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JENAER BEITRÄGE ZUR SOZIOLOGIE Michael Behr, Rudi Schmidt (Hg.) Aufbau Ost – Innovation durch Kooperation und Fachkräfteentwicklung Heft 18 (2006) Herausgegeben am Institut für Soziologie Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Michael Behr, Rudi Schmidt (Hg.)

Aufbau Ost – Innovation durch Kooperation und Fachkräfteentwicklung

Heft 18 (2006)

Herausgegeben am Ins t i tu t für Soz io log ie Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Michael Behr, Rudi Schmidt (Hg.)

Aufbau Ost – Innovation durch Kooperation und Fach-

kräfteentwicklung

Strategien zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit ostdeutscher KMU

Projektbericht und Workshopdokumentation

Auftraggeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,

Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer ____

Jenaer Beiträge zur Soziologie, Heft 18

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Die deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Behr, Michael; Schmidt, Rudi (Hg.): Aufbau Ost – Innovation durch Kooperation und Fachkräfteentwicklung. Strategien zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit ostdeutscher KMU. Projektbericht und Work-shopdokumentation / Michael Behr, Rudi Schmidt (Hg.) – Jena: Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2006 (Jenaer Beiträge zur Soziologie, Heft 18) ISBN 3-933935-18-0 Redaktion: Monika Bialojan, Christoph Thieme

Die Reihe Jenaer Beiträge zur Soziologie kann am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiss-Str. 2, 07743 Jena bezogen werden. Kontakt: Thomas Engel, Tel. 03641 – 945529, [email protected]

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Inhalt

A. Projektbericht Innovationsprozesse in ostdeutschen Unternehmen – Sicherung der Innovationsfähigkeit durch Kooperation und Fachkräfteorientierte Unternehmenskultur Michael Behr, Andreas Hinz, Rudi Schmidt – unter Mitarbeit von Christoph Thieme, Thomas Engel und Monika Bialojan ................................................ 8

1 Einleitung..................................................................................................... 9 2 Innovation durch Kooperation ................................................................. 14

2.1 Einleitung .................................................................................................... 14 2.2 Externe Innovationsquellen ......................................................................... 15 2.2.1 Innovation durch Kundenbezug................................................................... 15 2.2.2 Die Orientierung am erfolgreichen Innovator............................................... 19 2.2.3 Der Innovationskauf am Forschungsmarkt.................................................. 19 2.3 Produktinnovation ....................................................................................... 20 2.4 Prozessinnovation....................................................................................... 24 2.5 Innovative Unternehmens- und Arbeitsorganisation.................................... 25 2.6 Service und Lieferkonditionen ..................................................................... 26 2.7 Kooperationsformen.................................................................................... 27

3 Innovationshandeln in Unternehmen und Personalentwicklung .......... 31

3.1 Innovationsagenten sind abteilungsübergreifend am Werk......................... 31 3.2 Aus der Not knappen FuE-Personals wird die Tugend flexibler, kundennaher

Innovationsmaßnahmen.............................................................................. 34 3.3 Das Innovationspersonal: Zentrale Bedeutung von Ingenieuren aus den

betrieblichen Abteilungen............................................................................ 40 3.3.1 Bodenständigkeit, Pragmatismus, sich an Neues zu wagen – Zum

Innovationsstil der Ingenieure ..................................................................... 43 3.3.2 Innovationskultur: Die Betriebe setzen auf Partizipation ............................. 49

4 Personalpolitik .......................................................................................... 56

4.1 Aktivere Personalpolitik in innovativen Unternehmen ................................. 56 4.2 Der Positivkreislauf: Investitionen in ‚Köpfe’ – ein Eckpfeiler von

Modernisierungs- und Innovationsstrategien............................................... 60 5 Exemplarische Betriebsportraits ............................................................. 64

5.1 Anhaltinische Motorenwerke Dessau (AEM) ............................................... 64 5.2 Präzisionsoptik Gera (POG): Industrielles High-tech – Unternehmen......... 67 5.3 Trumpf Medizin Systeme GmbH ................................................................. 71

6 Zur Rolle von Netzwerken für die Stabilisierung und Entwicklung

betrieblicher Erfolgsfaktoren ................................................................... 76 6.1 In Netzwerken sind vor allem innovative Firmen aktiv................................. 78

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7 Netzwerkfallstudien .................................................................................. 82 7.1 Aufbau und Struktur der Netzwerke ............................................................ 82 7.2 Keine ausgeprägten Dominanzbeziehungen in den Netzwerken ................ 83 7.3 Konkurrenzbeziehungen zwischen Netzwerkfirmen sind in ihrer Sprengkraft

entschärft .................................................................................................... 84 7.4 Die Arbeitsweise der Netzwerke: Unterschiedliche Dichte der

Kooperationsbeziehungen........................................................................... 85 7.5 Schlussfolgerungen..................................................................................... 88

8 Innovationsorientierung und Clusterbildung erfolgreicher Unternehmen

am Beispiel der Optischen Industrie in Thüringen ................................ 90 8.1 Günstige Gründungsphasen: Anfang und Ende der 90er Jahre.................. 91 8.2 Günstiger Branchen- und Betriebsgrößenmix entlang von Lieferketten ...... 93 8.3 Zentrale Marktorientierung auf Industriekunden – vor allem nach

Deutschland und Westeuropa ..................................................................... 94 8.4 Starke Kooperationsorientierung................................................................. 95 8.5 Anspruchsvolle Qualifikationsstrukturen und motivierte Beschäftigte ......... 97

9 Zusammenfassung ................................................................................... 98

9.1 Ostdeutsche Industrie im Aufwärtstrend: Breites Spektrum konsolidierter, auf den Märkten etablierter Firmen ................................................................... 98

9.2 An Kundenbedürfnissen orientierte Innovationsstrategien sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der ostdeutschen Industrie ............................ 98

9.3 Abteilungsübergreifende Ressourcenmobilisierung für Innovationen.........100 9.4 Kooperationen und Netzwerke haben eine beträchtliche Bedeutung,

insbesondere für den Erwerb neuen technischen Wissens........................101 9.5 Zentralität der Ingenieure - technische Kompetenz als Anschlussstelle für die

Positionierung auf dem Markt.....................................................................102 9.6 Selbst innovative Unternehmen können die Herausforderungen einer

zukunftsfähigen Personalpolitik nicht alleine schultern ..............................103 10 Handlungsempfehlungen ........................................................................105

10.1 Unterstützung langfristig ausgerichteter, auf Humanressourcen basierender betrieblicher Entwicklungsstrategien ..........................................................105

10.2 Offensive bei der Entwicklung der Humanressourcen................................105 10.3 Was die Unternehmen tun können (1): Einbettungsstrategien nützen den

Regionen und den Unternehmen ...............................................................107 10.4 Was die Unternehmen tun können (2): Förderung einer integrativen

Innovationskultur ........................................................................................107 10.5 Verbesserung der Kooperation zwischen Unternehmen und Hochschulen108 10.6 Förderung der Diffusion modernster Technologie in die Breite der

industriellen Landschaft..............................................................................108 10.7 Stärkung der Entwicklungspotenziale von Firmen in strukturschwächeren

Gebieten zu vertretbaren Kosten ...............................................................109 10.8 Netzwerkförderungen als Instrument, um Zugangschancen zu Fördermitteln

für Firmen außerhalb der Wachstumskerne zu sichern..............................110 10.9 Lernoffenheit und Kontinuität in Förderprogrammen..................................111

11 Anhang......................................................................................................112

11.1 Literatur ......................................................................................................112 11.2 Übersicht über weitere, für den Bericht herangezogene Studien ...............114 11.3 Übersicht über die untersuchten Unternehmen, geordnet nach Branche...116

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B. Dokumentation der Abschlusskonferenz...............................................120 1 Eröffnungsrede

Ulrich Kasparick, parl. Staatssekretär BMVBS...........................................120 2 Verbreitung und Nutzen von Innovationskooperationen bei kleinen und

mittleren Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe Thorsten Eggers, Projektträger im DLR (Reg-In), Berlin ............................123

3 Kooperationserfahrungen mit innovativen Unternehmen in der

Optikregion Jena Prof. Dr. Norbert Kaiser, stellv. Direktor des IOF Jena...............................127

4 Protokoll der Diskussion .........................................................................130 5 Teilnehmer ................................................................................................147 6 Kurzportraits der Betriebe der teilnehmenden Wirtschaftsvertreter ...148

6.1 KUKA Werkzeugbau Schwarzenberg GmbH – KWS (Gerd Wolf)..............148 6.2 Saalfelder Werkzeugmaschinen GmbH – SAMAG (Peter Heiden) ............148 6.3 Fränkische Rohrwerke/Gebr. Kirchner GmbH & Co. KG - Werk

Schwarzheide (Sokrates Giapapas)...........................................................149 6.4 AEM (Reiner Storch) ..................................................................................149

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A. Projektbericht Innovationsprozesse in ostdeutschen Unternehmen – Sicherung der Innovationsfähigkeit durch Kooperation und Fachkräfteorien-tierte Unternehmenskultur Michael Behr, Andreas Hinz, Rudi Schmidt – unter Mitarbeit von Christoph Thieme,

Thomas Engel und Monika Bialojan

Vorbemerkung

Mit diesem Abschlussbericht stellen wir die Ergebnisse aus dem Forschungsvorha-

ben „Innovation durch Kooperation und Fachkräfteentwicklung, Strategien zur Siche-

rung der Zukunftsfähigkeit ostdeutscher KMU“ vor, das 2005 bis 2006 durchgeführt

und vom BMVBW finanziert wurde (Teil A). Es zielt auf die Identifikation der spezifi-

schen Innovationspotenziale und die Analyse der Kooperationsbeziehungen zwi-

schen KMU und externen Wissensträgern. Wegen der hohen Bedeutung des extern

generierten Wissenstransfers standen die Probleme bei der Kooperationsverbesse-

rung zwischen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen im Zentrum die-

ser Perspektive. Als weiterer Schwerpunkt des Forschungsvorhabens wurden die

langfristige Sicherung des qualifizierten Fachkräftebedarfs untersucht und Vorschlä-

ge für eine Verbesserung der Rekrutierungschancen gemacht.

Die Erhebungen basieren auf einer Reihe von Fallstudien und auf der Auswertung

von zwischen 2001 und 2005 durchgeführten größeren Befragungen in verschiede-

nen Branchen und Bundesländern Ostdeutschlands. Diese Erhebungen wurden auch

quantitativ ausgewertet.

Wir können daher für bestimmte Zusammenhänge auch Größenordnungen und Ver-

teilungen angeben. Der Abschlußbericht des Projekts wurde im Frühjahr 2006 auf

einer Konferenz mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft vorgestellt, deren Ergebnis-

se im Anhang dokumentiert sind (Teil B).

Die vorgestellten Ergebnisse stellen das Anschlussprojekt der im Zeitraum

2004/2005 durchgeführten Studie „Aufbau Ost – Betriebliche und überbetriebliche

Erfolgsfaktoren im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands“ dar.1

1 Behr/Schmidt (Hg.): Aufbau Ost – Betriebliche und überbetriebliche Erfolgsfaktoren im verarbeitenden Gewerbe Ost-

deutschlands

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1 Einleitung

Der vorliegende Bericht fasst Erkenntnisse aus einer großen Zahl von Interviews und

Fallstudien aus Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes der neuen Bundeslän-

der zusammen. Im Focus ging es um die aktiven Mechanismen der Herstellung von

Innovationsfähigkeit von KMU. Dabei suchten wir Antworten auf folgende Fragen zu

erhalten: Welche endogenen und welche exogenen Ressourcen nutzen die Firmen,

um dem wachsenden Innovationsdruck von Kunden und Märkten entsprechen zu

können? Welche Akteure spielen in den Betrieben eine wesentliche Rolle als ‚Inno-

vationsagenten’; welche innerbetrieblichen Konstellationen erweisen sich dabei als

besonders produktiv? Welche externen Partner spielen an welcher Stelle im Innova-

tionsprozess eine wichtige Rolle? Welche Innovationsimpulse gehen von Kunden

aus, gibt es gemeinsame Innovationsprojekte?

Der Bericht beginnt mit Befunden zur Bedeutung von Kooperationsprozessen für In-

novation (Kap. 2). Dabei wird einerseits auf die Rolle von anderen Unternehmen,

Kunden und andererseits auf regionale und überregionale Wissenschaftseinrichtun-

gen eingegangen. Kap. 3 befasst sich – in akteurtheoretischer Perspektive – mit dem

Innovationshandeln in Unternehmen, wobei dezidiert der ‚Erfolgsfaktor Personal’ mit

Blick auf die Gruppe der Ingenieure abgestellt wird. In den erfolgreichen Unterneh-

men spielt eine ganz bestimmte Innovationskultur eine große Rolle. Diese Innovati-

onskultur ist Ergebnis einer bestimmten Personalpolitik (Kap. 4). Aktive Personalstra-

tegien, Partizipationsfähigkeit, geplanter Generationenaustausch, die Fähigkeit zur

Verjüngung bei gleichzeitiger Nutzung des Erfahrungspotentials der Älteren sind be-

triebliche Voraussetzungen für Positivkreisläufe, wie wir sie in einer Reihe von Be-

trieben beobachten konnten (Kap. 5).

Im 6. Kapitel werden drei Betriebe hinsichtlich ihrer Innovationsaktivitäten genauer

beschrieben. Alle drei Erfolgsunternehmen beobachten wir bereits über einen länge-

ren Zeitraum. In zwei der drei Unternehmen wurde neben Interviews mit Führungs-

kräften und Ingenieuren eine schriftliche Befragung aller Beschäftigtengruppen im

Unternehmen durchgeführt.

Kapitel 7 befasst sich mit der Bedeutung von Netzwerken für die Stärkung von be-

trieblicher und regionaler Innovationsfähigkeit. In Kapitel 8 werden – unter Rückgriff

auf die Funktionsweisen in einigen von uns intensiv untersuchten Netzwerken –

Strukturmerkmale, produktive Potenziale und Probleme in Netzwerken dargestellt.

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Am Beispiel des Optikclusters in Thüringen wird der positive Effekt einer dichten

Clusterstruktur exemplarisch dargestellt. Hierbei wird auch auf die positiven Effekte

des OptoNet Firmenverbundes eingegangen (Kap. 9). Im 10. Kapitel werden die

wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und Handlungsempfehlungen an die Ad-

resse der Politik formuliert.

Die empirische Grundlage des Berichts bilden Datensätze, die innerhalb der vergan-

genen drei Jahre erhobenen wurden und zwar sowohl auf Basis standardisierter Brei-

tenerhebungen wie vertiefender Leitfadeninterviews (s. Abs. 11.2). Die darin erfass-

ten Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes repräsentieren die industriellen

Kernbranchen der jeweiligen Wirtschaftsregionen in Südwestsachsen, Brandenburg

sowie Thüringen. Um dem Anspruch geografischer Ausgewogenheit gerecht zu wer-

den, wurden außerdem auch Unternehmen in Sachsen Anhalt und Mecklenburg

Vorpommern befragt. Die älteren Befragungen wurden durch eine aktuelle Erhebung

mit Kurzfallstudien in 29 Betrieben und durch Intensivstudien ergänzt.

Da die Untersuchungen – neben dem Thema Fachkräftebedarf und Personalstrate-

gien – sich auch mit der Frage der Unternehmensstrategien und der wirtschaftlichen

Situation der Betriebe befassten, waren Innovationsaktivitäten immer ein Bestandteil

der insgesamt rund 1.000 Interviews mit Geschäftsführern und Personalchefs. Aus-

schlaggebend für die Zusammenstellung möglicher Zielunternehmen für die Fallstu-

dien waren daher zunächst Hinweise auf Produkt- und Prozessinnovationen im Un-

ternehmen. Daneben wurden nur Betriebe berücksichtigt, die in der letzten Befra-

gung eine mindestens befriedigende Geschäftssituation konstatierten sowie auf Um-

satzsteigerungen zurückblicken konnten. Die so ausgewählten Unternehmen wurden

erneut telefonisch angesprochen. Die Teilnahmebereitschaft war durchgehend sehr

hoch.

Darüber hinaus wurden auch einige Unternehmen angesprochen, in denen auf

Grund enger Zusammenarbeit im Rahmen zurückliegender Projekte Innovationsakti-

vitäten bekannt waren bzw. vermutet werden konnten. Hier konnte eine hohe Koope-

rationsbereitschaft auch für dieses Vorhaben erwartet werden. Jedem der im Rah-

men dieser Studie erhobenen Fälle geht somit mindestens eine weitere Befragung

voraus, wodurch eine umfassendere Sichtweise auf das untersuchte Unternehmen

sowie eine hohe Qualität und Validität der Informationen gegeben ist.

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Die 29 aktuellen Kurzfallstudien wurden in 24 Fällen telefonisch und in fünf Fällen in

persönlichen Gesprächen vor Ort gewonnen. Gesprächspartner waren zunächst im-

mer die jeweiligen Geschäftsführer der Unternehmen, sowie nachfolgend die Be-

triebs- oder Werksleiter, die Chefkonstrukteure und in einigen Fällen auch die Be-

triebsräte der Unternehmen. Die durchschnittliche Dauer der telefonisch durchgeführ-

ten Interviews lag bei etwa 40 Minuten (im Einzelfall bis zu 70 Minuten), die der per-

sönlichen Interviews bei 120 Minuten. Alle Interviews wurden elektronisch aufge-

zeichnet und ausführlich protokolliert. Da für die meisten befragten Betriebe aus frü-

heren Erhebungen bereits umfangreiches Datenmaterial vorlag, konnte mit den neu-

en Interviews eine außerordentlich tief greifende und differenzierte Situationsbe-

schreibung gewonnen werden.

Der Überprüfung und Erweiterung der gewonnenen Erkenntnisse dienten auch die

sechs Intensivfallstudien, von denen drei im vorliegenden Bericht vorgestellt werden.

Diese wurden als auf die Innovationsbefragung aufbauende, die Materie vertiefende

Befragungen angelegt und in allen sechs Fällen vor Ort geführt. Gesprächspartner

waren dabei weitere für den Innovationsprozess des Unternehmens zentrale Perso-

nen, etwa Abteilungsleiter im Bereich FuE oder Vertrieb.

Das vorliegende Sample der 29 Kurzfallstudien umfasst ein weites Branchenspekt-

rum. Neben den stark vertretenen Bereichen Medizin-, Mess-, Steuer- und Rege-

lungstechnik sowie Maschinenbau, umfasst unser Sample u.a. auch die Branchen

Biotechnologie, Nahrung, Textil und Chemie (vgl. Tab. 1).

Tab. 1: Branchenverteilung des Samples nach NACE

Branche Anzahl

Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik 6

Maschinenbau 5

Biotechnologie 4

Ernährungsgewerbe 3

Textilgewerbe 3

Metallerzeugung und –bearbeitung 2

Herstellung von Kraftwagen und Kraftfahrzeugteilen 2

Chemische Industrie 1

Herstellung von Metallerzeugnissen 1

Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik 1

Sonstiger Fahrzeugbau 1

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Bei der regionalen Verteilung des Samples ist das Gros der Unternehmen in Bran-

denburg, Sachsen und Thüringen angesiedelt. Jeweils ein Unternehmen kommt aus

Sachsen-Anhalt bzw. Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Tab. 2).

Tab. 2: Regionale Verteilung des Samples nach Bundesländern

Bundesland Anzahl

Brandenburg 13

Sachsen 8

Thüringen 6

Mecklenburg-Vorpommern 1

Sachsen Anhalt 1

Im Gegensatz zum Standort beschränkt sich die geografische Verteilung der Eigen-

tümer nicht ausschließlich auf das Gebiet der neuen Bundesländer. Etwa ein Viertel

der untersuchten Unternehmen sind in westdeutschem Besitz. Drei Unternehmen

haben sowohl ostdeutschen als auch westdeutschen Eigentumsanteil, zwei Unter-

nehmen sind in ausländischem Besitz. In über der Hälfte der Unternehmen waren

zum Zeitpunkt der Befragung die Besitzverhältnisse rein ostdeutsch geprägt (vgl.

Tab. 3).

Tab. 3: Eigentumsverhältnisse der Unternehmen des Samples

Eigentumsverhältnisse Anzahl

ostdeutsch 17

westdeutsch 7

Ost- und Westeigentümeranteil 3

Mit ausländischen Eigentumsanteil 2

Insgesamt arbeiten in den untersuchten Unternehmen knapp 3600 Beschäftigte. Das

Spektrum reicht hier vom Kleinstbetrieb mit neun Beschäftigten bis zu Betrieben mit

einer Personalstärke von über 500. Der weitaus größte Teil der Unternehmen befin-

det sich in der Betriebsgröße zwischen 50 und 250 Mitarbeitern (vgl. Tab. 4).

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Tab. 4: Größenstruktur der Unternehmen des Samples

Anzahl der Mitarbeiter Anzahl

weniger als 20 3

20 bis 49 5

50 bis 249 17

250 bis 499 3

mehr als 500 1

Neun Fälle, also ein Drittel der Unternehmen, lässt sich dem Typ der ‚technisch an-

spruchsvollen Nischenproduktion’ zuordnen, knapp die Hälfte der Unternehmen des

Untersuchungssamples ist im Bereich ‚hochwertige Serienfertigung’ anzusiedeln. Die

kleinste Gruppe bildet der Typ der ‚Massenproduktion eines hochwertigen Produkts'

mit sechs Unternehmen (vgl. Tab. 5).

Tab. 5: Unternehmen nach Produkttyp

Produkttyp Häufigkeit

technisch anspruchsvolle Nischenprodukte 9

hochwertige Serienfertigung 14

Massenproduktion eines hochwertigen Produkts 6

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2 Innovation durch Kooperation

2.1 Einleitung

Um sich gegen die Konkurrenz am Markt zu behaupten, sind Wirtschaftsunterneh-

men zu ständiger Innovation genötigt. Die große Herausforderung für jedes Mana-

gement ist es dabei, die langfristige Planung und die verlässliche Ressourcenalloka-

tion im Betrieb mit den Schwankungen und Ungewissheiten am Markt in Überein-

stimmung zu bringen. Um sie zu bewältigen, gilt die Verstetigung von Kundenbezie-

hungen als ein probates, aber nicht immer leicht zu realisierendes Konzept. Aber

auch bei befriedigender Kooperation mit den Kunden ist stets auch ein Mindestmaß

an eigener Innovationskompetenz erforderlich. Entwickelt sich dieses Verhältnis zu

asymmetrisch, kann der Informationsfluss versiegen oder die Kooperation aufgekün-

digt werden.

Der von den Unternehmen betriebene Entwicklungsaufwand ist sehr unterschiedlich.

Das liegt zum einen an der verschiedenen technologischen Struktur und Marktprä-

senz, ist zum anderen aber auch ein methodisches Problem der Kostenzurechnung.

Die uns übermittelten Angaben schwanken beim intern berechneten FuE-Aufwand

zwischen fünf – 30 % vom Gesamtbudget bzw. Umsatz. Die Zurechnung wird dort

schwierig, wo nicht nur explizite FuE-Abteilungen für die Innovation zuständig sind,

sondern auch andere Bereiche zeitweilig in Form von Projektteams involviert sind. In

anderen Firmen wiederum wird ein großer Teil der Vertriebsmannschaft in die Ent-

wicklung neuer Produkte und Verfahren einbezogen. Ob und wie weit deren Arbeits-

anteil immer exakt in der Kostenrechnung berücksichtigt wird, war nicht in jedem Fall

präzise zu ermitteln. Wir begnügen uns daher mit den pauschal gemachten Angaben

im genannten Spektrum.

Im Wettbewerb mittels innovativer Produkte haben mittelständische Unternehmen

gegenüber großen einige Vor-, aber auch gravierende Nachteile. Ihre Schnelligkeit

und Flexibilität wird beeinträchtigt von der meist unbefriedigenden Kapazität bzw.

Kompetenz für FuE. Häufig gibt es nur eine etwas erweiterte Konstruktionsabteilung.

Daraus die Kompetenz für die Entwicklung eines völlig neuen Produkts - einer Markt-

innovation - zu generieren, ist in der Alltagspraxis modifizierender Konstruktionsarbeit

kaum möglich. Dazu fehlen Abstand und kreative Muße.

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Die Kompensation dieses Defizits geschieht gewöhnlich über den extern generierten

Wissenstransfer. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Quellen: Der Kunde (s. Abs.

2.2.1), der erfolgreiche Konkurrent (s. Abs. 2.2.2), die institutionalisierte Forschung

und Beratung (s. Abs. 2.2.3).

In der Praxis stellen sich für den Unternehmer zwei wesentliche Fragen: Wer kann

für mein Problem die optimale Lösung liefern und wie kann ich vermeiden, dass die

Lösung einem Konkurrenten in die Hände fällt? Man könnte noch einen radikalen

Schritt weitergehen und fragen: Wer erfindet für mich das zu meinem Produktions-

profil passende marktneue Produkt, von dessen Möglichkeiten und Funktionen ich

vielleicht noch gar nichts weiß? Die systematische Überschreitung der herkömmli-

chen Gewissheiten stellt die radikalste Herausforderung für eine weit reichende Inno-

vation dar.

So weit würde selbst ein Unternehmenschef im High-tech – Bereich wohl nur aus-

nahmsweise gehen. Auch bei konsolidierten Unternehmen im KMU-Bereich will man

‚auf Nummer sicher’ gehen und vertraut nach den prägenden Erfahrungen aus der

schwierigen Start- bzw. Umbauphase lieber auf die eigenen Kompetenzen. Worin sie

liegen und worin noch Defizite bestehen, davon berichten wir in den nachstehenden

Analysen.

2.2 Externe Innovationsquellen

2.2.1 Innovation durch Kundenbezug

Eine der wichtigsten Quellen für innovative Anstöße sind die Anregungen bzw. For-

derungen der Kunden, deren aus der Anwendung herrührendes Gestaltungswissen

von aufmerksamen und eng kooperierenden Vertriebsingenieuren erfolgreich abge-

schöpft werden kann. Umfang und Intensität des Wissenstransfers von Kunden zum

Fertiger hängen vom Komplexitätsgrad des Produkts und vom Anwendungsbezug

ab. Aber zwischen losen Kontakten und intensiver, wechselseitig befruchtender Ko-

operation gibt es eine breite Palette von Kundenbeziehungen, in denen Wissens-

übertragungen an das Unternehmen und vice versa vorgenommen werden (s. dazu

auch I3.2)

In der Öffentlichkeit am meisten diskutiert werden in diesem Zusammenhang die

Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie, in denen Teile- und Systemlieferan-

ten mit den Finalproduzenten eine häufig sehr enge, zuweilen bis in die Gestaltung

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des Produktionsprozesses hineinwirkende Kooperation praktizieren. Inzwischen sind

aber solche engen Verknüpfungen im Zuge von Outsourcing-Strategien auch in der

mittelständischen Wirtschaft anderer Branchen zu beobachten. Aber auch wenn es

nicht bis zum Outsourcing kommt, lassen sich in den von uns untersuchten Betrieben

viele Formen eines engen Kundenbezugs identifizieren, die zentrale Relevanz für

das betriebliche Innovationsgeschehen haben.

Die typische Konstellation wird vom Geschäftsführer eines Dessauer Motorenwerks

wie folgt beschrieben:

„Es ist immer ein Mix aus Kundenwunsch und technisch machbaren An-forderungen. Die Arbeit bei und mit dem Kunden ist dabei enorm wichtig. So werden eigene technisch sinnvolle Problemlösungen, die den techni-schen Anforderungen genügen, dem Kunden vorgestellt. Dies erfordert ei-ne ständige Abstimmung und Kommunikation mit dem Kunden“ (M1ST).

Man könnte von einer betrieblich strukturierten Rezeption des Kundenwunsches

sprechen. Das heißt, die Realisierung des Kundenwunsches muss mit den betriebli-

chen Möglichkeiten abgestimmt und der Erwartungshorizont des Kunden behutsam

auf das beschränkte Variationspotential des Betriebes eingegrenzt werden. Die

‚Machbarkeit’ ist nicht bloß technologisch limitiert, sondern auch betrieblich. Freilich

darf die Kluft zwischen beidem nicht zu groß sein, weil dies zum Inkompetenzver-

dacht des Kunden führen würde.

Die Anregungen zu Innovationen gehen von beiden Seiten aus. Mal ist es der Kunde,

der dem Ausrüster bzw. Zulieferer mit neuen Wünschen entgegentritt, mal bietet der

Lieferant neue Lösungen seines Entwicklungsbüros an. Die Richtung des Innovati-

onsangebots hängt von der Betriebsgröße und dem Technologieniveau ab. Größere

und technologisch avancierte Unternehmen mit ausgeprägter Entwicklungskompe-

tenz treten den Kunden häufiger mit innovativen Angeboten entgegen als kleine und

solche mit traditioneller Technikausstattung. Zuweilen wird die Richtung der Innovati-

onsimpulse auch durch die funktionale Arbeitsteilung in der Wertschöpfungskette

bestimmt. Beim Bau von Werkzeugen, Vorrichtungen und Formen gehen die innova-

tiven Anforderungen regelmäßig vom Anwender aus:

„Der Impuls für Neuerungen kommt ganz klar von Außen, wir stehen im-mer im Kontakt mit den Kunden, es gibt eine große Konstruktionsabteilung im Unternehmen, die nehmen die Anregung auf, entwickeln die Produkte; der Kontakt wird dabei vor allem über den Vertrieb hergestellt“ (M5SN).

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Zwischen High-tech – Unternehmen kann der Innovationsaustausch sehr intensiv

sein, insbesondere dann, wenn auch der Endabnehmermarkt in ständiger Bewegung

ist, wie im Mobilfunkgeschäft. Ein Unternehmen dieser Branche beschreibt die typi-

sche Situation wie folgt:

„Unser Markt ist äußerst schnelllebig, die Produkte veralten sehr schnell, somit ist der Anteil neuer Produkte sehr hoch. Produktneueinführungen gibt es mindestens einmal im Jahr“ (MO5BB).

Für weniger marktgetriebene Produktinnovationen kann es aber Akzeptanzprobleme

bei den Kunden geben, wenn der Innovationsrhythmus zu schnell sein sollte. Das ist

insbesondere für Ausrüster mit hohem Bewährungsanspruch in der Alltagspraxis re-

levant. Ein Hersteller von Medizintechnik schildert das Problem wie folgt:

„Neue Produkte machen im Unternehmen einen Anteil von 50 % des Um-satzes aus, wenn man dies auf den Zeitraum von drei Jahren bezieht. Da-bei muss man berücksichtigen, dass die Kunden auf Produktstabilität ach-ten, was auch bedeutet, ein klares und einfaches Handling zu gewährleis-ten. Somit verbessert man bspw. OP-Tische schrittweise“ (MO3TH).

Ähnlich sieht das auch ein Hersteller von Werkzeugmaschinen:

„Der Kunde braucht gewisse Sicherheiten und Vertrauen. Zu viele Neue-rungen verunsichern dann eher, da die Branche stockkonservativ ist. Der Kunde braucht das Gefühl ‚die können das’. Es ist wichtig, dass man in der Branche genügend Referenzen vorweisen kann, denn für den Kunden ist es wichtig, seine Verträge einhalten zu können“. Es gelte, „das nötige Maß zwischen Bewährtem und Neuen zu finden“ (M2TH).

Dieser Kontakt zum Kunden muss gepflegt werden:

„Im Maschinenbau hat man wenige hundert potentielle Kunden. Aus die-sem Potential hat sich ein Kundenkreis etabliert, der immer wieder bei S. bestellt. Mit solchen Kunden soll die Zusammenarbeit dergestalt intensi-viert werden, dass bereits mit deren Endabnehmern Gespräche stattfin-den, um die Lösungen zu optimieren. (…) Letztlich sind solche ‚weichen Faktoren’ entscheidend, da das technische Niveau aller Wettbewerber recht nah beieinander liegt. Daher kommt es darauf an, dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, dass das ‚die richtigen Leute sind’“ (M2TH).

Am einfachsten ist es natürlich, wenn man sich auf einen technologisch führenden

‚Leitkunden’ beziehen kann, dann kann man beim innovativen Kurs im unübersichtli-

chen Gelände nicht so ganz falsch liegen:

„Das können nur die Leitkunden sein. Man schaut, wer ist auf dem Gebiet tätig, wo man jetzt denkt, dass man selbst aktiv wird. Dann geht man mit

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einer sehr guten Idee, einem ‚Halbzeug’ an Lösungen zu den Kunden hin. Und von dort bekommt man dann gemeinsame Ideen aus der Praxis her-aus“ (MO2TH).

Ein ähnlicher Effekt ergibt sich für den Zulieferer mit zuverlässiger Konzernanbin-

dung:

„In unserer Firma gibt es keine extra Abteilung für FuE, wir haben Instruk-teure, Vertreter von den Konzernen, die unsere Außendienstmitarbeiter zielgerichtet anleiten und mit den entsprechenden Materialien versorgen, also Kataloge, CD usw. Die werden also zielgerichtet qualifiziert im Rah-men eines existierenden Schulungsprogramms“ (M4BB).

Ist solche Konzernbindung nicht in feste Kooperationsstrukturen eingebettet, können

jedoch auch gegenteilige Überlegungen maßgeblich sein. Ein Lieferant für techni-

sche Ausrüstungen schildert seine Erfahrungen anlässlich einer von Fraunhofer ver-

mittelten Projektkooperation:

„Man muss auch bedenken, dass man ein gewisses Kräfteverhältnis wah-ren muss. Sind diese zu unterschiedlich, besteht für kleine Firmen, die Ge-fahr des Geschlucktwerdens. Daher entschieden wir uns bewusst für die Kooperation mit der TFHW und nicht für SIEMENS. Dies dient der Wah-rung des eigenen Namens und des Images. Denn: Läuft etwas gut, dann wird der eigene Name geschluckt, läuft es schlecht, dann muss man mit dem eigenen Namen dafür einstehen, was nur Nachteile hat“ (F2BB).

Da diese Firma auch messtechnische Kompetenzen besitzt, die sie als Dienstleis-

tung in der Branche anbietet, würde enge Kooperation mit einem Partner, dessen

Produkte man im Auftrag anderer zu prüfen hat, den Ruf der Unabhängigkeit gefähr-

den.

Mitunter macht sich auch der Kunde rar und das nicht ganz uneigennützig:

„Bei der Maschinenfertigung ist eine Optimierung immer schwieriger, da man vom Kunden kaum Rückmeldungen bekommt, sofern die Maschine gut funktioniert. Die Kunden sind im Grunde auch nicht daran interessiert, weil die daraus folgende Verbesserung letztlich einem Wettbewerber zu-gute käme und dieser eine bessere Lösung geliefert bekäme“ (M2TH).

Die Kundenähe ist im Allgemeinen an kommunikative Voraussetzungen gebunden,

die auch im Zeitalter der medialen Ausdifferenzierung die klassischen Face-to-Face-

Beziehungen in einem regionalen Nah-Kontext nicht so ohne weiteres ersetzbar ma-

chen, was zugleich eines der wesentlichen Argumente für die Vorteile von Cluster-

Strukturen liefert. Ein Hersteller von Textilmaschinen dazu:

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„Der Maschinenbau in Chemnitz bezog einen wesentlichen Teil seiner Stärke aus der Nähe zum Kunden, der die Maschinen anwendet, so dass Probleme immer direkt aufgenommen werden konnten. Mittlerweile gibt es in der Region Chemnitz aber kaum noch Anwender. Die Kundschaft hat sich nach Osten verlagert, und es wird zunehmend schwerer, den Kontakt zum Kunden zu halten. Den persönlichen Kontakt ersetzen auch die mo-dernen Kommunikationsmittel wie E-Mail, Bildtelefonie nicht, da keine per-sönliche, zwischenmenschliche Kommunikationsebene aufgebaut wird“ (M3SN).

2.2.2 Die Orientierung am erfolgreichen Innovator

Eine verbreitete Praxis besteht darin, sich an den Resultaten der führenden Anbieter

zu orientieren: Wissenstransfer durch Imitation, was freilich den Nachteil hat, immer

nur der gute Zweite zu sein. Freilich ist man bei dieser Strategie – wenn es gelingt,

dem Front-runner immer möglichst dicht auf den Fersen zu sein – auf der sicheren

Seite. Der gute Kopist hat in der Regel aber nur dann Erfolg bei seinen Kunden,

wenn er bei anderen wettbewerbsrelevanten Faktoren besser abschneidet als das

Original. Meist ist das der Produktpreis, bei dem aber kleine und mittlere Unterneh-

men ihre spezifischen Grenzen haben. Nun wird jemand, daraufhin befragt, kaum

einräumen, ein erfolgreiches Produkt nur kopiert zu haben. Und das wird tatsächlich

auch nicht häufig geschehen, weil nicht nur Patentschutz, sondern auch Firmenehre

und Branchenintegration daran hindern. Es geht allenfalls um das ‚ähnliche’ Produkt.

Der Innovationsführer setzt die neuen Qualitätsstandards und es geht dann darum,

sich an ihnen zu orientieren, sie mit den firmeneigenen Spezifika zu versehen.

Die Beobachtung der Konkurrenz erfolgt auf vielfältige Weise: Durch die Fachpresse,

Fachverbände, durch Kundeninformation, vor allem aber durch Messe-Besuche.

„Wir haben eine Reihe von namhaften Kunden und dadurch gibt es eine ständige Weiterentwicklung, einen Trend, der vom Markt beeinflusst wird. Das erfahren wir dann immer rechtzeitig auf wichtigen Treffen der Branche also insbesondere auf Messen. Dort werden neue Maschinentypen vorge-stellt, (…) diese Trends müssen wir dann eben aufnehmen“ (M5SN).

2.2.3 Der Innovationskauf am Forschungsmarkt

Schließlich bleibt den Unternehmen immer noch die Möglichkeit, innovatives Wissen

am Forschungsmarkt einzukaufen. Allerdings ist der im Unterschied zum Waren-

markt für die meisten Unternehmen recht unübersichtlich und häufig vormarktlich, d.

h. staatlich organisiert. Wegen der im öffentlich finanzierten Wissenschaftssystem

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gebotenen Wettbewerbsneutralität ist die Vertragsfreiheit zwischen Hochschulen und

Unternehmen eingeschränkt: Die geforderte Neutralität wird durch die Publizitäts-

pflicht gewährleistet, denn dem Auftraggeber darf keine Exklusivverwertung einge-

räumt werden. Solche Probleme bereiten privatwirtschaftlich arbeitende Forschungs-

einrichtungen nicht; sie sind allerdings auch teurer.

Die Nutzung der verschiedenen Möglichkeiten, innovatives Wissen hinzu zu kaufen,

wird je nach Bedarf und betrieblichen Möglichkeiten unterschiedlich gehandhabt. Un-

ter den befragten Firmen gibt es kaum eine, die nicht schon einmal irgendeine inno-

vationsträchtige Leistung extern erworben hat. Die Grenzen der Innovationsrelevanz

von Outsourcing sind fließend: Nicht jede an ein Ingenieurbüro vergebene Berech-

nung, nicht jede in einer Fachhochschule vorgenommene Messung ist innovativ,

sondern kann Element der gewöhnlichen Arbeitsteilung sein. Generell wird die Frage,

was vergeben und was selbst erstellt wird, im systematischen Innovationsmanage-

ment immer wieder überprüft. Diese Abwägung wird exemplarisch vom Geschäfts-

führer eines Maschinenbauers thematisiert:

„Für das Unternehmen selbst wären die hohen Hardware- und Software-Kosten, verbunden mit einer ständigen Weiterbildung der Leute, nicht ren-tabel. Es besteht jedoch das Problem, das Know-how im Hause zu halten, daher ist viel Abstimmungsarbeit nötig. Innerbetrieblich gibt es das Hemmnis, dass jeder seine funktionsspezifischen Einwände im Innovati-onsprozess geltend macht, was einen hohen Abstimmungsaufwand be-deutet, was aber eben auch als Vorteil gesehen werden kann: Alle stehen letztlich hinter einem Projekt“ (M2TH).

Im Allgemeinen wird versucht, die externen Auftragsbeziehungen zu verstetigen,

denn das dabei entstehende Vertrauen reduziert die Kontrollkosten. Die weiteren

Facetten solcher Geschäftsbeziehungen werden daher unter dem Abschnitt Koope-

ration abgehandelt (s. Abs. 2.7).

2.3 Produktinnovation

Von den verschiedenen Formen betrieblicher Innovation ist die Produktinnovation

naheliegenderweise die am häufigsten praktizierte; schließlich ist die Verkaufbarkeit

des Produkts Betriebszweck und primäres Erfolgskriterium. Es war daher plausibel,

dass die ostdeutschen Betriebe in der Privatisierungsphase neben der Anschaffung

neuer Maschinen zuerst an die Erneuerung ihrer Produkte gingen. Das war ein müh-

seliger Weg für die des Marktes und der Käuferwünsche unkundigen Produzenten.

Lange Zeit war die Herstellung von Marktnähe das größte und für viele am schwie-

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rigsten zu lösende Problem. Manche suchten daraus einen theoretischen bzw. tech-

nizistischen Ausweg: Wenn wir das technisch beste Produkt herstellen, müssen wir

alle anderen Wettbewerber ausstechen können. Das gelang auch einigen, aber

meistens zu einem nicht konkurrenzfähigen Preis, oder es stellte sich heraus: Der

Service, die Lieferkonditionen etc stimmte nicht. Solche Betriebe mussten kostspielig

lernen, dass es mit einem guten Wettbewerbsmerkmal allein nicht getan ist, sondern

auch das Produktumfeld, eigentlich der ganze Betrieb, in die Modernisierungsper-

spektive einbezogen werden muss. Andere waren dann erfolgreich, wenn sie beim

Produkt nur den Leistungs- bzw. Novitätsdurchschnitt des Marktsegments erreichten,

dann aber durch moderne Fertigungs- und Arbeitsorganisation ein Höchstmaß an

Flexibilität besaßen und so in Lücken anderer hineinstoßen konnten, die sie – einmal

besetzt – dann erfolgreich verteidigten.

Am vorteilhaftesten ist es natürlich, als Klein- oder Mittelbetrieb ein am Markt nach-

gefragtes Nischenprodukt herzustellen, das für Großunternehmen auf Dauer uninte-

ressant ist. Aber die Betriebsbiographien zeigen, dass das kein Ruhekissen ist, denn

die Nachahmung des Erfolgreichen gehört nun mal zu den verbreitetsten Wettbe-

werbsstrategien. Für einen Spitzenplatz gibt es keine Gewähr, und auch dies ver-

weist wieder auf die Notwendigkeit eines umfassenden und verstetigten Innovations-

ansatzes. Auf sich allein gestellt ist es für die KMU häufig ziemlich schwer, einen sol-

chen begehrten Spitzenplatz am Markt zu erreichen. Daher ist die Produktinnovation

auch jener Bereich, auf dem es für kleinere und mittlere Unternehmen am sinnvolls-

ten ist, externes Wissen zu beschaffen und durch langfristige Kooperation dauerhaft

zu sichern.

Produktverbesserungen zielen einerseits auf einen höheren Kundennutzen, anderer-

seits auf eine Verbilligung der Herstellungskosten. Beides ist marktinduziert, d. h.

konkurrenzgesteuert. Während sie im ersten Fall meist in engem Kundenbezug ent-

steht, ist letztere auch ein kundenunabhängiges Interesse der Hersteller. Damit rea-

gieren die Unternehmen einerseits auf den Preisdruck der Kunden bzw. der Konkur-

renten, andererseits treiben sie die Konkurrenz auch von sich aus dadurch an, dass

sie über den Branchenstandard hinaus zielende Verbesserungen anstreben, die ih-

nen einen höheren Absatz bzw. höhere Gewinnmargen für Ersatz- oder Erweite-

rungsinvestitionen ermöglichen.

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Produkt- und Prozessinnovationen sind dabei nicht immer klar zu trennen. Zwar gibt

es völlig unabhängig von der Herstellung verlaufende Produktverbesserungen, z. B.

wenn zusätzliche Ausstattungsmerkmale des Produkts lediglich durch Montageerwei-

terung erbracht werden. Aber ein komplexer Innovationsfortschritt des Produkts ist in

der Regel doch mit einer Prozessinnovation verbunden, was sich eindeutig aus unse-

rer Befragung ergibt (s. Abs. 2.4).

So ist es eine permanente Aufgabe von Ingenieuren, nach Möglichkeiten von Ge-

wichtseinsparungen zu suchen, vor allem wenn es sich um Vorprodukte für den

Fahrzeugbau handelt, um solche, die transportintensiv sind oder von Hand im Alltag

bewegt werden. Dabei sind nicht selten gleich zwei Ziele anzustreben, die sich nor-

malerweise widersprechen, z. B. Gewichtseinsparung ohne Festigkeitsverlust oder

gar mit Festigkeitssteigerung. Hierbei experimentieren einige der befragten Firmen

mit neuen Materialien wie Carbon oder mit einem neuen Materialaufbau, wie

z. B. dem Einsatz von Metallschaum (so z. B. MO1TH). Eine andere, inzwischen in

manchen Bereichen schon geradezu branchenkonstitutive Innovationsstrategie (z. B.

elektronische Bauelemente) ist die fortgesetzte Verkleinerung/Miniaturisierung der

Produkte.

