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Mit KAUSA in die Ausbildung An 29 Standorten in Deutschland unterstützen die KAUSA Servicestellen Selbstständige mit Migrationshintergrund, junge Geflüchtete, Jugend- liche und deren Eltern in allen Fragen rund um die Ausbildung. Das JOBSTARTER-Magazin stellt die Arbeit der KAUSA Servicestellen in vier Geschichten – vom Azubi bis zum Unternehmer – vor. Chancengleichheit, Migrantenökonomie und Integration von Geflüchteten sind die Themen unserer Interviews mit Experten aus Wissenschaft und Politik. Das JOBSTARTER-Magazin stellt weitere Eindrücke aus der Projektarbeit in Videos und Multimedia-Reportagen anschaulich dar: www.jobstarter.de/mit-kausa-in-die-ausbildung

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Mit KAUSA in die Ausbildung

An 29 Standorten in Deutschland unterstützen die KAUSA Servicestellen Selbstständige mit Migrationshintergrund, junge Geflüchtete, Jugend-liche und deren Eltern in allen Fragen rund um die Ausbildung. Das JOBSTARTER-Magazin stellt die Arbeit der KAUSA Servicestellen in vier Geschichten – vom Azubi bis zum Unternehmer – vor. Chancengleichheit, Migrantenökonomie und Integration von Geflüchteten sind die Themen unserer Interviews mit Experten aus Wissenschaft und Politik.

Das JOBSTARTER-Magazin stellt weitere Eindrücke aus der Projektarbeit in Videos und Multimedia-Reportagen anschaulich dar: www.jobstarter.de/mit-kausa-in-die-ausbildung

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INTERVIEW

Dr. René Leicht

Döner war gestern

Migranten-Unternehmen sind längst erfolgreicher Bestandteil der deut-schen Wirtschaft. Dr. René Leicht forscht zum Thema Migrantenökonomie. Im Interview erklärt er, warum Unternehmer mit Migrationshintergrund so wichtig für die duale Ausbildung sind.

jobstarter.de: Gründung, Selbstständigkeit, Migration und Arbeitsmarkt – das sind Ihre Forschungsthemen am Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim. Wie wird die Unternehmenslandschaft von morgen aussehen?

René Leicht: Die Zahl der von Migrantinnen und Migranten geführten Unter-nehmen wird tendenziell weiter zunehmen und auch ökonomisch eine bedeu-tende Rolle spielen. Wir haben bereits jetzt über 700.000 Migranten-Unterneh-men in Deutschland. Gleichzeitig geht demografisch bedingt die Zahl der von Herkunftsdeutschen gegründeten Unternehmen zurück.

jobstarter.de: Warum gehen so viele Migrantinnen und Migranten in die Selbst-ständigkeit?

René Leicht: Die Motive sind vielfältig. Eine große Rolle spielt der Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung sowie nach Verbesserung von Einkommen und Status. Migrantinnen und Migranten verdienen im Schnitt weniger als Her-kunftsdeutsche, aber in der Regel mehr, wenn sie selbstständig statt abhängig beschäftigt sind. Spezifische Chancen ergeben sich teilweise durch herkunfts-bedingte Vorteile, vor allem auf den globalisierten Märkten. Um ein Beispiel zu nennen: Viele Zugewanderte profitieren von Netzwerkbeziehungen ins Her-kunftsland. Sie können hierbei ihre Landes- und Sprachkenntnisse nutzen und entweder selbst Außenhandel betreiben oder aber eine Unternehmensbera-tung gründen, d.h. deutschen Firmen dabei helfen, Auslandsgeschäfte zu entwi-ckeln. Bei allem führen natürlich auch Push-Faktoren in Richtung Selbstständig-keit: Migrantinnen und Migranten sind immer noch stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Aber auch in einer Lohnbeschäftigung können sie ihre Qualifikatio-nen nicht so gut zum Einsatz bringen wie bei einer Arbeit auf eigene Rechnung.

jobstarter.de: Bei Migranten-Unternehmen haben viele Menschen Döner- und Gemüseläden vor Augen. Entspricht dieses Bild der Realität?

René Leicht: Nein. Die Branchenstruktur von Migranten-Unternehmen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir beobachten eine Modernisierung und dabei verstärkt Gründungen in wissensintensiven Dienstleistungen, etwa in Freien Berufen, die sich auf die ökonomische, technologische oder medizinische Expertise spezialisieren. Handel und Gastgewerbe spielen dagegen eine gerin-gere Rolle als früher.

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jobstarter.de: Um das eigene Unternehmen für die Zukunft aufzustellen und einem Fachkräftemangel vorzubeugen, bilden viele Betriebe selbst aus. Wie engagiert sind Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund in dieser Hin-sicht – auch im Vergleich zu herkunftsdeutschen Unternehmern?

René Leicht: Unseren Erhebungen zufolge hat sich die Ausbildungsbetriebs-quote in Migranten-Unternehmen leicht erhöht. Sie liegt mit 18 Prozent noch etwas unter dem Gesamtschnitt von 20,3 Prozent. D.h. sie hat noch nicht ganz das Niveau der Unternehmen von Herkunftsdeutschen. Dies gilt jedoch nur, wenn man das Ausbildungsengagement anhand des Anteils an Ausbildungsbe-trieben misst. Betrachtet man die relative Ausbildungsleistung – also den Anteil der Auszubildenden an allen Beschäftigten – so zeigt sich kaum ein Unterschied. Migranten-Unternehmen sind stark kleinbetrieblich strukturiert. Diskrepanzen in der Ausbildungsbeteiligung sind eher auf einen Mangel an betrieblichen Res-sourcen zurückzuführen und weniger auf die nationale Herkunft.

jobstarter.de: Die Zahl der vakant bleibenden Ausbildungsplätze steigt seit 2010 laut BIBB-Erhebung. Inwiefern trifft das aktuelle Besetzungsproblem auch Unter-nehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund – und vor welchen anderen Herausforderungen stehen sie zudem?

