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Jahn-Teller-Effekt des Arsen-Leerstellen-Komplexes in Silizium Diplomarbeit von Alexander Mattausch Lehrstuhl für theoretische Festkörperphysik Institut für Technische Physik III Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Mai 1999

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Jahn-Teller-Effekt desArsen-Leerstellen-Komplexes in Silizium

Diplomarbeitvon

Alexander Mattausch

Lehrstuhl für theoretische FestkörperphysikInstitut für Technische Physik III

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Mai 1999

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Theoretische Grundlagen 52.1 Theorie des Jahn-Teller-Effekts . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.1.1 Das Jahn-Teller-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . 62.1.2 Das Defektmolekül-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.2 Dichtefunktional-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.1 Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.2 Das Hohenberg-Kohn-Theorem . . . . . . . . . . . . . 112.2.3 Die Kohn-Sham-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 122.2.4 Die Lokale-Dichte-Näherung (LDA) . . . . . . . . . . . 142.2.5 Pseudopotential-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . 152.2.6 Das Programmpaket fhi96md . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Experimentelle Ergebnisse 213.1 Experimentelle Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3.1.1 Elektronenspinresonanz (EPR) . . . . . . . . . . . . . 213.1.2 Electron Nuclear Double Resonace (ENDOR) . . . . . 23

3.2 Der As-VSi-Komplex im Experiment . . . . . . . . . . . . . . . 233.2.1 Verwendete Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.2.2 Jahn-Teller-Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

4 Simulation des As-VSi-Komplexes 274.1 Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274.2 Die Volumeneigenschaften von Silizium . . . . . . . . . . . . . 27

4.2.1 Bestimmung der Gitterkonstante und des Bulkmoduls . 284.2.2 Berechnung der Bandstrukur . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.3 Struktur des As-VSi-Komplexes . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.3.1 Vergleich mit der neutralen Silizium-Leerstelle . . . . . 334.3.2 Der As-VSi-Komplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4.4 Ladungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

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iv INHALTSVERZEICHNIS

4.4.1 Der a1-Zustand im Valenzband . . . . . . . . . . . . . 384.4.2 Der a1-Defektzustand in der Bandlücke . . . . . . . . . 394.4.3 Die e-Zustände in der Bandlücke . . . . . . . . . . . . 39

4.5 Bestimmung der Potentialhyperfläche . . . . . . . . . . . . . . 414.5.1 Darstellung der Verzerrung in den Normalmoden des

Defektmoleküls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444.5.2 Interpolation zwischen den Verzerrungstypen . . . . . . 484.5.3 Analyse der Druckabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . 52

4.6 Bildungsvolumina und -energien . . . . . . . . . . . . . . . . . 524.6.1 Berechnung der Bildungsenergie . . . . . . . . . . . . . 524.6.2 Bildungsvolumen und -enthalpie . . . . . . . . . . . . . 55

5 Diskussion 595.1 Der As-VSi-Komplex im Defektmolekül-Bild . . . . . . . . . . 59

5.1.1 Experiment und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . 595.1.2 Normalmoden zur Beschreibung der Verzerrung . . . . 625.1.3 Gültigkeit des Defektmolekül-Bildes . . . . . . . . . . . 63

5.2 Die Frage der Jahn-Teller-Energie . . . . . . . . . . . . . . . 645.2.1 Vergleich mit experimentellen Ergebnissen . . . . . . . 645.2.2 Anharmonische Effekte in der Potentialhyperfläche . . 65

6 Zusammenfassung 67

A Berechnung der Normalmoden 71

B Bestimmung des Bildungsvolumens 75

Literaturverzeichnis 77

Danksagung 81

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Kapitel 1

Einleitung

In der Halbleiterindustrie ist Arsen ein häufig verwendeter Donator bei Bau-elementen auf Siliziumbasis. Aufgrund der immer kleiner werdenden Struk-turen bei Halbleiterbauelementen ist dabei die Mobilität der Dotieratomevon großem Interesse. Trotz großer experimenteller und theoretischer An-strengungen sind die Diffusionsprozesse, die zu einer Veränderung der fürdie Funktionsfähigkeit nötigen Strukturen führen, noch nicht vollständig ver-standen. Experimentell bestimmte Diffusionskonstanten weichen teilweise umGrößenordnungen voneinander ab. Da Arsen-Atome substitutionell in dasKristallgitter eingebaut sind, ist eine Diffusion durch einen einfachen Git-terplatzwechsel nicht möglich. Diese Prozesse werden erst durch Defekte imKristall möglich. Sowohl Atome auf Zwischengitterplätzen (interstitials) alsauch Leerstellen tragen zur Diffusion bei. Unklar ist jedoch oft, welcher De-fekt der vorherrschende Vermittler ist. So ist z.B. für Arsen nicht ausreichendgeklärt, welcher der beiden möglichen Diffusionsmechanismen – über Zwi-schengitterplätze oder Leerstellen – überwiegt. Aktuelle Veröffentlichungengehen von beiden Varianten aus.

Ein möglicher über Leerstellen funktionierender Diffusionspfad ist derRingmechanismus [1]. Das Arsen-Atom und die Leerstelle üben eine attrak-tive Wechselwirkung aufeinander aus, so daß der Arsen-Leerstellen-Komplex(As-VSi) häufig anzutreffen ist. Beim Ringmechanismus wandert die Leer-stelle einmal um einen Sechser-Ring des Silizium-Gitters, so daß sie sich aufder anderen Seite des Arsen-Atoms befindet. Dieses springt in die Leerstel-le und ist somit um einen Gitterplatz weiterdiffundiert. Die Wiederholungdieses Prozesses ermöglicht dem Arsen-Atom, einen weiteren Gitterplatz zuwechseln. Auf diese Art und Weise kann das Arsen-Leerstellen-Paar durchden Kristall diffundieren.

Durch den Einfang weiterer Arsen-Atome können sich Defekt-Cluster (As-Cluster als auch As-VSi-Cluster) bilden. Diese Cluster werden als Ursache für

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2 KAPITEL 1. EINLEITUNG

die Deaktivierung der Arsen-Dotierung angesehen, d.h. diese Defekte bindenLadungsträger an sich und wirken damit dem Ziel der Dotierung entgegen.Neuere theoretische Untersuchungen zeigen [2], daß die Bildungsenergie derDefekte mit mehr als zwei Arsenatomen negativ ist und sie außerdem immobilsind. Dies gilt als Hauptursache für die maximale Dotierbarkeit von 1019 cm−3

Arsen-Atomen bei Silizium-Halbleitern.Auch für das Problem der Transient Enhanced Diffusion (TED) – plötz-

lich erhöhte Diffusion der Dotieratome beim Ausheizen direkt nach der Im-plantation – zeigen sich Defekte verantwortlich. Durch das Implantieren ent-stehen Leerstellen und interstitials, die als Ursache für diesen Diffusionspro-zeß angesehen werden [3]. Dies ist ein aktuelles technologisches Problem, dadurch die TED die minimal mögliche Struktur in Halbleiterbauelemten be-grenzt wird. Abbildung 1.1 zeigt das Profil eines Bor-dotierten Übergitters,bei dem TED durch Implantieren von Silizium-Atomen ausgelöst wurde. Da-bei ist eine deutliche Verbreiterung der ursprünglichen Struktur erkennbar.Dies wirkt den Bestrebungen der Halbleiterindustrie entgegen, eine immerhöhere Integrationsdichte und damit immer kleinere Strukturen auf ihrenBauelementen zu erzielen.

Mit Hilfe von ab initio-Rechnungen können die mikroskopischen Mecha-nismen dieser Prozesse analysiert werden. Experimentell sind diese Diffusi-onsprozesse nur sehr schwer zu beobachten, was Streuungen der gemessenenDiffusionskonstanten um mehrere Größenordnungen zeigen. Das Problem istdie Bestimmung der Aktivierungsenergie: da diese Energie exponentiell indie Diffusionskonstante eingeht, führen bereits geringste Abweichungen beideren Bestimmung zu großen Fehlern. Ab initio-Simulationen können die fürdie Diffusion relevanten Defekte auf mikroskopischer Ebene berechnen undexperimentelle Untersuchungen unterstützen.

Auch vollkommen neue Bereiche lassen sich erschließen. Experimentell istes nicht möglich, die Struktur der Defekte auf atomarer Ebene zu bestimmen.Mit Hilfe von Elektronenspinresonanz (EPR) kann man die Defektzuständemessen, ein Rückschluß auf die atomare Struktur ist aber nur indirekt mög-lich. Durch ab initio-Rechnungen auf Basis der Dichtefunktionaltheorie lassensich die Kräfte auf die einzelnen Atome bestimmen und somit die Strukturmit minimaler Energie finden.

Aufgrund ihrer fundamentalen Bedeutung für Diffusionsprozesse ist dieLeerstelle in Silizium (VSi) ein häufiges Ziel theoretischer Untersuchungen. Sokonnten Baraff, Kane und Schlüter [4] durch Gesamtenergie-Berechnungenzeigen, daß es sich bei der Silizium-Leerstelle um ein „Anderson negative U -system“ handelt, d.h. daß Übergänge zwischen den Ladungszuständen V 0 undV ++ nur als Zwei-Elektronen-Übergänge möglich sind und der Zustand V +

nicht stabil ist. In ihren Strukturuntersuchungen bestimmten sie die Jahn-

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Abbildung 1.1: Profil eines Bor-dotierten Übergitters vor und nach einemkünstlich aktivierten Diffusionsprozess: die dünne Linie im oberen Bild zeigtdas ursprüngliche Profil, die dicke Linie das Profil nach der Implantierungvon Silizium-Atomen und Ausheizen. Die vorher scharfen Konturen des Über-gitters sind deutlich verschwommen. (aus [3])

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4 KAPITEL 1. EINLEITUNG

Teller-Energie der neutralen Silizium-Leerstelle V 0 mit 0,2 eV.Die Silizium-Leerstelle wurde erst kürzlich wieder Gegenstand von Ver-

öffentlichungen. Puska, Pöykkö, Pesola und Nieminen [5] haben ausführ-lich die Struktur der Silizium-Leerstelle für unterschiedliche Größen der Su-perzelle und für unterschiedliche Mittelwertpunkte bei der Brillouin-Zonen-Integration diskutiert. Die von ihnen gefundene Auswärtsrelaxation der näch-sten Nachbarn bei der Rechnung mit dem Γ-Punkt als Mittelwertpunkt inder 64-Atomzelle konnte in dieser Arbeit allerdings nicht reproduziert wer-den, sehr wohl allerdings die D2d-Symmetrie und die Bildungsenergie vonca. 3,3 eV.

Antonelli, Kaxiras und Chadi [6] fanden ein unerwartetes Ergebnis: esexistieren bei Druck P = 0 GPa zwei unterschiedliche Verzerrungen derSilizium-Leerstelle mit gleicher Bildungsenergie. Die beiden Verzerrungenunterscheiden sich deutlich in ihrem Bildungsvolumen. Dieses Ergebnis wirftauch ein vollkommen neues Licht auf die Untersuchung des As-VSi-Komplexes,da dort ein ähnliches Phänomen erwartet werden muß. Da Veröffentlichun-gen zum As-VSi-Komplex selten sind, können Vergleiche mit der Silizium-Leerstelle fruchtbar sein.

Ab initio-Berechnungen des As-VSi-Komplexes werden meist im Rahmender Untersuchung von Diffusionsprozessen gemacht. Das Hauptaugenmerkwird dabei auf die Bildungs- und die Aktivierungsenergie gelegt, strukturelleAnalysen treten in den Hintergrund. Eine ausführliche ab initio-Analyse derDotieratom-Diffusion findet sich in [7]. Bezüglich des As-VSi-Komplexes gibtes allerdings das Problem, daß die Jahn-Teller-Energie und die strukturelleVerzerrung, die man aus Simulationen mit Dichtefunktionaltheorie erhält, imVergleich zu experimentell gefundenen Werten viel zu klein ist. Es steht zuerwarten, daß bisher nicht berücksichtigte Effekte – im Experiment oder inder Theorie – die Untersuchung des Defektes erschweren. Eine Möglichkeitist, daß auch beim As-VSi-Komplex wie bei der Silizium-Leerstelle mehreremögliche Verzerrungsstrukturen existieren. Dies soll in den folgenden Kapi-teln untersucht werden.

Kapitel 2 gibt einen kurzen Überblick über den Jahn-Teller-Effekt (Ab-schnitt 2.1) und die Dichtefunktionaltheorie (Abschnitt 2.2). In Kapitel 3werden kurz die experimentellen Methoden zur Untersuchung des Defektserläutert und die von Watkins und Elkin [8] gefundenen Ergebnisse darge-stellt. Die dieser Arbeit zu Grunde liegenden Ergebnisse werden in Kapitel 4präsentiert. Die Diskussion dieser Ergebnisse und der Vergleich mit den expe-rimentellen Resultaten findet in Kapitel 5 statt. Kapitel 6 faßt die Ergebnisseschließlich zusammen.

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Kapitel 2

Theoretische Grundlagen

Für die Betrachtung des As-VSi-Komplexes wurden die Berechnungen aufder Grundlage der Dichtefunktionaltheorie von Hohenberg und Kohn undden Kohn-Sham-Gleichungen durchgeführt. Dazu wird der Defekt in soge-nannten Superzellen, das sind Vielfache der Einheitszelle, nachgebildet. Füreine Superzelle des Silizium-Gitters mit 64 Atomen wird z.B. die achtato-mige kubische Einheitszelle in x, y, und z-Richtung zweimal vervielfältigt.Der Defekt wird durch Entfernen eines Atoms in der Superzelle und Ersetzeneines Nachbaratoms durch ein Arsen-Atom erzeugt. Da man von einem un-endlichen Festkörper ausgeht, wird die Zelle für die Berechnungen periodischfortgesetzt. In Abschnitt 2.2 soll auf die theoretischen Grundlagen und dieverwendeten Techniken näher eingegangen werden.

Obiges Verfahren betrachtet den Defekt und alle ihn umgebenden weite-ren Atome in der Superzelle. Die Interpretation des Defektes geschieht jedochmeist im sogenannten Defektmolekül-Modell, das in Abschnitt 2.1.2 erklärtwird. Dabei werden lediglich die nächsten Nachbarn des Defekts berücksich-tigt. Mit diesem Modell läßt sich allerdings, wie in Kap. 3 dargestellt wird, derJahn-Teller-Effekt des Komplexes qualitativ erklären und eine quantitativeAbschätzung durchführen.

Beim neutralen As-VSi-Komplex ragen die mit insgesamt fünf Elektronenbesetzten und an den Atomen lokalisierten Orbitale in die Leerstelle hinein.Betrachtet man die daraus resultierenden Defektzustände (vgl. Kap. 4), stelltman fest, daß der energetisch höchste Zustand zweifach entartet, aber nur miteinem Elektron besetzt ist. Das Jahn-Teller-Theorem, das in Abschnitt 2.1erklärt ist, besagt, daß ein solches System instabil gegenüber einer Verzerrungist, die die Symmetrie reduziert und eine Erniedrigung der Energie hervorruft.Beim As-VSi-Komplex handelt es sich um ein solches Jahn-Teller-System.

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6 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2.1 Theorie des Jahn-Teller-Effekts

2.1.1 Das Jahn-Teller-Theorem

Das Theorem von Jahn und Teller (1937) kann wie folgt beschrieben werden:

Sind die Atomkerne eines Moleküls oder kristallinen Defektsin einer symmetrischen Konfiguration und sind deren teilweisebesetzte elektronische Zustände entartet, so ist das Molekül oderder Defekt instabil gegenüber wenigstens einer asymmetrischenVerzerrung der Struktur, die die Entartung aufhebt. Einzige Aus-nahme zu dieser Regel ist das lineare Molekül.

Abbildung 2.1 veranschaulicht dies schematisch. Die energetische Entartungder Zustände wird durch eine Verzerrung Q aufgehoben. Für kleine Verzer-rungen ist die Aufspaltung durch VJTQ gegeben, wobei VJT die Kopplungs-konstante des Jahn-Teller-Effekts ist. Das Jahn-Teller-Theorem besagt, daßes mindestens eine solche Koordinate Q gibt. Da die elastische Energie pro-portional zuQ2 ist, findet sich somit eine Gleichgewichtsverzerrung, in der deruntere Split-Off -Zustand energetisch günstiger ist als in der symmetrischenStruktur. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß der KopplungskoeffizientVJT nicht zufällig Null ist. Der Jahn-Teller-Hamiltonoperator hat damit dieForm

HJT = VJTQ+1

2kQ2 . (2.1)

Der Jahn-Teller-Effekt resultiert aus der Kopplung der elektronischen Zu-stände an die Position der Atomkerne des Moleküls bzw. des Defekts. Dabeisagt das Jahn-Teller-Theorem nur die Existenz einer Verzerrung voraus, nichtaber deren Stärke.

Obiges Bild beschreibt den statischen Jahn-Teller-Effekt. Dort gibt es einefeste, energetisch begünstigte Verzerrung. Dem gegenüber steht der dynami-sche Jahn-Teller-Effekt. Diesen kann man in einen quasi-dynamischen undeinen rein dynamischen Effekt unterteilen. Beim quasi-dynamischen Effekttritt eine thermisch aktivierte Reorientierung auf, was bei genügend tiefenTemperaturen zu einem staischen Effekt führt. Beim rein dynamischen Effektkoppeln der elektronische und der vibronische Anteil der Wellenfunktion sostark, daß selbst im Grundzustand ein „Einfrieren“ der Atompositionen nichtmöglich ist. Das System kann nur über eine Schrödinger-Gleichung beschrie-ben werden, die sowohl den elektronischen Hamilton-Operator als auch denvollen Hamiltonoperator der Ionen enthält. Eine entkoppelte Betrachtungdes elektronischen und vibronischen Anteils in der Wellenfunktion ist dannnicht mehr möglich.

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2.1. THEORIE DES JAHN-TELLER-EFFEKTS 7

0

Verzerrung Q

Energie E

E0

Q0 E

JT

Abbildung 2.1: Energieaufspaltung eines zweifach entarteten Zustandes durchdie Jahn-Teller-Verzerrung. Es ergibt sich eine neue Gleichgewichtskoordina-te Q0. Der Energieunterschied zwischen der Energie in der symmetrischen(Q = 0) und dem unteren Zustand in der verzerrten Konfiguration (Q = Q0)ist die Jahn-Teller-Energie EJT.

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8 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2.1.2 Das Defektmolekül-Modell

Das Defektmolekül-Modell baut auf den in Kap. 3 dargestellten EPR-Ex-perimenten von Watkins [9, 8] auf. Die Experimente zeigen, daß der größteTeil der Ladungsdichte der Defektzustände im Inneren des Defektes angesie-delt ist. Somit wird in einem extrem vereinfachten Modell der Defekt ohnedie übernächsten Nachbaratome betrachtet, nur die nächsten Nachbarn zurLeerstelle werden berücksichtigt: das Defektmolekül.

Durch das Entfernen eines Atoms aus dem Kristallgitter bleiben vier auf-gebrochene Orbitale an den Nachbaratomen zur Leerstelle übrig, die in dieLeerstelle hineinragen. Aus diesen sp3-Hybriden, die so nicht der Symmetriedes Defektes angepaßt sind, lassen sich neue symmetrieangepaßte Wellen-funktionen als Linearkombinationen der Orbitale bilden. Die so entstehendenZustände werden dann mit Elektronen besetzt.

