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Übersetzungswettbewerb 2016 Wählen Sie ein (längeres) Gedicht oder mehrere kurze Gedichte oder eine Geschichte! Abgabetermin: nach den Osterferien (mit Kennwort, in drei Exemplaren) Deutsche Gedichte:

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Übersetzungswettbewerb 2016

Wählen Sie ein (längeres) Gedicht oder mehrere kurze Gedichte oder eine Geschichte!

Abgabetermin: nach den Osterferien (mit Kennwort, in drei Exemplaren)

Deutsche Gedichte:

Übersetzungswettbewerb 2016

James Krüss: Hundertzwei Gespensterchen

Hundertzwei Gespensterchen

Saßen irgendwo

Hinter meinem Fensterchen.

Da erschrak ich so.

Hundertzwei Gespensterchen

Waren sehr vertrackt;

An meinem Kammerfensterchen

Klopften sie im Takt.

Hundertzwei Gespensterchen

Haben mich erschreckt.

Weit entfernt vom Fensterchen

Hab ich mich versteckt.

Hundertzwei Gespensterchen

Waren plötzlich fort.

Schlich mich schnell zum Fensterchen.

Fand sie nicht mehr dort.

Hundertzwei Gespensterchen

Denkt euch, wie famos,

Waren an dem Fensterchen

Regentropfen bloß!

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Geschichten:

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UNGARNDEUTSCHE GEDICHTE Josef Mikonya

Das Reich der Stille Nur leise, stumm tritt hier herein Und stör nicht ihren Schlaf! Versöhnt ruh’n hier in dunklem Schrein Der Bettler, Knecht und Graf. Dein Weg, der geht doch hier zu End, bist arm du oder reich. Versäume nichts, dein Gut verspend’, bedenke und vergleich.

Josef Mikonya

Herbstlied Die Trauben sind reif, der Wein wird voll Glut, Der Bauer hat Freud’ Draus schöpft er den Mut. Die Kammer voll Korn, im Keller den Wein, das Leben ist schön, trink mit und stimm ein!

Josef Michaelis

Der Essigbaum (in memoriam Josef Mikonya) Nicht nur das Wetter ändert sich auch Zeiten schleichen launenhaft hinweg Der Essigbaum am Friedhof wehrte stolz sich trotzte den Windstürmen In Jahrzehnten verdorrte sein Stamm von Holzwürmern durchlöchert An seinen Zweigstümpfen fressen Pilze Für Vögel kein Rastplatz mehr Krähen ziehen so ihre Kreise über Erdschollen Immer mehr Grabhügel unten immer weniger Besucher die auf deutsch Gebete raunen ………………………………………………………..

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Monika Szeifert

Kinder brauchen...

Kinder wie Blumen brauchen Liebe zum Wachsen, behutsame Pflege, um ihre Wurzeln zu stärken, und helfende Hände, um ihnen den Weg zu weisen. So blühen sie auf wie zarte Knospen, von der Sonne berührt.

Monika Szeifert

Kinderjahre

Mit eins – zwei: lautes Kindergeschrei. Mit drei – vier: spielerische Neugier. Mit fünf – sechs: gute Fee gegen Hex’. Mit sieben – acht: Wunder vollbracht. Mit neun – zehn: lernen zu verstehen. ………………………………………………………..

Christina Arnold:

Gute Frage!?! Was ist denn an uns ungarndeutsch? Die Haut? Die Haare? Unser Fleisch? Die Worte? Oder wie man geht? Oder wie man aus dem Fenster sieht? Was ist es denn? Die Augen? Der Sinn? Oder unser Neubeginn? Die Liebe, das Leid, unser Haus? Oder unsere Kirchenmaus? Wie unsere Kinder lachen? Oder wie wir darüber wachen? Der Weg, das Ziel oder das Ende? Oder, daß ich zu viel darüber nachdenke?