René Leicht: Migranten-Unternehmen haben sogar größere Probleme, ihre Aus-bildungsstellen zu besetzen, da sie gegen Vorurteile kämpfen müssen. Das hat hauptsächlich zwei Ursachen: Im medialen Diskurs gelten Migranten-Unter-nehmen noch häufig als wirtschaftlich randständig, als Betriebe mit prekären Arbeitsbedingungen. Viele Jugendliche haben keine Vorstellung, was sich hin-ter den Türen dieser Unternehmen verbirgt und wollen dann dort auch nicht ausgebildet werden. Wir können nicht prüfen, inwieweit sich die geringe Wert-schätzung auch in den Regelinstitutionen niederschlägt, d.h. ob diese bei der Vermittlung von Ausbildungsplätzen ähnliche Vorbehalte gegenüber migranti-schen Unternehmen haben. Hinzu kommt: Zwar verlieren die Bereiche Handel und Gastgewerbe an Bedeutung. Aber dennoch sind Migranten-Unternehmen immer noch häufiger in Branchen tätig, die aus Sicht der Jugendlichen weniger attraktiv sind. Dies sind Gründe, weshalb Migranten-Unternehmen stärker auf strukturell benachteiligte Jugendliche – also auf diejenigen mit Migrationshin-tergrund oder mit geringerem Schulabschlussniveau – zurückgreifen (müssen).

jobstarter.de: Sie sagten, dass Migrantinnen und Migranten oft strukturell benach-teiligte Jugendliche ausbilden. Sollten sie hierbei spezifisch gefördert werden und wenn ja, wie?

René Leicht: Die Ausbildung strukturell benachteiligter Jugendlicher ver-langt oftmals besondere betriebliche, soziale und pädagogische Anstrengungen. Daher wäre zu überlegen, wie man die Ausbildungsbedingungen erleichtern und Migranten-Unternehmen stärker unterstützen kann. Im Allgemeinen hat man mit Ausbildungsverbünden gute Erfahrungen gemacht und in diesem Kontext teilweise auch neue Ideen und Instrumente entwickelt. Schon länger erprobt sind ausbildungsbegleitende Maßnahmen, vor allem externes Ausbildungsma-

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nagement. Den Konzepten fehlt jedoch eine breite Diffusion und eine bedarfs-orientierte Weiterentwicklung in Richtung solcher Unternehmen, die mit dem deutschen Berufsbildungssystem, den Unterstützungsangeboten und den Erträ-gen der Ausbildung weniger vertraut sind. Es geht aber genauso darum, dieje-nigen, die man bereits für das duale Berufsbildungssystem gewonnen hat, bei der Stange zu halten. Alles erfordert konkrete Informationen über die Qualifi-zierungsstrategien und nicht zuletzt über die Nachhaltigkeit und Qualität der Ausbildung in den Betrieben. Diese kann man generieren, wenn man an den Betrieben dran bleibt, sie intensiv begleitet und sie in ihrem Ausbildungspro-zess unterstützt. Allerdings sollten diese Erfahrungen dann auch systematisch zusammengetragen werden.

Aufgrund der zunehmenden Heterogenität in der beruflichen Ausbildung stellt sich die Frage, welche Betriebe welche Jugendlichen erreichen und dadurch das Ausbildungspotenzial insgesamt erhöhen können. Auch in diese Überlegungen muss man Migranten-Unternehmen stärker einbeziehen. Sie haben Erfahrungen mit Heterogenität, arbeiten mit schwierigen und knappen Ressourcen und besit-zen Kenntnisse im Umgang mit benachteiligten Jugendlichen. Dies soll jedoch nicht dazu führen, dass ressourcenschwächere Betriebe zum Sammelbecken für leistungsschwächere Jugendliche werden. Hier besteht die Gefahr einer Seg-mentierung. Das heißt Chancen und Risiken liegen eng beieinander und müssen politisch klar benannt werden.

jobstarter.de: Sie fordern, dass Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migra-tionshintergrund stärker gefördert und unterstützt werden. Welchen gesellschaftli-chen und ökonomischen Gewinn versprechen Sie sich davon?

René Leicht: Migranten-Unternehmen haben eine beschäftigungs- und inte-grationsfördernde Wirkung und sind zudem in der Lage, die heterogenen Aus-bildungspotenziale besser auszuschöpfen. Vor allem trägt die kulturelle Vielfalt sowohl in den Unternehmen als auch in der Unternehmenslandschaft dazu bei, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt wächst. Mit einer höhe-ren Diversität an Unternehmen geht erfahrungsgemäß auch eine höhere Diver-sität in der Produkt- und Dienstleistungserstellung einher. Dies alles fördert die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Zusammenhalt und kommt daher allen zu Gute.

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INTERVIEW

Jugendliche und Betriebe – beide Seiten brauchen Unterstützung

Warum münden Jugendliche mit Migrationshintergrund immer noch selte-ner in Ausbildung? Ein Interview mit Dr. Mona Granato, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), zum Thema Chancengleichheit.

Dr. Mona Granato

jobstarter.de: Wie sind die Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt heute? Wie haben sich die Zahlen entwickelt?

