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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 1 Karl-Jürgen Kemmelmeyer, Hannover Johann Sebastian Bach: Passacaglia c-Moll für Orgel BWV 582 Ein Beitrag zur Klärung der Registerwahl In Memoriam Prof. Dr. Siegfried Vogelsänger (Wolfenbüttel), der Bachs Bauplan der Passacaglia mit entschlüsseln half. 1 Variationen über einen ostinaten Bass Mit Passacaglia (frz. Passecaille) und Ciacona (frz. Chaconne) wird ein Kompositionstypus bezeichnet, der Ostinato- und Variationstechnik kombiniert. Wie in spanischer Volksmusik noch heute üblich wur- den zu einer ostinaten Basstonfolge stets neue Variationen hinzuimprovisiert. Für die Komposition einer Passacaglia ergeben sich drei Möglichkeiten: 1. Das Ostinato (die stets wiederholte Tonfolge) bildet die Bassstimme und wird unverändert bei- behalten (variations on a ground) 2. Ein gleichbleibender Kadenzablauf (eine auf dem Bass-Ostinato aufgebaute Akkordfolge) bildet das harmonische Gerüst aller Variationen. 3. Das Ostinato kann als Thema in allen Stimmen verwendet werden (so bei Bach). Charakteristische Spielfiguren kennzeichnen einzelne Variationen, können aber auch mehrere Harmo- nieabläufe verbinden. In der Passacaglia der Barockzeit wird eine Bewegungssteigerung angestrebt: durch zunehmend kürzere Notenwerte, durch Verdichtung der Stimmen, durch zunehmend mehr Register. Das Passacaglia-Prinzip 1 Vogelsänger, Siegfried: Passacaglia und Chaconne in der Orgelmusik. In: Musik und Kirche Jg. 27/1967, S. 114ff. Bewegungssteigerung Figur 1 Figur 3 Figur 2 Akkordfolge & Bass Akkordfolge & Bass Akkordfolge & Bass Akkordfolge & Bass Follia Folies d’Espagne Chaconne Turnaround Bluesstrophe Variations on a ground Passacaglia Wie soll man Bachs monumentale Passacaglia registrieren – „pro Organo pleno“ entsprechend dem Kopf-Eintrag einer alten Abschrift oder mit Anwendung von Erkenntnissen über die Struktur der Passacaglia und über Bachs struk- turverdeutlichende Instrumentationspraxis in seinen Orchesterkonzerten? Der Beitrag will die mündlich überlieferte Registrierungspraxis an den großen Silbermann-Orgeln Sachsens doku- mentieren und dies zusammen mit einer Analyse der Passacaglia klingend demonstrieren.

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Karl-Jürgen Kemmelmeyer, Hannover

Johann Sebastian Bach: Passacaglia c-Moll für Orgel BWV 582

Ein Beitrag zur Klärung der Registerwahl

In Memoriam Prof. Dr. Siegfried Vogelsänger (Wolfenbüttel),

der Bachs Bauplan der Passacaglia mit entschlüsseln half.1

Variationen über einen ostinaten Bass

Mit Passacaglia (frz. Passecaille) und Ciacona (frz. Chaconne) wird ein Kompositionstypus bezeichnet,der Ostinato- und Variationstechnik kombiniert. Wie in spanischer Volksmusik noch heute üblich wur-den zu einer ostinaten Basstonfolge stets neue Variationen hinzuimprovisiert.

Für die Komposition einer Passacaglia ergeben sich drei Möglichkeiten:1. Das Ostinato (die stets wiederholte Tonfolge) bildet die Bassstimme und wird unverändert bei-

behalten (variations on a ground)2. Ein gleichbleibender Kadenzablauf (eine auf dem Bass-Ostinato aufgebaute Akkordfolge) bildet

das harmonische Gerüst aller Variationen.3. Das Ostinato kann als Thema in allen Stimmen verwendet werden (so bei Bach).

Charakteristische Spielfiguren kennzeichnen einzelne Variationen, können aber auch mehrere Harmo-nieabläufe verbinden.

In der Passacaglia der Barockzeit wird eine Bewegungssteigerung angestrebt: durch zunehmend kürzereNotenwerte, durch Verdichtung der Stimmen, durch zunehmend mehr Register.

Das Passacaglia-Prinzip

1 Vogelsänger, Siegfried: Passacaglia und Chaconne in der Orgelmusik. In: Musik und Kirche Jg.27/1967, S. 114ff.

Bewegungssteigerung

Figur 1 Figur 3Figur 2

Akkordfolge

& Bass

Akkordfolge

& Bass

Akkordfolge

& Bass

Akkordfolge

& Bass

Follia

Folies

d’Espagne

Chaconne

Turnaround

Bluesstrophe

Variations

on a ground

Passacaglia

Wie soll man Bachs monumentale Passacaglia registrieren – „pro Organo pleno“ entsprechend dem Kopf-Eintrag

einer alten Abschrift oder mit Anwendung von Erkenntnissen über die Struktur der Passacaglia und über Bachs struk-

turverdeutlichende Instrumentationspraxis in seinen Orchesterkonzerten?

Der Beitrag will die mündlich überlieferte Registrierungspraxis an den großen Silbermann-Orgeln Sachsens doku-

mentieren und dies zusammen mit einer Analyse der Passacaglia klingend demonstrieren.