Ebenfalls zur Strategie der intelligenten Zielverkoppelung gehört die Leistungsinten-

sivierung von Aggregaten z. B. von Elektromotoren bei gleichzeitiger Verringerung

der Energiezufuhr oder die Leistungsintensivierung bei Verringerung des Aggregate-

volumens und besserer Wärmeabfuhr (so z. B. M1ST). In all diesen Fällen wird man

kaum ohne größere Veränderungen im Herstellungsverfahren auskommen.

Um eine systematische Aufarbeitung des für das Unternehmen verwertbaren Wis-

sensstandes zu erreichen, bildete ein Unternehmen der Medizintechnik eine ‚Gruppe

Vorlaufentwicklung’, wobei auch damit natürlich nicht alle Probleme gelöst sind; denn

für den erweiterten Horizont, der damit eröffnet wird, muss auch genügend Zeit vor-

handen sein.

„Man müsste sich stärker in der Vorlaufgruppe mit dem Stand von Wis-senschaft und Technik in den angrenzenden Bereichen befassen. Man sagt so salopp, wir haben keine Zeit. Aber das ist nicht gut. Das ist so, als hätte man keine Zeit sein Messer zu schärfen (....) Wir haben eben das Nahe liegende erst mal gemacht und meinen aber schon, gerade wie neue Werkstoffe, neue Verfahren, neue Ideen auch aus anderen Berei-chen... . Ich sage mal Verbundwerkstoffe oder Leichtbauwerkstoffe, Kohle-faserwerkstoffe oder Aluminium auch aus dem Automobilbau aus dem

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Flugzeugbau oder ähnliche Sachen, da wissen wir zu wenig drüber. Wir lesen zu wenig drüber und gehen zu wenig auf die zu“ (MO3TH).

Trotz vielfältiger Bemühungen auf externes Wissen zuzugreifen, bleibt die Eigen-

kompetenz die wichtigste Innovationsquelle. Dabei wird mit den knappen Ressourcen

für Innovationsaktivitäten oft kreativ und flexibel umgegangen. Wegen der häufig feh-

lenden FuE-Abteilungen kommt den Konstrukteuren meist eine Schlüsselposition zu.

Sie übernehmen Aufgaben der Entwicklung sowohl für die betriebsneuen Produkte,

wie bei der Erarbeitung kundenspezifischer Lösungen. Dabei werden – soweit ver-

fügbar – auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse umgesetzt, um prospektiv neue

Lösungen auf dem Markt anbieten zu können. Auffällig bei den starken Unternehmen

ist, dass Innovation häufig projektförmig organisiert und eine Abteilungen übergrei-

fende Angelegenheit ist. So werden die Kapazitäten des Entwicklungs- und Kon-

struktionsbereichs häufig durch die Experten aus Fertigung, Vertrieb und Manage-

ment ergänzt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es den vielen kapitalschwachen Un-

ternehmen schwer fällt, so viele Ressourcen für ihre Entwicklungsvorhaben zu mobi-

lisieren, dass sie ihre Innovationsmaßnahmen im gewünschten Umfang realisieren

können. Somit sind die Ausgangsbedingungen für große Innovationssprünge jeden-

falls im Hauptfeld der ostdeutschen KMU eher ungünstig. Ein Unternehmen der Op-

toelektronik:

„Gerade bei ostdeutschen KMU besteht das Handicap, dass die Kapital-decke knapp ist. Produkte entwickeln, Produkte definieren, Produkte um-setzen, Produkte in den Markt bringen, bringt horrende Kosten mit sich, etwa je ein Viertel. Dies hat die Firma in den ersten Jahren gar nicht ge-konnt“ (MO2TH).

Es geht bei der eventuellen Zurückhaltung beim Innovationskurs allerdings nicht nur

um den Ressourcenmangel, sondern auch um ganz praktische Überlegungen. Aus

der Sicht eines Textilmaschinenherstellers:

„Grundsätzlich muss aber bei jeder Neuerung zwischen Kosten und Nut-zen abgewogen werden, da das Einsatzfeld bei den Stückzahlen auch be-schränkt ist. Da sind nicht immer alleine Kostengründe ausschlaggebend. Selbst wenn eine Maschine durch eine Neuerung kostengünstiger würde, wird nicht immer alles umgesetzt. Der Grund: Man braucht eine gewisse Kontinuität bei der Technik, um früher ausgelieferte Maschinen auch noch reparieren und warten zu können. Es muss auch ein gewisser Standard erhalten bleiben, da sich das Unternehmen auch über den Garantiezeit-raum hinaus mit den Maschinen befasst, also Veränderungen, Updates vornimmt“ (M3SN).

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2.4 Prozessinnovation

Zwar wird in der Öffentlichkeit, wenn von Innovation die Rede ist, stets von neuen

Produkten gesprochen, aber jeder Praktiker weiß, dass Modernisierungen eine per-

manente Aufgabe des ganzen Betriebes sind, für die im Alltag häufig nur die Zeit und

zuweilen auch die Ressourcen fehlen. Zu den wichtigsten innovativen Anstrengun-

gen, die eine erfolgreiche Produkteinführung begleiten bzw. voraussetzen, gehören

Prozessinnovationen. Häufig erfordert ein neues Produkt auch ein neues, bzw. modi-

fiziertes Herstellungsverfahren. Aber selbst wenn dafür wegen der hohen Flexibilität

des vorhandenen Produktionsapparates keine strukturelle Notwendigkeit besteht,

rechnen sich Prozessinnovationen schon allein wegen der damit eventuell verbunde-

nen Kostensenkungen. Der enge Zusammenhang zwischen beiden Innovationspfa-

den wird von den Betrieben meist auch gesehen und ihm in der Praxis Rechnung

getragen.

Am leichtesten tun sich dabei die Zulieferer mit Konzernbindung, wenn sie in eine

langfristige Kooperation mit Innovationstransfer eingebunden sind:

„Wir richten unsere Anstrengungen auch auf die Herstellungsverfahren. Dabei haben wir so genannte Leitbetriebe oder Konzerne, die uns mit den neusten Informationen und Verfahren und so weiter vertraut machen. Schulungen, Komplexschulungen, Produktschulungen, für die Aushilfsmit-arbeiter, für die Konstrukteure… das ist eigentlich in guten Händen, das wird auch zielstrebig gemacht“ (M4BB).

Nach von uns durchgeführten Befragungen in den neuen Bundesländern haben

29 % aller befragten Unternehmen in Südwestsachsen (Fachkräftestudie Chemnitz),

gleichzeitig Produkt- und Prozessinnovationen durchgeführt, in Brandenburg 33 %

(Fachkräftestudie Brandenburg). Bei den prosperierenden, also den so genannten

Erfolgsunternehmen, sind es sogar 43 %. Auch für die Prozessinnovationen gilt, dass

sie teilweise intern hervorgebracht, teilweise aber von außen beschafft werden müs-

sen.

Verbreitet ist unter den mittelständischen Unternehmen inzwischen auch die Kosten-

einsparung bei Einzel- und Kleinserienfertigung durch Modularisierung, wie sie be-

reits seit den 80er Jahren aus größeren Unternehmen in der Investitionsgüterindust-

rie bekannt sind (Pries/Schmidt/Trinczek 1990).

Da Prozessinnovationen eher als transparentes Branchenwissen gelten, in der Fach-

presse publiziert werden und über Technologietransfer-Einrichtungen wie die Fraun-

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hofer Institute allgemein zugänglich sind, eignen sie sich auch eher für den Informa-

tionsaustausch in Branchennetzwerken und anderen zwischenbetrieblichen Koopera-

tionsformen. Das bedeutet andererseits aber auch, dass solche Netze noch stärker

für die Vermittlung innovativer Prozesstechnologie genutzt werden könnten.

2.5 Innovative Unternehmens- und Arbeitsorganisation

In der Hierarchie der Innovationsstrategien ist – allen wirtschafts- und sozialwissen-

schaftlichen Untersuchungen zufolge – dieser Innovationsbereich von nachrangiger

Relevanz, bzw. wird häufig ganz vernachlässigt. Dies hat unternehmensstrukturelle

Gründe: Mittelständische Unternehmen behalten im Zuge ihres Wachstumsprozes-

ses in der Regel ihre angestammten Führungsprinzipien und Unternehmensphiloso-

phien; insbesondere, solange sie erfolgreich sind. Dabei geht aber die Sensibilität für

eine komplexitätsangemessene Managementpraxis verloren. Erst in einer Krise wird

dann offenbar, dass die alten Methoden und Praktiken nicht mehr tauglich sind. Än-

derungen in diesem Stadium sind aber sehr viel kostspieliger, weil erst mühselig wie-

der Boden unter den Füßen gewonnen werden muss. Gerade für mittelständische

Unternehmen empfiehlt sich daher ein ganzheitlicher, stets aktualisierter Innovati-

onsansatz.

Die vielfach aus ‚Überlebensgemeinschaften’ der Nachwendezeit hervorgegangenen

Unternehmen zeichnen sich häufig durch ein hohes Maß an sozialer Kohäsion und

dichte Kommunikationsbeziehungen zwischen den Akteuren aus. Die Organisation

der Arbeitsabläufe ist dabei eingespielt. Man weiß, was man voneinander zu erwar-

ten hat, Koordination auf Zuruf ermöglicht flexible Antworten auf Anforderungen. In

diesen für KMU generell nicht unüblichen Organisationsgefügen liegen aber auch

Gefahren. Die Kooperationsformen sind stark Personen gebunden und werden wenig

durch formale Strukturen stabilisiert. Angesichts des bevorstehenden Ausscheidens

einer großen Zahl älterer Mitarbeiter und Führungskräfte können sich die Betriebe

perspektivisch aber nicht mehr auf die Tragfähigkeit der personengebundenen Orga-

nisationszusammenhänge verlassen.

Stärker formal geregelte Abläufe in Gestalt von Teamarbeit oder auch bei der Pro-

jektarbeit an Innovationen, wie sie zum Teil bei den größeren der von uns untersuch-

ten erfolgreichen Betriebe praktiziert werden, sind auch wichtig, um durch die wach-

sende Komplexität der Markt- und Produktionsanforderungen organisatorisch nicht

überfordert zu werden. Im Allgemeinen gilt jedoch: Eher zentralistisch-hierarchisch

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geführte Betriebe haben bei schnellem Wachstum größere Probleme, sich rechtzeitig

auf eine neue anforderungsgerechte Organisationsstruktur umzustellen als partizipa-

tiv-delegativ geführte Unternehmen, weil mit dieser Organisationsform Wachstum

aggregativ bewältigt werden kann.

Bei der Innovation am erfolgreichsten sind jene Firmen, die das Entwickeln neuer

Produkte und Verfahren nicht arbeitsteilig-partikular betreiben, sondern integrativ,

also abteilungsübergreifend, interdisziplinär und statusindifferent. Ein Thüringer Ma-

schinenbauunternehmen hat aus diesen Überlegungen zur Praxis einer betrieblichen

Innovationskultur gefunden:

„Am Innovationsprozess sind alle Bereiche des Unternehmens beteiligt. Fertigung, Montage, Qualitätsmanagement, Konstruktion, Vertrieb. Das Pflichtenheft wird mit allen abgesprochen. In die Entwicklungsarbeit wer-den alle Bereiche integriert, da sie die jeweils eigenen Erfahrungen ein-speisen müssen“ (M2TH).

Zu diesem Konzept gehören auch eine umfassend angelegte Weiterbildung der Be-

schäftigten und die soziale Sicherung der individuellen Motivation durch stimulieren-

de Erfolgsbeteiligung. Es kommt also nicht darauf an, dass die Chefs mit den Chefs

reden, sondern diejenigen, die etwas Profundes zum Innovationsprozess beitragen

können.

2.6 Service und Lieferkonditionen

Wenn ein gutes Produkt vorliegt, der Produktionsapparat modernisiert ist und auch

der Preis stimmt, sind noch weitere Hürden zu nehmen. Kann die gewünschte Menge

in der geforderten Zeit hergestellt werden? Bei größeren Investitionsgütern: Hat man

genügend Fachkräfte für die Vor-Ort-Montage, insbesondere, wenn es ins fremd-

sprachige Ausland geht? Kann ich mir dauerhaft die Kosten für einen 24- oder 48-

Stunden-Service aufladen? usw. Da Wachstum heute wesentlich durch den Export

erreicht wird, ist mit dem Markterfolg – organisationstheoretisch gesprochen – regel-

mäßig auch eine Komplexitätssteigerung verbunden, die bei permanenten Innovati-

onsanstrengungen, also auch unter dynamischen Bedingungen, bewältigt werden

muss. Auch dies verweist wieder auf eine entsprechende problemangemessene Un-

ternehmens- und Arbeitsorganisation. Die meisten Firmen (vor allem diejenigen mit

diskreter bzw. diversifizierter Fertigung) müssen wegen der schwankenden Nachfra-

ge ein geschicktes Flexibilitätsmanagement betreiben. Alle innovativen Arbeitszeit-

modelle und Organisationsstrukturen können aber einen zentralen Faktor nicht erset-

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zen, und zwar die Kooperationsbereitschaft der Belegschaft. Weil innovative Betriebe

einen hohen Mitarbeitereinsatz voraussetzen, lässt sich dieser auf Dauer nur errei-

chen, wenn die Belegschaft durch eine motivierende Lohn- und Leistungspolitik in

das Unternehmen und seine Ziele eingebunden wird.

2.7 Kooperationsformen

Wie oben schon erwähnt ist eines der probatesten Mittel, an innovatives Wissen zu

gelangen, das nicht im eigenen Unternehmen bereitgestellt werden kann, es sich auf

dem Wissenschaftsmarkt zu beschaffen. Kostengünstig und vom Staat erwünscht

und gefördert ist die Kooperation mit Einrichtungen des öffentlichen Wissenschafts-

systems, also Universitäten, Fachhochschulen, der Fraunhofer Gesellschaft etc.

Während die Universitäten allerdings zumindest im naturwissenschaftlichen Bereich

sich häufig auf die Grundlagenforschung kaprizieren, was nur ausnahmsweise An-

knüpfungspunkte für die mittelständischen Unternehmen erlaubt, sind Fachhoch-

schulen eher anwendungsnah orientiert und bieten häufig gute Kooperationsmög-

lichkeiten. Gegenüber den Universitäten wird zuweilen eine gewisse Distanz beklagt,

die aus der Schwierigkeit erwachse, dort geeignete Kooperationspartner zu finden.

Anders als die Fraunhofer Institute würden „die nicht von selbst auf einen zukom-

men“ (M1ST). Ein anderer Aspekt dieser Kritik ist die Intransparenz:

„Es ist nicht leicht, überhaupt den Zugang zu bekommen. Ich sage mal, die Institute und Universitäten arbeiten manchmal eher im Dunkeln oder getarnt und gehen auch nicht in die Industrie mit ihren Erkenntnissen. Sie haben es dann irgendwo abgelegt und wer nicht zufällig hinguckt, der er-fährt es auch nicht. Also ich denke, die Offenheit, die Kommunikation aus den Institutionen heraus ist aus meiner Sicht ziemlich schwach“ (MO3TH).

Es gibt aber auch ganz andere Erfahrungen, die offenbar sowohl mit dem Produkt

wie auch mit örtlichen Gegebenheiten, Personen und mit der Kontinuität solcher Ko-

operationen zusammenhängen. Ein Unternehmen aus dem Bereich der Metalltech-

nologie berichtet dazu:

„Wir kooperieren mit Fraunhofer und verschiedenen Universitäten. Also bei uns läuft das mittlerweile so, dass etwa die Uni Chemnitz, wenn sie ein entsprechendes Projekt bearbeiten will, auf uns zu kommt und dann wird entschieden, ob sich das lohnt. Und dann werden natürlich Verträge ge-macht; und das Projekt wird gemeinsam bearbeitet. Es geht teilweise na-türlich auch von uns aus. Die Zusammenarbeit ist im Laufe der Jahre so gut gewachsen, dass da von beiden Seiten Initiativen ausgehen. Das hat auch schon einen hohen Grad an Kontinuität erreicht; das sind feste Ver-

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bindungen, feste Ansprechpartner zwischen dem Unternehmen und den wissenschaftlichen Einrichtungen; man könnte auch von einem Netzwerk sprechen“ (M8SN).

Nach unseren Erhebungen sind die Fachhochschulen – auch wegen ihrer höheren

regionalen Distributionsdichte – die neben der Fraunhofer Gesellschaft wichtigsten

Kooperationspartner. Die Kontaktaufnahme wird von beiden Seiten betrieben und

reguliert sich auch hier nach Angebot und Nachfrage. Fachhochschulen sind an

Praktikumsplätzen für ihre Studenten interessiert, Betriebe an Problemlösungen für

Detailaufgaben. Die häufigste Kooperationsform besteht offenbar darin, einzelne be-

triebliche Problemfälle im Rahmen von (ingenieurwissenschaftlichen oder betriebs-

wirtschaftlichen) Examensarbeiten behandeln zu lassen. Aus solchen Kontakten

können sich dann intensivere Kooperationsformen ergeben, die auch über direkte

Forschungsaufträge an die Professoren und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter lau-

fen können. Forschungskooperation und Rekrutierung von Nachwuchs sind dabei

häufig eng verzahnt:

„Ein Austausch von Personal findet auch statt, das hat dann aber zumeist nichts mit dem konkreten Projekt mehr zu tun, aber über diese Projekte wird der Kontakt zu potentiellen Praktikanten, Diplomanden o.ä. herge-stellt. Das sind quasi Selbstläufer; wir werden durch die Kooperationen bekannt und die Leute bewerben sich dann bei uns. Wir selber gehen nicht gezielt auf die Suche“ (M7SN).

Das aus solchen Kooperationen gewonnene Nachwuchspersonal kann dann selbst

wieder eine Quelle von Innovationen werden:

„Wir haben eine junge Garde hier. Wir nehmen sehr, sehr gerne aus Fachhochschulen und auch Hochschulen junge Absolventen rein. Das ist uns sehr wichtig. Die dann im Vorfeld bei uns ein Praktikum machen und ein Diplom, wie z.B. der Herr S auch. Ich denke da kommt auch eine gan-ze Menge“(MO2TH).

Während die Praktikumskooperation nur den geringen Betrag eines bezahlten Prakti-

kums kostet, sind erweiterte Forschungsaufträge dann schon kostspieliger. Sie wer-

den aber von den befragten Unternehmen teilweise als außerordentlich ergiebig be-

zeichnet; wobei die verstärkte Nutzung häufig von den verfügbaren finanziellen Mit-

teln beschränkt wird.

„Ein Problem liegt darin, dass KMU weniger Kraft für Forschung haben, Fraunhofer und die Universität aber Projekte und Honorare erwarten, da-mit sie ihre Expertise zur Verfügung stellen. Wir würden gerne mehr For-schungsaufträge vergeben, wenn wir dies bezahlen könnten. Es gibt eine

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Reihe von ungelösten Problemen, die in der Praxis zwar bewältigt werden, aber eigentlich tiefgründiger untersucht werden müssten“ (M1ST).

Erkenntnisgewinne aus so genannten Verbundprojekten, wo Hochschul- und Tech-

nologietransfer-Einrichtungen mit Betrieben kooperieren, werden unterschiedlich be-

urteilt. Es gibt dabei sehr erfolgreiche, ergebnisorientierte Projekte neben solchen,

die auch schon mal als Flop bezeichnet werden. Hier hängt es sehr stark von der

Kompetenz der beteiligten Partner, aber ebenso sehr von der Bereitschaft der Unter-

nehmen ab, sich auf ein solches Vorhaben wirklich einzulassen. Solche Kooperati-

onsformen werden von den Unternehmen häufig genutzt. Ihre Bewertung divergiert:

„Es gibt ‚Main-Projekte’, in deren Rahmen wir sehr eng mit dem Fraunho-fer Institut in Chemnitz zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang gibt es auch Kooperationen mit VW in Chemnitz. Das findet immer im Rahmen von öffentlich geförderten Projekten statt, da gibt es eine sehr klar umris-sene Aufgabenstellung“ (M7SN).

„Die weg brechende Verbundforschung ist ruinös und das Schlimmste, was man machen kann. Die einzige Chance ist es, solche Zentren [i.e. das OptoNet, d.V.], wie es sie hier gibt, gezielt und kontrolliert zu fördern“ (MO2TH).

Gelegentlich wird das Desinteresse an solchen Kooperationen mit ‚schlechten Erfah-

rungen’ begründet. Die Strukturen der Universitäten und Institute seien „zu zäh“

(MO3TH). Wenn die innerbetriebliche Organisation dann noch ganz durchrationali-

siert ist, können u. U. auch Praktikanten nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden. „Ein

Student ist für industrielle Anforderungen zu langsam, wenn er das nebenbei macht“

(MO3TH). Manchmal spielen auch räumliche Entfernungen eine hinderliche Rolle:

„Mit Praktikanten oder Diplomanden von der Universität haben wir es pro-biert, ist aber auch sehr schwierig, da die meisten sich auch nicht sehr gut auskennen und wir auch ein bisschen weiter ab von der Universität liegen. Meist haben die Studenten auch nicht die richtige Flexibilität dafür, auch ein bisschen weiter fahren zu wollen“ (B1BB).

Das verschiedentlich schon angesprochene Problem der Geheimhaltung von innova-

tivem Wissen gegenüber Konkurrenten wird im direkten Austausch mit Firmen (z.B.

Teilelieferanten) durch sanktionierte Verträge für eine bestimmte Zeit (meist 3-5 Jah-

re) gesichert. Anders sieht die Gewährleistung dieses Schutzinteresses bei der Ko-

operation mit öffentlich geförderten Hochschulen aus. Da diese teils aus persönlichen

Karriereinteressen, teils aus der Verpflichtung öffentlich finanzierter Einrichtungen zur

Publizität ihrer Forschungsergebnisse, sich an Geheimhaltungswünsche beteiligter

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Unternehmen nur schwer halten können, ist die Bereitschaft zu einer so umfassen-

den Kooperation mitunter begrenzt. Sie wird offenkundig z. T. auch dadurch er-

schwert, dass die Hochschullehrer von Staat und Hochschulleitung verstärkt auf die

Eigenverwertung ihrer Forschung durch Patente verpflichtet werden, was mitunter

schwierige Abgrenzungsfragen aufwirft:

„Gemeinsame Patente bestehen mit der Universität auch nicht, da es schwieriger geworden ist, weil das Hochschulrahmengesetz sich verändert hat. Durch die Verwertungsagentur ist das schwieriger geworden, da die Verwertungsagenturen für Patente immer dann zuschlagen, wenn die Ar-beit schon gemacht worden ist. Es ist schwer, im Vorfeld zu klären, ob wir bestimmte Dinge machen können oder nicht, weil sie sich immer im Nach-hinein das Recht einbehalten wollen zu klären, ob es für die Uni verwert-bar ist oder nicht. Von daher ist das Risiko zu hoch, da viel Arbeit rein zu-stecken und im Nachhinein stellte sich dann heraus, die Uni will es doch selbst verwenden und der Hochschullehrer kann das gar nicht selbst ent-scheiden“ (B1BB).

Daher ist die häufigste Form der Kooperation mit Universitäten und Fachhochschulen

die der Inanspruchnahme von Labor- und Messdienstleistungen, Prüfung von Mate-

rialien, Geräten und Verfahren. Davon profitieren auch die Hochschulen, die dadurch

teilweise ihre instrumentelle Ausstattung verbessern können. Es ist aber offenkundig,

dass die Häufigkeit und Intensität der Kooperation mit den KMU über solche Dienst-

leistungen hinaus noch deutlich erhöht werden kann, zumal wenn man für die rechtli-

chen und die Publizitätsprobleme praktikable und für beide Seiten befriedigende Lö-

sungen findet.

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3 Innovationshandeln in Unternehmen und Personalentwicklung

Die folgenden Ausführungen befassen sich mit personalwirtschaftlichen Aspekten

von Innovationen. In einem ersten Schritt wird das organisatorische Umfeld der an

Innovationen beteiligten Akteure beleuchtet. Dabei wird gezeigt, dass Innovations-

prozesse in den häufig ressourcenknappen KMU meist abteilungsübergreifend orga-

nisiert werden. Im Mittelpunkt stehen dabei, neben den Akteuren aus Konstruktions-

und Entwicklungsabteilungen aufgrund der großen Bedeutung von Kundennähe auch

die Beschäftigten aus marktnahen Funktionsbereichen. Die flexiblen aber wenig for-

malisierten Organisationsformen innovativen Handelns stoßen bei wachsenden Be-

triebsgrößen und zunehmender Komplexität an Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

Im daran anschließenden Abschnitt wird das Augenmerk auf die Ingenieure als

Schlüsselgruppe für Innovationsprozesse gelenkt. Sie zeichnen sich durch eine bo-

denständige und pragmatische Haltung zu Neuerungen aus, durch technische Quali-

fikationen, die die gewünschte Marktnähe ermöglichen.

Danach wird gezeigt, dass die Betriebe, um das Kreativitätspotenzial ihrer Beschäf-

tigten auszuschöpfen, stark auf Partizipationsstrategien setzen. Dies gilt zuvorderst

für die Ingenieursbereiche, wo auf Professionsnormen aufbauende diskursive Strate-

gien der Problemlösung vorherrschen. Nicht wenige Betriebe mobilisieren mit ihren

Partizipationsangeboten darüber hinaus auch die Innovationspotenziale der gewerb-

lichen Bereiche.

Im vierten Abschnitt geht es um betriebliche Personalstrategien. Dabei wird deutlich,

dass innovative Betriebe personalpolitisch, nicht zuletzt bei der Rekrutierung junger

Fachkräfte, deutlich aktiver sind als nicht innovative Firmen. Gleichwohl besteht auch

bei den innovativen Firmen beträchtlicher personalpolitischer Handlungsbedarf.

Zum Abschluss wird ein Positivszenario skizziert, wobei aus dem Zusammenhang

von Humanressourcenentwicklung, Innovationen und wirtschaftlichem Erfolg eine

positive Dynamik entsteht. Damit sich diese Dynamik entfalten kann, ist eine gezielte,

an Humanressourcen orientierte Politik in Wirtschaft und Politik erforderlich.

3.1 Innovationsagenten sind abteilungsübergreifend am Werk

Der Forschungsstand zur organisatorischen Gestaltung von Innovationsaktivitäten in

Unternehmen lässt sich schlaglichtartig auf folgenden Grundnenner bringen:

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Innovationshandeln beschränkt sich nicht auf FuE-Abteilungen. In modernen Organi-

sationsformen durchlaufen Innovationen rekursive Schleifen, wobei die Akteure aus

unterschiedlichen betrieblichen Abteilungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten prob-

lembezogen in die Prozesse involviert werden (Braun-Thurmann 2005: 37, Takeu-

chi/Nonaka 1986).2 Oft sind Entwicklungsabteilungen auch nicht der Ausgangspunkt

für Neuerungen. Von den Werkstätten gehen etwa Impulse für Verbesserungen an

Verfahren und konstruktiven Eigenschaften von Produkten aus. Marktnahe Abteilun-

gen wie der Vertrieb geben Impulse für neue Produkte, indem sie Kundenanforde-

rungen nach verbesserten Problemlösungen in den Betrieb hineinbringen (Free-

man/Perez 1988: 45, Freeman 1995: 10 f.). Kooperationen von Produzenten und

Nutzern bei der Entwicklung, Erprobung und Optimierung von Lösungen verwischen

die Grenzen zwischen den innovierenden Unternehmen und ihrer marktlichen Um-

welt (Kowol/Krohn 1997: 41 ff., Rupp 1999, Thomke/von Hippel 2002).

Gerade für das Alltagsgeschäft der inkrementellen Innovationen sind marktseitige

Impulse für Neuerungen und gleichsam dezentralisierte Akteursstrukturen beim Inno-

vationshandeln von großer Bedeutung. Lediglich bei den selteneren radikalen Inno-

vationen, die stärker angebotseitig vom Betrieb ausgehen, spielt die Produktion und

Anwendung neuen Wissens in FuE-Abteilungen eine dominierende Rolle als Aus-

gangspunkt für die Neuerungen.

Diese Grundmerkmale der Organisation von Innovationsprozessen spiegeln sich mit

gesamtdeutschen und spezifisch ostdeutschen Einfärbungen auch in den Praktiken

der Betriebe des Untersuchungssamples wider. Was die gesamtdeutschen Einfär-

bungen angeht, so ist das hohe Gewicht inkrementeller Innovationsstile zu nennen.

In ostdeutschen wie in westdeutschen Industrieregionen haben Maschinenbau- und

Metallverarbeitungsbranchen mit einem darauf zugeschnittenen institutionellen Um-

feld an Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen eine Leitfunktion. Sie legen ihr

Schwergewicht auf inkrementelle Innovationen und die breite Diffusion neuen Wis-

sens und sind in ihren Organisationsstrukturen weniger auf die Bedingungen hoch

volatiler und risikoreicher Märkte für radikale Innovationen zugeschnitten (Casper

u.a. 1999, siehe auch Hirsch-Kreinsen 1997: 168).

Spezifisch ostdeutsche Faktoren sind zunächst einmal in Betriebsstrukturen zu veror-

ten, die sehr viel stärker als in Westdeutschland kleinbetrieblich geprägt sind. Dies

2 Dies stellt herkömmliche betriebswirtschaftliche Erfolgsmodelle von Innovationen mit klarem Anfang und Ende in Frage

(Entdeckung – Erfindung – Entwicklung – Verbreitung) (Braun-Thurmann 2005: 35 f.).

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bedeutet zum einen, dass die Ressourcen für Entwicklungsaktivitäten recht knapp

bemessen sind und zum anderen, dass die Finanzierungsbedingungen die Spiel-

räume für risikoreiche weiterreichende Innovationen stark einschränken. Auf einen

kurzen Nenner gebracht: Inkrementalistische Pfadtraditionen und Branchenstrukturen

plus Ressourcenknappheit schaffen in den innovativen ostdeutschen Industriebetrie-

ben Ausgangsbedingungen, die eine enge Ankopplung des Innovationshandelns an

Kundenbedürfnisse mit sich bringen und häufig auch zu recht klein dimensionierten

Entwicklungsbereichen führen. Gleichwohl kann gezeigt werden, dass trotz dieser

Ausgangsbedingungen eine beträchtliche Innovationsdynamik von den Akteuren

ausgeht: Das Innovationspersonal in den Betrieben führt bei weitem nicht bloß reak-

tive Anpassungen auf Kundenvorgaben durch, sondern entwickelt vielfach an-

spruchsvolle Problemlösungen für die Kunden und wagt sich auf dieser Grundlage

bis in Bereiche radikaler Innovationen vor.

Von den im Rahmen der Innovationsfallstudien untersuchten 29 innovativen Unter-

nehmen geben acht an, über keine Entwicklungsabteilung zu verfügen. Bei den an-

deren 20 Firmen sind die Entwicklungsbereiche häufig mit der Konstruktion unter ei-

nem Dach vereinigt. Für originäre Entwicklungsleistungen bleiben dabei häufig nur

geringe Zeit- und Personalkapazitäten. Zwar finden in den Betrieben kontinuierlich

und systematisch Entwicklungsaktivitäten statt, aber sie bilden nur einen Teilbereich

des Aufgabenspektrums von Ingenieuren. Insofern zeigen sich im Betriebssample die

für Ostdeutschland insgesamt im Vergleich mit Westdeutschland zu konstatierenden

Knappheiten an FuE-Personal im Verarbeitenden Gewerbe (NIW u.a. 2004: 9, Bell-

mann u.a. 2005: 39).

Darüber hinaus wird bei den Innovationsfallstudien deutlich, welche Wege die Unter-

nehmen gehen, um diese Engpässe zu bewältigen. Gut 70 % der Unternehmen (20)

organisieren Innovationen abteilungsübergreifend. Sofern vorhanden, kommt den

Entwicklungsbereichen zwar eine wichtige Funktion bei Innovationen zu. Darüber

hinaus werden aber auch andere betriebliche Bereiche und Akteure bedarfsbezogen

für Innovationen mobilisiert: Die marktnahen Bereiche, die Fertigungsbereiche, Quali-

tätssicherung, Controlling etc. Branchenbezogen handelt es sich dabei schwer-

punktmäßig um Firmen aus der Optik, dem Maschinenbau und anderen Firmen der

Metall- und Elektroindustrie.

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Bei fünf Unternehmen konzentrieren sich die Innovationstätigkeiten auf die Ge-

schäftsführungen. Hierbei handelt es sich um kleine Betriebe aus der Nahrungsmit-

telindustrie, Metallindustrie und Textilindustrie, wo verbesserte oder neue Produkte

mit einem geringen Aufwand entwickelt werden. Nur drei Firmen fokussieren ihre In-

novationsanstrengungen auf FuE-Abteilungen. Zu nennen sind in diesem Zusam-

menhang High-tech – Unternehmen aus der Biotechnologie, bei denen die FuE-

Bereiche einen großen Teil der Beschäftigten binden.

Im Folgenden soll vor allem anhand des Hauptfeldes der Firmen, die ihre Innovatio-

nen abteilungsübergreifend organisieren, deutlich gemacht werden, unter welchen

Konstellationen Entwicklungsaktivitäten stattfinden und mit welchem Problem- und

Selbstverständnis die innovierenden Akteure arbeiten. Aus der Not knapper Res-

sourcen wird die Tugend sehr flexibler, kunden- und marktnaher Innovationsprakti-

ken.

3.2 Aus der Not knappen FuE-Personals wird die Tugend flexibler, kundennaher

Innovationsmaßnahmen

Um anschaulich zu machen, wie die abteilungsübergreifende Ressourcenmobilisie-

rung in die Bahnen recht zielstrebiger Entwicklungsaktivitäten gelenkt wird, werden

zwei Betriebsbeispiele beleuchtet. Im ersten Fall haben wir es mit einem Elektromo-

torenhersteller zu tun, dessen Geschäftsführer die Aktivitäten im Bereich Innovation

so ‚tief hängt’, dass er nur zögerlich bereit ist, den Begriff ‚Innovation’ für die betrieb-

lichen Praktiken in Anspruch zu nehmen. Das Unternehmen ist gerade in den letzten

Jahren auf internationalen Märkten mit seinen kundenspezifischen Problemlösungen

sehr erfolgreich und hat 180 Beschäftigte.

Die Produktveränderungen werden im Kern von Elektronikberechnern und Konstruk-

teuren durchgeführt. Eine eigenständige FuE-Abteilung gibt es nicht. Bei den E-

lektronikberechnern und Konstrukteuren handelt es sich um sehr erfahrene Mitarbei-

ter, die mit der Aufgabe, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen, beauftragt sind.

Eine große Rolle spielt dabei eine monatlich durchgeführte FuE-Beratung, die der

Ablaufkontrolle und der Projektdefinition dient. Die Ingenieure aus den beiden ge-

nannten Bereichen tragen dort ihre Gedanken vor. Auf dieser Grundlage werden

dann unter der Verantwortung des Leiters des technischen Bereichs Prioritäten für

die Entwicklungsprojekte an Maschinenbaureihen gesetzt (Bsp. neue Belüftungen,

kleinere Achsen). Die Ingenieure sind aber nicht nur mit Entwicklungsarbeiten be-

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traut, sondern zugleich und sogar deutlich mehr noch im operativen Geschäft tätig.

Der Geschäftsführer veranschlagte den Arbeitszeitanteil für Entwicklungsarbeiten mit

lediglich 20 %. Der Anteil der Ingenieure im Unternehmen (Konstruktion und Elektro-

berechnung) liegt bei ca. 7 %. Sie verfügen überwiegend über einen Universitätsab-

schluss.

Neben den Beschäftigten aus den Bereichen Konstruktion und Elektroberechnung

spielen die Techniker aus der Fertigung aufgrund der (auch finanziellen) Bedeutung

von dort durchgeführten Verfahrensänderungen eine Rolle als ‚Innovationsarbeiter’.

Eine enge Abstimmung zwischen Konstruktion und Fertigung ist erforderlich, um et-

wa die Herstellung kleinerer Motoren fertigungstechnisch zu ermöglichen.

Auch der Vertrieb hat eine hohe Bedeutung für Innovationen: Sie pflegen die Kun-

denkontakte und sind auch auf Messen präsent. Gesprächspartner aus der Konstruk-

tion verweisen auf die große Bedeutung des Vertriebs als Scharnier zwischen den

Kunden mit ihren Bedürfnissen und den mit Entwicklungsaufgaben betrauten betrieb-

lichen Bereichen. Die Aufgabe der Vertriebsingenieure liegt neben der Kunden-

betreuung auch darin, die Konkurrenz zu beobachten und durch Marktbeobachtung

zu eruieren, „was zukunftsträchtig ist“. Ihr Anteil am Personal liegt bei 5 % (ca. neun

Personen).

Es sind aber nicht nur Firmen mit ausgeprägt inkrementellen Innovationsstrategien,

deren Personalbestand im Entwicklungsbereich knapp ist. Selbst in einigen Betrie-

ben mit offensiven Innovationsstrategien sind nur wenige Personen ausschließlich

mit Entwicklung beschäftigt. Ein gut 80 Personen starkes Unternehmen aus der Prä-

zisionsoptik (POG), das nicht nur mit inkrementellen sondern auch mit radikalen In-

novationen auf internationalen Märkten präsent ist, beschäftigt nur wenig Personal

kontinuierlich mit Entwicklungsaufgaben. Projektbezogen wird flexibel in einer Art

Matrixorganisation zusätzliches Personal für Innovationsaktivitäten rekrutiert.

Im Unternehmen gibt es nur eine kleine Abteilung von drei Personen, die sich aus-

schließlich mit FuE beschäftigt: Hinzu kommen noch weitere Personen, die partiell

und bedarfsbezogen Entwicklungsaufgaben leisten. Der befragte Geschäftsführer

kalkulierte den Arbeitsaufwand für Entwicklungsaktivitäten auf insgesamt sechs bis

sieben Vollbeschäftigungseinheiten. Insofern beträgt der Anteil der Entwicklung an

der Gesamtbeschäftigung etwa 8 %. Das ist nicht viel für ein Unternehmen, das sich

in Regionen der High-tech – Produktion bewegt.

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Die mit Entwicklungsaktivitäten betrauten Beschäftigten, also die ‚Innovationsarbeiter’

finden sich abteilungsbezogen in der Konstruktion, der Arbeitsvorbereitung, zum Teil

auch in den Fertigungsbereichen und schließlich in der Qualitätssicherung. Der Ge-

schäftsführer verwies in diesem Zusammenhang auf die Praxis in vielen Unterneh-

men, Arbeitsgruppen für Entwicklungsmaßnahmen zu bilden, und dem eigentlichen

Entwicklungsbereich temporär projektbezogen Mitarbeiter zuzuordnen. Die marktsei-

tigen Funktionen der Anbahnung und Pflege der Geschäftskontakte werden von der

Geschäftsführung wahrgenommen. Auf der operativen Ebene der Projektdurchfüh-

rung halten aber die Ingenieure selbständig enge Kontakte zu den Kunden.

Die unter den Bedingungen von Personalressourcenknappheit praktizierten ‚flüssi-

gen’ Organisationsstrukturen von Innovationsprozessen ermöglichen eine beträchtli-

che Flexibilität und auch Kundennähe bei Innovationsaktivitäten. Die Gefahr, am

Markt vorbei zu agieren, oder auch ein überkomplexes, störanfälliges „Over-

engineering“ zu betreiben, wird dadurch vermindert.

Als Spezifikum der erfolgreich verlaufenen Reorganisationsgeschichte der Betriebe

nach der Wende kommt folgendes Positivum hinzu: Die abteilungsübergreifenden

Verschränkungen von Innovationsaktivitäten sind ebenso Folge wie auch Vorausset-

zung dichter Kommunikationsbeziehungen zwischen den beteiligten Akteuren. Die

Unternehmen weisen ein hohes Maß an personeller Kontinuität auf. Über die flachen

Hierarchien und die Abteilungsgrenzen hinweg funktioniert gerade in den kleineren

Betrieben vieles auf Zuruf. Dies erleichtert es, unbürokratisch und problembezogen

die unterschiedlichen Abteilungen kooperativ ins Innovationsgeschehen einzubezie-

hen.

Gleichwohl wirft die Personalknappheit im Bereich der Entwicklung Probleme auf.

Weiter reichende Innovationen werden durch knappe Kapazitäten erschwert. Das

Personal in Konstruktionsabteilungen ist, worauf etwa ein Ingenieur aus einem Tex-

tilmaschinenbaubetrieb hinwies, oft durch das Alltagsgeschäft so eingebunden, dass

nur wenig Freiraum für die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen bleibt. Knappe

Zeitressourcen setzen den Akteuren auch Grenzen bei der Wahrnehmung der rele-

vanten Umwelt. Die Auseinandersetzung mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnis-

sen, die Suche nach Kooperationspartnern für Innovationen oder auch Netzwerkakti-

vitäten, können zu kurz kommen, wenn das operative Geschäft die Arbeitskapazitä-

ten der Innovationsagenten aufzehrt. Als Kronzeuge hierfür kann erneut der Ge-

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schäftsführer des Präzisionsoptikherstellers herangezogen werden. Er weist auf die

Schwierigkeit hin, mit knappen Ressourcen auf dem neuesten Stand der Entwicklung

zu bleiben.

„Als kleines Unternehmen ist man immer auf der Gratwanderung, um nicht rea-gieren zu müssen auf neue Anforderungen, sondern um in der Mikrostrukturie-rung z.B. an der Spitze zu sein. (...) Da muss man mit einer Reihe von Einrich-tungen zusammenarbeiten. Aber das übersteigt dann häufig die Kapazität. Des-halb sind ja nicht nur die Mitarbeiter der Arbeitsvorbereitung (in das Entwick-lungsgeschehen eingebunden, d. V.), sondern ich habe den Abteilungsleiter Mikrostrukturierung genannt, der im Entwicklungsbereich von Zeiss tätig war. Der macht dann eben über Monate ein Drittel seiner Arbeitszeit mit der TU Dresden gemeinsame Projekte. Deshalb ist das sehr praxisbezogen bei uns“ (MO1TH).

Nicht alle Unternehmen unseres Samples verfügen nur über knappe FuE-

Ressourcen. Ungefähr ein Fünftel der untersuchten Betriebe betreiben ihre Innovati-

onen mit einem hohen Aufwand an Personal und Geld. So liegen bei einigen Bio-

technologieunternehmen aber auch bei FuE-intensiven Metallfirmen aus Optik, Fahr-

zeugbau und Elektrotechnik die Anteile von akademisch qualifiziertem, technisch-

naturwissenschaftlichem Personal bei über einem Viertel der Beschäftigtenzahl. Und

es werden hohe Aufwendungen für Entwicklung getätigt – bemessen am Umsatz z.

B. 50 %. Auch bei diesen Firmen beschränken sich innovative Aktivitäten nicht auf

den Kern von Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen. Auch dort sind die ande-

ren Abteilungen mit Ideen, Vorschlägen und auch Projektarbeiten an den Neuerun-

gen beteiligt.

In solchen Unternehmen muss zwar nicht in dem Maße wie in den mit FuE-

Ressourcen knapper ausgestatteten Firmen Personal und Zeit für komplexere Inno-

vationsaktivitäten dem Alltagsgeschäft gleichsam abgetrotzt werden. Die Anforde-

rungen nach Marktpräsenz und Kundennähe führen jedoch auch dort dazu, dass

dem Personal in marktseitigen Funktionsbereichen ein hoher Stellenwert als Impuls-

geber für Innovationen zukommt. Ebenso gilt, dass durch formalisierte Formen der

Projektorganisation, durch Vorschlagswesen oder beispielsweise auch in der locke-

ren Form von Stammtischen, die im gesamten Betrieb vorhandenen fachlichen und

kreativen Kompetenzen für Innovationen erschlossen werden sollen.

Beispielhaft hierfür steht ein 180 Beschäftigte zählender Hersteller von mobilen

Kommunikationsanlagen, dessen FuE-Abteilung immerhin 50 Personen stark ist.

Zum Bestreben des Unternehmens, alle Beschäftigte in Innovationsprozesse einzu-

binden, führt der Geschäftsführer folgendes aus:

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„Letztendlich geht es um kreative Prozesse der Mitarbeiter. Da passiert es durchaus, dass Ideen aus der Produktionsabteilung in Neuentwicklungen oder auch in Verfahrensabläufe einfließen (...) Wir halten jeden Mitarbeiter und jede Information für potentiell wertvoll. Z. B. sind wir derzeit dabei, ei-ne Art Stammtisch einzurichten, also eine von der Firma zur Verfügung gestellte Möglichkeit, in informellem Rahmen Ideen auszutauschen oder über zukünftige Projekte zu sprechen. Diese Runde soll für alle Mitarbeiter offen sein“ (MO5BB).