Mona Granato: Die Einmündungschancen von Bewerber/innen sind im vergan-genen Jahrzehnt etwas angestiegen. Hier macht sich die Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt bemerkbar. Allerdings: Bewerber/innen mit Migrations-h intergrund, haben bisher kaum von dieser leichten Entspannung profitiert. Sie sind Ende 2014 genauso selten in betrieblicher Ausbildung wie 2004, als die Aus-bildungsmarktlage noch sehr angespannt war. Bei Bewerber/innen ohne Migra-tionshintergrund ist der Anteil derjenigen die sich Ende 2014 in betrieblicher Ausbildung befinden im Vergleich zu 2004 angestiegen, um 4 Prozentpunkte. Sie konnten von der Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt profitieren.

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist zunehmend von Passungsproblemen geprägt: 2015 sank zwar die Zahl der Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz nachgefragt haben leicht ab. Gleichzeitig stiegen die betrieblichen Ausbildungs-angebote leicht an, wenngleich sie noch immer deutlich unter der Zahl der Jugendlichen liegen, die suchen. Obgleich die betrieblichen Ausbildungsange-bote sich leicht nach oben entwickelt haben, stieg parallel dazu die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen auf 41.000. Dies stellt einen neuen Höchststand seit 1996 dar. Auf der anderen Seite gibt es aber noch immer zu viele junge Men-schen, denen der Einstieg in Ausbildung nicht gelingt: So haben 2015 rund 80.800 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz gefunden.

D. h. es wird zunehmend langwieriger, das Angebot der Betriebe und die Nach-frage der Jugendlichen zusammenzubringen. Schwierigkeiten bestehen wegen regionaler Ungleichgewichte von Angebot und Nachfrage, aber auch aufgrund von Passungsproblemen auf der Ebene der Ausbildungsberufe. Während sich kaufmännische, aber auch viele gewerblich-technische Berufe im industriellen Bereich (sehr) gut besetzen lassen, sieht es bei anderen Berufen, z. B. im Hotel- und Servicebereich mit ihren teils schwierigen Arbeitsbedingungen anders aus.

jobstarter.de: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den Bildungsorientierun-gen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und ihren geringeren Zugangs-chancen in eine berufliche Ausbildung?

Mona Granato: Familien mit Zuwanderungsgeschichte sind meistens stark bil-dungsorientiert, obwohl sie häufiger eine ungünstigere soziale Position haben. Eltern der ersten Generation neigen aufgrund ihrer eigenen eingeschränkten

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Chancen dazu, den sozialen Aufstieg auf die nächste Generation zu „verschieben“. Diese ausgeprägte Bildungsorientierung betrifft alle Bildungsübergänge der Kinder. Und sie ist häufig mit hohen Erwartungen der Eltern an ihre Kinder – Söhne wie Töchter – verbunden.

Heranwachsende mit und ohne Migrationshintergrund, junge Frauen wie junge Männer, sind an einer qualifizierten Ausbildung und an Erfolg im Beruf interes-siert. Ein hohes Einkommen (86 %) und Aufstiegsmöglichkeiten (86 %) bewerten Bewerber/innen unabhängig von einem Migrationshintergrund ähnlich oft als (sehr) wichtig, so ein Ergebnis der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014. Häufiger als Befragte ohne Migrationshintergrund äußern sie allerdings den Wunsch im künftigen Beruf anderen Menschen zu helfen (68 % zu 60 %). Seltener ist es ihnen jedoch wichtig im künftigen Beruf eigene Ideen oder Vorschläge einbringen zu können (73 % zu 77 %), so die Ergebnisse des BIBB-Forschungsprojekts „Bil-dungsorientierungen“.

Kurz gesagt: An der Bildungsmotivation oder an den Bildungsorientierungen liegt es nicht, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund so geringe Chancen beim Übergang in eine betriebliche Ausbildung haben.

jobstarter.de: Gelten die vergleichsweise geringeren Übergangschancen in Ausbil-dung für alle jungen Menschen mit Migrationshintergrund? Oder gibt es Unter-schiede?

Mona Granato: Mit steigendem Schulabschluss wachsen die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz, auch in einem stark nachgefragten Ausbildungsberuf. Die Differenz zwischen der Einmündungsquote von Bewerber/innen mit einem mittleren Schulabschluss und denjenigen mit maximal Hauptschulabschluss beträgt rund 15 Prozentpunkte.

Das bedeutet zum Beispiel für Bewerber/innen mit einem mittleren Schulab-schluss ohne Migrationshintergrund, dass sie mit 46 Prozent erheblich häufiger in eine betriebliche Ausbildung einmünden als bei maximal einem Hauptschul-abschluss mit 30 Prozent, so die Ergebnisse der BIBB-Kolleginnen Ursula Beicht und Julia Gei auf der Grundlage der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014. Bei einem Migrationshintergrund steigt die Einmündungsquote bei einem mittleren Schulabschluss jedoch nur um 5 Prozentpunkte gegenüber denjenigen mit maximal Hauptschulabschluss an. D.h. sogar bei einem mittleren Schulabschluss ist es 2014 nur 28 Prozent der Bewerber/innen mit Migrationshintergrund gelungen in eine betriebliche Ausbildung einzumünden gegenüber 46% derjeni-gen ohne Migrationshintergrund.