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Vorbilder für Bachs Komponieren und Orgelspiel – Reisen bildet!

Norddeutschland – Land der Tastenvirtuosen und großen Orgeln: Bach wurde durch Virtuosen, Formenund Stil der norddeutschen Orgelschule geprägt, besonders durch

Georg Böhm (1661-1733), Organist an St. Johannis Lüneburg; bedeutend durch seine reich ko-lorierten Choralbearbeitungen. Bach lernte sein Orgelspiel während seiner Lüneburger Zeit1700-1702 kennen.

Johann Adam Reincken (1643-1722), Organist an St. Katharinen Hamburg; großer Improvisator.Von Lüneburg aus nahm Bach 1701 Orgelunterricht bei ihm.

Dietrich Buxtehude (um 1637-1707), Organist an St. Marien Lübeck. Bachs Vorbild – 1705 be-suchte ihn Bach (400 km von Arnstadt aus zu Fuß!).

Nicolaus Bruhns (1665-1697), Schüler Buxtehudes, Organist in Husum, großer Orgel- und Gei-genvirtuose seiner Zeit.

Formen der

norddeutschen

Orgelschule:

Präludium &

Fuge

Partita

Fantasie

Choralbearbeitung

Ciacona

Orgel in der Marienkirche Wolfenbüttel (4 Manuale, Pedal, 53 Register) - erbaut 1620-24 durchGottfried Fritzsche, Planung durch Michael Praetorius. Aktuelles Werk (1986) unter Verwendung alterFritzsche-Register durch Orgelbau Karl Schuke, Berlin

Kronwerk 4. Manual

Hauptwerk 2. Manual

Brustwerk direkt über demSpieltisch 3. Manual

Rückpositiv 1. Manual

Pedaltürme auf beidenSeiten

Typischer Aufbau einergroßen norddeutschenOrgel

Lüneburg St. Johannis(3 Manuale und Pedal, 51Register)- Orgel 1551-53durch Hendrik Niehoff, 1652Vergrößerung durch FriedrichStellwagen, 1712-15 Umbauund Erweiterung durchMatthias Dropa, 1953 Restau-rierung durch Rudolf vonBeckerath. - Johann SebastianBach hörte hier währendseiner Lüneburger Zeit 1700-1702 den berühmten Organis-ten Georg Böhm.

Hamburg St. Jakobi (4 Manuale und Pedal, 60 Register) - 1693 Neubau unter Verwendungalter Register von Hans Scherer und Gottfried Fritzsche aus der Vorgängerorgel. 1986-93 Res-

taurierung durch Jürgen Ahrend. Bach bewarb sich 1720 vergeblich um das Organistenamt.War es Bachs „Traumorgel?“

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Bachs Passacaglia und Fuge c-Moll – genauer betrachtet

Der erste Teil des Themas entstammt der „Messe du deuziesme ton“ (Christe, Trio en Passecaille) vonAndré Raison (Livre d’orgue. Neudruck in Guilmant-Pirro „Archives ...“, Bd. 2, Paris 1899). Dieser Teilwird später das Fugenthema bilden.

Der zweite Teil des Themas wurde von Bach hinzugesetzt - vielleicht, um die Spannung der melodischenLinie (Stehenbleiben auf der Dominante!) im Sinne eines geschlossenen Themas zur Entspannung zuführen. Aus dem Material dieses zweiten Thementeils entstehen die Kontrapunkte 1 und 2.

Gruppenbildung durch Figuren oder Gestaltungsprinzipien -----------------------------------------------------------

Gleicher Rhythmus

Lübbecke, St. Andreas

Schmieder vermu-

tet die Entstehung

der Passacaglia

1716/1717

während Bachs

Dienstzeit in

Weimar, andere

vermuten die

Entstehung in der

Zeit 1706-1713

unter dem Einfluss

von Buxtehude.

Das Werk ist

leider nur in

zahlreichen Ab-

schriften überlie-

fert.

In der Entwicklungsgeschichte dieses For-mentyps bringt Bach mit seiner Passa-caglia zwei Neuerungen:

Das Ostinato wird unbegleitet imBass vorgestellt und dadurch klarals eigenständiges, in sich ge-schlossenes Thema gekennzeich-net.

Aus dem Material des Passacaglia-

Ostinatos werden Thema und Kont-

rapunkte der Fuge entwickelt

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Die Fuge -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

„Norddeutsches

Orgelrauschen“:

Schnelle „Dreh-

figuren“ mit

vorwiegend Se-

kundintervallen,

werden mit dem

vollen Werk

gespielt.

Im Nachhall der

großen Back-

steinkirchen

Nordeuropas

verbinden sich die

Figuren zu einer

oszillierenden

Klangfläche.

Bachs Vorbilder,

besonders Buxte-

hude, kannten

diese Wirkung und

bauten sie als

Effekt in ihre

Präludien ein.

Bach eröffnet den

„Orgelrauschen“-

Teil zur grandio-

sen Schlusswir-

kung der Passa-

caglia mit einer

markanten Auf-

taktfigur zur 19.