Als Beispiel soll der As-VSi-Komplex mit C3v-Symmetrie betrachtet wer-den. Als Ausgangsbasis dienen die vier an den Atomen i lokalisierten Orbitale|i〉. Mit Hilfe der Gruppentheorie stellt man fest, daß dieses System die ir-reduzible Darstellung a1 zweimal und die e-Darstellung einmal enthält. MitHilfe von Projektoren lassen sich nun die neuen symmetrie-angepaßten Ba-sisfunktionen finden.1 Das Defektmolekül und die Wellenfunktionen sind inAbb. 2.2a dargestellt.

Das Defektmolekül-Modell ist ein Ein-Elektron-Modell, das die Austausch-und Korrelationseffekte der Elektron-Elektron-Wechselwirkung vernachläs-sigt. Es geht von der Annahme aus, daß der energetische Abstand zwischenden Defektzuständen größer ist als die Elektron-Elektron-Wechselwirkung.Diese Annahme ist a priori nicht gerechtfertigt, es zeigt sich jedoch, daß dieexperimentell gefundenen Effekte qualitativ erklärbar und auch quantitativeAbschätzungen möglich sind (siehe z.B. Ref. [8]).

Der Jahn-Teller-Effekt im Defektmolekül-Bild

Die elektronischen Zustände beim Jahn-Teller-verzerrten Komplex lassen sichgenauso wie beim idealen Komplex analysieren. Bei der Jahn-Teller-Verzer-rung bewegen sich die Atome 1 und 2 aufeinander zu, während Atom 3 nachaußen gedrängt wird. Dieses System hat C1h-Symmetrie, d.h. die beiden a1-Zustände gehen über in a′-Zustände, und der e-Zustand spaltet auf in einen a′und einen a′′-Zustand. Abbildung 2.2b zeigt die elektronischen Zustände nachder Jahn-Teller-Verzerrung. Die Verzerrung koppelt dabei an die e-Zuständedes idealen Komplexes. Die Analyse in Abschnitt 4.5.1 zeigt, daß das Molekül

1Dieses Verfahren funktioniert analog den in Anhang A dargestellten Techniken zurBestimmung der Normalmoden des zwölfdimensionalen Defektmoleküls.

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2.1. THEORIE DES JAHN-TELLER-EFFEKTS 9

a′′ 1√2

(|1〉 − |2〉)

e ↑1√2

(|1〉 − |2〉)

1√6

(2 |3〉 − |1〉 − |2〉)

a′ ↑ |3〉 − λ1√2

(|1〉+ |2〉) + λ2 |4〉

a1 ↑↓ 1√3

(|1〉+ |2〉+ |3〉)− λ |4〉 ↘

a′ ↑↓ 1√2

(|1〉+ |2〉) + λ1 |3〉 − λ3 |4〉

a1 ↑↓ |4〉+ λ√3

(|1〉+ |2〉+ |3〉) −→ a′ ↑↓ |4〉+ λ3√2

(|1〉+ |2〉) + λ2 |3〉

C3v C1h

(a) (b)

Abbildung 2.2: Der As-VSi-Komplex im Defektmolekül-Modell. Die Atome 1bis 3 stellen die Silizium-Atome, das Atom 4 das Arsen-Atom dar. Die |i〉 sinddie Orbitale, die an den jeweiligen Atomen i lokalisiert sind. Die Zuständesind energetisch geordnet. Es sind die Wellenfunktionen in der idealen Struk-tur mit C3v-Symmetrie abgebildet (a) als auch in der Jahn-Teller-verzerrtenStruktur (b). Bei der Jahn-Teller-Verzerrung bewegen sich die Atome 1 und 2aufeinander zu, Atom 3 wird nach außen gedrängt. Zwischen 1 und 2 entstehteine elektronische Bindung.

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10 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

entsprechend der E-Normalmode deformiert wird.Die E-Mode ist zweidimensional, d.h. zur Beschreibung müßten zwei Ver-

zerrungsvektoren betrachtet werden. Der Anschaulichkeit halber soll hier nureine eindimensionale Betrachtung erfolgen. Die Jahn-Teller-verzerrte Struk-tur und die zugehörige Wellenfunktion transformieren sich in der resultieren-den C1h-Symmetrie wie A′. Damit ergibt sich für den Erwartungswert desJahn-Teller-Hamiltonoperators mit der Verzerrung Q(a′)⟨

HJT(a′)⟩

= VeQ(a′) +1

2keQ(a′)2 . (2.2)

Minimierung bezüglich Q(a′) ergibt die Jahn-Teller-Energie

EJT = − V 2e

2ke

, (2.3)

als Gleichgewichtskoordinate erhält man

Q0(a′) = −Ve

ke

. (2.4)

Durch die Bestimmung von Ve und ke läßt sich die Jahn-Teller-Energie be-rechnen.

2.2 Dichtefunktional-TheorieDie Berechnung des As-VSi-Komplexes wurde im Rahmen der Dichtefunk-tionaltheorie durchgeführt. Diese von Kohn, Hohenberg, Sham und weiterenentwickelte Theorie betrachtet nicht die Wellenfunktionen als grundlegendeGröße, sondern die Ladungsdichte und drückt Energien als Funktional dersel-bigen aus. Die grobe Näherung des Defektmoleküls wird hierbei verlassen, dadie Dichtefunktionaltheorie alle Wechselwirkungen zwischen den Elektronenund dem Festkörper als auch zwischen den Elektronen selbst berücksichtigt.Die Theorie und deren praktische Umsetzung soll im folgenden erläutert wer-den.

2.2.1 Konzepte

Die Dichtefunktionaltheorie reduziert das Problem der sehr komplexen Lö-sung eines quantenmechanischen Vielteilchenproblems auf die Betrachtungeiner einzigen Variablen: der Elektronendichte. Eine Vielteilchenwellenfunk-tion ist die Funktion von N Ortskoordinaten, wobei N die Anzahl der Teil-chen darstellt: Ψ = Ψ (r1, r2, . . . , rN). In der Dichtefunktionaltheorie wird die

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2.2. DICHTEFUNKTIONAL-THEORIE 11

Elektronendichte betrachtet, die nur vom Ort abhängt: n = n (r). Dies führtzu einer deutlichen Vereinfachung des Problems.

Die aufwendige Vielteilchen-Quantenmechanik wird dabei auf ein Mini-mierungsproblem zurückgeführt. Für ein beliebiges System von Teilchen, diedurch die Coulomb-Kraft wechselwirken und sich in einem externen Potentialv0(r) befinden, ist die Grundzustandsdichte und -energie durch die Minimie-rung folgenden Funktionals gegeben:

E[n(r)] = T [n(r)] + Vee[n(r)] +

∫d3r v0(r)n(r) (2.5)

Dabei sind T [n], die kinetische Energie, und Vee[n], die Coulomb-Energie,universelle Funktionale von n(r) und hängen nicht von dem externen Po-tential v0(r) ab. Dieses universelle Funktional wird in der Literatur meistF [n] := T [n] + Vee[n] abgekürzt. Da in diesem Funktional das gesamte Viel-teilchenproblem enthalten ist, kann es nicht exakt angegeben werden.

Der Zusammenhang zwischen der Elektronendichte und der Grundzu-stands-Vielteilchenwellenfunktion ist wie folgt gegeben:

n(r) = 〈Ψ| n |Ψ〉 = 〈Ψ|∑

α

ψ†α(r)ψα(r) |Ψ〉 (2.6)

mit n =∑

α ψ+α (r)ψα(r) als Ladungsdichteoperator in zweiter Quantisierung.

2.2.2 Das Hohenberg-Kohn-Theorem

Das Hohenberg-Kohn-Theorem [10] ist das grundlegendste Prinzip der Dich-tefunktionaltheorie. Es sagt aus, daß es eine eineindeutige Abbildung derGrundzustands-Elektronendichte auf die Vielteilchenwellenfunktion (n(r) 7−→|Ψ[n]〉) als auch auf das externe Potential (n(r) 7−→ v(r)) gibt. Dies bedeutet,daß der Erwartungswert einer Observablen O im Grundzustand ein Funktio-nal der exakten Grundzustands-Elektronendichte ist:

〈Ψ[n]| O |Ψ[n]〉 = O[n] (2.7)

Damit gibt es eine eineindeutige Zuordnung der Grundzustands-Elektronen-dichte zu einer Grundzustandsenergie. Es gilt

minn(r)

E[n(r)] = E[nGS(r)] = EGS , (2.8)

wobei nGS(r) die Elektronendichte im Grundzustand ist.

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12 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Die Grundzustandsenergie ist damit, wie bereits in Gl. (2.5) vorwegge-nommen,

E0[n] = F [n] +

∫d3r v0(r)n(r) (2.9)

mitF [n] = 〈Ψ[n]| T + Vee |Ψ[n]〉 .

F [n] ist dabei vollständig unabhängig von v0(r) und ist damit für jedes Sy-stem mit Coulombwechselwirkung zwischen den Elektronen gleich.

Das Hohenberg-Kohn-Theorem stellt die Verbindung zwischen der Ge-samtenergie des Systems und der Elektronendichte her. Damit wurde gezeigt,daß die Elektronendichte die selbe Aussagekraft über ein physikalisches Sy-stem besitzt wie die Wellenfunktion.

2.2.3 Die Kohn-Sham-Gleichungen

Mit Hilfe der Kohn-Sham-Gleichungen wird die Berechnung der Funktio-nals (2.9) vereinfacht. Das Funktional F [n] läßt sich für ein System wech-selwirkender Teilchen nicht aufstellen, da darin sämtliche Wechselwirkungender Elektronen untereinander enthalten sind. Kohn und Sham lösen diesesProblem, indem sie ein effektives Einteilchenbild erstellen [11].

Gleichung (2.9) läßt sich hierdurch wie folgt schreiben (es werden atomareEinheiten verwendet):

E[n] = Ts[n] + EH [n] + EXC [n] +

∫d3r v0(r)n(r) (2.10)

= Ts[n] +e2

2

∫ ∫d3r d3r′

n(r)n(r′)

|r− r′|+ EXC [n]

+

∫d3r v0(r)n(r) (2.11)

Ts[n] ist hierbei die kinetische Energie für ein System nicht-wechselwirken-der Teilchen, EH [n] stellt die Hartree-Energie des Elektronengases durch dieCoulomb-Wechselwirkung dar. Ts[n] und EH [n] enthalten keinerlei Vielteil-cheneffekte und sind damit vollständig im Einteilchen-Bild beschreibbar. DieVielteilcheneffekte, d.h. Austausch- und Korrelationseffekte, sind vollständigim Funktional EXC [n] enthalten. EXC [n] ist definiert durch

EXC = F [n]− Ts[n]− EH [n]

= T [n] + Vee[n]− Ts[n]− EH [n] .

Zu dem externen Potential v0(r) gehört nach dem Hohenberg-Kohn-Theo-rem eine Grundzustandsdichte n0(r). Diese Grundzustandsdichte setzt sich

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2.2. DICHTEFUNKTIONAL-THEORIE 13

im Kohn-Sham-Schema aus der Summe des Betragsquadrats der effektivenEinteilchen-Wellenfunktionen zusammen,

n0(r) =N∑

i=1

|ϕi(r)|2 , (2.12)

die mit Hilfe einer effektiven Einteilchen-Schrödinger-Gleichung bestimmtwerden: (

−1

2∇2 + veff(r)

)ϕi(r) = εiϕi(r) . (2.13)

Dabei ist veff(r) ein effektives Einteilchenpotential, das alle genannten Poten-tialterme enthält: vH , vXC und das externe Potential v0.

Das effektive Potential veff erhält man durch Variation der zu v0(r) undn0(r) gehörigen Gesamtenergie mit der Bedingung, daß E0[n0] minimal ist,d.h.

δE0 = 0 = E0[n0 + δn0]− E0[n0] .

Für veff(r) ergibt sich damit

veff(r) = v0(r) +e2

2

∫d3r′

n0(r′)

|r− r′|+ vXC([n0]; r) . (2.14)

Das Austausch-Korrelations-Potential vXC([n0], r) ergibt sich aus der Varia-tionsableitung der Austausch-Korrelationsenergie nach der Elektronendichte:

vXC([n0]; r) =δEXC [n]

δn

∣∣∣∣n0

.

Mit Hilfe von Gl. (2.13) gilt es nun, die Gesamtenergie zu bestimmen.Berechnet man die Erwartungswerte der Einteilchenzustände und summiertüber sie, erhält man

N∑i=1

∫d3r

1

2ϕ∗i (r)∇2ϕi(r) =

N∑i=1

εi −N∑

i=1

∫d3r veff (r)ϕ

∗i (r)ϕi(r) , (2.15)

so daß die kinetische Energie des Elektronengases resultiert:

Ts[n] =N∑

i=1

εi −∫d3r veff (r)n(r) . (2.16)

Setzt man dieses Ergebnis in Gl. (2.11) ein, so erhält man für die Gesamt-energie

E[n] =N∑

i=1

εi −∫d3r veff (r)n(r) + EH [n] + EXC [n] + Vext[n] . (2.17)

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14 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Mit veff (r) aus Gl. (2.14) erhält man für die Grundzustandsenergie

E0 = E[n0] =N∑

i=1

εi − EH [n0] + EXC [n0]−∫d3r vXC([n0]; r)n(r) . (2.18)

Durch selbstkonsistentes Lösen der Gl. (2.12) und (2.13) erhält man dieElektronendichte, mit der man aus Gl. (2.18) die Grundzustandsenergie be-rechnen kann.

2.2.4 Die Lokale-Dichte-Näherung (LDA)

Nach wie vor gibt es das Problem, daß es für EXC [n] und vXC [n; r] keinenanalytischen Ausdruck gibt. In diesen Funktionalen sind die Wechselwirkun-gen enthalten, die sich aus dem Fermion-Charakter der Elektronen ergeben.Im Gegensatz zum Hartree-Fock-Schema, das nur Austausch-Effekte berück-sichtigt, sind in EXC auch Korrelationseffekte enthalten.

Das Funktional EXC [n] kann nur genähert werden. Die am häufigstenverwendete Näherung ist die Lokale Dichte-Näherung (local density appro-ximation, LDA). Diese Näherung stammt aus der Theorie des homogenenElektronengases und nimmt an, daß sich die Elektronendichte nur langsamverändert. Üblicherweise wird EXC [n] in der LDA wie folgt definiert:

ELDAXC [n] :=

∫d3r ehom

XC (n(r))n(r) (2.19)

Betrachtet man alle Wechselwirkungseffekte in einem Funktional der Elek-tronendichte, kann die Korrelation durch eine Korrelationsfunktion g(r, r′)beschrieben werden:

Vee[n(r)] =e2

2

∫ ∫d3r d3r′

n(r)n(r′)g(r, r′)

|r− r|(2.20)

= EH − e2

2

∫ ∫d3r d3r′

n(r)n(r′)(1− g(r, r′))

|r− r′|(2.21)

Anschaulich lassen sich die Korrelationseffekte so interpretieren, daß ein Elek-tron ein benachbartes Elektron in seiner Umgebung verdrängt, man sprichtauch vom „Austausch-Korrelations-Loch“. Es gilt:∫

d3r′ n(r′)(1− g(r, r′)) = 1 , (2.22)

d.h. das Elektron ist von dem Austausch-Korrelations-Loch exakt abgeschirmt.Aus Gl. (2.21) erhält man damit die exakte Austausch-Korrelations-Energie:

EXC [n] =e2

2

∫ ∫d3r d3r′

n(r)n(r′)(1− g(r, r′))

|r− r′|. (2.23)

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2.2. DICHTEFUNKTIONAL-THEORIE 15

In der lokalen Dichte-Näherung geht man nun davon aus, daß g(r, r′) wiebeim homogenen Elektronengas nur vom Abstand r− r′ abhängt. Aus (2.23)erhält man hiermit

ELDAXC [n] =

e2

2

∫d3r n2(r)

∫d3r′

1− g(r′)

r′. (2.24)

Für dieses Funktional gibt es unterschiedliche Parametrisierungen, auf diehier nicht weiter eingegangen werden soll.

Obwohl LDA vom homogenen Elektronengas ausgeht und nur für langsamveränderliche Elektronendichten eine gute Näherung ist, liefert sie auch beischnell veränderlichen Elektronendichten erstaunlich gute Ergebnisse. Diesliegt daran, daß das Austausch-Korrelations-Loch der LDA das wirklicheAustausch-Korrelations-Loch sehr gut nähert. Eine genauere Analyse wie inRef. [12] zeigt, daß eine günstige gegenseitige Aufhebung von Fehlern dieUrsache hierfür ist.

2.2.5 Pseudopotential-Methode

In den vorherigen Abschnitten wurden alle Elektronen eines Systems be-rücksichtigt. Eine weitere Vereinfachungsmöglichkeit bieten Pseudopotentia-le. Dabei werden die Rumpfelektronen und die damit verbundene Abschir-mung der Kernladung in das Potential mit einbezogen. Relevant für dieBerechnungen sind nur noch die Valenzelektronen, was zu einer deutlichenVereinfachung der Kohn-Sham-Gleichungen führt. Außerdem hat das exak-te Kernpotential an der Position des Atomkerns eine 1/r-Singularität. Diesbedeutet, daß die Wellenfunktionen an diesem Ort stark oszillieren.

Häufig werden die Kohn-Sham-Gleichungen dadurch gelöst, daß die Ein-teilchen-Wellenfunktionen in ebenen Wellen beschrieben werden. Um diestarken Oszillationen beschreiben zu können, muß deshalb eine Entwicklungbis zu einer hohen Wellenzahl G durchgeführt werden. Dies führt in denComputersimulationen zu einer deutlichen Vergrößerung des Systems. Pseu-dopotentiale schirmen die Singularität ab, so daß die Wellenfunktionen nichtso stark oszillieren und durch weniger ebene Wellen repräsentiert werdenkönnen.

Realisiert wird dies dadurch, daß die in ebene Wellen entwickelten Valenz-zustände orthogonal zu den Rumpfzuständen konstruiert werden. Dadurchist es möglich, die Austausch- und Korrelationseffekte der Rumpfzustände indas Pseudopotential einzubeziehen. Dies führt zu einer Aufteilung der La-dungsdichte einen Rumpf- und einen Valenzanteil:

n(r) = ncore(r) + nv(r) . (2.25)

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16 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Dies vereinfacht die Berechnung erheblich, da bei der Eigenwertberechnungdie Matrixelemente des Hamiltonoperators nur noch für die Valenzzuständebestimmt werden müssen, denn die Rumpfzustände werden vollständig durchdas Pseudopotential beschrieben. Gleichzeitig hat dieses effektive Potentialkeine Singularität und ist deutlich flacher als das vollständige Kernpotential.Dies führt zu einer Glättung der Valenzwellenfunktionen. Dadurch werdenbei Beschreibung der Wellenfunktionen in ebenen Wellen eine niedrigere Zahlvon G-Vektoren benötigt. Abbildung 2.3 zeigt schematisch die Wirkung derPseudopotential-Methode.

Abbildung 2.3: Schematische Darstellung der Pseudopotential-Methode. V(gestrichelte Linie) ist das Kernpotential und φ die zugehörige Wellenfunkti-on. Durch das Pseudopotential VPS ändert sich die Wellenfunktion innerhalbdes Kernradius rc zur einfacheren Pseudo-Wellenfunktion φPS.

