur 8 bis 8,5 Stundenin der Nacht. Weil das Unternehmennicht darauf ausgelegt ist, Kühlwarezu lagern und anzuliefern, kommtdiese von Edeka. Lekkerland stelltBier und Spirituosen bereit.

Rossmann ist und bleibt eine Dro-gerie, auch am Bahnhof. Viele Artikelvom Deo bis zur Zahnpasta sind fürFahrgäste interessant, vor allem in Rei-segrößen. Doch das Express-Format,

das eigens auf Bahnhöfe ausgelegt ist,fungiert gleichzeitig als Bioladen, Con-venience-Store und Lebensmittel-Nah-versorger. Das Sortiment, das 19 000Artikel umfasst, besteht zu einem gro-ßen Teil aus Lebensmitteln.

In der Woche kaufen die Kunden,was sie unterwegs brauchen. Daherliegt der Fokus des Lebensmittel-Sor-timents klar auf Sofortverzehr. Auffünf laufenden Metern findet derKunde gekühlte Getränke. Rennersind neben Mineralwasser auch Cola,Bier und Red Bull. Darauf folgt das

breite Angebot an Süßwaren. Zusätz-lich findet der Kunde auf drei Meternin der Kühlung Caffé Latte, Butter-milch, Sandwiches und Frikadellen.Hinzu kommen gesunde Knabbereienaus Nüssen und getrockneten Früch-ten, größtenteils in Eigenmarke.

Die Auswahl ist genauso einge-schränkt wie der Platz: Es gibt nurdrei Marken Kartoffelchips und fünfMarken Schokolade. Doch das ist im-mer noch mehr, als der Bahnhofskun-de aus Convenience-Shops wie Yor-ma’s gewohnt ist. Preislich liegen dieArtikel nicht zu weit auseinander undgehen nicht zu weit nach oben. Ein-ziger Ausreißer ist Champagner für39,99 Euro die Flasche – man gönntsich ja sonst nichts.

Samstag ist der ruhigste Tag: DiePendler bleiben aus, auf Geschäftsrei-se geht kaum jemand. Doch am Sonn-tag mutiert die Filiale zum begehrtenSupermarkt, in der vergessliche Main-zer kaufen, was ihnen zum Kochenund Essen fehlt. 40 Prozent von ihnenkommen dann nur, um Lebensmittelzu kaufen, wie Marktleiterin Doschschätzt. „An Sonn- und Feiertagen er-füllen wir eine Nahversorgerfunkti-on“, bestätigt Dieter Achtzehn. „Damachen wir mehr als ein Fünftel derLebensmittelumsätze.“

Dann kommen auch Sortimentezum Tragen, die in der Woche weni-ger gefragt sind: vier laufende MeterTrockensortiment mit Brot, Reis undDosensuppe, dazu zwei Meter mitTiefkühlware von Torte bis Pizza. Al-leinstellungsmerkmal sind Bio-Artikelder Eigenmarke „Enerbio“ von Kaffeeüber Brot bis zu Leinsamen. Wegender großen Nachfrage wurde der Platzdafür beim Umbau von zwei auf vierlaufende Meter verdoppelt. „DemTrend zu gesunden Lebensmitteln tra-gen wir auch im Bahnhof Rechnung,indem wir die Warenbereiche ausdeh-nen“, erklärt Achtzehn.

Unterm Strich bieten Bahnhöfedem Unternehmen profitable Filialenmit hoher Frequenz in einem zu-kunftsträchtigen Segment – keinWunder, dass Rossmann da expandie-ren will. „Wir planen, in diesem Be-reich zu wachsen“, sagt Dieter Acht-zehn. „Bahnhofsstandorte werdenimmer beliebter.“ lz 49-18

Rossmann Express ist im Hauptbahnhof Mainz Preisführer, Bioladen, Convenience-Store, Nahversorger und Drogerie in einem. Anderswo

wäre das ein allzu gewagter Spagat. Doch an diesem Standort ist die Kombination ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal. | Mathias Himberg

Flink und flexibel

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Wiedereröffnung: 01.09.2018

Verkaufsfläche: rund 400 qm

Artikel: 19 000

Mitarbeiter: 26

Kassen: 5, davon 1 Self-Checkout und 3 hybride

Parkplätze: 0

Öffnungszeiten: Mo-Fr 6:30-22 Uhr, Sa-So 8-22 Uhr

Kundenfrequenz: 3500 pro Tag

Kühlmöbel: KMW

ROSSMANN EXPRESS MAINZ

LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIKQUELLE: UNTERNEHMEN

Bahnhofsplatz 1, 55118 Mainz

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Bildergalerie

Mehr Fotos aus Mainzlebensmittelzeitung.net/rossmann-mz

Schnell und gesund: SB-Kassen (links)

beschleunigen das Bezahlen, die Bio-

Range (unten) bietet Vollwertiges.