Die auf Organisationsaufbau und -abläufe bezogenen Konturen des Innovationsge-

schehens lassen sich auf folgenden Nenner bringen: Sowohl bei Unternehmen mit

knappen und funktional wenig ausdifferenzierten FuE-Ressourcen als auch bei den

Unternehmen mit stark ausgeprägten Entwicklungsfunktionen kommt dem Zusam-

menspiel von marktseitigen Funktionsbereichen mit dem Entwicklungs- und Kon-

struktionsbereich eine zentrale Funktion zu. Sie stellen den Kernbereich der Innova-

tionsaktivitäten. Problembezogen und abhängig von betriebsinternen Kernkompeten-

zen werden die anderen Abteilungen wie die Qualitätssicherung, der Service und vor

allem die Fertigungsbereiche in das Innovationshandeln eingebunden. Allerdings ist

die Innovationsbeteiligung in den Betrieben, was die Berufsgruppen angeht, meist

abgestuft: Im Mittelpunkt steht das in den Abteilungen vorhandene Reservoir an in-

genieurtechnisch qualifiziertem Personal. Zusätzlich und je nach Spezifika der Prob-

lemlösungsprozesse sowie auch abhängig von mehr oder weniger partizipativen Fir-

menphilosophien werden gewerbliche Fachkräfte sowie schließlich kaufmännisches

Personal einbezogen.

Die breiten und flexiblen Zugriffsmöglichkeiten der Betriebe auf die kreativen Poten-

ziale der Beschäftigten unterschiedlicher Abteilungen stellen ganz gewiss eine Stär-

ke der meisten untersuchten Betriebe dar. Im Hinblick auf Organisation und Abläufe

von Innovationsprozessen zeigen sich aber Problemfelder.

Befunde des Mannheimer Innovationspanels weisen auf im Vergleich zu westdeut-

schen Unternehmen nur geringe Kostensenkungseffekte bei Verfahrensinnovationen

im ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbe hin (Rammer u. a. 2005: 13 ff., NIW u. a.

2004). Geringe Betriebsgrößen und damit einhergehende geringere Rationalisie-

rungspotenziale sind hierfür ein Grund. Hinzu kommen aber weitere Faktoren: Die

Prioritätensetzung der Firmen auf Produktinnovationen und Produktqualität kann

Strategien der kostenorientierten Ablaufoptimierung in den Hintergrund drängen.

Dichte, wenig formalisierte Sozialbeziehungen innerhalb und zwischen den Abteilun-

gen schaffen gute Voraussetzungen für flexibles und kundenorientiertes Handeln der

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Akteure, begünstigen jedoch nicht unbedingt systematische Strategien zur effizienten

Gestaltung von Prozessen und Abläufen.

Eine Gefahr besteht gerade für wachsende Unternehmen: Wenn die Betriebsgrö-

ßenentwicklung, die Komplexität von Produktion und Produktspektrum eine kritische

Schwelle überschreiten, stoßen die gering formalisierten Sozialbeziehungen an ihre

Grenzen. Die Komplexität überbeansprucht die gewachsenen Kommunikationsbe-

ziehungen. Abstimmungen zwischen den Abteilungen und die Gestaltung der Abläu-

fe können mit den herkömmlichen Strukturen nicht mehr effizient genug bewältigt

werden. Dies wird beispielsweise dadurch sichtbar, dass die Abstimmung und der

Austausch zwischen den Abteilungen nicht mehr so gut gelingen und sich Grenzzie-

hungen zwischen den Bereichen etablieren, die die Effizienz von Abläufen mindern.

Dies kann insbesondere bei den Unternehmen zum Problem werden, die darauf an-

gewiesen sind, mit aufwändig entwickelten hoch innovativen Produkten Spitzenposi-

tionen auf dem Markt zu erzielen.

Im Falle des Medizintechnikherstellers werden die aufwändigen Entwicklungsaktivitä-

ten unter Leitung der Geschäftsführung systematisch und längerfristig geplant und

neuerdings in einer Matrixorganisation durchgeführt. Die Einführung der Matrixorga-

nisation auf dem Gebiet der Entwicklung ist eine Antwort auf Koordinationsprobleme

zwischen den Bereichen. Durch die Bildung kleiner Teams mit klaren Verantwortlich-

keiten sollen die Abläufe von Innovationsprozessen gestrafft und effizienter gesteuert

werden. Bei einem Maschinenbauhersteller dagegen hat man bislang offenbar noch

kein so richtig wirksames Mittel gegen zu schleppende Innovationsprozesse gefun-

den. Jedenfalls beklagte ein Entwicklungsingenieur, dass im Vergleich zur Konkur-

renz die Entwicklungszeiten zu lang seien. Er führte dies auf Kommunikationsprob-

leme zwischen den Bereichen zurück und monierte, gefragt nach dem Anteil der In-

novationsagenten im Unternehmen, dass es zu wenig „aktive Mitzieher“ gebe. In den

anderen Betrieben waren solche kritischen Töne zum Innovationsgeschehen nicht zu

hören.

Zwei Faktoren dürften im Wesentlichen dafür Ausschlag gebend sein: In den kleine-

ren und direkt kundenorientiert innovierenden Unternehmen des Samples reichen

kurze Wege und die direkte Kommunikation zwischen den Akteuren vielfach noch

aus, um die Innovationsprozesse aus Sicht der Beteiligten zufrieden stellend zu

steuern. Beim Elektromotorenhersteller beschränkt man sich weitgehend und nicht

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ohne Erfolg auf im Monatsrhythmus stattfindende Entwicklungsgespräche, bei denen

unter Leitung der Geschäftsführung Innovationsmaßnahmen festgelegt werden.

Eine große Relevanz für die erfolgreiche Gestaltung von Entwicklungsprozessen hat

aber auch, wie die Gespräche mit Geschäftsführern und Ingenieuren deutlich mach-

ten, die Mobilisierbarkeit der Beschäftigten für Innovationen. Charismatische Elemen-

te in den Führungsstilen zum einen und enge Bindungen der Beschäftigten an den

Betrieb zum anderen können in den meisten Betrieben immer noch ein hohes Enga-

gement erzeugen, das extern bedingte, wie auch hausgemachte Organisationsprob-

leme kompensiert.

3.3 Das Innovationspersonal: Zentrale Bedeutung von Ingenieuren aus den be-

trieblichen Abteilungen

Das im Zentrum des Innovationsgeschehens stehende naturwissenschaftlich-

technische Fachpersonal findet sich nicht nur in den Konstruktions- und Entwick-

lungsbereichen, sondern besetzt meist auch Schlüsselpositionen in kunden- und

marktnahen Funktionsbereichen wie im Vertrieb. Eine große Bedeutung als Innovati-

onsagenten können, wie das Beispiel des Präzisionsoptikherstellers zeigte, auch In-

genieure haben, die in Fertigungsbereichen Führungsfunktionen einnehmen.

Schließlich sind auch die Managementpositionen häufig mit naturwissenschaftlich-

technisch qualifiziertem Personal besetzt. Dies spielt gerade bei wenig entwicklungs-

intensiven Branchen wie der Nahrungsmittelindustrie eine Rolle. Innovation als Füh-

rungsaufgabe heißt dort, dass Manager mit technisch-naturwissenschaftlicher Quali-

fikation die beachtlichen Innovationsanstrengungen wesentlich in die Hand nehmen.

Schaut man auf unsere Daten zu den Beschäftigtenstrukturen dann ergibt sich, dass

der Anteil von technischen Angestellten – die meist über einen Ingenieurabschluss

verfügen – in innovierenden Betrieben (Produkt und Verfahren) deutlich höher ist als

in nicht innovierenden Betrieben. Auch der Anteil des kaufmännischen Personals ist

in innovativen Betrieben höher als in nicht innovierenden Unternehmen. Gleichwohl

dominieren in den innovativen Firmen die technischen Angestellten zahlenmäßig

deutlich gegenüber ihren kaufmännischen Kollegen. Dies deutet darauf hin, dass die

kaufmännischen Angestellten in ihrem Aufgabenspektrum überwiegend auf einen

knapp bemessenen Komplex an Funktionen bei der Organisation und Abwicklung

der Geschäftsvorgänge festgelegt sind. Wesentliche Aspekte des Handelns am

Markt müssen somit vom Ingenieurpersonal wahrgenommen werden (vgl. Abb. 1).

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Abb. 1: Durchschnittliche Beschäftigtenanteile nach innovativen und wenig innovativen Unternehmen

(Angaben in %, N=421)

54

1612

18

69

8 914

Facharbeiter An- / Ungelernte Verwaltung technischeAngestellte

Innovationen finden stattkeine Innovation

Quelle: Fachkräfte-Studie Wirtschaftsregion Chemnitz-Zwickau, 2005

In der Tat ergibt der Blick in unsere Betriebsfallstudien, dass die Herstellung von

Marktnähe, die Marktgestaltung mit ihren kaufmännisch-kalkulativen Rationalitäten

sowie auch die Kommunikation mit den Kunden zu einem großen Teil in den Händen

der Ingenieure liegt. Dabei zeigt sich, dass die technischen und kaufmännischen Ra-

tionalitäten durchaus nicht immer klar den jeweiligen Bereichen zugeordnet sind.

Bei einem Hersteller von Textilmaschinen kam es zu einem Konflikt zwischen dem

Verkauf und der Entwicklung. Während der Verkauf auf einem Vertragsabschluss mit

einem Kunden, allein um Umsatz zu erzielen, bestand, wehrte sich die Entwicklungs-

abteilung dagegen. Aus ihrer Sicht stand bei den verhandelten Vertragskonstellatio-

nen der Kostenaufwand für den Betrieb in keinem ‚ausgewogenen’ Verhältnis zum

erzielbaren Umsatz.

Hieran zeigt sich beispielhaft, wie stark Kostenkalküle selbst in den traditionellen

Bastionen der Ingenieursarbeit ostdeutscher Betriebe wirksam geworden sind.

Dies ist ein bemerkenswerter Befund, wenn man die empirischen Forschungsergeb-

nisse aus der Mitte der 90er Jahre über die Reorganisation ostdeutscher Industriebe-

triebe damit vergleicht. Vor dem Hintergrund der damaligen Dominanz ingenieur- und

naturwissenschaftlich qualifizierter Führungskräfte (ca. 80 % des Leitungspersonals

der ersten und zweiten Leitungsebene; zum Vergleich: In den westdeutschen Firmen

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betrug deren Anteil nur ca. 50 %), denen allgemein eine technikzentrierte Denkweise

attestiert wird, sei es nicht erstaunlich, wenn die Betriebe ihre Erneuerung zunächst

über die Exzellenz des Produkts und zwar oft unabhängig von seiner Marktfähigkeit

anstrebten (Pohlmann/Gergs 1996: 87, Gerlach u.a. 1998: 117 ff, Gergs 2002). In-

zwischen haben aber auch in Ostdeutschland die Marktzwänge zu einer stärkeren

Anpassung an die Kundenbedürfnisse und zu einem offensiven Marktbezug geführt,

den auch die Ingenieure in den erfolgreichen und innovativen Betrieben überzeugt

vertreten.

Das Hauptfeld der von uns untersuchten Unternehmen, die ‚kundennahen Problem-

löser’, arbeiteten sich nicht zuletzt unter Rückgriff auf ihr technisch-

naturwissenschaftlich hoch qualifiziertes Personal gleichsam in die Märkte hinein.

Dabei wurden ein profundes Wissen und ein ausgeprägtes Gespür für die Bedürfnis-

se und Belange von Abnehmern aufgebaut.

Typisierend kann man das Vorgehen vor allem der Ingenieure aus Entwicklung und

marktseitigen Funktionen als Schrittfolge darstellen, die mit einem Zuwachs der Be-

triebe an Marktsouveränität einhergegangen ist:

Große Schwierigkeiten, sich als Newcomer einen Marktzugang zu verschaffen,

markierten die Rahmenbedingungen für das Handeln der betrieblichen Akteure

kurz nach der Wende. Die Abhängigkeit von wenigen Erstkunden erzwang von

den Ingenieuren eine große Bereitschaft, sich auf deren Belange einzustellen. Im

Falle eines Medizintechnikherstellers verschafften sich die Ingenieure Einblicke

ins Metier, indem sie sich ein Viertel Jahr in Krankenhäusern bewegten, um sich

direkt vor Ort mit Kundenanforderungen vertraut zu machen. Gerade die erfolg-

reichen Firmen begannen schon mit ihren Innovationsanstrengungen.

Der zweite Schritt – in der Regel ab Mitte der 90er Jahre – wird durch eine Erwei-

terung des Handlungsradius der Firmen auf den Märkten, nicht zuletzt mit Hilfe

von innovativen Problemlösungen, markiert. Mit dem guten Ruf, hohe Qualität bei

fairen Preisen zu liefern, kann die Basis von Stammkunden gesichert und ausge-

baut werden. Dies geht einher mit der Erweiterung von Kenntnissen und Hand-

lungsfähigkeit im Umgang mit Kundenbedürfnissen. Erfahrungen, die die Ingeni-

eure bei der Auftragsarbeit für einen Kunden gemacht haben, können für innova-

tive Problemlösungen bei anderen Kunden genutzt werden. So nutzt zum Beispiel

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der Elektromotorenhersteller die Kenntnisse aus einer Auftragsfertigung für einen

Windkrafthersteller für innovative Lösung in seinem eigentlichen Produktfeld.

Der dritte Schritt wird gegenwärtig zumindest von einem Teil der untersuchten

innovativen Firmen gegangen. Er fußt auf einem breiten Fundus von Erfahrungen

der Akteure mit kundenspezifischen Problemlösungen und umfassenden Markt-

beobachtungen, die verallgemeinerungsfähiges Wissen generieren, welches wie-

derum in radikale Innovationen für den anonymen Markt fließen kann. Am ehes-

ten ist dies den Firmen möglich, die über ein personell breiteres Fundament an

Ingenieuren verfügen, die für hoch anspruchsvolle, komplexe – und oft auch risi-

koreiche – Entwicklungsprojekte eingesetzt werden können.

Diese Darstellung der Schrittfolge ist in seiner zeitlichen Abfolge etwas schematisiert.

Einerseits gibt es Firmen, die als Frühstarter schon wenige Jahre nach der Wende

umfassende Marktrecherchen betrieben und sich schnell eine beträchtliche Hand-

lungsautonomie auf den für die Produktpalette einschlägigen Spezialmärkten ver-

schafften. Andererseits gibt es Firmen, die durchaus nicht ohne Erfolg als kunden-

spezifische Problemlöser in eher begrenzten Marktbereichen operieren. Immerhin

kann aber generalisierend festgestellt werden, dass sich die betrieblichen Akteure mit

den qualifizierten Ingenieuren an vorderster Front in den Jahren seit der Wende mit

anspruchsvollen und innovativen Leistungen eine hohe Kompetenz und Handlungs-

freiheit auf den Absatzmärkten aneignen konnten.

3.3.1 Bodenständigkeit, Pragmatismus, sich an Neues zu wagen – Zum Innovati-onsstil der Ingenieure

Im Rahmen des Projektes wurden in sechs Unternehmen ausführliche Interviews mit

Ingenieuren zum Themenfeld Innovation geführt, die in Entwicklungs- und Konstruk-

tionsabteilungen sowie auch in marktnahen Bereichen wie Vertrieb beschäftigt sind.

Das Spektrum der Betriebe reichte dabei von kundenspezifischen Problemlösern mit

eher inkrementellen Innovationen bis hin zu Unternehmen, die in beträchtlichem Ma-

ße mit radikalen Innovationen auf anonyme Märkte vorgestoßen sind.

Eines hatten die befragten Ingenieure gemeinsam, einen sehr bodenständigen und

pragmatischen Habitus, der sich aus den Erfahrungen in den Unternehmen speiste,

unter schwierigen Bedingungen auf den Märkten Fuß gefasst zu haben. Eine Aus-

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richtung auf den Kundenbedarf hat selbst bei radikalen Innovatoren Priorität. So be-

tonte ein Ingenieur aus einem Optikunternehmen, das einen Innovationssprung auf

dem Gebiet der Farbsensoren vollbringen konnte:

„Was wir hier tun ist die tagtägliche Umsetzung: Einmal aus Richtung FuE in die Firma rein, um dann wieder aus Kundensicht die Ideen in Produkte umsetzen zu können“ (MO2TH).

In keinem Unternehmen präsentierten sich die befragten Ingenieure als die ‚Macher’

radikaler technischer Neuerungen. Vielmehr nahmen sie die Fokussierung der Pro-

jektfragestellungen auf Innovationen zum Anlass, allzu hoch fliegende Erwartungen

an die Reichweite und Durchsetzbarkeit von Innovationen zu relativieren.

Zwei Argumentationsstränge waren dabei entscheidend: Zunächst sehen sich die

Befragten verwurzelt in den technisch-wissenschaftlichen und fachlichen Traditionen

ihrer Branche. Das Grundverständnis über Innovationen ist geprägt von einem evolu-

tionären Charakter von Neuerungen. Auf Grundlage der Eigenschaften und Leis-

tungsmerkmale, die Maschinen und Gerätschaften aufweisen müssen, um ihre Funk-

tionen zu erfüllen, ist der Spielraum für umfassende Neuerungen begrenzt. Man be-

wegt sich bei den verschiedenen Produktgenerationen in den Bahnen technischer

Vorgänger. Und man tut dies mit Respekt. So brachte einer der befragten Ingenieure

aus dem Medizintechnikunternehmen mehrfach den Begriff „Andacht“ ins Gespräch,

die man gegenüber dem herkömmlichen Stand der Technik und den darin stecken-

den Entwicklungsleistungen haben müsse.

Das zweite Argument für vorsichtige und in ihrem Risiko streng kalkulierte Innovatio-

nen rekurriert auf die am Markt und mit den Kunden gemachten Erfahrungen. Die

Abnehmer sind, so betonen die befragten Ingenieure, nicht per se auf innovative

Produkte aus, sondern wollen leistungsfähige, ‚problemarm’ einsetzbare und zuver-

lässig funktionierende Erzeugnisse bekommen. Innovationen können vor allem die

beiden letztgenannten Faktoren nicht außer acht lassen. Ob es sich nun um einen

Operationstisch oder um eine Werkzeugmaschine handelt, die Abnehmer müssen

sich ohne große Umstellungsschwierigkeiten mit den Erzeugnissen vertraut machen

und diese in ihre Abläufe integrieren können. Stillstandszeiten aufgrund von Bedie-

nungsschwierigkeiten oder Störanfälligkeit können sie sich nicht leisten. Vor diesem

Hintergrund kamen die Gesprächspartner auf eine bei den Kunden verbreitete Risi-

koaversion zu sprechen. Ein Ingenieur aus einem Werkzeugmaschinenbaubetrieb

sagte:

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„Nicht immer ist Innovation für den Markt das Positive. Der Markt honoriert Innovationen als solche überhaupt nicht. (....) Sie müssen sich ja einfach halten, wenn Sie Maschinen verkaufen wollen. Da können Sie nicht mit ei-nem neuen Teil kommen und sagen, wir sind die Größten“ (M2TH).

Der vorsichtige, eng am Kunden orientierte Innovationsstil bedeutet aber nicht, dass

man defensiv gegenüber den Kunden auftritt. Vielmehr dient die Kundenorientierung

als Sprungbrett für die Eroberung von Terrain. Aufgrund des reichen Erfahrungs-

schatzes der Ingenieure in der Kooperation mit Kunden, sind sie in der Lage, ihre

Abnehmer von neuen, innovativen Lösungen des Betriebs zu überzeugen. Um noch

einmal den Ingenieur aus dem Werkzeugmaschinenunternehmen zu Wort kommen

zu lassen:

„Sie müssen (die Neuerungen d. V.) mit irgendetwas unterlegen, müssen sagen, da kennen wir uns aus. Und das machen Sie eigentlich im Ge-spräch mit den Kunden, wo Sie sagen, das geht, das geht nicht. Er muss Vertrauen gewinnen. Denn manchmal ist der billigste Preis nicht unbedingt das, was zum Auftrag führt, sondern das Vertrauen, dass der Kunde sagt, die können das. Das können wir kaufen“ (M2TH).

Durch die bei der Kundenkooperation mit entsprechenden Referenzen erworbene

Reputation erobern sich die Unternehmen Spielräume, die durch eine Niedrigpreispo-

litik allein nicht auszuschöpfen wären. Nicht selten werden die Unternehmen auf-

grund des entstandenen Vertrauens in deren Kompetenz und Zuverlässigkeit von

ihren Kunden auch dazu aufgefordert, neue Problemlösungen zu entwickeln.

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Abb. 2: Innovationen in KMU

Innovationen in KMU: Marktbeziehungen, Kooperationsmuster

und externe Unterstützung

Kompetenzzentren Hightech

Entwicklung

Strategische Firmennetzwerke Markterschließung /Anwendungsorientierte FuE (Diffusion und Applikation)

Externe Partner Unterstützer

Radikale InnovationAutonomiegewinnProblemlösungAnpassungInnovationstyp

offensivaktivpassivInnovationsprozess

hochhöhermittelgeringAutonomiegrad

Kunde als Innovationsnutzer

„Innovationsrendite“

Kunde als Partner im Innovationsprozess

Kunde als Kooperationspartner

KundenvorgabenKundenbeziehungen

Externe Forschungsinfrastr

ukturNetzwerkeKundenkooperationMarkteinbindung

Das Selbstvertrauen, neue Anforderungen erfolgreich bewältigen zu können, bringt,

wie der Geschäftsführer des Elektromotorenherstellers berichtete, die Firmen dazu,

sich auch Aufgaben zu stellen, für die man zum Zeitpunkt der Auftragserstellung

noch keine fertigen Lösungen hat. Man ist bestrebt, unter Nutzung der vorhandenen,

von den Geschäftspartnern geschätzten Kompetenzen, die Geschäftstätigkeit des

eigenen Unternehmens in neue Bereiche auszudehnen.

Der vorsichtige und zugleich offensive Innovationsstil verlangt von den Ingenieuren

weit mehr als nur technisch-ingenieurwissenschaftliche Qualifikationen. Um sich auf

den hart umkämpften Märkten, worauf die Gesprächspartner stets hinweisen, be-

haupten zu können, brauchen sie ein gutes Gespür für die Belange und Bedürfnisse

der Geschäftspartner.3 Konkret bezogen auf die marktnahen Tätigkeiten der Ingeni-

eure bedeutet dies, dass man eine gute Kenntnis über die Bedürfnisse und betriebli-

3 „Die Konkurrenz zwingt den Bewerber, der einen Mitbewerber neben sich hat; ... dem Umworbenen entgegen und näher zu

kommen. Sich ihm zu verbinden, seine Schwächen und Stärken zu erkunden, sich ihm anzupassen (Georg Simmel: zit. nach Hirschman 1993: 207).

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chen Charakteristika der Kunden benötigt, das in die Kommunikations- und Koopera-

tionsprozesse einfließt. Beratungskompetenzen und Überzeugungskraft gehören e-

benfalls zum Verhaltensrepertoire. Dass all diese Kompetenzen bei den Geschäfts-

partnern greifen, setzt wiederum gute Erfahrungen mit der Problemlösungskompe-

tenz und Servicequalität der Firmen oder auch gute Referenzen voraus. Um länger-

fristig erfolgreich zu agieren, müssen die Akteure dafür sorgen, dass das, was dem

Kunden versprochen wird, auch eingehalten wird. Opportunistische Strategien kurz-

fristiger Nutzenmaximierung zulasten der Kunden wären nicht längerfristig tragfähig.

Der unprätentiöse Habitus der Ingenieure, die Orientierung des Innovationshandelns

am Gebrauchswert für den Abnehmer ohne technizistisches ‚Over-engineering’ und

ohne große, nicht einzulösende Versprechungen, ist in diesem Zusammenhang eine

wichtige Voraussetzung des Geschäftserfolgs.

Insbesondere bei den Firmen, die über kundenspezifische Problemlösungen hinaus

auch mit radikalen Innovationen auf den Markt gehen, spielen Marktbeobachtungen

eine große Rolle, die ebenfalls häufig von Personal mit Ingenieursqualifikationen

durchgeführt werden. Während die Sozialkompetenzen enger Kundenorientierung

gewissermaßen zum ‚Standardrepertoire’ der untersuchten Unternehmen gehören,

sind der Umfang und die Systematik von Marktbeobachtungen abhängig von den

Personal- und Zeitressourcen der Firmen. Es sind in der Regel die größeren Unter-

nehmen und die High-tech – Orientierten Unternehmen, die ihr Personal mit syste-

matischen Marktrecherchen und der Bearbeitung von Märkten betrauen, um gezielt

nach Marktlücken für grundlegend neue Produkte zu suchen. Der Kompetenzaufbau

auf diesem, kaufmännische und technische Qualifikationen integrierenden Feld, ist

folglich stark vom Umfang der jeweiligen betrieblichen Ressourcen an für solche Tä-

tigkeiten einsetzbarem Personal abhängig.

Der Erfolg des Innovationshandelns wird nicht nur an der Schnittstelle zwischen Be-

trieb und Markt entschieden. Die Ingenieure sind, um ihre Problemlösungen herzu-

stellen, auch auf funktionsfähige innerbetriebliche Abläufe und damit auf die Koope-

ration mit anderen betrieblichen Abteilungen angewiesen. Es geht dabei um die zeit-

und qualitätsgerechte Erfüllung von Projekten sowie um Feedbackschleifen und Im-

pulse aus den anderen Bereichen. Ingenieure aus dem Werkzeugmaschinenbaube-

trieb bringen das Erfordernis eines leistungsfähigen betrieblichen Kooperationsgefü-

ges zum Ausdruck:

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„In die Entwicklungsarbeit muss ich aber alle einbinden. Das geht nicht anders. Sie müssen die Fertigung, die Montage, den Service, alle einbin-den, damit sie die Erfahrung von dem, was bei der letzten Maschine war, einbringen: Die Statistik, was war nicht so gut (...) um dort erst mal neue Lösungen zu suchen, um dann auch das noch zu optimieren. Der Konstrukteur allein, der sitzt vor seinem Brett und verbeißt sich in irgendwas“ (M2TH).

Auch im innerbetrieblichen Kontext ist bei den Ingenieuren also eine gewisse Be-

scheidenheit Trumpf. Man weiß um die hohe Bedeutung von Problemlösungsbeiträ-

gen aller betrieblichen Bereiche. Von der Geschäftsführung bis hin zumindest zu den

Führungskräften aus der Fertigung werden von den interviewten Ingenieuren die Bei-

träge der anderen Unternehmensbereiche in ihrer Bedeutung für den Erfolg gewür-

digt. Eine große Rolle spielen dabei die sozialen Kohäsionsmuster, die sich nach der

Wende etabliert hatten, als alle Beschäftigtengruppen mit hohem Engagement ge-

meinsam am betrieblichen Neuaufbau arbeiteten.

Fragt man Ingenieure nach ihrem beruflichen Selbstverständnis und ihren Arbeitser-

fahrungen, so spielt der arbeitsinhaltliche, wie der sozial-expressive Bezug auf Ar-

beit, eine ganz zentrale Rolle. Innovation und Kooperation mit anderen Partnern im

Unternehmen, aber auch darüber hinaus werden mehrfach betont:

Erstens finde ich meine Tätigkeit sehr interessant, zweitens werden Techniker

weiter gebraucht.

Die Tätigkeit ist abwechslungsreich, es gibt ständig neue Herausforderungen, es

ist nicht nur stumpfsinnige Büroarbeit.

Es ist eine abwechslungsreiche Tätigkeit, verbunden mit engen Kontakten zu sehr

verschiedenen Menschen.

Ich übe als Ingenieur eine anspruchsvolle Tätigkeit aus, der Maschinenbau ist

perspektivisch eine Wachstumsbranche, ich sehe für den Beruf gute Zukunfts-

aussichten.

Ich habe eine abwechslungsreiche, fachübergreifende Tätigkeit mit Chance, Ver-

besserungen zu bewirken.

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Mir gefallen an meiner Arbeit der Abwechslungsreichtum, der fachliche Anspruch

und die vielen interessanten Tätigkeiten.

Ich würde sagen, die Anpassungsfähigkeit, Nähe zur Wirtschaft, Möglichkeiten

zur beruflichen Entwicklung, Ideen verwirklichen, ‚Welt verbessern’.

Für den Beruf spricht die Vielfalt und Komplexität, wodurch man sich entfalten

kann.

Der Beruf des Ingenieurs vereinigt Vielseitigkeit, Sicherheit, vernünftige Bezah-

lung, Spaß und Kreativität.

Vielseitigkeit, technische Phantasie, Kreativität, Umgang mit Menschen ist mir

sehr wichtig. Es gibt täglich neue Herausforderungen.

Auf einen kurzen Nenner gebracht: Unter den Bedingungen der klein- und mittelbe-

trieblich dominierten Reorganisation der ostdeutschen Industrie nach der Wende, hat

sich bis heute ein spezifischer Ingenieurshabitus verbreitet: Das professionelle tech-

nisch-fachliche Handlungsrepertoire ist eng verknüpft mit pragmatischer, dialogischer

Problemlösungsorientierung. Dies gilt sowohl für die Beziehungen nach Außen zum

Kunden hin als auch nach Innen für die Kommunikation und Kooperation innerhalb

des Betriebes.

3.3.2 Innovationskultur: Die Betriebe setzen auf Partizipation

Betriebliches Innovationshandeln muss einerseits auf Verstetigung ausgerichtet sein

und andererseits auf möglichst weitgehende Durchdringung des Unternehmens mit

einer komparativen Innovationsperspektive. Wenn dies gelungen ist, sprechen wir

von einer Innovationskultur. Sie ist in kleinen Betrieben leichter zu erreichen als in

großen.

Betriebliche Innovationskulturen müssen widersprüchliche Logiken ausbalancieren.

Zum einen müssen Innovationen dem Betriebszweck der Gewinnerwirtschaftung die-

nen und sich dabei in ein darauf ausgerichtetes Organisationsgefüge einpassen.

Zum anderen sind Innovationsprozesse kaum zu normieren. Sie entziehen sich auf-

grund ihrer Unsicherheit exakten erwerbswirtschaftlichen Kalkülen ebenso wie strik-

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ten Weisungsbeziehungen. Für die Betriebe kommt es vor diesem Hintergrund dar-

auf an, den Akteuren Freiräume für kreatives und innovatives Handeln zu geben

(Rammert 1988: 209 ff.). Die betrieblichen Regelungen müssen einen Rahmen für

die diskursive Erarbeitung von Problemlösungen (Kommunikation auf ‚Augenhöhe’)

und für einen schnellen Austausch von Wissen, Erfahrungen und Ideen zwischen

den Innovationsagenten setzen. Ein wichtiges normatives Bindeglied zwischen den

Akteuren bilden informell verankerte Professionalitätsnormen. In egalitären ‚Commu-

nities of Practice’, die Anbindungen an wissenschaftliche und fachliche Diskurse auf-

weisen und Organisationsgrenzen überschreiten können, werden diese Normen

transportiert (Steward/Conway 1996, Brown/Duguid 1991).

Es ist bereits deutlich geworden, dass die Professionalitätsnormen der Ingenieure in

den ostdeutschen Betrieben stark ökonomisch ‚rückgebunden’ sind. Kundenbedürf-

nisse und Marktlage bilden den Kompass für die professionelle Tätigkeit. Verwer-

tungskalküle müssen betrieblicherseits somit nicht erst hierarchisch gegenüber den

Akteuren durchgesetzt werden. Das wirtschaftliche Fortkommen des Betriebes, dem

es im Regelfall einige Jahre zuvor noch wesentlich schlechter ging, bildet darüber

hinaus sogar ein wichtiges Element der Arbeitsmotivation. Dies schließt die Existenz

monetärer Anreize für die Beschäftigten nicht aus. In den meisten Betrieben gibt es

sie in Gestalt von Gewinnbeteiligungen, Prämien für Verbesserungsvorschläge oder

auch für Patente. Eine zentrale Bedeutung kommt diesen auf individuellen Nutzen-

kalkülen beruhenden Motivationsinstrumenten aber weder aus Sicht der meisten Ge-

schäftsführer noch aus Sicht der Ingenieure zu. Stärker setzt man in den Betrieben

auf den Arbeits- und Produzentenstolz der Beschäftigten. Der Geschäftsführer des

Präzisionsoptikunternehmens berichtet in diesem Kontext von der großen Bedeutung

eines guten Feedbacks von Seiten der Kunden:

„Wenn ein Projekt bearbeitet wird, dann sind das in der Regel sehr be-kannte Kunden (...). Das motiviert natürlich die Mitarbeiter, wenn für einen großen Konzern ein Auftrag übernommen wird. Wenn das Projekt dann fertig ist, gibt es eine Abschlussveranstaltung, die Übergabe beim Kunden. Also da fühlt sich jeder ein bißl bei der Ehre gepackt. Man kann ruhig von Stolz sprechen, bei solchen Projekten mitzuarbeiten“ (MO1TH).

Darüber hinaus sind die Betriebe mit einer ausgeprägten Innovationskultur durch ei-

ne diskursive Praxis der Erarbeitung neuer Lösungen bestimmt. Nur in wenigen Fäl-

len, und zwar in Unternehmen, in denen Innovation als Führungsaufgabe wahrge-

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nommen wird, gibt die Geschäftsführung recht einseitig den Ton bei der Entwicklung

neuer Produkte an. So führte der Geschäftsführer eines Textilunternehmens aus:

„Also frei entscheiden können die sicher nicht, das geben wir in der Regel vor. Wenn da mal was sein sollte, da kann das vorgeschlagen werden und wir diskutieren das dann, aber das ist eher unüblich. (...) Also es ist sicher so, dass das meiste über mich läuft, aber die Ideen müssen ja auch um-gesetzt werden und dafür brauche ich auch die Leute. Die Richtung wird aber auf jeden Fall von mir vorgegeben“ (T2SN).

In der großen Mehrheit der Firmen sind die betrieblichen Akteure aus den Abteilun-

gen jedoch in die Entscheidungsprozesse über Innovationen involviert. Betriebliche

Hierarchien setzen durch Prioritäten und organisatorische Gestaltungsmaßnahmen

den Rahmen für die Innovationsprozesse. Je nach Formalisierungsgrad der betriebli-

chen Strukturen gibt es ein mehr oder weniger ausgefeiltes Ablaufprozedere für die

Durchführung von Entwicklungsprojekten. Unabhängig vom Formalisierungsgrad der

Entwicklungsprozesse gilt aber: Die Akteure unterhalb der Führungsebene verfügen

durchgängig über beträchtliche Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gestaltung der In-

novationsmaßnahmen. Die Herstellung von Konsens zwischen den Akteuren unter-

schiedlicher Abteilungen und Hierarchiestufen und diskursive Rationalitäten bei der

Entscheidung über Entwicklungsmaßnahmen und deren Durchführung sind Eckpfei-

ler der betrieblichen Innovationskulturen.

Die befragten Geschäftsführer machen deutlich, dass ein ‚Durchstellen’ von Ent-

scheidungen ‚von oben nach unten’ kontraproduktiv für die Innovationsfähigkeit wäre.

Zunächst ist es wichtig, dass die beteiligten Akteure einmal getroffene Entscheidun-

gen mittragen und deren Umsetzung vorantreiben. Anderenfalls können Blockaden

entstehen. So berichten die Betriebsleiter eines Herstellers von Kunststoffrohren.

„Die Bearbeitung der Kundenwünsche wird durch ein Kernteam organi-siert, das alle betrieblichen Bereiche einschließt: Die Palettierung, den Be-reich Produktion/Verfahren, die Instandhaltung. Jeder sucht für seinen Be-reich nach Lösungen. Dabei wird eng miteinander kommuniziert: „Wir ha-ben gelernt, zusammenzuarbeiten.“ Denn, wenn nicht alle in Lösungsver-suche einbezogen sind, wird Abneigung produziert: „Ihr habt Scheiße ge-baut““ (C1BB).

Ein diskursives Klima wird auch forciert, um die Kreativitätspotenziale der Beschäftig-

ten zu mobilisieren. Im Falle eines Herstellers von Messtechnik, der alle Beschäftig-

tengruppen in Innovationsprozesse einbindet, wird deutlich, dass Partizipation an

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Neuerungen nicht nur ein betriebliches Angebot an die Beschäftigten darstellt, son-

dern auch einen Leistungsanspruch begründet.

„Wir erwarten von unseren Mitarbeitern und regen ein solches Verhalten an, dass es generell eine schöpferische und kreative Atmosphäre gibt. Das wird von jedem Mitarbeiter, auch in der Fertigung, erwartet, dass je-der sich Gedanken macht und Ideen mit einbringt. Das wird auch von den Mitarbeitern ernst genommen und praktiziert. So kommt ein sehr fruchtba-rer Prozess zustande. Das ist ein Teil der Unternehmenskultur und der Unternehmensphilosophie“ (MO4SN).

Wenn man nun das Augenmerk wieder auf die Kerngruppe des Innovationsperso-

nals, die Ingenieure, richtet, dann wird ebenfalls deutlich, dass Diskursfähigkeit eine

Schlüsselqualifikation darstellt, die die Beschäftigten aus Sicht der Führungskräfte

mitbringen müssen. Die Fähigkeit, die eigene Meinung zu vertreten, gehört nach

Auskunft der Interviewpartner zu den Tugenden, die man von Ingenieuren geradezu

erwartet. Mit Entwicklungsaufgaben betraute Beschäftigte müssen bei Widerständen

und Kritik an ihrer Arbeit „gegenhalten können“, sie müssen ihre „eigenen Lösungen

verteidigen“ können. Die beim Werkzeugmaschinenhersteller befragten Ingenieure

demonstrierten mit einigermaßen drastischen Worten, dass man beispielsweise als

Entwickler schon ein gewisses Selbstbewusstsein und argumentatives Können an

den Tag legen muss, um sich innerbetrieblich mit seinen Ideen durchsetzen zu kön-

nen:

„Der Konstrukteur muss seine als Mist eingeschätzte Arbeit verteidigen, seine manchmal auch falsch als Mist eingeschätzte Arbeit. Er muss sie verteidigen bis aufs Messer. Denn wenn sie solche Leute nicht haben, dann haben Sie wenig Chancen. Sie brauchen selbstständig arbeitende Leute. Die haben wir“ (M2TH).

Die befragten Ingenieure legten viel Wert darauf, die Fruchtbarkeit von Diskussionen

als Wettstreit um die beste Lösung hervorzuheben. Als funktionale Begründungen

führten sie das Erfordernis ins Feld, dass Innovationen aus unterschiedlichen fachli-

chen und Abteilungsperspektiven beleuchtet und gestaltet werden müssen. Erneut

der Ingenieur aus dem Werkzeugmaschinenbetrieb:

„Unser erster Arbeitgeber ist der Kunde nicht die Firma. Das führt ganz lo-gisch täglich zu Auseinandersetzungen: Nicht im schlechtesten Sinne die-ses Wortes sondern im guten Sinn. Es wäre furchtbar, wenn der Konstruk-tionschef und der Vertriebsleiter einer Meinung sind in der Entwicklung von Maschinen. Dass wir uns zusammen raufen müssen zu einem Kom-

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promiss, das ist ganz klar. Aber erst mal müssen die Auffassungen auf-einanderprallen und daraus muss dann was entstehen“ (M2TH).

Die Diskussionsprozesse um Neuentwicklungen und die Teilhabe der Innovations-

agenten an der Formulierung und Ausgestaltung von Innovationsprozessen sind in

der Regel in ein gutes Sozialklima eingebettet. Der Wettstreit unter den Akteuren

geht um die besten Lösungen und ist auf das gemeinsame Ziel, die Situation des

Betriebes zu verbessern, ausgerichtet. Die Führungskräfte suchen meistens mit Er-

folg nach Lösungen, die alle Beteiligten weitgehend mit tragen können, sind also auf

die Herstellung von Konsens orientiert. Keiner der Befragten berichtete von schwer-

wiegenden Konfliktfällen, die Gewinner und Verlierer hinterlassen hätten.

Konsens stiftend ist nicht allein die Suche nach gemeinsamen Lösungen in einem

sachbezogenen Diskurs zwischen den Akteuren, sondern auch das Bemühen um ein

gutes, menschliches Betriebsklima. Kollegialität und wechselseitige Unterstützung

herrscht in den Arbeitsbereichen. Dabei nehmen die Geschäftsführungen einen akti-

ven Part ein. Ein Interviewpartner aus der Sensortechnikfirma sprach von ‚Streichel-

einheiten’, die der Geschäftsführer gibt, um die Beschäftigten zu hohen Leistungen

zu motivieren. Im Gegenzug bringen die Beschäftigten auch eine hohe Arbeitsbereit-

schaft mit. Wochenendarbeit und Überstunden werden geleistet, um zeitliche Eng-

pässe zu bewältigen. Die Mobilisierung von Ressourcen für Innovationen beinhaltet

nicht nur die Ausschöpfung von Wissen, Fachkompetenz und kreativen Potenzialen

in den Abteilungen, sondern bisweilen auch eine hohe zeitliche Beanspruchung der

Beschäftigten. Die in den Betrieben vorherrschenden sozial kohäsiven Beziehungen

sind dabei eine wichtige Voraussetzung.

Die Ergebnisse von Beschäftigtenbefragungen in einigen Unternehmen des Be-

triebssamples aus der Metallindustrie bestätigen dies in aller Deutlichkeit4. Bei der

Kerngruppe der Innovationsagenten, den technischen Angestellten, liegt eine sehr

hohe Identifikation mit dem Betrieb vor (88 % sagen, sie identifizieren sich stark oder

sehr stark mit dem Unternehmen). Auch die Aussagen zum sozialen Klima fallen

sehr günstig aus. Zufrieden mit dem Betriebsklima allgemein sind 80 %, mit dem

Verhältnis zu den Kollegen und zu den Vorgesetzten sind es sogar jeweils 92 %.

4 Vier Unternehmen, in denen Innovationsfallstudien durchgeführt wurden, sind zugleich im Betriebssample einer Beschäf-

tigtenbefragung in Unternehmen der Metallindustrie Ostdeutschlands. Diese von uns befragten Führungskräfte konnten im Rahmen der Innovationsfallstudien mit den Ergebnissen der Beschäftigtenbefragung konfrontiert werden.

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Immerhin 75 % der technischen Angestellten fühlen sich mit ihren Leistungen aner-

kannt. Sehr gut sind auch diejenigen Werte, die über die Einschätzung professionel-

ler Handlungsspielräume Auskunft geben. Bei 80 % bis 85 % bewegen sich die Wer-

te für Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, eigene Fähigkeiten einzubringen, Verant-

wortung zu übernehmen, wie auch mit eigenen Gestaltungs- und Entscheidungs-

spielräumen.

Bei der größten betrieblichen Beschäftigtengruppe, den Arbeitern, fallen die Ein-

schätzungen zum sozialen Klima ungefähr ebenso positiv aus. Aber in Punkto pro-

fessioneller Handlungsspielräume – vor allem Anerkennung der Leistungen – fallen

die Zufriedenheitswerte der Arbeiter gegenüber denjenigen für die technischen An-

gestellten deutlich ab. Nur 40 % der Arbeiter äußern sich positiv zur Anerkennung.

Bei den beruflichen Handlungsspielräumen gibt es unter den Arbeitern immerhin eine

knappe zufriedene Mehrheit. Das heißt, dass hier noch Reserven hinsichtlich der so-

zialen Integration im Sinne einer Verbesserung der betrieblichen Innovationskultur zu

nutzen sind.

Dass die als sehr positiv empfundene berufliche Situation der technischen Angestell-

ten mit einem erheblichen Arbeitsdruck einhergeht, dies machen die Befragungser-

gebnisse freilich auch deutlich. Denn zwei Drittel dieser Beschäftigtengruppe sehen

sich durch Leistungs- und Zeitdruck belastet. Zum Vergleich: Bei den Arbeitern sind

es 56 %. Die Befunde aus der Befragung machen somit deutlich, dass sich diese

Kernmannschaft der Innovationsagenten betrieblich in einer relativen Gewinnerposi-

tion befindet und mit hoher Einsatzbereitschaft eine wichtige Rolle als Promotor der

betrieblichen Entwicklung spielt.

Hierbei sind auch berufsbiographische Faktoren zu berücksichtigen. Ein großer Teil

der technischen Angestellten hat wichtige Arbeitserfahrungen bereits zu DDR-Zeiten

gesammelt. So machen Beschäftigte im Alter von 40 und mehr Jahren (Jahrgang

1966 und älter) einen Anteil von 53 % an den Beschäftigten in den vier Innovations-

fallstudienbetrieben aus. Es ist diese Gruppe, die nach der Wende durch die Aufwer-

tung von Angestelltenpositionen gegenüber gewerblicher Beschäftigung einen erheb-

lichen Statusgewinn für sich verbuchen konnte. Hinzu kommen noch häufig lange

Betriebszugehörigkeiten. Die große beschäftigungsstrukturelle Bedeutung älterer und

erfahrener Beschäftigter als Promotoren von Innovation und betrieblicher Aufwärts-

entwicklung wirft aber auch Probleme auf: Gerade in den technischen Büros muss in

den nächsten Jahren in beträchtlichem Umfang ein Stabwechsel von durch Verren-

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tung ausscheidendem Personal zu jüngeren hoch qualifizierten Beschäftigten statt-

finden. Bis 2015 werden 27 % der technischen Angestellten in den vier Innovations-

betrieben 60 Jahre und älter sein.

