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Je teurer, desto besser ? Konsumentensouveränität und Rankingspiele im Nachtwächterstaat: Hochschulbildung in den USA Ulrich Schreiterer Evangelische Akademie Loccum 26. Oktober 2012

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Je teurer, desto besser ?

Konsumentensouveränität und Rankingspiele im Nachtwächterstaat:

Hochschulbildung in den USA

Ulrich Schreiterer

Evangelische Akademie Loccum

26. Oktober 2012

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Ein kurzer Blick über den Teich Facts `n Figures

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Hochschulen und Studierende

N = 4.495 Tertiäre Bildungseinrichtungen

20,4 Mio Studierende

Öffentlicher Sektor

1.672 Einrichtungen37,2%

14,8 Mio Stud.72,5%

Privater Sektor

2.823 Einrichtungen62,8%

5,6 Mio Stud.27,5%

For-Profit

1.195 Einrichtungen 26,6%

1,25 Mio Stud.6,1%

4-Year Hochschulen

12,9 Mio. Stud.

N = 672 7,7 Mio. Stud.

(59,7%)

N = 2.1025,2 Mio. Stud.

(40,3%)

N = 563 < 1 Mio

2-YearColleges

N = 1.000 N = 721 N = 636

NCES, Digest of Education Statistics: 2010, Tab. 275, 198

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Das Studium: Formaler Aufbau

College 4-Year-Institutions

(Liberal Arts) Colleges and Universities

Bachelor (of Arts, Science…)„Grundausbildung“

Graduate Schoolof Arts and Sciencesof Arts and Sciences

Master 1-2 Jahre

Ph.D. 5-7 Jahre5-7 JahreProfessional

Schools

Jura, Medizin Business (MBA)

EducationNursing

Ingenieurwesen

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Finanzierungsmix – enorme Streubreite im Einzelfall Daten von 2007/8, nur 4-year institutions

Studiengebühren: Ø 18% bei öffentlichen Hochschulen, 36% bei den privaten non-for-profits, 92% bei for-profits

Bundesmittel für die Forschung: Ø 12% öffentlicher Sektor, 15% private Hochschulen (private Forschungsunis 24,5%)

Staatliche Grundfinanzierung: Ø 23,5% im öffentlichen Sektor

Private Spenden und Vermögenserträge: Ø 6,5% in staatlichen, 20% in privaten Hochschulen (private Eliteunis Ø 29% aus gifts and endowments)

Klinika, Sport und erwerbswirtschaftliche Aktivitäten

Hochschulfinanzierung

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Durchschnittspreise 2010

$ 7.136 an öffentlichen Hochschulen ($ 18.548 out-of-state students)$ 26.273 an privaten Hochschulen (plus room and board)

20% der privaten 4-Year-Colleges verlangen mehr als $ 36.000, 123 Hochschulen mehr als $ 50.000 all inclusive

Stipendien, Beihilfen und Darlehn

Bekommen 3/4 aller Studierenden, 85% aller derer im privaten Sektor2/3 der Absolventen haben Schulden von mehr als $ 20.000

→ de facto zahlt kaum jemand den „Listenpreis“ → Subventionen als Marketinginstrument

Studiengebühren

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Keine stattlichen Regulierungsvorbehalte oder Genehmigungsrechte für akademische Grade, Hochschultypen und neue HEI

Keine Zulassungrechte und –ansprüche: Auswahl von Studierenden ist

Sache der Hochschulen

Indirekte Aufsicht: QS ex ante durch institutionelle Akkreditierung, keine Evaluierungsauflagen

College soll nicht „Berufsbefähigung“ und vocational training, sondern general education vermitteln. VT wird jedoch immer wichtiger.

