Jürgen Tietz Der Berlin-Pavillon am Hansaviertel · am Hansaviertel Der Berlin-Pavillon galt zwar...

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46 | Bauwelt 21 2004 Architekten 1957: Hermann Fehling, Daniel Gogel, Peter Pfankuch Jürgen Tietz Der Berlin-Pavillon am Hansaviertel Der Berlin-Pavillon galt zwar nicht als offiziel- ler Bestandteil der Berliner Interbau-Projekte. Dennoch bildete er für viele Besucher den ei- gentlichen Auftakt bei ihrer Besichtigung der Bauausstellung, die von Juli bis September 1957 am Rand des Tiergartens stattfand. Zu sehen waren damals in dem polygonalen Pavillon die Unterlagen des legendären Wettbewerbs „Hauptstadt Berlin“, der zu Beginn des folgen- den Jahres 1958 entschieden werden sollte (Heft 37/1957, S. 973). Seiner Rolle als Empfangstor zur Interbau ent- sprechend war der Hauptzugang des Pavillons zur Straße des 17. Juni und zum S-Bahnhof Tier- garten orientiert – und damit zur City West. Der rückwärtige Ausgang leitete die Besucher dagegen direkt zum Hansaviertel: Durch den von einer sanft abfallenden Mauer schützend umfassten Garten gelangten sie zu den Kassen- häuschen an der Klopstockstraße – die Seil- bahn über das Ausstellungsgelände in Sicht- weite. Dem ambitionierten Anspruch, mit dem die Interbau die Strömungen der aktuellen (Stadt-)Baukunst auf der Höhe der Zeit präsen- tierte, entsprach auch die „harte und klare“ Formensprache des von Hermann Fehling, Da- niel Gogel und Peter Pfankuch entworfenen Pavillons – so das Urteil der Bauwelt im Jahr der Interbau. Es ist eine einzige, transparente Halle mit or- ganischer Gestaltung. Möglich machte dies eine „äußerst reduzierte, unterspannte Stahl- konstruktion“, wie sie Walter A. Noebel, der spätere Mitarbeiter des Büros Fehling/Gogel, in dem schmalen Baseler Ausstellungskata- log zum Werk der Architekten beschreibt. Tat- sächlich gehen Filigranität und Transparenz in dem eingetragenen Baudenkmal Hand in 17. Oktober 2003 Aus einem Brief von Susanne Gisel-Pfan- kuch an die Akademie der Künste Berlin ... ein Artikel in der Berliner Morgenpost vom 24. September, der darauf hinweist, dass für den Berlin-Pavillon eine Bauvoran- frage zwecks Nutzung eines Drive-In-Burger- King-Restaurants vorliegt, veranlasst mich, Ihnen zu schreiben. Über die Bedeutung der Interbau im Allge- meinen und Besonderen muss ich mich Ih- nen gegenüber nicht äußern. Was mich viel- mehr beschäftigt, ist die Tatsache, dass für den Berlin-Pavillon die Gefahr einer radika- len Umnutzung besteht. Nutzungsänderun- gen sind sicher nicht grundsätzlich zu kriti- sieren, hier aber, sollte Burger King sich durchsetzen, handelt es sich – in mehrfacher Hinsicht – um eine kulturelle Katastrophe. Mir ist bewusst, dass es diverse solcher „Verbrechen“ gibt, dennoch stelle ich mir vor, dass die Akademie der Künste, d.h. konkret die Abteilung Baukunst, sich in ei- ner kurzen öffentlichen Erklärung gegen- über Presse und zuständigen Behörden ge- gen diese mögliche brutale Nutzungsände- rung aussprechen sollte. Bauwelt 21 2004 | 47 Haupteingang von der Straße des 17. Juni. Die expressive Formensprache der transparenten Halle erinnert an Schiffsbug und Segel. Historische Aufnahmen: Archiv Lisa Pfankuch, Berlin

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Architekten 1957:

Hermann Fehling, Daniel Gogel,

Peter Pfankuch

Jürgen Tietz

Der Berlin-Pavillon am Hansaviertel

Der Berlin-Pavillon galt zwar nicht als offiziel-ler Bestandteil der Berliner Interbau-Projekte.Dennoch bildete er für viele Besucher den ei-gentlichen Auftakt bei ihrer Besichtigung derBauausstellung, die von Juli bis September 1957am Rand des Tiergartens stattfand. Zu sehenwaren damals in dem polygonalen Pavillondie Unterlagen des legendären Wettbewerbs„Hauptstadt Berlin“, der zu Beginn des folgen-den Jahres 1958 entschieden werden sollte(Heft 37/1957, S. 973). Seiner Rolle als Empfangstor zur Interbau ent-sprechend war der Hauptzugang des Pavillonszur Straße des 17. Juni und zum S-Bahnhof Tier-garten orientiert – und damit zur City West.Der rückwärtige Ausgang leitete die Besucherdagegen direkt zum Hansaviertel: Durch denvon einer sanft abfallenden Mauer schützendumfassten Garten gelangten sie zu den Kassen-

häuschen an der Klopstockstraße – die Seil-bahn über das Ausstellungsgelände in Sicht-weite. Dem ambitionierten Anspruch, mit demdie Interbau die Strömungen der aktuellen(Stadt-)Baukunst auf der Höhe der Zeit präsen-tierte, entsprach auch die „harte und klare“Formensprache des von Hermann Fehling, Da-niel Gogel und Peter Pfankuch entworfenenPavillons – so das Urteil der Bauwelt im Jahrder Interbau.Es ist eine einzige, transparente Halle mit or-ganischer Gestaltung. Möglich machte dieseine „äußerst reduzierte, unterspannte Stahl-konstruktion“, wie sie Walter A. Noebel, derspätere Mitarbeiter des Büros Fehling/Gogel,in dem schmalen Baseler Ausstellungskata-log zum Werk der Architekten beschreibt. Tat-sächlich gehen Filigranität und Transparenzin dem eingetragenen Baudenkmal Hand in

17. Oktober 2003

Aus einem Brief von Susanne Gisel-Pfan-

kuch an die Akademie der Künste Berlin

. . . ein Artikel in der Berliner Morgenpost

vom 24. September, der darauf hinweist,

dass für den Berlin-Pavillon eine Bauvoran-

frage zwecks Nutzung eines Drive-In-Burger-

King-Restaurants vorliegt, veranlasst mich,

Ihnen zu schreiben.

Über die Bedeutung der Interbau im Allge-

meinen und Besonderen muss ich mich Ih-

nen gegenüber nicht äußern. Was mich viel-

mehr beschäftigt, ist die Tatsache, dass für

den Berlin-Pavillon die Gefahr einer radika-

len Umnutzung besteht. Nutzungsänderun-

gen sind sicher nicht grundsätzlich zu kriti-

sieren, hier aber, sollte Burger King sich

durchsetzen, handelt es sich – in mehrfacher

Hinsicht – um eine kulturelle Katastrophe.

Mir ist bewusst, dass es diverse solcher

„Verbrechen“ gibt, dennoch stelle ich mir

vor, dass die Akademie der Künste, d.h.

konkret die Abteilung Baukunst, sich in ei-

ner kurzen öffentlichen Erklärung gegen-

über Presse und zuständigen Behörden ge-

gen diese mögliche brutale Nutzungsände-

rung aussprechen sollte.

6. Berlin-imp 19.05.2004 9:44 Uhr Seite 46

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Haupteingang von der Straße des 17. Juni. Die expressive Formenspracheder transparenten Halle erinnert anSchiffsbug und Segel.

Historische Aufnahmen: Archiv Lisa Pfankuch, Berlin

6. Berlin-imp 19.05.2004 9:44 Uhr Seite 47

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Der rückwärtige Ausgang führt dieBesucher direkt ins Hansaviertel, daszur Interbau 1957 entstand.Noch nutzt die KPM den Pavillon zurPräsentation von Porzellanen.