Variation – eine

Reminiszenz an

beeindruckende

Klangerlebnisse

während seiner

Zeit in Nord-

deutschland?Die von durchlaufenden Sechszehnteln bestimmte Fuge wirdkurz vor Schluss angehalten (Fermate auf dem neapolitani-schen Sextakkord, ein berühmtes Beispiel für die Verwen-dung dieses Akkords) – umso größer ist die Schlusswirkungam Ende des großangelegten Werkes: Bach wusste genau,wie man – nach der „atemlosen“ Sechszehntelmotorik – einepathetische Schlusswirkung erzielt.

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 7

Bachs Strukturplan und seine Geheimnisse – entschlüsselt

Übersicht über die Figuren in den Variationen

Thema 0 Th Bass orig. / unbegleitet

1Th Bass orig. / Punktierung und Überbindung (Stocken des Anlaufs):Synkopenfigur, 4-stimmig

2Th Bass orig. / wie 1. Variation /Synkopenfigur als Fortsetzung, 4-stimmig

3 Th Bass orig. / fließende 8tel / 4-stimmig

4 Th Bass orig. / 8tel u. 16tel / Stufen-Anapäst-Figur, 4-stimmig

5Th Bass, in Figur einbezogen / 8tel u. 16tel /Sprung-Anapäst-Figur, lockere 4-Stimmigkeit

6Th Bass orig. /durchlauf. 16tel /lockere 4-Stimmigkeit

7Th Bass orig. /durchlauf. 16tel /lockere 4-Stimmigkeit

8Th Bass orig. / durchlauf. 16tel /dichte 4-Stimmigkeit

9Th Bass, in Figur einbezogen / „Auftakt“-Terz-Figur /lockere 4-Stimmigkeit

10Th Bass als akkordische Begleitung einer fließenden Oberstimme /3stimmig

11Th Sopran als Cantus firmus mit fließendem 16tel-Kontrapunkt /2-stimmig

12Th Sopran als Cantus firmus im4-stimmigen Satz

13Th Alt, eingebettet in 16tel + 4tel-Figur / Komplementärrhythmus /3-stimmig

14Th aufgelöst in die Akkordbrechung / 16tel /2stimmig

15Th aufgelöst in die Akkordbrechung / 16tel /1stimmig

16Th Bass orig. / Harmonik dominierend / 16tel / Auftakt-“Arpeggio“-Figur, 6stimmig (!)

17Th Bass orig. / Linearität dominierend / 16tel-Triolen / schnellsterTeil / 3-stimmig aus 2stimmigem Bicinium + Bass als Cantus firmus

18Th Bass rhythmisch variiert (Auftakt) / Reminiszenz an Synkopenfi-gur (Var. 1 u. 2), „Stocken“ vor dem 16tel-Fluss der letzten Variatio-nen / 4-stimmig

19Th Bass orig. / 16tel, / komplementäre Drehfiguren (Imitation) /4-stimmig

20

Th Bass orig. / 16tel / Verdichtung der Drehfiguren (Imitation) /5-stimmig

Fugenbeginn (Auftakt)

I gleichestockende

Figur

II Bewe-gungs-steiger-

ung

III durch-laufende16tel und„Auftakt-wirkung“

mitdrei 16teln

V Redu-zierung

derStimmen-

zahl

VI Pedal-ostinato

alsBasis

VII „Nord-deutsches

Orgel-rauschen“

IV ZentrumTh Bass

Th Sopran

Septem artes

liberales – die

Gliederung der

Wissenschaften

Grundkurs

Sprachwissenschaf-

ten

(Trivium):

Grammatik

Rhetorik

Dialektik

Zahl 3 als Symbol

der Trinität Gottes -

Gott spricht zu den

Menschen. Die

Trinität Gottes ist

das Fundament des

Glaubens und der

Welt

Oberkurs: Zahlen-

wissenschaften

(Quadrivium)

Mathematik

Geometrie

Astronomie

Musik

Zahl 4 als Symbol

der Welt: vier Him-

melsrichtungen, vier

Elemente (Erde,

Feuer, Wasser,

Luft)

Zahl 7 als Symbol

der Vollendung der

Schöpfung (3 + 4 =

Gott und die Welt)

Bach war hochge-

bildet und mit der

Zahlensymbolik der

seit dem Mittelalter

bestehenden Gliede-

rung der Wissen-

schaften vertraut.

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 8

VariationNr.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

11

10

12 13 14 15 16 17 18 19 20

Gruppe I II III IV

Zentrum

V VI VII

Anzahl 2 3 4 2 4 3 2

Jede Gruppe der Variationen integriert durch ein Prinzip. Darüber hinaus wurde Bach offenbar bei derKomposition der Passacaglia von der damaligen Einteilung der Wissenschaften inspiriert:

Die Symmetrie ist das Symbol der Perfektion, der vollendeten Schöpfung Gottes.

Das Zentrum stellt zwei Kompositionsweisen plastisch gegenüber: Homophonie (Variationen10) und Polyphonie (Variation 11)

Die Zahlen 2 (Eckpfeiler), 3 (Trinität) und 4 (Welt) haben symbolische Bedeutung.

Es sind 7 Variationen-Gruppen: Die Zahl 7 (3+4) repräsentiert die Ganzheit: Gott (3) und die ir-dische Welt (4) zusammen.

Außerdem schließen die Passacaglia und die Fuge jeweils im 7-stimmigen Schlussakkord!