Christina Arnold:

Mein Heimatdorf Töpfer, Steinmetz und Faßbinder Sind die Nadascher Handwerker Lehm und Steine und viel Holz Bearbeiten sie ganz stolz Die Weinberge und ihr Ertrag Sind sehr berühmt bis ganz nach Prag Die Weinsorte heißt Blaufränkisch Die Mundart da ist Ostfränkisch

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Ungarndeutsche Kurzgeschichten

Christina Arnold: Das Kleid

Sie sah sich neben ihrem Vater auf der Kutsche sitzen, auf dem Weg in die Stadt. Sie war mit ihren zwölf Jahren ein überaus großes

Mädchen, mit langen, geflochtenen Zöpfen, welche helle Schleifen zierten. An diesem Tag erschien ihr der Wochentagsrock, den sie anhatte,

schon völlig untragbar, noch mehr als sonst, und das hatte einen besonderen Grund. Ihr Vater und sie waren nämlich auf dem Weg zum

Meterwarengeschäft in Bonnhard, um ihr Stoff für ein neues Kleid auszusuchen. Zu ihrem zwölften Geburtstag war es allerhöchste Zeit, das

Mädel passend auszustatten, so durfte sie außer dem Rockstoff auch Rüschen und teure Schleifen wählen und sogar Sachen für ihre

Ausstaffierung: Bettzeug, Überzug und Töpfe, um endlich ihre Truhe vollzubekommen – aber das schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Für

sie zählte nur der Gang ins Meterwarengeschäft, ein Traum aller Mädchen in ihrem Alter, wo sie unter mehreren Stoffen wählen durfte. Helle

Farben mit größeren Blümchen waren für die Mädels bestimmt, die verheirateten und älteren Frauen trugen eher dunkle, musterlose Röcke.

Der Weg dauerte viel zu lange für ihren Geschmack, mit dem Vater gab es nicht besonders viel zu reden. So schwankten ihre Gedanken

weiter zwischen Rüschen und der baldigen Schneiderprobe. Nur der Feldweg und seine unangenehm großen Löcher rissen sie manchmal aus

ihren Gedanken. Ab und zu nahm sie auch Stimmen wahr, von Menschen, denen man ausweichen mußte, die ihren Weg zur Arbeit in der Stadt

zu Fuß tun mußten. Nur wenige im Dorf hatten eine Kutsche und nur wenige konnten sich einen Tag zum Einkaufen leisten.

„Ufstehn, mij mise ken!“ – diese Worte beendeten den schönen Traum des zwölfjährigen Mädchens vom Reichtum und dem neuen Kleid.

Sie zog schnell ihren alten, abgetragenen Rock an, den einzigen, den sie besaß, den die Mutter aus ihrem Unterrock genäht hat te, und

verdeckte die Löcher mit der Schürze so gut es ging. Sie kämmte ihre Haare, flocht flink ihre Zöpfe und ging mit schnellen Schritten in die

Küche, um die Gießkanne zu holen. Dann tat sie das, was sie am liebsten machte Montag morgens, sie zauberte mit dem Wasser aus der

Gießkanne ein Muster auf den festen Lehmboden. Sie goß, inzwischen künstlerisch selbstsicher, phantasievolle Kreise und verschlungene

Blumenmuster auf den müden Fußboden, akribisch verteilt und scheinbar gut geplant tat sie ihre kreative Arbeit.

Danach verabschiedete sie sich und machte sich auf den Fußmarsch nach Bonnhard zu dem Ehepaar, wo sie diente. Viele zwölfjährige

Mädchen mußten ihre Familien verlassen, um Arbeit in der Stadt zu suchen; sie kam zu einem netten kinderlosen Ehepaar, das sie in kurzer Zeit

ins Herz schloß.

Kurz nach ihrer Ankunft begann ihre Arbeit im Hof der Hausherren ebenfalls mit der Gießkanne, sie mußte nämlich die Blumen gießen,

danach räumte sie täglich den Frühstückstisch ab und fing an, die Vorbereitungen für das Mittagessen zu treffen, Kartoffelschälen, Gemüse

schnippeln. Sie wischte Staub in den Zimmern und schaute sich dabei interessiert die unzähligen Porzellanfiguren der Hausherrin an, auf die sie

besonders acht geben mußte. Sie mußte mehrmals in der Woche bügeln, dabei streichelte sie ganz zart über die feinen Rockstoffe der edlen

Kleider.