Erklären lassen sich die Pseudopotentiale mit Hilfe der Streutheorie. Da-bei wird eine ebene Welle an einem sphärisch symmetrischen Potential ge-

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2.2. DICHTEFUNKTIONAL-THEORIE 17

streut, es resultiert eine modulierte Kugelwelle:

ψ(r) = eikz + f(θ)eikr

r(2.26)

mit f(θ) als Streuamplitude

f(θ) =1

2ik

∞∑l=0

(2l + 1)(e2iδl − 1

)Pl(cos θ) (2.27)

und θ als Streuwinkel. Die Streuamplitude f(θ) läßt sich mit Hilfe der Metho-de der Partialwellenzerlegeung finden. Löst man die zugehörige Schrödinger-Gleichung, erhält man als Lösung im Limes r →∞ die Radialwellenfunktion

Rψ∼

sin(kr − π

2l + δl

)r

. (2.28)

Das Potential geht dabei nur in die Streuphase δl ein. Nun konstruiert manein Pseudopotential so, daß es genau die gleiche Streuphase liefert.

Dadurch, daß sich die Streuphase bei höheren Drehimpulsquantenzahlenändert, muß das Pseudopotential für jedes l so konstruiert werden, daß es dierichtige Streuphase liefert. Eine mögliche Form eines Pseudopotentials ist

V PS(r) =∑

l

JlVl(r)Jl , (2.29)

wobei Jl den Projektionsoperator auf die Drehimpulseigenfunktionen dar-stellt.

Die Berechnungen werden allerdings meist im k-Raum durchgeführt, sodaß die Fourier-Transformierte von Vl(r) interessant ist. Sie hat die Form [13]

Vl(k,k′) =

V(2l + 1)Pl(k · k′)Ul(k, k

′) (2.30)

mit Pl als Legendre-Polynom der Ordnung l und

Ul(k, k′) =

∫ ∞

0

dr r2 jl(kr)Vl(r)jl(k′r) , (2.31)

wobei jl die sphärische Bessel-Funktion l-ter Ordnung darstellt.Gleichung (2.30) ist eine Funktion von k und k′, integriert wird nur über

r. Kleinman und Bylander haben dieser Form den Namen semi-lokal gege-ben [14]. Sie haben festgestellt, daß die Berechnung im k-Raum beschleunigtwerden kann, wenn man den Ausdruck für die Pseudopotentiale im Ortsraum

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18 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

„verkompliziert“. Sie spalten dazu das Pseudopotential in einen lokalen undeinen nichtlokalen Anteil auf:

V KBl = Vlocal + Vnl,l , (2.32)

wobei Vnl,l aus dem semilokalen Anteil von Vl gebildet wird. Dabei hängtVlocal nicht mehr von l ab. Die Pseudo-Wellenfunktionen von Vl und V KB

l

sind dabei identisch, nicht jedoch die Energieeigenwerte, die man mit denPotentialen erhält. Wenn beide Pseudopotential-Näherungen gültig sind, sinddie Ergebnisse allerdings sehr ähnlich.

Dies zeigt die Freiheit bei der Konstruktion eines Pseudopotentials: bei-de Pseudopotentiale, Vl und V KB

l , liefern die gleiche Pseudo-Wellenfunktion(d.h. die gleiche Streuphase), die Ergebnisse bei Verwendung dieser Potentialekönnen allerdings unterschiedlich sein. Deshalb gilt es, sich vor der Verwen-dung eines Pseudopotentials von der Korrektheit der erhaltenen Ergebnissezu überzeugen. Ein guter Test ist hier z.B. die Bestimmung der Gitterkon-stante eines bekannten Systems.

2.2.6 Das Programmpaket fhi96md

Die Simulationen dieser Arbeit wurden mit dem Programm-Paket fhi96mddurchgeführt [15]. Es verwendet den Superzellen-Ansatz, bei der die Struk-tur des zu berechnenden Systems in einer Zelle mit N Atomen vorgege-ben und periodisch vervielfältigt wird. Das Programm löst die Kohn-Sham-Gleichungen selbstkonsistent, um die Grundzustands-Elektronendichte und-Gesamtenergie zu bestimmen. Hierzu werden die Kohn-Sham-Wellenfunk-tionen in ebene Wellen entwickelt,

ϕi,k(r) =∑

G, 12|G+k|2<Ecut

ci,G+kei(G+k)·r , (2.33)

wobei Ecut die Energie angibt, bei der die Entwicklung abgeschnitten wird.Die Brillouinzonen-Integration wurde im Monkhorst-Pack-Verfahren durcheine Summe über spezielle k-Punkte ersetzt [16].

Als Näherungen für das Austausch-Korrelations-Funktional können LDAoder GGA (Generalized Gradient Approximation) verwendet werden. Im Pro-gramm wird die LDA in der Form von Ceperley und Alder [17] in der Para-metrisierung von Perdew und Zunger [18] verwendet.

Die Kohn-Sham-Gleichungen werden iterativ gelöst. Dazu wird das ge-dämpfte Joannopoulos-Algorithmus verwendet [19]. Dieses Verfahren iteriert

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2.2. DICHTEFUNKTIONAL-THEORIE 19

von einer Testwellenfunktion∣∣∣ϕ(0)

i,k

⟩ausgehend eine gedämpfte Bewegungs-

gleichung für die Wellenfunktion,

d2

dτ 2

∣∣∣ϕ(τ)i,k

⟩+ 2γ

d

∣∣∣ϕ(τ)i,k

⟩=

(εi,k − HKS

) ∣∣∣ϕ(τ)i,k

⟩, (2.34)

unter der Nebenbedingung, daß die Wellenfunktionen orthonormal sind, d.h.⟨ϕ

(τ)i,k

∣∣∣ ϕ(τ)i,k

⟩= δij. Dabei stellen γ die Dämpfung und εi,k den Lagrange-

Parameter für die Nebenbedingung dar. Diese Bewegungsgleichung wird fürden Zeitschritt δτ integriert. Die neue Wellenfunktion

∣∣∣ϕ(τ+1)i,k

⟩ergibt aus

einer Mischung der Wellenfunktionen der letzten beiden Iterationsschritte τund τ − 1,

〈G + k| ϕ(τ+1)i,k

⟩= 〈G + k| ϕ(τ)

i,k

⟩+ βG 〈G + k| ϕ(τ)

i,k

⟩+γG 〈G + k| ϕ(τ)

i,k

⟩− ηG 〈G + k| HKS

∣∣∣φ(τ)i,k

⟩(2.35)

Die Koeffizienten βG, γG und ηG werden gemäß Ref. [15] bestimmt. In die-sem steepest descent-Verfahren gibt 〈G + k| HKS

∣∣∣φ(τ)i,k

⟩die „Richtung“ zum

Energieminimum an, HKS ist durch

HKS = −1

2∇2 + VH + VPS,local + VXC + VPS,nl

gegeben. Nach jedem Iterationsschritt werden die Wellenfunktionen {|ϕi,k〉}mit dem Grahm-Schmidt-Verfahren orthonormalisiert.

Aus der gewonnenen Elektronendichte werden die Kräfte auf die Atom-rümpfe bestimmt. Erlaubt man die Relaxation, so werden die Atome ent-sprechend der Kräfte bewegt und die neue Grundzustands-Elektronendichteberechnet. Dies geschieht iterativ, die neuen Atompositionen werden aus denalten Positionen bestimmt:

R(κ+1)is,ia

= (1 + λis)Rκis,ia − λisR

(κ−1)is,ia

+ µisFis,ia

({R

(κ)is,ia

}), (2.36)

die Indizes is und ia geben die Atomsorte bzw. das Atom in der Superzellean. λis ist dabei der Dämpfungsparameter und µis die reziproke Masse derAtomsorte is. Diese Parameter sind keine physikalischen Parameter, sondernman steuert mit ihnen die Geschwindigkeit des Minimierungsprozesses. Die-ses Verfahren entspricht der Born-Oppenheimer-Näherung, bei der verwen-det wird, daß sich die Elektronen in den meisten physikalischen Systemenwesentlich schneller bewegen als die Atomrümpfe und somit die Bewegungder Atome und der Elektronen nicht miteineinander koppeln.

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20 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Neu implementiert wurde die Möglichkeit, n Atome auf maximal zwei3n-dimensionale Schwingungsmoden zu fixieren. Dies wird benötigt, um diePotentialhyperfläche, d.h. die Gesamtenergie, als Funktion der Schwingungs-moden zu berechnen. Dazu wird, nachdem die neuen Positionen der Atomebestimmt wurden, deren Abweichung von den angegebenen Moden berechnetund die Atome entsprechend zurückbewegt.

Parameter der Simulation

Die in dieser Arbeit vorgestellten Simulationen wurden in einer 64-Atom-Superzelle durchgeführt. Die Cut-Off-Energie Ecut betrug 15 Ryd. Das Austausch-Korrelations-Funktional wurde durch LDA genähert und Pseudopotentialefür Silizium und Arsen in der Beschreibung von Hamann [20] verwendet.

Der Mittelwert bei der Brillouin-Zonen-Integration wurde am Γ-Punkt be-rechnet, da dort die Besetzung der Defektzustände bekannt ist und der Jahn-Teller-Effekt sehr empfindlich auf die Besetzung der Zustände reagiert. Umden Jahn-Teller-Effekt des neutralen As-VSi-Komplexes zu erhalten, wurdeder oberste Defektzustand (zweifach entarteter e-Zustand) mit einem Elek-tron besetzt. Alle darunter liegenden Zustände waren vollständig aufgefüllt.

Aufgrund der Abbruchbedingungen bei den Iterationen – sowohl zumLösen der Kohn-Sham-Gleichungen (Energieänderung < 5 meV) als auch beider Berechnung der Kräfte (Kräfteänderung < 2 · 10−5 a.u.) – kann man densystematischen Fehler bei der Gesamtenergie auf ca. 10 meV abschätzen.

Die Defekt-Defekt-Wechselwirkung kann dabei aufgrund der Größe derSuperzelle als gering angenommen werden.

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Kapitel 3

Experimentelle Ergebnisse

Die experimentelle Bestimmung der lokalen elektronischen und der atoma-ren Struktur von Defekten in Halbleitern ist sehr schwierig. Die wichtigstenMeßmethoden zur Defektcharakterisierung sind Electron Paramagnetic Re-sonance (EPR, Elektronenspinresonanz) und Electron-Nuclear Double Re-sonance (ENDOR). Diese Methoden liefern jedoch nur Informationen überdie Energieniveaus der Defekte – eine strukturelle Analyse ist nicht mög-lich. Aufschluß über Struktur und Geometrie der Defekte läßt sich nur indi-rekt über die Auswertung der gemessenen Spektren erhalten. Auch optischeAbsorptions- und Emissionsmessungen lassen nur Rückschlüsse auf die Ener-gieniveaus zu.

Watkins et al. haben in Ref. [21, 9, 22] EPR- und ENDOR-Messungender gängigen Defekte und Defektzentren in reinem und dotiertem Silizi-um durchgeführt, in Ref. [8] auch für den As-VSi-Komplex. Wie in Ab-schnitt 2.1 erwähnt, ist der As-VSi-Komplex aufgrund seines nur mit einemElektron besetzten e-Defektniveaus ein Jahn-Teller-System. Mit Hilfe derEPR-Messungen wurde in Ref. [8] auch die Stärke dieses Effekts abgeschätzt.

3.1 Experimentelle Methoden

3.1.1 Elektronenspinresonanz (EPR)

Elektronenspinresonanz eignet sich zur Klassifizierung von Defekten. Dazubringt man die Probe in einen Mikrowellen-Hohlraumresonator, der sich in ei-nem Magnetfeld befindet. Gemessen wird die Spinaufspaltung eines Niveaus,das mit einem einzelnen Elektron besetzt ist. Dieses Niveau spaltet im Ma-gnetfeld aufgrund der Spinquantenzahl ms = ±1

2auf. Eine weitere Aufspal-

tung, die Hyperfeinstruktur, resultiert aus dem Kernspin der benachbarten

21

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22 KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE

Atome. Durch die Messung der Absorption von Photonen im Mikrowellenbe-reich mit der Energie E = hν bei gleichzeitiger Veränderung des MagnetfeldsB ergibt sich ein für einen Defekt charakteristisches Absorptionsspektrum.Ursache dafür sind Übergänge mit ∆m = 0. Da die Aufspaltung des Ener-gieniveaus proportional zu B ist, haben durch die Variation von B alle durchdie Hyperfeinaufspaltung entstehenden Energieniveaus einmal die Aufspal-tung hν, so daß im Absorptionsspektrum für die Hyperfeinstruktur charakte-ristische Linien auftreten. Abbildung 3.1 zeigt eine schematische Darstellungder Energieaufspaltung eines Niveaus mit Elektronspin s = 1

2, das mit einem

Kernspin I = 32

wechselwirkt.

3/21/2

−1/2−3/2

−3/2

3/2

−1/21/2

}

}

ms=1/2

ms=−1/2

E

B

E=hν

Abbildung 3.1: Energieaufspaltung eines Einelektronenniveaus mit Spin s =12, das mit einen Kernspin I = 3

2wechselwirkt. Variiert man B, so sind mehr-

mals Übergänge mit ∆m = 0 mit der Mikrowellenenergie E = hν möglich, sodaß im Absorptionsspektrum als Funktion von B charakteristische Absorp-tionslinien auftreten. (nach [23])

Da die Struktur des Absorptionsspektrums und die Hyperfeinstrukturvon der Richtung des Magnetfelds abhängen, läßt sich auch die Lokalisierungeines Zustandes grob bestimmen. Eine noch feinere Auflösung, mit der auch

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3.2. DER AS-VSI-KOMPLEX IM EXPERIMENT 23

die Superhyperfeinstruktur1 sichtbar wird, läßt auch Rückschlüsse auf denKernspin der Nachbaratome zu.

Nachteil dieser Methode ist, daß nur Zustände mit Spin s 6= 0 beobachtetwerden können. So ist z.B. die neutrale Silizium-Leerstelle mit vier Elektro-nen für diese Analyse unsichtbar. Der neutrale Arsen-Leerstellen-Komplex,der ein ungepaartes Elektron besitzt, ist meßbar.

3.1.2 Electron Nuclear Double Resonace (ENDOR)

Die Electron Nuclear Double Resonance kann die Energieunterschiede derHyperfeinaufspaltung direkt messen. Auch hier befindet sich die Probe in ei-nem Mikrowellenresonator. Wie bei der Elektronenspinresonanz wird Mikro-wellenenergie eingestrahlt. Dies Energie wird dabei so groß gewählt, daß dieangeregten und die Grundzustandniveaus gleich häufig besetzt sind. Durchdie gleiche Besetzung des angeregten und des Grundzustands verschwindetdas Meßsignal. Strahlt man nun zusätzliche Energie ein, die der Hyperfein-aufspaltung des Zustandes entspricht, wird dieses Gleichgewicht gestört: ent-weder die Besetzung des höchsten der Grundzustände nimmt zu oder die desniedrigsten der angeregten Zustände nimmt ab. In Abb. 3.1 entspricht diesÜbergängen zwischen den Energieniveaus der Hyperfeinstruktur. Durch die-se Ungleichbesetzung der Zustände werden Übergänge mit ∆m = 0 wiedermöglich und dadurch das Meßsignal wieder sichtbar.

3.2 Der As-VSi-Komplex im Experiment

3.2.1 Verwendete Techniken

Von Watkins und Elkin wurden die EPR- und ENDOR-Spektren des As-VSi-Komplexes gemessen [8]. Die EPR-Messungen wurden bei 20,4 K, dieENDOR-Messungen bei 20,4 K durchgeführt. Des weiteren wurden durchEPR-Messungen Relaxations- und Reorientierungszeiten bei unterschiedli-chen Drücken und Temperaturen bestimmt. Um eine für die Experimentegenügend hohe Defektdichte zu erhalten, wurden die Arsen-dotierten Probenbei Zimmertemperatur mit einem Elektronenstrahl der Energie 1,5 MeV undhoher Intensität bestrahlt.

Es zeigte sich eine unerwartet hohe Komplexität der EPR- und ENDOR-Spektren, so daß das ENDOR-Spektrum nicht eingehend untersucht werden

1Durch den Einfluß des Kernspins weiterer Atome kann die Hyperfeinstruktur weiterin die sogenannte Hyperfeinstruktur aufspalten.

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24 KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE

konnte. Eine Identifizierung der Linien des EPR-Spektrums war mit Hil-fe der Untersuchungen unter Druck möglich, eine exakte Untersuchung derWinkelabhängigkeit allerdings nicht mehr. Die Spektren sind aber verträg-lich mit einer C1h-Symmmetrie des Komplexes. Abbildung 3.2 zeigt das Ab-sorptionsspektrum des Komplexes bei T =20,4 K und ohne Druck. Da die

Abbildung 3.2: EPR-Absorptionsspektrum des As-VSi-Komplexes beiT =20,4 K mit dem Magnetfeld H ‖ 〈100〉 (a) und H ‖ 〈111〉 (b). DieBuchstaben kennzeichen zusammengehörige Absorptionslinien. (aus [8])

Defekte unterschiedlich im Kristall orientiert sind und gleichzeitig für jedeOrientierung drei äquivalente Jahn-Teller-Verzerrungen möglich sind, lassensich durch Druck entlang einer ausgezeichneten Achse einzelne Defektorien-tierungen energetisch begünstigen. Eine Untersuchung der Veränderung derAbsorptionslinien läßt nun Rückschlüsse auf die Zusammengehörigkeit be-stimmter Linien zu. Durch Vergleich mit den in Ref. [9] gewonnenen Ergeb-nissen für den Sb-VSi-Komplex und den P-VSi-Komplex schließt Watkins aufdie Orientierung der Defekte.

Eine Untersuchung der Reorientierung bei festgehaltener Leerstellen-De-fektatom-Achse (auch elektronische Reorientierung genannt) ist bei tiefenTemperaturen (20,4 K) möglich. Die für die Untersuchung nötige Ausrichtung

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3.2. DER AS-VSI-KOMPLEX IM EXPERIMENT 25

der Leerstellen-Defektatom-Achse durch Druck läßt sich bei Temperaturenum 100◦C durchführen.

Um die Reorientierungskinetik zu untersuchen, wurde die Probe zuerstauf 90◦C erwärmt, die Defekte unter Druck ausgerichtet und dann auf 20,4 Kabgekühlt und vermessen. Anschließend wurde die Probe mehrfach abwech-selnd ausgeheizt (bei Temperaturen zwischen 35◦C und 100◦C) und wiederbei 20,4 K vermessen. Daraus ergibt sich eine Relaxationszeit-Temperatur-Kennlinie, die exponentielles Verhalten zeigt:

τ−1 = τ−10 exp

(− E

kBT

)(3.1)

Für den As-VSi-Komplex wird hiermit eine Reorientierungsenergie von1,07±0,08 eV gefunden.

3.2.2 Jahn-Teller-Energie

Für die Berechnung der Jahn-Teller-Energie ziehen Elkin und Watkins das inAbschnitt 2.1.2 beschriebene Defektmolekül-Modell heran. Die Jahn-Teller-Energie wurde dort als EJT = −V 2

e /2ke bestimmt. Um Ve zu bestimmen, wer-den die Meßergebnisse aus den Tieftemperatur-Experimenten mit uniaxialemDruck verwendet, die zur Untersuchung der elektronischen Reorientierungdienen. Dabei gehen Elkin und Watkins aufgrund ihrer Messungen davonaus, daß es sich um einen statischen Jahn-Teller-Effekt handelt.

Durch den Druck ändern sich die ursprünglichen Positionen Q(a′) derDefektmolekül-Atome zu den neuen Koordinaten Q′(a′), so daß man denErwartungswert des Hamiltonoperators (2.2) so umschreiben kann:

〈H ′JT(a′)〉 = VeQ(a′) +

1

2ke (Q(a′)−Q′(a′))

2. (3.2)

Minimierung nach Q(a′) ergibt

E ′JT = − V 2

e

2ke

+ VeQ′(a′) , (3.3)

was einen Energieunterschied von

∆E = VeQ′(a′) (3.4)

im Vergleich zu Gl. (2.3) ergibt. Dieser Energieunterschied wird in den EPR-Messungen bestimmt.