Mit dem „Bewegungsfluss“ der Figuren (8tel bis hin zu 16tel-Triolen), ihrer Gestik und der Stimmenzahlim Tonsatz (1- bis 6-stimmig) schafft Bach eine der Konstruktion überlagerte Ebene; sie gliedert „dyna-misch“ den Gesamtverlauf der Passacaglia und erzeugt mit Mitteln des Tonsatzes (!) ein „crescendo“,„decrescendo“ und wieder „crescendo“ bis hin zum „tutti“.

Offenbar war dieser Sachverhalt den Bach-Schüler-Generationen bekannt und vertraut. Die nachfolgenddokumentierte Registrierungsüberlieferung von Prof. Helmut Tramnitz, der in dieser Tradition aufge-wachsen war (Zitat Tramnitz: „Wie das die sächsischen Organisten an den Silbermann-Orgeln in alterBach-Tradition so beim Spiel der Passacaglia machen!“), verdeutlicht diese Dynamik-Ebene mit der Re-gisterwahl und den Manualwechseln – und eben dies kommt in einer durchgehenden „per Organo ple-no“-Registrierung überhaupt nicht zum Vorschein.

„Dynamik“

Verlauf

Johann Sebastian Bach (1685-1750)Passacaglia c-Moll BWV 582

In der Passacaglia bringt Bach die Grundidee – Variationen über einen gleichbleibenden (ostina-

ten) Bass bzw. einen immer wiederkehrenden Harmonieablauf – zu einer bis heute beispielgeben-

den Vollendung. Das Bass-Ostinato verändert er zum bogenförmigen Thema (anfangs vorgestellt),

dessen Begleitfiguren (die eigentliche kompositorische Erfindung) eine Steigerung der Bewegung

und der Klangdichte erfahren. Art und Stimmenzahl der Begleitfiguren erzeugen einen dynami-

schen Verlauf.

Die „Architektur“ der Passacaglia verkörpert das Symbol der vollendeten Schöpfung, die Zahl „7“:

Konzeptionell sieben Variationen-Gruppen - 2, 3, 4, 2 (= 1+1 als Zentrum), 4, 3, 2 Variationen - bil-

den eine Symmetrie; die Schlussakkorde sind jeweils siebenstimmig. Der erste Teil des Passacaglia-

Themas wird dann zum Fugenthema. Aus Tonkonstellationen im zweiten Teil des Passacaglia-

Themas entwickelt Bach Kontrapunkt 1 (8tel) und Kontrapunkt 2 (16tel) zum Fugenthema.

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 9

Das Registrierungsproblem - Orgeldispositionen

Welche Orgeln standen Bach zur Verfügung? Welche hat er kennengelernt? Welche hätte er gerne imAmt gespielt? Darüber kann man heute nur spekulieren. Bekannt ist, dass er bei Bauabnahmen ein ge-fürchteter Orgelprüfer war, der die Windversorgung „per Organo pleno“ auf ihre Druckstabilität prüfte,Terzregister, Zungenstimmen und die „Gravität“ liebte und (nach Faulkner) Prinzipal- und Flötenstim-men miteinander verband.

Annäherung an das Problem

Analyse der Noten Bachs (nur selten finden sich dort Manual-, Fuß-, Artikulations- undLautstärkeangaben)

Analyse der von Bach gespielten oder begutachteten Orgeln (Orgel-Dispositionen)

Schriftliche Quellen über Bach (Zeitgenossen und Schülerkreis)

Hinweise zur Registrierungspraxis (aus zeitgenössischen Musiklexika und Quellen)

Mündliche Überlieferungen (Lehrer-Schüler-Kette)

Exkurs: Repetitorium Orgelwissen

Die folgenden fünf Orgeldispositionen sind Beispiele für Instrumente, die zur Zeit Bachs bestanden, dieer selbst gehört oder gespielt hatte oder deren Orgelbauer mit ihm in Kontakt standen.

Labialstimmen

Prinzipale: kräftig, 32‘-1‘

Flöten: lieblich, 16‘-1‘

Mixturen: hoch, strahlend, Quinten

Aliquoten: dunkler klingend, Terzen

Zungenstimmen

Trompeten: schmetternd, offene Becher, 32‘-2‘

Oboen: warm, sich schließende Becher, 16‘-8‘

Regale: schnarrend, kurze Becher, 16‘-4‘

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Lüneburg, St. Johannis

Dies bedeutende und weitgehend erhaltene Werk zeigt inseinem Prospekt nicht nur drei verschiedene Stilepochen,sondern auch den Respekt jedes Orgelbauers vor der Leis-tung der Vorgänger. Die großen Prinzipalchöre (HW 16‘-2‘,RP 8‘-4‘, OW 8‘-1‘, Ped 16‘-4‘) und die gleichermaßen reich-haltigen Flötenchöre, der Glanz vielchöriger Mixturen, dievielen Trompeten geben diesem Instrument Wucht, Gravitätund Glanz zugleich. Aliquoten sind nur zweimal vertreten;Dulziane und die Bärpfeife bringen den an Renaissance-Instrumente erinnernden, für norddeutsche Orgeln charak-teristischen Klang der obertonreichen leiseren Zungenregis-ter. Bach hörte diese Orgel während seiner Lüneburger Zeit1700-1702.