Innerhalb der Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund treten eben-falls deutliche Unterschiede auf. Bei einer Herkunft aus osteuropäischen bzw. GUS-Staaten liegt die Einmündungsquote in eine betriebliche Ausbildung bei rund 32 Prozent, so weitere Ergebnisse der BIBB-Kolleginnen Ursula Beicht und Julia Gei auf der Grundlage der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014. Bei einer Herkunft aus der Türkei bzw. einem arabischen Staat sowie aus südeuropäischen

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Staaten beträgt sie lediglich 24 Prozent. Auch bei einem mittleren Abschluss bestehen Differenzen. Bewerber/innen aus osteuropäischen bzw. GUS-Staaten finden zu 31 Prozent, bei einer Herkunft aus der Türkei bzw. einem arabischen Staat jedoch nur zu 27 Prozent einen betrieblichen Ausbildungsplatz.

jobstarter.de: Sie haben uns gerade aufgezeigt, dass Jugendliche mit Migrations-hintergrund geringere Chancen beim Zugang in eine Ausbildung haben als Jugend-liche ohne Migrationshintergrund – selbst bei gleich guten Schulabschlüssen. Wo liegen die Ursachen? Bei den Betrieben oder bei den Jugendlichen selbst?

Mona Granato: Selbst mit den gleichen schulischen Voraussetzungen bzw. Schulleistungen oder metakognitiven Fähigkeiten, bei vergleichbaren kulturel-len und sozialen Ressourcen oder ähnlicher sozialer Herkunft bzw. Bewer-bungsstrategien sowie bei vergleichbarer Lage auf dem Ausbildungsmarkt haben junge Menschen bei einem Migrationshintergrund geringere Einmün-dungschancen in eine berufliche Ausbildung, insbesondere bei einer türkischen oder arabischen Herkunft. Auch die zum Teil unterschiedlichen Präferenzen für Ausbildungsberufe können ihre geringeren Aussichten nicht erklären. Denn selbst bei Interesse für die gleichen Ausbildungsberufe und bei gleicher Ressour-cenausstattung sind die Einmündungschancen geringer. Diese Faktoren, d.h. die individuellen, kulturellen und sozialen Ressourcen sowie die regionale Lage auf dem Ausbildungsmarkt bzw. andere Kontextfaktoren können die geringeren Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beim Übergang in eine berufliche Ausbildung nicht abschließend erklären.

Die vorliegenden Forschungsergebnisse liefern zahlreiche Nachweise für die Benachteiligung gerade nichtstudienberechtigter Jugendlicher mit Migrations-hintergrund beim Übergang in eine berufliche Ausbildung. Über die berücksich-tigten Faktoren hinaus sind weitere Einflussgrößen wirksam, die auf eine struk-turelle Benachteiligung hindeuten, insbesondere bei einem türkischen bzw. arabischen Hintergrund.

jobstarter.de: Verschiedene Umfragen benennen das Ausbleiben von Bewerbungen als Grund dafür, dass Betriebe keine Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus-bilden. Deckt sich diese Erfahrung mit Ihren Untersuchungen?

Mona Granato: Die These „Die Jugendlichen bewerben sich nicht bei mir“ kann mit den Untersuchungen des BIBB, aber auch mit anderen Studien nicht belegt werden. Es gibt jedoch Analysen, die zeigen, dass Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund deutlich seltener von Betrieben zu Vorstellungsge-sprächen eingeladen werden als Bewerber ohne Migrationshintergrund. Der Sachverständigenrat für Migration hat beispielsweise in einem Korrespondenz-Test fingierte Bewerbungen für zwei Ausbildungsberufe verschickt – mit Profilen von sehr guten männlichen Bewerbern: einmal mit einem türkisch- und einmal mit einem deutschklingenden Namen. Das Ergebnis: Bewerber mit türkisch-klingenden Namen wurden seltener, Bewerber mit einem deutsch klingenden Namen häufiger zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Diese – und auch

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andere Ergebnisse – könnten darauf hindeuten, dass sich Jugendliche mit Migrationshintergrund zwar bewerben, aber bei Betrieben nicht auf genügend Interesse stoßen.

jobstarter.de: Welche Bedeutung hat ein Migrationshintergrund im betrieblichen Alltag für diejenigen Jugendlichen, denen es gelingt einen Ausbildungsplatz zu finden?

Mona Granato: Drei von vier Betrieben, so eine Studie aus Süddeutschland, sind mit ihren Auszubildenden mit Migrationshintergrund genauso zufrieden wie mit denjenigen ohne Migrationshintergrund. Die Zufriedenheit ist wechselseitig. Denn auch Auszubildende mit Migrationshintergrund sind mit ihrem betriebli-chen Ausbildungsalltag überwiegend zufrieden und fühlen sich im Betrieb gut integriert, so die BIBB/BAuA –Jugenderwerbstätigenbefragung 2012. Dennoch bilden nach den Ergebnissen einer repräsentativen BIBB-Betriebsumfrage, des BIBB-Qualifizierungspanels, nur rund 13 Prozent der Ausbildungsbetriebe Jugendliche mit Migrationshintergrund aus. D.h. Obgleich es immer mehr Betriebe gibt, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können, nutzen sie die Potenziale ausbildungsinteressierter Jugendlicher mit Migrationshintergrund, auch derjenigen mit guten schulischen Voraussetzungen, viel zu selten.

jobstarter.de: Was muss passieren, damit mehr Jugendliche mit Migrationshinter-grund einen Ausbildungsplatz erhalten?

Mona Granato: Es ist wichtig, dass jede interessierte Schulabgängerin oder jeder interessierte Schulabgänger im Anschluss an die allgemeinbildende Schulausbil-dung einen Ausbildungsplatz oder eine andere vollqualifizierende Ausbildungs-möglichkeit erhält. Dabei hat die betriebliche Ausbildung Vorrang! Reichen die betrieblichen Ausbildungsangebote vor Ort nicht aus, so ist zu erwägen zusätz-lich außerbetriebliche Ausbildungsplätze anzubieten, nach Möglichkeit in der betriebsnahen Variante. Es ist sehr bedeutsam, am Übergang Schule-Ausbildung alle Jugendlichen mitzunehmen.

jobstarter.de: Wie kann dies gelingen?