Foto rechts: Erik-Jan Ouwerkerk, Berlin

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Hand, verleihen ihm seine besondere Qualität,die auch nach dem von Daniel Gogel begleite-ten Umbau Ende der achtziger Jahre noch spür-bar ist. Daran ändert auch der erbarmungs-würdige Zustand der verwahrlosten Umgebungdes Gebäudes wenig. So bietet der Pavillon eingutes Beispiel einer offenen und gleichwohlkontextbezogenen Spielart der Nachkriegsmo-derne – jenseits der trivialen Blockrandbebau-ungen, die dem Pavillon gleich neben der na-hen S-Bahn inzwischen zu Leibe rücken.Mit einfachen und doch subtilen Mitteln wirdder Besucher durch die Gestaltung der Haupt-schauseite und des Daches zum Eingang ge-lenkt. Die expressiven Architekturformen ru-fen dabei Erinnerungen an Schiffsbug und Se-gel wach und machen den Pavillon zu einemBlickfang. Damit erfüllte er seine ureigensteAufgabe: Aufmerksamkeit und Neugier zu er-regen. Die Anleihen aus der Schiffsgestal-tung sind charakteristisch für die Handschriftdes Büros Fehling, Gogel, Pfankuch. Über dieQuellen dieser Vorliebe gehen die Meinungenin den spärlichen Überlieferungen gleichwohlauseinander: Sowohl Daniel Gogels Leiden-schaft für das Segeln als auch Peter PfankuchsVerehrung für seinen Lehrer Hans Scharounwerden angeführt. Dieser hatte seit den zwan-ziger Jahren bekanntlich immer wieder Schiffs-motive in seine Architektur eingefügt.Zunächst für die Dauer von zehn Jahren er-richtet, um – notabene – „Ausstellungen derWirtschaft“ aufzunehmen, bewies der Pavil-lon Standhaftigkeit – bis heute. Seine Durch-gangsfunktion zum Hansaviertel hat er zwareingebüßt, doch immerhin diente er langeJahre als Ausstellungs- und Diskussionsraumfür die Berliner Bauplanung. Damit ist inzwi-schen Schluss. Von Altberliner Gaslaternenwie von argwöhnischen Wachsoldaten der Ver-gangenheit umstanden, soll er künftig zum„Drive In“ einer Fast-Food-Kette werden (Um-gestaltungskonzept Paul und Petra Kahlfeldt).Doch egal, ob an der Straße des 17. Juni künf-tig Nobel- oder Standardburger serviert wer-den – in seiner Rolle als Architekturschau-platz hat der Pavillon ausgespielt. Und so do-kumentiert sein Verkauf nicht nur die Finanz-not der Stadt, die bereits zuvor Wände undGarten dieses Baudenkmals verlottern ließ. Erkann auch als Abgesang auf jene öffentlicheArchitekturdebatte gelesen werden, die einstim Berlin-Pavillon ihr Domizil hatte.

1. November 2003

Aus einem Brief der Akademie der Künste,

Abteilung Baukunst, an den Senator für

Stadtentwicklung

. . . wie wir aus der Presse erfahren haben,

hat das Land Berlin den Berlin-Pavillon am

Eingang des Hansaviertels verkauft; der

Pavillon soll zu einem Fast-Food-Restaurant

(„Drive-In“) der Burger-King-Kette umge-

baut werden.

Auf die herausragende Bedeutung dieses

Baudenkmals, das ein von allen Fachleuten

und Kennern immer wieder gepriesenes

Zeugnis für die Architektur seiner Entste-

hungszeit darstellt, müssen wir sicherlich

nicht hinweisen. (. . .) Dem hohen Anspruch

des Baus scheint uns die geplante Umnut-

zung in keiner Weise zu genügen. Berlin ist

nicht so reich an vergleichbar wertvollen

Bauten aus dieser Zeit, dass es sich einen

weiteren Verlust „leisten“ könnte.

Die Akademie der Künste sieht sich in be-

sonderem Maße dazu aufgerufen, gegen

die zu befürchtende Abwertung und Banali-

sierung dieses Bauwerks zu protestieren . . .

19. Dezember 2003

Aus der Antwort des Senators für Stadt-

entwicklung an die Akademie der Künste,

Abteilung Baukunst

. . . ich danke Ihnen für Ihren Brief zum Ver-

kauf des Berlin-Pavillons, vermag aber Ihre

Sorge um die Zukunft dieses Baudenkmals

nicht zu teilen.

Um die Bewirtschaftung dieses Gebäudes

zu sichern, wird es seit Jahren ohne Kon-

flikte mit den Zielen des Denkmalschutzes

gastronomisch genutzt. Der neue Eigentü-

mer setzt diese Nachnutzungstradition des

ehemaligen Ausstellungspavillons fort. Er

hat dazu bereits eine Bauvoranfrage ge-

stellt, die erwarten lässt, dass auch zukünf-

tig eine denkmalgerechte Nutzung gewähr-

leistet sein wird. Neu ist, dass die bisher

ungepflegte Freifläche als Vorfahrt mit Stell-

plätzen gestaltet und zukünftig auch an-

gemessen gepflegt werden soll. (. . .) Ich be-

trachte es als glücklichen Umstand, dass ein

privater Nutzer gefunden wurde, der leis-

tungsfähig und versiert genug ist, das Ge-

bäude weiterhin zugänglich zu halten . . .

6. Berlin-imp 19.05.2004 9:46 Uhr Seite 49