JAHRGANG 44 ÄüffuST 2ÖÖ4 - friedrich-karl-stroeher.de filevon Picasso und Braque 1908 gemalten...

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Karl Kau l

Die Aquarelle Friedrich Karl Ströhers. Rede aus Anlassder Eröffnung der Ausstellung im Simmerner Schloss am28. März 2004

Sehr geehrte Damen und Herren,ich bin eingeladen, mich zu den Aquarel-len von Friedrich Karl Ströher zu äußernund zwar nicht als Kunsthistoriker sondernals Künstler. Das tue ich gerne, bestehtdoch zwischen ihm und mir, insbesonderewas die Aquarelle betrifft, eine gewisseVerwandtschaft.Ich will trotzdem etwas ausholen und mirnoch einmal meine Zeit als Kunsterzieherin Erinnerung rufen. Gerne habe ich, vorallem natürlich wegen des heimatlichenBezuges und der Möglichkeit die Originalevor Ort besichtigen zu können, FriedrichKarl Ströher in meinen Unterricht einge-baut, wenn es darum ging, in jener frucht-baren Zeit von 1880 bis 1920 die Entwick-lung eines Künstlers darzustellen.Ströher ist ein Bilderbuchbeispiel für einensuchenden Menschen, der an Brenn-punkten der Kunst, in Paris und Berlin,alles aufsog, was die Kunstszene ihm bot- mit zwei Ausnahmen. Dazu komme ichnoch. Er durchlief, vom Realismus des19. Jahrhunderts kommend, den Impres-sionismus, den Neoimpressionismus bzw.Pointillismus, den Jugendstil und endeteim Expressionismus, den wir hier in seinenspäten Aquarellen sehen.Die beiden Ausnahmen bilden die abs-trakte Malerei und der Kubismus. WährendZeitgenossen wie z.B. Franz Marc dieseSparten für sich in Anspruch nahmen oderzumindest in Anklängen adaptierten, sinddiese bei Ströher nicht anzutreffen. Ichbin kein Ströherkenner, der dies wissen-schaftlich begründen und belegen könnte,dennoch vermute ich, dass er mit denvon Picasso und Braque 1908 gemaltenersten kubistischen Bildern sowie der Ent-wicklung und Verbreitung dieses Stiles in

Frankreich keine Berührung hatte.Etwa zur gleichen Zeit, 1910, sagt manKandinsky nach, habe dieser das ersteabstrakte Bild gemalt. Diese Art der Male-rei griff zunächst in Europa rasant um sichund ich kann mir nicht vorstellen, dassStröher sie nicht wahrnahm.Wenn man seine letzten Aquarellebetrachtet, muss man sagen, dass ernicht weit davon entfernt war. Wenn Siesich die gegenständlichen Versatzstückewegdenken, den Mäher, die Binderinnen,die Hocken, bleibt oft über weite Streckender Abstraktionsgrad des verbleibendenBildinhalts so groß, dass ein gegenständ-licher Bezug fast ganz verloren geht.Aber den letzten Schritt wagte er nicht. Ichformuliere „wagte" und meine damit: Eshätte nicht zu seinem bescheidenen undangepassten Wesen gepasst. Vielleichthat es ihn in den Fingern gejuckt, aucheinmal mit Formen und Farben in ihrerAbsolutheit zu spielen. Möglicherweisehat ihn das auch heute, nach fast 100Jahren, noch oft vorhandene Unverständ-nis seiner Mitmenschen davon abgehal-ten, die ihn wahrscheinlich als vollends„spinnerten" Typ angesehen hätten.Schließlich stieß schon der wenig realis-tische Stil des Expressionismus, den dieNationalsozialisten später als „EntarteteKunst" einstuften, auf wenig Gegenliebeim bäuerlichen Raum.Nun, dieses Versäumnis soll keine Kritiksein, nur eine Feststellung, und es sollauch nicht mit Bedauern wahrgenommenwerden. Erfreuen wir uns an dem was istund was ab heute in dieser einmaligenAusstellung von Aquarellen zu sehen ist.1921 kehrt Friedrich Karl Ströher zurückauf den Hunsrück und baut in Irmenach

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sein Haus mit großem Atelier. Er maltallerdings nur noch wenige Ölgemälde,hauptsächlich Aquarelle und fertigt Holz-schnitte. Nach meinem Gefühl hat er bishierhin Studien betrieben und erst alsRückkehrer in seine Heimat findet er zusich selbst und zu seinem Stil. Er äußertselbst in einem Brief:"... ich habe mich fürden Hunsrück entschieden und finde, dassdes Künstlers Kraft in der Heimat liegt.Dazu dienten also die vielen Reisen, dasssie mich dieses erkennen ließen".Diese Aquarelle sind für mich das Beste,was Friedrich Karl Ströher je schuf. DieLandschaft und ihre Menschen sind ihmnicht fremd. Er hat immer das einfache,bescheidene oft ärmliche Leben geführt,wie sie. Darum fühlt er sich ihnen verbun-den, ist mitfühlend und anteilnehmend.Im Gegensatz zu mir stellt er häufig denarbeitenden Menschen in der Natur dar,ohne persönlichen Bezug, eingebundenin den Rhythmus des Jahres, in die Zeit