Die Konstante ke wird aus den elastischen Eigenschaften des Siliziumsbestimmt unter der Annahme, daß alle Atome des Kristalls außer den drei

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26 KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE

Siliziumatomen des Defektmoleküls fixiert sind und wird mit 7,25 eV/Å2

angegeben. Die daraus resultierende Jahn-Teller-Energie ist EJT = −0,57 eV.Diese Abschätzung liefert eine eher zu hohe Jahn-Teller-Energie. Sie ent-

spricht einem einfachen Hartree-Modell, in dem die elektronische Gesamt-energie einfach die Summe aller Defektniveaus ist. Die Jahn-Teller-Energieergibt sich dann aus der Differenz der Energien für den symmetrisch relaxier-ten und den Jahn-Teller-verzerrten Komplex. Auch birgt die Abschätzungvon ke viele Unsicherheiten. Für die übernächsten Nachbarn der Leerstel-le wurde angenommen, daß sie sich unter Druck wie der restliche Kristallverhalten.

Als Ursache für diesen Energiegewinn wird die sich bildende Bindungzwischen zwei der drei Silizium-Atome angesehen, wie in Abschnitt 2.1.2 undAbb. 2.2 dargestellt. Diese liefert genau die gewünschte C1h-Symmetrie, au-ßerdem transformieren sich die Wellenfunktionen gemäß a′. Diese Hypothesewird durch die Analyse der Hyperfeinstruktur gestützt, der zufolge 60% derLadungsdichte an dem nach außen gedrückten Silizium-Atom und jeweils 6-7% der Ladungsdichte an den anderen Nachbaratomen angesiedelt ist, miteinem leichten Überschuß am Arsen-Atom. Die noch fehlende Ladungsdichteverteilt sich auf die weiter entfernten Silizium-Atome.

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Kapitel 4

Simulation des As-VSi-Komplexes

4.1 Problematik

In Kapitel 3 wurde erwähnt, daß durch den Jahn-Teller-Effekt experimentelleine deutliche Verzerrung der geometrischen Struktur des neutralen Arsen-Leerstellen-Komplexes gefunden wird. Dabei wurde ein Energiegewinn von0, 57 eV abgeschätzt. Dieser Wert wird von Elkin und Watkins zwar als zuhoch eingeschätzt [8], die durch DFT-Rechnungen erhaltenen Werte sindjedoch auch unter Berücksichtigung dieser Einschätzung um ein Vielfachesniedriger [24]. Des weiteren ist in den Rechnungen nahezu keine Verzerrungaus der symmetrischen Struktur zu erkennen, was sich aus den experimen-tellen Resultaten nicht erklären läßt.

Den Rechnungen ist gemein, daß sie von der idealen Geometrie des Kom-plexes ausgehen und durch Strukturoptimierungen versuchen, die energetischgünstigste Geometrie zu finden. Dabei werden die Kräfte berechnet, die aufdie Atomrümpfe wirken. In einer selbstkonsistenten Rechnung werden dabeiabwechselnd die Struktur und die Elektronendichte optimiert.

Was ist die Ursache für das Versagen dieser zur Berechnung der geome-trischen Struktur eigentlich üblichen Methode?

4.2 Die Volumeneigenschaften von Silizium

Für eine genaue Analyse benötigen wir die Volumeneigenschaften des Sili-ziums, in das der Arsen-Leerstellenkomplex eingebettet ist. Von besondererBedeutung sind dabei die Gleichgewichtsgitterkonstante und das Bulkmo-dul. Die Gleichgewichtsgitterkonstante stellt sicher, daß die Rechnungen beiDruck P =0 GPa durchgeführt werden. Das Bulkmodul wird zur Bestim-mung von Drücken und des Bildungsvolumens benötigt. Gleichzeitig stellt

27

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28 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

die Berechnung dieser Größen, wie in Abschnitt 2.2 erwähnt, einen wichtigenTest für das verwendete Pseudopotential sowie die Konvergenz der Berech-nung dar.

4.2.1 Bestimmung der Gitterkonstante und des Bulk-moduls

Bei der Bestimmung der Defekteigenschaften ist wichtig, daß die Berechnun-gen im Gleichgewicht stattfinden, also kein hydrostatischer Druck ausgeübtwird. Da jedoch die mit LDA berechneten Werte der Gitterkonstante kleinersind als die experimentell bestimmten, ist es unerläßlich, vor den eigentlichenBerechnungen die theoretische Gleichgewichtsgitterkonstante zu bestimmen.

Die Murnaghan-Zustandsgleichung

Die Gitterkonstante läßt sich leicht bestimmen, indem man die Gesamtener-gie als Funktion der Gitterkonstante aufträgt. Ein guter Ausgangspunkt istdabei die experimentelle Gitterkonstante. Die theoretische Gitterkonstanteerhält man nun, indem man das Minimum dieses Graphen bestimmt.

Die übliche Methode zur Bestimmung des Minimums ist das Fitten desGraphen mit Hilfe der Murnaghan-Zustandsgleichnung [25]:

E(V ) = E(V0) +B0V

B′0(1−B′

0)

[(V0

V

)B′0

− (1−B′0)

(1− V0

V

)](4.1)

Dabei ist V0 das Gleichgewichtsvolumen und B′0 = ∂B0

∂P. Bei der Ableitung der

Gleichung wird davon ausgegangen, daß das Bulkmodul linear vom Druck Pabhängt:

B(P, T ) = B0 +

(∂B

∂P

)T

P . (4.2)

Integriert man Gl. (4.2) nun zweimal unter Verwendung von

B = V

(∂P

∂V

)T

und P =

(∂F

∂V

)T

und berücksichtigt man, daß E(V ) = F (V, T = 0 K) gilt, so erhält manGl. 4.1.

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4.2. DIE VOLUMENEIGENSCHAFTEN VON SILIZIUM 29

Gitterkonstante und Bulkmodul

Um einen optimalen Wert für die Cut-Off-Energie zu finden, wurde die Git-terkonstantenberechnung für unterschiedliche Werte durchgeführt. In Abb. 4.1ist die Gesamtenergie als Funktion der Gitterkonstante bei einem k-Punkt-Samplingfaktor von 4 mit unterschiedlichen Cut-Off-Energien dargestellt.Als spezieller k-Punkt für die Integration der Brillouin-Zone wurde dabei(0,5; 0,5; 0,5) verwendet.1 Dabei zeigt sich, daß eine Cut-Off Energie von

9.5 10 10.5Gitterkonstante (Bohr)

−7.94

−7.92

−7.9

−7.88

−7.86

Ges

amte

nerg

y (R

yd)

8 Ryd10 Ryd15 Ryd20 Ryd25 Ryd30 Ryd

Abbildung 4.1: Gesamtenergie als Funktion der Gitterkonstante für verschie-dene Cut-Off-Energien und einem k-Punkt-Samplingfaktor von 4

1Die Integration der Brillouinzone wird durch die Bildung eines Mittelwerts an einemsogenannten speziellen k-Punkt ersetzt (Mittelwertsatz der Integralrechnung). Es kanngezeigt werden, daß sich der Punkt (0,5; 0,5; 0,5) hierfür besonders eignet. Durch dasSampling wird dieser Punkt in der Brillounzone vervielfältigt. Ein Faktor 4 bedeutet, daßin der irreduziblen Brillouinzone über 4 und nicht nur über einen k-Punkt gemittelt wird.

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30 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

15 Ryd einen guten Kompromiß zwischen Konvergenz der Rechnungen undAnforderungen an die Computerleistung darstellt. Zwar ist die Systemgrößebei der Gitterkonstantenberechnung mit ihren kleinen Einheitszellen nichtproblematisch, die für die Defektberechnung später notwendige Superzellemit mindestens 64 Atomen läßt jedoch den Speicherbedarf und die Rechen-zeit der Simulation stark anwachsen.

In Tab. 4.1 sind die Gitterkonstanten, die sich aus der Murnaghan-Zu-standsgleichung ergeben, aufgelistet. Da sich die Gitterkonstante beim Schritt

k-PunktSampling

8 Ryd 10 Ryd 15 Ryd 20 Ryd 25 Ryd 30 Ryd

1 10,47 10,42 10,40 10,40 10,40 10,402 10,26 10,22 10,21 10,19 10,19 10,194 10,17 10,23 10,20 10,20 10,17 10,17

Tabelle 4.1: Gitterkonstanten für Cut-Off-Energien von 8 bis 30 Ryd undk-Punkt-Samplingfaktor von 1–4, angegeben in Bohr. Experimenteller Wert:10,26 Bohr [26].

von 2 auf 4 k-Punkte in der irreduziblen Brillouin-Zone ab einer Cut-Off-Energie von 15 Ryd nur noch geringfügig ändert, kann man diese Rechnun-gen als auskonvergiert betrachten. Bei der in den Simulationen verwendetenCut-Off-Energie von 15 Ryd ergibt sich bei einem Samplingfaktor von 2 bzw.4 eine Gitterkonstante von etwa 10,20 Bohr, die bei den weiteren Berechnun-gen als Gleichgewichtsgitterkonstante verwendet wird. Für das Bulkmodulerhält man einen Wert von 96,5 GPa, was dicht am experimentellen Wertvon 97 GPa [26] liegt.

4.2.2 Berechnung der Bandstrukur

Obwohl die Energieeigenwerte der Kohn-Sham-Hamiltonfunktion nicht denwirklichen Energieniveaus entsprechen, läßt sich die Bandstruktur doch zu-mindest qualitativ bestimmen. Dazu führt man die Brillouinzonen-Integra-tion wie bisher an den speziellen k-Punkten durch, läßt den Hamiltonopera-tor allerdings auch für andere k-Punkte diagonalisieren. In Abb. 4.2 sind dieEnergie-Eigenwerte längs des für die Brillouin-Zone des fcc-Gitters üblichenPfades Γ → X → W → L → Γ für Silizium abgebildet.

Deutlich zu sehen ist die für LDA typische viel zu kleine Bandlücke. DieEnergiedifferenz zwischen dem Leitungsbandminimum nahe des X-Punktsund dem Valenzbandmaximum am Γ-Punkt ist statt der für Silizium gültigen1,1 eV lediglich 0,42 eV. Dieses Manko ließe sich unter Verwendung anderer

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4.2. DIE VOLUMENEIGENSCHAFTEN VON SILIZIUM 31

ΓX

WL

Γ−10.0

0.0

10.0

20.0E(k) [eV]

Abbildung 4.2: Bandstruktur von Silizium, gerechnet mit 20 Ryd Cut-OffEnergie. Auffällig ist die für LDA typische viel zu kleine Bandlücke von0,42 eV.

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32 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

Berechnungsverfahren wie der GW-Näherung beheben, allerdings zum Preiseines deutlich größeren Rechenaufwandes und deutlich höherer Komplexitätdes Problems.

4.3 Struktur des As-VSi-KomplexesFür die geometrische Struktur des As-VSi-Komplexes ist das Problem derzu kleinen Bandlücke nur von geringer Bedeutung, da die Kräfte auf dieAtomrümpfe aus der gesamten Elektronendichte bestimmt werden. Es gehtlediglich die Gesamtenergie ein, die mit LDA für Halbleiter ziemlich exaktbestimmt werden kann, was die geringe Abweichung der berechneten von derexperimentellen Gitterkonstante von etwa 0,5% zeigt. LDA läßt sich damitdurchaus als sinnvolle Nährung für diese Konfiguration betrachten.

Beim As-VSi-Komplex wird ein nächster Nachbar einer Leerstelle im Sili-ziumgitter (Diamantstruktur) durch ein Arsenatom ersetzt (siehe Abb. 4.3).Das entstehende System hat C3v-Symmetrie, deren Drehachse durch den Ur-

Abbildung 4.3: Ausschnitt aus dem Siliziumgitter mit der tetraedrischenStruktur des As-VSi-Komplexes. Die Silizium-Atome werden dabei durch diekleinen helleren Kugeln, das Arsen-Atom durch die große dunklere Kugelsymbolisiert.

sprung, d.h. das Zentrum der Leerstelle, und die Position des Arsenatomsgegeben ist. Im folgenden liege das Arsenatom auf der [111]-Achse. Es han-delt sich hierbei um die ideale Struktur des Komplexes, etwaige Relaxationender Nächsten-Nachbar-Atome sind dabei nicht berücksichtigt. In Abb. 4.4 istdie tetraedrische Struktur des Defektmoleküls dargestellt.

In der Bandstruktur verursacht dieser Defekt zusätzlich zu einem a1-Zustand im Valenzband zwei tiefe Zustände innerhalb der Bandlücke, eineneinfach entarteten a1-Zustand (zur besseren Kennzeichnung a′1 bezeichnet)

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4.3. STRUKTUR DES AS-VSI-KOMPLEXES 33

Abbildung 4.4: As-VSi-Komplex in Defektmolekül-Darstellung, links in Blick-richtung [100], rechts in Blickrichtung [111] abgebildet.

und einen energetisch etwas höhergelegenen zweifach entarteten e-Zustand(vgl. Abb. 4.5b). Da bei dem neutralen Defekt sich im e-Zustand nur einElektron befindet, ist eine Jahn-Teller-Verzerrung zu erwarten. Die nächst-mögliche Symmetrie-Erniedrigung der C3v-Symmetrie ist C1h, so daß wir eineJahn-Teller-verzerrte Struktur mit dieser Symmetrie erwarten können.

4.3.1 Vergleich mit der neutralen Silizium-Leerstelle

Die ideale Silizium-Leerstelle verursacht in der Bandlücke einen tiefen, drei-fach entarteten t2-Zustand (vgl. Abb. 4.5b). Da auch dieser Zustand nichtvollständig besetzt ist, tritt eine Jahn-Teller-Verzerrung auf. Sowohl experi-mentelle [27] als auch neuere theoretische Ergebnisse [5, 6] ergeben für dieneutrale Leerstelle eine D2d-artige Verzerrung, was eine Aufspaltung diesesEnergienivaus in einen eindimensionalen b2-Zustand und einen zweifach ent-arteten, unbesetzten e-Zustand zur Folge hat. Von den nächsten Nachbarnzur Leerstelle verkürzen sich dabei die Bindungen zwischen den zwei gegen-überliegenden Atompaaren, so daß sich eine tetragonale Struktur mit zweikurzen und vier langen Bindungen ergibt. Um sicher zu gehen, daß die Be-rechnungen für den Arsen-Leerstellen-Komplex funktionieren, sollten diesebekannten Ergebnisse reproduziert werden können.

Antonelli, Kaxiras und Chadi [6] finden für die Silizium-Leerstelle zwei un-terschiedliche Verzerrungstypen, beide in D2d-artiger Verzerrung. Diese bei-den Verzerrungstypen sind nicht symmetrie-äquivalent. Sie unterscheiden sich

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34 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

CB

VBa

1’

e1,e

2

a1

a1

t2

a) VSi

b) AsVSi

Abbildung 4.5: Vergleich der Defektzustände der (a) idealen negativ ge-ladenen Silizium-Leerstelle mit Td-Symmetrie und des (b) idealen Arsen-Leerstellen-Komplexes mit C3v-Symmetrie

bei gleicher Bildungsenergie deutlich in ihrem Bildungsvolumen, der Energie-gewinn durch die Jahn-Teller-Relaxation für den stärker verzerrten Typ istdabei um 100 meV größer. Dieses Ergebnis für die Silizium-Leerstelle ließ sichim Rahmen dieser Arbeit reproduzieren. Die gefundenen Verzerrungen habenD2d-Symmetrie, es ergibt sich ein Gesamt-Energieunterschied von 62 meV. InTab. 4.2 sind die Ergebnisse aus Ref. [6] und dieser Arbeit aufgeführt.

Diese Arbeit Ref. [6]Typ A Typ B Typ A Typ B

kurze Bindungen in Å 3,32 3,63 3,01 3,40lange Bindungen in Å 3,68 3,71 3,53 3,52Bildungsenergie in eV 3.12 3.05 3,49 3,49Bildungsvolumen in Å3 −2,3 +5,5 −1,7 +4,0Energieunterschied in meV 62 100

Tabelle 4.2: Vergleich der Daten für die Silizium-Leerstelle in Ref. [6] und indieser Arbeit

4.3.2 Der As-VSi-Komplex

Unterschiedliche Verzerrungstypen

Das gleiche Phänomen ließ sich auch beim Arsen-Leerstellen-Komplex be-obachten. Je nachdem mit welcher Ausgangsgeometrie man startet, erhält

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4.3. STRUKTUR DES AS-VSI-KOMPLEXES 35

man unterschiedliche Verzerrungen am Ende der Strukturoptimierung. Dieideale unverzerrte Geometrie als Ausgangspunkt liefert dabei die am wenig-sten verzerrte Struktur, die Abweichungen von der symmetrisch relaxiertenStruktur sind nur gering. Anders sieht es aus, wenn man künstlich je zweider nächsten Nachbaratome aufeinander zu bewegt und von dieser Geometrieaus startet – man erhält eine energetisch ungefähr gleiche, aber viel stärkerverzerrte Struktur. Eine dritte Geometrie erhält man, wenn man von denD2d-verzerrten Koordinaten der Silizium-Leerstelle ausgeht.

Diese drei Verzerrungstypen weichen unterschiedlich stark von der sym-metrisch relaxierten Struktur ab. Alle weisen sie die für die Jahn-Teller-Verzerrung des As-VSi-Komplexes erwartete C1h-Symmetrie auf, d.h. dasArsenatom und ein benachbartes Siliziumatom liegen auf einer Spiegelebe-ne zwischen den beiden anderen Siliziumatomen. Tabelle 4.3 zeigt die un-terschiedlichen Bindungslängen der einzelnen Defekte. Typ C liegt von derStärke der Verzerrung zwischen Typ A und Typ B und soll im folgendennicht weiter betrachtet werden. Wie wir in Kap. 4.5.2 feststellen werden, isteine klare Unterscheidung der einzelnen Verzerrungen aufgrund der nahezuidentischen Energie ohnehin nicht sinnvoll, da es nur bei T=0 K möglich ist,einen der Defekte zu stabilisieren.

Bindungen Typ A Typ B Typ C symm. ideal1 ↔ 2 3,80 3,13 3,55 3,78 3,821 ↔ 3 3,77 3,70 3,75 3,78 3,822 ↔ 3 3,76 3,70 3,75 3,78 3,821 ↔ As 3,61 3,53 3,57 3,60 3,822 ↔ As 3,61 3,53 3,57 3,60 3,823 ↔ As 3,59 3,72 3,65 3,60 3,82

Tabelle 4.3: Bindungslängen der unterschiedlichen Typen des As-VSi-Komplexes in Å

Interessant ist der Vergleich der beiden Typen A und B: bei Typ A be-wegen sich die Atome 1 und 2 verglichen mit der symmetrisch relaxiertenStruktur aufeinander zu, während sie sich bei Typ B auseinander bewegen.Abbildung 4.6 veranschaulicht diese Bewegungen schematisch. Gleichzeitigentfernt sich bei Typ B das dritte Silizium-Atom vom Arsen. Anschaulichgesprochen führt das Dreieck aus den Siliziumatomen eine Kippbewegungdurch, mit den Atomen 1 und 2 als Kippachse.

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36 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

1 2 1 2

3 3

Abbildung 4.6: Schematische Darstellung der Jahn-Teller-Relaxationen derSilizium-Atome für Typ A (links) und Typ B. Typ C entspricht strukturellTyp B in geringerer Ausprägung.