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Hamburg, St. Jakobi

Hamburg hatte Geld. Das zeigt Schnitgers Disposition, für

die das Gleiche gilt wie für die Orgel Lüneburgs, hier

jedoch übertrumpft:

32‘ Prinzipal und Posaune im Pedal, HW mit 16‘-2‘ aus-

gebauten Prinzipal- und Flötenchor, alle Werke auf Basis

Prinzipal 8‘, wenig Terzen (nur 2 Sesquialtera), Aufhel-

lung der Werke HW – RP – OW – BW in der Disposition,

dazu Gravität im Pedal.

Bach kannte diese Orgel, die damals zu den bedeutends-

ten in Nordeuropa gehörte, bewarb sich allerdings dort

erfolglos. Schnitgers Disposition und Bauweise wurden

im 20. Jh. richtungsweisend für die Orgelbewegung und

ihre Orientierung an Klang und Technik barocker Orgeln.

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Weimar, Schlosskirche (zur Zeit Bachs)

Die Orgel befand sich ganz oben „im Himmel“ (in der 4. Etage, imBild durch den Deckenausschnitt sichtbar). Sie ist nicht erhalten –das Schloss wurde durch einen Brand zerstört.

Auffallend ist das auf die reine Bassfunktion (bis auf Kornett 4‘)beschränkte Pedal (Gravität mit 3x 16‘ und 32‘!), das großeBrustwerk mit vielen Klangfarben für das Triospiel und dasHauptwerk mit fast altertümlichen „Blockwerk“ der Prinzipale biszur Cymbel, sehr obertonreichen Flötenchor (16‘- nur 4‘)undGlockenspiel. Bach bezieht sich offensichtlich in seinen Bearbei-tungen der Konzerte Vivaldis für Orgel auf dies Instrument.

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Leipzig, Thomaskirche (zur Zeit Bachs)

Auffallend sind die vielen Flötenstimmen,teilweise mit Bezug zu Orchesterinstrumen-ten im Namen, das labial schwachbesetztePedal, der nur im Hauptwerk (ohne Zungen-register!) ausgebaute Prinzipalchor und zweiSesquialtera – eine eher sparsame Dispositi-on einer dreimaligen Orgel in einer reichenMessestadt.

Offenbar bestimmte hier mehr der Wunschnach möglichst vielen Klangfarben undKlangmischungen die Disposition, ohnedabei auf herkömmliche cantus-firmus-Registrierungen verzichten zu müssen.

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 14

Freiberg/Sachsen, Dom

Bachs Verhältnis zu Silbermann blieb kollegial-konstruktiv und zugleich kritisch – Bach kritisierte offen-bar die alte mitteltönige Stimmung, die wenigen Zungenregister und den reduzierten Ausbau der tiefs-ten Oktave. Der Typus der norddeutschen großen Orgel entsprach wohl eher seinen klanglichen Vorstel-lungen für seine großen, nicht Choral-gebundenen Orgelwerke.

Im Pedal ist die Gravität mir 32‘ und vier 16‘-Registernvorhanden. Die Pedal-Disposition wie auch die Dispositi-on von Hauptwerk (mit Cornett 5f.) und Oberwerk we-cken Erinnerungen an französische Orgeln der Zeitgenos-sen. Das Brustwerk enthält kein Zungenregister, sondernbringt das silbermannsche „Stahlspiel“ (8‘, 4‘, 2 2/3‘, 11/3‘, 1‘).

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 15

Quellen – auch für weitere Studien

W. Gurlitt: Johann Sebastian Bach. Der Meister und sein Werk. Kassel 1980

H.-J. Schulze: Johann Sebastian Bach: Leben und Werk in Dokumenten. Leipzig 1975

J. Kloppers: Die Interpretation und Wiedergabe der Orgelwerke Bachs. Diss. Johann WolfgangGoethe-Universität Frankfurt/M. 1965 (mschr.)

Q. Faulkner: Die Registrierung der Orgelwerke J. S. Bachs. Faculty Publications: School of MusicUniversity of Nebraska, Lincoln 1995 (http://digitalcommons.unl.edu/musicfacpub/21)

Siehe auch weitere Angaben im Internet auf https://de.wikipedia.org/wiki/Passacaglia_c-Moll_%28Bach%29

Links zu den erwähnten Orgeln (Stand 12.12.2015):

Lübbecke, St. Andreas: Bild privat – http://www.kirchengemeinde-luebbecke.de/gemeinde/geschichte-st-andreas/

Wolfenbüttel, Marienkirche: Bild privat - http://www.musikbmv.de/

Lüneburg, St. Johannis: http://musik.st-johanniskirche.de/index.htm?tree_id=32

Hamburg, St. Jakobi: http://www.jacobus.de/neu/deutsch/index_3_6.html

Cappel, St, Peter: http://www.arp-schnitger-orgel-cappel.de/

Detmold, Hochschule für Musik: http://www.schukeorgel-detmold.de/

St. Peter/Schwarzwald: Bild privat - http://www.barockkirche-st-peter.de/orgeln.php

Freiberg/Sachsen, Dom: http://www.freiberger-dom.de/konzerte/silbermannorgeln/grosse-silbermannorgel.html

Johannus Rembrandt 350: Bild privat -http://www.johannus.com/de/kollektion/hausorgeln/rembrandt

Erkenntnisse aus den Quellen

Mitteldeutscher Orgeltypus: Pedal als gravitätisches Bassfundament, grundtöniger Klang, Farben-

stimmen (Gamba, diverse Klangfarben der Flötenregister), Verschmelzung des Klanges, Terzregister(Terzmixtur, Kornett bzw. Sesquialtera) waren für Bach offenbar wichtig. Der mitteldeutsche Orgeltypusklang dunkler („französischer“) als der norddeutsche Orgeltypus eines Arp Schnitger. Bach liebte denKlang vielfältiger Zungenstimmen.