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4 Personalpolitik

4.1 Aktivere Personalpolitik in innovativen Unternehmen

Vor dem bisher dargestellten Hintergrund stellt sich die Frage, wie die innovativen

Unternehmen für die Anforderung, junges Personal in den Betrieb zu integrieren, ge-

rüstet sind und welche Anstrengungen sie bei der Personalentwicklung unterneh-

men. Die hohe Bedeutung der Humanressourcen für das Innovationshandeln und

damit auch für die Zukunftsfähigkeit des Betriebes verleiht dem Gebiet der Personal-

wirtschaft einen außerordentlich großen unternehmensstrategischen Stellenwert. Die

bereits festgestellten Hemmnisse kleiner und mittlerer Unternehmen bei der formal

rationalen Gestaltung von Organisationsabläufen können auf dem Gebiet der Perso-

nalwirtschaft besonders brisante Problemzonen schaffen. Die Organisation von Ar-

beit auf Zuruf in einem eng geknüpften Netz miteinander vertrauter Akteure kann je-

doch auch zu guten Resultaten führen. Eine Personalwirtschaft aber, die sich zur

Personalrekrutierung nach Außen öffnet und vor allem auch langfristig ausgerichtet

ist, bedarf einer strategischen Ausrichtung und formal rationaler Steuerungsinstru-

mente.

Die Regionaldaten aus Südwestsachsen zeigen, dass innovative Unternehmen per-

sonalpolitisch wesentlich aktiver sind als nicht innovative Unternehmen. In allen be-

trieblichen Bereichen werden mehr Anstrengungen unternommen, die Herausforde-

rungen des bevorstehenden Generationenwechsels zu bewältigen. Die Betriebe wei-

sen ein überdurchschnittliches Engagement bei der Ausbildung und auch bei der

Übernahme junger Beschäftigter auf. Die Horizonte der Personalplanung sind länger

als bei nicht innovierenden Firmen. In einigen Personalabteilungen werden systema-

tische Altersstrukturanalysen durchgeführt, die es erlauben, berufsgruppenspezifisch

den Ersatzbedarf an Fachkräften in den nächsten zehn Jahren zu erfassen.

Deutlich wird anhand des Datenmaterials aber auch, dass selbst in den innovativen

Betrieben Instrumente einer langfristigen und professionellen Personalpolitik keines-

wegs durchgängig entwickelt sind. Die Schwachpunkte liegen vor allem in einer auch

dort nur bei einer Minderheit der Betriebe funktional ausdifferenzierten Personalabtei-

lung, in überwiegend kurzen Planungshorizonten und nur wenig durchgeführten Qua-

lifizierungsbedarfsanalysen. Auch in den sehr innovativen Unternehmen besteht be-

trächtlicher personalpolitischer Handlungsbedarf (vgl. Tab. 6)

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Tab. 6: Personalaktivitäten nach Innovationsengagement (N=340, in %)

Personalaktivitäten Ohne Inno-

vation (n=111)

nur Produkt-innovation

(n=94)

nur Verfahrens-innovation

(n=34)

Produkt- und Prozessinno-vation (n=98)

Eigene Personalabteilung 14 20 27 29

Personalplanung mindestens 1 Jahr 28 33 32 41

Ausbildung 51 62 65 75

Verjüngung der Belegschaft 42 57 39 59

Altersteilzeit 12 23 16 18

Mindestens wichtige Rolle der Weiterbildung 73 73 79 82

Systematische Qualifizierung d. MA 69 79 91 84

Qualifizierungsbedarfsanalysen 4 10 30 19

Qualifizierungsbedarf wird von Beschäftigten artikuliert

21 30 22 43

Gute Beurteilung der Region 29 29 24 41

Quelle: Fachkräfte-Studie Wirtschaftsregion Chemnitz-Zwickau, 2005

Immerhin zeigen die Betriebsfallstudien, dass bei der Rekrutierung akademischen

Personals vielfach gute Beziehungen zu Hochschulen bestehen. Ingenieure des

Sensortechnikherstellers betonen:

„Wir haben eine junge Garde hier. Wir nehmen sehr sehr gerne aus Fach-hochschulen und auch Hochschulen junge Absolventen rein. Das ist uns sehr wichtig. Die dann im Vorfeld bei uns ein Praktikum machen und ein Diplom, wie z.B. der Herr S auch. Ich denke da kommt auch eine ganze Menge“ (MO2TH).

Der Fachkräftenachwuchs aus Hochschulen bildet eine wichtige Quelle für Innovatio-

nen. Die über Praktika, Diplomarbeiten und schließlich Einstellung erfolgende Integ-

ration jungen akademischen Personals ermöglicht es, kostengünstig an neues Wis-

sen aus den Hochschulen zu gelangen.

Insbesondere den Intensivfallstudien konnten einige Beispiele für kreative Wege der

Fachkräfterekrutierung und Personalbindung entnommen werden. Um an hoch quali-

fiziertes Personal zu kommen, gibt es etwa Studienförderungen für Belegschaftsan-

gehörige. Angewendet werden auch Tandemlösungen an Arbeitsplätzen, bei denen

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junge Beschäftigte von Älteren eingearbeitet werden. Familienfreundliche Arbeitszeit-

regelungen oder auch betriebliche Gesundheitsförderungen dienen der Personalbin-

dung.

Die Qualifizierung des Personalbestandes ist in den befragten innovativen Unter-

nehmen meist recht gut ausgebaut. In einem Teil der Betriebe sind Weiterbildungs-

maßnahmen Bestandteil der Strategiebildung. Dies ermöglicht es, künftigen Qualifi-

kationsanforderungen antizipierend Rechnung zu tragen. Eine größere Rolle spielen

aber von Seiten der Beschäftigten artikulierte Qualifizierungswünsche. Von den in

den Intensivfallstudien befragten Ingenieuren wurde meist auf ausreichende Weiter-

bildungsmöglichkeiten verwiesen. Allerdings weisen die Ergebnisse aus den auch bei

der Beschäftigtenbefragung erfassten Innovationsfallstudienbetrieben auf einen Ver-

besserungsbedarf hin. Zwar äußern sich 54 % der technischen Angestellten zufrie-

den mit den Weiterbildungsmöglichkeiten, mit 44 % gibt es jedoch eine quantitativ

relevante unzufriedene Minderheit.

Schließlich sind innovative Unternehmen im Durchschnitt offener gegenüber ihrem

regionalen Umfeld: Man nimmt etwa Kontakt mit Schulen auf, um über Perspektiven

der Arbeit in der Industrie zu informieren. Komplementär zum regionalpolitischen En-

gagement ist Regionalpessimismus geringer verbreitet. Firmen, die Stärken der ei-

genen Region ins Blickfeld nehmen, können diese auch gezielter nutzen als Firmen,

die vor allem die Defizite sehen. Gerade auf personalpolitischem Gebiet, zur Rekru-

tierung von Personal oder auch zur Inanspruchnahme von externen Qualifizierungs-

angeboten ist dies wichtig. Eine solche Umweltoffenheit fördert Einbettungsstrategien

zum Nutzen von Firmen und Regionen. Die Firma macht sich im regionalen Umfeld

bekannt und wird für junge Menschen als potenzieller Arbeitgeber attraktiv. Zum

Ausdruck kommt diese Umweltoffenheit vor allem in den Altersstrukturen der Unter-

nehmen mit jugendzentrierten und ausgewogenen Belegschaften. In Hinblick auf

ausgewählte Indikatoren der wirtschaftlichen Dynamik schneiden diese Unternehmen

durchweg besser ab (vgl. Tab. 7).

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Tab. 7: Geschäftssituation und Zukunftsperspektive in Abhängigkeit von der Alterszusammensetzung

der Betriebsbelegschaften (N=420, in %)

Alterszusammensetzung der Betriebsbelegschaften

Aktuelle Geschäfts situation

(sehr gut/gut) Umsatzerwartung

(wachsend) Personalzuwachs

erwartet Optimistischer Blick in die Zu-

kunft

jugendzentriert 55 57 45 76 ausgewogen 50 60 36 73 alterskomprimiert 38 46 27 60 alterszentriert 33 36 25 58 Quelle: Fachkräfte-Studie Wirtschaftsregion Chemnitz-Zwickau, 2005

Letzteres gilt insbesondere für den Hersteller von Kunststoffrohren, der sich in Punk-

to Personalpolitik als sehr aktiv erweist. Die hohen Innovationsaktivitäten gehen ein-

her mit einem breiten Spektrum an Maßnahmen der Personalentwicklung, die auf die

Ausschöpfung kreativer Potenziale möglichst aller Beschäftigten ausgerichtet sind.

„Die Entwicklungsabteilung ist auf jeden Fall unsere Stärke. Deshalb ha-ben wir auch den Preis gewonnen. Wir betreiben für unsere Leute einen hohen Aufwand und geben viel Geld aus, etwa für Personalentwicklung, Weiterbildungen, verschiedene Seminare. Mehrmals im Jahr werden Per-sonalentwicklungsgespräche geführt. So finden wir besser heraus, wer die besten Mitarbeiter sind“ (C1BB).

Festzuhalten ist in Bezug auf dieses Unternehmen, dass die strukturellen Bedingun-

gen für die Personalpolitik sehr günstig sind. Das 1996 neu errichtete Werk konnte

auf fachlich einschlägig qualifiziertes Personal aus der Region zurückgreifen und be-

findet sich wirtschaftlich und personell auf Wachstumskurs. Die Zahl der Beschäftig-

ten stieg kontinuierlich von ursprünglich sechs auf 84 Personen. Das Wachstum

schuf zusammen mit einem großen Ausbildungsengagement die Voraussetzungen

für die Etablierung einer ausgewogenen Altersstruktur mit einem beträchtlichen Anteil

junger Beschäftigter.

Auf einen generellen Nenner gebracht kann formuliert werden: Personalwachstum

schafft den Unternehmen die größten Spielräume zur gezielten Beeinflussung der

Personalstruktur und damit auch des Altersaufbaus der Belegschaft. Anders als bei

personell stagnierenden Unternehmen muss die Einstellung einer jungen Arbeitskraft

nicht bis zum Ausscheiden eines älteren Beschäftigten warten.

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4.2 Der Positivkreislauf: Investitionen in ‚Köpfe’ – ein Eckpfeiler von Modernisie-

rungs- und Innovationsstrategien

Den Zusammenhang von wirtschaftlicher und personalwirtschaftlicher Entwicklung

kann man in einem Positivkreislauf beschreiben. Fängt man bei den Personalstrate-

gien an, so werden diese durch das Erfordernis der Sicherung und Entwicklung der

Qualifikationsbasis markiert. Das Vorhandensein qualifizierten und motivierten Per-

sonals bildet die Grundlage für eine betriebliche Innovationskultur, die bereichsüber-

greifend die Kompetenzen der Beschäftigten für Innovationen in Produkt und Verfah-

ren nutzt. Dies wiederum stärkt die Innovationskraft der Unternehmen, sei es bei der

Herstellung von kundenspezifischen Problemlösungen oder der Produktion von

Marktneuheiten. Mit innovativen und im Sinne des Wortes preiswerten Produkten

erhöht sich die Wettbewerbsstärke und damit auch der Erfolg auf den Märkten.

Der Ausbau der Marktposition und der Geschäftserfolg ermöglichen Unternehmens-

wachstum. Dies schafft unternehmerische Handlungsspielräume, die für Investitionen

und eine Weiterentwicklung der Humanressourcenbasis genutzt werden können.

Damit hat sich der Positivkreislauf geschlossen (Abb. 3).

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Abb. 3: Positivkreislauf

Investitionen in „Köpfe“:Ein Eckpfeiler von Modernisierungs- und Innovationsstrategien

Innovationskraft• Von kundenspezifischen Problemlösungen bis

hin zu Marktneuheiten

Betriebliche Innovationskultur• Abteilungsübergreifende Nutzung von

Kompetenzen für Innovationen• Investitionen in Entwicklungsaktivitäten

Personalstrategien• Sicherung und Entwicklung der

Qualifikationsbasis

Unternehmenswachstum• Ausweitung der Geschäftstätigkeit

Wettbewerbsstärke• Erfolg auf den Märkten

Personalpolit. Handlungsspielräume• Nachwuchskräfteaufbau• Verjüngung der Ingenieurbasis

BetrieblicheInnovationskultur

PersonalpolitischeHandlungsspielräume

Personal-strategien

Innovationskraft

Wettbewerbs-stärke

Unternehmens-wachstum

Selbstverständlich ist die Ingangsetzung und Inganghaltung des Positivkreislaufes

voraussetzungsreich. Sie bedarf an den verschiedenen Stellen des Kreises ausrei-

chender und ausbaufähiger Ressourcen: Die Personalressourcen sind gegenwärtig

noch vorhanden, müssen aber auf längere Sicht gesichert werden. Die günstigen

wirtschaftlichen Entwicklungen im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands und

insbesondere auch in den innovativen Unternehmen schaffen für die Unternehmen

zusätzliche Finanzressourcen, die nicht zuletzt in die Humanressourcen gesteckt

werden können.

Bislang noch hält sich die Zuwachsdynamik bei der Beschäftigung im Verarbeitenden

Gewerbe in engen Grenzen. Aber es erwarten viel mehr Geschäftsführer für die nä-

here Zukunft einen Zuwachs an Personal als einen Rückgang. Dies gilt für innovative

Unternehmen sehr viel stärker als für nicht innovative (Abb. 4). Bei den innovativen

Unternehmen rechnen per Saldo 30 % mehr Betriebe mit Personalzuwächsen als mit

Rückgängen. Bei den nicht innovativen Firmen liegt der Positivsaldo nur bei 8 %. Be-

schäftigungsstillstand prägt dort mit zwei Dritteln den Erwartungshorizont.

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Abb. 4: Erwartete Entwicklung beim Personal in Abhängigkeit von der Innovationsaktivität der Unter-

nehmen5 (Anteil der Unternehmen in %, N=659)

40

49

10

21

67

12

mehr gleich viel weniger

Innovationen finden stattkeine Innovation

Quelle: Fachkräfte-Studie Wirtschaftsregion Chemnitz Zwickau und Brandenburg, 2005

Damit qualifiziertes Personal nicht in naher Zukunft zu einem die ökonomische Ent-

wicklung und die Innovationskraft hemmenden Engpassfaktor wird, bedarf es ver-

stärkter personalwirtschaftlicher Initiativen aus den Betrieben. Die in den Fallstudien

betrachteten Unternehmen konnten hier einige anschluss- und ausbaufähige Ideen

und Maßnahmen vorweisen.

Die erfolgreichen und innovativen Unternehmen können das Problem der Sicherung

der Humanressourcenbasis aber allein nicht schultern. Auch engagierte Personal-

verantwortliche in den Betrieben können die Probleme im Altersaufbau nicht kurzfris-

tig lösen. Nur in wenigen Betrieben ist die Wachstumsdynamik so groß, dass bereits

heute in größerem Stil junges Personal eingestellt und damit ohne Zeitdruck eine

qualifikatorische Zukunftsvorsorge getroffen werden kann.

Mit Blick auf das regionale Angebot an Arbeitsplätzen für qualifizierten Nachwuchs

darf auch Folgendes nicht außer Acht gelassen werden: Neben den erfolgreichen

und innovativen Unternehmen gibt es ein relevantes Segment an Firmen, die ledig-

lich defensive Überlebensstrategien fahren und personalpolitisch inaktiv sind. Unauf-

haltsam älter werdende Betriebsgemeinschaften, Betriebe, die auf die Rekrutierung

von Nachwuchs verzichten oder auch ‚Ressourcenvernutzer’, die nicht mit Moderni- 5 Die Frage an die Geschäftsführer lautete: „Von welcher Personalentwicklung gehen Sie in den nächsten zwei Jahren aus?“

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sierungsstrategien, sondern über geringe Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen

meist mäßige Gewinnmargen erzielen, leisten keinen Beitrag zur Bewältigung des

Generationenwechsels.

Abb. 5: Szenario, ‚weitere positive Entwicklung der Industrie durch Fachkräfteengpässe bedroht?’

nach Region (Angaben in %)

61

1723

44

22

29

79

0

21

realistisch teilweise realistisch unrealistisch

Erzgebirge (48)Brandenburg (213)Optik Thüringen (47)

Quelle: Drei Erhebungen in Industriebetrieben im Erzgebirge, Brandenburg und Thüringen 2004/2005

Bei der Nachwuchsbasis im Bereich Ingenieure, aber auch bei Facharbeiterberufen,

zeichnen sich bereits Engpässe ab (Abb. 5). Ein großer Teil der Betriebe steht schon

jetzt dem Arbeitsmarktangebot an qualifiziertem und akademisch gebildetem Perso-

nal skeptisch gegenüber. Viele der befragten personalpolitisch durchaus nicht lar-

moyanten Unternehmer blicken mit Skepsis auf das Bildungssystem. Sie sehen Defi-

zite der Schulabsolventen bei Grundkenntnissen, ein zu geringes Verständnis tech-

nisch-naturwissenschaftlicher Sachverhalte und mangelnde Vorkenntnisse über die

Arbeitswelt. Bei diesen im Bildungssystem und in der Arbeitsmarktpolitik liegenden

Problemfeldern bedarf es der Unterstützung von Humanressourcenstrategien aus

dem institutionellen und politischen Umfeld der Betriebe.

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5 Exemplarische Betriebsportraits

5.1 Anhaltinische Motorenwerke Dessau (AEM)

Der gut 180 Beschäftigte zählende Elektromotorenhersteller aus Dessau steht für

das Segment von Firmen in ostdeutschem Eigentum, das sich mit kundennahen,

vorherrschend inkrementalistischen Innovationsstrategien gerade in den letzten Jah-

ren im Aufwärtstrend befindet. Beim ersten Betriebskontakt im Jahre 2002 wird der

Entstehungshintergrund des Unternehmens vom befragten Geschäftsführer folgen-

dermaßen charakterisiert: „Hervorgegangen aus dem ehemaligen Motorenwerk nach

turbulenter Treuhandgeschichte – vier Ehemalige entschlossen sich zu MBO, damals

150 Mitarbeiter“.

Wie in vielen kleineren ostdeutschen Betrieben ging der Gründung der GmbH im

Jahre 1993 also eine Phase der akuten Bestandsgefährdung des Betriebes und sei-

ner Arbeitsplätze voraus, die darin mündete, dass sich Führungskräfte aus dem e-

hemaligen Kombinatsbetrieb bereit fanden, ins wirtschaftliche Risiko zu gehen, um

die Existenz des Betriebes zu sichern. Die Firma konstituierte sich zu einer Überle-

bensgemeinschaft, die mit knappen Ressourcen gezwungen war, sich auf den Märk-

ten zu etablieren. Die Erfahrungen aus der schwierigen Zeit des Neubeginns haben

sich bei den Akteuren tief ins Gedächtnis eingegraben: „Wir standen schon sehr tief

im Tal“, so formulierte es der Geschäftsführer rückblickend. Konstante Beschäftig-

tenzahl bei hoher personeller Kontinuität, steigendes Geschäftsvolumen und etwa

seit der Jahrhundertwende das Hineinrücken in die Gewinnzone kennzeichnen die

Konsolidierung des Unternehmens in der zweiten Hälfte der 90er Jahre.

Um sich auf den Märkten zu positionieren, fährt die Firma seit ihrer Entstehung eine

Nischenstrategie. Man fertigt Spezialmaschinen auf Kundenwunsch und bedient da-

mit Marktbereiche, die für die etablierten Großfirmen wenig attraktiv sind. Die Verbin-

dung von hoher Qualität und günstigen Preisen haben zu einer guten Reputation und

einer sukzessiven Erweiterung der Kundenbasis geführt. Abhängigkeiten von einzel-

nen Großkunden konnten damit im Laufe der Firmenentwicklung abgebaut werden.

Es gibt eine starke Ausrichtung auf gobale Absatzgebiete, die freilich konjunkturellen

und politischen Schwankungen (Nahost) unterliegen. In den letzten Jahren hat sich

die Geschäftssituation von befriedigendem auf sehr gutes Niveau verbessert. Auf-

grund der hohen Flexibilität bei der Erfüllung von Kundenbedürfnissen konnte ein

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Großauftrag (aus der österreichischen Wasserwirtschaft) akquiriert werden. Der Auf-

wärtstrend wirkt sich auch positiv auf die Beschäftigung aus. Nach 2000 kam es zu

einer Erhöhung der Beschäftigtenzahl um ein Fünftel.

Im Hinblick auf die Reichweite der Innovationen gibt sich der befragte Geschäftsfüh-

rer – beinahe kokett – bescheiden. Man sei „nicht besonders innovativ“ jedenfalls

gemessen am Maßstab von High-tech – Unternehmen. In der Tat ist es nicht Politik

des Unternehmens, in großem Stil grundlegende Neuerungen auf den Markt zu brin-

gen. Richtschnur für die Weiterentwicklung von Produkten sind vielmehr die Kun-

denwünsche. Dabei handelt es sich aber nicht um eine bloß reaktive Anpassung an

Vorgaben sondern um eigenständig entwickelte Problemlösungen. Die Kunden äu-

ßern den Wunsch nach bestimmten Leistungsparametern und Produkteigenschaften.

Die Realisierung dieser Eigenschaften erfordert aber anspruchsvolle Konstruktions-

und Entwicklungsaktivitäten. Beispielhaft hierfür steht die Verbesserung von Küh-

lungssystemen für Schiffsgeneratoren, die eine Verringerung von Maschinengrößen

ermöglichen. Mit der erfolgreichen Bearbeitung von Kundenwünschen wächst nicht

nur die Reputation sondern auch das produktstrategische Handlungsrepertoire. Das

Selbstvertrauen des Betriebes in die Lösungskompetenz auch von Problemen, die

man bislang noch nicht bearbeitet hat, ist groß. Das neu erworbene Wissen in einem

Produktbereich kann in anderen Produktfeldern genutzt werden. So kommt es häufig

zu einem Transfer von Erfahrungen aus einem Produktfeld in ein anderes. Dieses

Innovationshandeln ist nicht auf große technologische Durchbrüche ausgerichtet,

sondern auf einen additiven Kompetenzzuwachs und eine Vernetzung von neuen

Erfahrungen und Kenntnissen innerhalb des Unternehmens.

Der Konstruktions- und Entwicklungsabteilung sowie dem Vertrieb als ‚Scharnier’

zum Kunden kommen eine große Bedeutung zu, um den ständigen Abgleich von

technologischen Kompetenzen und Möglichkeiten der Firma einerseits und den Kun-

denwünschen andererseits zu ermöglichen. Da man bei der Erarbeitung von Prob-

lemlösungen immer wieder auf fertigungstechnische Grenzen stößt (Praktikabilität im

Produktionsprozess), ist für die Konstruktions- und Entwicklungsabteilung auch ein

enger Austausch mit den Produktionsbereichen und der kaufmännischen Abteilung

erforderlich. Der Ersatz von Stanztechnik durch Lasertechnik in der Ständer- und

Läuferblechfertigung ist auf dem Gebiet der Verfahrensinnovation ein Modernisie-

rungsvorhaben, für das sich der Betrieb nach intensiven und systematischen Kalkula-

tionen entschieden hat.

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Im Innovationshandeln gibt es über die Bearbeitung von Kundenanforderungen hin-

aus auch eine prospektive Komponente. Man recherchiert neue Entwicklungen aus

dem Wissenschaftsraum. „Die Mitarbeiter suchen auch nach neuen Materialien“ für

die Herstellung von Produkten, um auf dem neuesten Stand und für neue Anforde-

rungen gerüstet zu sein. Im Unternehmen gibt es schließlich auch Vorstöße in Rich-

tung Marktneuheiten. Aber die Energien und der Aufwand, die dort hineingesteckt

werden halten sich in engen Grenzen. Dies hat zwei Gründe: Erstens sind grundle-

gende Neuerungen mit beträchtlichen Absatzrisiken behaftet. So ist die, wie der Ge-

schäftsführer formulierte, ‚Vision’ einer internetbasierten Fernsteuerung von digitalen

Reglern für Generatoren als Ersatz für eine analoge Vor-Ort-Steuerung auf dem

Markt bislang noch nicht angenommen worden.

Hinzu kommt aber noch, dass die Entwicklungsressourcen recht knapp bemessen

sind. Konstruktions- und Entwicklungsabteilung sowie der Vertrieb als Kernbereiche

der Innovation machen nur gut ein Zehntel des Personals aus, wobei große Zeitantei-

le dieser Beschäftigten durch ein von Routine geprägtes Alltagsgeschäft absorbiert

werden. Die Möglichkeit, aus der Not knapper Ressourcen die Tugend dichter Kom-

munikationsbeziehungen und einer mehrere betriebliche Bereiche umfassenden In-

novationskultur zu machen, stößt an ihre Grenzen. So benannten Ingenieure Perso-

nalknappheit und auch begrenzte Mittel für Sachinnovationen als Hindernisse für In-

novationsaktivitäten. Praxisnähe und Bodenständigkeit der Innovationen haben somit

bisher einen beachtlichen Unternehmenserfolg ermöglicht. Trendsetter auf dem

Markt zu werden, übersteigt aber die Kapazitäten der Firma, die sich aus Zeitgründen

auf in monatlichem Turnus stattfindende Entwicklungsberatungen sowie punktuelle

und konkret Problem bezogene wissenschaftliche Marktrecherchen beschränken

muss. Eine Chance für KMU, betriebsinterne Ressourcenknappheit zu kompensie-

ren, bietet der Rückgriff auf externe Ressourcen gerade im Bereich Wissenschaft

und Forschung. Kooperationen mit Fraunhofer wie auch eine Zusammenarbeit mit

Universitäten zeigen das betriebliche Interesse von solchen externen Kapazitäten

Gebrauch zu machen. Aber es gibt, wie der Geschäftsführer betonte, Hindernisse:

Die Vergabe von Forschungsaufträgen sei für KMU sehr kostenaufwändig. Hinzu

kommt, dass die Forschungs- Wissenschafts- und Kooperationsinfrastruktur in Des-

sau nicht gut ausgebaut ist. In der strukturschwachen Region sieht sich das Unter-

nehmen als ein ‚Exot’ und in einer gewissen Einzelkämpferposition, so dass man bei

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Kooperationen das engere regionale Umfeld überschreiten muss und ansonsten

weitgehend auf eigene, betriebsinterne Ressourcen angewiesen ist.

Die Fähigkeit des Unternehmens mit Flexibilität und Innovativität Marktchancen zu

nutzen, fußt wesentlichen auf den Humanressourcen des Unternehmens. Aufgrund

des hohen Altersdurchschnitts der Nachwendebelegschaft und daraus resultierender

Engpassrisiken bei der Versorgung mit Fachkräften, ergriff man in den letzten Jahren

gezielte Maßnahmen zur Integration junger Fachkräfte. Man führte eine systemati-

sche Altersstrukturanalyse als Planungsgrundlage für die Rekrutierung von jungen

Fachkräften durch, ergriff erhebliche Ausbildungsanstrengungen und knüpfte enge

Beziehungen zu Hochschulen, um an Ingenieurnachwuchs zu kommen. Der Ingeni-

eurnachwuchs aus Hochschulen stellt auch eine wichtige Quelle für neues Wissen

zur Stärkung der Innovationspotenziale dar. Der Personalzuwachs in den letzten Jah-

ren half dabei, die Altersstruktur im Unternehmen zu verjüngen. Eine Schwierigkeit

bei der Rekrutierung jungen hoch qualifizierten Personals stellt aber das untertarifli-

che Lohn- und Gehaltsgefüge dar. Bei den aus der Nachwendezeit stammenden ‚ü-

berlebensgemeinschaftlich’ sozialisierten älteren Stammkräften werden – dies zeigen

die Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung – Unzufriedenheiten aufgrund relativ

bescheidener Entgelte durch ein hohes Bleibeinteresse und vor allem durch ein gu-

tes Sozialklima kompensiert, das die Geschäftsführung, die einen großen Anteil an

der Fortexistenz des Betriebes hat, einschließt. ‚Man zieht an einem Strang’ und

kann als Beschäftigter speziell in den Ingenieursbereichen in einem kreativen und

beruflich herausfordernden Arbeitsklima arbeiten. Die Ingenieure sehen sich gut

durch die Geschäftsführung informiert und in ihren Meinungen und Einschätzungen

ernst genommen.

5.2 Präzisionsoptik Gera (POG): Industrielles High-tech – Unternehmen

Der Hersteller von präzisionsoptischen Komponenten und Systemen zeigt exempla-

risch die Anschlussfähigkeit der Traditionen und Wissenspotenziale Thüringens in

der Optik als Grundlage des Erfolges auf internationalen Märkten. Das Unternehmen

hat nur gut 80 Beschäftigte und ist in ostdeutschem Eigentum. Bei der breiten Palette

von optischen Produkten handelt es sich um High-tech – Erzeugnisse. Inkrementelle

Innovationen und die Entwicklung und Produktion von Marktneuheiten halten sich

nach Auskunft des Geschäftsführers die Waage. Man verortet sich selbstbewusst im

Hochpreissegment. Der Standort des Unternehmens ist Gera, eine Stadt, die nach

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Wende starke Deindustrialisierungsprozesse hinnehmen musste und im Schatten

des ‚Leuchtturms’ Jena steht.

Trotz des schwierigen regionalen Umfelds gelang es der Firma frühzeitig, mit seinen

zunehmend auf High-tech fußenden Produkten Zugänge zu internationalen Märkten

zu finden. Ein Großauftrag gab bereits 1992 dem aus dem Zeisskombinat stammen-

den Unternehmen die Chance, eine autonome und zielgerichtete Reorganisations-

strategie als MBO zu verfolgen, wenngleich die Anfangsjahre mit erheblichen unter-

nehmerischen Risiken und Turbulenzen verbunden waren. Produktionsmodernisie-

rung, Produktentwicklung und internationaler Vertrieb wurden beim Neuaufbau ziel-

gerichtet und aufeinander abgestimmt vorangetrieben. Der Aufwärtstrend des Unter-

nehmens wird durch folgende Zahlen markiert: Seit 1993 stieg der Umsatz – mit Aus-

nahme von 1999 – kontinuierlich. Von 1999 bis 2004 konnte er sogar verdoppelt

werden. Die von 1994 bis 1999 um 45 Beschäftigte herum schwankende Zahl der

Beschäftigten stieg danach ebenfalls stark an, und zwar bis heute auf über 80 Per-

sonen. Die Geschäftssituation einschließlich der Finanzsituation bezeichnet der Ge-

schäftsführer als gut.

Die Herstellung von wissens- und wertschöpfungsintensiven optischen Komponen-

ten, Systemen und Mikrostrukturen zielt auf die Einsatzfelder Messtechnik und indus-

trielle Bildverarbeitung, Weltraumtechnik, Medizintechnik, optischer Gerätebau, Mili-

täroptik und auch Halbleiterindustrie. Damit ist das Spektrum der Einsatzmöglichkei-

ten für die Spezialprodukte des Unternehmens sehr breit. Der Exportanteil liegt bei

über 40 %, wobei die EU und Nordamerika die wichtigsten ausländischen Absatzge-

biete sind. Im Bereich Mikrostrukturierung beherrscht die Firma mehr als die Hälfte

des deutschen Marktes.

Impulse für die Neuerungen geben Kundenanfragen. Von „führenden Kunden in der

Branche kommen“, so der Geschäftsführer, „Impulse, die dann in intelligente Lösun-

gen im Optikdesign umgesetzt werden müssen“. Über solche flexibel und kooperativ

mit den Kunden erarbeitete Problemlösungen hinaus weist das Innovationshandeln

auch eine starke strategische Komponente auf. Man verfolgt bei den Innovationen

langfristige Ziele, die auf systematischen Marktbeobachtungen sowie Technikrecher-

chen und Technikentwicklung fußen. Eine starke Präsenz des Optikherstellers auf

Messen dient dazu, Geschäftsbeziehungen mit Stammkunden zu vertiefen, Kontakte

zu neuen Kunden aufzubauen und Erfahrungen über Branchenentwicklungen auszu-

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tauschen. Auf diese Weise ist die Reichweite des Markthandelns recht hoch und man

tritt als Akteur mit Marktgestaltungskompetenzen auf. Insofern bilden die Innovatio-

nen nicht nur eine Reaktion auf Kundenwünsche (Nachfrage) sondern werden auch

zielgerichtet für die Märkte entwickelt (Angebot) und weisen damit eine prospektive

Komponente auf. Dies gibt dem Unternehmen ein beträchtliches Maß an Handlungs-

souveränität in der Geschäftspolitik.

Die starke Ausrichtung des Produktspektrums auf High-tech beinhaltet eine hohe

Bedeutung ständiger Innovationen in Produkt und auch Verfahren, die die Voraus-

setzungen für qualitativ hochwertige und hoch präzise Produktionen schaffen.

Schrittweise Verbesserungen an bestehenden Produktlinien und radikale Innovatio-

nen, beispielsweise in den Bereichen Hochleistungsobjektive mit langer Brennweite

oder Miniaturobjektive mit Kunststofflinsen, haben nach Auskunft des Geschäftsfüh-

rers eine in etwa gleichgewichtige Bedeutung. Die starke Marktposition des Unter-

nehmens in seinem Produktsegment, die engen Kundenbeziehungen und auch die

Erwartungen der Kunden an innovative Lösungen aus der Optikbranche begrenzen

das Risiko der Firma mit seinen kostenintensiven Innovationen am Markt zu schei-

tern.

Bemerkenswert an der Erfolgsgeschichte des Optikunternehmens ist die hohe Inno-

vationskraft trotz knapper Personalressourcen im FuE-Bereich. Nur drei Personen

sind allein mit Entwicklungsaufgaben befasst. Bedarfs- und projektbezogen werden

noch Ingenieure vor allem aus der Arbeitsvorbereitung und den Fertigungsbereichen

für Innovationsaufgaben hinzugezogen. Der Geschäftsführer schätzt den über die

verschiedenen Abteilungen verteilten Arbeitsaufwand für Entwicklungsaufgaben auf

sieben bis acht Vollbeschäftigungseinheiten. Insgesamt sind 13 Personen, also ca.

ein Sechstel der Belegschaft, ingenieurwissenschaftlich qualifiziert. Dominiert wird

die Beschäftigtenstruktur aber klar von gewerblichen Fachkräften. Die marktseitigen

Funktionsbereiche sind knapp gehalten. Es ist die Geschäftsführung aus drei Perso-

nen, die den Hauptanteil der Marktarbeit schultert.

Knappe Personalressourcen für Entwicklung auf der einen Seite und Marktarbeit auf

der anderen Seite werden nicht als Engpassfaktoren angesehen. Hierfür sind zwei

Sachverhalte ausschlaggebend. Nicht nur die Akteure aus dem engeren Entwick-

lungsbereich sind mit den fachlichen Anforderungen der Innovationstätigkeit aufs

engste vertraut. Ein Fertigungsleiter etwa war bei Zeiss an führender Stelle in der

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Entwicklung tätig. Im Unternehmen sind hochqualifizierte Spezialisten mit Wurzeln in

den Zeisstraditionen vereinigt. Noch wichtiger für das hohe FuE-Potenzial sind aber

die engen und weit verzweigten Kooperationsbeziehungen mit wissenschaftlichen

Einrichtungen, die dem Unternehmen einen breiten Zugriff auf externes Wissen er-

möglichen. Dabei tritt der Optikhersteller nicht nur als Empfänger von wissenschaftli-

chem Know-how auf, sondern nimmt eine starke Position als Partner wissenschaftli-

cher Einrichtungen und anderer Technologieunternehmen ein. Die Beziehungen

„funktionieren nicht als Einbahnstraße, sondern es werden mit der jeweiligen Einrich-

tung Aufgaben in Kooperation gelöst.“

So wurden gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Fein-

mechanik viele innovative Produkte entwickelt. Darüber hinaus arbeitet das Unter-

nehmen mit dem IOM in Leipzig und der TU Dresden zusammen, wie auch mit Jen-

optik- und Zeissfirmen. Die Kooperationsbeziehungen zeichnen sich durch einen

Wechsel zwischen Auftragnehmer- und Auftraggeberpositionen aus. So hat man

selbst Aufträge etwa auf dem Gebiet der Schichtentwicklung vergeben, die, so der

Geschäftsführer „für uns oder auch bei uns im Hause in Gemeinschaftsarbeit reali-

siert worden sind“. In einem vom Land geförderten FuE-Projekt (Mikroarchivierungs-

system) hat die Firma Bauelemente für das Fraunhofer Institut gefertigt, die dann bei

Jenoptik weiter bearbeitet wurden. Kurz: Die Firma erlangt ihre starken Innovations-

potenziale nicht zuletzt dadurch, dass man sich souverän in einem leistungsfähigen

und komplexen Netzwerk bewegt, das FuE-Leistungen und hochwertige Produktion

miteinander verknüpft. Darüber hinaus ist das Unternehmen auch im OptoNet aktiv,

dessen Bildungsangebote und Marktaktivitäten genutzt werden. Auf ausgeprägte re-

gionale Einbettungsaktivitäten verweisen darüber hinaus das Engagement in der

IHK, die Anstrengungen in der Ausbildung von Facharbeitern und das Angebot von

Praktikumsplätzen an Studierende.

Die mit Kunden und Kooperationspartnern eng abgestimmten Entwicklungs- und

Produktionsleistungen finden in einer durch starke soziale Kohäsion geprägten Be-

triebskultur statt. Kommt den Ingenieuren und Naturwissenschaftlern eine Schlüssel-

stellung für die Innovationskraft zu, so gilt für die hoch qualifizierten Facharbeiter,

dass sie die hohen Qualitäts- und Präzisionsanforderungen bei der Produktion be-

wältigen müssen. Auch dies ist eine Schlüsselvariable für den Unternehmenserfolg.

Den Beschäftigtengruppen wird eine hohe Wertschätzung entgegengebracht. Face-

to-Face-Beziehungen spielen dabei eine große Rolle. So begrüßt der Geschäftsfüh-

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rer die Mitarbeiter zu Beginn der Frühschicht an den Arbeitsplätzen per Handschlag.

Familienfreundliche Arbeitszeiten, gerade um den Bedürfnissen der vielen weiblichen

Beschäftigten Rechnung zu tragen, ein vertrauensbasiertes, kontrollarmes und dis-

kursives Arbeitsklima und nicht zuletzt auch hohe Gehälter, die dem westdeutschen

Metalltarif entsprechen, zeigen, dass die Wertschätzung für die Beschäftigten organi-

satorisch und materiell ihren Niederschlag findet. Im Gegenzug wird von den Be-

schäftigten ein hohes Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft zur Erfüllung von

zeitlich knapp bemessenen Projektfristen erwartet und auch erbracht. Über Rezipro-

zizätsnormen hinaus stellt auch der Arbeitsstolz eine wichtige Ressource für eine

hohe Leistungsbereitschaft der Beschäftigten dar.

5.3 Trumpf Medizin Systeme GmbH

Beim dritten Fallbeispiel handelt es sich um einen Hersteller von Medizintechnik mit

derzeit etwa 270 Beschäftigten. Im Unterschied zu den anderen beiden exemplarisch

beleuchteten Unternehmen befindet sich die thüringische Firma in westdeutschem

Eigentum. Sie ist Teil der Medizintechniksparte eines großen westdeutschen Ma-

schinenbauunternehmens. Den Schwerpunkt der Produktion bilden Operationstische

und generell Lagerungssysteme für Patienten, die modular, in hochwertiger Serien-

fertigung, zu einem beträchtlichen Umfang für den internationalen Markt hergestellt

werden. Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ist gut bis sehr gut.

Weichenstellungen für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung konnten frühzei-

tig, und zwar mehrere Jahre vor der Übernahme durch das westdeutsche Unterneh-

men im Jahre 1998, vorgenommen werden. Die Firma entstand 1991 als Ausgrün-

dung aus den Zeissbeständen. Kennzeichnend ist eine recht kontinuierliche Auf-

wärtsentwicklung, die durch ein, wie Ingenieure berichteten, großen ‚Pioniergeist’ bei

der Entwicklung der Produktpalette und der Markterschließung sowie durch die fi-

nanzielle Unterstützung eines westdeutschen Investors ermöglicht wurde. Um Impul-

se für die Ausgestaltung des Produktspektrums zu erhalten, ging man nicht nur auf

die Kunden zu, sondern verschaffte sich tief gehenden Einblick in deren Arbeitsab-

läufe und Aufgabenstellungen. „Um das Metier kennen zu lernen, waren wir ein Vier-

tel Jahr im Krankenhaus“ schilderte der Geschäftsführer das Vorgehen. 1995 war die

Konsolidierung erreicht: Die Firma schrieb erstmals schwarze Zahlen und war mit

einem High-end – Erzeugnis, einem Operationstisch, auf dem Markt. Ab diesem Zeit-

punkt konnte man bis heute den Umsatz verdoppeln.

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Die Position der Firma im Mutterkonzern ist keineswegs die einer verlängerten Werk-

bank. Eine große Rolle spielen auch nach der Übernahme durch den westdeutschen

Eigentümer eigenständige FuE – Aktivitäten. Das Verhältnis der FuE – Aufgaben

zum Umsatz liegt bei ca. 10 %. Der Beschäftigtenanteil von FuE-Personal beläuft

sich auf 14 %. Die Marktaktivitäten für die eigenen Produkte werden freilich nicht in

vollem Umfang vom ostdeutschen Unternehmen getätigt. Der Vertrieb der Produkte

wurde innerhalb der Medizinsparte konzentriert. Er ist bei der Schwesterfirma ange-

siedelt, die ihrerseits ergänzende Produkte produziert und in den Markt bringt. Im

Gegenzug wird der After-Sales-Service für beide Produktlinien im Thüringer Betrieb

verantwortet. Die große Bedeutung von Kundennähe bei der Entwicklung und Ges-

taltung der Erzeugnisse sowie auch die Wahrnehmung von Servicefunktionen lassen

den Marktaktivitäten einen hohen Stellenwert zukommen. Es gibt enge Kooperati-

onsbeziehungen mit dem Vertriebsbereich des Mutterhauses.

Das Spektrum der Produktinnovationen bewegt sich zwischen kontinuierlichen Ver-

besserungen an bestehenden Produkttypen bis hin zur Entwicklung von Marktneu-

heiten. Beide Arten von Innovationen sind in etwa gleichgewichtiger Bestandteil der

Innovationsstrategien, wobei die Anwendungsmöglichkeiten der Kunden einen hohen

Stellenwert als Impuls für die Innovation haben. Bei den auf Produktfamilien bezoge-

nen inkrementellen Innovationen sind es vor allem neu entwickelte Module, die den

Kunden die Einführung neuer Methoden, beispielsweise im Bereich minimal invasiver

Chirurgie, ermöglichen. Während die an den vorhandenen Baureihen vorgenomme-

nen Neuerungen vom Geschäftsführer unter der Rubrik „Bekanntes verbessern“ ver-

bucht wurde, werden auch „neue Lösungen entwickelt, die in dieser Form im Markt

noch nicht vorhanden sind.“ Zentral dabei ist, dass die von der Firma entwickelten

Marktneuheiten es den Anwendern ermöglichen, grundlegend neue Aufgaben im Kli-

nikalltag zu erfüllen. Beispielhaft hierfür steht die Entwicklung eines neuen flexiblen

Systems für den innerklinischen Patiententransport. Durch die Integration neuester

Technologien – etwa aus dem Bereich der Ophtalmologie – in die Produkte kommt

es auch zu Technologiesprüngen, die in die Herstellung von grundlegenden Neue-

rungen für den Markt münden.

Die Impulse für Innovationen kommen zum einen von den engen Kundenkontakten,

den, wie befragte Ingenieure sich ausdrückten „Praxiserfahrungen direkt aus den

OPs“ und zum anderen von umfassenden Marktstudien und Wettbewerberverglei-

chen. Die strikte Ausrichtung an Kundenbelangen und Marktanforderungen bei Neu-

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entwicklungen geht mit einem vorsichtigen Innovationsstil der Ingenieure einher. An-

wender der Produkte sollen nicht durch überkomplexe Neuerungen überfordert wer-

den, weshalb ein einfaches Handling der Geräte möglich sein sollte. Der Grundsatz

lautet: OP-Tische müssen als OP-Tische für die Anwender erkennbar bleiben. ‚Evolu-

tionäre’ Veränderungen können, darauf verwiesen befragte Ingenieure, im Laufe der

Jahre zu einem umfassenden Re-Design von Produkttypen führen, die aufgrund

neuer Anwendungsmöglichkeiten Alleinstellungsmerkmale auf dem Markt verschaf-

fen. Eine klare Unterteilung in inkrementelle und grundlegende Neuerungen ist vor

diesem Hintergrund aus Sicht der Ingenieure nicht möglich.

Geschäftsführung, Produktmanagement, Entwicklung, Applikationsmanagement und

Kundenmanagement sind dafür zuständig, Erkenntnisse über Markt- und Kunden-

wünsche und im Betrieb entstandene Ideen zu bündeln, Produktstrategien zu disku-

tieren und Entwicklungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Die Organisationsform

von Entwicklungsmaßnahmen weist ein recht hohes Maß an Formalisierung auf. Der

Weg von der Idee bis hin zur marktreifen Entwicklung und Konstruktion ist klar struk-

turiert durch umfassende Strategieberatungen, Workshops der Produktlinien, Road-

maps, Meilensteine und Budgets. Zur Bearbeitung von Entwicklungsprojekten ist eine

Funktionsgruppen übergreifende Matrixorganisation eingeführt worden. Die Organi-

sationsform wurde eingeführt, um die mit dem Abteilungswachstum angestiegene

Komplexität der Abläufe besser zu bewältigen und die Durchlaufzeiten bei Entwick-

lungsmaßnahmen zu verkürzen. Man erwartet effizientere Kommunikationsstränge,

einen schnelleren Zugriff auf Personalressourcen und klarere Verantwortlichkeiten.