Governance der Hochschulbildung

Leviathan als Nachtwächter

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Marktwirtschaft

Staat (Bund und Einzelstaaten) Weder provider noch principal

Weder Aufsichtsführung noch mediation of the last resort

Private Hochschulen entscheiden völlig selbständig über ihre Bezeichnung und mission, Studienprofile, Zielgruppen und

Arbeitsschwerpunkte sowie über die Rekrutierung und Vergütung ihres Personals

Studienstrukturen sind legibus solutus, rein gewohnheitsrechtlich verbürgt

Wettbewerb und Markt als primärer KoordinationsmodusInstitutionen (Hochschulen), Studierende, Lehrende, Manager...

Hochschul(ausbildungs)systemUnübersichtlich, horizontal und vertikal hoch differenziert,

in unterschiedliche „Arenen“ segmentiert

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Keine staatliche Gewährleistung Staat versteht sich als facilitator, nicht als provider

Unbestimmte politischen Zielvorgaben College soll für alle erreichbar und „bezahlbar“ sein

Indirekte QualitätssicherungEs gibt weder Mindestanforderungen für

Studiengänge noch outcome Kontrollen von Kompetenzen, sondern nur finanzielle Auflagen (Kappung der bundesfinanzierten Studienbeihilfen) und solche für eine periodische Überprüfung der capacities von Hochschulen als Voraussetzung für deren „Marktzulassung“

Wettbewerb um Studierende als „Treibstoff“

Konsumentensouveränität als ultima ratioEntscheidungsfreiheit dient allen, fördert Qualität

und Vielfalt

Hochschulbildung à la US

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Das Prinzip Hoffnung

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Rankings und Preise als Qualitäts-Surrogat

Was messen College-Rankings?

Ø SAT & ACT Ergebnisse der zugelassenen Bewerber, admission rate und yield rate, institutionelle Reputation, akademische Reputation des Lehrkörpers, Betreuungsrelationen, Spendenbereitschaft und –aufkommen: Inputs, aber weder Outcomes noch Throughput

Was sind die Spielregeln?Je selektiver, desto attraktiver ist das College. Je besser sein Ruf, die Betreuungsverhältnisse und die Testergebnisse der

Studienanfänger, desto besser ist die Ausbildung.

Was ist das Ergebnis?Kein Indikator für erbrachte Leistungen, sondern für das Prestige einer Einrichtung, ihren Markenwert

Was sind die Folgen?Wettbewerb um Prestige-Marker statt um bessere Qualität und

Leistungen in der Ausbildung von Studierenden

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Die Tücken des Wettbewerbs

Vorteile Hohe Dynamik und Reagibilität

Vielfalt statt monokultureller Homogenität

Große Nachfragedeckung und Bedarfsgerechtigkeit

Inhärente Tendenz zu Leistungssteigerungen durch Innovationen und institutionellen Wandel

Nachteile

Konzentration auf das Prestige ist ineffektiv, begünstigt Fehlallokationen und -investitionen

Prestigeorientierung ist ein nachhaltiger Kostentreiber

Benchmarks und best practises befördern eine Uniformität („institutionelle Isomorphie“), die der Leistungsfähigkeit des Systems insgesamt schadet

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QualitätAbbrecherquote senken, Abschlussrate erhöhen

Kommerzielle degree mills vom Markt nehmenOutcomes statt input messen

Kosten und PreisePreisanstieg durch Kontrollen bekämpfen„Colleges are charging ever more money, but it‘s not clear how much actual benefit they are providing“ David Brooks, NYT 19. April 2012

Access and Equity Hochschulzugang offenhalten Community Colleges ausbauen Anti-Diskrimierungspolitik umsetzen, diversity sichern predatory marketing Hochschulen unterbinden

Herausforderungen

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Reparaturvorschläge

Marktfunktionen und Ressourcenallokation optimieren durch→ a serious accountability regime

→ a national student unit-record data system for tracking student progress

→ national test of learning outcomes Value-added assessments

Konsumentenschutz durch ein nationales Akkreditierungssystem

Empfehlungen der Commission on the Future of Higher Education 26. September 2006

Richard Arum/Josipa Roksa, Academically Adrift: Limited Learning on College Campuses. Chicago 2011

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Vielen Dank!