Norddeutsche Praxis (Prinzipalchor und Flötenchor pro Werk separat verwendet) ist offenbar für Bach

nicht als Prinzip gültig: Bach kombinierte Prinzipale mit Flöten (weiche Obertonlasierungen des Klanges)und erzeugte durch die Kombination mehrerer 8‘-Register besondere orchestrale Farben; Zungenstim-men wurden auch mit Labialstimmen kombiniert; er schätzte die „Gravität“ im Plenum durch Einsatzvon 16‘-Registern auf dem Manual.

Bachs musikalisches Denken in der Verbindung Organist, Orchestermusiker, Kapellmeister und Kom-

ponist, seine Beobachtungen der Praxis der Celler und anderer Hofkapellen und das Studium der Kon-zerte Vivaldis werden nicht ohne Auswirkungen auf die „Instrumentierung“ durch seine Manual- undRegisterwahl beim Spiel der Passacaglia geblieben sein. Bachs frühes Studium der OrchesterkonzerteVivaldis, seine Bearbeitungen für Orgel, die Übernahme der Grundstrukturen des vivaldischen Concerto-Prinzips in einigen seiner Präludien, Fugen und in den Orchesterkonzerten sowie dort seine strukturun-terstützende Instrumentierung lassen den Schluss zu: Bach setzt die Klangfarbe gezielt ein mit dem Zielder Verdeutlichung der Werkstruktur zur Erhöhung der Wirkung bei den Hörern.

Und das gilt auch für die Interpretation der Passacaglia.

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 16

Die heute häufig zu hörende, auf eine Abschrift mit dem Kopfvermerk „per Organo pleno“ sich stützen-de Praxis kann aus den o. a. Gründen und nach gründlicher Analyse der Struktur der Passacaglia (s. o.)nicht überzeugen – vielleicht war es ja nur eine Anmerkung des Kopisten, beim Spiel auch das volleWerk zu nutzen, und dazu brauchte man bei einem so langen Werk eine vermehrte Leistung der Bälge-treter, die darüber vorher zu informieren waren. Andere Abschriften tragen diesen Vermerk nicht. Wardie Kopfnotiz nur ein „Memo“?

Die hier vorgelegte und nachfolgend beschriebene Produktion realisiert in der Registrierung und denManualwechseln mündlich weitergegebene Tradition und Praxis der Bach-Schüler-Lehrer-Schüler-…Kettean den großen Silbermann-Orgeln Sachsens, weitergegeben 1967 von Prof. Helmut Tramnitz (Nordwest-deutsche Musikakademie Detmold) an seinen Orgel-Studenten Karl-Jürgen Kemmelmeyer, der dessenHinweise zur Registrierungspraxis genau protokollierte - sie werden nachfolgend hier erstmals originalmitgeteilt.

In dieser Registrierungsweise, die die übliche „Terrassendynamik“ barocker Interpretationsweise erwei-tert, wird die Struktur des Werkes hörbar, und nicht nur das: der Gesamtablauf des Werkes erhält durchsich ergebende Klang-Crescendi (1.-12. Variation), durch Klangreduzierungen (13.-15. Variation) undharte Klangkontraste (16.Variation) bis hin zum „Orgelrauschen“ (ab 19. Variation) eine den Noten derVariationen und ihrer Abfolge übergelagerte „dynamische“ Gliederung des Gesamtablaufs. So ist auchdie Fuge wohl nur im Pleno-Klang möglich (daher vielleicht auch die Notation mit dem Anfangston derFuge?), um den Spannungsbogen bis zum Stau im Neapolitanischen Sextakkord nicht zu unterbrechen.

Bach war nicht nur Schöpfer komplexer Kompositionen, sondern auch ein guter Psychologe in Bezugauf das Erzielen von Staunen auf Seiten seiner Zuhörer. Und das wirkt auch noch heute!

Die Passacaglia, in der sich norddeutsche (z. B. Gravität, „Orgelrauschen“) und mitteldeutsche (z. B.„Farbigkeit“) Orgelerfahrungen Bachs verbinden, offenbart in den nachfolgend überlieferten Regist-rierungsanweisungen von Prof. Helmut Tramnitz in besonderer Weise ihre Struktur und Stringenz imGesamtablauf.

Angaben zur Audiodatei („Bach-Passac-KJK-JR350-RMitte.mp3“):

Passacaglia-Produktion 2015Rekonstruktion der Registrierungsüberlieferung und Dokumentation

Johann Sebastian Bach: Passacaglia c-Moll BWV 582Karl-Jürgen Kemmelmeyer, Produktion und Orgel (KJK-Archiv CD 20)

DDD, Einspielung mit Johannus Rembrandt 350, Intonation Barock, Raum „Bovenkerk Kampen“ (7 Sek.