Mona Granato: Zum einen gilt es, sowohl die Übergangsprozesse als auch die berufliche Bildung zu begleiten. Wenn geschulte Personen mit Vorbildfunktion junge Menschen über den gesamten Orientierungs- und Qualifizierungsprozess begleiten, trägt dies erheblich zum Gelingen des Übergangs Schule-Beruf bei. Diese Begleiterinnen und Begleiter können auch als „Türöffner“ bei den Betrie-ben wirken, wenn diese sehen, dass jemand im Hintergrund ist und sie bei mög-lichen Problemen unterstützen kann. Die Teilnahme an einer kontinuierlichen Berufseinstiegsbegleitung und ähnlichen Maßnahmen steigert gerade bei Bewerber/innen mit Migrationshintergrund die Einmündung in betriebliche Ausbildung. Besonders wichtig: Eine kontinuierliche Begleitung ist dann über-aus erfolgreich, wenn sie mit berufsorientierenden Angeboten (z. B. Praktika, Eignungstests) oder auch vermittlungsorientierten Angeboten (z. B. Bewerbungs-training, Hilfe bei Bewerbungsunterlagen) kombiniert wird, so Ergebnisse der

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Übergangsforschung. Daher ist der (weitere) Ausbau einer aktiven, kontinuierli-chen Begleitung durch geschulte „Übergangsbegleiter“ bzw. „Paten“ als Regelins-trument im Verlauf des gesamten Orientierungs- und Übergangsprozess zentral.

Als förderlich haben sich auch Praktika erwiesen, denn sie haben einen gewissen „Klebeeffekt“: Betriebe, die einen Jugendlichen bereits kennen, stellen ihn eher ein. Dies gilt sowohl für Jugendliche mit als auch ohne Migrationshintergrund. Gerade längere betriebliche Praktika können dazu beitragen, dass Betriebe Jugendliche kennenlernen. Für andere Betriebe besitzen sie zudem einen sym-bolischen Wert. Erforderlich ist es daher, solche Praktika zu fördern und sie dabei von professionellen Fachkräften begleiten zu lassen, um bei den Jugendli-chen Reflektionsprozesse zu unterstützen.

jobstarter.de: An welchen Stellschrauben müssen wir außerdem noch drehen, um Chancengleichheit zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund herzustellen?

Mona Granato: Nicht nur Jugendliche brauchen Unterstützung, sondern auch Betriebe, gerade kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). Die meisten Berufs-bildungsexperten – 85 Prozent – sehen persönliche, externe Ansprechpartner, die den Betrieb begleiten als Unterstützung an, so eine Studie des BIBB (Exper-tenmonitor). In dieser Hinsicht ermöglichen es Programme wie die assistierte Ausbildung, dass sowohl Jugendliche als auch Betriebe Unterstützung und Begleitung erhalten. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen und erstausbil-dende Betriebe, die (verstärkt) Jugendliche mit Migrationshintergrund ausbilden möchten, können hiervon profitieren.

Last not least: In vielen Regionen Deutschlands fehlen betriebliche Ausbildungs-plätze. Um die Zugangschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in eine berufliche Ausbildung zu erhöhen ist ein ausreichendes Angebot an Ausbil-dungsplätzen erforderlich. Neben der Ausweitung außerbetrieblicher Ausbil-dungsplätze gilt es die berufliche Nachqualifizierung verstärkt in den Blick zu nehmen. Denn bei einem Migrationshintergrund haben junge Erwachsene fast dreimal so oft wie ohne Migrationshintergrund keinen Berufsabschluss. Bei den Maßnahmen zur beruflichen Nachqualifizierung sollten organisatorische, finan-zielle und andere Hürden abgebaut werden, sowohl für Träger und Betriebe, die Nachqualifizierung anbieten als auch für die jungen Erwachsenen selbst. Junge Menschen, die an einer abschlussorientierten Maßnahme der beruflichen Nach-qualifizierung teilnehmen, sollten ein Einkommen erhalten, das über der Grund-sicherung liegt, insbesondere wenn sie eine eigene Familie haben. Es fehlt sowohl an einer konsequenten Umsetzung als auch an Plätzen. Die modulare berufsbe-gleitende Nachqualifizierung junger Erwachsener in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf sollte verstetigt und flächendeckend ausgebaut werden. Die Potenziale so vieler junger Menschen ungenutzt zu lassen, ist eine Ressourcenverschwen-dung für beide Seiten, für junge Menschen sowie für Gesellschaft und Wirtschaft.