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34 Lebensmittel Zeitung LZ 49 7. Dezember 2018J O U R N A L

ten, abhängig vom Standort. „Insge-samt ist das durchaus vergleichbar mitTop-Citylagen“, sagt Andreas Siele-mann, bei Station & Service zuständigfür Kunden- und Vertragsmanage-ment. Das Interesse der Mieter hängeaber stark von der Kundenfrequenzab. „Die Top-Standorte könnten wir20- bis 30-mal vermieten“, so Siele-mann. Unter 20 000 Besuchern proTag werde es hingegen schwer, Inte-ressenten zu finden. Manchmalschnürt Sielemann deshalb Pakete ausbegehrten und weniger nachgefragtenStandorten. Doch das klappt selten.

Sielemann gestaltet den Branchen-mix so, wie er ihm optimal erscheint.„Der Kunde soll in den großen Bahn-höfen möglichst alles finden, was erbraucht, nicht nur Essen und Trin-ken, sondern auch Textilien, Medika-mente oder Elektronik.“ Doch oftmacht die denkmalgeschützte Archi-tektur Sielemann einen Strich durchdie Rechnung. „Die Großbahnhöfesind bis auf den letzten Quadratmeterausgenutzt. Viele stoßen an ihre Ka-pazitätsgrenzen.“ Darum will die

Bahn zumindest einige Bahnhöfe ver-größern. Stuttgart ist das bekannteste,wenn auch problematischste Beispiel.Pläne gibt es auch für München undFrankfurt. Allerdings können sich sol-che Projekte jahrelang hinziehen.

Und was wird aus dem Bahnhof,wenn autonome Autos serienreif wer-den? Professor Jörn Pachl bleibt da ge-lassen. „Dadurch wird der Bahnhofnicht aussterben“, sagt der Leiter desInstituts für Eisenbahnwesen an derUni Braunschweig. „Die Straßenkönnten den zusätzlichen Verkehr vonder Schiene gar nicht aufnehmen, ge-rade in den Großstädten.“ Ersetzenkönnte das autonome Auto vielleichtden Regionalverkehr, der heute schonnicht wirtschaftlich sei. „Aber imFernverkehr wird die Nachfrage ehersteigen.“

Entsprechend optimistisch blickendie Händler in die Zukunft. „DerBahnhof als Knotenpunkt für ein mo-dernes Mobilitätskonzept wird gewin-nen“, glaubt Stephan Brübach. DerMarkenmanager der Unternehmens-gruppe Dr. Eckert, die 300 Geschäftein den Bereichen Presse, Buch, Tabakund Convenience betreibt, ist über-

zeugt: „Die Reisenden werden keineLangstrecken autonom fahren.“ Dasautonome Fahren werde eher Zubrin-gerdienste leisten. „Das Geschäft imBahnhof wird zusammen mit dem öf-fentlichen Verkehr zunehmen“,glaubt auch Karl Kraft von Yorma’s.

Am Abend ist noch einmal Rum-mel im Hauptbahnhof. Scharen von

Berlinern fahren mit der S-Bahn nachHause, Pendler steigen in die Regio-nalbahnen nach Potsdam und Ora-nienburg, Fernreisende ziehen ihreRollkoffer zu den Fernzügen im Un-tergeschoss. In der Nacht wird es ru-higer, ehe es früh am Morgen weiter-geht. Mit einer Frequenz, die jedenTag ein bisschen steigt. lz 49-18

Fortsetzung von Seite 33 Heimlicher

Gewinner: Mit 60

Filialen setzt

Yorma’s rund 85

Millionen Euro um.

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Frau Henckel, werden wir künftig noch

Bahnhöfe brauchen, wenn das autono-

me Auto kommt?

Aber ja, das autonome Fahrzeug wirdnicht vor Ende der 2020er-Jahre aufden Massenmarkt kommen. Undauch dann werden sich die Städte si-cher keine Abschaffung der Bahnhöfegefallen lassen. Denn auch autonomfahrende Autos belasten die Innen-stadt, stoßen Abgase aus und verbrau-chen viel Platz – selbst wenn sie die-sen in Zukunft dank kluger Algorith-men perfekt ausnutzen sollten. Da istder öffentliche Verkehr in allen Belan-gen besser.

Aber werden ihn die Menschen auch

nutzen?

Unsere Daten sprechen klar dafür.Die Fahrgastzahlen im Bahnverkehrsteigen kontinuierlich, um 6 bis 15Prozent in den vergangenen Jahren.Bis 2030 soll sich die Anzahl der Fahr-gäste auf der Schiene laut Koalitions-vertrag der Bundesregierung verdop-peln. Deshalb planen wir zum Bei-spiel in Berlin, den Takt der S-Bahnenauf alle fünf Minuten zu verdichten.Außerdem schaffen wir mehr Doppel-stockzüge an. Durch diese Entwick-lung werden sich künftig viel mehrMenschen in den Bahnhöfen aufhal-ten. Das ist für den Handel, der dortvertreten ist, sehr spannend.

Wie sollten sich die Bahnhöfe auf den

Ansturm vorbereiten?