Elektronische Struktur und Jahn-Teller-Energie

In der elektronischen Struktur sind die Unterschiede zwischen den beiden Ty-pen auch sichtbar. Der Jahn-Teller-Effekt hat zur Folge, daß der in der idea-len und der symmetrisch relaxierten Geometrie zweifach entartete e-Zustandaufspaltet. In der verzerrten Struktur liegt C1h-Symmetrie vor, was in einerAufspaltung des e-Zustandes in einen a′- und einen a′′-Zustand resultiert. Diebei der Verzerrung auftretende Änderung der Energieniveaus ist in Abb. 4.7dargestellt. Typ A und Typ B unterscheiden sich dabei in der Stärke derAufspaltung des e-Nivaus. Dabei ist ein eindeutiger Zusammenhang zwischender Stärke der Verzerrung und der Niveauaufspaltung zu erkennen. Bei demschwach verzerrten Typ A beträgt diese Aufspaltung der Einteilchenzustände14 meV, während sie bei dem stark verzerrten Typ B 144 meV groß ist.

Die Jahn-Teller-Energie wird in den Simulationen aus der Gesamtener-gie des Systems bestimmt. Sie ist die Differenz aus der Gesamtenergie desvollständig und der des symmetrisch relaxierten Systems. Bei der symme-trischen Relaxation wird dabei das Elektron des e-Niveaus gleichmäßig aufbeide Zustände verteilt, um die Äquivalenz der beiden entarteten Zuständezu erzwingen. Eine ungleichmäßige Besetzung der Niveaus hat eine energe-tische Aufspaltung und damit eine Jahn-Teller-Verzerrung des Systems zurFolge, was für die symmetrische Struktur nicht gewünscht ist.

In Watkins’ Experiment wurde die Jahn-Teller-Energie wie in Kap. 3.2beschrieben aus den Energieniveaus der besetzten Zustände abgeschätzt. DerEnergiegewinn ist dabei die energetische Absenkung der Defektzustände imVergleich zum symmetrischen Zustand. In Tab. 4.4 sind die Jahn-Teller-

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4.3. STRUKTUR DES AS-VSI-KOMPLEXES 37

CB

VBa’

a’’a’

e

a1

a’a1

a) C3v

b) C1h

Abbildung 4.7: Änderung der Energieniveaus des As-VSi-Komplexes durchdie Jahn-Teller-Verzerrung. Der e-Zustand des idealen/symmetrischen AsVSi-Komplexes mit C3v-Symmetrie (a) spaltet durch die Jahn-Teller-Verzerrungin einen a′ und einen a′′-Zustand in C1h-Symmetrie (b) auf. Daß das aus deme-Zustand resultierende a′-Niveau energetisch günstiger ist, gilt für Typ Bund Typ C der Verzerrung (vgl. Abschnitt 4.4)

Energien für die Typen A und B des Komplexes aufgeführt. Wie bereitsin Kap. 4.1 erwähnt, sind die erhaltenen Energien im Vergleich zu den expe-rimentellen Werten deutlich niedriger.

Die hier dargestellten Werte wurden bei der Gleichgewichts-Gitterkon-stante, d.h. ohne Druck, berechnet. Unter Druck ändert sich das Bild. DieJahn-Teller-Energie der beiden Typen weist bei P =1,75 GPa einen Unter-schied von 50 meV auf, insgesamt hat der Energiegewinn durch die Jahn-Teller-Verzerrung zugenommen. Tabelle 4.5 listet die aus der Gesamtenergieund im Hartree-Modell bestimmten Energien für beide Typen auf. DieseEnergien sind zwar immer noch zu klein, kommen aber näher an deb experi-mentell gefundenen Wert heran. In Kap. 5.2 wird die Problematik eingehenddiskutiert.

Bestimmt aus: Typ A Typ BGesamtenergien (in meV) −3 6elektr. Zuständen (Hartree-Modell – in meV) −7 −105

Tabelle 4.4: Jahn-Teller-Energien der beiden Relaxationstypen, bestimmt ausden Gesamtenergien und aus den elektronischen Zuständen (Hartree-Modell)in meV. Diese Werte wurden bei der Gleichgewichts-Gitterkonstante berech-net. Der abgeschätzte experimentelle Wert beträgt 570 meV im Hartree-Modell [8].

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38 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

Bestimmt aus: Typ A Typ BGesamtenergien (in meV) −11 −60elektr. Zuständen (Hartree-Modell – in meV) −29 −198

Tabelle 4.5: Jahn-Teller-Energien der beiden Relaxationstypen bei einemDruck von 1,75 GPa in meV, wie in Tab. 4.4 aus den Gesamtenergien unddem Hartree-Modell bestimmt.

4.4 Ladungsdichte

Zum Verständnis der bei der Jahn-Teller-Relaxationen entstehenden Struk-turen kann eine Analyse der Ladungsdichte der einzelnen Zustände beitragen.Zwar ist eine quantitative Erklärung aus diesen Bildern heraus nicht mög-lich, zum qualitativen Verständnis ist die Untersuchung der Ladungsdichteaber durchaus von Interesse. So muß die Ladungsdichte in ihrer Struktur dieirreduzible Darstellung des zugehörigen Zustands widerspiegeln. Auch ob essich um bindende oder antibindende Zustände handelt, läßt sich gruppen-theoretisch feststellen und durch die Ladungsdichtebilder sichtbar machen.

4.4.1 Der a1-Zustand im Valenzband

Der tiefste a1-Zustand liegt energetisch im Valenzband. Im Defektmolekülbildist dieser Zustand so zu verstehen, daß die Ladungsdichte aufgrund der imVergleich zum Silizium zusätzlichen positiven Kernladung nahezu vollständigam Arsen lokalisiert ist. Gleichzeitig transformiert sich dieser Zustand gemäßder A1-Darstellung und ist somit symmetrie-erhaltend. In Abb. 4.8 ist dieLadungsdichte dieses Zustands für die ideale Leerstelle dargestellt. Es zeigtsich zwar, daß ein großer Teil der Ladungsdichte am Arsen angesiedelt ist, derZustand sonst aber weit über das Defektmolekül hinausreicht und man somitnicht mehr von einem lokalisierten Zustand im Sinne des Defektmolekülbildssprechen kann.

In der Bandstruktur äußert sich der Zustand als energetisch höchster ein-dimensionaler Zustand unterhalb des Valenzbandmaximums. In der idealenStruktur ist dies noch relativ einfach auszumachen. In der verzerrten Strukturhingegen tritt aufgrund der durch die Relaxation entstehenden Störungen desPotentials auch eine Aufspaltung der im idealen Fall noch entarteten Bänderauf, was das Auffinden des Defektzustands nahezu unmöglich macht.

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4.4. LADUNGSDICHTE 39

Abbildung 4.8: Ladungsdichte des im Valenzband liegenden a1-Zustands desidealen Defekts, links in Blickrichtung [110], rechts in Blickrichtung [111]betrachtet

4.4.2 Der a1-Defektzustand in der Bandlücke

Genauso wie der a1-Zustand im Valenzband transformiert sich der a1-Zustandim Leitungsband gemäß der A1-Darstellung. Für beide Verzerrungstypen istdie Ladungsdichteverteilung nahezu identisch. Im Defektmolekülbild sollteeine gleichmäßige Verteilung der Elektronendichte auf die Siliziumatome vor-liegen, jedoch auch hier stellt man zwar eine nicht ganz so ausgeprägte, aberimmer noch starke Delokalisierung des Zustands fest.

Bei der Jahn-Teller-Verzerrung findet auch bei diesem Zustand eine Ener-gieabsenkung statt. Der a1-Zustand der C3v-symmetrischen idealen Leerstellegeht dabei über in einen a′-Zustand der nun C1h-symmetrischen Jahn-Teller-verzerrten Leerstelle. Doch aufgrund der symmetrie-erhaltenden Natur desursprünglichen a1-Zustands ist diese Energieabsenkung keine treibende Kraftfür die Jahn-Teller-Verzerrung, höchstens auf die symmetrische Verzerrungkann diese Energieänderung einen Einfluß haben.

4.4.3 Die e-Zustände in der Bandlücke

Verantwortlich für die Jahn-Teller-Verzerrung ist der zweifach entartete e-Zustand, der nur mit einem Elektron besetzt ist. Dieser Zustand transfor-miert sich gemäß der E-Darstellung koppelt an diejenigen Moden, die dieaus der Geometrie herausführende Verzerrung verursachen.

Bei der Verzerrung reduziert sich die Symmetrie des Systems nach C1h.

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40 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

Typ BTyp A

Abbildung 4.9: Ladungsdichte des ursprünglichen a1-Zustands in der Band-lücke für die Verzerrungen A und B, jeweils in Blickrichtung [110] und [111].In der Jahn-Teller-verzerrten Struktur transformiert sich diesr Zustand ge-mäß a′.

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4.5. BESTIMMUNG DER POTENTIALHYPERFLÄCHE 41

Der e-Zustand spaltet dabei auf in einen a′ und einen a′′-Zustand, wobei dernach der Aufspaltung energetisch günstigere Zustand mit dem einen Elek-tron besetzt ist. Beachtenswert ist dabei, daß der a′-Zustand zwischen zweiSilizium-Atomen bindenden Charakter hat, während der a′′-Zustand antibin-dend ist.2 In Abb. 4.10 ist der energetisch günstigere der beiden Zuständedargestellt, in Abb. 4.11 der andere, unbesetzte Zustand. Dabei stellt manfest, daß bei den Typen A und B die Zustände vertauscht sind. Währendbei Typ A der antibindende a′′-Zustand besetzt ist, ist es bei Typ B der a′-Zustand. Dies zeigt sich an der von Null verschiedenen Ladungsdichte zwi-schen den beiden Siliziumatomen, es kann damit keinen Knoten in der zuge-hörigen Wellenfunktion geben. Dies deckt sich mit der Geometrie des Typs B:in Tab. 4.3 fällt eine deutliche Verkürzung der Bindung zwischen den Atomen1 und 2 auf. Genau zwischen diesenn Atomen ist die bindende Ladungsdich-te vorhanden, was bei der Darstellung mit Blickrichtung nach [111] deutlichzu erkennen ist. Gleichzeitig ist auch die deutlich geringere Relaxation derBindungen 1↔3 und 2↔3 verständlich, da zwischen diesen Atomen keinerleiLadungsdichte ersichtlich ist. Dies zeugt vom anti-bindenden Charakter derBindung zwischen diesen Atomen.

Bei Typ A bewegen sich die Atome 1 und 2 auseinander. Dies läßt sichmit der antibindenden Natur des a′′-Zustandes erklären, der bei diesem Typenergetisch günstiger ist. Man erkennt deutlich, daß zwischen den beidenSilizium-Atomen keinerlei Ladungsdichte vorhanden ist.

4.5 Bestimmung der PotentialhyperflächeUm die Ursache für die Struktur des Arsen-Leerstellen-Komplexes zu finden,soll die Energie auf einem Interpolationspfad zwischen den beiden Verzerrun-gen sowie die Energieänderung beim Verlassen des Pfades berechnet werden.Dabei wird die Gesamtenergie als Funktion zweier Koordinaten des Komple-xes bestimmt. Jede Koordinate beschreibt dabei eine Dimension des zwölfdi-mensionalen Konfigurationsraums des Defektmoleküls: 3 Freiheitsgrade in x,y und z-Richtung für jedes der vier nächsten Nachbaratome der Leerstelle.In den Simulationen wird dabei allen Atomen der Superzelle erlaubt, frei zurelaxieren. Nur für die vier nächsten Nachbarn wird eine Zwangsbedingungdefiniert, die die Atome in einer Ebene aus dem zwölfdimensionalen Konfi-gurationsraum festhält. Anschaulich kann man sich das für drei Dimensionenso vorstellen, als würde man eine Perle auf einem Bindfaden aufhängen undsie dann frei bewegen lassen.

2Die Linearkombinationen der an den Atomen lokalisierten Orbitale sind bei bindendenZuständen gerade, bei antibindenden ungerade.

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42 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

Typ BTyp A

Abbildung 4.10: Das nach der Aufspaltung des e-Zustands energetisch gün-stigere Niveau innerhalb der Bandlücke. Während der Zustand in Typ B einzwischen zwei Silziumatomen bindender a′-Zustand ist, ist bei Typ A dera′′-Zustand energetisch günstiger.

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4.5. BESTIMMUNG DER POTENTIALHYPERFLÄCHE 43

Typ A Typ B

Abbildung 4.11: Der unbesetzte Zustand höherer Energie nach der Aufspal-tung des e-Zustandes. Man erkennt im Vergleich mit Abb. 4.10, daß die a′und a′′-Zustände bei Typ A und Typ B vertauscht sind.

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44 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

Für die Berechnung der Gesamtenergie der Superzelle gilt damit:

E(Q1, Q2) = minQ1,Q2=const

E(Rk) mit k = 1 . . . NSC

mit:

Qi : zwölfdimensionale Koordinate des DefektmolekülsRk : Koordinaten der Atome in der SuperzelleNSC : Anzahl der Atome in der Superzelle

Programmiertechnisch wird dies so implementiert, daß zuerst die Kräf-te auf alle Atome berechnet und diese entsprechend versetzt werden. An-schließend werden für die betroffenen Atome die Abweichungen der neuenPositionen von den Zwangsbedingungen bestimmt und die Koordinaten ent-sprechend korrigiert. In der aktuell vorliegenden Version des Programmpa-kets fhi96md ist dies für bis zu zwei Zwangsbedingungen implementiert, eineErweiterung auf eine größere Anzahl ist möglich.

4.5.1 Darstellung der Verzerrung in den Normalmodendes Defektmoleküls

Um die Verzerrung sinnvoll im zwölfdimensionalen Konfigurationsraum dar-stellen zu können, ist die Wahl einer geeigneten Basis nötig, in die sich dieVerzerrungen entwickeln lassen. Für das Defektmolekül bieten sich dessenNormalmoden an. Dazu werden zuerst mit Hilfe der Gruppentheorie dieirreduziblen Darstellungen des Systems bestimmt, um dann mit Hilfe vonProjektoren eine orthogonale Basis für das System zu finden. Die genaueHerleitung für das C3v-symmetrische As-VSi-Defektmolekül ist in Anhang Abeschrieben.

Die Analyse der irreduziblen Darstellung liefert für den AsVSi-Komplexfolgendes Ergebnis:

Mode AnzahlA1 3A2 1E 4

Mit Hilfe der in Anhang A bestimmten Projektoren lassen sich die Basis-vektoren für die A-Moden ziemlich einfach durch Anwendung des Projektorsauf einen Testvektor bestimmen. In Tab. 4.6 sind die Basisvektoren für dieA-Moden aufgeführt. Besonders wichtig ist dabei die Moden A1

1 und A21: die-

se Moden beschreiben die Volumenänderung beim Übergang von der idealenzur symmetrisch relaxierten Struktur.

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4.5. BESTIMMUNG DER POTENTIALHYPERFLÄCHE 45

Si 1 Si 2 Si 3 AsModen x y z x y z x y z x y zA1: A1

1 -1 -1 1 -1 1 -1 1 -1 -1 1 1 1A1 : A2

1 0 0 -1 0 -1 0 -1 0 0 1 1 1A1 : A3

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1A2 : A2 -1 1 0 1 0 -1 0 -1 1 0 0 0

Tabelle 4.6: Die A-Moden des As-VSi-Defektmoleküls. A11 beschreibt die Ver-

größerung bzw. Verkleinerung des Defektmoleküls (Breathing-Mode). A21 ist

eine symmetrieerhaltende Streckung des Molküls bei gleichzeitiger Verklei-nerung des Basisdreiecks. A3

1 beschreibt eine vollständige Translation desDefektmoleküls, A2 eine aus der Symmetrie herausführende Drehung der Si-liziumatome. Zur besseren Lesbarkeit wurden die Vektoren nicht normiert.

Etwas schwieriger gestaltet sich die Bestimmung der E-Moden. Die Ba-sisvektoren, die mit Hilfe des Projektors für die E-Moden gefunden werden,sind nicht notwendigerweise orthogonal, da der Projektor auf einen mehrdi-mensionalen Unterraum abbildet. Die erhaltenen Vektoren müssen erst mitdem Gram-Schmitt-Verfahren orthogonalisiert werden. Doch auch dies mußnoch keine sinnvolle Wahl der Basisvektoren sein. Eine wichtige Anforderungan die Basis ist, mit möglichst wenig Vektoren die gefundene Verzerrungdes Komplexes darzustellen. Wie die Entwicklung der Verzerrung, d.h. die

Si 1 Si 2 Si 3 Asx y z x y z x y z x y z

E1 : E1,1 -5 4 1 -5 1 4 -2 1 1 0 0 0E1 : E1,2 0 -1 1 0 1 -1 -2 1 1 0 0 0E2 : E2,1 -1 -1 26 -1 -28 -1 2 2 2 0 0 0E2 : E2,2 53 463 180 217 90 -193 -270 140 -680 0 0 0E3 : E3,1 234 118 38 -177 19 -61 -57 -173 59 0 0 0E3 : E3,2 0 -2 2 3 1 5 -3 -5 -1 0 0 0E4 : E4,1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 -1 -1E4 : E4,2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 -1

Tabelle 4.7: Die E-Moden des AsVSi-Defektmoleküls. Tabelle 4.8 zeigt, daßnur E1,1 und E1,2 relevant sind, die anderen Basisvektoren sind der Vollstän-digkeit halber mit aufgeführt. Wie schon bei den A-Moden sind die Vektorenzur besseren Lesbarkeit nicht normiert.

Abweichung der Koordinaten der nächsten Nachbar-Atome von der idealenStruktur, in die gefundenen Basisvektoren in Tab. 4.8 zeigt, stellen die in

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46 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

Tab. 4.7 dargestellten Vektoren eine gute Wahl dar. Die Verzerrung läßt sichnahezu vollständig aus einer einzigen E-Mode, d.h. den Basisvektoren E1,1

und E1,2, darstellen. Diese Basisvektoren sind eine Linearkombination ausden Vektoren, die man durch die Anwendung des E-Moden-Projektors aufTestvektoren erhält. Die so konstruierten Vektoren sind Eigenvektoren desProjektors und spannen den Unterraum der E-Moden vollständig auf.

Abbildung 4.12 zeigt schematisch die Struktur der an der Verzerrungdes Komplexes beteiligten Moden. Der Vektor E1,2 beschreibt dabei in be-sonderem Maße die Verkürzung der Bindung zwischen den beiden Silizium-Atomen, genauso wie die Auswärtsbewegung des dritten Atoms. Tabelle 4.8stellt die Entwicklungskoeffizienten der Verzerrung in der neuen Basis dar.Es zeigt sich bei der Verzerrung B, daß E1,2 einen stärkeren Anteil hat alsE1,1 und damit hauptsächlich für die Struktur des Komplexes verantwortlichist. Gleichzeitig sind dabei die anderen drei E-Moden vernachlässigbar klein,d.h. die gesamte Jahn-Teller-Verzerrung kann durch die beiden KoordinatenE1,1 und E1,2 beschrieben werden.

Insgesamt zeigt sich, daß zur Beschreibung der Verzerrungstruktur nur diein Abb. 4.12 dargestellten und in Tab. 4.8a aufgeführten Vektoren relevantsind. Die in Tab. 4.8b dargestellten Werte sind nahezu konstant (Translations-Mode A3

1) oder verändern sich zwischen den drei Verzerrungstypen kaum(A2-Mode, restliche E-Moden).