In das Innovationsgeschehen ist über den Kernbereich Entwicklung und kundennahe

Funktionen hinaus auch die Fertigung einbezogen. Informationen aus den produzie-

renden Bereichen über produktionstechnische Anforderungen und Spielräume für die

Herstellung neuer Produkte („was ist mit den Maschinen machbar?“) geben wichtige

Impulse für die konstruktive Gestaltung der Produkte. Im Rahmen der Matrixorgani-

sation von Entwicklungsprojekten wird im Bedarfsfall auch auf Personal aus der Fer-

tigung zurückgegriffen. Darüber hinaus ist die Fertigung Gegenstand von Verfahrens-

innovationen bei der Herstellung von Baugruppen und auch organisatorischen Inno-

vationen, die der Effizienzsteigerung dienen. Zu nennen sind dabei Maßnahmen zur

Verknüpfung von Einzelfertigung und Fließfertigung sowie auch die Organisation der

Produktionsprozesse nach Produkten. Verbesserungsvorschläge aus der Fertigung

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werden im Unternehmen gefördert und aufgegriffen. Insofern umfasst das Innovati-

onsgeschehen den gesamten Betrieb.

Die Liste der Kooperationspartner im Entwicklungsbereich ist lang und umfasst Uni-

versitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Kliniken und Unternehmen,

wobei sowohl groß dimensionierte – öffentlich geförderte – Verbundprojekte als auch

kleinere, vom thematischen Umfang begrenzte Fachkooperationen durchgeführt

werden. Das im Rahmen eines Verbundprojektes generierte Wissen und Handlungs-

repertoire für genaue Positionierungen von Patienten will die Firma zur Entwicklung

einer „völlig neuen Liegengeneration“ nutzen. Gleichwohl werden die bisherigen Er-

fahrungen in der Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen nicht durchgängig

als positiv beurteilt. Vor allem bei den Universitäten werden zu lange Zeithorizonte

sowie eine zu geringe Transparenz und Offenheit nach Außen bemängelt. Besser in

der Bewertung schneiden die außeruniversitären Einrichtungen ab. Die Anforderun-

gen für den Betrieb, sich trotz der Belastungen im Alltagsgeschäft auf dem neuesten

wissenschaftlichen und technischen Stand zu halten, schätzt der Geschäftsführer als

hoch ein. Dabei gehe es darum, gezielt auf wissenschaftliche Partner zugehen zu

können, und auch ein ernst zu nehmender Partner für diese Einrichtungen zu sein.

Kooperationen mit Hochschulen dienen auch dazu, an hochqualifizierte Nachwuchs-

kräfte zu kommen. Die Firma vergibt Diplomarbeiten und stellt Praktikumsplätze zur

Verfügung, präsentiert sich auf Hochschulveranstaltungen und schreibt Stellenange-

bote in Hochschulen aus. Generell setzt man in der Personalpolitik auf eine ausge-

wogene Altersstruktur, die zum einen auf die Ausbildung und Integration junger

Fachkräfte setzt, zum anderen aber auch auf den Erfahrungsschatz älterer Mitarbei-

ter. Der relativ hohe Formalisierungsgrad in den betrieblichen Strukturen findet in

differenzierten Anreizformen für Neuerungen aus den Reihen der Beschäftigten sei-

nen Niederschlag. Es gibt ein betriebliches Vorschlagwesen, „großzügige und unbü-

rokratische Honorierungen“ von Patenten und nicht zuletzt auch Partizipationsange-

bote in Gestalt von betrieblichen Foren, auf denen neue Ideen vorgestellt und disku-

tiert werden können. Dies findet seine Entsprechung in den Ergebnissen einer Be-

schäftigtenbefragung: Die Möglichkeiten, eigene Fähigkeiten in die Arbeit einzubrin-

gen, die Gestaltungsspielräume bei der Arbeit und auch die Anerkennung der Leis-

tung, werden gerade von den Ingenieuren als sehr gut eingeschätzt. Der betriebli-

chen Innovationskultur kommt dies zu Gute. Die bei der Befragung ebenfalls zum

Vorschein kommende Unzufriedenheit mit der Weiterbildung im Betrieb deutet aber

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ebenso wie das Eingeständnis eines leitenden Ingenieurs von ‚Reserven’ auf diesem

Gebiet auf personalpolitischen Handlungsbedarf hin. Die im Betrieb vorhandene

Qualifizierungsmatrix, die Bedarf feststellen soll, findet offenbar keinen hinreichenden

Niederschlag in der Praxis.

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6 Zur Rolle von Netzwerken für die Stabilisierung und Entwick-lung betrieblicher Erfolgsfaktoren

Auch wenn die kleinen und mittleren ostdeutschen Betriebe ihre internen Ressourcen

an Know-how und qualifizierten Fachkräften für ihr Innovationshandeln gut aus-

schöpfen, der Rückgriff allein auf knappe ‚Bordmittel’ reicht nicht immer aus, um die

Anforderungen komplexer Innovationsprozesse zu bewältigen. Die Betriebe benöti-

gen hierzu Zugriffsmöglichkeiten auf externe Ressourcen. Über die enge Zusam-

menarbeit mit Kunden hinaus hat der Aufbau von Kooperationsbeziehungen und

Netzwerken mit anderen Unternehmen sowie nicht zuletzt auch mit wissenschaftli-

chen Einrichtungen einen hohen Stellenwert bei der Erhöhung der Handlungsfähig-

keit der Firmen auf den Märkten.

In einer Vielzahl wissenschaftlicher Beiträge wird Netzwerken ein entscheidender

Stellenwert als Sozialform für die Organisation von Innovationen in kooperativen Be-

ziehungen beigemessen (Rammert 1997: 399, Hessinger 2001, Braun-Thurmann

2005: 68). Netzwerke bündeln Ressourcen über die Grenzen von Organisationen

hinweg. Für die Mitglieder wird damit ein verbesserter Marktzugang, Know-how-

Zuwachs durch kooperative Lernprozesse, Kostenersparnis durch Zusammenlegung

von FuE-Aktivitäten und Risikominderung bei Innovationen ermöglicht (Powell/Smith-

Doerr 1994: 382 ff., Kowol/Krohn 1997: 52 ff.)

Gemäß der Definition von Sydow gehen in Netzwerken rechtlich selbständige Unter-

nehmen reziproke und kooperative Beziehungen miteinander ein (Sydow 1992: 82).

Vertrauen, Selbstverpflichtung mit Verzicht auf opportunistische Vorteilsnahmen, Ver-

lässlichkeit, Verhandlung oder auch die Dauerhaftigkeit des Beziehungszusammen-

hangs werden in der facettenreichen wissenschaftlichen Diskussion als Merkmale

von Netzwerkbeziehungen angeführt. Ins Blickfeld geraten aber auch die Relevanz

von Machtprozessen und Dominanzbeziehungen ebenso wie die von Konkurrenzbe-

ziehungen in Netzwerken (siehe dazu Sydow/Windeler 1999: 11 ff., Semlinger 2000:

126, Powell/Smith-Doerr 1994: 376 ff.). Die hier angesprochenen Eigenschaften von

Netzwerkbeziehungen müssen in ihrer spezifischen Ausformung und Gewichtung

Gegenstand konkreter Netzwerkuntersuchungen sein.

Ein hohes Maß an Vernetzung zwischen den Akteuren zeichnet historisch gewach-

sene, regionale Systeme der Innovation aus (Braun-Thurmann 2005). Sie sind ge-

prägt durch die geographische Konzentration von miteinander im Austausch stehen-

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den Unternehmen und Institutionen eines bestimmten Wirtschaftszweigs, durch quali-

fizierte Fachkräfte, branchenspezifische Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen

und schließlich durch persönliche Kontakte zwischen den Akteuren. Dies zusammen

ermöglicht eine schnelle Diffusion von Wissen innerhalb der Region (Porter 1991:

100, Freeman 1995: 21, Lundvall 2002 54 ff.).

Trotz bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Industrietraditionen müssen sich sol-

che leistungsfähigen Industriedistrikte in Ostdeutschland erst etablieren. In einigen

Regionen gibt es hierfür allerdings gute Anknüpfungspunkte in Gestalt von bran-

chenspezifisch qualifizierten Arbeitskräften, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtun-

gen und vielfältigen Kooperationsbeziehungen zwischen den Akteuren. Die Optikre-

gion Jena z.B. schickt sich, was im anschließenden Kapitel näher beleuchtet wird,

bereits an, auf Basis ihrer Branchentraditionen und der erfolgreich verlaufenen Reor-

ganisationsprozesse nach der Wende zu einem leistungsfähigen Industriedistrikt zu

werden.

Um die vorhandenen wirtschaftlichen Potenziale in den ostdeutschen Betrieben und

Regionen zu bündeln und auszubauen und um die Herausbildung leistungsfähiger

Industriedistrikte zu unterstützen, kommt dem Aufbau strategischer sowie auch hete-

rogener Netzwerke eine hohe Bedeutung zu. Bei den strategischen Netzwerken do-

minieren vielfach fokale Unternehmen, die die Netzwerke zum Aufbau eines pass-

förmigen Unternehmensumfelds initiieren (Sydow 1992: 82, Braun-Thurmann 2005:

71). Ein Beispiel hierfür bildet die sächsische Automobilindustrie (Eichhorn 1997: 155

ff.). Unter den Begriff heterogener Netzwerke fallen diejenigen Zusammenschlüsse,

die neben Unternehmen vor allem wissenschaftliche Einrichtungen in die Netzwerke

einbinden und durch öffentliche Wirtschaftsförderung unterstützt werden. Die staatli-

che Förderung ist dabei von einem kooperativen und nicht dirigistischen Selbstver-

ständnis geprägt (Braun-Thurmann 2005: 74 ff., Dolata 2004: 23 ff.). Die Bedeutung

derartiger Vernetzungen ist für Ostdeutschland gerade in Anbetracht der Knappheit

an großen und fokalen Unternehmen als recht hoch zu veranschlagen, was sich

auch bei der staatlichen Förderung nicht zuletzt im Bereich Wissenschaftstransfer

positiv auswirkt. Die Unterstützung des Aufbaus und der Organisation von Netzwer-

ken gilt als ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument des ‚Aufbau Ost’.

Zunächst werden bei den nun folgenden Ausführungen Ergebnisse aus schriftlichen

Unternehmensbefragungen in Südwestsachsen, in Brandenburg und in der Optikin-

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dustrie Thüringens präsentiert. Dabei geht es darum darzustellen, wie groß die Betei-

ligung ostdeutscher Firmen an Netzwerken ist und inwiefern sich in Netzwerke ein-

gebundene Firmen in ihrer wirtschaftlichen Situation und in Bezug auf Innovation un-

terscheiden. Schließlich werden die Präferenzen der Firmen im Hinblick auf Arbeits-

felder von Netzwerken beleuchtet.

Danach werden drei Netzwerke, das OptoNet in Jena, der Interessenverband Chem-

nitzer Maschinenbau e.V. (ICM) in Chemnitz und das Kunststoffnetzwerk Micro-

mold.net in Ostthüringen vorgestellt. Es handelt es sich dabei um Netzwerke, in de-

nen Industrie, Wissenschaft und öffentliche Hand zusammenwirken. Untersucht wer-

den in diesem Zusammenhang Strukturen, Dominanz- und Konkurrenzbeziehungen

sowie die Arbeitsweise der Netzwerke in Bezug auf den jeweiligen Branchen- und

regionalen Kontext.

6.1 In Netzwerken sind vor allem innovative Firmen aktiv

Von einem Run der Firmen auf Netzwerke kann nicht die Rede sein. Firmen, die sich

zur Mitarbeit in Netzwerken bekennen, bilden eine Minderheit. Bei den Befragungen

in den Regionen Brandenburg und Südwestsachsen geben jeweils rund ein Drittel

der Unternehmen an, in Netzwerken tätig zu sein. Genannt werden dabei vor allem

Branchenzusammenschlüsse, technologische Kooperationsverbünde oder auch die

Mitarbeit in Förderprogrammen sowie auch Mitgliedschaften in Verbänden. Der Beg-

riff Netzwerk wird somit eher breit verwendet. Dies und der Umstand, dass die Befra-

gungsergebnisse aus eher ‚vernetzungsfreundlichen’ Regionen und Branchen stam-

men, sind die Gründe für einen Organisationsgrad in Netzwerken, der über den Wer-

ten von Fraunhofer ISI liegt. Fraunhofer kommt für Ostdeutschland insgesamt auf

einen Anteil von 23 % in Netzwerken mitarbeitenden Unternehmen (Eggers/Kinkel

2005, siehe auch Beitrag auf dem Projektworkshop).

Bei der Mehrheit nicht in Netzwerken organisierter Firmen herrscht weniger eine

grundsätzliche Ablehnung als vielmehr Skepsis gegenüber netzwerkförmigen Ar-

beitszusammenhängen vor. Viele der Firmen sehen von den ihnen bekannten Netz-

werken keine Impulse für sich ausgehen oder zeigen sich unschlüssig bezüglich der

Relevanz von solchen Zusammenschlüssen. Es ist auch nicht davon auszugehen,

dass es sich bei Nicht-Netzwerkmitgliedern um Firmen handelt, die sich gegenüber

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externen Kooperationen verschließen und einen isolationistischen Kurs fahren6. Mit

Blick speziell auf innovative Firmen gilt: Fast alle der Firmen, die wir näher untersucht

haben, gehen mehr oder weniger enge Kooperationsbeziehungen ein. Aber dies läuft

nicht unbedingt auf ein Bekenntnis zur Mitarbeit in Netzwerken hinaus7.

In den ökonomisch starken Ballungsräumen der Automobilindustrie und des Maschi-

nenbaus in Südwestsachsen, wie auch in der optischen Industrie Thüringens, sind es

in überdurchschnittlichem Umfang die aufstrebenden Unternehmen, die sich in Netz-

werken zusammenfinden (vgl. Abb. 6). In Südwestsachsen sind Erfolgsunternehmen

mit guter, wenn nicht sogar sehr guter Geschäftssituation und positiven Umsatzer-

wartungen zu 34 % in Netzwerken organisiert8. Bei der Gesamtheit der dort befrag-

ten Unternehmen sind es nur 30 %. Das OptoNet Thüringen ist in noch höherem

Maße Anziehungspunkt für Unternehmen auf dem Wachstumspfad: Erfolgsfirmen

sind zu 42 % in Netzwerken organisiert, im Durchschnitt aller Unternehmen liegt die-

ser Wert lediglich bei 32 %.

In Brandenburg besteht hingegen kein Zusammenhang zwischen Unternehmenser-

folg9 und Netzwerkmitgliedschaft. Erfolgsunternehmen sind mit 37 % genauso stark

in Netzwerken organisiert wie die Gesamtheit der befragten Industriefirmen. Es gibt

dort keine derart räumlich verdichteten, branchenspezifischen Kooperationsstruktu-

ren wie etwa im Chemnitzer Maschinenbau oder in der Thüringer Optik, auf denen

gerade leistungsfähige Netzwerke gleichsam aufsitzen können10. Dies könnte den

‚Mehrwert’ von regionalen Netzwerkbeziehungen im Vergleich zu bilateralen Koope-

rationsaktivitäten mit ausgewählten Partnern schmälern und umgekehrt auch dazu

führen, dass Netzwerke für erfolgreiche Firmen nicht besonders attraktiv sind. Netz-

werkbildungen können auch der mehr oder weniger taugliche und zielgerichtete Ver-

such sein, um bei ökonomischen Problemen Abhilfe zu schaffen.

6 In einem offenen Interview antwortete beispielsweise ein Unternehmer auf die Frage nach einer Mitgliedschaft in einem

Netzwerk, dass Netzwerk als Begriff übertrieben sei. Aber man habe lange gewachsene Beziehungen zu Firmen, zu Unis und zu Fraunhofer.

7 Aus dem strukturanalytischen Blickwinkel von Krätke und Scheuplein (2001) können sich aus solchen Kooperationsformen zumindest Elemente von regionalwirtschaftlich relevanten Netzwerk- und Clusterprozessen ergeben.

8 Der Zusammenhang wird noch deutlicher, wenn man die Erfolgsfirmen mit Firmen kontrastiert, die allenfalls ihren Bestand sichern (höchstens befriedigende Geschäftssituation und höchstens konstante Umsätze). In diesen Betriebssegmenten orga-nisieren sich lediglich 25 % der Firmen in Netzwerken.

9 Den Indikator für Erfolg bildet eine mindestens gute Geschäftssituation und die Erwartung steigender Umsätze. 10 Das Fraunhofer Institut für Produktions- und Anlagentechnik zeigt dies für Brandenburg anhand der Maschinenbau- und

Fahrzeugbranche (IPK 2005).

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Abb. 6: Mitarbeit in Netzwerken (Anteile in %)

3032

3734

41

37

FK Studie ChemnitzZwickau (N=340)

FK Studie Optik Thüringen(N=145)

FK Studie Brandenburg(N=210)

Gesamt

Erfolgsunternehmen

Quelle: Fachkräfte-Studien in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, 2004/2005

Die bis hierhin präsentierten Zahlen zur Organisierung ostdeutscher Firmen in Netz-

werken lassen es gewiss nicht zu, die Bildung von solchen Zusammenschlüssen als

Königsweg zum Erfolg zu deklarieren. Aber der Befund, dass in ökonomisch verhält-

nismäßig starken Regionen gerade erfolgreiche Unternehmen in Netzwerken aktiv

sind, deutet auf die Vorteile hin, die sich ergeben, wenn man die eigene Organisation

gegenüber einem leistungsfähigen und passförmigen ökonomischen und infrastruktu-

rellen Umfeld öffnet.

Technologie sowie FuE-Aktivitäten stehen gerade bei den erfolgreichen Betrieben

oben auf der Prioritätenliste der in Netzwerken zu bearbeitenden Bereiche. Als Ko-

operationsfelder sind für die befragten Unternehmer darüber hinaus auch Aktivitäten

im Bereich Bildung und Personal, gemeinsame Interessenvertretung und Lobbyarbeit

nach außen und mit einigem Abstand dahinter Markterschließung und Einkauf rele-

vant.

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Abb. 7: Von Firmen gewünschte Arbeitsfelder von Netzwerken, (Anteile in %, N=340)

42 42

36

27

57

49

37

20

FuE Bildung/Personal Interessenvertretung Vermarktung

Gesamt

Erfolgsunternehmen

Quelle: Fachkräfte-Studie Wirtschaftsregion Chemnitz Zwickau, 2005

Es gibt einen engen Zusammenhang von Netzwerkmitgliedschaft und Innovativität.

Firmen, die in Netzwerken mitarbeiten, sind sowohl im Bereich Produktinnovation als

auch im Bereich Verfahrensinnovation deutlich aktiver als die anderen Firmen (vgl.

Abb. 7). In Südwestsachsen z.B. sind Netzwerkmitglieder zu 67 % mit der Entwick-

lung neuer Produkte beschäftigt, ‚Nicht-Netzwerker’ demgegenüber nur zu 53 %.

Noch deutlicher ist die Diskrepanz bei Verfahrensinnovationen. Die Entwicklung neu-

er Herstellungsverfahren und neuer Technologien treiben 58 % der ‚Netzwerker’ aber

nur 32 % der nicht in Netzwerken eingebundenen Firmen voran. Es besteht also eine

regelrechte Kluft zwischen ‚Netzwerkern’ und ‚Nicht-Netzwerkern’. In den folgenden

Netzwerkfallstudien wird deutlich, dass die Netzwerkarbeit eine Schwerpunktsetzung

auf Technologie beinhaltet.

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7 Netzwerkfallstudien

7.1 Aufbau und Struktur der Netzwerke

Im Rahmen des Projekts wurden drei Netzwerke näher beleuchtet. Es handelt sich

dabei um den Interessenverband Chemnitzer Maschinenbau e.V. (ICM), der 64 Un-

ternehmen aus dem Maschinenbaubereich zusammenschließt, um das OptoNet Thü-

ringen mit 70 Mitgliedern aus der optischen Industrie und um das kleine Netzwerk

mikromold.net, das insgesamt 14 Mitglieder umfasst und in der Kunststofftechnologie

aktiv ist. In allen drei Netzwerken dominieren klar die Industriefirmen. Wissenschaftli-

che Einrichtungen und branchennahe Dienstleister sind jedoch auch in den Netzwer-

ken vertreten. Öffentliche Förderungen von Netzwerkaktivitäten in Form von Projekt-

förderungen und auch Managementhilfe spielen eine große Rolle für die Stabilisie-

rung der auf Initiative von Branchenfirmen gegründeten Zusammenschlüsse. Die

Hauptakzente der Netzwerktätigkeiten liegen jeweils im Themenfeld Technologie-

entwicklung. Vor allem in den beiden größeren Netzwerken haben darüber hinaus

auch die Themenfelder Personal und Organisation, Lobbyarbeit sowie auch Vermark-

tung eine beträchtliche Bedeutung.

Die starke Orientierung auf Technologie geht einher mit der Ausrichtung der Netz-

werke entlang der Wertschöpfungskette. Die Schlagkraft der Zusammenschlüsse soll

durch Kooperationsaktivitäten verbessert werden, die alle Glieder der Wertschöp-

fungskette erfassen. Dabei geht es um die Bündelung und Weiterentwicklung der

über die Prozessstufen verteilten Kompetenzen im Bereich Technologieentwicklung.

In den großen Netzwerken ist es gelungen, die vollständige Wertschöpfungskette im

Netzwerk zu vereinigen. Im kleinen Kunststoffnetzwerk hingegen blieb insbesondere

bei marktnahen Stufen eine Lücke.

Neben der vertikalen Ausrichtung der drei Netzwerke gibt es aber auch eine horizon-

tale Ebene: Einige Mitgliedsfirmen in den drei Netzwerken operieren auf der gleichen

Stufe der Wertschöpfungskette. Was dies im Hinblick auf Konkurrenzen und deren

netzwerkinterne Regulierung bedeutet, wird noch näher zu beleuchten sein.

Ein wichtiger Unterschied zwischen den Netzwerken besteht in den ökonomischen

Konstellationen, unter denen die Netzwerke arbeiten und die die Ausgestaltung des

Netzwerkhandelns stark prägen. Im Falle von ICM und OptoNet handelt es sich je-

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weils um Netzwerke aus Firmen, die in einer prosperierenden, regional kompakt auf-

gestellten Branche operieren.

Das kleine Kunststoffnetzwerk ist jedoch durch Firmen geprägt, die sich im Wesentli-

chen als Zulieferer für den deutschen Markt unter schwierigen wirtschaftlichen Be-

dingungen behaupten müssen. Für die Hersteller von Kunststoffteilen sowie Werk-

zeugen und Formen besteht ein erheblicher Kostendruck, der aus der Marktmacht

häufig großer Abnehmerfirmen resultiert. Hohe Gewinnmargen sind kaum zu erzie-

len. Die Netzwerkbildung konnte nicht auf engen räumlichen und branchenspezifi-

schen Verflechtungen zwischen Firmen ansetzen. Vielmehr war die Branche in den

90er Jahren stark in Kleinbetriebe zersplittert (Beyse/Möll 2000: 6 f.).

7.2 Keine ausgeprägten Dominanzbeziehungen in den Netzwerken

Anders als beispielsweise im Fall des auf das Fokalunternehmen VW zugeschnitte-

nen strategischen Netzwerks des Fahrzeugbaus Chemnitz, gibt es in den drei unter-

suchten Netzwerken zumindest keine ausgeprägten Dominanzbeziehungen. Im ICM

wie auch im Kunststoffnetzwerk sind KMU zusammengeschlossen, deren Einfluss-

chancen auf die Netzwerkarbeit in etwa gleichgewichtig sind. In den Gesprächen mit

Experten und Netzwerkmitgliedern kam jeweils zum Ausdruck, dass sich die Mit-

gliedsfirmen auf der Basis von Projektideen und -interessen zusammenschließen. Es

gibt keinen ‚Kontraktionszwang’, der im Hinblick auf die Teilnahme an bestimmten

Netzwerkaktivitäten von ökonomisch starken gegenüber schwächeren Mitgliedern

ausgeübt wird. Das jeweilige Interesse der Firmen an der Sache, der Bedarf, be-

stimmte Themen mit anderen ebenfalls interessierten Firmen gemeinsam zu bearbei-

ten, reguliert die Netzwerkaktivitäten.

Im OptoNet ist in Anbetracht der Mitarbeit großer Unternehmen wie Zeiss und Jenop-

tik die Sachlage komplizierter: Die Mehrheit der Netzwerkmitglieder geht von glei-

chen Einflusschancen der Firmen auf die Netzwerkarbeit aus. Die mit knapp 40 %

relevante Minderheit von Firmen, die eine Vormachtstellung der ‚Großen’ im Netz-

werk konstatiert, geht freilich nicht von krassen Machtasymmetrien aus. Man ist mit

den als qualitativ hochwertig eingeschätzten Aktivitäten zufrieden und sieht sich in

seinen Belangen durch das Netzwerk gut vertreten.

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7.3 Konkurrenzbeziehungen zwischen Netzwerkfirmen sind in ihrer Sprengkraft

entschärft

Konkurrenzbeziehungen zwischen Mitgliedsfirmen haben eine Sprengkraft für den

Zusammenhalt von Netzwerken. Kooperation kann in solchen Fällen durch opportu-

nistische Strategien, Informationszurückhaltung, Vorteilsnahmen und Konflikte um

die Nutzung von Know-how untergraben werden. Strukturell weisen die untersuchten

Netzwerke allerdings gute Voraussetzungen auf, die Brisanz von Konkurrenzen zu-

mindest zu entschärfen. Die vertikale Ausrichtung entlang der Wertschöpfungskette

spielt dabei eine große Rolle. Hinzu kommt dann noch die produktspezifische Spe-

zialisierung. Selbst wenn Firmen auf der selben Stufe der Wertschöpfungskette agie-

ren, bestehen keine Konkurrenzen, sofern die Firmen in unterschiedlichen Produkt-

segmenten tätig sind.

Dies gilt in hohem Maße für den ICM. Die Chemnitzer Maschinenbaubranche wies

bereits zum Zeitpunkt der Gründung des Netzwerkes eine derart große Palette unter-

schiedlicher Produkte auf, dass die direkte Konkurrenz der einzelnen Firmen gering

war, was über Technologiekooperationen auch gemeinsame Marktaktivitäten be-

günstigt (Behrens 1995: 61 f.). Auch im OptoNet führt die Spezialisierung zu einer

nicht allzu dramatischen Konkurrenzsituation zwischen Mitgliedsfirmen. So haben

Befragungen im OptoNet aus dem Jahr 2003 ergeben, dass lediglich 30 % der Fir-

men der Konkurrenz zwischen Mitgliedern eine Bedeutung beimessen und dies im

Hinblick auf die Intensität auch nur eingeschränkt.

Im Kunststoffnetzwerk ist die Wettbewerbssituation ebenfalls von eher geringer Bri-

sanz. Die direkte Konkurrenz in der Produktpalette ist aufgrund der starken Bedeu-

tung vertikaler Bezüge auf einen kleinen Teil der Mitgliedsfirmen und auch dort nur

auf einige Produktsegmente begrenzt. Die vergleichsweise schwierige Marktsituation

in der Branche und die sehr dichten Kooperationsbeziehungen stellen allerdings hö-

here Anforderungen an das Handling der begrenzten Konkurrenzen als in den ande-

ren beiden Netzwerken. Darauf wird noch näher eingegangen. Zuvor jedoch ist ein

weiterer Faktor zu nennen, der bei allen drei Netzwerken entlastend auf Konkurren-

zen von Netzwerkmitgliedern wirkt: Die starke Ausrichtung auf vorwettbewerbliche

Aktivitäten im Bereich Technologieentwicklung.

Dabei wird kooperativ Wissen generiert, auf das die einzelnen Partner bedarfsbezo-

gen zurückgreifen können. In diesem Sinne gibt es keinen rivalisierenden Konsum.

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Wissen wird durch eine breite Nutzung nicht aufgezehrt sondern eher noch vermehrt.

Vom Zugewinn an Wissen können alle Partner gleichermaßen profitieren. Der Wett-

bewerb wird, was die Netzwerkpartner angeht, gleichsam auf eine höhere Stufe der

Expertise gehoben. Gegenüber Konkurrenten außerhalb des Netzwerks gewinnt man

einen Vorteil.

Für die Entstehung und die Entwicklungsdynamiken von Netzwerken sind jedoch

nicht allein strukturelle Bedingungen und individuelle Nutzenkalküle ausschlagge-

bend. Normative Gesichtspunkte und Vertrauen haben eine große Bedeutung, weil

sie für die Akteure Erwartungssicherheit schaffen. Man muss einen Vertrauensvor-

schuss aufbringen, dass z.B. die Informationen, die preisgegeben werden, nicht ge-

gen einen verwendet werden. Von den an den untersuchten Netzwerken beteiligten

Personen wurde die Redewendung, „die Chemie muss stimmen“ häufig vorgebracht.

Dies gilt in besonders hohem Maße bei sehr dichten Kooperationsbeziehungen, die

den Netzwerkpartnern einen recht tiefen Einblick in sensible Betriebsinterna ermögli-

chen.

7.4 Die Arbeitsweise der Netzwerke: Unterschiedliche Dichte der Kooperationsbe-

ziehungen

Das recht groß dimensionierte OptoNet ist durch eher lockere Kooperationsformen

geprägt, das den meist ökonomisch potenten Mitgliedern Foren zum Austausch von

Informationen und zum Erwerb neuen technischen Wissens anbietet. Eine wichtige

Arbeitsform stellt dabei die Durchführung von Workshops oder auch die Organisation

von Fachvorträgen dar. Hierin liegt nicht zuletzt der Part der im Netzwerk mitarbei-

tenden wissenschaftlichen Einrichtungen. Dichte und langwierige FuE-Kooperationen

spielen im Rahmen der Netzwerkarbeit keine Rolle. Für dichte Kooperationsbezie-

hungen bei FuE suchen sich die OptoNet-Mitglieder stattdessen gezielt ihre Partner

außerhalb der Netzwerkzusammenhänge. Von Bedeutung für die Netzwerkarbeit ist

auch die Interessenrepräsentanz der regionalen Branche.

Mit ihrer Ausrichtung auf nicht allzu dichte Kooperationszusammenhänge im Bereich

Technik und Lobbyarbeit trägt das Netzwerk den von den Mitgliedern artikulierten

Interessen Rechnung. Enge FuE-Kooperationen oder auch Markterschließungsaktivi-

täten würden, wie eine Mitgliederbefragung erbracht hat, bei einem beträchtlichen

Teil der Mitglieder auf Skepsis stoßen.

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Beim ebenfalls mitgliederstarken ICM spielen enge Kooperationsaktivitäten eine grö-

ßere Rolle. Das Netzwerk verfügt über recht umfangreiche Personalkapazitäten, die

zur Bearbeitung von FuE-Projekten und von Organisations- und Personalent-

wicklungsmaßnahmen herangezogen werden können. Die Fachexperten des Netz-

werks, zu einem großen Teil Ingenieure aber auch Organisationsfachleute, arbeiten

vor Ort in den Betrieben bei den häufig öffentlich geförderten Projekten der Mit-

gliedsbetriebe mit. Das Netzwerk führt dabei auch Aufgaben der Projektakquise und

des Projektmanagements durch. Damit hat das Netzwerk eine zentrale Position bei

den im Rahmen des Netzwerkes durchgeführten Kooperationen inne.

Thematisch stark fokussierte und zugleich außerordentlich dichte Kooperationsbe-

ziehungen sind im Kunststoffnetzwerk anzutreffen. Im Zentrum der Netzwerkaktivitä-

ten stand während der Erhebungen ein zweijähriges, öffentlich gefördertes FuE-

Projekt im Bereich der Spritzgießtechnik. Mit Hilfe von Simulationstechniken wurden

die Grenzen fertigungstechnischer Möglichkeiten für die Herstellung von Kunststoff-

teilen systematisch erfasst.11 Das Projekt diente der Diffusion von Hochtechnologie

im Bereich Präzisionskunststofftechnik in eine traditionelle, ‚bodenständige’ Indust-

riebranche. Treibende Kraft des Kooperationsprojektes waren industrielle Mittelständ-

ler, die ihre FuE-Ressourcen zusammenlegten, indem sie arbeitsteilig eng miteinan-

der verzahnt an Problemlösungen arbeiteten. Netzwerkmitglieder aus der Wissen-

schaft spielten in diesem Zusammenhang eine eher randständige Rolle. Mit ihrer O-

rientierung auf Grundlagenforschung standen die Forschungseinrichtungen und

Hochschulen den praktischen, empirisch-adaptiven Aktivitäten der Industriefirmen

und strikt anwendungsbezogenen Erkenntnisinteressen nach Auskunft der Ge-

sprächspartner recht fern. Mit Fachvorträgen waren sie allerdings im Netzwerk prä-

sent.

Das Projekt Spritzgießtechnik wurde von den beteiligten Firmen als ausgesprochen

erfolgreich eingeschätzt. Ein Kunststoffteilehersteller betonte:

„Ohne das Netzwerk wären wir nicht so weit wie heute (...) Man macht Dinge, die man früher nicht gemacht hätte. Die aus den Projektarbeiten gewonnenen Erkenntnisse können sofort für laufende Produktionsprozes-se verwendet werden“ (C2TH).

11 Hierfür wurden Testreihen durchgeführt, die Materialeigenschaften, Oberflächenbeschaffenheiten und Fließprozesse ana-

lysierten. Dahinter stand die für den Formenbau zentrale Frage, inwieweit Endkundenwünsche tatsächlich realisierbar sind (siehe auch Möll/Beyse 2000: 36 ff.).

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Schaut man auf die Erfolgsfaktoren der Arbeit im Kunststoffnetzwerk dann ist zu-

nächst hervorzuheben, dass die dichte Kooperation für die beteiligten Firmen wichti-

ge Lücken im Entwicklungsbereich füllte. Im OptoNet oder auch im ICM ergeben sich

durch die regionalen Cluster vielfältige Gelegenheiten in dichte Kooperationsbezie-

hungen mit anderen Firmen; gerade auch unabhängig von den beiden Netzwerken;

einzutreten. Die Kunststofffirmen verfügen über diesen Reichtum an Kooperationsop-

tionen nicht. Das Netzwerk wurde aus der Not zersplitterter Branchenstrukturen her-

aus gebildet. Die im Vergleich zur Optik- und Maschinenbaubranche geringere öko-

nomische Potenz der Firmen machte zudem Zugriffsmöglichkeiten auf externe Wis-

sensressourcen durch Kooperationen mit Partnerfirmen in besonderem Maße hilf-

reich. Die Chance, durch enge Zusammenarbeit gemeinsam Wissen zu generieren,

wurde vor diesem Hintergrund sehr viel intensiver genutzt, als wenn man sich auf

losere Formen des Informationsaustauschs, wie im OptoNet, beschränkt hätte. Be-

merkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass dabei gerade auch Firmen, die in

einzelnen Produktsegmenten in Konkurrenzbeziehungen standen, zu den ‚Koopera-

tionsaktivisten’ gehörten.

Auch wenn die Vorwettbewerblichkeit von FuE-Aktivitäten die Konkurrenzproblematik

entschärft, so gilt doch, dass insbesondere sehr enge Kooperationen Einblicke von

Wettbewerbern in Betriebsinterna ermöglichen. Die Betriebe mussten sich somit

nach Außen öffnen, um die Kooperation zum Erfolg zu führen. Der sukzessive Auf-

bau von Vertrauen zwischen den Partnern, eine gemeinsame regionale Identität als

KMU unter schwierigen Wettbewerbsbedingungen und eben das Interesse, techno-

logisch voranzukommen, halfen dabei Kooperationshindernisse abzubauen. Gleich-

wohl zog man der Kooperation Grenzen: So bleiben jene Faktoren bei der Netzwerk-

arbeit außen vor, die Aufschluss über Kundenstrukturen und Projektstrukturen ge-

ben. Dort will man sich nicht in die ‚Karten’ schauen lassen.

Zum Erfolg der Netzwerkarbeit trug ein Netzwerkmanagement bei, das die eng ver-

zahnten Kooperationsbeziehungen vorantrieb (straffes Zeitmanagement), dabei aber

zugleich auf Selbstorganisation der Akteure setzte. Durch diese Art der Kontextsteu-

erung wird gerade im Hinblick auf sensible Betriebsgeheimnisse gewährleistet, dass

es den Beteiligten überlassen bleibt, wie weit und auf welchen Gebieten sie sich für

Kooperationen öffnen. Dies gibt wiederum Freiräume für die Entfaltung von Koopera-

tionsdynamiken, die sich aus einem wechselseitigen Geben und Nehmen der Firmen

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entwickeln. Darüber hinaus schufen Kooperationsverträge über gemeinsame Nut-

zungsrechte der Arbeitsergebnisse Rechtssicherheit.

Was das Schlüsselproblem der Kunststofffirmen in Punkto Marktzugang und Vertrieb

angeht, so gab es noch keine ganz große Lösung, die es ermöglichen würde, in gro-

ßem Stil kooperativ erarbeitete Produkte als Systemanbieter auf den Markt zu brin-

gen. Es wurde aber immerhin ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das die

Ergebnisse der FuE-Leistungen vermarkten kann. Die Vermarktung dieser Entwick-

lungsleistungen könnte ein Ausgangspunkt für erweiterte Marktaktivitäten des Netz-

werkes bilden.

7.5 Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse aus den schriftlichen Befragungen zeigen zwar, dass sich nur eine

Minderheit der Firmen in Netzwerken engagiert, für innovationsorientierte Unterneh-

men kommt den Zusammenschlüssen aber eine große Bedeutung zu. Netzwerkmit-

glieder sind wesentlich häufiger mit Produkt- und vor allem auch Verfahrensinnovati-

onen beschäftigt als Nicht-Netzwerker.

Dazu passt die starke Akzentsetzung auf Technologieentwicklung der in den Fallstu-

dien beleuchteten drei Netzwerke. Die damit verbundene vorwettbewerbliche Aus-

richtung der Kooperationsaktivitäten hat den Vorteil, die Brisanz von Konkurrenzbe-

ziehungen zwischen Netzwerkpartnern, wenn schon nicht zu beseitigen, so doch

zumindest zu entschärfen. Die vertikale Grundausrichtung der Netzwerke und auch

Spezialisierungen bei Netzwerkpartnern wirken ebenfalls im Hinblick auf die Spreng-

kraft von Wettbewerb entlastend. Ebenso gilt, dass im Großen und Ganzen bezogen

auf Einflusschancen eine Symmetrie zwischen den Netzwerkpartnern herrscht. Es

gibt anders als in der Automobilindustrie kein Unternehmen, das die untersuchten

Netzwerke deutlich dominiert. Schließlich ist festzustellen, dass die öffentlich geför-

derten, heterogenen Netzwerke in ihren Aktivitäten stark von den Industriefirmen mit

ihren spezifischen Interessen geprägt sind. Die wissenschaftlichen Einrichtungen

stellen je nach Bedarf Input zur Verfügung.

Für das Engagement im Netzwerk und die Gestaltung der Aktivitäten bildet der Ko-

operationsbedarf der Partner das Maß. Diese Bedarfsorientierung markiert die Be-

sonderheit von Netzwerksteuerung gegenüber kurzfristigen Markttransaktionen zum

einen und einer Einbindung in hierarchische Organisationsbezüge zum anderen

(Braun-Thurmann 2005: 66 f.). In den drei Netzwerken hatten sich Kerngruppen rela-

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tiv stark kooperierender Partner gebildet, während sich ein anderer Teil der Mitglieder

eher am Rand hielt, aber stets die Möglichkeit hatte, mit eigenen Projekten aktiv zu

werden. Die Akzeptanz eines differierenden Engagements innerhalb der Netzwerke

ist erforderlich für deren Leistungsfähigkeit. Die materiale Seite von Kooperationen,

d.h. die Felder der Zusammenarbeit, wie auch die Dichte und Häufigkeit der Aktivitä-

ten muss sich aus Interessen, Bedarf und normativen Bindekräften zwischen den

Beteiligten entwickeln. Für die politisch induzierten Netzwerke bedeutet dies, dass

sie Kooperationsgelegenheiten schaffen. Dem Netzwerkmanagement kommt durch

Moderation, Beratung und Unterstützung eine wichtige Funktion im Sinne von Kon-

textsteuerung zu (Willke 1993: 44 ff.).

Nicht zuletzt unter förderpolitischen Gesichtspunkten ist folgender Aspekt hervorzu-

heben: Zwei Netzwerke, das OptoNet und der ICM, etablierten sich in Wachstumsre-

gionen, die gute Aussichten haben, sich zu starken Industriedistrikten zu entwickeln.

Das Leistungsprofil der Netzwerke liegt dort primär darin, zu einer hohen Reichweite

von Kooperationsbeziehungen innerhalb der Region beizutragen. Die regionalen Ko-

operationen der Firmen werden um die Kontakte, die die beiden großen Netzwerke

ermöglichen, ergänzt.

Beim Kunststoffnetzwerk, das Firmen aus einer räumlich zersplitterten Branche in der

Industrieprovinz vereinigt, sind die Kooperationsbeziehungen insbesondere bei den

Kernfirmen von noch höherem Gewicht. Die dichten FuE-Kooperationen leisten einen

großen Beitrag zur technologischen Weiterentwicklung von ressourcenschwachen

KMU bei Produkt und Verfahren. Solche Firmen stellen ein wichtiges, stabiles und

entwicklungsfähiges Segment der ostdeutschen Betriebslandschaft dar, auch wenn

sie nicht zu den industriellen ‚Leuchttürmen’ zählen. Projektbezogene – also nicht

pauschale Förderungen und die öffentliche Unterstützung der Netzwerkinfrastruktur

sind hier sinnvoll, wie auch vom DIW in Bezug auf Netzwerkförderungen für ostdeut-

sche Unternehmen festgestellt wird. (Eickelpasch/Pfeiffer 2004).

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8 Innovationsorientierung und Clusterbildung erfolgreicher Un-ternehmen am Beispiel der Optischen Industrie in Thüringen

Wie bereits bei der Darstellung von Netzwerken kurz angesprochen worden ist, ha-

ben ‚regionale Systeme von Innovation’ gewissermaßen einen Leitbildcharakter für

den Aufbau prosperierender industrieller Strukturen. Vielfältige Austauschbeziehun-

gen und Vernetzungen zwischen den Akteuren, passförmige Qualifikationen und

Wissenschaftsinfrastrukturen festigen und stärken die beständige Entwicklung der

Firmen eines bestimmten Wirtschaftszweigs. Die regionalen Firmenstrukturen zeich-

nen sich dadurch aus, dass ein Synergieeffekte generierendes breites Spektrum

komplementärer Erzeugnisse hergestellt wird und eine weitgehend vollständige

Wertschöpfungskette vorhanden ist (Porter 1991). Nach Piore und Sabel haben regi-

onal verwurzelte, institutionell unterstützte und flexibel spezialisierte Unternehmen

ein großes Innovationspotenzial. Regionale, die Wirtschaft stützende Institutionen

sowie gemeinschaftliche Normen, die zwischen und innerhalb der Firmen gelten, bil-

den den Rahmen zur Regulierung des Wettbewerbs in Richtung Produktivität, Quali-

tät und Innovation (Piore/Sabel 1985: 292ff.). Der aus Globalisierung und Lokalisie-

rung kombinierte Begriff der ‚Glokalisierung’ bringt auf den Punkt, dass regionalen

Ökonomien auch und gerade in einer globalisierten Wirtschaft ein großer Stellenwert

zukommt (Trinczek 1999: 66 ff.). Die schon in den ersten Jahren nach der Wende

erfolgreich durchgeführten Reorganisationsmaßnahmen in der Jenaer Optikbranche,

die mit Unterstützung eines traditionell starken Umfelds an Bildungs-, Wissenschafts-

und Beratungsinstitutionen erfolgten, veranlassten Eichhorn Mitte der 90er Jahre da-

zu, von der Herausbildung eines Industriedistrikts zu sprechen (Eichhorn 1998: 279

f.). Wie im Folgenden gezeigt werden kann, hat sich der Aufwärtstrend der Jenaer

Optik fortgesetzt. Viele Firmen bewegen sich auf einem Wachstumspfad.

Die erfolgreichen Unternehmen der Optischen Industrie weisen Gemeinsamkeiten

auf, die insbesondere in einer stark ausgeprägten Orientierung auf Innovationen so-

wie in einer engen Verflechtung mit dem technologischen Umfeld aus Unternehmen

und Forschungseinrichtungen zu sehen sind.