Nachhall), Hörposition in der Mitte der Kirche (Center) – Die Räumliche Wirkung (c–cis-Lade, Raumwir-

kung von HW, OW, SW und Pedal), die man am Spieltisch sitzend in 10.1-Wiedergabetechnik hört, gibt

eine Stereo-CD-Aufnahme als mp3 leider nicht wieder. - Produktion mit Cubase 7.5 - Technische Nachbe-

arbeitung mit Wavelab 8 – Texte und Grafik: Karl-Jürgen Kemmelmeyer

Die Orgel der EinspielungJohannus Rembrandt 350(Baujahr August 2013)

Sampling-Technologie: 4 Kathedralorgeln (roman-tisch, symphonisch, barock, historisch) x 64 Regis-ter (im Computer intonierbar) x 3 Intonationenergibt 768 Register, Schwellwerk, Crescendo (pro-grammierbar)

600 Speicherplätze, alle Stimmungen, 14 originaleRaumcharakteristiken mit unterschiedlichen Hall-Längen (2,5-8 Sek.) in Wiedergabe 10.1, voll MIDI-fähig (Sequenzer)

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 17

Disposition der Orgel Johannus Rembrandt 350

Hauptwerk

Prinzipal 16'

Prinzipal 8'

Diapason 8'

Flûte Harmonique 8'

Hohlflöte 8'

Quintatön 8'

Gamba 8'

Oktave 4'

Offenflöte 4'

Quinte22/3'

Oktave 2'

Spitzflöte 2'

Kornett IV

Mixtur V

Trompete 16'

Trompete 8'

Trompete 4'

Tremulant

Vox Humana 8'

Tremulant

Vox Humana

Positiv

Lieblich Gedackt 16'

Prinzipal 8'

Gedackt 8'

Oktave 4'

Rohrflöte 4'

Nasat 2 2/3'

Oktave 2'

Flöte 2'

Quinte 1 1/3'

Sifflöte 1'

Sesquialtera II

Mixtur III

Rankett 16'

Regal 8'

Tremulant

Schwellwerk

Bordun 16'

Geigenprinzipal 8'

Zartgedackt 8'

Viola di Gamba 8'

Vox Coelestis 8'

Oktave 4'

Hohlflöte 4'

Quintflöte 2 2/3'

Oktave 2'

Blockflöte 2'

Terz 1 3/5'

Nasat 1 1/3'

Oktave 1'

Scharff III

Fagott 16'

Trompette

Harmonique8'

Krummhorn 8'

Oboe 8'

Schalmey 4'

Tremulant

Pedal

Resultantbass 32'

Prinzipal 16'

Subbass 16'

Lieblich Gedackt 16'

Oktavbass 8'

Gedackt 8'

Violon 8'

Oktave 4'

Nachthorn 2'

Mixtur IV

Bombarde 32'

Posaune 16'

Trompete 8'

Klarine 4'

Koppeln:

HW-P / Pos-P / SW-P /SW-Pos / SW-HW /Pos-HW

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 18

Passacaglia c-Moll BWV 582 – Rekonstruktion der Überlieferung

Abkürzungen: Tr: Angaben von Prof. Helmut Tramnitz - HW=Hauptwerk, OW=Oberwerk,BW=Brustwerk, Pedal (Silbermann-Orgel Dom Freiberg/Sachsen)

Die Registrierungsangaben dokumentieren die Einspielung mit der Orgel Johannus Rembrandt 350.

ThemaTr 16‘, 8‘ Pedal

Pedal: Prinzipal 16’, Subbass 16’, Oktavbass 8’

Variation 1 & 2Tr Flöten 8’, 4’ OW

Pedal: unverändert - Positiv: Gedackt 8‘, Rohrflöte 4‘

Variation 3Tr 8’, 4’, 2 2/3’, HW

Pedal: unverändert - Hauptwerk: Prinzipal 8’, Oktave 4’,Quinte 2 2/3’

Variation 4Tr 8’, 4’, 2’, OW

Pedal: unverändert - Schwellwerk: Geigenprinzipal 8‘,Zartgedackt 8‘, Oktave 4‘, Hohlflöte 4‘, Oktave 2‘

Variation 5Tr 8’, 4’, 2 2/3’, 1’, BW

Pedal: unverändert - Positiv: Prinzipal 8‘, Gedackt 8‘,Oktave 4‘, Nasat 2 2/3‘, Sifflöte 1‘

Variation 6Tr Kornettzug HW

Pedal: unverändert – Hauptwerk: Prinzipal 8‘, Oktave 4‘,Kornett IV

Variation 7Tr Terzenzug OW

Pedal: unverändert – Schwellwerk: Geigenprinzipal 8’,Oktave 4‘, Blockflöte 2‘, Terz 1 3/5‘, Nasat 1 1/3‘

Variation 8Tr dazu Mixtur OW

Pedal: unverändert - Positiv: Prinzipal 8’, Gedackt 8’,Oktave 4’ Oktave 2‘, Nasat 2 2/3‘, Quinte 1 1/3‘, Sifflöte1‘,Mixtur III, Sesquialtera II