A11 A2

1 E1,1 E1,2

Typ A −0,30 −0,29 −0,04 0,03Typ B −0,62 0,15 0,18 −0,69Typ C −0,40 −0,15 0,06 −0,26a) Für die Relaxation relevante Moden

A31 A2 E2,1 E2,2 E3,1 E3,2 E4,1 E4,2

Typ A −0,34 0,0 0,01 −0,01 −0,01 −0,02 0,0 0,0Typ B −0,26 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,05 0,0Typ C −0,31 0,0 0,0 −0,01 −0,01 −0,02 −0,02 0,0

b) Vernachlässigbar kleine bzw. sich nicht ändernde Moden

Tabelle 4.8: Koordinaten der Moden, die das As-VSi-Defektmolekül in dendrei gefundenen Verzerrungstypen beschreiben. Tabelle a) zeigt die Koordi-naten der zwei A1-Moden und der E-Mode, die die Verzerrung hauptsächlichbeschreiben. Die anderen Moden, dargestellt in Tabelle b) sind nahezu Nulloder konstant.

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4.5. BESTIMMUNG DER POTENTIALHYPERFLÄCHE 47

E

E

A

A1

1

1

1

1

2

2

1

Abbildung 4.12: Schematische Darstellung der wichtigsten Normalmoden desAsVSi-Defektmoleküls, links in Richtung [100], rechts in Richtung [111] be-trachtet. Von oben nach unten sind dies: A1

1 (Breathing-Mode) und A21, wel-

che hauptsächlich für die Verkleinerung des Komplexvolumens verantwortlichsind. Die E-Mode E1,1, E1,2 beschreiben die Aufeinanderbewegung der Sili-ziumatome. Zur Veranschaulichung der tatsächlichen Bewegung wurde beiE1,2 im Vergleich zu Tab. 4.7 das Vorzeichen geändert.

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48 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

4.5.2 Interpolation zwischen den Verzerrungstypen

Die Jahn-Teller-aktive Mode ist die E-Mode mit den Basisvektoren E1,1 undE1,2. Um die Verzerrung von Typ A in Typ B überzuführen, gilt es, einen Pfadin der von E1,1 und E1,2 aufgespannten Ebene zu interpolieren. Gleichzeitigsollte die Verzerrung vom Typ C auf diesem Pfad liegen, da diese bereits alsStruktur lokaler minimaler Energie gefunden wurde. Abbildung 4.13 zeigt denPfad in der Ebene. Dieser Pfad ist ca. 1,5 Bohr lang. Am Ursprung befindetsich der Komplex in der symmetrischen Verzerrung. Der Farbverlauf deutetdabei den Übergang von der Verzerrung des Typs A zur Verzerrung desTyps B an. Wie aus Abb. 4.12 ersichtlich, bedeutet der Vorzeichenwechselder Koordinaten E1,1 und E1,2 eine gravierende Änderung der Defektstruktur:bei Typ A bewegen sich zwei Silizium-Atome auseinander, während sie sichbei Typ B zusammenbewegen. Dabei ist auch ersichtlich, daß es sich beiTyp C qualitativ um die gleiche Struktur wie Typ B handelt.

Typ A

Typ B

E1,2

E1,1

Abbildung 4.13: Interpolationspfad vom Verzerrungstyp A zum Verzerrungs-typ B auf der von der Jahn-Teller-aktiven E-Mode aufgespannten Ebene. TypC liegt auf dem Pfad an der Stelle des Knicks.

Nun ist interessant zu wissen, ob zwischen den einzelnen Verzerrungenentlang des Pfades Energiebarrieren vorhanden sind. Dazu hält man, wiezu Beginn dieses Kapitels beschrieben, die Koordinaten für die Basisvekto-ren der Jahn-Teller-aktiven E-Moden fest und läßt alle anderen Atome inder Superzelle vollständig beweglich. Abbildung 4.14 zeigt die Gesamtener-gie der Superzelle längs des Interpolationspfades. Der Energieunterschied ist

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4.5. BESTIMMUNG DER POTENTIALHYPERFLÄCHE 49

von der Größenordnung 10 meV und liegt damit an der Genauigkeitsgrenzeder Simulation.

Die Unterscheidung der Typen A und B ist nur deshalb möglich, weildie Berechnungen bei der Temperatur T=0 K durchgeführt wurden. Sobalddie Temperatur geringfügig höher ist, ist eine Unterscheidung zwischen denTypen A, B und C nicht mehr sinnvoll, der Jahn-Teller-Effekt ist dynamisch.Dies darf jedoch nicht mit dem Typ des dynamischen Jahn-Teller-Effekts ver-wechselt werden, der eine Reorientierung des gesamten Komplexes beinhaltet.Für eine Reorientierung erhält man in den Simulation wie auch experimentelleine Barriere von 1 eV.

Außerhalb dieses Pfades ändert sich die Situation nicht. Erst weit abseits(einem Abstand zum Pfad von ca. 0,5 Bohr) läßt sich ein leichter Anstiegder Energie um ca. 15 meV feststellen. Dies bedeutet, daß die gesamte Po-tentialhyperfläche sehr flach ist und bei nur geringen Anregungsenergien jededieser Verzerrungen der Potentialhyperfläche für das System erreichbar ist.Um die verschiedenartigen Charakteristika der Verzerrungstypen besprechenzu können, soll allerdings weiterhin in Typ A und Typ B unterschieden wer-den. Man muß sich allerdings bewußt sein, daß ein Übergang vom einen zumanderen Typ ohne Energieaufwand möglich ist.

Für die Berechnung des Pfades und der Hyperfläche wurde nur die Jahn-Teller-aktive E-Mode konstant gehalten. Daher muß ausgeschlossen werden,daß bei den anderen Moden bei Veränderung der Position auf der E-Moden-Ebene Sprünge oder gar Oszillationen vorliegen. Da sich z.B. die Breathing-Mode (A1

1) bei Typ A und Typ B stark unterscheidet, würden ein Sprungoder Oszillationen bedeuten, daß sich die beiden Verzerrungen nicht durchdas Festhalten der E-Mode ineinander überführen ließen, sondern daß manentweder im einen oder im anderen Verzerrungstyp hängenbleiben würde.Eine Beschreibung des Energiepfades mit nur einer Koordinate der E-Modeund dieser anderen, springenden Mode wäre dann der sinnvollere Zugang.

Abbildung 4.15 zeigt, daß dies nicht der Fall ist. Die beiden relevantenA1-Moden folgen stetig der Veränderung der E-Moden. Damit hat ein konti-nuierlicher Übergang zwischen den beiden Verzerrungstypen stattgefunden.Dies bedeutet, daß obwohl die Potentialfläche der E-Moden extrem flach ist,ein starker Anstieg der Energie bei Verlassen des durch Abb. 4.15 gegebenenPfades der A1-Moden zu erwarten ist.

Die negativen Werte der Breathing-Mode belegen dabei den Volumenver-lust durch die Inwärtsrelaxation der Atome. Auch zeigt sich, daß im Vergleichzur symmetrischen Struktur (gepunktete Linie) das Volumen sowohl beimTyp A und noch viel stärker beim Typ B abnimmt. Dies läßt vermuten, daßunter Druck der Komplex des Typs B bevorzugt ist.

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50 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

00,5

11,5

Interpolationspfad

−0,55

−0,54

−0,53

−0,52

−0,51

−0,5

−0,49

−0,48

−0,47

−0,46

−0,45

Gesamtenergie (eV)

Druck: 0 G

Pa

Typ ATyp B

Abbildung 4.14: Gesamtenergie entlang des in Abb. 4.13 gezeigten Pfades.Der Energieunterschied zwischen den Verzerrungstypen liegt in einer Größen-ordnung von 10 meV und damit an der Auflösungsgrenze, eine Energiebarriereist nicht vorhanden. Die Stabilisierung einer der beiden Strukturen gelingtnur, weil die Berechnungen bei T=0 K stattfanden. Die y-Achse überspanntdabei einen Bereich von 100 meV.An der gepunkteten Linie findet der Übergang von der Verzerrung des Typs Azur Verzerrung des Typs B statt.

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4.5. BESTIMMUNG DER POTENTIALHYPERFLÄCHE 51

00,5

11,5

Interpolationspfad

−0,8

−0,6

−0,4

−0,2 0

0,2

Koeffizienten der Moden

A1 1 (B

reathing)

A1 2

A1 1 sym

m. S

truktur

Druck: 0 G

Pa

Typ ATyp B

Abbildung 4.15: A1-Moden als Funktion des Interpolationspfades. Sie folgenstetig der Änderung der E-Mode, d.h. es hat ein kontinuierlicher vom Typ Azum Typ B stattgefunden. Auffällig ist die Abnahme der A1

1-Koordinate(Breathing-Mode) bei Typ B und damit die Verringerung des Defektvolu-mens. Zum Vergleich wurde der Wert für die symmetrische Struktur als hori-zontale gepunktete Linie eingezeichnet. An der vertikalen gepunkteten Liniefindet der Übergang zwischen der Verzerrung des Typs A und des Typs Bstatt.

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52 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

4.5.3 Analyse der Druckabhängigkeit

In Abschnitt 4.5.2 wurde die Gesamtenergie des Interpolationspfads bei derGleichgewichts-Gitterkonstante und damit Druck P = 0 GPa berechnet. Dadie Verzerrung des Typs B eine stärkere Breathing-Relaxation aufweist alsder Typ A, ist zu erwarten, daß die Verzerrung vom Typ B unter Druckenergetisch günstiger ist.

Eine Gitterkonstante von 10,14 Bohr wurde für die Rechnungen unterDruck gewählt, was mit Hilfe des Bulkmoduls B = −V

(∂P∂V

)T

einen Druckvon 1,75 GPa ergibt. Abbildung 4.16 zeigt den in Abb. 4.13 dargestelltenInterpolationspfad unter diesem Druck. Wie erwartet sinkt die Gesamtenergiefür den stark verzerrten Typ B ab, so daß sich ein Energieunterschied von40 meV mit einer Barriere von 60 meV ergibt.

Wie auch im Fall ohne Druck verändern sich die A1-Moden stetig längs desInterpolationspfades (Abb. 4.17). Es fällt außerdem auf, daß die Verzerrungunter Druck verstärkt wird. Die A1

1 Koordinate sinkt bei Typ A von −0,30auf −0,60 ab, bei Typ B von −0,62 auf −0,93. Das gleiche gilt für die E-Mode: E1,1 sinkt bei Typ A von −0,04 auf −0,08 und bei Typ B steigt sie von0,18 auf 0,28; E1,2 steigt bei Typ A von 0,03 auf 0,10 und bei Typ B sinktsie von −0,69 auf −0,83. Im Bild des Interpolationspfades (Abb. 4.13) giltdabei, daß die beiden Verzerrungstypen auf dem Pfad nach außen wandernund sich weiter voneinander entfernen.

4.6 Bildungsvolumina und -energien

Um das Verhalten unter Druck zu erklären, muß das Bildungsvolumen unddie Bildungsenergien der Verzerrungstypen untersucht werden. Wie schon beider Energiefläche zu sehen, ist auch hier eine druckabhängige Änderung zuerwarten.

4.6.1 Berechnung der Bildungsenergie

Für den neutralen Arsen-Leerstellen-Komplex ist die Bildungsenergie durch

Ef = Ecell − nSiµSi − nAsµAs (4.3)

gegeben, wobei Ecell die Energie der Superzelle mit dem Defekt ist, nSi bzw.nAs die Anzahl und µSi bzw. µAs das chemische Potential von Silizium bzw.Arsen darstellen. Das chemische Potential des Arsens ist abhängig von einemexternen chemischen Reservoir von Arsen-Atomen, weswegen man eine Ab-weichung vom chemischen Potential des Arsen-Festkörpers berücksichtigen

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4.6. BILDUNGSVOLUMINA UND -ENERGIEN 53

00,5

11,5

Interpolationspfad

−0,34

−0,33

−0,32

−0,31

−0,3

−0,29

−0,28

−0,27

−0,26

−0,25Gesamtenergie (eV)

Druck: 1,75 G

Pa

Typ ATyp B

Abbildung 4.16: Gesamtenergie entlang des Interpolationspfades ausAbb. 4.13 bei einem Druck von 1,75 GPa. Der Energieunterschied zwischenden beiden Verzerrungstypen liegt bei 40 meV, dazwischen hat sich zusätzlicheine Barriere von 20 meV aufgebaut.Bei der gepunkteten Linie findet der Übergang zwischen der Struktur desTyps A und des Typs B statt.

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54 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

00,5

11,5

Interpolationspfad

−1

−0,8

−0,6

−0,4

−0,2 0

0,2Koeffizienten der Moden

A1 1 (B

reathing)

A1 2

Druck: 1,75 G

Pa

Typ ATyp B

Abbildung 4.17: A1-Moden als Funktion des Interpolationspfades bei einemDruck von 1,75 GPa. Auch hier folgen die A1-Moden stetig. Der leichte Knickläßt sich dadurch erklären, daß ungefähr bei der gestrichelten Linie die sym-metriche Struktur eingenommen wird und damit der Übergang in die ener-getisch günstigere Verzerrung stattfindet.

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4.6. BILDUNGSVOLUMINA UND -ENERGIEN 55

muß [28]: ∆µ = µAs − µAs,bulk, ∆µ < 0. Dadurch wird die Bildung eines sol-chen Komplexes in stark arsenhaltigen Umgebungen, z.B. bei der Dotierung,durch die sinkende Bildungsenergie begünstigt.

Für unseren Fall einer Superzelle mit 64 Gitterplätzen (62 Silizium-Atome,ein Arsen-Atom und eine Leerstelle) wird Gl. (4.3) damit zu

Ef = Ecell −62

64ESi,64 −

1

2EAs,2 −∆µ . (4.4)

ESi,64 und EAs,2 sind dabei die Gesamtenergien einer Silizium-Superzelle mit64 Atomen bzw. eines Arsen-Festkörpers mit einer zweiatomigen Einheitszel-le.

Abbildung 4.18 stellt dabei die Bildungsenergie abhängig von der Gitter-konstante dar, bezogen auf das chemische Potential des Arsen-Festkörpers.3Es zeigt sich, daß die Bildungsenergie bei der Gleichgewichts-Gitterkonstantefür beide Verzerrungstypen bis auf 10 meV identisch ist – sie beträgt 2,41 eVfür Typ A und 2,42 eV für Typ B. Dies ändert sich bei geringerem Volumender Superzelle: bei einer Gitterkonstante von 10,10 Bohr hat der stark ver-zerrte Typ B mit 2,08 eV eine um 80 meV günstigere Bildungsenergie als derTyp A mit 2,16 meV.

Im Gleichgewichtsfall ist es, wie in Abschnitt 4.5.2 erwähnt, nicht sinnvoll,von zwei unterschiedlichen Verzerrungstypen zu sprechen, da zwischen denbeiden Typen keine Energiebarriere vorhanden ist. Nur durch Beschränkungauf die Temperatur T = 0 K können beide Verzerrungstypen stabilisiertwerden.

4.6.2 Bildungsvolumen und -enthalpie

Das für konstanten Druck relevante thermodynamische Potential ist die Ent-halpie. Für die druckabhängige Beschreibung ist deshalb die Bildungsenthal-pie wichtig, die sich aus

Hf = Ef + PVf (4.5)

ergibt, wobei Ef die Bildungsenergie, P der Druck und Vf das Bildungsvolu-men darstellt.

Für die Berechnung des Bildungsvolumens können nicht nur die nächstenNachbarn der Leerstelle herangezogen werden, auch die anderen Atome derSuperzelle bzw. des realen Kristalls sind von den Relaxationen betroffen.Man kann diesen Defekt als Schottky-Paar auffassen, bei dem ein Atom aus

3Für die Bildungsenergie gilt ∆µ = 0. Der tatsächliche Wert der Bildungsenergie hängtvom tatsächlichen chemischen Potential des Arsens ab.

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56 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

1010,1

10,210,3

10,410,5

Gitterkonstante (B

ohr)

2

2,1

2,2

2,3

2,4

2,5

2,6

2,7

Bildungsenergie (eV)

Typ ATyp B

Abbildung 4.18: Bildungsenergie des As-VSi-Komplexes als Funktion der Git-terkonstante. Bei kleineren Gitterkonstanten ist der stark verzerrte Typ Benergetisch begünstigt.Alle Energiewerte beziehen sich dabei auf das chemische Potential des Arsen-Festkörpers.

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4.6. BILDUNGSVOLUMINA UND -ENERGIEN 57

dem Kristall-Inneren entfernt und an die Oberfläche gesetzt wird. Wie inAnhang B hergeleitet wird, ergibt sich damit für das Bildungsvolumen [29]:

Vf = −VB

(∂Ef

∂V

)T

+ Vm (4.6)

wobei B das Bulkmodul, Ef die Bildungsenergie und Vm das molare Volumendarstellt. V ist dabei das Volumen der Superzelle.

Das Bildungsvolumen für den As-VSi-Komplex ergibt sich damit zu:

Typ A Typ BBildungsvolumen in Å3 9,68 4,53

Das geringere Bildungsvolumen bei Typ B ergibt eine bei Druck niedrigereBildungsenthalpie. Abbildung 4.19 zeigt die Bildungsenthalpie als Funktiondes Druckes. Während sie bei Druck P = 0 GPa für beide Typen ungefährgleich ist, ist sie z.B. bei einem Druck von 1,75 GPa für Typ B mit 2,22 eVum 0,1 eV niedriger als bei Typ A. Dies erklärt, warum der Typ B in derGesamtenergierechnung unter Druck energetisch günstiger ist als der Typ A.

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58 KAPITEL 4. SIMULATION DES AS-VSI-KOMPLEXES

00,5

11,5

22,5

Druck (G

Pa)

2,1

2,2

2,3

2,4

2,5

Bildungsenthalpie (eV)Typ ATyp B

Abbildung 4.19: Bildungsenthalpie des As-VSi-Komplexes als Funktion desDruckes. Durch das niedrigere Bildungsvolumen und auch die niedrigere Bil-dungsenergie ist Typ B unter Druck bevorzugt, bei P = 0 GPa haben beideDefekte die gleiche Bildungsenthalpie.Alle Energiewerte beziehen sich dabei auf das chemische Potential des Arsen-Festkörpers.

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Kapitel 5

Diskussion

Die Ergebnisse aus Kap. 4 lassen auf ein komplexes Verhalten des As-VSi-Komplexes schließen. Die Frage ist, wie weit diese Ergebnisse mit den experi-mentellen Ergebnissen aus Kap. 3 übereinstimmen. Diese wurden im Rahmendes Defektmolekül-Bildes interpretiert. Es gilt zu klären, ob sich die Ergeb-nisse der Simulationen im Rahmen dieses Modells verstehen lassen oder obeine Erweiterung nötig ist.

5.1 Der As-VSi-Komplex im Defektmolekül-Bild

Das Defektmolekül-Bild läßt den Defekt umgebenden Kristall vollkommenaußer Acht: nur die nächsten Nachbarn zur Leerstelle werden betrachtet.Watkins schließt diese Betrachtungsmöglichkeit aus der Tatsache, daß derGroßteil der Ladungsdichte innerhalb des Defektes gefunden wird [9]. DiesesBild ist in der Lage, einen Großteil der beobachteten Phänome zu erklären.Durch die symmetrie-angepaßte Konstruktion der Wellenfunktionen aus dendangling-bond -Orbitalen läßt sich sowohl die Struktur der gemessenen La-dungsdichte als auch das Zusammenrelaxieren zweier Silizium-Atome beimJahn-Teller-Effekt erklären . Die DFT-Rechnungen bieten nun die Möglich-keit, die Ladungsdichte einzelner Zustände zu untersuchen und damit diesesBild zu überprüfen.