Die Branche mit ihrem regionalen Schwerpunkt in Jena nahm eine Sonderentwick-

lung in den neuen Bundesländern. Im Transformations- und Restrukturierungspro-

zess der 90er Jahre konnten das Know-how und die Qualifikationsträger in Thüringen

weitgehend gehalten werden. Es gelang darüber hinaus, die notwendige For-

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schungsinfrastruktur so aufzubauen, dass sie für die Unternehmen nutzbare Ergeb-

nisse produzierte. Schließlich konnte sich ein Mix an Betrieben etablieren, der hin-

sichtlich Größe, Kompetenzen, Fertigungstiefe und traditioneller Qualitätsorientierung

den Aufbau von Lieferketten ermöglichte.

Als günstig erwies sich in diesem Zusammenhang, dass das Kombinat Carl Zeiss

nicht grundlegend zerschlagen wurde, sondern in zwei große Einheiten (Jenoptik AG

und Carl Zeiss GmbH) sowie in mehrere kleinere Einheiten (Ausgründungen) über-

führt wurde. Bis heute werden Ausgründungen erfolgreich vorangetrieben, die sich in

der Region ansiedeln, und eine eigene positive Wachstumsdynamik entfalten. Die

großen Finalproduzenten sind dabei auch interessiert an Unternehmensbeteiligun-

gen. Auf diese Weise entstand ein für Ostdeutschland einmaliges Geflecht aus Un-

ternehmensbeziehungen und -kooperationen von der Finanzierung über Lieferbezie-

hungen bis hin zu gemeinsamen Forschungsaktivitäten.

8.1 Günstige Gründungsphasen: Anfang und Ende der 90er Jahre

Die Unternehmen, die wir als Erfolgsfälle charakterisieren, weisen häufig ein spezifi-

sches Verlaufsmuster der Unternehmensentwicklung auf. Durch eine frühe Aus- und

Neugründungsphase Anfang der 90er Jahre hatten diese Firmen die Chance zu ei-

ner langen Konsolidierungs- und Orientierungsphase. Sie haben die Rolle des

Schrittmachers in der Region übernommen. Durch den – trotz massiver Einschnitte

und Restrukturierung – erfolgreichen Erhalt und die Neupositionierung des Unter-

nehmens Carl Zeiss entstanden Strukturen, die sowohl auf Zulieferer angewiesen

waren als auch das Gründungsgeschehen massiv anregten. Aber auch externe Fi-

nanzierung half der Branche schnell wieder auf die Beine: Westdeutsche Investoren

spielten für etwa die Hälfte der Erfolgsunternehmen eine wichtige Rolle.

Gemeinsam ist diesen Frühstartern, dass sie eine Weile brauchten, um sich neu zu

positionieren, innovative Produkte zu entwickeln und sich einen Markt zu erschlie-

ßen. Bis dieser Punkt erreicht wurde, galt es im Unternehmen konzentriert darauf

hinzuarbeiten, die Talsohle verlassen zu können. Viele Unternehmen konnten diese

Phase Ende der 90er Jahre abschließen. Das normale ‚Auf und Ab’ der Unterneh-

mensentwicklung wird danach häufig als ‚Mitschwingen im Konjunkturrhythmus’ in-

terpretiert. Diese Unternehmen machen einen Großteil der Erfolgsgeschichten im

Bereich der Optischen Industrie Thüringens aus.

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Der Geschäftsführer eines stark entwicklungsorientierten Unternehmens für opto-

elektronische Komponenten, das sich früh aus dem Unternehmen Carl Zeiss Jena

ausgründete, beschreibt seine Erfolgsstrategie als Setzen auf Kontinuität:

„Wir haben die Kompetenzen, die wir aus Zeiss herausgenommen haben, konsequent gepflegt. Das hat dazu geführt, dass Zeiss 1997 wieder auf uns aufmerksam geworden ist, weil sie uns dann plötzlich wieder brauch-ten, auch Jenoptik“ (MO2TH).

Eine zweite Gruppe sind erfolgreiche kleinere Unternehmen, die in der Optischen

Industrie vor allem Ende der 90er Jahre entstanden sind. Es handelt sich dabei in der

Regel um echte Neugründungen, meist von Ostdeutschen, häufig aus der Forschung

oder aus dem Forschungskontext eines Unternehmens heraus. Hier spielen auch die

wenigen Großunternehmen in der Region eine Schlüsselrolle, die diese Ausgrün-

dungsaktivitäten stark unterstützen: Anfangs bestand das Engagement in der Bereit-

stellung von Räumen und Gebäuden zu günstigen Konditionen sowie der gelegentli-

chen Nutzung von Einkaufsrabatten. Davon profitierten insbesondere ehemalige Mit-

arbeiter, meist Abteilungsleiter, die den Schritt in die Selbständigkeit wagten. Später

begründeten sich daraus langfristige Liefer- und Kundenbeziehungen.

Inzwischen geraten ganze Abteilungen in den Blick der Unternehmensspitzen, um zu

klären, unter welchen Bedingungen sich Ausgründungen bzw. Auslagerungen reali-

sieren lassen. In Thüringen bleiben diese Auslagerungen häufig in der Region, weil

sich durch den Zusammenschluss mit einem kleineren Wettbewerber ein schlagkräf-

tiges Unternehmen aufstellen lässt. Erfolgreiches Beispiel für diese Form von Ausla-

gerung und Zusammenschluss mit einem Spezialisten in der Region ist die Entste-

hung der Carl Zeiss Meditec AG, die aus der Ophtalmologischen Geräteabteilung bei

Zeiss und der Asclepion AG hervorgegangen ist.

Dezentralisierungs- und Spezialisierungsprozesse von größeren Unternehmen füh-

ren im Kontext hoher regionaler Dichte von Know-how und von entsprechenden Zu-

liefer- und Dienstleistungsfirmen zumindest zu einer weiteren Stabilisierung der be-

stehenden Wirtschaftsstrukturen, im besten Fall sogar zu Wachstum mit Beschäfti-

gungseffekten.

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8.2 Günstiger Branchen- und Betriebsgrößenmix entlang von Lieferketten

Der Druck des nationalen und zunehmend des internationalen Wettbewerbes von

anderen Standorten auf die Thüringer Optikregion führte bisher nicht zu massiven

Verlagerungseffekten. Neben den im nationalen Vergleich günstigen Kostenbedin-

gungen (durchschnittliches Lohn-/Gehaltsniveau, Lebenshaltungs- und Gewerbekos-

ten) spielt die Wirtschafts- und Branchenstruktur eine entscheidende Rolle, die vor

allem im internationalen Wettbewerb von Vorteil ist. Eine hohe Dichte von Unterneh-

men, die einen breiten Differenzierungsgrad innerhalb der Lieferketten abdecken,

erweist sich für das Thüringer Optikcluster als sehr günstig. Insbesondere der Unter-

nehmenstyp des flexiblen Spezialisten, der meist nur wenige Mitarbeiter beschäftigt,

spielt eine Schlüsselrolle für die Clusterbildung. Die Stärke liegt vor allem im Bereich

der Einzel- oder Kleinserienfertigung oder in der Komponenten- bzw. Modulherstel-

lung, die höchstens mittlere Stückzahlen realisieren kann.

Die frühe Weichenstellung, in der Region die vorhandene Industriestruktur strate-

gisch halten zu wollen und nicht durch lange Ungewissheiten und Entscheidungsver-

zögerungen schließlich für eine Auflösung des Industriebestandes zu sorgen (wie in

anderen ostdeutschen Regionen geschehen), trug dazu bei, diesen günstigen Bran-

chen- und Betriebsgrößenmix herzustellen.

Ein Geschäftsführer eines Ilmenauer Unternehmens für Forschungsdienstleistungen

weist darauf hin, dass ein großer Teil des Spezial-Know-hows in der Region gehalten

werden konnte:

„Die schnelle Neupositionierung der Industrie konnte genutzt werden, das erklärt vor allem den Erfolg der Optik in Thüringen. Es war einfach der Spezialistenstamm in Ilmenau vorhanden, was eine gewisse Kontinuität für bestimmte Forschungsstrategien und eine hohe Qualität sichert“ (MO8TH).

Der Betriebsleiter eines Optikmaschinenherstellungsbetriebes in Jena betont:

„Wenn ich einen bestimmten Zentrierdorn drehen lassen muss, dann weiß ich einfach, zu wem ich hier gehen kann. Und der macht das dann auch mit der notwendigen Präzision. Das würde woanders, in Mecklenburg oder Sachsen-Anhalt wahrscheinlich gar nicht funktionieren“ (MO9TH).

Der Prozess der Herausbildung von stabilen Lieferketten basiert auf der Kenntnis des

Know-hows in der Region, dem Vertrauen der Akteure zueinander und der strategi-

schen Einbindung der Takt gebenden und produktinnovationsleitenden Finalprodu-

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zenten. Für die Gewährleistung dieser Faktoren eignen sich Unternehmensnetzwer-

ke, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren Kommunikation und Austausch

innerhalb des Branchen- und Betriebsgrößenmix aufbauen. Festzuhalten bleibt, dass

Netzwerke im Thüringer Optikcluster auf die heterogene Unternehmensstruktur so

wirken konnten, dass sich eine gemeinsame Zielorientierung und gegenseitige Stabi-

lisierung ausgeprägt haben.

8.3 Zentrale Marktorientierung auf Industriekunden – vor allem nach Deutschland

und Westeuropa

Die wichtigsten Kunden der erfolgreichen Unternehmen finden sich in der Industrie.

Eine Schlüsselrolle spielen dabei Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen in den

Unternehmen, die Zulieferung von Baugruppen für komplexere Produkte und die in-

dustrielle Prozesskontrolle. Als wichtigste Zielbranchen lassen sich die Medizintech-

nik, andere Bereiche der Elektronik und des Gerätebaus sowie der Maschinenbau

und die Druckindustrie identifizieren.

Der Konsumentenmarkt spielt nur für bestimmte Produktsegmente eine große Rolle.

Im Großen und Ganzen ist es dort nicht gelungen, sich dem deutschlandweiten

Trend der Produktionsabwanderung von Produkten, die große Konsummärkte bedie-

nen, entgegenzustemmen.

Insbesondere für größere Unternehmen ist der öffentliche Sektor ein wichtiger Markt.

Es handelt sich dabei um qualitativ hochwertige Instrumente und Messgeräte für die

Forschung im Bereich Gesundheit und Umweltanalytik sowie für den Bedarf an Si-

cherheitstechnik.

Für alle hier betrachteten Unternehmensbeispiele erweist sich der westdeutsche

Markt als besonders bedeutsam. Erfolgreich ist ein Unternehmen aber erst dann,

wenn es diese zentrale Absatzregion mit einem anderen Markt kombiniert. Nur in

einem Fall ist dies zusätzlich mit einer starken Orientierung auf den regionalen Markt

verbunden. Für die Mehrheit der kleineren Unternehmen spielt Westeuropa die zent-

rale Rolle als zweites Marktstandbein. In Nordamerika und Südostasien sitzen vor

allem für die größeren Unternehmen wichtige Kunden.

Eine Reihe von kleineren und mittleren Unternehmen steht nach Jahren des Wachs-

tums vor der Entscheidung, ob man den Sprung zu einem Final- bzw. Serienprodu-

zenten schafft oder im jetzigen Entwicklungsstadium verharrt. Wie der Geschäftsfüh-

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rer eines Unternehmens für Optikelektronik-Bauelemente deutlich macht, bedeutet

dieser Schritt eine massive Ausweitung der Aktivitäten auf internationalem Parkett:

„Wir sind der Meinung, dass bestimmte Stückzahlen hier in Europa nicht mehr fertigbar sind. Wenn Sie pro Monat eine Million liefern müssen, dann wüsste ich nicht, wo ich in Ostdeutschland hingehen sollte. Und in den Altbundesländern schieben die das auch nur über den Teich, also nach Asien. Da kann ich auch gleich rübergehen, da brauche ich nicht die dazu. Da stehen wir im Moment vor einer Wand. Und ich weiß noch nicht, ob wir umkehren oder drüberklettern“ (MO3TH).

Die Exportquoten bewegen sich zwischen 20 % und 60 %, wobei vor allem die grö-

ßeren Unternehmen mehr an Umsatz im Ausland realisieren können. Es gibt aber

auch eine Gruppe von erfolgreichen Firmen, die nur geringe Exportquoten erzielt.

Offensichtlich gelingt hier die Kompensation durch eine ausreichende Binnennach-

frage. Es handelt sich dabei in erster Linie um Dienstleister für anspruchsvolle For-

schungs-, Mess- und Entwicklungsaufgaben und Zulieferer hochwertiger Komponen-

ten.

8.4 Starke Kooperationsorientierung

Als besondere Erfolgsmerkmale lassen sich für das Optik-Cluster in Thüringen Ko-

operationsbeziehungen und Netzwerke auf verschiedenen Ebenen identifizieren. Das

Beispiel OptoNet ist im vorherigen Kapitel bereits beleuchtet worden. Darüber hinaus

gibt es aber noch vielfältige weitere Kooperationsbeziehungen und Vernetzungen in

der Thüringer Optik.

Eine Schlüsselrolle im wichtigen Bereich der FuE-Kooperationen spielen Organisati-

onen, die in dem Segment zwischen Universitätsinstituten und mittelständischem

Unternehmen vermittelnd operieren. Die Rechtsformen und Unternehmensnamen

weisen häufig auf diesen Zwischenstatus hin: Wir haben es hier mit gemeinnützigen

GmbHs, e.V.s und Forschungsinstituten mit GmbH-Rechtsform zu tun, die aus an-

wendungsnahen Forschungsbereichen der Universitäten oder der geförderten Hoch-

technologieforschung kommend ihre Dienstleistungen anbieten (vgl. zur Rolle dieser

intermediären Organisationen auch: Bürger 2003). Sie übernehmen Entwicklungs-

aufgaben, oftmals im Auftrag anderer kleinerer Unternehmen aus dem Fertigungsbe-

reich, und versuchen diese auch durch öffentliche (Teil-)Finanzierungen zu realisie-

ren. Sie sind personell stark verknüpft mit Forschungsbereichen der Hochschulen –

einige Hochschullehrer betreiben diese Firmen ‚nebenher’ – und sorgen durch einen

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ständigen Personalaustausch von Studenten und Doktoranden sowohl für eine pra-

xisnahe Ausbildung von akademischem Nachwuchs als auch für einen Know-how-

Transfer der aktuellsten Forschungsergebnisse aus der internationalen Scientific

Community in marktfähige Dienstleistungen und Produkte. Dazu können z.B. auch

Messverfahren gehören, die nur von wenigen Spezialisten mit entsprechenden Gerä-

ten und Wissen beherrscht werden.

Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen können ebenfalls eine wichti-

ge Rolle im Bereich der FuE-Kooperationen übernehmen. Hier handelt es sich oft um

Kooperationsverbünde, in denen auch größere Unternehmen vertreten sind. Die re-

gionalen Fraunhofer Institute und Forschungseinrichtungen der Max-Planck-

Gesellschaften erhalten Aufträge, die stärker grundlagenorientiert ausgerichtet sind.

Ergebnisse dieser Kooperation sind z.B. optimierte Materialeigenschaften, neue

Mess- und Prüfverfahren u.ä. Ausschlaggebend für die große Bedeutung der Koope-

ration zwischen Unternehmen und öffentlicher Grundlagenforschung sind die histo-

risch gewachsenen engen Austauschkontakte insbesondere in Jena (Friedrich-

Schiller-Universität) und Ilmenau (Technische Universität). Die Bedeutung der Uni-

versitäten und Fachhochschulen wird von den meisten Geschäftsführern dement-

sprechend als sehr hoch charakterisiert.

Des Weiteren lässt sich auch nicht technisch-naturwissenschaftliche Beratung, etwa

aus sozialwissenschaftlichen Instituten der Hochschulen, als Kooperationsaktivität in

der Optik Thüringen finden. Potentialanalysen, Kenntnis über die Kompetenzbasis in

der Region bis hin zu Vorschlägen für verbesserte personalpolitische Instrumente,

Prozessabläufe oder arbeitsorganisatorische Aspekte, liefern Anhaltspunkte sowohl

für mikropolitisches Handeln im Unternehmen als auch für politische Lobbyarbeit.

Diese Form der nicht auf Technik fokussierten Kooperation findet sich im organisier-

ten Bereich der Branche, und zwar insbesondere beim OptoNet, das, wie oben dar-

gestellt, nicht nur als Forum für den Austausch der Mitglieder über technisch-

fachliche Belange der Branche wirkt, sondern darüber hinaus auch als Informations-

börse, Sprachrohr und Interessenvertreter der Firmen in wirtschaftlichen und perso-

nalpolitischen Fragen auftritt. Die überdurchschnittlich modernen und gut in den

Markt integrierten Firmen des OptoNets nutzen die Arbeit des Netzwerkes, um sich

ganz generell über Branchentrends auf dem ‚Laufenden’ zu halten, um sich mit Kol-

legen auszutauschen und um dabei auch an relevante Informationen für eigene stra-

tegische Planungen heranzukommen.

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8.5 Anspruchsvolle Qualifikationsstrukturen und motivierte Beschäftigte

Eine Schlüsselrolle in den identifizierten erfolgreichen Unternehmen spielen die Aka-

demiker. In 80 % der Erfolgsfälle liegt die Akademikerquote bei 40 % oder höher, die

restlichen, vor allem größeren Unternehmen beschäftigen wenigstens einen Anteil

von 12 % mit Uni- oder FH Abschluss. Für viele Geschäftsführer war die „Pflege ei-

ner ausgeprägten ingenieurtechnischen Kompetenz“ einer der entscheidenden Er-

folgsfaktoren.

Aber auch die Orientierung auf hochwertige Facharbeiterqualifikationen fällt in dieser

Branche ins Gewicht. Der Selektionsprozess im Zuge des massiven Stellenabbaus

Anfang der 90er hat für motivierte und hohe Qualitätsanforderungen erfüllende Be-

legschaften gesorgt. Damit einher geht eine an Stabilität orientierte Beschäfti-

gungspolitik, die ihr Pendant findet in an Beschäftigungssicherheit orientierten Mitar-

beitern. Unterdurchschnittliche Eigenkündigungen von Beschäftigten und seltene be-

triebsbedingte Kündigungen kennzeichnen diese Stabilität.

Mit zunehmender Bestandsdauer der neuen, nach der Wende geschaffenen Be-

triebsstrukturen verändern sich aber auch Ansprüche der Mitarbeiter und damit das

Betriebsklima. Ein elaboriertes Personalmanagement, das sensibel auf diese Verän-

derungen reagieren kann, spielt in den größeren Erfolgsunternehmen bereits eine

gewisse Rolle. Für den Großteil der Klein- und Mittelständler gibt es aber nur wenige

Instrumente, die zu Aufrechterhaltung der hohen Motivation dienen können. Den

größten Anteil machen Weiterbildungsmaßnahmen in Form von Kongress- und Ta-

gungsteilnahmen aus. Die Motivationssicherung über die Arbeitsinhalte funktioniert

vor allem im Bereich der höheren Qualifikationen. Ein anderes, eher selten bewusst

genutztes Instrument, ist die flexible Zeiteinteilung, die vor allem im Büro- und Ange-

stelltenbereich eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang kann die bevorzugte Be-

handlung von Familienvätern und -müttern eine wichtige Rolle spielen. Für junge In-

genieure in der Familiengründungsphase ist ein zeitlich frei gestaltbarer Arbeitsplatz

hoch attraktiv und wirkt zudem motivierend. Es fanden sich in den untersuchten Un-

ternehmen zwar wenige solcher Fälle, dafür nutzten diese wenigen die Maßnahmen

auffallend intensiv.

Die Orientierung auf ein hohes Qualifikationsniveau und die Chance, gutes Personal

ohne größeren Aufwand zu bekommen bzw. zu halten, liefert einen wichtigen Beitrag

zur Erklärung der Erfolgsgeschichte der Branche.

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9 Zusammenfassung

9.1 Ostdeutsche Industrie im Aufwärtstrend: Breites Spektrum konsolidierter, auf

den Märkten etablierter Firmen

Die Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes in Ostdeutschland ist in den letzten

Jahren ablesbar an Wachstumsraten oder auch zunehmenden Exporten durch einen

Aufwärtstrend gekennzeichnet. Nach dem Einbruch von industrieller Produktion und

Beschäftigung zu Beginn der 90er Jahre konnte sich unter schwierigen Bedingungen

bis heute ein breites Spektrum von ostdeutschen Firmen in seinem Bestand konsoli-

dieren und auf den Märkten etablieren. Industrielle Erfolgsgeschichten finden sich,

dies ist zu betonen, nicht nur in den Wachstumskernen sondern auch in der ‚Indust-

rieprovinz’. Das zentrale Problem des industriellen Sektors in Ostdeutschland ist

nicht mangelnder Erfolg sondern dessen immer noch recht geringes wirtschaftliches

Gewicht.

Entsprechend den industriellen Strukturen in Ostdeutschland sind im Rahmen des

Forschungsprojekts schwerpunktmäßig kleine und mittlere Firmen bis zu 250 Be-

schäftigten ins Blickfeld geraten, die in Wachstumskernen, in der ‚industriellen Pro-

vinz’ und sogar in Krisenregionen angesiedelt sind. Auch das untersuchte Branchen-

spektrum beschränkt sich nicht auf die ‚üblichen Verdächtigen’ in Punkto Expansion.

Neben Firmen aus der in der Tat aufstrebenden Optikbranche oder auch aus der

High-tech – Branche Biotechnologie wurden beispielsweise die Nahrungsmittelbran-

che oder auch die Textilbranche erfasst. Den Untersuchungsschwerpunkt bilden Me-

tallbetriebe, schwerpunktmäßig aus dem Maschinenbau. Traditionsbedingt hat diese

Branche eine Leitfunktion für die Ausprägung des industriellen Entwicklungspfads in

Gesamtdeutschland (Casper u.a. 1999).

9.2 An Kundenbedürfnissen orientierte Innovationsstrategien sind ein wesentlicher

Erfolgsfaktor in der ostdeutschen Industrie

Wir hatten es aufgrund der Betriebsgrößenstrukturen mit einem breiten Feld von Be-

trieben zu tun, die sich oft nur mit knappen finanziellen und personellen Ressourcen

ausgestattet, einem scharfen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sehen. Die Entwick-

lungsdynamik der kleinen und mittleren Firmen, die sich erfolgreich auf regionalen,

nationalen und auch internationalen Märkten positionieren konnten, ist wesentlich auf

flexible, stark kundenorientierte Produktionsformen und Produktstrategien zurückzu-

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führen. Viele der Firmen bedienen mit kundenspezifischen Spezialfertigungen Ni-

schenmärkte. Ein Teil der größeren Firmen des Samples kombiniert, durch Modulari-

sierung ihrer Produkte, Serienfertigung mit der Erstellung von auf Kundenwünsche

zugeschnittenen Problemlösungen.

Die Qualitätsstrategien in Gestalt flexibler Spezialisierung oder differenzierter Quali-

tätsproduktion gehen, bei Firmen in ostdeutschem wie auch in westdeutschem Ei-

gentum, mit einem erheblichen Maß an Innovationsaktivitäten einher. Dies gilt insbe-

sondere auf dem Gebiet der Produktpolitik, die knapp zwei Drittel der befragten ost-

deutschen Firmen betreiben. Überwiegend handelt es sich dabei um inkrementelle

Innovationen, die sich nicht auf eine reaktive Anpassung an Kundenvorgaben be-

schränken, sondern die Entwicklung eigenständiger und komplexer Problemlösungen

bei Verwendung und Implementierung neuester Technologien beinhalten. Ein Drittel

der Unternehmen ist darüber hinaus im Bereich Verfahrensinnovationen aktiv. Die

erfolgreichen und wachsenden Unternehmen verknüpfen beide Innovationsbereiche

überdurchschnittlich häufig. Der für die gesamte deutsche Wirtschaft prägende über-

wiegend inkrementelle Innovationstyp hat viel damit zu tun, dass sich das Gros der

Firmen das wirtschaftliche Risiko aufwändiger, für den anonymen Markt produzierter,

grundlegender Neuerungen zumindest als Hauptinnovationsstrategie nicht leisten

kann und will. Das Absatzrisiko ist für Erzeugnisse, die in ihren grundlegenden Ei-

genschaften für die Kunden bekannt und eingeführt sind, und wo die Neuerungen

vielfach Problemlösungen für den von den Kunden artikulierten Bedarf sind, wesent-

lich geringer.

Wir fanden allerdings auch einige Beispiele für weiterreichende radikale Innovatio-

nen. In High-tech orientierten Branchen, wie der Biotechnologie oder der optischen

Industrie, hat dieser Innovationstyp wenig überraschend mehr Gewicht als in den

eher traditionellen Branchen. Immerhin zeigt sich aber auch in diesen Branchen, wie

einige Betriebsfälle zeigen, dass sich der Radius von Innovationen sukzessive erwei-

tert. Der erste Kundenzugang erfolgte über (flexible) Anpassungen an Kundenwün-

sche, in einem weiteren Schritt gewinnt die aktive, Bedarf antizipierende Erarbeitung

von Lösungen für Kunden an Bedeutung. In einem dritten Schritt geht es um die

Entwicklung von neuen Produkten für das Marktsegment, wenn auch oft mit risiko-

minderndem, geringem Ressourcenaufwand. Insgesamt gilt: Die Stärke ostdeutscher

Firmen liegt eher in erfolgreichen Strategien zur Implementierung von Spitzentechno-

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logien in Produkte und Herstellungsverfahren als in der Herstellung radikal innovati-

ver Produkte.

9.3 Abteilungsübergreifende Ressourcenmobilisierung für Innovationen

Die finanziellen und personellen Mittel, die in FuE gesteckt werden können, sind in

den meisten untersuchten Unternehmen knapp. Viele der Unternehmen, und zwar

insbesondere die kleinen Unternehmen mit wenig funktionaler Ausdifferenzierung,

verfügen bis heute über keine eigenständige oder nur über eine kleine FuE-

Abteilung. Häufig werden Entwicklungsaufgaben von einer erweiterten Konstrukti-

onsabteilung wahrgenommen.

Eine Antwort auf die Ressourcenknappheit besteht in einer abteilungsübergreifenden

Mobilisierung von Beschäftigten für Innovationsprojekte. Um das für Entwicklungstä-

tigkeiten zuständige Fachpersonal gruppiert sich Personal aus anderen betrieblichen

Funktionsbereichen, das in Entwicklungsprojekte integriert wird. Aus der Not knapper

Ressourcen wird dabei die Tugend marktnaher und bodenständiger Innovationen. Da

inkrementelle Innovationen eher nachfrage- als technikinduziert sind und Innovati-

onsprozesse in kommunikativen Rückkopplungsprozessen unterschiedlicher Abtei-

lungen stattfinden, ist der Rückgriff auf die Kenntnisse und Erfahrungen marktnaher

Funktionsbereiche wichtig für den Markterfolg neuer Produkte. Von hoher Relevanz

für Innovationen ist auch die Verständigung mit Produktionsabteilungen über ferti-

gungstechnische Erfordernisse.

In den untersuchten ostdeutschen Unternehmen sind vor diesem Hintergrund folgen-

de Akteurskonstellationen bei Innovationsmaßnahmen zu verzeichnen: Im Zentrum

der Entwicklungsaktivitäten stehen bei der Erarbeitung kundenspezifischer Lösungen

häufig erfahrene Konstruktionsabteilungen, deren Kapazitäten durch den Vertrieb,

die Produktionsabteilungen und nicht zuletzt die Geschäftsführungen ergänzt wer-

den. Auch die formalisierteren Betriebe mit Entwicklungsabteilungen greifen auf die

Ressourcen der anderen Abteilungen zurück, um Innovationsprozesse voranzutrei-

ben. Abteilungsübergreifende Teams spielen generell eine große Rolle. Unter den

spezifischen Bedingungen der Nahrungsmittelindustrie mit wenig ingenieurtechni-

schem Personal spielen Geschäftsführer die Hauptrolle, wobei sie auch bedarfs- und

problembezogen auf innerbetriebliche Expertisen zurückgreifen.

Die in den kleinen Betrieben vorhandenen dichten Kommunikationsbeziehungen zwi-

schen den Beschäftigten und über Abteilungen hinweg schaffen gute Voraussetzun-

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gen für flexibles und kundenorientiertes Handeln. Für Produkt- und Verfahrensinno-

vationen ist ein ‚guter Draht’ zwischen den Akteuren am Markt, dem Personal in Fer-

tigungsabteilungen und den Beschäftigten in Konstruktion und Entwicklung von gro-

ßer Bedeutung. Gerade bei wachsenden Unternehmen mit einer steigenden Kom-

plexität der Produktionsanforderungen stoßen aber wenig formalisierte, stark an be-

stimmte Personen gebundene Sozialbeziehungen an die Grenzen ihrer Leistungsfä-

higkeit und können die Effizienz der Abläufe beeinträchtigen.

9.4 Kooperationen und Netzwerke haben eine beträchtliche Bedeutung, insbe-

sondere für den Erwerb neuen technischen Wissens

Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen mit geringen ‚Bordmitteln’ ist ein

gezielter Rückgriff auf externe Kompetenzen für die Innovationstätigkeit und für den

Markterfolg von hoher Bedeutung. Fast alle erfolgreichen Unternehmen unseres

Samples, und zwar auch diejenigen, die sich als ‚Einzelkämpfer’ in eher struktur-

schwachen Industrieregionen verorten, können auf externe Kooperationsbeziehun-

gen verweisen, die über dichte Kundenkontakte hinausgehen und das Handlungsre-

pertoire nicht zuletzt im Bereich FuE erweitern. Man greift, bisweilen unter Nutzung

von Fördermitteln, auf die Unterstützung von Wissenschaftseinrichtungen zurück.

Das Spektrum reicht von Personalrekrutierung aus den Hochschulen, über kleine

Prüfaufträge an Forschungsinstitutionen bis hin zu arbeitsteilig verzahnten Koopera-

tionsbeziehungen mit Wissenschaftseinrichtungen und Partnerunternehmen.

Innovative Firmen sind überdurchschnittlich häufig in Netzwerken aktiv. Netzwerke,

die oft im Bereich der vorwettbewerblichen Technologieentwicklung tätig sind, leisten

gerade für KMU einen wichtigen Beitrag zum Erwerb neuen Wissens. Von hoher Be-

deutung ist dabei eine strikte Bedarfsorientierung der Netzwerkarbeit, die eine Aus-

nutzung von Machtasymmetrien ausschließt und allen beteiligten Firmen entspre-

chend ihrer spezifischen Interessenlage die Ausgestaltung der Kooperationsbezie-

hungen im Hinblick auf ihre Inhalte und Dichte überlässt. Bei ressourcenschwachen

Unternehmen, nicht zuletzt in traditionellen Branchen, können öffentlich geförderte

Netzwerke die Implementierung neuester Methoden und Technologien wirksam un-

terstützen.

Die Optikindustrie im Raum Jena steht für einen Entwicklungspfad, dessen Dynamik

sich aus einer hohen räumlichen Dichte von entlang der Lieferketten spezialisierten

Unternehmen und einer starken wissenschaftlichen und Kooperationsinfrastruktur

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speist. Frühzeitig konnten nach der Wende nicht zuletzt auch mit Hilfe fokaler Unter-

nehmen die Weichen für den Erhalt und die Modernisierung der Industriestrukturen

gestellt werden. Verflechtungen, Kooperationen und Netzwerke zwischen Firmen

sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen ermöglichen eine schnelle Diffusion

von neuem Wissen. Die Wissensintensität bei der Herstellung von Produkten und

Leistungen sowie hohe Qualitätsanforderungen gehen mit einer großen Bedeutung

von hochqualifizierten Fachkräften, Akademikern wie auch Facharbeitern als Trägern

und Anwendern des Branchen-Know-hows, einher.

9.5 Zentralität der Ingenieure – technische Kompetenz als Anschlussstelle für die

Positionierung auf dem Markt

Für die Entwicklungsdynamik in ostdeutschen Betrieben kommt ingenieurtechnisch

qualifiziertem Personal in den Konstruktions- und Entwicklungsbereichen, aber auch

in marktseitigen Funktionen und in Produktionsabteilungen, eine zentrale Rolle zu.

Hinzu kommt, dass auch viele Geschäftsführer einen technisch-naturwissenschaft-

lichen Qualifikationshintergrund aufweisen. Die untersuchten ostdeutschen Unter-

nehmen sind stark durch eine von Ingenieuren bestimmte Betriebskultur geprägt.

Kaufmännische Funktionsbereiche haben dabei geringes Gewicht. Dies läuft aber

nicht auf eine Vernachlässigung kaufmännischer Kosten-Nutzen- und Marktkalküle

hinaus. Vielmehr werden Technik und Markt im Innovationshandeln der Ingenieure

miteinander verknüpft. Heraus kommt dabei ein bodenständiges und unprätentiöses

Verständnis von Innovationstätigkeit.

Die Sicherung und Eroberung von Märkten wird unter wesentlicher Beteiligung von

Ingenieuren betrieben. Der ursprünglich im Transformationsprozess zu konstatieren-

de Technizismus und die Marktferne der technisch-naturwissenschaftlich qualifizier-

ten Fachkräfte konnte bei den überlebenden und sogar expandierenden Unterneh-

men überwunden werden. Die technisch-naturwissenschaftlichen Qualifikationen bil-

deten rückblickend betrachtet das fachliche Fundament für gelungene Orientierungs-

leistungen auf dem Markt. Sie dienen als Grundlage für einen kompetenten, prob-

lembewussten Umgang mit Kunden und deren Bedürfnissen, bringen ein hohes Be-

rufsethos mit sich und ermöglichen auch das Erkennen von Marktlücken. Der konkret

nachweisbare Gebrauchswert für den Kunden und der Aufbau vertrauensbasierter

Kooperationsbeziehungen bilden die Richtschnur für das Markthandeln, nicht das

Ausreizen technischer Möglichkeiten am Kunden vorbei.

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Erfolgreiches Innovationshandeln wird begünstigt durch eine integrierte Innovations-

kultur. Die innovativen Betriebe setzen auf Partizipation und legen Wert auf ein offe-

nes und diskursives Klima, das es den Beschäftigten ermöglicht, die eigenen Fähig-

keiten bei der Arbeit einzubringen, sowie Ideen und Kreativität zu entwickeln. Gerade

die Ingenieure sehen für sich recht große Gestaltungs- und Entscheidungsspielräu-

me bei der Arbeit und erfahren Anerkennung für ihre Leistungen. Sozial expressive

Bezüge auf Arbeit spielen bei ihnen eine große Rolle. Bei den Arbeitern, die nach der

Wende einen beträchtlichen Statusverlust hinnehmen mussten, fällt allerdings die

Bewertung beruflicher Entfaltungsmöglichkeiten deutlich skeptischer aus.

9.6 Selbst innovative Unternehmen können die Herausforderungen einer zukunfts-

fähigen Personalpolitik nicht alleine schultern

Innovative und aufstrebende Unternehmen verfolgen in der Regel eine stärker stra-

tegisch ausgerichtete Personalpolitik als nicht innovative Firmen. Die Horizonte für

die Personalplanung sind länger, es wird mehr ausgebildet und es gibt oft enge Kon-

takte zu Hochschulen zur Rekrutierung akademischen Nachwuchses. Zielgerichtete

Aktivitäten zur Bewältigung der Herausforderungen des demographischen Wandels

sind generell bei innovativen Unternehmen häufiger. Von einigen unserer Betriebsfäl-

le werden positive Beispiele von Praktiken zur Integration junger Arbeitskräfte und für

eine generationensensible Personalpolitik genannt. Nicht zu vergessen sind dabei

Einbettungsstrategien, die dazu beitragen, die Firmen im regionalen Umfeld als er-

folgreich, sozial verantwortungsvoll und als attraktiver Arbeitgeber bekannt zu ma-

chen. Trotz guter Ansätze bleibt aber festzuhalten: Auch bei einem großen Teil der

innovativen Unternehmen sind personalpolitische Defizite in Gestalt zu geringer Pla-

nungs- und Handlungskapazitäten zu verzeichnen.

Für zukünftige Probleme bei der Deckung des Fachkräftebedarfs gibt es bereits deut-

liche Anzeichen: Viele Betriebe stehen schon jetzt dem Arbeitsmarktangebot an qua-

lifiziertem Personal skeptisch gegenüber. Insbesondere bei der Nachwuchsbasis an

Ingenieuren aber auch bei Facharbeiterberufen bestehen Engpassrisiken.

So bedeutsam eine aktive, vorausschauende Personalpolitik der einzelnen Unter-

nehmen auch ist, den Betrieben allein kann die Lösung der Probleme des Generatio-

nenwechsels nicht abverlangt werden. Letztlich sind die Handlungsmöglichkeiten dort

begrenzt. Nur in wenigen Betrieben ist die Wachstumsdynamik so groß, dass bereits

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heute in größerem Stil junges Personal eingestellt und damit der Positivkreislauf aus

‚Investitionen in Köpfe’, Innovationen und Markterfolg in Gang gesetzt werden kann.

Viele der befragten Unternehmer blicken darüber hinaus auch mit Sorgen auf das

Bildungssystem. Sie sehen Defizite der Schulabsolventen bei Grundkenntnissen, ein

zu geringes Verständnis technisch-naturwissenschaftlicher Sachverhalte und man-

gelnde Vorkenntnisse über die Arbeitswelt. Dies verlangt gesamtgesellschaftliche

Antworten.

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10 Handlungsempfehlungen

10.1 Unterstützung langfristig ausgerichteter, auf Humanressourcen basierender

betrieblicher Entwicklungsstrategien

Maßnahmen zur Unterstützung des Erfolgskurses ostdeutscher Industrieunterneh-

men müssen passförmig für die Spezifika der ostdeutschen Betriebslandschaft sein.

Sie müssen dabei helfen, die vorhandenen Potenziale in den Regionen und Firmen

zu nutzen und auszubauen. Die auf Innovationshandeln fokussierte Untersuchung

hat dafür einige Anhaltspunkte erbracht: Stilbildend für ein breites Spektrum der ost-

deutschen Betriebe sind auf längere Zeithorizonte angelegte, betriebliche Entwick-

lungsstrategien einer differenzierten Qualitätsproduktion. Sie sind geprägt durch:

Langfristige und vertrauensbasierte Kooperationsbeziehungen der Firmen mit

Kunden und vorherrschend inkrementalistische Innovationsstile.

Die Diffusion von modernster Technik in breite industrielle Anwendungs-

zusammenhänge hat Vorrang gegenüber der Produktion von High-tech.

Investitionsstrategien sind eher langfristig ausgerichtet und weniger auf den

schnellen Umschlag von Kapital auf volatilen und risikoreichen Märkten.

Qualifizierte Ingenieure und Facharbeiter, die hochwertige und innovative Produk-

te erzeugen. Langfristige Belegschaftsbindungen sichern die Motivation und

Loyalität der Beschäftigten.

Die Erfolge der Firmen aus unserer Untersuchung, nicht zuletzt auch auf internatio-

nalen Märkten, legen nahe, diesen langfristig ausgerichteten Entwicklungspfad wirt-

schafts- und arbeitsmarktpolitisch zu stützen. Denn er benötigt ein passförmiges in-

stitutionelles Umfeld, bei dem der öffentlichen Hand eine wichtige Funktion zukommt.

10.2 Offensive bei der Entwicklung der Humanressourcen

Der Sicherung und dem Ausbau der Humanressourcenbasis muss hohe Priorität ein-

geräumt werden, da sie eine Grundlage der Erfolgsstrategien bildet. In Anbetracht

der demographischen Entwicklung und der Abwanderung qualifizierter Fachkräfte in

vielen ostdeutschen Regionen sind Investitionen in den Nachwuchs und Initiativen

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gefordert, die junge Menschen motivieren, in den Regionen zu bleiben und die ihnen

die Perspektive geben, einen guten Platz im Erwerbssystem finden zu können. Dies

erfordert die Zusammenarbeit von regionalen Institutionen, insbesondere des Bil-

dungssektors, der Arbeitsagenturen und der Firmen bei der Sicherung qualifizierten

Nachwuchses.

Die Fokussierung der Diskussionen über Arbeit am Standort Deutschland auf das

Problem der Arbeitskosten überdeckt gegenwärtig noch den Sachverhalt, dass die

Ausschöpfung und vor allem auch die Entwicklung des Arbeitsvermögens des Er-

werbspersonenpotenzials die zentrale Herausforderung bilden. Dies erfordert auch

eine explizite, im öffentlichen und politischen Diskurs transportierte Wertschätzung

von Beruflichkeit und Qualifikationen anstelle einer Reduzierung von Arbeit auf einen

Kostenfaktor, die einer Erosion professioneller Normen den Weg bereitet.

Um den in der Zukunft aller Voraussicht nach noch steigenden Anforderungen an

Qualifikationen bei knapper werdenden Arbeitskräften rechtzeitig Rechnung zu tra-

gen, sind vielfältige Formen von Bildungsmaßnahmen für unterschiedliche Adressa-

tengruppen erforderlich. Dies beginnt bei Aktivitäten zur Behebung von Defiziten bei

schulischen Grundkenntnissen, geht weiter mit zielgerichteten Bildungsmaßnahmen

für Arbeitslose und setzt sich fort bei betrieblicher Weiterbildung, um Beschäftigte mit

neuen beruflichen Anforderungen vertraut zu machen. Ob vor diesem Hintergrund

die Hartz-Reformen, die auch auf eine Kürzung von Weiterbildungsmitteln für Arbeits-

lose hinaus laufen, der richtige Weg sind, muss bezweifelt werden. Besser wäre es,

die oft bemängelte Praxis- und Betriebsnähe der Bildungsmaßnahmen dadurch zu

beheben, dass die Kooperation mit Betrieben und die Abstimmung von Qualifizierun-

gen mit betrieblichem Bedarf wesentlich verbessert wird.

Ein wichtiges Instrument zum Matching von Angebot und Nachfrage auf dem Ar-

beitsmarkt ist eine Steigerung der analytischen Kapazitäten zur differenzierten Erfas-

sung zukünftigen Fachkräftebedarfs in regionalen und Branchenarbeitsmärkten. Da-

mit ließe sich die Reaktionsfähigkeit auf drohende Engpässe bei Berufsgruppen und

Qualifikationen verbessern. Es könnten rechtzeitig Maßnahmen beispielsweise der

Erschließung weiblicher Begabungsreserven für industrielle Berufe ergriffen werden.

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10.3 Was die Unternehmen tun können (1): Einbettungsstrategien nützen den Re-

gionen und den Unternehmen

Nachahmenswert und in der Fläche der industriellen Landschaft ausbaufähig sind die

von einigen Fallbetrieben praktizierten vielfältigen sozialen, kulturellen und industrie-

politischen Einbettungsstrategien ins regionale Umfeld. Betriebe, die enge Beziehun-

gen zu Hochschulen, Schulen und auch zu Kindergärten unterhalten, die sich nach

Außen als erfolgreiche und sozial verantwortliche Unternehmen präsentieren, de-

monstrieren gegenüber ihrem Umfeld Wertschätzung. Sie tun etwas gegen den oft

schlechten Ruf industrieller Arbeit und Berufe und setzen ein Gegengewicht zu dem

Lethargie befördernden Regionalpessimismus und Abwanderung. Ihre Umweltoffen-

heit macht sie zu attraktiven Arbeitgebern, die ihren Beschäftigten auch etwas zu

bieten haben.

Das Engagement eingebetteter Firmen in Brancheninitiativen und in Netzwerken zur

Verbesserung der Know-how-Basis und Wirtschaftskraft bildet eine gute Anschluss-

stelle für öffentliche Förderungen, die am besten dort anknüpfen können, wo bereits

Formen der Selbstorganisation wirtschaftlicher Akteure vorhanden sind. Bedarfsge-

rechtigkeit, Effizienz und Effektivität in der Wirtschaftsförderung erfordern Kommuni-

kation und Kooperation zwischen gut informierten, engagierten und strategiefähigen

wirtschaftlichen und politischen Akteuren. Umweltoffene und eingebettete Firmen

kennen die Ressourcen in ihrem regionalen Umfeld gut und können gegenüber ihrem

institutionellen Umfeld ihren Unterstützungsbedarf präzise angeben. Sie kennen und

kalkulieren auch die Handlungsrationalitäten und -erfordernisse ihres Gegenübers im

Institutionensystem.

10.4 Was die Unternehmen tun können (2): Förderung einer integrativen Innovati-

onskultur

Besonders erfolgreiche Unternehmen betreiben Innovation nicht als punktuelles Er-

eignis, sondern als permanenten Prozess. Dieser Prozess ist idealerweise interdiszi-

plinär, abteilungsübergreifend und weitgehend statusneutral. Nur wenn innovatives

Handeln als eine gemeinsame Aufgabe des ganzen Unternehmens, d.h. möglichst

vieler Mitarbeiter aufgefasst wird, kann jene treibende Kraft entstehen, die die Betrie-

be nach vorn bringt, in die erste Reihe der Branchenkonkurrenz. Dass das auch klei-

neren und mittleren Unternehmen unter den schwierigeren Startbedingungen in Ost-

deutschland gelingen kann, zeigen einige Bespiele in unserem Sample.