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Literatur:

Beicht, Ursula 2015: Berufsorientierung und Erfolgschancen von Jugendlichen mit Migrations-hintergrund am Übergang Schule–Ausbildung im Spiegel aktueller Studien. In: Scherr, Albert (Hrsg.): Diskriminierung migrantischer Jugendlicher in der beruflichen Bildung. Stand der For-schung, Kontroversen, Forschungsbedarf. Weinheim 2015, S.82 -114

Beicht, Ursula; Gei, Julia 2015: Ausbildungschancen junger Migranten und Migrantinnen unter-schiedlicher Herkunftsregionen. BIBB REPORT 3/2015. Bielefeld 2015

Granato, Mona; Hall, Anja 2015: Wie Auszubildende ihren Berufsalltag erleben. Jugendliche mit Migrationshintergrund machen selten eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf, sind aber den-noch zufrieden. In: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): Geschlossene Gesellschaft. Warum der Ein-stieg in die Ausbildung für viele Jugendliche schwierig ist. DJI Impulse 2 2015, S. 18- 20

Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd; Flemming, Simone; Granath, Ralf-Olaf 2016: Mehr Ausbildungsangebote, stabile Nachfrage, wachsende Passungsprobleme. Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2015. Bonn

Zur Person:

Dr. Mona Granato ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektsprecherin des Forschungs-projekts » Bildungsorientierungen und -entscheidungen von Jugendlichen im Kontext konkurrierender Bildungsangebote« am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Übergangsforschung und (Aus)Bildungsforschung mit den Schwerpunkten Inklusion und Exklusion; Bildung und Migration, Bildung und Geschlecht sowie Organisation von Bildung, Bildungsungleichheit

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INTERVIEW

Migration als Chance

„Wie gelingt die Integration in die berufliche Ausbildung?“ – Kornelia Haugg vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erklärt, mit welchen Maßnahmen ihr Haus Jugendliche mit Migrationshintergrund und junge Geflüchtete in Ausbildung bringt.

Kornelia Haugg

jobstarter.de: Sehr geehrte Frau Haugg, Sie sind Leiterin der Abteilung „Berufliche Bildung und lebenslanges Lernen“ im Bundesministerium für Bildung und For-schung (BMBF) und leiten den Koordinierungsstab Flüchtlinge. „Bildung ist der Schlüssel zur Integration“ – das ist der Leitsatz der Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka. Welche Rolle spielt die duale Berufsausbildung in diesem Kontext?

Kornelia Haugg: Die Ausbildung im Betrieb hat eine lange Tradition in Deutsch-land. Die Nachfrage ist groß und vielfältig; mehr als 300 Berufe stehen zur Aus-wahl. Das duale System eröffnet jedes Jahr weit über 500.000 jungen Menschen den Einstieg in eine qualifizierte Tätigkeit. Deswegen sagen wir: „Bildung ist der Schlüssel“, Schlüssel zu sozialer Teilhabe, beruflichem Erfolg und persönlicher Entfaltung. Dies trifft auch für die vielen Menschen zu, die erst seit Kurzem bei uns leben. Die duale Berufsausbildung ist für sehr viele von ihnen eine konkrete Chance, Integration erfolgreich zu meistern. Das möchte das Bundesministe-rium für Bildung und Forschung unterstützen.

jobstarter.de: Für Jugendliche mit Migrationshintergrund ist der Einstieg in eine Ausbildung noch immer eine große Herausforderung. Welche Maßnahmen hat das BMBF auf den Weg gebracht, um den Jugendlichen den Einstieg zu erleichtern?

Kornelia Haugg: Wir wissen, dass der Einstieg in die Berufsausbildung mit einer Reihe von Hürden verbunden ist. Für viele junge Menschen mit Migrationshin-tergrund ist die duale Ausbildung weniger bekannt als eine vollzeitschulische Ausbildung oder ein Studium. Häufig sind es auch die Eltern, die selbst keine Erfahrung mit einer beruflichen Ausbildung gemacht haben und den Jugendli-chen keine Orientierung im deutschen System bieten können. In den Ländern, aus denen Flüchtlinge zu uns gekommen sind, gibt es kein vergleichbares Berufsbildungssystem. Berufliche Kompetenzen haben in den Heimatländern zudem meist nur eine geringe soziale Anerkennung. Wir sind also an vielen Stel-len gefordert.

Zusammen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Bundes-agentur für Arbeit und gemeinsam mit den Ländern fördern wir die Initiative „Bildungsketten“. Ziel ist es, im Bereich des Übergangs in Beruf oder Studium, den Schülerinnen und Schülern deutlich zu machen, wo ihre Stärken liegen. Die Jugendlichen lernen zudem sehr praktisch verschiedene Berufe kennen. Hier richten wir uns auch an die Eltern, die durch bessere Information zu einer noch besseren Stütze bei der Berufswahl werden können.

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Wenn besondere Bedarfe bestehen, helfen Berufseinstiegsbegleiter vor, während und nach dem Schulabschluss auf dem Weg in die Lehre. Bis 2020 sind 115.000 individuelle Begleitungen vorgesehen. Schließlich wenden wir uns mit dem Pro-gramm KAUSA spezifisch an die Unternehmen und möchten sie dafür gewin-nen, Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Chance zu geben, die sie ver-dient haben.

jobstarter.de: Im vergangenen Jahr sind über eine Million Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Jeder Zweite ist unter 25 Jahre alt. Welche Angebote kom-men infrage, um insbesondere die jungen Geflüchteten davon zu überzeugen, eine duale Ausbildung zu beginnen?

Kornelia Haugg: Die jungen Geflüchteten beschäftigen uns natürlich sehr. Neben der Frage einer Ausbildung hat der Spracherwerb oberste Dringlichkeit. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse können die Jugendlichen in der Ausbil-dung nicht erfolgreich sein. Schulpflichtige junge Geflüchtete profitieren von allen Maßnahmen im Rahmen der Initiative „Bildungsketten“, wie alle anderen Jugendlichen auch. Für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche haben wir gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks die Initiative „Wege in Ausbildung für Flüchtlinge“ gestartet. Damit wollen wir in den nächsten zwei Jahren bis zu 10.000 jugendli-chen Flüchtlingen eine Ausbildung im Handwerk ermöglichen.

jobstarter.de: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist Partner in der Allianz für Aus- und Weiterbildung, die sich ebenfalls dazu verpflichtet hat, die Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu steigern. Welche Erfolge kann die Allianz nach zwei Jahren Laufzeit vorzeigen?