5.1.1 Experiment und Simulation

In Abschnitt 4.4 wurden die Ladungsdichten der vier Defektzustände des As-VSi-Komplexes betrachtet. Es stellte sich heraus, daß nahezu alle Zuständeüber das eigentliche Defektmolekül hinausragen, die für die Gültigkeit desDefektmoleküls nötige starke Lokalisierung ist nur bedingt gegeben. Insbe-

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60 KAPITEL 5. DISKUSSION

sondere der in Abb. 4.8 dargestellte energetisch niedrigste a1-Zustand istnicht, wie von Elkin und Watkins angenommen [8], am Arsen-Atom lokali-siert. Es finden sich Ladungsdichtekonzentrationen an den nächsten Nach-barn zur Leerstelle und noch weit außerhalb des Defektmoleküls.

Ähnliches gilt für den a1-Zustand in der Bandlücke (Abb. 4.9). Auchdieser reicht weit über das Defektmolekül hinaus. Zwar haben beide Zuständedie geforderte A1-Symmetrie, die Ladungsdichte beschränkt sich dabei jedochnicht auf den Raum des Defektmoleküls. Man muß davon ausgehen, daß auchdie Bindungen zu den übernächsten Nachbarn der Leerstelle einen Einfluß aufdie Geometrie des Komplexes haben.

Bei den e-Zuständen unterscheiden sich nach der Jahn-Teller-Verzerrungder a′ und der a′′-Zustand in ihrer Lokalität (Abb. 4.10 für den energetischgünstigeren, mit einem Elektron besetzten Zustand, Abb. 4.11 für den energe-tisch höher gelegenen Zustand): Während der a′′-Zustand stark lokalisiert ist,ist der a′-Zustand über die Defektatome hinaus ausgedehnt. Diese Bindungenüber das Defektmolekül hinaus lassen einen nicht zu vernachlässigenden Ein-fluß auf die Jahn-Teller-Verzerrung vermuten, da der e-Zustand die treibendeKraft der Verzerrung ist. Besonders auffällig ist der Einfluß dieser Defektzu-stände bei der Verzerrung des Typs B: da hier der a′-Zustand energetischgünstiger ist, zeigt er sich für die gefundene Verzerrung verantwortlich. Diezwischen den Atomen 1 und 2 gefundene Ladungsdichte zeigt, daß sich die-ser Zustand durch die Aufeinanderbewegung dieser beiden Atome ausbildet.Gleichzeitig ist bei Typ A der a′′-Zustand energetisch günstiger, woraus sichdie aus dem antibindenden Charakter dieses Zustands resultierende Absto-ßung der Atome 1 und 2 ergibt.

Vergleich mit experimentellen Ergebnissen

In Abb. 5.1 sind die Defektzustände des As-VSi-Komplexes im Defektmole-kül-Bild dargestellt, wie sie Elkin und Watkins in Ref. [8] beschrieben haben.Die Orbitale |1〉 bis |3〉 sind an den Silizium-Atomen lokalisiert, das Orbital|4〉 am Arsen-Atom. Daraus ergeben sich die an die C1h-Symmetrie angepaß-ten Wellenfunktionen, die λi sind klein. Diese Wellenfunktionen besagen, daßder 2. a′-Zustand, der aus dem a1-Zustand der C3v-Symmetrie hervorgeht,maßgeblich für die Bindung zwischen den Atomen 1 und 2 verantwortlichist, der 3. a′-Zustand jedoch nur bedingt. Ein Vergleich mit den Ladungs-dichtebildern aus den DFT-Rechnungen zeigt allerdings, daß der aus deme-Zustand hervorgegangene 3. a′-Zustand für die Bindung der Atome 1 und2 verantwortlich ist. Der 2. a′-Zustand hat vielmehr noch die Struktur desa1-Zustandes mit C3v-Symmetrie.

Trotz der Unterschiede in den einzelnen Zuständen zeigt sich allerdings,

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5.1. DER AS-VSI-KOMPLEX IM DEFEKTMOLEKÜL-BILD 61

a′′ : 1√2(|1〉 − |2〉)

3. a′ : |3〉 − λ1√2(|1〉+ |2〉)− λ2 |4〉

2. a′ : 1√2(|1〉+ |2〉) + λ1 |3〉 − λ3 |4〉

1. a′ : |4〉+ λ3√2(|1〉+ |2〉) + λ2 |3〉

Abbildung 5.1: Defektzustände des neutralen As-VSi-Komplexes, wie sie El-kin und Watkins in Ref. [8] beschreiben. |1〉 bis |3〉 stellen dabei die Orbitalean den Silizium-Atomen dar, |4〉 das Orbital am Arsen-Atom. Die Koeffizien-ten λi werden als sehr klein angegeben. Die unteren beiden a′-Zustände sinddabei mit je zwei Elektronen besetzt, der obere a′-Zustand mit einem.

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62 KAPITEL 5. DISKUSSION

daß die prinzipielle Struktur des As-VSi-Komplexes, wie sie im Experimentgefunden wurde, bestätigt werden kann. Der von Elkin und Watkins gefun-dene Typ entspricht dabei dem Typ B aus den DFT-Simulationen, da dieserTyp die für diesen Komplextyp typische Bindung zwischen den Atomen 1und 2 aufweist. Diese Bindung ist bei Typ A nicht vorhanden. Die Defekt-zustände, wie Elkin und Watkins sie konstruieren, können in dieser Formallerdings nicht bestätigt werden, sie zeigen in den Simulationen ein deutlichkomplexeres Verhalten und sind räumlich deutlich weiter ausgedehnt.

Das komplizierte Absorptionsspektrum, das in den EPR-Messungen ge-funden wird, könnte aus dem geringen Energieunterschied zwischen den Ty-pen A und B ohne Energiebarriere längs des Interpolationspfades resultieren.Ein Oszillieren des Defektes zwischen den beiden Verzerrungstypen kann dieEPR-Messungen verfälschen. Da die beiden Verzerrungen unterschiedlicheBildungsvolumina haben, ist mit dem Wechsel von Typ A nach Typ B oderumgekehrt eine deutliche Änderung der Atomstruktur verbunden, was sichauf die EPR-Spektren auswirkt. Daß Typ B schließlich überwiegt, läßt sichdadurch erklären, daß die im Kristall vorhandenen Defekte vor den Messun-gen durch Druck ausgerichtet wurden. In Abschnitt 4.5.3 wurde gezeigt, daßunter Druck der Typ B energetisch deutlich günstiger ist als der Typ A. BeiMeßtemperaturen von 20 K und weniger ist nicht auszuschließen, daß auf-grund der bei diesen Temperaturen langen Relaxationszeit lokal noch Druckauf den Defekt vorhanden war, obwohl kein externer Druck mehr ausgeübtwurde.

5.1.2 Normalmoden zur Beschreibung der Verzerrung

Betrachtet man die Entwicklung der Verzerrungen in die Normalmoden desDefektmoleküls (Abschnitt 4.5), zeigt sich, daß diese Basis zur Beschreibungder Verzerrungen sehr gut geeignet ist: lediglich vier der zwölf möglichenFreiheitsgrade reichen aus, um die komplexe Struktur des Defektes zu be-schreiben. Die Komplexität der Ladungsdichte-Bilder, insbesondere die Aus-gedehntheit der Zustände, ließen erwarten, daß zur Beschreibung des De-fektmoleküls mehr als nur vier Dimensionen nötig wären. Tabelle 4.8 zeigtjedoch, daß zur Darstellung der Verzerrungen nur zwei A1-Moden und eineE-Mode nötig sind, alle anderen Moden sind vernachlässigbar oder konstant.

Jahn-Teller-aktiv ist lediglich eine einzige E-Mode. Interpoliert man wiein Abschnitt 4.5.2 einen Pfad zwischen den Verzerrungstypen (Abb. 4.13),stellt man fest, daß die beiden relevanten A1-Moden folgen (Abb. 4.15 undAbb. 4.17). Obwohl die Potentialhyperfläche für die E-Mode sehr flach ist,bedeutet dies, daß sie als Funktion der A1-Moden stark ansteigen muß, so-bald man den Pfad zwischen den Verzerrungstypen verläßt. Nur so läßt sich

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5.1. DER AS-VSI-KOMPLEX IM DEFEKTMOLEKÜL-BILD 63

erklären, daß es keine starken Sprünge bei den Koordinaten der A1-Modenbei einer Veränderung der Position in der Ebene der E-Mode gibt. Im Ge-gensatz zur extrem flachen Potentialhyperfläche der Jahn-Teller-aktiven E-Mode muß für die Potentialhyperfläche als Funktion der beiden relevantenA1-Moden einen deutlichen Reorientierungspfad geben.

5.1.3 Gültigkeit des Defektmolekül-Bildes

In Abschnitt 5.1.1 wurde gezeigt, daß das Defektmolekülbild nicht in der La-ge ist, die gefundenen Ladungsdichten zu beschreiben. Die Ladungsdichtender Defektzustände ragen über die nächsten Nachbarn der Leerstelle hin-aus, bei dem Defektzustand im Valenzband sogar bis über die übernächstenNachbarn. Im Defektmolekül-Bild jedoch werden nur die Bindungen zwischenden Defekt-Atomen berücksichtigt, die Bindungen an den restlichen Kristallwerden ignoriert. Die Ladungsdichtebilder zeigen, daß eine solch vereinfach-te Sichtweise nicht sinnvoll ist. Die Ladungsdichtekonzentrationen außerhalbdes Defektmoleküls bedeuten, daß der Einfluß der Bindungen zwischen dennächsten und den übernächsten Nachbaratomen auf das Defektmolekül nichtunbedingt vernachlässigbar ist.

Auch die Existenz mehrerer möglicher Verzerrungen und die nicht vor-handene Energiebarriere läßt sich in dem Bild, wie es Watkins entworfenhat, nicht erklären. Die extrem flache Potentialhyperfläche setzt voraus, daßes Verzerrungsterme höherer Ordnung im Hamiltonoperator dieses Systemsgibt. Anderson, Ham und Grossmann [30] zeigen, daß zur Beschreibung derexperimentell gefundenen Struktur der negativ geladenen Silizium-Leerstellesolche Terme höherer Ordnung und die Berücksichtigung der Wechselwirkungder Defektzustände untereinander nötig sind (siehe auch Abschnitt 5.2.2).Sie führen die experimentell gefundene C2v-symmetrische Struktur auf ei-ne Kopplung zwischen den für die Verzerrung verantwortlichen E- und T2-Moden als auch auf eine quadratische Kopplung an die E-Moden zurück.Gleichzeitig ist in diesem Fall die Existenz zweier energetisch äquivalenterVerzerrungen möglich. Dieses Verhalten kann im Defektmolekül-Bild, daskeinerlei Elektron-Elektron-Wechselwirkung kennt, nicht erklärt werden.

Die in Abschnitt 4.12 gefundenen Normalmoden beschreiben lediglich dasDefektmolekül und beziehen dessen Nachbaratome nicht mit ein. Umso er-staunlicher ist, daß die Jahn-Teller-verzerrte Defektstruktur durch lediglich3 Moden – 2 A1 und eine E-Mode – charakterisiert werden kann. Da dieA1-Moden einer Veränderung der E-Moden stetig folgen, sind diese Modeneine adäquate Beschreibung dieses Systems.

Diese Ergebnisse zeigen deutlich, daß das Defektmolekül-Bild seine Gren-zen hat. Eine Vielzahl der heute bekannten Phänomene können nicht erklärt

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64 KAPITEL 5. DISKUSSION

werden. Gleichzeitig zeigt die erfogreiche Beschreibung des Komplexes inden Normalmoden des Defektmoleküls, daß es zur Modellierung der Defektedurchaus verwendet werden kann. Auch haben sich viele qualitative Vorher-sagen wie die Symmetrie der Jahn-Teller-verzerrten Defekte oder der Spin derDefektzustände (wichtig für die EPR-Untersuchungen) als richtig erwiesen.Wichtig ist es, die Grenzen des Modells zu kennen.

5.2 Die Frage der Jahn-Teller-Energie

5.2.1 Vergleich mit experimentellen Ergebnissen

Die Analysen in Kap. 4 zeigen, daß die Jahn-Teller-Energie mit −3 meV fürdie Verzerrung des Typs A bzw. sogar +6 meV für den Typ B im Vergleichzu den experimentell abgeschätzten −570 meV viel zu klein ist. Die Verwen-dung des (schlechteren) Hartree-Modells, das wie bei der experimentellenAbschätzung die Jahn-Teller-Energie aus der Energieänderung der Defektzu-stände erhält, bessert die Lage etwas. Man findet −7 meV für Typ A bzw.−105 meV für Typ B.

Die Untersuchung des Komplexes unter einem Druck von 1,75 GPa zeigt,daß dort der Energiegewinn größer ist: aus der Gesamtenergie ergibt sich fürTyp A (Typ B) eine Jahn-Teller-Energie von −11 meV (−60 meV) und imHartree-Modell von −29 meV (−198 meV) – siehe auch Tabellen 4.4 und4.5. Auch dies ist noch deutlich geringer als der experimentell gemesseneWert. Es zeigt allerdings, daß der Jahn-Teller-Effekt in DFT-Rechnungendoch vorhanden und mit einem Energiegewinn verbunden ist.

In Abschnitt 5.1 wurde erwähnt, daß in den EPR-Experimenten [8] dieAusrichtung der Defekte durch uniaxialen Druck geschah. Bei Temperaturenum 20 K ist nicht auszuschließen, daß während der Messungen lokal nochDruck auf die Defekte ausgeübt wurde. Wie in Abschnitt 4.5.3 gezeigt wur-de, nimmt der Energiegewinn durch die Jahn-Teller-Verzerrung unter Druckzu. Dies könnte zu einem zu hohen Wert in der Abschätzung der Jahn-Teller-Energie geführt haben. Gleichzeitig sind die im Hartree-Modell gefundenenEnergiewerte prinzipiell zu hoch. Zusammengenommen läßt dies den experi-mentell gefundenen als zu hoch erscheinen.

In ihrer Abschätzung gehen Elkin und Watkins davon aus, daß die Jahn-Teller-Energie auf jeden Fall von der Größenordnung der Aufspaltung zwi-schen dem a1- und dem e-Zustand ist. In den Simulationen ist diese Aufspal-tung ungefähr 300 meV. Dies bedeutet, daß die ab initio-Jahn-Teller-Energietrotz allem zu klein ist. Eine mögliche Ursache ist das Zusammenbrechender lokalen Dichte-Näherung. Obwohl LDA auch für Atome und Moleküle

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5.2. DIE FRAGE DER JAHN-TELLER-ENERGIE 65

erstaunlich gut funktioniert, könnte im Bereich des Defektes die Änderungder Elektronendichte so stark sein, daß die Näherung zusammenbricht unddie Austausch-/Korrelationseffekte der Defektzustände nicht mehr korrektbeschrieben werden.

5.2.2 Anharmonische Effekte in der Potentialhyperflä-che

Der Jahn-Teller-Effekt wird in der Regel durch eine lineare Kopplung imJahn-Teller-Hamiltonoperator beschrieben (vgl. Gl. (2.1) ), was zu folgendemErwarungswert für die Jahn-Teller-Energie führt;

EJT = VJTQ+1

2kQ2 , (5.1)

wobei Q die Auslenkung der Jahn-Teller-aktiven Normalmode des Defektesund VJT den Kopplungskoeffizienten darstellt. Beim As-VSi-Komplex mit zweiJahn-Teller-aktiven Koordinaten ändert sich 5.1 wie folgt:

EJT(QE1 , QE2) = VE1QE2 + VE2QE2 +1

2

(k1Q

2E1 + k2Q

2E2

)(5.2)

Mit diesem Hamiltonoperator lassen sich allerdings zwei vollkommen unter-schiedliche Verzerrungen oder gar eine flache Potentialfläche wie im voliegen-den Fall nicht erklären.

Bereits in Abschnitt 5.1 wurde erwähnt, daß zur Beschreibung dieses Er-gebnisses das Defektmolekül-Modell erweitert werden muß. Anderson, Hamund Grossmann führten dies für die negativ geladene Silizium-Leerstelle durch [30].Dabei wurde sowohl eine Kopplung zwischen der E-Mode und der T2-Modeals auch eine quadratische Kopplung an die E-Mode berücksichtigt.

Wie in Abschnitt 4.5.2 erwähnt wurde, variiert die Stärke der A1-Mode beibeiden Verzerrungstypen. Auf dem Interpolationspfad zwischen den beidenVerzerrungen folgen die beiden relavanten A1-Moden der Veränderung der E-Mode. Das bedeutet, daß es einen Kopplungsterm zwischen den A1-Modenund den E-Moden gibt. Um den As-VSi-Komplex adäquat beschreiben zukönnen, müssen auch die A1-Moden, die nur eine symmetrische Verzerrungverursachen, berücksichtigt werden. Da sich die beiden A1-Moden so line-arkombinieren lassen, daß es eine stark und eine nur schwach veränderlicheMode gibt,1 soll im folgenden der Einfachheit halber nur von einer A1-Mode

1Wie in Abb. 4.15 und Abb. 4.17 zu sehen ist, sind die beiden Moden nahezu spiegel-symmetrisch zu einer Achse parallel zur x-Achse. Sie lassen sich damit zu einer stark undeiner schwach veränderlichen Mode linearkombinieren. Der Anschaulichkeit wegen wurdedies bei den Analysen nicht durchgeführt.

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66 KAPITEL 5. DISKUSSION

ausgegangen werden. Die Verzerrung, die die A1-Mode beschreibt, soll da-bei die Verzerrung aus der symmetrisch relaxierten Struktur sein, d.h. dieVolumenänderung durch die Verzerrung von der idealen in die symmetrischeStruktur ist nicht enthalten. Der Erwartungswert des Hamiltonoperators, derdiese Verzerrung beschreibt, wird hiermit deutlich komplizierter:

EJT(QA1 , QE1 , QE2) = VE1QE1 + VE2QE2+

+(VA1 + VE1A1

QE1 + VE2A1QE2

)QA1+

+12

(kA1Q

2A1

+ kE1Q2E1 + kE2Q2

E2

) (5.3)

Hierdurch ergeben sich Mischterme der Form(VEi + VEiA1

QA1

)QEi =: αi (QA1)QEi . (5.4)

Jedoch wird von QA1 gerade die Volumenänderung des Defektes beschrieben.Dies bedeutet, daß die Koeffizienten αi druckabhängig sind: αi = αi(P ).

Was hier nicht berücksichtigt ist, sind Terme höherer Ordnung. Es istanzunehmen, daß zur korrekten Beschreibung der Fläche weitere Terme derOrdnung Q2

i , Q2iQj und noch höhere Potenzen nötig sind. Allgemein läßt sich

die Energie in eine Potenzreihe der Verzerrungskoordinaten entwickeln:

E(Q1, . . . , QN) = E0 +∑

i

αiQi +∑i,j

βijQiQj +∑i,j,k

γijkQiQjQk + . . . (5.5)

Ziel ist es dann, die Koeffizienten Vi zu bestimmen. Dies läßt sich erreichen,indem man die Potentialhyperfläche als Funktion der Koordinaten Qi be-stimmt und an ein Polynom der Koordinaten der Normalmoden fittet.