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Nach wenigen Tagen Arbeit bekam sie schon ein riesengroßes Geschenk von der Dame des Hauses, sie gab dem Mädchen einen ihrer

alten Röcke, welcher sich noch in bestem Zustand befand. Zuvor waren Gäste eingeladen worden, und das Mädchen mußte die Nockerln für die

Suppe machen. Sonst kochte immer die Hausherrin, aber weil sie in Zeitnot geriet, überließ sie einige Handgriffe ihrer jungen Hausgehilfin.

Diese Nockerln sind so herrlich locker und besonders fein gelungen, daß sie den Gästen und den Gastgebern richtig gut schmeckten – und

dafür erhielt sie am Abend das einzigartige Geschenk! Das war ein richtiger Oberrock, bordeauxrot, mit einer schmalen, hellen Rüschenreihe und

mit ganz kleinen weißen Blumenmustern im Stoff, aus der Jugendzeit der Hausherrin.

Die blauen Augen des Kindes strahlten, und sie konnte gar nicht mehr aufhören, Danke zu sagen, als sie das wunderbare Stück Stoff in

der Hand hielt. Sie konnte es kaum erwarten, mit dem schönsten Stück Gewand, das sie je besaß, nach Hause zu eilen, um es den anderen in der

Straße zu zeigen, oder gar nur kurz anzuprobieren. Doch die Mutter belehrte sie liebevoll eines besseren.

„Des Kwand is viel zu schee fir unsre Kase.“

Gemeinsam mit der Mutter begutachteten sie an diesem Abend noch sehr lange das gute Stück Stoff, streichelten öfters drüber, danach

legten sie es behutsam zusammen und versteckten es zärtlich, gut eingewickelt in Papier, unter dem Bett des Mädchens, denn eine Truhe für ihre

Mitgift hatte sie noch nicht.

„Tu hast sichr kut gearwet, mai Male, tu pist a kutes Kint!“ sagte die Mutter vor dem Schlafengehen.

In dieser Nacht träumte das Mädchen wieder von einem schönen, neuen Stoff aus der Stadt...

(Quelle: Signale, 2008; 25. Jahrgang, Nr.1, 12.Dezember 2008)

Christina Arnold: Der erste Schultag

Es war ihr erster Tag im Gymnasium. „Sehr gut aufpassen, alles aufschreiben und nicht schon am ersten Tag in der Stadt herumschlendern!“

waren die Worte der Mutter am Abend zuvor. Oma sagte noch: „Tu mußt tai siwe Kwetsche zamlese, mariche kehts am anen To“ – das

bedeutete, jetzt kommt eine große Herausforderung, eine schwierige Aufgabe auf einen zu, und man sollte sich gut darauf konzentrieren.

Alle Schüler waren schon im Klassenraum, es war laut, es waren viele da, und es schien wirklich der Anfang von etwas ganz Neuem zu

sein. Der Raum war groß und kahl, heruntergekommen und unfreundlich. Fast 40 Schüler warteten auf die neue Lehrerin und auf die neuen

Regeln... Sie saß nur still in der dritten Reihe, ganz links, und starrte vor sich hin. Ihr ging der erste Morgen in der neuen Umgebung nicht aus

dem Sinn. Sie hatte sich diesen Tag doch so ganz anders vorgestellt.