Variation 9Tr 8’, 4’, 2’, Mixtur, Trompete 8’ HW

Pedal: + Oktave 4’, Mixtur IV, Trompete 8’ – Hauptwerk:Prinzipal 8’, Hohlflöte 8’, Oktave 4’, Offenflöte 4’, Quinte2 2/3’, Oktave 2’, Mixtur V, Trompete 8’

Variation 10Tr Oberstimme OW 8’, 4’, 2‘, Mixtur, Zunge 8’;linke Hand BW (keine weiteren Angaben)

Pedal: unverändert – Positiv: unverändert (Oberstimme)– Schwellwerk: unverändert (Begleitung)

Variation 11Tr Thema HW Tutti (ohne 16‘), Unterstimme OW

Hauptwerk: unverändert (Thema) - Positiv: unverändert(Begleitstimme)

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J. S. Bach: Passacaglia – KJK – ©2015 Seite 19

Variation 12Tr HW, dazu Koppel HW an Pedal oder entspre-chend Pedal verstärken (bleibt dann so)

Pedal: unverändert – Hauptwerk: unverändert

Variation 13Tr 8’, 4’ OW

Positiv: Prinzipal 8’, Rohrflöte 4’

Variation 14Tr Oberstimme BW 8’, 4’, Terz 1 3/5’, UnterstimmeOW

Schwellwerk: (Oberstimme) Geigenprinzipal 8‘, Hohlflöte4‘, Terz 1 3/5‘ - Positiv: (Unterstimme) unverändert

Variation 15Tr OW unverändert

Positiv: unverändert

Variation 16Tr volles HW

Pedal: + Klarine 4’ – Hauptwerk: + Prinzipal 16’, Trompe-te 4’

Variation 17Tr HW fortlaufend

Pedal: unverändert – Hauptwerk: unverändert

Variation 18Tr OW Tutti

Positiv: Tutti mit Lieblich Gedackt 16‘, aber ohne Rankett16’!

Variation 19Tr Ped.: plus Posaune 16’, HW

Pedal: + Posaune 16’ – Hauptwerk: + Kornett IV, Trom-pete 16’ (norddeutsch!)

Variation 20Tr plus Manualkoppel (OW an HW)

Pedal: unverändert – Hauptwerk: + Koppel Positiv anHauptwerk

Fuge (Bei Taktangaben ist der Schlusstakt der Passacaglia = Takt 1 der Fuge)

Ob die Anfangsnote des Fugenthemas wirklich aus dem Schlussakkord hervorgehen sollte oder ob diesnur eine vereinfachte Notationsweise war, bleibt ungeklärt. An der Freiberger Silbermann-Orgel benö-tigte man beide Hände, um die Schiebekoppeln zu bedienen: die Fuge begann dort also separat. Mankonnte zugleich im Nachhall des Schlussakkordes der Passacaglia wenige Register „abstoßen“, um danndie Fuge reduziert „per Organo pleno“ mit drei Manualen und angepasstem Pedal zu spielen - die Frei-berger Silbermann-Orgel hatte keine Manual-Pedal-Koppeln. Nach der Fermate vor dem Schlussteil bliebim Nachhall wieder Zeit, um die Manualkoppel (OW an HW) und dann das Kornett im HW sowie denUntersatz 32‘&16‘ im Pedal zu ziehen. Außerdem: Warum sollte man damals keine Registranten als Hilfegekannt haben?! Mit der von Prof. Helmut Tramnitz mitgeteilten Registrierung und Manualverteilungkann der Registerwechsel durchaus entspannt abgearbeitet werden.

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Außer den Manualwechseln (T.1 HW, T.30 2. 16tel OW, T.50 2. 16tel BW, T.53 3. Zählzeit OW, T.66 The-ma Tenor HW (Triospiel), ab T.71 3. Zählzeit alles HW bis Schluss) und dem Hinweis auf „den großenKlang“ - Bach kannte und schätzte die großen Orgeln in Lüneburg und Hamburg (!) - sind von Prof. Hel-mut Tramnitz keine weiteren Angaben überliefert. Die vorgelegte Einspielung berücksichtigt seine Anga-ben und registriert die Fuge wie folgt:

Beginn der FugeHauptwerk: - Koppel Positiv an Hauptwerk, - Trompete 16‘, - Kornett IVPositiv: unverändertSchwellwerk: Geigenprinzipal 8‘, Gedackt 8‘, Oktave 4‘ Hohlflöte 4‘, Oktave 2‘, Blockflöte 2‘, Ok-tave 1‘, Scharf IIIPedal: - Resultantbass 32‘, - Posaune 16‘

Takt 53Pedal: - Posaune 16‘, - Klarine 4‘

Takt 88Pedal: + Posaune 16‘ + Klarine 4‘

Schlussteil nach ZäsurHauptwerk: + Trompete 16‘, + Kornett IV, + Koppel Positiv an HauptwerkPedal: + Resultantbass 32‘

Der Autor:

Univ.-Prof. Dr. phil. Karl-Jürgen Kemmelmeyer

Hochschule für Musik und Theater und Medien Hannover (Deutschland), Institut fürmusikpädagogische Forschung (ifmpf)

Biografie, Tätigkeiten, Publikationen: http://www.prof-kemmelmeyer.de

Mail: [email protected]