Es zeigt sich, daß der As-VSi-Komplex im Defektmolekülbild zwar be-schrieben, aber nicht verstanden werden kann. An diesen nichtlinearen Ef-fekten sind sowohl Wechselwirkungen zwischen Defektzuständen als auch dieübernächsten Nachbarn der Leerstelle beteiligt. In den DFT-Rechnungen äu-ßert sich dies so, daß es nicht ohne weiteres möglich ist, die Koordinaten desDefektmoleküls auf eine bestimmte vorgegebene Position festzulegen. Sinddie Atome des Defektes gegenüber ihren Nachbaratomen zu stark aus derGleichgewichtsposition ausgelenkt, so ist nicht mehr sicher, daß der Komplexbei den Geometrie-Iterationen in die gewünschte Struktur relaxiert. Dies läßtauf einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß des Festkörpers auf den Defektschließen.

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Kapitel 6

Zusammenfassung

Im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie wurde der neutrale Arsen-Leerstellen-Komplex in Silizium (As-VSi) untersucht. Es konnte gezeigt werden, daßein bei der neutralen Silizium-Leerstelle neu entdecktes Phänomen, die Exi-stenz zweier unterschiedlicher Verzerrungen [6], auch im As-VSi-Komplexvorhanden ist. Beide Verzerrungen haben dabei die von Watkins aus demDefektmolekül-Bild vorhergesagte C1h-Symmetrie. Durch die Jahn-Teller-Verzerrungist bei beiden Typen bei Druck P = 0 GPa allerdings nur ein Energiege-winn unterhalb der Genauigkeitsgrenze der Simulation (ca. 10 meV) vorhan-den, während experimentelle Untersuchungen eine Jahn-Teller-Energie von−570 meV abschätzten.

Die beiden gefundenen Verzerrungen unterscheiden sich stark. Der ei-ne Typ ist schwach verzerrt (Typ A) und unterscheidet sich kaum von dersymmetrischen Struktur, während bei dem anderen Typ B eine starke Ver-zerrung, verbunden mit einer starken Aufeinanderbewegung zweier Silizium-Atome, vorliegt. Bei Typ A bewegen sich diese beiden Silizium-Atome leichtauseinander. Dies ist mit den Ladungsdichte-Bildern erklärbar. Durch dieVerzerrung spaltet der mit einem Elektron besetzte e-Zustand in einen a′

und einen a′′-Zustand auf. Während bei Typ B der bindende a′-Zustandenergetisch günstiger ist, ist es bei Typ A der antibindende a′′-Zustand. DerÜbergang von der Verzerrung des Typs A zu einer Verzerrung des Typs Bist damit durch ein Vertauschen des a′- und des a′′-Zustandes in der Band-struktur gekennzeichnet. Typ B entspricht durch die bindende Ladungsdichtezwischen den beiden Silizium-Atomen der Struktur, wie sie Watkins aus demDefektmolekül-Bild herleitet und durch EPR-Messungen bestätigt [8].

Zur Untersuchung der Struktur des Defektes wurde die Verzerrung indie Normalmoden des Defektmoleküls entwickelt. Es zeigt sich dabei, daßvon den zwölf Freiheitsgraden lediglich vier, zwei A1-Moden und eine zweidi-mensionale E-Mode, zur Beschreibung der Jahn-Teller-Verzerrung nötig sind.

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68 KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG

Dadurch wird es möglich, die Jahn-Teller-Verzerrung als Funktion lediglichder einen Jahn-Teller-aktiven E-Mode zu parametrisieren.

Eine Untersuchung der Gesamtenergie des Defektes als Funktion dieserE-Mode zeigt, daß die zugehörige Potential-Hyperfläche extrem flach ist. Aufdem Interpolationspfad zwischen den beiden Verzerrungen ist keine Ener-giebarriere vorhanden. Die symmetrische Struktur liegt dabei zwischen denbeiden Verzerrungstypen (vgl. Abb. 4.13). Dies zeigt, daß es sich bei derJahn-Teller-Verzerrung des As-VSi-Komplexes um einen dynamischen Effekthandelt, da es nur durch die Temperatur von T = 0 K gelingt, die Verzer-rungen zu stabilisieren.

Eine Energiebarriere tritt erst unter Druck auf. Bei einem Druck vonP =1,75 GPa wird die Verzerrung des Typs B energetisch um 40 meV gün-stiger als die des Typs A, der maximale Energieunterschied längs des Inter-polationspfades beträgt 60 meV. Gleichzeitig entfernen sich beide Typen aufdem Interpolationspfad voneinander, das heißt, die Verzerrungen verstärkensich.

Um diesen Effekt zu erklären, wurden Bildungsvolumen und -enthalpiebeider Komplextypen bestimmt. Es zeigt sich, daß das Bildungsvolumen vonTyp B mit 4,53 Å3 deutlich kleiner ist als das von Typ A (9,68 Å3). Bei DruckP = 0 GPa ist die Bildungsenergie beider Typen mit 2,42 eV identisch. Beieinem Druck von 1,75 GPa wird jedoch durch das geringere Bildungsvolumender Typ B energetisch günstiger: der Bildungsenthalpie von 2,32 eV bei Typ Astehen 2,22 eV bei Typ B gegenüber.

Da im Experiment die Defekte unter uniaxialem Druck ausgerichtet unddie Messungen bei Temperaturen um 20 K durchgeführt wurden, ist nichtauszuschließen, daß lokal auf die Defekte noch Druck ausgeübt wurde unddadurch eine Stabilisierung des Typs B auftrat. Andererseits beschreibenElkin und Watkins, daß das EPR-Sprektum für den As-VSi-Komplex sehrkompliziert ist und die einzelnen Linien nur durch Druck-Experimente zuidentifizieren waren [8]. Dies wäre mit dem gefundenen dynamischen Effektzu erklären.

Unter Druck ändert sich auch die Jahn-Teller-Energie. Der Typ B zeigteinen Energiegewinn von 60 meV, der Typ A 11 meV. Im von Elkin undWatkins verwendeten Hartree-Modell zur Abschätzung der experimentellenJahn-Teller-Energie steigt er sogar auf 198 meV an. Trotz allem ist die be-rechnete Jahn-Teller-Energie niedriger als sie im Experiment gefunden wird.Es zeigt sich allerdings, daß die Energie nicht so einfach aus dem Jahn-Teller-Hamiltonoperator mit linearer Kopplung bestimmt werden kann. Dieextrem flache Potentialhyperfläche läßt sich damit nicht erklären. Es sindKopplungsterme höherer Ordnung in der Verzerrung nötig, um das Systemzu beschreiben.

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Als Ziel für die Zukunft läßt sich nennen, die Kopplungskoeffizienten fürden Jahn-Teller-Hamiltonoperator bis zur höchsten nötigen Ordnung zu be-stimmen. Dafür gilt es, die Potential-Hyperfläche als Funktion der vier akti-ven Koordinaten zu bestimmen und den Hamiltonoperator an diese Flächezu fitten. Da dafür jedoch sehr viele einzelen Berechnungen nötig sind, könneaktuelle Computer die dafür benötigte Rechenleistung kaum aufbringen.

Ein weiterer interessanter Aspekt wäre die erneute experimentelle Un-tersuchung dieses Komplexes besonderem Augenmerk auf die Druckabhän-gigkeit des Systems. Dabei ließe sich auch die Existenz zweier möglicherVerzerrungen überprüfen. Bei sehr tiefen Temperaturen und unter Druckmüßte es möglich sein, einen Verzerrungstyp zu stabilisieren. Gleichzeitigmüßten die Ergebnisse der Experimente, z.B. die Absorptionsspektren beiEPR-Messungen, bei höheren Temperaturen und nachlassendem Druck wie-der komplizierter werden. Dies wäre ein Hinweis auf die in dieser Arbeitgefundene flache Potentialhyperfläche.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch andere Defekte ein Ver-halten wie der As-VSi-Komplex und die Silizium-Leerstelle zeigen. Eine Un-tersuchung anderer technologisch relevanter Defekttypen (z.B. P-VSi, Sb-VSi)würde darüber Aufschluß geben. Außerdem gilt es, den Einfluß dieser Phä-nomene auf die Diffusionsmechanismen und die für die Diffusion relevanteAktivierungsenergie zu bestimmen.

Dieses Ergebnis wirft einige bisher beantwortet geglaubte Fragen neu auf.

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70 KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG

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Anhang A

Berechnung der Normalmoden

Die Normalmoden des Defektmoleküls lassen sich aus gruppentheoretischenÜberlegungen berechnen. Diese Herleitung folgt dabei dem in Ref. [31] vor-gegebenem Weg. Das Molekül hat C3v-Symmetrie, damit gibt es folgendeOperationen:

• die Identität E

• 2 Rotationen, C3 und C−13

• 3 Spiegelungen σ1, σ2 und σ3.

Die Häufigkeit qα einer irreduziblen Darstellung α in einer reduziblen Dar-stellung ergibt sich aus

qα =1

g

∑G

χ(α)(G)∗χ(G) , (A.1)

wobei g die Anzahl der Gruppenelemente, G ein Gruppenelement selbst,χ(G) den Charakter eines Gruppenelements und χ(α)(G) den Charakter desElements der irreduziblen Darstellung α aus der Charaktertabelle darstellt.

Im folgenden betrachten wir zuerst die Charaktere der Operationen imdreidimensionalen, was durch gestrichene Größen ausgedrückt werden soll.Für den Charakter einer Rotation um die z-Achse gilt:

χ′(Cθ) = 1 + 2 cos θ . (A.2)

Damit gilt für den Fall der C3v-Gruppe mit θ = ±23π:

χ′(C3) = χ′(C−13 ) = 0 . (A.3)

71

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72 ANHANG A. BERECHNUNG DER NORMALMODEN

Bei einer Spiegelung ändern alle Basisvektoren senkrecht zur Spiegelebeneihr Vorzeichen, d.h. man erhält:

χ′(σ) = 1 . (A.4)

Alle Rotationen und Spiegelungen an anderen Achsen oder Ebenen lassensich durch unitäre Transformationen erzeugen, die die Spur invariant lassen.

Betrachten wir nun das aus vier Atomen bestehende Defektmolekül. All-gemein gilt für den Charakter einer 3N -dimensionalen Darstellung mit NAtomen

χ(G) = NGχ′(G) , (A.5)

wobei NG die Anzahl der Atome ist, die die Operation G invariant läßt. Aus(A.5) ergibt sich damit für den As-VSi-Komplex die in Tabelle A.1abgebildeteCharaktertafel. Aus Gl. (A.1) ergibt sich damit unter Verwendung der in den

C3v E C3 C−13 σ1 σ2 σ3

NG 4 1 1 2 2 2χ′(G) 3 0 0 1 1 1χ(G) 12 0 0 2 2 2

Tabelle A.1: Charaktere der Operationen des As-VSi-Komplexes. NG ist dieAnzahl der Atome, die bei der Operation G invariant gelassen werden, χ′(G)der Charakter der Operation im dreidimensionalen und χ(G) der Charakterder Operation für den Komplex gemäß Gl. (A.5).

Charaktertafeln in Ref. [31] angegebenen Werte für χ(α)(G) die Anzahl derDarstellungen:

qA1 : 3

qA2 : 1

qE : 4

Nun gilt es, eine zugehörige Basis zu finden. Dies gelingt mit Hilfe derProjektionsoperatoren

P (α) =dim(α)

g

∑R

χα(R) ·R (A.6)

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73

mit R als Matrixdarstellung der Gruppenoperation G. Man erhält für dieProjektoren

P (A1) =1

6

(E + C3 + C−1

3 + σ1 + σ2 + σ3

)(A.7)

P (A2) =1

6

(E + C3 + C−1

3 − σ1 − σ2 − σ3

)(A.8)

P (E) =1

3

(2E − C3 − C−1

3

)(A.9)

Dabei ergeben sich die zwölfdimensionalen Matrizen aus den vierdimen-sionalen Symmetrie-Operationen des Defektmoleküls: jede besetzte Stelle der4x4-Matrix ersetzt man durch die entsprechende dreidimensionale Matrix derSymmetrie-Operation. Für den Vektor V = (Si 1, Si 2, Si 3,As) gibt es dieseSymmetrie-Operationen:

E =

1 0 0 00 1 0 00 0 1 00 0 0 1

C3 =

0 0 1 01 0 0 00 1 0 00 0 0 1

C−13 =

0 1 0 00 0 1 01 0 0 00 0 0 1

σ1 =

1 0 0 00 0 1 00 1 0 00 0 0 1

σ2 =

0 0 1 00 1 0 01 0 0 00 0 0 1

σ3 =

0 1 0 01 0 0 00 0 1 00 0 0 1

Dies ergibt die Projektoren

P (A1) =1

6

2 0 0 0 2 0 0 0 2 0 0 00 1 1 1 0 1 1 1 0 0 0 00 1 1 1 0 1 1 1 0 0 0 00 1 1 1 0 1 1 1 0 0 0 02 0 0 0 2 0 0 0 2 0 0 00 1 1 1 0 1 1 1 0 0 0 00 1 1 1 0 1 1 1 0 0 0 00 1 1 1 0 1 1 1 0 0 0 02 0 0 0 2 0 0 0 2 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 20 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 20 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 2

, (A.10)

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74 ANHANG A. BERECHNUNG DER NORMALMODEN

P (A2) =1

6

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00 1 −1 −1 0 1 1 −1 0 0 0 00 −1 1 1 0 −1 −1 1 0 0 0 00 −1 1 1 0 −1 −1 1 0 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00 1 −1 −1 0 1 1 −1 0 0 0 00 1 −1 −1 0 1 1 −1 0 0 0 00 −1 1 1 0 −1 −1 1 0 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

(A.11)

und

P (E) =1

3

2 0 0 0 −1 0 0 0 −1 0 0 00 2 0 0 0 −1 −1 0 0 0 0 00 0 2 −1 0 0 0 −1 0 0 0 00 0 −1 2 0 0 0 −1 0 0 0 0−1 0 0 0 2 0 0 0 −1 0 0 00 −1 0 0 0 2 −1 0 0 0 0 00 −1 0 0 0 −1 2 0 0 0 0 00 0 −1 −1 0 0 0 2 0 0 0 0−1 0 0 0 −1 0 0 0 2 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 2 −1 −10 0 0 0 0 0 0 0 0 −1 2 −10 0 0 0 0 0 0 0 0 −1 −1 2

.

(A.12)Mit Hilfe von Testvektoren erhält man die in Tab. 4.6 und Tab. 4.7 aufge-führten Basisvektoren, wobei man die Vektoren der E-Moden noch geschicktlinearkombinieren muß, um eine möglichst einfache Beschreibung seines Sy-stems zu erhalten.

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Anhang B

Bestimmung desBildungsvolumens

Bei Leerstellen in einem Festkörper handelt es sich um Schottky-Paare, beidenen ein Atom aus dem Inneren des Festkörpers entfernt und an die Oberflä-che gebracht wird. Die durch die Entstehung eines solchen Defektes resultie-rende Volumenänderung des Kristalls, das Bildungsvolumen, wurde von Gil-lan in Ref. [29] untersucht. Durch das Entfernen eines Atoms aus dem Innerendes Kristalls und das Wiederanfügen an der Oberfläche ergibt sich eine Vo-lumenänderung um ein molares Volumen Vm, d.h. das Volumen, das ein ein-zelnes Atom im Kristallgitter beansprucht. Da es sich um Bildungsenergienhandelt, bedeutet „konstantes Volumen“ deshalb im folgenden immer, daßsich das Gesamtvolumen um genau ein molares Volumen ändert.

Das Bildungsvolumen bei konstantem Druck ist durch die Ableitung derGibbs´schen freien Bildungsenergie nach dem Druck gegeben:

V pf =

(∂Gp

f

∂P

)T

(B.1)

Gpf ist dabei die Gibbs´sche freie Bildungsenergie bei konstantem Druck. Die-

se hängt mit der Gibbs´schen freien Bildungsenergie bei konstantem Volumendurch

Gpf = Gv

f −(∂G

∂P

)T

∆P = Gvf − V∆P (B.2)

zusammen, wobei G die Gibbs´sche freie Energie des gesamten Kristalls ist.∆P ist die Druckänderung, die entsteht, wenn bei der Schottky-Paar-Bildungeine Volumenänderung von Vm entsteht. Es gilt außerdem der Zusammenhang

Gvf = F v

f + PVm + V∆P (B.3)

75

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76 ANHANG B. BESTIMMUNG DES BILDUNGSVOLUMENS

mit der freien Bildungsenergie F vf bei konstantem Volumen, so daß wir

Gpf = F v

f + PVm (B.4)

erhalten. Dies ist insofern wichtig, als daß wir bei den Simulationen die Git-terkonstante und damit das Volumen variieren und nicht den Druck. Dieserlaubt uns, aus Berechnungen bei konstantem Volumen Größen bei kon-stantem Druck zu berechnen.

Damit wird Gl. (B.1) zu

V pf =

(∂F v

f

∂P

)T

+ Vm + P

(∂Vm

∂P

)T

. (B.5)

was als

V pf =

(∂F v

f

∂V

)T

(∂V

∂P

)T

+ P

(∂Vm

∂P

)T

+ Vm

= −κT

(V

(∂F v

f

∂V

)T

+ PVm

)+ Vm (B.6)

umgeschrieben werden kann, wobei κT die isotherme Kompressibilität ist.Der Term PVm in (B.6) ist hinreichend klein, so daß man ihn vernach-

lässigen kann. In der freien Bildungsenergie verschwindet bei T = 0 K derEntropie-Term, so daß

V pf = −κTV

(∂Ev

f

∂V

)T

+ Vm (B.7)

gilt. Unter Verwendung des Bulkmoduls B =1

κT

ergibt sich die endgültige

FormV p

f = −VB

(∂Ev

f

∂V

)T

+ Vm (B.8)

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Literaturverzeichnis

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77

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LITERATURVERZEICHNIS 79

[24] O. Pankratov and D. J. Chadi, Die Jahn-Teller-Energie, die in DFT-Rechnungen gefunden wurde, ist um Größenordnungen niedriger als derexperimentell gefundene Wert. Die Geometrie, die in der Strukturopti-mierung gefunden wird, unterscheidet sich nur geringfügig von der sym-metrisch relaxierten Struktur und ist damit deutlich schwächer als er-wartet. (unpublished).

[25] D. C. Wallace, in Thermodynamics of Crystals (John Wiley & Sons,New York, 1972), Chap. 5, pp. 49–51.

[26] Landolt-Börnstein, Semiconductors: Group IV Elements and and III-VCompounds, Vol. 17a of New Series, edited by O. Madelung (Springer,Berlin, 1982).

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80 LITERATURVERZEICHNIS

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Danksagung

Zum Gelingen dieser Arbeit haben mehrere Personen beigetragen, bei denenich mich hiermit bedanken möchte:

Prof. Dr. Oleg Pankratov für die Überlassung der Arbeit, den Freiraumbei der Ausarbeitung und viele wertvolle Tips und Hinweise

Michel Bockstedte für die hervorragende Betreuung und viele wertvolleund anregende Diskussionen

Peter Fleck für die Unterstützung bei der Änderung und Fehlerbehebungim Programmcode und die Hinweise, welche Routine was macht

Oliver Beckstein und Ralf Stubner für die vielen anregenden Diskussionenund daß sie klaglos meine dauernden Beschwerden ertrugen, wenn irgendwasnicht funktionierte

Markus Hofmann für die aufmunternden Worte

Christine Wiedemann für die Hilfe beim Kampf mit der Verwaltung

und besonders bei meiner Freundin Karin Huber für ihre Unterstützungund daß sie so geduldig ertrug, wenn es, besonders vor den Tagungen, malwieder etwas später wurde

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Hiermit versichere ich, diese Arbeit selbständig unter ausschließlicher Ver-wendung der angegebenen Literatur angefertigt zu haben.

Erlangen, den 29. Mai 1999Alexander Mattausch