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Wenn wir dies als einen ‚integrativen Prozess’ bezeichnen, dann vor allem deshalb,

weil dazu auch eine vorausschauende Personalplanung und -entwicklung, eine sys-

tematische Aus- und Weiterbildung, eine partizipativ-delegative Mitarbeiterführung

und eine motivierende Lohn- und Leistungspolitik gehören. Nur so lässt sich auf

Dauer das kreative Potential freisetzen, das für eine ‚unbescheidene’ Wachstums-

strategie erforderlich ist. Solche, das Innovationshandeln tragenden sozialen Bezie-

hungen im Betrieb begründen eine dauerhaft angelegte integrative Innovationskultur.

10.5 Verbesserung der Kooperation zwischen Unternehmen und Hochschulen

Die über bloße Dienstleistungen hinausgehende Forschungskooperation zwischen

Unternehmen und Hochschulen wird inzwischen auch von kleinen und mittleren Un-

ternehmen vielfach praktiziert, häufig auch in der Form öffentlich geförderter Ver-

bundprojekte, die mehrheitlich eine positive Resonanz finden. Erschwert wird diese

Kooperation aus Sicht der KMU z. T. durch mangelhafte Transparenz hinsichtlich der

an den Hochschulen verfügbaren Wissensbestände und Forschungskapazitäten.

Hierin könnte die Öffentlichkeitsarbeit der Hochschulen noch verbessert werden. Ein

anderes Problem stellen die Verwertungsrechte gemeinsam erarbeiteten innovativen

Wissens dar. Seit die Hochschulen im Zuge durchgreifender Ökonomisierung – mit

der Rationalisierung der Betriebsabläufe und Rationierung der Ressourcen – ver-

stärkt auf die Selbstvermarktung von Patenten Wert legen, fühlen sich KMU bei die-

sem Deal z. T. benachteiligt. Die Hochschulen sollten im Verbund mit den politisch

Verantwortlichen in Bund und Ländern nach geeigneten Verfahren suchen, wie den

unterschiedlichen Interessen der Beteiligten auf möglichst Wirtschaftskraft

stimulierende Weise Rechnung getragen werden kann.

10.6 Förderung der Diffusion modernster Technologie in die Breite der industriellen

Landschaft

Erfolgreiche betriebliche Entwicklungsstrategien in Ostdeutschland beruhen mehr auf

der Implementierung modernster Techniken, denn auf deren Erzeugung. Dies hat

Konsequenzen für eine Förderpolitik, die auf eine Nutzung und den Ausbau dieser

Stärke setzen sollte. Unter technologiepolitischem Blickwinkel kann mit Förderungen,

die der Anpassung von Hochtechnologien an die Belange traditioneller Industrie-

branchen dienen, ein Beitrag zur Diffusion von Innovationen in die Breite der indus-

triellen Landschaft geleistet werden. Auf diese Weise wird die Gefahr vermieden,

dass positive ökonomische Wirkungen von Fortschritten auf dem Gebiet von High-

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tech auf wenige Zukunftsbranchen beschränkt bleiben, da sie keinen Ausstrahlungs-

effekt auf die anderen Branchen haben.

Die Förderung von Diffusionsprozessen hat ein wichtiges Aufgabenfeld in Maßnah-

men zur Erleichterung des Transfers neuen Wissens in industrielle Verwendungszu-

sammenhänge. Hierbei sind leistungsfähige Bindeglieder und Kopplungen zwischen

Hochschulen, die neues technisches Wissen erzeugen oder auch aus der internatio-

nalen ‚scientific community’ beziehen, und den Betrieben in Ostdeutschland von ho-

her Bedeutung. Freie wissenschaftliche Einrichtungen wie das Fraunhofer Institut, die

als Partner der Industrie eine gute Reputation genießen, leisten beim Wissenstrans-

fer bereits einiges. Die Wichtigkeit intermediärer Organisationen zwischen eher

Grundlagen orientierter Forschung und betrieblichen Anwendungs- und Verwer-

tungserfordernissen zeigt auch die Herausbildung gemeinnütziger GmbHs und e.V.s

in Jena, die personell eng an anwendungsnahe Forschungsbereiche gekoppelt sind

und der mittelständischen Industrie zum Teil mit öffentlicher Förderung passförmige

Dienstleistungen anbieten. Die Förderung solcher Transferorganisationen ist sinnvol-

ler, als etwa den Universitäten pauschal Anwendungsforschung zulasten der Grund-

lagenforschung zu empfehlen. Denn Grundlagenforschung ist als Ausgangspunkt der

Wissen generierenden Prozesskette unverzichtbar und folgt in der gesellschaftlichen

Arbeitsteilung anderen Logiken und Handlungserfordernissen als Anwendungsfor-

schung.

10.7 Stärkung der Entwicklungspotenziale von Firmen in strukturschwächeren Ge-

bieten zu vertretbaren Kosten

Die Bedeutung und der Erfolg intermediärer, anwendungsnaher Forschungsorgani-

sationen für den Wissenstransfer legt auch die Etablierung solcher Einrichtungen in

strukturschwächeren Regionen nahe. Auch in diesen Regionen gibt es gerade in der

Industrie erfolgsträchtige und zukunftsfähige Unternehmen. Wie Fraunhofer ISI plä-

dieren auch wir dafür, Regionalförderungen nicht auf bereits bestehende Cluster zu

beschränken, sondern solche Unterstützungsmaßnahmen bereits im Vorfeld von

Clusterbildungen ansetzen zu lassen (Koschatzky u.a. 2005). Die ‚Erfolgsgeschich-

ten in der Provinz’ laufen ansonsten nämlich Gefahr – insbesondere hinsichtlich der

Humanressourcensicherung (vor allem bei jungen und bei berufserfahrenen Ingeni-

euren) und des Zugangs zu Forschungsdienstleistungen – abgekoppelt zu werden.

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Häufig fehlen dort Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, die die industrielle

Entwicklung unterstützen können. Nicht immer rechtfertigen die industriellen Struktu-

ren und der vorhandene Industriebesatz die Gründung einer Fachhochschule. Mit

vertretbarem Kostenaufwand könnte aber durch die Etablierung von kleineren For-

schungseinrichtungen oder auch Kompetenzzentren in den Regionen eine den Er-

fordernissen und Bedürfnissen der lokalen Industrie Rechnung tragende Zugangs-

möglichkeit zu neuem Wissen geschaffen werden. Diese Einrichtungen könnten dar-

über hinaus einen Kristallisationspunkt für regionale Branchenaktivitäten und Koope-

rationen im Bereich der Innovation bilden und dabei auch die soziale Kohäsion zwi-

schen den wirtschaftlichen Akteuren in den Regionen fördern.

Eine Politik zur Förderung von Wachstumskernen sollte eine Lokomotivfunktion für

schwächere Regionen in ihrem Umfeld erfüllen können. Hierbei ist aber ein Selbst-

lauf nicht zu erwarten. Institutionelle Vorkehrungen und gezielte Maßnahmen sind

erforderlich. Mit Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und dem Clusterma-

nagement der Wachstums- und Leitregionen zum einen und kleineren Hochschulen,

Bildungs- und Forschungsdienstleistern in den äußeren Entwicklungsräumen zum

anderen könnten Brücken geschlagen werden, die die Ausstrahlpotenziale der

Wachstumskerne in die umgebende Fläche hinein absichern.

10.8 Netzwerkförderungen als Instrument, um Zugangschancen zu Fördermitteln

für Firmen außerhalb der Wachstumskerne zu sichern

Öffentliche Netzwerkförderungen sind ein sinnvolles Förderinstrument und können

die Innovationsaktivitäten ostdeutscher Firmen wirksam unterstützen. Sie knüpfen an

bereits vorhandene Initiativen der Selbstorganisation und Kooperation an. Da die

Fördermittel projektbezogen vergeben werden, handelt es sich nicht um pauschale

sondern um gezielte Förderungen, die nicht nach dem häufig kritisierten ‚Gießkan-

nenprinzip’ erfolgen. Solche Förderinstrumente eröffnen die Möglichkeit, den Radius

der Wirtschaftsförderung über eine Verengung auf Wachstumskerne hinaus auszu-

dehnen. Adressat der Förderung wären auch Firmen, die nicht Teil dynamischer

Wachstumszentren sind, unter schwierigen Wettbewerbsbedingungen agieren müs-

sen und dennoch ein wichtiges und entwicklungsfähiges Segment der ostdeutschen

Betriebslandschaft bilden. Dies dient der Stärkung industrieller Potenziale gerade

dort, wo sich ansonsten nur wenig aussichtsreiche Anknüpfungspunkte für Maßnah-

men zur Stärkung der Wirtschaftskraft bieten. Um die Industrieprovinz nicht auch

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noch förderpolitisch chancenlos von Entwicklungspotenzialen abzukoppeln, ist eine

von der Zugehörigkeit der Firmen zu Wachstumskernen unabhängige Zugangsge-

rechtigkeit zu Fördermitteln erforderlich. Also: Nicht die von den Akteuren unbeein-

flussbare Zugehörigkeit zu bestimmten Regionen und Branchen sollten hierbei Krite-

rien für den Zugang zu Fördermitteln bilden sondern gute Ideen und schlüssige Kon-

zepte.

10.9 Lernoffenheit und Kontinuität in Förderprogrammen

Selbstverständlich ist dabei auch eine geeignete Ausgestaltung der Förderrichtlinien

erforderlich. Dies betrifft die inhaltliche Ausrichtung (am besten Diffusionsorientierung

anstatt Fixierung auf High-tech) und die Verfahren zur Vergabe und Verwendungs-

kontrolle von Fördermitteln. Hierbei geht es um eine Balance zwischen dem rechts-

staatlich unabdingbaren Erfordernis einer Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mit-

tel und einem vertretbaren administrativen Aufwand für die Betriebe. Der bürokrati-

sche Aufwand, um an Fördermittel zu kommen, sollte für die KMU nicht, was häufig

von Unternehmern kritisiert wird, prohibitiv hoch sein und auch nicht eloquente ‚Pro-

jektlyrik’ statt guter Ideen und Maßnahmen prämieren. Lern- und Entwicklungsoffen-

heit bei der Ausgestaltung und Durchführung von Förderprogrammen sowie Dialog-

bereitschaft zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern, können zur Weiterent-

wicklung von Förderkonzepten dienen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch

Kontinuität in den Förderprogrammen, um Kalkulierbarkeit und Lernprozesse aller

Beteiligten bei der Arbeit mit Förderprogrammen zu gewährleisten.

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11 Anhang

11.1 Literatur

Behr, Michael: Fachkräftebedarf in der Wirtschaftsregion Chemnitz Zwickau. Teil I: Ergebnisse der Unternehmensbefragungen. Chemnitz 2005

Behr, Michael/Elke Damm: Zur Situation der Unternehmen im Erzgebirge. Solide Wirtschaftsbasis ohne spektakuläre Wachstumsdynamik. Ergebnisse einer Unternehmensbefragung in den Landkreisen des sächsischen Erzgebirges. Chemnitz 2004

Behr, Michael/Thomas Engel/Christoph Thieme: Die Optische Industrie in Thüringen – starker Mit-telstand setzt auf Export. Eine Studie des Kompetenznetzes für optische Technologien. Jena 2005

Behr, Michael/Rudi Schmidt (Hg.): Aufbau Ost – Betriebliche und überbetriebliche Erfolgsfaktoren im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands. In: Jenaer Beiträge zur Soziologie, Heft 16, Jena: Friedrich-Schiller-Universität, 2005

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Willke, Helmut: Systemtheorie entwickelter Gesellschaften. Dynamik und Riskanz moderner gesell-schaftlicher Selbstorganisation. Weinheim und München: Juventa Verlag, 2. Aufl. 1993

11.2 Übersicht über weitere, für den Bericht herangezogene Studien

Für diesen Bericht wurden auch Ergebnisse und Daten aus vorangegangen Projek-

ten verwendet, welche im Folgenden kurz beschrieben werden.

Fachkräftebedarf in der Wirtschaftsregion Chemnitz Zwickau

Im Sommer 2004 wurde im Auftrag der ‚Wirtschaftsregion Chemnitz-Zwickau GmbH’

vom Institut für Soziologie der FSU Jena eine Studie über das Verarbeitende Gewer-

be der Region Süd-West Sachsen durchgeführt. Insgesamt beteiligten sich daran

456 Unternehmen mit ca. 23.000 Mitarbeitern. Inhaltliche Schwerpunkte dieser Stu-

die waren die Fachkräftesituation und die wirtschaftliche Entwicklung der Unterneh-

men. Darüber hinaus wurde auch nach Innovationsaktivitäten in den Unternehmen

gefragt.

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Zur Situation der Unternehmen im Erzgebirge

Im Sommer 2004 wurde von der TU Chemnitz im Auftrag der ‚TÜV Akademie GmbH’

Chemnitz-Anaberg eine Analyse des gegenwärtigen und zukünftigen Fachkräftebe-

darfs im Erzgebirge durchgeführt. Insgesamt konnten dabei Geschäftsführer bzw.

Mitarbeiter der Leitungsebene von 210 Unternehmen mit zusammen knapp 5000 Be-

schäftigten einbezogen werden. Schwerpunkt der Befragung stellten die wirtschaftli-

che Lage, die Fachkräftesituation und –entwicklung sowie Aktivitäten in FuE dar. Ne-

ben Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes umfasst das Sample Unternehmen

der Branchen Dienstleistungen, Tourismus, Handel sowie Bau.

Brandenburger Fachkräftestudie. Entwicklung der Fachkräftesituation und zusätzli-

cher Fachkräftebedarf

Für die Brandenburger Fachkräftestudie wurden im Jahre 2004 im Auftrag des Minis-

teriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen (MASGF) und des Landes

Brandenburg von IPRAS 212 Industrieunternehmen der Branchen Maschinenbau,

Fahrzeugbau, Nahrungsmittel, Chemie und Biotechnologie untersucht. Auch hier

stand neben der wirtschaftlichen Entwicklung die Fachkräftesituation in den Unter-

nehmen im Zentrum des Interesses. Weitere Schwerpunkte stellten das Innovations-

geschehen und die Personalpolitik dar.

Die Optische Industrie in Thüringen – starker Mittelstand setzt auf Export

Ende 2004 wurden von IPRAS im Auftrag des OptoNet e.V. die Geschäftsführer bzw.

Personalleiter von 51 Mitgliedsunternehmen dieses Netzwerkes befragt. Neben

branchenspezifischen Fragen sowie der Bewertung der Netzwerkarbeit standen auch

hier die Fachkräftesituation sowie das Innovationsgeschehen in den Unternehmen im

Mittelpunkt der Untersuchung.

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11.3 Übersicht über die untersuchten Unternehmen, geordnet nach Branche

Tab. 8: Maschinenbau/Metallverarbeitung

CODE Standort Mitarbeiter Produkt Innovationstyp

M1ST Dessau 180 Elektromotoren, Generatoren Inkrementalist

M2TH Saalfeld 285 Werkzeugmaschinen, Kfz-Teile Problemlöser

M3SN Chemnitz 200 Maschinen für technische Textilien Problemlöser

M4BB Senftenberg 38 Montage von Hydraulikaggregaten Inkrementalist

M5SN Chemnitz/

Jena/Leipzig 400

Vorrichtungen/

Sondermaschinen/Blechfertigung Problemlöser

M6TH Triptis 100 Systemlösungen für Massenproduktion Problemlöser

M7SN Chemnitz 80 Rotierende Präzisionswerkzeuge Inkrementalist

M8SN Chemnitz 60 Veredelung von Autoteilen durch Wär-

mebehandlung Problemlöser

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Tab. 9: Mess-Steuer- Medizin- und Regelungstechnik, Optik und Elektronik

CODE Standort Mitarbeiter Produkt Innovationstyp

MO1TH Gera 84 Optische Komponenten und Systeme Problemlöser

MO2TH Jena 85 Farbsensoren/Lichtwellenleiter Innovations-

sprünge

MO3TH Saalfeld 270 OP-Tische, Positioniersysteme Problemlöser

MO4SN Beierfeld 254 Kundenspezifische elektronische Sen-

sortechnik Problemlöser

MO5BB Dabendorf 180 Mobile Kommunikationsanlagen Innovations-

sprünge

MO6TH Jena 45 Kundenspezifische Lösungen bei Mon-

tageprozessen Inkrementalist

MO7MV Grevesmühlen 115 Elektronische Steuerungstechnik Innovations-

sprünge

MO8TH Ilmenau 10 Automatisierte Qualitätsmesstechnik - -*

MO9TH Jena 10 Optikmaschinen - - *

*keine Klassifizierung da nur im Rahmen der Netzwerkfallstudien befragt

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Tab. 10: Fahrzeugindustrie

CODE Standort Mitarbeiter Produkt Innovationstyp

F1SN Crimmitschau 75 Verformungsverfahren für Karosserietei-

le Problemlöser

F2BB Zeuthen 9

Herstellung von Messgeräten und

Dienstleistung im Bereich Schienenfahr-

zeuge.

Problemlöser

F3BB Ludwigsfelde 520 Wartung von Motoren und Turbinen Inkrementalist

Tab. 11: Biotechnologie

CODE Standort Mitarbeiter Produkt Innovationstyp

B1BB Luckenwalde 16 Entwicklung von Wirkstoffen Problemlöser

B2BB Potsdam 19 Mikrobiologische Auftragsanalytik Inkrementalist

B3BB Luckenwalde 37 chemische Referenzsubstanzen Medika-

mentenkontrolle

Innovations-

sprünge

B4BB Baruth 16 Nützlinge zur Schädlingsbekämpfung Problemlöser

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Tab. 12: Nahrungsmittel

CODE Standort Mitarbeiter Produkt Innovationstyp

N1BB Hirschfeld 43 Verarbeitung von Kartoffeln und Gemüse Inkremen-

talist

N2BB Werder 120 Ballaststoffe für Nahrungs- und Chemie-

industrie

Innovations-

sprünge

N3BB Peitz 55 Fischzucht und -verarbeitung Innovations-

sprünge

N4BB Hohenseefeld 20 Säfte, Spirituosen, Weine, Liköre Innovations-

sprünge

Tab. 13: Textil/Chemie

CODE Standort Mitarbeiter Produkt Innovationstyp

T1SN Niederfrohna 61 Textilveredelung/-färbung Inkrementalist

T2SN Aue 130 Funktionstextilien für Tisch und Bett Problemlöser

C1BB Schwarzheide 80 Kunststoffrohrsysteme Innovations-

sprünge

C1TH Bürgel 80 Stanz-, Dreh- und Kunststoffspritzteile - - *

*keine Klassifizierung da nur im Rahmen der Netzwerkfallstudien befragt

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II Dokumentation der Abschlusskonferenz

1 Eröffnungsrede Ulrich Kasparick, parl. Staatssekretär BMVBS

Ich bedanke mich zunächst für die Einladung und möchte das Interesse des Ministe-

riums an der Thematik dieser Konferenz unterstreichen. Aus meiner Sicht handelt es

sich bei der Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft um das zentrale Thema

der ostdeutschen Wirtschaft. Eine kurze Bemerkung zu meinem biografischen Hin-

tergrund: Ich war zunächst parlamentarischer Staatsekretär im Ministerium für Bil-

dung und Forschung und bin jetzt im neu gebildeten Ministerium von Minister Tiefen-

see (Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS). Bereits im Minis-

terium für Bildung und Forschung stand bei meiner Arbeit das Thema Innovation an

wichtiger Stelle. Nun wurde dieser Bereich in das neue Ministerium geholt, um diesen

Bereich weiter verstärken zu können. Es wurde bereits ein umfangreiches Programm

aufgelegt (500 Mio. €), doch wenn man in den Regionen unterwegs ist, wird immer

wieder deutlich, dass hier noch weitere Anstrengungen notwendig sind, gerade was

die Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft betrifft.

Es geht hier also um eine Studie die durch unser Haus finanziert wurde und unser

besonderes Interesse liegt darin, zu erfahren, wo die besonderen Stellschrauben

sind, an denen wir aus bundespolitischer Sicht ansetzten können um die richtigen

Kommunikationsprozesse in Gang bringen zu können. Minister Tiefensee habe ich

vorgeschlagen, für die neuen Bundesländer einen Wettbewerb zu initiieren. Dabei

sollen unter der Dachmarke ‚Wirtschaft und Wissenschaft’ die Regionen aufgefordert

werden, Vorschläge und Modelle einzureichen, wie der dringend notwendige Dialog

zwischen diesen Beiden noch verbessert werden kann. Es ist klar, dass man regio-

nale Ansätze finden muss, um diesen Prozess und diesen Dialog steuern zu können,

denn die Personenkenntnisse vor Ort sind dabei das entscheidende Kapital. Das

zeigen auch die Erfahrungen aus verschiedenen zurückliegenden BMBF-

Programmen.

Die zentralen Fragen dabei sind folgende: Wer kooperiert bereits mit wem, welche

persönlichen Verbindungen gibt es noch und welche Netzwerke zwischen den Hoch-

schulen und den Unternehmen bestehen weiterhin und können ausgebaut werden.

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Einen zweiten Bereich, der in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist, sehe ich in

der Förderung der Clusterpolitik. Dieser Clusterprozess ist bereits in Gang gekom-

men und soll noch in diesem Jahr durch das Ministerium verstärkt und gefördert wer-

den. Hierbei soll das Hochschuldreieck Halle-Leipzig-Jena zum deutschen For-

schungsdreieck entwickelt werden. Hier soll Hochleistungsforschung betrieben wer-

den in verschiedenen Bereichen und gleichzeitig soll ein Netz zwischen Wirtschaft

und Wissenschaft geknüpft werden. Bei diesem Vorhaben kann es nicht bloß um ei-

nen Impuls gehen, sondern es muss sich um einen langfristig begleiteten und geför-

derten Prozess handeln. Auf einen solchen längerfristigen Prozess muss man sich

einlassen.

Mein Interesse an der heutigen Veranstaltung lässt sich folgendermaßen zusammen-

fassen: Die eigenen Vorhaben und Ziele wissenschaftlich abzusichern, zu erfahren,

was gibt es für neue Erkenntnisse.

Wir wissen etwa, dass die Fachhochschulen eine besondere Rolle haben für die

KMU in Deutschland, stärker noch als die Fraunhofer Institute, die aufgrund ihrer

Kostenstruktur für KMU nicht immer erste Wahl sind.

Das Themenfeld Fachhochschulen betrifft auch die Länderebene: Aufgrund der

knappen und knapper werdenden Ressourcen in den Länderhaushalten ist eine noch

engere Verbindung zwischen Wirtschafts- und Kultusministerium ein Gebot der Stun-

de.

Denn viele Maßnahmen an den Fachhochschulen und an den Universitäten sind im

Grunde in unserer Wissensgesellschaft letztendlich Wirtschaftsmaßnahmen. Was

also an den Hochschulen getan wird, muss auch immer auf die Bedeutung für die

Wirtschaft hin untersucht werden.

Ich registriere, dass hier ein Umdenken in vielen Landesministerien eingesetzt hat

und zunehmend auch Ressourcen gebündelt werden und man dort Maßnahmen für

Hochschulen immer auch unter Gesichtpunkten der Wirtschaftsförderung betrachtet.

Der Blick auf die Europakarte macht klar, dass im Kern von wirtschaftlich starken

Regionen immer starke Forschungsaktivitäten und -einrichtungen stehen.

Deshalb ist es Ziel der Politik des BMVBS die Verantwortlichen beim Bund und in

den Ländern darin zu ermuntern, beim Aufbau Ost vor allem die Stärken zu stärken,

oder um es mit einem Bild aus dem Verkehrsministerium zu beschreiben: „Wir wollen

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die Lokomotiven stark machen, damit sie den Zug ziehen können.“ Dies ist der An-

satz, der im Ministerium von mir verstärkt verfolgt wird. Strategisch besonders von

Bedeutung ist dabei der Bereich Innovation. Und in diesem Bereich erhoffe ich mir

auch für diese Konferenz neue Erkenntnisse und Anregungen, um gute Gründe nach

Berlin mitnehmen zu können.

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2 Verbreitung und Nutzen von Innovationskooperationen bei kleinen und mittleren Unternehmen im Verarbeitenden Gewer-be12 Thorsten Eggers, Projektträger im DLR (Reg-In), Berlin

Die freiwillige überbetriebliche Zusammenarbeit in Form von Kooperationen bietet

insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Chancen. Kooperative Stra-

tegien ermöglichen es den KMU, ihre größenbedingten Defizite auszugleichen und

ergänzen die bisherigen Wege und Strukturen, um am Markt erfolgreich zu sein. Im

Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Kooperationshäufigkeit der deutschen

Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe gegeben sowie der Nutzen von Innovationsko-

operationen dargestellt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf einer Beurteilung des Ko-

operationsverhaltens von KMU. Die Gegebenheiten und Arbeitsabläufe in diesen Un-

ternehmen unterscheiden sich wesentlich von denen in Großunternehmen (Eg-

gers/Kinkel 2005). Der Beitrag stützt sich auf Daten der regelmäßigen Erhebung In-

novationen in der Produktion des Fraunhofer ISI. Die Erhebung richtet sich an Be-

triebe der Metall- und Elektroindustrie sowie seit 2001 auch an die Betriebe der

Chemischen und Kunststoffverarbeitenden Industrie Deutschlands. Untersuchungs-

gegenstand sind die verfolgten Produktionsstrategien, der Einsatz innovativer Orga-

nisations- und Technikkonzepte in der Produktion sowie Fragen des Personaleinsat-

zes und der Qualifikation. Seit 1997 werden auch Fragen zum Kooperationsverhalten

der Betriebe gestellt. Daneben werden Leistungsindikatoren wie Produktivität, Flexi-

bilität und erreichte Qualität erhoben. Mit diesen Informationen erlaubt die Umfrage

Aussagen zur Modernität und Leistungskraft von Kernbereichen des Verarbeitenden

Gewerbes in Deutschland (Lay/Maloca 2004).

Auswertungen der Erhebung Innovationen in der Produktion des Fraunhofer ISI zei-

gen bereits ein hohes Maß an zwischenbetrieblicher Kooperation bei den befragten

Betrieben. Am häufigsten wird mit 60 % an der Produktentwicklung mit Kunden und

Zulieferern zusammen gearbeitet. Es folgen Kooperationen im Vertrieb (44 %) sowie

in der Produktion zum Kapazitätsausgleich (42 %). Produktionskooperationen zum

Komplett- bzw. Systemangebot (32 %) sowie Beschaffungskooperationen (30 %)

12 Der Abschnitt zu den Input- und Outputfaktoren und damit zum Nutzen der Innovationskooperationen ist eine Zusammen-

fassung der Ergebnisse einer Sonderauswertung der Erhebung Innovationen in der Produktion im Rahmen der Evaluation des Förderprogramms PRO INNO (PROgramm INNOvationskompetenz mittelständischer Unternehmen), die Anfang 2006 vom Fraunhofer ISI publiziert wurde (Lo/Kulicke/Kirner 2006).

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werden von einem knappen Drittel, horizontale FuE-Kooperationen mit Wettbewer-

bern im selben Markt sowie Servicekooperationen (jeweils 27 %) von einem guten

Viertel der Betriebe eingegangen. Die Kooperationsaktivität der Betriebe variiert nach

ihrer jeweiligen Unternehmensgröße. So gibt es signifikante Unterschiede hinsichtlich

der Zusammenarbeit kleiner, mittlerer sowie großer Betriebe. Große Betriebe mit 500

und mehr Mitarbeitern kooperieren wesentlich häufiger als kleine Betriebe mit weni-

ger als 100 Mitarbeitern. Besonders deutlich ist dieser Unterschied bei den FuE-

Kooperationen mit Firmen im selben Markt. Hier ist mit 44 % der Anteil der kooperie-

renden großen Betriebe fast doppelt so hoch wie derjenige der kleinen und mittleren

Betriebe (Kirner/Eggers 2005). Weitere signifikante Unterschiede zeigen sich im Ver-

gleich des Kooperationsverhaltens der Betriebe der alten und der neuen Bundeslän-

der. So wird in den neuen Bundesländern deutlich häufiger kooperiert. Dieser Effekt

zeigt sich am deutlichsten bei den eher einfachen Kooperationsformen des Kapazi-

tätsausgleichs in Produktionskooperationen sowie bei Aus- und Weiterbildungsko-

operationen. Auch bei der Netzwerkbildung führen die neuen Länder. Hier arbeiten

23 % der Betriebe bereits in Netzwerken gegenüber 18 % in den alten Ländern. Un-

ternehmen kooperieren zwar in mehr als einem Bereich, aber nur selten mit mehr als

einem anderen Partner. Netzwerke, die sich durch den Zusammenschluss von mehr

als zwei Unternehmen sowie komplexeren Austauschbeziehungen charakterisieren

lassen, sind immer noch eine Seltenheit (Eggers/Kinkel 2005).

KMU, die FuE-Kooperationsbeziehungen zu anderen Unternehmen unterhalten,

zeichnen sich durch einen signifikant höheren Anteil von Beschäftigten im Bereich

FuE und Konstruktion aus (13 % im Vergleich zu 7 % bei Unternehmen ohne FuE-

Kooperationen). Dabei beschäftigen kleine Unternehmen mit weniger als 100 Mitar-

beitern doppelt so viele FuE- und Konstruktionsmitarbeiter wie nicht kooperierende

Unternehmen. Die Höhe der Ausgaben von Unternehmen für FuE korreliert ebenfalls

deutlich mit ihrer FuE-Kooperationstätigkeit. Auch dieser Zusammenhang ist bei den

kleinen Unternehmen am stärksten ausgeprägt. Unternehmen zwischen 50 und 100

Mitarbeitern, die im Bereich FuE kooperieren, geben einen mehr als doppelt so ho-

hen Anteil ihres Umsatzes für FuE aus wie nicht kooperierende Unternehmen. Fast

genauso deutlich fällt der Zusammenhang bei den sehr kleinen Unternehmen mit

weniger als 50 Mitarbeitern aus. Dieser Befund bestätigt sich auch im Zeitverlauf. In

den vergangenen Jahren bestand ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen

der FuE-Kooperationsaktivität von Unternehmen und ihren Ausgaben für FuE. FuE-

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Kooperationen zwischen Unternehmen können somit als integraler Bestandteil einer

generellen Innovationsstrategie angesehen werden.

Die FuE-Kooperationsaktivität von Unternehmen korreliert nicht nur positiv mit ent-

sprechenden Beschäftigtenanteilen und der Höhe der FuE-Ausgaben, die als Input

für Innovationen betrachtet werden können, sondern auch mit Output-Indikatoren,

wie z.B. dem Anteil von Produktinnovatoren sowie Umsatzanteilen von Produkt- oder

Marktinnovationen. Die positive Korrelation zwischen der FuE-Kooperationsaktivität

und verschiedenen Innovations-Output-Indikatoren ist dabei weitgehend unabhängig

von der Höhe der FuE-Ausgaben. Es gibt somit einen reinen FuE-Kooperationseffekt,

der davon unabhängig ist, dass kooperierende Unternehmen auch gleichzeitig höhe-

re FuE-Ausgaben aufweisen. Rund drei Viertel (71 %) aller im Bereich FuE kooperie-

renden Unternehmen haben Produktinnovationen in ihrem Angebot, die nicht älter

als drei Jahre sind. Demgegenüber verfügt nur ungefähr die Hälfte der Unternehmen

ohne FuE-Kooperationen über solche Produktneuheiten (49 %). Der Zusammenhang

zwischen FuE-Kooperationsaktivität und Produkt- bzw. Marktneuheiten ist dabei bei

kleineren Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern am stärksten ausgeprägt: Ohne gleichzeitige FuE-Kooperationsaktivität verfügen nur weniger als die Hälfte

(Produktinnovation), bzw. nur ein Fünftel (Marktinnovation) über innovative Produkte.

Kleinere Unternehmen, die mit anderen Partnern in FuE zusammenarbeiten, können

hingegen zu fast 80 % Produktneuheiten aufweisen. Gleichzeitig verfügen mehr als

doppelt so viele der in FuE kooperierenden kleineren Unternehmen über Marktneu-

heiten wie diejenigen ohne FuE-Kooperation. Der höhere Innovatorenanteil bei Un-

ternehmen mit FuE-Kooperationen führt auch zu höheren Umsatzanteilen mit Pro-

dukt- und Marktneuheiten. Unternehmen, die im Bereich FuE kooperieren, erzielen

bis zu 17 % ihres Umsatzes mit Produktneuheiten, während nicht kooperierende Un-

ternehmen signifikant darunter liegen. Auch zwischen FuE-Kooperationsaktivität und

Exportquote – als Indikator für eine erfolgreiche internationale Positionierung – zei-

gen sich positive Zusammenhänge. Zu jedem Erhebungszeitpunkt und in allen unter-

suchten Unternehmensgrößenklassen weisen Unternehmen, die FuE-Kooperationen

unterhalten, eine signifikant höhere Exportquote auf als nicht kooperierende Unter-

nehmen.

Die Ergebnisse zum Nutzen der Innovationskooperationen für KMU lassen sich fol-

gendermaßen zusammenfassen: Es zeigt sich insgesamt bereits eine relativ hohe

Kooperationsneigung vor allem der größeren Unternehmen. Dabei ist die Zusam-

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menarbeit mit Kunden und Zulieferern die dominante Kooperationsform zwischenbe-

trieblicher FuE-Beziehungen. Innovationskooperationen gehen einher mit deutlich

höheren Innovationsaktivitäten und einem stärkeren Innovationserfolg für KMU. Da-

bei ist sowohl der Zusammenhang zwischen FuE-Kooperationsaktivität und Input-

wie auch Outputfaktoren bei kleineren Unternehmen am stärksten ausgeprägt. Die

positive Korrelation zwischen der FuE-Kooperationsaktivität und verschiedenen Out-

put-Indikatoren für Innovationen ist dabei weitgehend unabhängig von der Höhe der

FuE-Ausgaben. Es gibt somit einen reinen FuE-Kooperationseffekt. Die deutlich hö-

here Vernetzung der großen Unternehmen zeigt aber auch, dass es den kleinen Un-

ternehmen nicht gelingt, die wirtschaftlichen Potenziale der FuE-Kooperationen opti-

mal zu erschließen. KMU vergeben damit Chancen, ihre Innovationsaktivitäten durch

Kooperation zu verbessern und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern

(Lo/Kulicke/Kirner 2006). Hier bedarf es offensichtlich weiterer Unterstützung beim

Abbau von Netzwerkbarrieren und beim Aufbau institutionalisierter Kooperationsbe-

ziehungen.

Literatur

Eggers, Thorsten; Kinkel, Steffen (2005): Wie vernetzt agieren mittelständische Unternehmen wirk-lich? In: Stahl, Heinz K.; Friedrich v.d. Eichen, Stephan A. [Hg.]: Vernetzte Unternehmen. Wir-kungsvolles Agieren in Zeiten des Wandels; Kolleg für Leadership und Management, Bd. 2; Ber-lin, Bielefeld, München: Erich Schmidt Verlag; S. 373-393.

Kirner, Eva; Eggers, Thorsten (2005): Best Practices in der überbetrieblichen Zusammenarbeit. Erfolgsmuster ausgezeichneter Kooperationen. In: Zeitschrift für den wirtschaftlichen Fabrikbe-trieb; 100. Jg., H. 12, S. 703-707.

Lay, Gunter; Maloca, Spomenka (2004): Dokumentation der Umfrage Innovationen in der Produktion 2003. Fraunhofer ISI: Karlsruhe.

Lo, Vivien; Kulicke, Marianne; Kirner, Eva (2006): Untersuchung der Wirksamkeit von PRO INNO – PROgramm INNOvationskompetenz mittelständischer Unternehmen. Modul 2: Analyse von in den Jahren 2001/2002 abgeschlossenen FuE-Kooperationsprojekten; Stuttgart: IRB-Verlag.

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3 Kooperationserfahrungen mit innovativen Unternehmen in der Optikregion Jena Prof. Dr. Norbert Kaiser, stellv. Direktor des IOF Jena

Ich möchte mit folgender Bemerkung beginnen. Bei der ganzen Diskussion um De-

mografie haben wir einen Punkt vergessen: Die Abwanderung der Industrie. Wenn

die Herstellung eines Produkts gut funktioniert, dann dauert es häufig nicht lange, bis

die Produktion ausgelagert ist. Und wenn die Produktion ausgelagert ist dann geht

auch die FuE hinterher. Es gibt zwar die Idee, dass aus dem Ausland geforscht wird,

aber dies funktioniert in der Regel nicht. Und dies passiert auch in der optischen In-

dustrie.

Nichts desto trotz haben die optischen Technologien und die optische Branche eine

riesengroße Zukunft: Das letzte Jahrhundert war das Jahrhundert des Elektrons, also

Mikroelektronik, und jetzt haben wir das Jahrhundert des Photons. Es gibt ein sehr

starkes Potential, da der Hebeleffekt von auf Licht basierenden Technologien sehr

groß ist. Man kann mit sehr wenig Licht sehr große Effekte und sehr großen Erfolg

erreichen. Und aus diesem Grund ist das Fraunhofer Institut auch in Jena 1992 ge-

gründet worden. Die Dinge hier am Ort laufen nicht nur deshalb so gut, weil der Auf-

schwung Ost hier so gut funktioniert, sondern weil es schon vorher eine umfangrei-

che und gute Zusammenarbeit gegeben hat. Die Konstellation Abbe, Schott und

Zeiss gibt es schon lange, die Strukturen sind historisch verwurzelt und konnten auch

durch Weltkrieg, DDR und Wende nicht zerstört werden. Deshalb ist das For-

schungsinstitut für Optik und Feinmechanik hier an der richtigen Stelle. Der ganze

Beutenberg-Campus kann als eine einzige Erfolgsgeschichte angesehen werden.

Schade ist nur, dass ein Max-Planck-Institut für Optik nicht hier angesiedelt wurde.

Ich möchte kurz erläutern, wie wir unser Geld erwirtschaften: Fraunhofer Institute

müssen 80 % ihrer Kosten über Drittmittel decken. Die übrigen 20 % sind Grundfi-

nanzierung. Von den 80 % muss mindestens die Hälfte von der Industrie sein. Ein

Großteil der Gelder aus der Industrie kommt aus Thüringen, d.h. die regionale Zu-

sammenarbeit funktioniert fantastisch. An zweiter Stelle steht Baden-Württemberg,

denn das ist das reichste Bundesland und dort liegt Oberkochen und dort sitzt Zeiss.

Der Anteil von etwa 50 % von Thüringer Unternehmen ist aber weitgehend stabil, das

heißt: Es funktioniert hervorragend!

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Es funktioniert aber nicht, wenn man nur mit dem Mittelständler zusammenarbeitet,

sondern lukrativ wird es erst durch die Verbundforschung. Diese ist damals nach der

Wende sehr gut angelaufen. Hier haben sich die Bedingungen aber mittlerweile nicht

verbessert. Durch einen Verbund kann man einen akzeptablen Preis für Forschungs-

aufträge erreichen. Und wir müssen dem Mittelständler das Antragsprozedere ab-

nehmen. Denn der Mittelständler hat das Interesse, ein Produkt zu erhalten und wir

unterstützen dann bei dem entsprechenden Antrag. Ein solches Vorgehen ist durch-

aus normal. Ich möchte unsere Zusammenarbeit mit Thüringer Unternehmen an

Hand von drei Beispielen illustrieren.

Erstes Beispiel aus dem Bereich Kunststoffoptik: Da gibt es große Firmen in der Re-

gion. Eine davon ist Wahl Optoparts in Triptis, die mittlerweile zu Jenoptik gehören.

Am Fraunhofer Institut wurde in Zusammenarbeit mit dieser Firma ein weltweit neues

und bis dahin einmaliges Verfahren entwickelt. Die Doktoranden und Mitarbeiter, die

dieses Verfahren hier am Institut mit entwickelt haben, stehen nun in dem Unterneh-

men an den Geräten. Den Erfolg dieser Kooperation kann man mit Zahlen für Um-

sätze und Arbeitsplätze belegen.

Ein weiteres Beispiel ist Fresnel Optics in Apolda. Für dieses Unternehmen haben

wir einen neuen Prozess entwickelt und weltweit patentieren lassen. Der Erfolg und

die Stellung am Markt werden eben nicht nur allein durch die Eigenschaften und die

Qualität des Produktes erreicht, sondern auch durch die juristische Begleitung. Also

Verträge, Lizenzen und Patente. Wichtig ist also globale Vermarktung von neuester

Technologie in Verbindung mit juristischer Beratung und Absicherung.

Drittes Beispiel: Der Bereich Sondermesstechnik. Hier geht es darum, komplizierte

Teile zu vermessen. Da hat sich hier eine neue Firma gegründet, die als Anwender

arbeitet und das funktioniert auch sehr gut. Das spricht sich herum und auf dieser

Basis können wir wieder neue Kooperationsvorhaben akquirieren. Um an öffentliches

Geld zu kommen, ist es wesentlich, dass die Produkte, die entwickelt werden, wirk-

lich gut und vor allem marktfähig sind. Man kann sich dabei kaum Fehlschläge erlau-

ben. Wenn es einmal nicht funktioniert, da geht es vielleicht noch, wenn es zweimal

nicht funktioniert, dann ist der Ruf ruiniert und die Gewinnung von weiteren Koopera-

tionspartnern wird äußerst schwierig.

Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist der Innovationscluster JOIN verstärkt zu er-

wähnen. JOIN bedeutet ‚Jenaer Optical Innovations’. Basis und Koordinator für JOIN

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ist das Fraunhofer IOF in Jena, das seine Kompetenzen mit der Thüringer optischen

Industrie sowie weiteren Instituten und Hochschulen in Thüringen bündelt. JOIN trägt

damit auch zur Stärkung Thüringens als Wissenschaftsstandort bei. Das Fraunhofer

IOF ist für die fachlichen Inhalte und die Durchführung der Projekte verantwortlich.

Unterstützung erhält das Fraunhofer IOF bei der organisatorischen Koordination der

Zusammenarbeit durch das Thüringer Kompetenznetz OptoNet.

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4 Protokoll der Diskussion

Herr Schmidt bittet darum, die in den Vorträgen geäußerten Befunde und Thesen zu

diskutieren. Gleichzeitig sollte aber auch schon auf mögliche Versbesserungsmög-

lichkeiten und Handlungsansätze für die in den Vorträgen aufgezeigten Defizite ein-

gegangen werden, die aus der Sicht der Unternehmen denkbar wären oder aus der

betrieblichen Praxis heraus bereits umgesetzt werden.

P. Heiden:

Ich möchte zunächst die bereits länger andauernde Zusammenarbeit mit der wissen-

schaftlichen Seite hervorheben und meine Zufriedenheit darüber, dass ich mich in

den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen sehr gut wieder gefunden habe,

betonen. Wenn nicht wortwörtlich, so kann man doch sagen: „Das ist bei mir genau

so.“

Ich halte aber auch Folgendes unter dem Stichwort Kooperation wichtig zu betonen:

Während die Kooperationen sich in den letzten Jahren vor allem auf Thüringen be-

zogen, hat dieses Thema bei vielen Unternehmen mittlerweile einen deutlich interna-

tionalen Charakter bekommen. Für diesen Bereich sind weitere wissenschaftliche

Arbeiten wünschenswert. Das ist zum einen China, wo unser Wirtschaftsminister und

Ministerpräsident derzeit sind. Ein wichtiger Punkt sind aber auch Kooperationen mit

Unternehmen in den neuen EU-Ländern.

Ansonsten bedanke ich mich noch einmal herzlich für die Zusammenarbeit. Diese ist

aus meiner Sicht trotz aller Belastungen immer wieder interessant und hilfreich und

bedeutet eine wichtige Abwechslung vom Tagesgeschäft.

N. Kaiser:

Ich möchte noch einmal Stellung nehmen zu dem von Herrn Kasparick erwähnten

Thema Fachhochschulen und Fraunhofer Institute: Genaues Hinsehen zeigt, dass

umfangreiche Forschung zumindest an einigen Fachhochschulen gar nicht möglich

ist, da es keinen Mittelbau gibt. Des Weiteren sind die Fachhochschulen weitgehend

unterfinanziert und können daher auf die Bedürfnisse von KMU nur unzureichend

eingehen.

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U. Kasparick:

Ich war früher im Ministerium für Wissenschaft und Forschung und dort wurde auch

die Strategie verfolgt, die Fachhochschulen zu stärken Ich gehöre aber nun einem

anderen Ressort an.

Im Zusammenhang mit der derzeitigen Diskussion um die Föderalismusreform wurde

eine Entscheidung getroffen, wonach die Ministerpräsidenten der Länder künftig al-

leine für die Fachhochschulen (finanziell) verantwortlich sind. Angesichts der chroni-

schen Unterfinanzierung der Länder ist es mir ein Rätsel, wie das funktionieren soll.

Es kommt dem Versuch gleich, einem ‚nackten Mann’ in die Tasche greifen zu wol-

len. Aber die Föderalismuskommission hält an diesem Vorhaben fest. Es gibt jedoch

noch umfangreichen Widerstand im Parlament, der durch alle Fraktionen hindurch

geht.

Es geht zum einen darum, deutlich zu machen, was diese Forschungspolitik für Ost-

deutschland bedeutet: Wenn nämlich die Finanzierung der strategisch wichtigen Stel-

len, der Hochschulen, den Ländern überlassen wird, dann wird die Wirtschaftskraft

der entsprechenden Regionen langfristig geschwächt.