des Säens und die Zeit des Erntens,im Einklang mit der Schöpfung, ewigerGesetzmäßigkeit folgend.Wo findet man das heute noch? DerBauer, umgeben von seiner Maschine,lässt kaum noch Bodenhaftung spüren.Wir leben in einer anderen Zeit. Wer inmeinem Alter ist, hat in seiner Jugend,in der Nachkriegszeit, noch Erlebnisseund Erinnerungen, die uns die AquarelleStröhers vertraut erscheinen lassen. Aberheute noch so zu malen ist reine Nostalgie.Nicht so die Gestaltungsweise und nichtso die Interpretation der Landschaft. DieLandschaft hat ihre Ausstrahlung erhalten.Der Hunsrück ist nur punktuell durchfurcht- glücklicherweise. Es spannt sich nochder gleiche gewaltige Himmel über demweiten Horizont. Es gibt sie noch, dievielen Dörfer mit den Schieferdächernund den spitzen Kirchtürmen, die sich indie Täler ducken, die weiten Felder unddie dunklen Wälder.

„Kornernte" Foto: J. Felix-W. Dupuis

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Der Vorstand des Ströher-Vereins und K. Kaul bei der BildauswahlFoto: J. Felix-W. Dupuis

„Irmenach Foto: J. Felix-W. Dupuis

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Der so genannte Expressionismus ist auchheute noch ein adäquates Stilmittel um dieHerbheit der Hunsrücklandschaft und dieDerbheit der Menschen darzustellen. Ervernachlässigt subtile Individualitäten undverstärkt durch kräftige Farbgebung, oftin reinen Tönen, und pointierte Formge-bung, vielfach mit starken Umrandungen,das spontane Sinneserlebnis. Alle dieseLandschaftsbilder sind vor Ort entstan-den. Dabei spielt die Handschrift, diespürbare, auch sichtbare Pinselführungeine wichtige Rolle. Die mit allen Sinnes-organen erfasste Formung der Natur, ihrFarbenklang, ihr Geruch, ihre Tempera-

tur, das Ziehen der Wolken, das Wogender Getreidefelder, die Bewegung derarbeitenden Menschen wird erfasst vomDuktus des Malers und niedergeschrie-ben. Keines der Bilder kann wiederholtwerden.In den Jahren 1921 bis 1925 malt Fried-rich Karl Ströher mehr als 200 Aquarelle,davon 100 Landschaften und 70 mit demThema der bäuerlichen Arbeit. Zum erstenMal werden in dieser Ausstellung einegroße Zahl dieser Aquarelle nebeneinan-der gezeigt.Genießen Sie diese einmalige Präsen-tation.

Gustav Schellack

Ein spätgotischer Taufstein und die Glocke von 1479aus der ehemaligen Walburgiskirche auf dem Friedhof inMengerschied

Auf dem Weg von Mengerschied nachRavengiersburg liegt kurz vor der Errei-chung der Höhe an der alten Straßerechts auf einem Plateau der ausgedehnteFriedhof der Gemeinde Mengerschied.Unter einem Dach neben der Leichenhallehat man mit den Teilen eines Krieger-denkmals, das ehemals im Dorf stand,eine Gedenkstätte für die Kriegstoten derbeiden Weltkriege eingerichtet. Hier nunsteht ein wunderschöner Taufstein, dervon den Kunstgeschichtlern auf die ZeitEnde des 15. Jahrhunderts datiert wurdeund somit als spätgotisch bezeichnetwerden kann.An gleicher Stelle hatte man fast einhalbes Jahrtausend zuvor eine kleineKapelle errichtet und sie der heiligen Wal-burga geweiht. Noch zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurde in den katholischenKirchenbüchern der dort entstandeneFriedhof als cimenterium St. Walburgaebezeichnet. Nach dem Zerfall der Kirchestand als einziger Zeuge nur noch einTaufstein fast 200 Jahre lang Wind undWetter ausgesetzt im Freien. Dabei wurde

die fein ausgearbeitet Ornamentik fastvöllig zerstört, wahrscheinlich auch einehemals vorhandener Unterbau, so dasseine einwandfreie Deutung der Ikonogra-phie nicht mehr möglich war. In den Kunst-denkmälern des Rhein-Hunsrück-Kreiseswird der Stein wie folgt beschrieben:„Auf dem Gelände der stark verwitterteTaufstein. Rötlicher Sandstein 89 cm, Dm.102 cm. Die Fußplatte fehlt. Gekehlte Aus-weitung zu einer achteckigen Kuppa. Achtstark verwitterte, von Wülsten gerahmteFlachreliefs. Auf vier gegenüberliegendenSeiten vor ihren Schreibpulten zusammenmit den symbolischen Tieren. DazwischenKreuzigung. Auferstehung, Adam undEva; vom letzten Relief nichts mehr zuerkennen. Um 1500".'*Von der Vorgeschichte ist folgendes zuberichten:Die Walburgiskapelle wurde It. Urkundevon einer adligen Dame namens Friderun,Verwandte des Mainzer Erzbischofs,zwischen 1074 und 1081 gegründet, denAposteln Philippus, Jakobus und derhl. Walburga geweiht, mit dem nötigen