Kornelia Haugg: Die Allianz für Aus- und Weiterbildung wurde im Dezember 2014 zwischen dem Bund, der Bundesagentur für Arbeit, den Ländern, der Wirt-schaft und den Gewerkschaften vereinbart. Ein zentrales Ziel der Allianz ist es, Jugendliche mit Migrationshintergrund in die betriebliche Ausbildung zu integ-rieren. Jedem ausbildungsinteressierten jungen Menschen wollen die Allianz-partner einen „Pfad“ aufzeigen, der ihn frühestmöglich zum Berufsabschluss führen kann. Dazu gehören verbesserte Regelangebote im Übergang von der Schule in Ausbildung. Mit ihrer Erklärung „Gemeinsam für Perspektiven von Flüchtlingen“ vom September 2015 hat die Allianz zudem frühzeitig auf die Zuwanderung schutzsuchender, junger Menschen nach Deutschland reagiert.

Ich sehe einen großen Erfolg darin, dass zentrale Anliegen der Allianzpartner in das neue Integrationsgesetz eingebracht werden konnten: Zusätzlich zu Asylbe-werbern mit guter Bleibeperspektive werden künftig auch Geduldete und deren Ausbildungsbetriebe die Sicherheit haben, dass Auszubildende während und im unmittelbaren Anschluss an die erfolgreich absolvierte Ausbildung bei einem nachfolgenden Beschäftigungsverhältnis in Deutschland bleiben dürfen (sog. 3+2-Regelung). Zudem wird es in Zukunft keine Altersgrenze mehr geben, bis zu der eine qualifizierte Ausbildung aufgenommen worden sein muss. Darü-ber hinaus haben mit dem Integrationsgesetz vor allem Asylbewerber mit guter

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Bleibeperspektive und Geduldete einen früheren Zugang zu bestimmten Leis-tungen der Ausbildungsförderung wie der Assistierten Ausbildung oder den aus-bildungsbegleitenden Hilfen.

jobstarter.de: Die Migrantenökonomie ist mit über 700.000 Selbstständigen ein wichtiger Teil der deutschen Wirtschaft. Das Ziel von JOBSTARTER KAUSA ist auch die Einbindung von Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshinter-grund in die berufliche Ausbildung. Wie tragen die KAUSA Servicestellen dazu bei, diese KMU anzusprechen?

Kornelia Haugg: Vor allem kleine und mittlere Unternehmen aus der Migran-tenökonomie sind offen, Ausbildungsplätze anzubieten. Allerdings sind Inhaber und Personalentscheider oft unsicher, welche Verantwortung sich hinter der Ausbildung verbirgt. Die Servicestellten sprechen Unternehmen direkt an, klä-ren auf und verweisen in enger Abstimmung, z. B. mit den Kammern, auf Ange-bote vor Ort. Dabei ist die Arbeitsmarktsituation an den Standorten der KAUSA Servicestellen sehr unterschiedlich. Ich freue mich, dass wir bis Juli dieses Jahres fast 30 Servicestellen etablieren konnten und bis zum Ende des Jahres in allen Bundesländern vertreten sein werden.

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INTERVIEW

KAUSA Servicestelle Dortmund – ein fester Bestandteil der Stadt

Dortmund steht vor vielen Herausforderungen bei der Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten in den Ausbildungs markt. Oberbürgermeister Ullrich Sierau spricht über die Situation in der Stadt.

Ullrich Sierau

jobstarter.de: Wie sieht die Situation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beim Übergang Schule-Beruf in Dortmund aus?

Ullrich Sierau: Auch auf dem Dortmunder Bildungssektor und Arbeitsmarkt spielen die Ausbildungsperspektiven von Jugendlichen mit Zuwanderungs-geschichte eine erhebliche Rolle. Gerade ihre Teilhabe am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist wichtig, sowohl aus Sicht ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung als auch aus Sicht einer zukunftsfähig aufgestellten Stadt. Stich-worte sind hier auch: Demographischer Wandel, Fachkräftemangel und Nach-wuchskräftegewinnung. Diese Ressourcen, Potenziale und Kompetenzen nicht zu entwickeln und zu nutzen wäre geradezu fahrlässig. Wie in vielen anderen Städten zeigt sich aber auch in Dortmund, dass die Ausbildungsperspektiven von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte immer noch verbesserungsfähig sind. Zwar haben die Jugendlichen bei den allgemein bildenden Schulabschlüs-sen aufgeholt, aber nach wie vor besuchen weniger das Gymnasium und gehen mehr auf die Hauptschule. Auch bei den Übergängen in die duale Ausbildung zeigt sich, dass die Zahl der Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte niedri-ger ist, als bei den Jugendlichen mit deutschem Hintergrund. Hier besteht also weiterhin „Luft nach oben“. Aber entsprechende Angebote bestehen in Dort-mund – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Verwaltung. Die Aktivitäten beispielsweise des Regionalen Bildungsbüros im Fachbereich Schule zur Gestal-tung der Übergänge zwischen Schule und Arbeitswelt (u.a. „Kein Abschluss ohne Anschluss“) werden ergänzt um Angebote von Bildungsträgern und Migranten-organisationen. Ein wichtiger Baustein sind auch die sehr zielgerichteten Maß-nahmen, die im Rahmen der KAUSA Servicestelle angeboten werden. Sie spre-chen Jugendliche gezielt, bedarfsorientiert und individuell an. Dabei beziehen sie Eltern, Unternehmen und auch junge Flüchtlinge aktiv mit ein. Die hohe Vermittlungsquote der begleiteten Jugendlichen in Ausbildung zeigt die Wirk-samkeit der Strategien und Maßnahmen.

jobstarter.de: Welche sind die besonderen Herausforderungen bei der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung in Ihrer Stadt?