R. Schmidt:

Ich möchte an dieser Stelle die Einwände von Herrn Kaiser noch einmal bekräftigen:

Es ist in der Tat so, dass vor allem die KMU die Fachhochschulen in Anspruch neh-

men. Die Großbetriebe wenden sich normalerweise an die großen technischen

Hochschulen aber für die KMU sind die Fachhochschulen die wichtigsten Ansprech-

partner bei Kooperationsvorhaben.

Und aus dieser Sichtweise heraus muss der Fachhochschulbereich besser gefördert

werden (entgegen unseren Interessen als Universität). Zum anderen müssen die

Forschungsmöglichkeiten (mit Einfluss auf das Stundendeputat der Professoren) er-

weitert werden.

Also: Für eine Stärkung der Kooperationen zwischen KMU und Fachhochschulen ist

eine Stärkung der Fachhochschulen selber wichtig. Föderalismusstrukturelle Proble-

me sind da natürlich eine logische Folge. Nicht nur aus der Perspektive der Wissen-

schaft sind die hierbei auftretenden statusbezogenen Länderegoismen sehr nachtei-

lig für die Interessen des Landes und der Wirtschaft.

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U. Kasparick:

Grundlegende Veränderungen sind hier sehr schwierig, da Kollisionen mit dem Be-

amtenrecht drohen. Trotzdem wollen wir an diesem Problem dran bleiben. Deshalb

wurde dies auch noch einmal im Koalitionsvertrag festgehalten, an dieser Schnittstel-

le besser zu werden. Ich empfehle dabei, sich an Ländern wie Frankreich, Spanien

oder den Vereinigten Staaten zu orientieren. Dort entspringt ein enormes Maß an

Innovationskraft aus dem Hochschulbereich, weil für die Forscher selber viel flexible-

re Möglichkeiten bestehen.

Der Ausbau und die Förderung der Forschungseinrichtungen als eine Maßnahme zur

Wirtschaftsförderung ist also eine zentrale Aufgabe der Politik und zwar aus zwei

Gründen: Es findet ein massiver demografischer Wandel statt, die jungen Leute ver-

lassen den Osten, und ältere Bevölkerungsteile ziehen eher zu, das heißt, es gibt

sogar noch eine Verstärkung des demografischen Wandels. Und dieser demografi-

sche Wandel gefährdet den Aufbau Ost.

Ich möchte an dieser Stelle ein positives Zukunftsszenario entwerfen: Es gibt ein

Netzwerk aus Universitäts-/Wissenschaftsstandorten und um diese Standorte siedeln

sich die für die wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen KMU an. Für diese zukünfti-

ge Entwicklung ist der heutige Ausbau der Wissenschaftsinfrastruktur elementar und

wichtig. Wer heute an diesen strategisch wichtigen Stellen Fehler macht, der versün-

digt sich an der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung der neuen Länder.

Dagegen gibt es aber parlamentarische Widerstände von einer Reihe von Ostabge-

ordneten aus CDU und SPD, die argumentieren, man würde sich auf diese Weise

(durch gezielte Förderung von einzelnen Schwerpunkten/Leuchttürmen) der eignen

wirtschaftlichen Wurzeln berauben.

S. Giapapas:

Es ist wichtig, Synergien zu heben zwischen der Industrie und den Fachhochschulen.

Dafür muss die Zusammenarbeit zwischen Unis, FHs und den Unternehmen besser

werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Zusammenarbeit häufig an der

Kostenverteilung scheitert. Dabei muss den Unternehmen klar sein, dass für For-

schungsleistungen der FH auch Geld ausgegeben werden muss.

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In Bezug auf die demografische Entwicklung gibt es aus meiner Sicht durchaus

Handlungsmöglichkeiten. Im Idealfall gibt es einen gesunden Austausch von jungen

Leuten, die weggehen und anderen jungen Leuten, die herkommen. Es sollte also

dafür gesorgt werden, dass aus der einseitigen Abwanderung ein Austausch wird. So

gab es zu meiner Studienzeit ein Westberliner Förderprogramm, in dem Ehestands-

darlehen für Paare vergeben wurden, die sich ansiedelten.

In der Kunststoffindustrie gibt es einen wachsenden Bedarf an Arbeitsplätzen und

aus diesem Grunde werden von meinem Unternehmen verschiedene Veranstaltun-

gen organisiert, um den jungen Leuten das Arbeitsfeld Kunststoffindustrie näher zu

bringen. Dies ist notwendig, denn Befragungen zeigen, dass 90 % der jungen Leute

eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst bzw. im Dienstleistungsbereich anstreben,

aber eben nicht in der Industrie. Meiner Ansicht nach liegt diese Einstellung vor allem

in der Unkenntnis über die Arbeitsmöglichkeiten im industriellen Bereich.

Damit sich diese Einstellung ändert, muss man bereits in den Schulen bzw. bei den

Lehrern ansetzen. Hier wären auch Praktika für Lehrer sinnvoll. So etwas müsste in

allen Bundesländern angedacht werden, anstatt nur auf das Jahr 2010 zu warten,

wenn die geburtenschwachen Jahrgänge die Unis erreichen.

R. Storch:

Ich spreche nun aus dem Blickwinkel eines Vertreters eines kleinen Unternehmens

mit 130 Beschäftigten aus Dessau, Sachsen Anhalt. Auch ich finde mich in den Er-

gebnissen der Studie wieder. Es zeigt, dass man in meinem Unternehmen offenbar

nicht alles verkehrt gemacht hat und es zeigt sich, dass auch diese Arbeit ein Bau-

stein des Erfolges ist, jedoch nicht der alleinige.

Zum Thema Kooperationen: Für KMU ist es zunächst schwierig, das Thema FuE

progressiv zu betreiben. In früheren Zeiten, als am Standort noch über 2000 Be-

schäftigte arbeiteten, gab es die Chance, eine eigene Abteilung zu etablieren, die

sich in ihrer täglichen Arbeit mit Musterbau und Grundsatzproblemen des Elektroma-

schinenbaus auseinandergesetzt hat.

Heute als KMU fehlen hierzu Kraft und Ressourcen. Gleichwohl gibt es einen Bedarf

und in der Konsequenz muss man sich nach Außen wenden.

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Ich möchte zunächst in einem Punkt den Ausführungen von Herrn Kasparick wider-

sprechen: „Fraunhofer Institute seien nicht die Partner der KMU auf Grund der hohen

Kosten.“ Die Kosten sind sicherlich (zu) hoch, aber grundsätzlich sind Entwicklungs-

projekte für einen Mittelständler unabhängig von der Zusammenarbeit mit einem

Fraunhofer Institut überhaupt kaum zu finanzieren. Was wir brauchen sind Möglich-

keiten zur Innovationsförderung, bevor man sich als Unternehmen überhaupt auf ei-

ne Zusammenarbeit einlässt.

Es ist also gerade für den Mittelstand ungeheuer wichtig, dass es Chancen und Mög-

lichkeiten zur Kooperation mit Instituten und Fachhochschulen gibt. Denn dort gibt es

Wissenschaftler, die im Gegensatz zu den Universitäten den Praxisbezug sehr gut

verinnerlicht haben. Der Kontakt zu den Universitäten scheitert häufig daran, dass

dort eine zu starke Orientierung auf sehr spezielle wissenschaftliche Aufgaben statt-

findet und man dadurch die Lösung eines einfachen Problems eines Mittelständlers

aus den Augen verliert. Derartige Projekte laufen daher auch kostenmäßig schnell

aus dem Ruder. Aus der Sicht des Mittelständlers ist aber der praxisorientierte Wis-

senschaftler wünschenswert, der auch den Kostenaspekt im Auge hat.

U. Kasparick:

Früher (im Forschungsministerium) wurde durch mich eine einfache Rechnung auf-

gemacht, für die ich auch schwer angegriffen wurde: Für 60 Mio € bekommt man 10

km Autobahn, für den gleichen Betrag bekommt man ein Fraunhofer Institut. Und

dann sollte die Frage gestellt werden: Welche Investition hat eine höhere Wertschöp-

fung?

Einwand B. Spiekermann: Ein FH Institut aber nur für zwei Jahre!

U. Kasparick:

Der Betrag umfasst die Investitionen, die für die Neuerrichtung eines FH Institutes

notwendig sind. Daher war der Weg, der etwa in Dresden beschritten wurde, richtig:

Dort gibt es mittlerweile neun Fraunhofer Institute. Dort wurden insgesamt zwei Mrd.

€ investiert. neun Fraunhofer Institute, das sind mehr als z.B. in Stuttgart.

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Dies ist für die jeweilige Region sehr wichtig, da es dort eine entsprechende Fach-

kräftebasis gibt. Ich bin der festen Überzeugung, dass in Ostdeutschland eine starke

Industrieforschung notwendig ist, die an den traditionellen Stärken ansetzt.

R. Storch:

Zum Thema Personalentwicklung: Die Struktur von KMU verlangt sehr wohl den In-

genieur, dem praktisches Wissen vermittelt wurde, der von einer Fachhochschulein-

richtung kommt. Sobald man aber richtige FuE, Modellierungen etc. betreiben will,

reicht die Ausbildung der Fachhochschule nicht mehr aus, hier brauchen wir Absol-

venten der Universität mit grundlegendem theoretischem Wissen. Gerade in diesem

Bereich ist es für KMU äußerst schwierig, Personal zu gewinnen, da es an Perspekti-

ven, an Karrieremöglichkeiten, an sozialer Sicherheit etc. fehlt. Als Mittelständler ist

man zudem unter den Hochschulabsolventen kaum oder gar nicht bekannt. Und ge-

genüber den großen Unternehmen fehlt die Kraft, sich bei den jungen Absolventen

durchzusetzen.

U. Kasparick:

Eine viel versprechende Lösung liegt in der engeren Zusammenarbeit zwischen

Schulen bzw. Hochschulen und Industrie. Z.B. zwischen der TU Ilmenau und Opel

Eisenach: Dabei wurde den Studenten bestimmter Studiengänge eine Stelle und ein

Einstiegsgehalt in Aussicht gestellt. Im Ergebnis konnte eine Vervierfachung der Stu-

dentenzahlen in diesem Fachbereich erreicht werden.

Darüber hinaus kommt es aber auch auf die Verantwortung, die sozialen Kompeten-

zen des Unternehmers an, ohne die alle politischen Fördermaßnahmen ins Leere

laufen würden. Ich habe von meinem Nachbarn (Herrn Heiden) den schönen Satz

gehört: „Von meinen Mitarbeitern ist noch keiner nach Baden-Württemberg gegan-

gen, weil ich mich um sie kümmere!“

Die Frage ist also, wie identifiziert man Persönlichkeiten, die sich für die Region en-

gagieren und wie kann man diese Leute unterstützen.

Im BMBF wurde seinerzeit Geld für KMU zur Verfügung gestellt unter folgenden Be-

dingungen: Wettbewerb und Kooperation. Durch die Verpflichtung zur Kooperation

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wurden dann Kontakte zu wichtigen Hochschulprofessoren hergestellt und es wurden

regionalspezifische Netzwerke geknüpft.

U. Tenkhof:

Ich möchte einige Bemerkungen zur Fachkräfteproblematik machen. Unsere Landes-

wirtschaftsförderungsgesellschaft hat eine Studie in Auftrag gegeben: Danach gaben

80 % der Befragten an, dass die Fachkräfte den wichtigsten Standortfaktor darstel-

len. Dies hat uns bestärkt, die Investition in die Köpfe zu stärken.

Zum Problem Wettbewerb um Nachwuchskräfte mit größeren Unternehmen: Es kann

vermutet werden, dass sich auf diesem Gebiet auch bald etwas ändert und eine Um-

orientierung der Jugendlichen eintritt. Studien zeigen, dass die Jugendlichen auf der

einen Seite eine höhere Leistungsorientierung zeigen, aber auch in steigendem Ma-

ße heimatverbunden eingestellt sind. Und soziale Sicherheit wird nicht mehr allein

mit den großen Unternehmen verbunden, wie auch die Heuschreckendebatte in den

letzten Monaten gezeigt hat. Die Mittelständler haben nämlich auch Stärken gegen-

über den Großen: Gute/individuelle Personalbindung innerhalb der Unternehmen und

eine starke regionale Verhaftung.

S. Giapapas:

Ein nützliches Instrument stellt auch ein Firmennetzwerk dar, wie etwa das Kunst-

stoffkompetenzzentrum, mit dem mein Unternehmen und ich sehr gute Erfahrungen

gemacht haben. [Herr Giapapas ist auch hier Geschäftsführer, d.V.] Hierin sind ver-

schiedene Unternehmen einbezogen sowie etwa 20 Vertreter wissenschaftlicher Ein-

richtungen als wissenschaftlicher Beirat. Die Zusammenarbeit innerhalb dieses

Netzwerkes wurde von Anfang an aufgebaut und wir haben damit bisher durchweg

sehr gute Erfahrungen gemacht. Das Netzwerk hilft vor allem bei kleineren Proble-

men im Forschungsbereich, wo es nicht lohnt, sich mit einer eigenen Anfrage an eine

Universität zu wenden. Und gerade viele kleine Unternehmen profitieren davon, weil

sie durch den wissenschaftlichen Beirat Forschungsleistungen zu sehr kleinen Prei-

sen bekommen können.

G. Wolf:

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Ich bin als Vertreter eines Unternehmens aus Südwestsachsen hier, mit ca. 600 Mit-

arbeitern darunter 40 Azubis am Standort, und muss ebenfalls über Probleme bei der

Rekrutierung von akademischem Nachwuchs berichten. Auf Grund der Altersvertei-

lung im Unternehmen ist demnächst ein erhöhter Bedarf in dieser Gruppe zu erwar-

ten. Hochschulkontaktmessen, auf denen das Unternehmen deshalb vertreten war,

haben allerdings nicht den erhofften Erfolg gebracht. Konsequenz: Wir verlagern un-

sere Aktivitäten bei der Personalsuche direkt an die Schulen und versuchen, poten-

tielle Mitarbeiter frühzeitig zu gewinnen und zu binden, indem wir uns, das Unter-

nehmen, vorgestellt haben. Die Schüler und die Lehrer wurden ins Unternehmen ein-

geladen.

Den Abiturienten wurde angeboten eine Berufsausbildung im Unternehmen zu ab-

solvieren und anschließend an der FH zu studieren. Dies ist zwar ein langer Weg für

die Betreffenden aber sie erhalten auch eine langfristige Perspektive im Unterneh-

men.

Wir haben seit 1996 stark Personal aufgebaut, leiden aber inzwischen unter einer

globalen zyklischen Krise. Es fand eine Marktbereinigung statt und es musste im Un-

ternehmen Personal abgebaut werden. Wir versuchen derzeit den Spagat, das vor-

handene junge Potential nicht anzutasten, was relativ schwer ist. Üblich ist: Wer zu-

letzt kommt, geht zuerst. Gegen dieses Motto wurde im Unternehmen gearbeitet, um

sich gegen die Abwanderung junger Potenziale zu stemmen.

Die Firma KUKA wurde in der Vergangenheit als Erfolgsgeschichte gehandelt. Diese

Entwicklung soll natürlich fortgesetzt werden. Dies ist jedoch aufgrund der vorherr-

schenden Marktbedingungen nicht einfach. Es gibt einen starken Preisverfall und es

findet ein starker Verdrängungswettbewerb statt.

Trotz allem versuchen wir, mit den genannten Maßnahmen, die Folgen des demogra-

fischen Wandels für uns abzufedern. Es wird weiter ausgebildet, und auch hier ist ein

Wandel zu spüren: Es gab einen Rückgang der Bewerberzahlen von 80 auf 40 in

diesem Jahr.

Dabei handelt das Unternehmen zum einen im eigenen Interesse, eben um den ei-

genen Nachwuchs zu sichern, aber auch, um der Region zu helfen. Und dabei zäh-

len nur Ausbildungsplätze und spätere Beschäftigung. Alles andere ist Gerede.

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U. Knapp:

Ich bin sehr erfreut, dass die Studie einen positiven Zugang gewählt hat. Ich möchte

drei Punkte hervorheben, die mir positiv aufgefallen sind: Eine hohe Innovations-

kompetenz, eine fruchtbare Vernetzung innerhalb der Betriebe, sowie eine Absatz-

orientierung über den regionalen Markt hinaus. Es zeigt sich also, dass hier durchaus

ein (wenn auch kleiner) Standortvorteil gegenüber bestimmten Regionen im Westen

existiert. Zumindest scheint eine solide Basis vorhanden zu sein. Offensichtlich ha-

ben die Betriebe schon einiges ohne Forschungsförderung zu Stande gebracht.

Wenn man bedenkt, dass das Gros der öffentlichen Forschungsförderung bisher

nicht dem Bereich KMU zu Gute gekommen ist.

Wenn man diese Faktoren zusammen betrachtet, kann man zunächst einmal sagen:

„Die machen das auch ohne uns!“ Das ist zunächst einmal beruhigend.

Ich möchte jedoch auf eine andere Seite aufmerksam machen, die in der öffentlichen

Diskussion und auch in der Studie kaum Berücksichtigung findet: Die Zusammenar-

beit von Wirtschaft und Politik.

Den demografischen Wandel werden wir mit Beschwörungen und rein appellativen

Maßnahmen nicht verändern oder sogar verhindern können. Es muss eine Argumen-

tation innerhalb der bestehenden Wirtschaftsstrukturen geben, also einen endogenen

Ansatz. Denn: Zuwanderung aus dem Westen oder aus dem Ausland ist nicht zu er-

warten.

Die Berufsanfängerzahlen gehen in den nächsten Jahren massiv zurück. Dadurch

wird es zu einer starken Verteuerung des Faktors Arbeit kommen.

Außerdem wird es nicht zu einer signifikanten Steigerung des Forschungsförderungs-

volumens kommen. Man ist gezwungen, die infrastrukturellen Vorraussetzungen im

Bereich Bildung und Forschung an den demografischen Wandel anzupassen. In die-

sem Kontext sollte in Frage gestellt werden, ob es richtig ist, ‚die Alten’ nach Hause

zu schicken und allein auf die Jungen zu setzen? Diese Gruppe werden wir in Zu-

kunft genauso brauchen wie die Frauen, die derzeit noch leider am Herd bleiben.

Einwand von U. Tenkhof: Nein! Die ostdeutschen Frauen bleiben nicht am Herd,

sondern gehen in den Westen. Der Osten bildet die Frauen für den Westen aus!

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Weiter U. Knapp:

Neben der Ausbildung in den Fachhochschulen ist auch die Ausbildung in den Schu-

len selber wichtig, um die jungen Leute auf die Bedingungen in der heutigen Produk-

tion richtig vorzubereiten.

Die Politik braucht konkrete Handlungsansätze für eine Zusammenarbeit mit der

Wirtschaft und an dieser Stelle ist die Studie noch etwas schwach.

U. Tenkhof:

Die Hauptfrage ist, wie hält man die jungen Menschen, insbesondere die jungen

Frauen, im Land und wie bekommt man Fachkräfte von Auswärts in das Land. Ich

erhoffe mir auf dieser Strecke ein paar Anregungen besonders auch für kleinere Un-

ternehmen.

R. Schmidt:

1. Theoretisch betrachtet ist die Antwort auf Fachkräftemangel oder zu teure Arbeits-

kraft einfach: Es findet eine Substitution durch Technik statt. Seit den siebziger Jah-

ren lässt sich eine Technologisierung in Deutschland beobachten, anders als etwa in

Amerika, wo auf dem Arbeitmarkt immer auch unqualifizierte Arbeitkräfte relativ

günstig zur Verfügung standen.

2. Logisch deduziert: Wenn es keine Arbeitskräfte gibt, muss man Sie woanders her

holen. Dies geht nur über Incentives, sprich höhere Bezahlung. D.h. nicht in West-

deutschland sondern in Osteuropa müssen mögliche Fachkräfte gesucht werden.

Diese Lösungen kann man zunächst logisch aus der Situation ableiten, praktisch

nutzbar sind sie nicht.

Pragmatische Lösungen, die eine immanente Fachkräfterekrutierung vorsehen und

an die Ausführungen der Unternehmensvertreter anknüpfen, können erst das Ergeb-

nis eines längeren Evaluationsprozesses sein, zu dem dieser Workshop beiträgt und

solche möglicherweise erfolgreichen Einzellösungen müssen dann gestärkt werden.

Letztgenannte Lösungen, die sich des Basispotentials in der Region bedienen, sind

wegen ihres integrierenden Effekts zu bevorzugen.

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B. Spiekermann:

Ich möchte zur Vorsicht mahnen, was Fachhochschuleinrichtungen in strukturarmen

Gebieten angeht. Hier gibt es bereits einige Probleme in der Finanzierung und nach

meiner Auffassung kommt es hier eher zu Schließungen als zu Neueröffnungen.

In Hinblick auf die demographische Entwicklung kann ich die Strategie, Arbeitsplätze

für Junge zulasten der Älteren zur Verfügung zu stellen, um die Jungen in der Regi-

on/im Land zu halten, nur unterstreichen.

Diskussion nach dem Vortrag von Prof. Dr. Norbert Kaiser

Nachfrage U. Knapp:

Wie bekommt man kleinere Unternehmen in eine Lage, auf der Ebene Fraunhofer

Fuß zu fassen, mit Fraunhofer Instituten zu kooperieren? Oder anderes gefragt: Was

kann die Politik/die Forschungsförderung tun, um den Kontakt zwischen Mittelständ-

lern und Fraunhofer Instituten herzustellen?

N. Kaiser:

Es gibt hier am Standort zwei Arten von Unternehmen: Zum einen die Teile des e-

hemaligen Kombinates und dessen Forschungszentrums mit damals 2000 Mitarbei-

tern und Ausgründungen aus Fraunhofer Instituten und Universität; hier bestehen

auch gute Kontakte zu den Forschungseinrichtungen und untereinander.

Und es gibt Mittelständler ohne gute Verbindungen zum Fraunhofer Institut. Hier

muss der Kontakt durch Mitarbeiter des Fraunhofer Instituts hergestellt werden, also

wir gehen zu den Unternehmen. Mit diesen Partnern werden Muster entworfen und

die Sache wird „angestoßen bis es läuft.“ Vordergründiges Ziel sind immer marktfähi-

ge Produkte, um den öffentlichen Anteil sukzessive zu verringern. Dies hat etwa bei

Fresnel wunderbar funktioniert.

Wir machen das jetzt etwa seit 12 Jahren und so lange dauert es auch bis so etwas

richtig funktioniert.

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U. Knapp fragt noch einmal explizit nach: Wie ist es zu schaffen, dass man in der

bestehenden Forschungsinfrastruktur eine Extraschiene für KMU etabliert?

N. Kaiser:

Wichtig, sowohl für Politiker als auch für Wissenschaftler, sind Erfolgsgeschichten

und hierfür bedarf es exzellenter, marktfähiger Produkte.

Als Beispiel nennt er ein Unternehmen in Apolda: Hier wurde eine Brille mit sehr

starker Vergrößerungsleistung entwickelt, die in der Größe einer normalen Brille auf

den Markt kommen soll. Zeiss übernimmt den Vertrieb, denn die haben den weltwei-

ten Markt, und das Unternehmen in Apolda stellt neue Arbeitskräfte ein (allerdings

Zeitarbeitskräfte).

B. Spiekermann (als Frage):

Es gibt also Hilfestellung durch Innovationsberater, die sich in den Unternehmen mit

den Innovationsvorhaben vertraut machen und hierfür Information und Kontakte ver-

mitteln, sich jedoch nicht mit der technischen Umsetzung des Innovationsvorhabens

befassen? Als eine eher persönliche Hilfestellung.

U. Knapp:

Wie macht man das?

B. Spiekermann:

Der Bedarf an Hilfestellungen muss zunächst vom Unternehmen selber artikuliert

werden. Die Hilfestellung kann dann jedoch völlig unterschiedlich aussehen: Hier in

Jena gibt es etwa ein gut funktionierendes Cluster, da sind Kontakte zu den entspre-

chenden Einrichtungen problemlos herstellbar. Wie sieht es jedoch aus, wenn ein

branchenfremdes Unternehmen Hilfestellung braucht und auf kein lokales Cluster

zurückgreifen kann und mögliche Kooperationspartner nur über eine hohe regionale

Distanz erreicht werden können. In diesem Fall sind andere Wege notwendig und vor

allem muss es hierfür Beratungsangebote (von Seiten der Politik) geben.

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U. Knapp. an N. Kaiser: Es geht also nicht primär um die Frage: „Wer kooperiert mit

wem, um etwas zu entwickeln?“, sondern um die Themen für mögliche Produktinno-

vationen. Für diese Themen müssen dann Partner in der Wissenschaft gefunden

werden.

N. Kaiser:

Etwas in dieser Art gibt es bereits. Man kann Projekte beim BMBF einreichen und

wird ein Projekt für aussichtsreich befunden, gibt es für zwei Jahre eine Förderung

von 300.000 €.

R. Storch:

Man sollte trennen zwischen Unternehmen, etwa im Bereich der Optik, wo es immer

wieder Entwicklungssprünge gibt und zwischen Unternehmen, die nach einem be-

kannten Prinzip arbeiten, wo nur noch kleinere Verbesserungen möglich sind. Es gibt

also zwei Bereiche: Es gibt die Idee für etwas Neues und es gibt den alltäglichen

Verbesserungsprozess. Und es ist sicherlich hilfreich, wenn Kontakte und Strukturen

für Zusammenarbeit und Hilfestellungen von der Politik gefördert werden. Ich halte es

jedoch für falsch, sich bei der Innovationsförderung nur auf die Innovationssprünge

zu konzentrieren, denn das alltägliche Geschäft ist für ein Unternehmen wie meines

mindestens gleichwertig.

Wichtig ist es also, dem Unternehmen grundsätzlich Hilfe für Weiterentwicklung an-

zubieten, auch wenn es dabei nicht um Weltneuheiten geht.

P. Heiden:

Wenn es um Weiterentwicklung geht, schaue ich auf die Branche aber auch auf

Fraunhofer (in Chemnitz). Die Basisidee stammt bei uns aus der eigenen Entwick-

lung und daneben wird versucht, Verbesserungen einzubauen und hier wird auch

nach Hilfe gesucht, (etwa im Bereich elektronische Steuerung, Werkstoffe, etc.) und

dann wird Kooperation relevant.

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R. Storch:

Im Unternehmen werden nur Innovationsprojekte alleine umgesetzt die sehr aus-

sichtsreich sind. Bestehen größere Zweifel, ist flankierende (finanzielle) Unterstüt-

zung vom Land sehr hilfreich.

S. Giapapas:

Genau hier ist die Arbeit eines Clusters gefragt. Eine Idee wird dem Cluster vorge-

stellt und es wird nach entsprechenden Kontakten und Personen gesucht, die hier

bereits auf Entwicklung und Erfahrungen zurückblicken können. Das funktioniert im

Bereich der Kunststofftechnik sehr gut.

U. Knapp:

An dieser Stelle möchte ich noch mal hervorheben, dass ich diesen Tag sehr bemer-

kenswert fand. Zunächst aufgrund der Beiträge aber auch in Anbetracht dessen, was

der Staatssekretär hier gesagt hat: 1. Dieses Jahr gibt es einen Wettbewerb, der sich

genau auf dieses Thema Innovation stützt. 2. Förderpriorität im Osten hat in Zukunft

das Dreieck Halle/Leipzig/Jena.

Daraus kann abgeleitet werden, dass für diese Region und für die KMU eine Menge

Geld zur Verfügung gestellt wird, wobei aber noch nicht klar ist, wie das Geld genau

verwendet werden soll.

Die Botschaft hieraus an Herrn Spiekermann: Zusammen mit den Wissenschaftlern

sollte ein Vorschlag unterbreitet werden, wie das Geld sinnvoll eingesetzt werden

kann.

B. Spiekermann:

Ich kann das nur unterstützen. Aus meiner Sicht ist besonders bedauerlich, dass von

den höheren Ebenen häufig Geld ausgegeben wird und dabei gar nicht klar ist, wo

und wozu es genau gebraucht wird. Die Zusammenarbeit des Bundes mit den Län-

dern funktioniert hier noch eher schlecht.

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U. Knapp:

Es wäre gut, dem Ministerium Angebote zu unterbreiten. Herr Kasparick hat heute

zwei Angebote gemacht, die sind noch nirgendwo beschlossen und der Bundes-

haushalt wird erst im August verabschiedet, aber das Geld für Fördermaßnahmen im

Bereich Innovation/Kooperation ist bereits darin vorgesehen. Es ist also Geld vor-

handen.

Herr Schmidt bietet an dieser Stelle an, bei der Erarbeitung eines Vorschlags Unter-

stützung zu leisten und der Administration unter die Arme zu greifen.

M. Bialojan:

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass angesichts der Diskussion um fehlen-

de Fachkräfte häufig ausgeblendet wird, dass eben gerade viele gut ausgebildete

Fachkräfte nicht den direkten Weg in den Arbeitsmarkt finden. Das betrifft Absolven-

ten verschiedener Fachrichtungen. Dieser Umstand ist mit den hier bisher angespro-

chenen Problemen der Unternehmen schwer in Einklang zu bringen. Liegt das an

einer falschen Ausbildung?

R. Schmidt:

Dies ist ein wichtiger Hinweis. Es gibt offensichtlich einen Mismatch zwischen Ange-

bots- und Nachfragestrukturen. Verbesserungspotenziale liegen dabei im informati-

ons- und kommunikationsorganisatorischen Bereich. Darüber hinaus handelt es sich

dabei womöglich um ein Problem, das besonders für mittelständische Unternehmen

zutrifft, wo der Zugang zu den Fachkräften und Ausbildungsstätten nicht entspre-

chend gewährleistet ist. Hier sind Überlegungen wichtig, wie ein derartiger Informati-

onstransfer in Gang gebracht werden kann.

M. Behr:

Folgendes Phänomen ist in einigen Regionen zu beobachten: Fachhochschulen und

Universitäten sind je nach Region unterschiedlich an das Beschäftigungssystem ge-

koppelt. In Jena ist das Bildungssystem mit der Industrie mitgewachsen und daher

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sehr gut auf die Bedürfnisse eingestellt. In Nordhausen dagegen werden kaum

Fachkräfte ausgebildet, die in den Unternehmen der Region gebraucht würden und

die Unternehmen versuchen erst gar nicht, in Jena oder Ilmenau nach Fachkräften

zu suchen.

Hier muss man für die zukünftige Entwicklung ansetzten. Derzeit gibt es eher einen

Rückbau an Fachhochschulkapazitäten in bestimmten Fachrichtungen auf Grund

fehlender Studenten. Die Nachfrage aus den Unternehmen wird dabei gar nicht be-

rücksichtigt. Das Grundinteresse der Universitäten besteht darin, ihre Hörsaale zu

füllen. Ob es für die Absolventen dann später Nachfrage gibt, interessiert den Pro-

fessor eines Fachbereiches nicht. Dies ist ein struktureller Zynismus. Dieser Zynis-

mus wird tradiert. Nach dem Motto: Wir bilden für die Welt aus und die Absolventen

werden schon irgendwo etwas finden.

Dieser Mismatch ist möglicherweise in Ostdeutschland größer als im Westen auf-

grund der noch immer nicht bewältigten Transformation und des daraus folgenden

Wechsels der Dynamik einzelner Wirtschaftsbereiche. Jahrelang war der Bausektor

stark und das Verarbeitende Gewerbe schwach, nun ist es andersherum. Hier müss-

ten flexiblere Fach- und Hochschulstrukturen aufgebaut werden. Auf der anderen

Seite müssten die Unternehmen ein Interesse haben, sich bekannter zu machen,

damit sich der Bedarf bei den Dozenten und den Studenten verankert. Für diese

notwendigen Umsteuerungen der Bildungspolitik wird die Zeit immer knapper.

Bei Verknappung der Fachkräftebasis in Ostdeutschland können die Differenzen des

Lohnniveaus zwischen Ost und West nicht mehr aufrechterhalten werden, und es

stellt sich die Frage, inwieweit die ostdeutschen Unternehmen dies verkraften und in

Anbetracht der heute bestehenden Produktivitätslücke die entsprechende Wert-

schöpfung generieren können.

G. Wolf:

Ein weiterer Aspekt, der besonders im Osten wirkt: Es wird in den Unternehmen zu

wenig Zeit investiert einen neuen Mitarbeiter für das Unternehmen aufzubauen. Man

möchte am liebsten einen fertigen Mitarbeiter haben, der alles schon kann und nach

kurzer Zeit bereits alle unternehmensinternen Prozesse kennt. Dies ist meine Erfah-

rung nach vielen Gesprächen mit Fachvorgesetzten: Man nimmt sich nicht die Zeit,

einen Mitarbeiter systematisch in seine Aufgabe hineinzuführen. Dies ist im Westen

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anders, auch bei unserer Mutterfirma: Dort werden die Absolventen über Trainee-

Programme geschult. Dies ist undenkbar bei uns.

S. Giapapas:

Aus unserer Erfahrung kann auch hier die Bildung von Clustern und Netzwerken als

mögliche Lösung empfohlen werden. Da braucht man eine Datenbank, wo die Unter-

nehmen jeden Monat ihren Bedarf eintragen. Es gibt Cluster, die so etwas gut lösen,

andere nicht. Daher ist auch die Politik gefragt, die dafür sorgen sollte, dass Cluster

und entsprechende Strukturen gebildet werden. Es müsste einen Kreislauf zwischen

den Unternehmen und deren Bedürfnissen und den Hochschuleinrichtungen und den

Studenten geben.

R. Schmidt:

Anstelle eines Schlusswortes: Es gab heute Nachmittag viele Anregungen die aufge-

nommen und weiter diskutiert werden und auch in den Abschlussbericht einfließen

werden. Es wird überprüft werden, was für die Unternehmen wichtig ist und welche

Empfehlungen an die Politik gehen können.

Es wird eine Langfassung des Berichtes geben und auch eine weitere Kurzfassung,

die jeder Teilnehmer erhält. Ich wünsche allen Teilnehmern ein weiteres erfolgrei-

ches Wirtschaftsjahr. Ich hoffe, dass alle Teilnehmer einen persönlichen Gewinn mit-

nehmen und sich weiter am Dialog mit uns beteiligen.

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5 Teilnehmer

Titel Vorname Nachname Institution

Dr. Michael Behr IPRAS- Institut für praxisorientierte Sozialforschung/ Institut

für Soziologie Jena

Monika Bialojan IPRAS- Institut für praxisorientierte Sozialforschung/ Institut

für Soziologie Jena

Dr. Thorsten Eggers Projektträger im DLR – Berlin

Thomas Engel IPRAS- Institut für praxisorientierte Sozialforschung/ Institut

für Soziologie Jena

Sokrates Giapapas Fränkische Rohrwerke

Peter Heiden SAMAG Saalfelder Werkzeugmaschinen GmbH

Dr. Andreas Hinz IPRAS- Institut für praxisorientierte Sozialforschung/ Institut

für Soziologie Jena

Prof. Dr. Norbert Kaiser stellvertretender Leiter des Fraunhofer Instituts für Optik in

Jena

Ulrich Kasparick Parl. Staatssekretär BMVBS

Dr. Udo Knapp BMVBS

Dr. Bernd Martens SFB 580 – Projekt A2, FSU Jena

Prof. Dr. Rudi Schmidt IPRAS- Institut für praxisorientierte Sozialforschung/ Institut

für Soziologie Jena

Dr. Bernd Spiekermann Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit Thürin-

gen

Reiner Storch AEM Anhaltinische Elektromotoren GmbH

Ute Tenkhof Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie

Brandenburg

Christoph Thieme IPRAS- Institut für praxisorientierte Sozialforschung/ Institut

für Soziologie Jena

Gerd Wolf KUKA Werkzeugbau Schwarzenberg GmbH

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6 Kurzportraits der Betriebe der teilnehmenden Wirtschaftsver-treter

6.1 KUKA Werkzeugbau Schwarzenberg GmbH – KWS (Gerd Wolf)

Herr Gerd Wolf ist Geschäftsführer der KUKA GmbH. Dabei handelt es sich um ein

traditionsreiches, sächsisches Unternehmen aus dem Bereich des Großwerkzeug-

baus. Der Beschäftigungsstand lag Ende 2005 bei 640 Mitarbeitern. Das Angebot

umfasst neben Engineering-Leistungen im Bereich der Blechformteil-Entwicklung die

Projektierung, Konstruktion und Fertigung aller Werkzeugtypen zur Herstellung von

Karosserieteilen für die Automobilindustrie. Als Unternehmen der KUKA-Gruppe ist

das Unternehmen in den Verbund der IWKA Aktiengesellschaft mit Stammsitz in

Karlsruhe integriert.

Die Produkte werden in das Leistungsspektrum eines weltweit präsenten Systemlie-

feranten eingebracht und profitieren gleichzeitig von dessen Größe und Kapitalkraft.

Insbesondere im Zusammenwirken mit der KUKA Schweißanlagen GmbH sowie der

KUKA Roboter GmbH richtet sich das Angebot an kompletten Systemen für Preß-

werke und Karosserierohbauanlagen an Kunden aus der Automobilindustrie.

6.2 Saalfelder Werkzeugmaschinen GmbH – SAMAG (Peter Heiden)

Peter Heiden ist Geschäftführer der SAMAG. Das Thüringer Traditionsunternehmen,

welches auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, beschäftigt derzeit

285 Mitarbeiter und befindet sich in solidem wirtschaftlichem Fahrwasser. Vorausge-

gangen war jedoch eine sehr wechselvolle Geschichte, die 1996/1997 in einen Kon-

kurs mündete und einen Neuanfang mit damals nur 100 Mitarbeitern notwendig ge-

macht hatte. Seitdem entwickelt sich das Unternehmen unter Führung von Peter

Heiden kontinuierlich aufwärts und ist heute auf dem Geschäftsfeld Werkzeugma-

schinenbau (ein und mehrspindlige horizontale Bearbeitungszentren, Sondermaschi-

nenbau für spanabhebende Industrie) weltweit führend. Ein weiteres wichtiges

Standbein für das Unternehmen bildet die Komplettbearbeitung von Werkstücken in

Großserien für die Automobilindustrie. Hinzu kommen Kooperationsprojekte, eben-

falls im Bereich der Komplettbearbeitung von Werkstücken in Klein- und Mittelserien

für verschiedene Branchen. Komplettiert wird das Angebot von SAMAG durch ein

umfangreiches Serviceangebot, das sowohl Schulungen im Bereich Bedienung und

Programmierung, also auch Wartung und Ersatzteilbeschaffung, umfasst.

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6.3 Fränkische Rohrwerke/Gebr. Kirchner GmbH & Co. KG - Werk Schwarzheide

(Sokrates Giapapas)

Sokrates Giapapas war Werksleiter im Werk Schwarzheide des Unternehmens Frän-

kische Rohrwerke/Gebr. Kirchner GmbH & Co. KG und ist heute als Berater des Un-

ternehmens tätig. Im Jahre 1997 organisierte er die Produktion der ersten Rohre am

Standort in der Lausitz mit damals sieben Mitarbeitern. Seitdem gab es bei Mitarbei-

tern, Umsatz und Werksfläche stetigen Zuwachs. Heute sind etwa 90 Mitarbeiter am

Standort in Schwarzheide beschäftigt. Damit widersetzte sich das Unternehmen dem

allgemeinen Negativtrend in der Baubranche. Die Ausbildungsquote liegt bei etwa

15 %.

Zentrales Geschäftsfeld des Unternehmens ist die Rohr- und Entwässerungstechnik.

Dabei nehmen mittlerweile komplette, individuell entwickelte Systemlösungen, etwa

für die Regenwasserbewirtschaftungen, den wichtigsten Posten im Produktportfolio

ein. Darüber hinaus ist das Unternehmen stark im regionalen Umfeld engagiert und

Mitglied in verschiedenen Netzwerken.

6.4 AEM (Reiner Storch)

Siehe Seite 64 ff.!

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Jenaer Beiträge zur Soziologie Redaktion: Thomas Engel (Email: [email protected])

Bis Oktober 2006 sind folgende Ausgaben erschienen. Lieferbare Ausgaben aus dieser Reihe können zum Selbstkostenpreis zzgl. Versandkosten über den Buchhandel bezogen werden oder direkt am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiss-Straße 2, 07743 Jena.

Heft 1

1994

Rosenbaum, Wolf: Umbrüche, Reformen und Restriktionen im Wissenschaftssystem der Ostdeutschen Länder

ISBN 3-933935-01-6 € 7,50

Heft 2

1995 (vergriffen)

Lüdke, Karl-Heinz: Wissensentwicklung und der Wandel der Interaktionsformen im Forschungsprozess

Elkins, Stefan: Gentechnologie im Konflikt. Ergebnisse einer empirischen Falluntersu-chung zur gesellschaftlichen Risikokommunikation

ISBN 3-933935-02-4

Heft 3

1996 (vergriffen)

Wogawa, Stefan (unter Mitarbeit von Beyse, Carsten und Burchert, Heiko): Bibliogra-phie zur industriellen Restrukturierung in Ostdeutschland

ISBN 3-933935-03-2

Heft 4

1998 (vergriffen)

Hinz, Andreas: Arbeitswelt im Umbruch. Über den Orientierungswandel von Fachar-beitern im ostdeutschen Werkzeugmaschinenbau

ISBN 3-933935-04-0

Heft 5

1998

Gerlach, Holger; Hinz, Andreas; Krause, Marek: Unternehmensberatung in Ost-deutschland. Problemlösungspotentiale und Barrieren ihrer Nutzung in der mittelstän-dischen Industrie

ISBN 3-933935-05-9 € 10,00

Heft 6

1999

Behr, Michael: Perspektiven eines neuen Arbeitstyps. Wandlungstendenzen im Ver-hältnis Person-Organisation. Mit einem aktuellen Vorwort: Ambivalenzen des neuen Arbeitstyps im Lichte der Ost-West-Differenz

ISBN 3-933935-06-7 € 14,00

Heft 7

1999

Hinke, Robert: 'Soft Facts' are 'Hard Factors'. Innerbetriebliche Sozialbeziehungen im Prozess der sozio-ökonomischen Transformation Ostdeutschlands – Eine Betriebsfall-studie

ISBN 3-933935-07-5 € 14,00

Heft 8

2000

Giegel, Hans-Joachim; Rosa, Hartmut; Heinz, Jana: Zivilgesellschaft und Lehrstellen-krise in Ostdeutschland. Eine Untersuchung über die Bedingungen bürgerschäftlichen Engagements angesichts funktionaler Defizite

ISBN 3-933935-08-3 € 5,00

Heft 9

2000

Beyse, Carsten; Möll, Gerd: Modernisierungsblockaden und -strategien im Maschinen-bau Thüringens - Projektbericht

ISBN 3-933935-09-1 € 12,00

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Heft 10

2000

Hinke, Robert: Die Einführung von Gruppenarbeit: Eine industriesoziologische Pro-zessanalyse

ISBN 3-933935-10-5 € 6,00

Heft 11

2001

Möll, Gerd: Innovation durch Kooperation: Entwicklungschancen Thüringer Klein- und Mittelbetriebe im Spannungsfeld zwischen neuen und alten Industrien

ISBN 3-933935-11-3 € 10,00

Heft 12

2002

Hinze, Matthias; Köhler, Christoph; Krause, Marek; Papies, Udo: Der Thüringer Ar-beitsmarkt zwischen Strukturwandel, Arbeitskräftebedarf und Unterbeschäftigung. Verfahren und Ergebnisse einer Projektion der Berufslandschaft in Thüringen bis zum Jahr 2010

ISBN 3-933935-12-1 € 5,00

Heft 13

2003

Sauer, Dieter: Kontinuität und Bruch. Zur Entwicklung von Arbeit. Antrittsvorlesung an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena am 7. November 2002

ISBN 3-933935-13-X € 4,00

Heft 14

2004

Sonderheft anlässlich des 10-jährigen Institutsjubiläums mit Beiträgen von Rudi Schmidt, Martin Baethge, Stefan Hornborstel, Anne Kerzel, Anne Schmidt, Ines Moschkowitz, Gordon Urban, Bianca Fischer, Susann Ludwig und Cindy Wilhelm

ISBN 3-933935-14-8 € 6,50

Heft 15

2005

Schmidt, Rudi (Hg.): Reorganisation unter Marktzwang. Finanzierung von klein- und mittelständischen Unternehmen nach Basel II

ISBN 3-933935-15-6 € 6,50

Heft 16

2005

Behr, Michael; Schmidt, Rudi (Hg.): Aufbau Ost – Betriebliche und überbetriebliche Erfolgsfaktoren im verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands

ISBN 3-933935-16-4 € 7,50

Heft 17

2005

Eichler, Melanie: Pflegeversicherung als Genderpolitik – Auswirkungen in Ost- und Westdeutschland

ISBN 3-933935-17-2 € 8,50

Heft 18

2006

Behr, Michael; Schmidt, Rudi (Hg.): Aufbau Ost –Innovation durch Kooperation und Fachkräfteentwicklung

ISBN 3-933935-18-0 € 10,00