Sie brauchen auf jeden Fall mehrPlatz. Große Bahnhöfe wie Hamburg,Frankfurt oder München müssen er-weitert werden. Treppenauf- und ab-gänge müssen verbreitert, Bahnsteigeunter Umständen verlängert werden.Das kann allerdings dauern. Für vieleBahnhöfe müssen erst jahrelange Be-standsaufnahmen gemacht werden.Denn es gibt vielfach keine Pläne vonGebäuden, die vor 100 Jahren gebautund in den 1960er Jahren umgebautwurden.

Wäre es mit mehr Platz in den Haupt-

bahnhöfen getan?

Nein, gleichzeitig müssen die Bahn-höfe attraktiver werden und ihr oft-mals schmuddeliges Image beiseite-schaffen. Dafür brauchen sie unteranderem attraktivere Einzelhändler.

Was müssten die Händler ändern?

Ihr Angebot sollte dringend hochwer-

tiger werden. Mit der Bahn fahrendoch schon lange alle gesellschaftli-chen Gruppen. Ihre Anforderungenan die Qualität steigen. Deshalb istTake-away alter Prägung mit Curry-wurst, Burger und Laufgenbrezelheutzutage nicht mehr genug.

Wie könnte es besser laufen?

Nehmen Sie die Bahnhöfe in Japan.Sie wurden zu Genusstempeln umge-baut. Die Speisen sind qualitativ sehransprechend und auch die Aufent-haltsqualität stimmt. Die Menschengehen wie selbstverständlich zumBahnhof, wenn sie feine Lebensmittelsuchen. Die Preise sind zum Teil sehrhoch, aber viele Japaner sind bereit,sie zu zahlen.

Japan ist aber kaum mit Deutschland

vergleichbar, oder?

Auch hierzulande werden sich dieMenschen immer häufiger unterwegsversorgen. Gleichzeitig steigt ihr Inte-resse an hochwertiger, gesunder Er-nährung. Da kommt es auf den richti-gen Angebotsmix an.

Viele Anbieter sagen, dass sie sich

schon längst auf gesundheitsbewusste

Kunden eingestellt haben.

Das sehe ich noch nicht, da gibt esgroßen Nachholbedarf. Das belegteBrötchen dominiert nach wie vor. We-der die Gastronomie noch der Conve-nience-Bereich sind schon da, wo siehin müssten.

Wo müssten Sie denn hin?

Sie sollten unbedingt den Mut haben,viel Neues auszuprobieren. In Eng-land, China und Japan stellen Lebens-mittelhändler zum Beispiel hochwer-tige Packungen mit halbfertigenMahlzeiten zum Mitnehmen zusam-men, die der Kunde zu Hause aufwär-men oder schnell kochen kann.

Sehen Sie auch in Deutschland positive

Ansätze?

Von jungen Firmen wie Hellofreshkönnten sich deutsche Anbieter eini-ges abschauen. Positive Beispiele seheich außerdem in den Food-Malls derHauptbahnhöfe von Berlin undFrankfurt, weil sie Bereiche mit hoherAufenthaltsqualität geschaffen haben.

Sehen Sie die Drogeriemärkte auch so

kritisch wie die Food-Anbieter?

Nein, ihr Sortiment passt hervorra-

gend in den Bahnhof. Wegen des gro-ßen Andrangs kommen sie allerdingsan ihre Leistungsgrenze. Keine Kun-din, die beim Umsteigen schnell maleine Strumpfhose kauft, kann vor dernächsten Zugabfahrt lange in derSchlange stehen. Hier sind schnellereKassen- und Zahlsysteme sinnvoll. InBerlin bieten einige Märkte auchschon Wechat Pay für chinesischeTouristen an.

Was ist mit den kleineren Bahnhöfen

und S-Bahn-Stationen?

Da gibt es noch nicht die richtigenKonzepte, um die Kunden abzuholen.Seit 20 Jahren sind die kleinen undländlichen Bahnhöfe im Niedergang,weil die Bahn nur in die Großbahnhö-fe investiert. Die zuständige Unter-nehmenstochter DB Station & Servicemuss ihre Kennzahlen erfüllen undnimmt deshalb vor allem die großenConvenience-Anbieter als Mieter indie Empfangsgebäude. Sie ergreiftaber keine anderen Maßnahmen, umdie Aufenthaltsqualität zu erhöhen.Das muss sich ändern, damit Men-schen gern zum Bahnhof kommenund auch Lust haben, dort Zeit zuverbringen. him/lz 49-18

Susanne Henckel, Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr, über die Zukunft des Einzelhandels im Bahnhof,

das wachsende Gesundheitsbewusstsein der mobilen Esser und vernachlässigte S-Bahn-Stationen.

„Wurst ist nicht genug“

Susanne Henckel ist

Geschäftsführerin

des Verkehrsver-

bunds Berlin-Bran-

denburg. Zugleich

steht sie an der

Spitze der Bundes-

arbeitsgemeinschaft

Schienenpersonen-

nahverkehr.FO

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