In der Nacht konnte sie kaum schlafen, wirre Gedanken kreisten in ihrem Kopf. Ob sie es wohl schaffen wird, ob sie die Busfahrten

aushalten wird, ob sie neue Freunde finden wird – und noch viele, viele Fragen quälten sie schon seit Wochen. Aber sie nahm sich vor, einen

guten Start hinzulegen und selbstbewußt – was sie ja eigentlich gar nicht war – die Hürden zu nehmen. Schon eine Woche vor dem ersten

Schultag hatte sie ihre coolsten Klamotten rausgesucht

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und ihren neuen Rucksack gepackt. Drei Wecker standen bereit, sie hatte riesige Angst zu verschlafen. Aber es ging soweit alles klar, sie stieg in

den Bus und setzte sich neben ihre Freundin; dies wurde vier Jahre lang ihr Platz! Die Busfahrt dauerte 45 Minuten, die man entweder mit

Lernen oder Plaudern verbringen konnte. Manche schliefen. Am ersten Schultag hatte man noch nichts zu lernen, dafür aber umso mehr zu

bereden. Der Bus hielt schließlich am Busbahnhof Endstation.

Sie war mit ihren Eltern schon öfters in Fünfkirchen gewesen, aber so ganz alleine, das war etwas ganz anderes. Die Bustür ging auf, die

Insassen strömten zügig raus. Schon auf der letzten Stufe erreichte sie die Stadt mit all ihren Eindrücken. Die schwere, stinkende, fast

undurchdringliche Luft konnte sie fast nicht ertragen. Noch Jahre später bekam sie Kopfschmerzen, wenn sie nur daran dachte. Die laute,

unfreundliche Menschenmenge torkelte vor ihr hin und her, die Leute schubsten einander, drängelten und starrten die ganze Zeit mit leerem

Blick auf den Boden. Zu Hause ist das anders, da grüßen die Menschen einander, jeder kennt jeden, und hat ein nettes Wort auf Lager.

Die Menschenmenge strömte weiter und als würden alle in dieselbe Richtung gehen, wurde man einfach mitgezogen. Nach kurzen 100

Metern wagte sie einen Richtungswechsel und eilte in die Markthalle. Sie mochte das bunte Durcheinander, auch wenn es da schrecklich nach

Kraut und fettiger Wurst roch. Schon öfter hatte sie mit ihrer Familie die Halle besucht, um Lángos für die Oma zu kaufen. Aber so ganz alleine

war das nicht das, was es mal war. In den frühen Morgenstunden waren hier viel mehr Menschen, als sie gewohnt war. Alle schrieen und boten

laut ihre Waren an. Eine alte Frau, mit tiefen Falten im Gesicht, mit roten Backen und mit einem dunklen Kopftuch, bot schöne Äpfel an. Sie

konnte nicht widerstehen und trat zu der Frau, nahm zwei Äpfel in die Hand und sagte „Guten Tag!“ Man ist ja in der Stadt, und da sagt man

bestimmt nicht „Kriß Kott“, dachte sie sich noch dabei mit einem Lächeln im Gesicht. „Ti zwa Äpfel bittschee!“ Die alte Frau murmelte erst

etwas vor sich hin und fing dann an, laut auf Touristen zu schimpfen, wobei sie viele ungarische Schimpfwörter benutzte.

Sie stand erstarrt vor der Frau, die auf ihrem Hockerl mit den Armen wedelte und weiterschimpfte. Eine alte Frau, mit Kopftuch, blauer

Schürze und Hockerl und sie kann nicht Schwäbisch, ging ihr durch den Kopf. Eine verrückte Welt! Sie legte inzwischen die Äpfel langsam

wieder zurück in den Korb, worauf die alte Frau noch lauter schimpfte. Eine Kundin hinter ihr fing an zu drängeln, worauf die alte Frau das

Mädchen zur Seite wies und somit den Kauf für abgeschlossen erklärte.

Sie drehte sich um, schloß sich wieder der strömenden Menschenmenge an und machte sich auf den Weg zur Schule, die sie tatsächlich

für einige Minuten völlig vergessen hatte. Kurze Zeit später stand sie vor dem großen Schulgebäude und dachte noch immer an die Äpfel, an die

Stadt, an die Gerüche und daran, daß sie noch viel über die Menschen lernen muß.

18. April 2007