Ullrich Sierau: Diese liegen derzeit in der Sprachbildung sowie der Beschulungs-situation von Kindern und Jugendlichen. Beides ist eng miteinander verknüpft, denn je schneller eine Beschulung stattfinden kann, desto schneller kann die Sprache erlernt werden. Diese, aber auch eine fachsprachliche Qualifizierung – die beispielsweise für ältere Bewerberinnen und Bewerber seitens der Kammern

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angeboten werden – sind Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Teilhabe am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Als Herausforderung gelten leider auch die teil-weise unsicheren Bleibeperspektiven. Sie sorgen sowohl bei den potenziellen Be -werberinnen und Bewerbern als auch für die in Frage kommenden Ausbildungs-betriebe für Unsicherheit. Gleichwohl gibt es in Dortmund – sowohl in den professionellen als auch in den ehrenamtlichen Projekten – ein sehr hohes Maß an Engagement, um die Ausbildungssituation von Flüchtlingen erfolgreich zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist die Maßnahme „Integration Point“ von der Arbeitsagentur und dem Jobcenter als Anlaufstelle für Flüchtlinge, die in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden sollen. Auch hier gilt es, sich insbesondere an den Potenzialen der Menschen zu orientieren, ohne die besonderen Bedarfe außer Acht zu lassen.

jobstarter.de: Welche Rolle hat die KAUSA Servicestelle für das kommunale Netz-werk in Dortmund?

Ullrich Sierau: Die KAUSA Servicestelle ist eine wichtige Akteurin im gesamten Dortmunder Netzwerk, das sich durch eine gute, vertrauensvolle und engagierte Zusammenarbeit auszeichnet. Dazu gehören u.a. das Kommunale Integrations-zentrum, die Arbeitsagentur, das Jobcenter, die Kammern, die Wirtschaftsför-derung, der Fachbereich Schule, das Personalamt der Stadtverwaltung sowie zahlreiche freie Träger. Ihre besondere Rolle in diesem Gefüge ist es, ergänzende Angebote für Unternehmen, Jugendliche und Eltern mit Zuwanderungsge-schichte sowie auch für junge Flüchtlinge anzubieten. Dazu zählen u. a. Eltern-arbeit und Multiplikatorenschulungen in Migrantenorganisationen rund um das Thema Bildung, insbesondere das duale Ausbildungssystem. Gleichzeitig werden Jugendliche auf Augenhöhe intensiv bei der Schaffung von Zugängen in die Ausbildungsstrukturen unterstützt und begleitet. Durch das gelebte „Abi/Abla-Prinzip“ (Anmerkung der Redaktion: Türkisch für großer Bruder/große Schwester) treten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KAUSA Service-stelle den Jugendlichen weniger als Anleiterinnen und Anleiter, denn als unter-stützende Vertraute bzw. wie eine Person aus dem familiären Umfeld entgegen. Hierdurch wird eine umfangreiche, vertrauensvolle, individuelle und erfolgrei-che Zusammenarbeit gewährleistet. Dabei schafft und erarbeitet sie fachliche Instrumente, die auf Verstetigung und Nachhaltigkeit zielen und in Regelstruk-turen implementiert werden sollen. Für die Kooperationspartner ist darüber hinaus natürlich die regelmäßige fachliche Expertise der KAUSA Servicestelle von großer Bedeutung. Diese wird durch ihre regelmäßige Einbindung in die unterschiedlichen Fachgremien in Bezug auf Bildung, Übergang und Arbeits-markt sichergestellt.

jobstarter.de: Wie sehen die Möglichkeiten der Stadt Dortmund aus, die KAUSA-Servicestelle in Zukunft weiter zu unterstützen?

Ullrich Sierau: Die Unterstützungs- bzw. Kooperationsmöglichkeiten sind schon heute sehr intensiv und vielfältig: Es gibt mittlerweile eine regelmäßige Koope-ration bei der organisatorischen und inhaltlichen Durchführung der jährlichen Jugendforen zwischen der KAUSA Servicestelle und beispielsweise dem Kommu-

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nalen Integrationszentrum. Gemeinsam mit dem Dienstleistungszentrum Bil-dung werden Multiplikatorenschulungen durchgeführt. Es gibt eine erfolgreiche Kooperation innerhalb des Projektes „Ich bin drin!“ mit der Wirtschaftsförderung Dortmund bei der intensiven Begleitung und Betreuung von benachteiligten Jugendlichen der Dortmunder Nordstadt im Arbeitsfeld Übergang Schule-Beruf. Auch besteht eine Zusammenarbeit mit dem Personalamt der Stadt Dortmund. Hier werden gemeinsam mit der KAUSA Servicestelle vor Ort Informationsver-anstaltungen in Migrantenorganisationen durchgeführt. Ziel ist es, insbeson-dere die interkulturelle Öffnung der Verwaltung weiter voranzubringen. Das sind nur einige Beispiele und das alles macht deutlich, wie eng vernetzt und eta-bliert die Servicestelle in der Bildungs- und Ausbildungslandschaft in Dortmund ist. Sie ist mittlerweile zu einer wesentlichen und verlässlichen Kooperations-partnerin ge worden. Diese Zusammenarbeit soll auf allen Ebenen in der Stadt intensiv fortgesetzt werden.